Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...

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25.10.2012 Aufrufe

322 Bei der „Überlistung“ unsere Einschätzung von Nähe und Relevanz geht es um eine Mechanik, die der Medienforschung auch aus einem anderen Zusammenhang bekannt ist. Zuschauer von Serien tendieren dazu, mit den (wahrgenommenen, vorgestellten) Protagonisten dieser Serien eine in ihrer Vorstellung bestehende „parasoziale“ Beziehung 37 aufzubauen. Sie werden zu Freunden oder Bekannten, denen man wie anderen Freunden häufig im Nahbereich begegnet, also in dem Bereich, dem höchste Relevanz zukommt. 38 Zu (2): Weil sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die privaten Medienunternehmen möglichst hohe Einschaltquoten erzielen müssen, sind sie gezwungen, von Themen, Protagonisten und Darstellungsmitteln her Angebote zu entwickeln, die von den Mediennutzern als relevant wahrgenommen und dann als Information und/oder Unterhaltung verarbeitet werden. Damit sind sie bei Strafe des Untergangs gezwungen, auch mehr oder weniger stark mit Angst auslösenden Angeboten zu operieren. Dabei handelt es sich keineswegs um eine den Anbietern bzw. der Situation des Mediensystems einseitig zuzurechnende Tendenz. Gerade wegen der Verbindung von Relevanz und Angst werden entsprechende Angebote von den Nutzern nachgefragt! – Schauen wir zum Schluss deshalb auf die wichtigsten Felder, in denen Angst in den Medien verwendet wird: Zunächst ist natürlich der Bereich zu nennen, der von den traditionellen Einteilungen her als „Information“ bezeichnet wird, also Nachrichten, Magazine bzw. Dokumentationen zu Politik und Wirtschaft. In ihnen wird ständig und oft unvermeidlich von Ereignissen berichtet, die aufgrund der angesprochenen Mechanik als gleichermaßen wichtig, relevant und damit oft auch angsteinflößend gesehen werden können. Beispiele sind natürlich die Berichterstattung über den WTC- Anschlag, über die BSE-Seuche, Themen wie Wirtschaftskrise oder 37 Vgl. zu parasozialen Beziehungen die Beiträge in Vorderer, 1996. 38 Hier kann nicht diskutiert werden, ob und in welchem Maße die Betroffenheit vieler Bürger der westlichen Mediengesellschaften für die Probleme zum Beispiel der dritten Welt in diesem Sinne auch ein Medieneffekt ist.

323 viele Umweltthemen. Schließlich gehört hierher auch ein Teil der Berichterstattung über Verbrechen oder über Probleme von ethnischen oder sozialen Minderheiten bzw. Randgruppen. 39 Schaut man auf die Medienunterhaltung, so findet sich ebenfalls ein reichhaltiges Angebot an Themen, bei denen Angst eine Rolle spielt. Im nicht-fiktionalen Bereich finden sich so Berichte über Extremsportarten, etwa von Skifahrern, die außerhalb aller lawinensicheren Pisten (von der Darstellung her) allein durch Tiefschnee fahren und dabei über Felsvorsprünge springen. Wir finden außerdem Berichte über Menschen in den verschiedensten Ausnahmesituationen oder das Genre des „Reality TV“, bei dem Verbrechen, Unfälle usw. möglichst „naturgetreu“ „nachgespielt“ werden. Im fiktionalen Bereich haben wir schließlich Genres wie Thriller, Horror- und Katastrophenfilme, die ausschließlich auf das Spiel mit der Angst bauen. Den Sendern ist dieses Spiel durchaus bewusst, wie diese am 27. Oktober 2001 ausgestrahlte Werbung zeigt: Das Grauen hat einen Namen! Freuen sie sich auf „Die 13. Legende“! Heute Abend im Ersten. Literatur Barkow, Jerome H. (2001), „Universalien und evolutionäre Psychologie“, in: Hejl, Peter M. (Hg.), Universalien und Konstruktivismus, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 126-138 Becker, Peter E. (1988), Zur Geschichte der Rassenhygiene. Wege ins Dritte Reich, Teil I, Stuttgart: Thieme 39 So gab es in Frankreich 2002 nach dem ersten Wahlgang der Präsidentenwahl, bei dem der erwartete zweite Sieger, Ministerpräsident Jospin, vom Kandidaten des rechtspopulistischen Front National geschlagen wurde, eine Diskussion der Frage, ob und in welchem Maße insbesondere die Fernsehnachrichten, die in Frankreich oft mit aktuellen Berichten über aktuelle Verbrechen oder über Stadtviertel beginnen, die die Polizei nicht zu betreten wagt, zu dem Gefühl der Bedrohung beigetragen hat, das zu diesem Ergebnis führte. Vgl. dazu etwa Le Monde vom 11. Mai 2002, S. 20.

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viele Umweltthemen. Schließlich gehört hierher auch ein Teil der Berichterstattung<br />

über Verbrechen oder über Probleme <strong>von</strong> ethnischen<br />

oder sozialen Minderheiten bzw. Randgruppen. 39<br />

Schaut man auf die Medienunterhaltung, so findet sich ebenfalls ein<br />

reichhaltiges Angebot an Themen, bei denen <strong>Angst</strong> eine Rolle spielt.<br />

Im nicht-fiktionalen Bereich finden sich so Berichte über Extremsportarten,<br />

etwa <strong>von</strong> Skifahrern, die außerhalb aller lawinensicheren<br />

Pisten (<strong>von</strong> der Darstellung her) allein durch Tiefschnee fahren <strong>und</strong><br />

dabei über Felsvorsprünge springen. Wir finden außerdem Berichte<br />

über Menschen in den verschiedensten Ausnahmesituationen oder das<br />

Genre des „Reality TV“, bei dem Verbrechen, Unfälle usw. möglichst<br />

„naturgetreu“ „nachgespielt“ werden. Im fiktionalen Bereich haben<br />

wir schließlich Genres wie Thriller, Horror- <strong>und</strong> Katastrophenfilme,<br />

die ausschließlich auf das Spiel mit der <strong>Angst</strong> bauen. Den Sendern ist<br />

dieses Spiel durchaus bewusst, wie diese am 27. Oktober 2001 ausgestrahlte<br />

Werbung zeigt:<br />

Das Grauen hat einen Namen!<br />

Freuen sie sich auf „Die 13. Legende“!<br />

Heute Abend im Ersten.<br />

Literatur<br />

Barkow, Jerome H. (2001), „Universalien <strong>und</strong> evolutionäre Psychologie“, in: Hejl,<br />

Peter M. (Hg.), Universalien <strong>und</strong> Konstruktivismus, Frankfurt am Main: Suhrkamp,<br />

S. 126-138<br />

Becker, Peter E. (1988), Zur Geschichte der Rassenhygiene. Wege ins Dritte Reich,<br />

Teil I, Stuttgart: Thieme<br />

39 So gab es in Frankreich 2002 nach dem ersten Wahlgang der Präsidentenwahl,<br />

bei dem der erwartete zweite Sieger, Ministerpräsident Jospin, vom Kandidaten<br />

des rechtspopulistischen Front National geschlagen wurde, eine Diskussion der<br />

Frage, ob <strong>und</strong> in welchem Maße insbesondere die Fernsehnachrichten, die in<br />

Frankreich oft mit aktuellen Berichten über aktuelle Verbrechen oder über Stadtviertel<br />

beginnen, die die Polizei nicht zu betreten wagt, zu dem Gefühl der<br />

Bedrohung beigetragen hat, das zu diesem Ergebnis führte. Vgl. dazu etwa Le<br />

Monde vom 11. Mai 2002, S. 20.

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