Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...
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32 matik – teilweise erheblich zum Fortschritt im Verständnis der physiologischen Prozesse der Steuerung von Gefühlen und des Bewusstseins des Menschen beigetragen. Vergleichende experimentelle Untersuchungen bei Tieren und Menschen erfordern zunächst die Konzeptualisierung und Operationalisierung des Untersuchungsgegenstandes, in unserem Fall also des Zustandes der Furcht und der Angst. Üblicherweise wird eine begriffliche Trennung zwischen Furcht (reizgebunden und spezifisch) und Angst (unspezifisch und diffus) vorgenommen. Die meisten Untersuchungen zeigen aber, dass für beide Phänomene die gleichen neuronalen Systeme verantwortlich sind. In der Tradition der angelsächsischen Experimentalpsychologen werden positive und negative Affekte einfach durch Annäherungs- bzw. Abwendungs- oder Vermeidungsverhalten (Approach Withdrawal Behavior) operationalisiert. Sowohl im Tierversuch als auch beim Menschen sind im täglichen Leben tatsächlich viele Aspekte des Verhaltens gemäß einer solchen „eindimensionalen“ Auffassung von Emotionen organisiert. Dinge und Situationen, die uns Freude bereiten (es sind meist solche, die auch beim Tier dem Erhalt der Lebensfunktionen dienen, wie essen, trinken, Sozialkontakt, Sex und elterliche Fürsorge), suchen wir aktiv auf, während wir gefährliche oder aversive Situationen fliehen und deren Auftreten künftig zu vermeiden versuchen. Viele dieser Verhaltensweisen sind unbewusst und fast reflexartig gesteuert, wobei der Antrieb für das Verhalten (bzw. die physiologischen Reaktionen) von stammesgeschichtlich alten Hirnregionen stammt. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als die grundlegenden Selektionsdrucke für die Organismen (Gefahren vermeiden und dagegen solche Situationen aufsuchen, die der Erhaltung des Lebens dienen), und damit die ultimaten Ursachen für diese Anpassungen, sich im Verlauf der Stammesgeschichte nicht wesentlich verändert haben. Für eine verhaltensphysiologische Untersuchung von Emotionen und insbesondere für eine solche, die sich als vergleichende Untersuchung bei Menschen und Versuchstieren eignet, ist es sinnvoll, solche phy-
siologischen Parameter und Verhaltensweisen zu testen, die bei Mensch und Tier identisch sind; denn nur dann ist eine Übertragung der Schlussfolgerungen möglich. Änderungen der Herzrate, des Blutdrucks sowie des Hautwiderstandes oder einfache Körperreflexe, wie die Speichelsekretion oder die Schreckreaktion, eignen sich dafür besonders gut. Nach einer interessanten und für experimentelle Hirnforscher einflussreichen Theorie von Konorski, die bereits aus den sechziger Jahren stammt, hemmen sich die appetitiven und aversiven Motivationssysteme gegenseitig, sodass zum Beispiel für eine emotional positive Situation vorhergesagt wird, dass appetitives Verhalten und deren physiologische Reflexe gefördert werden, während aversives Verhalten unterdrückt wird (Opponent Process Theory). Umgekehrt sollten in einer aversiven Situation Abwendungs- oder Fluchtverhalten und entsprechende physiologische Reflexe gefördert werden, während appetitives Verhalten unterdrückt wird (Konorski, 1967). Unsere Alltagserfahrung bestätigt diese Theorie: In einer gefährlichen Situation denken wir nicht ans Essen! Konorskis theoretische Vorhersagen hat Peter Lang von der Universität in Gainesville (Florida) in den letzten Jahren erfolgreich an der akustisch auslösbaren Schreckreaktion des Menschen untersucht (Lang, 1995), während wir diese Theorie des „Motivational Priming“ im Tierversuch an Ratten bearbeitet haben (Koch, 1999). Ich will im Folgenden zeigen, welche Erkenntnisse über die neurobiologischen Grundlagen von Gefühlen aus den vergleichenden Untersuchungen von Peter Lang und meiner Arbeitsgruppe zur affektiven Modulation der Schreckreaktion hervorgegangen sind. Die Schreckreaktion ist ein verlässlich auslösbarer Schutzreflex, der durch intensive (laut) akustische Reize mit kurzer Anstiegsflanke (plötzlich) bei Ratten und Menschen in Gesichts- und Extremitätenmuskeln exakt gemessen werden kann. Interessanterweise sind die Hirnstrukturen, die diese Reaktion vermitteln, bei Menschen und Tieren identisch (Koch, 1999), wodurch die Vergleichbarkeit der physiologischen Befunde gewährleistet wird. Die Schreckreaktion ist ein 33
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matik – teilweise erheblich zum Fortschritt im Verständnis der physiologischen<br />
Prozesse der Steuerung <strong>von</strong> Gefühlen <strong>und</strong> des Bewusstseins<br />
des Menschen beigetragen.<br />
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erfordern zunächst die Konzeptualisierung <strong>und</strong> Operationalisierung<br />
des Untersuchungsgegenstandes, in unserem Fall also des<br />
Zustandes der <strong>Furcht</strong> <strong>und</strong> der <strong>Angst</strong>. Üblicherweise wird eine begriffliche<br />
Trennung zwischen <strong>Furcht</strong> (reizgeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> spezifisch) <strong>und</strong><br />
<strong>Angst</strong> (unspezifisch <strong>und</strong> diffus) vorgenommen. Die meisten Untersuchungen<br />
zeigen aber, dass für beide Phänomene die gleichen neuronalen<br />
Systeme verantwortlich sind.<br />
In der Tradition der angelsächsischen Experimentalpsychologen werden<br />
positive <strong>und</strong> negative Affekte einfach durch Annäherungs- bzw.<br />
Abwendungs- oder Vermeidungsverhalten (Approach Withdrawal<br />
Behavior) operationalisiert. Sowohl im Tierversuch als auch beim<br />
Menschen sind im täglichen Leben tatsächlich viele Aspekte des Verhaltens<br />
gemäß einer solchen „eindimensionalen“ Auffassung <strong>von</strong><br />
Emotionen organisiert. Dinge <strong>und</strong> Situationen, die uns Freude bereiten<br />
(es sind meist solche, die auch beim Tier dem Erhalt der Lebensfunktionen<br />
dienen, wie essen, trinken, Sozialkontakt, Sex <strong>und</strong> elterliche<br />
Fürsorge), suchen wir aktiv auf, während wir gefährliche oder<br />
aversive Situationen fliehen <strong>und</strong> deren Auftreten künftig zu vermeiden<br />
versuchen. Viele dieser Verhaltensweisen sind unbewusst <strong>und</strong><br />
fast reflexartig gesteuert, wobei der Antrieb für das Verhalten (bzw.<br />
die physiologischen Reaktionen) <strong>von</strong> stammesgeschichtlich alten<br />
Hirnregionen stammt. Dies ist insofern nicht verw<strong>und</strong>erlich, als die<br />
gr<strong>und</strong>legenden Selektionsdrucke für die Organismen (Gefahren vermeiden<br />
<strong>und</strong> dagegen solche Situationen aufsuchen, die der Erhaltung<br />
des Lebens dienen), <strong>und</strong> damit die ultimaten Ursachen für diese Anpassungen,<br />
sich im Verlauf der Stammesgeschichte nicht wesentlich<br />
verändert haben.<br />
Für eine verhaltensphysiologische Untersuchung <strong>von</strong> Emotionen <strong>und</strong><br />
insbesondere für eine solche, die sich als vergleichende Untersuchung<br />
bei Menschen <strong>und</strong> Versuchstieren eignet, ist es sinnvoll, solche phy-