Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...
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284 „normaler“ psychologischer Prozesse in die Sprache der Betroffenen zu „übersetzen“, um diesen die Möglichkeit zu geben, die Vorgänge von ihrem Standpunkt aus zu verstehen und sich schließlich selbst zu helfen. Dabei können durchaus praktische Ratschläge gegeben werden, zum Beispiel wie Spukphänomene zum Verschwinden gebracht werden können oder wie man mit „spiritistischen Botschaften“ umgeht. Dabei ist es nicht unbedingt nötig, den Betroffenen ihre „Geistervorstellung“ auszureden, denn dies bedeutet in den meisten Fällen, dass für sie der Eindruck entsteht, als würde man ihnen ihre Erlebnisse nicht abnehmen. Es ist aber unbedingt notwendig, die Eigenschaften von „Geistern“ – also von selbstorganisierenden psychophysikalischen Systemen – zu kennen, wenn man den Betroffenen wirklich helfen will. Geisterfurcht ist somit der erste Schritt zu einer therapeutischen Intervention, weil sie im Kern den Ansatz zur Benennung und somit zur Beschreibung und Behandlung enthält. Die namenlose überwältigende Angst vor dem Numinosen bietet diesen Ansatzpunkt nicht, sie ist strukturlos und bietet keine „Benutzeroberfläche“. Hans Bender hat mehrfach darauf hingewiesen, dass Spukgeschehnisse als unbewusste „Hilferufe“ der Spukauslöser an ihre Mitmenschen verstanden werden müssen (Bender, 1977). Der Vorteil der systemtheoretischen Betrachtungsweise besteht vor allem darin, dass es zunächst gar nicht notwendig ist, jedes einzelne Phänomen auf seine „Echtheit“ zu untersuchen, denn die entscheidenden Interaktionen zwischen den Spukbeteiligten und ihren Beobachtern müssen nicht unbedingt „paranormal“ sein. Nach dem MPI kann man tatsächlich etwas gegen den Spuk unternehmen, sofern er nicht nach einiger Zeit von selbst aufhört (was übrigens recht oft der Fall ist). Auf keinen Fall sollte man versuchen, einen Exorzismus oder eine Geisteraustreibung durch einen selbsternannten „Parapsychologen“ oder „Magier“ durchführen zu lassen. Dies wäre eine falsche Verwendung der „Benutzeroberfläche“ Gespensterfurcht. Abgesehen davon, dass die Betroffenen ihr Geld für meist phantastisch hohe Honorare
285 los sind, „kümmert“ sich der Spuk im allgemeinen überhaupt nicht um ein solches Verfahren, meist wird er danach noch „schlimmer“. Der Exorzismus lenkt im allgemeinen von den wahren Ursachen ab und verstärkt die oben erwähnte Externalisierung. Es gibt aber zwei Methoden, die sich sehr bewährt haben. Ich möchte sie als „Aushungern“ und als „Festbinden“ bezeichnen. Das „Aushungern“ besteht darin, dass man dem Spuk keinerlei „Aufmerksamkeit mehr schenkt“, den hiervon „ernährt“ er sich gewissermaßen. Gespenster „leben“ von der Aufmerksamkeit, die man ihnen zollt. Dies bedeutet nicht, dass man sie verleugnen oder so tun sollte, als ob es sie nicht gäbe. Man sollte auch nicht versuchen, sie zu „bekämpfen“. „Keine Aufmerksamkeit schenken“ heißt, dass man ihnen keine Bedeutung beimessen soll, sich also nicht mehr davor fürchten oder sein Handeln von ihnen bestimmen lassen soll. Es kann durchaus sein, dass der Spuk dann am Anfang etwas „wilder“ wird, um die Aufmerksamkeit, die der „Geist zu Leben braucht“, wieder herzustellen. Man soll sich davon nicht beeindrucken lassen – das ist freilich leichter gesagt als getan. Das „Festbinden“ ist aufwendiger: Es beinhaltet eine möglichst perfekte Dokumentation aller Vorkommnisse. Im Prinzip müsste man in jedem Raum eine Videokamera installieren, die jedes Vorkommnis aufzeichnet. Man hat festgestellt, dass dann nichts mehr passiert. Je mehr man sich bemüht die Vorkommnisse zu objektivieren, umso weniger wird passieren. Natürlich sind diese beiden Methoden nicht ganz unabhängig voneinander, weil durch eine Dokumentation ja schon die Bedeutung, die der Spuk für einen hat, geändert wird. Statt sich davor zu fürchten, ist man nun an einer Untersuchung interessiert – oder anders ausgedrückt: „Gespenster sind beobachtungsscheu“. Schließlich muss man den Betroffenen – wenn möglich – klar machen, dass der Spuk immer etwas mit ihnen selbst zu tun hat (Lucadou und Poser, 1997). Man kann auch ohne die oben dargelegten theoretischen Details den Betroffenen nahe bringen, dass seelische Probleme „ein gefundenes Fressen“ für den Spuk sind und er oft geradezu wie ein „real gewordener Traum“ oder ein Gespenst
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um ein solches Verfahren, meist wird er danach noch „schlimmer“.<br />
Der Exorzismus lenkt im allgemeinen <strong>von</strong> den wahren Ursachen ab<br />
<strong>und</strong> verstärkt die oben erwähnte Externalisierung.<br />
Es gibt aber zwei Methoden, die sich sehr bewährt haben. Ich möchte<br />
sie als „Aushungern“ <strong>und</strong> als „Festbinden“ bezeichnen.<br />
Das „Aushungern“ besteht darin, dass man dem Spuk keinerlei „Aufmerksamkeit<br />
mehr schenkt“, den hier<strong>von</strong> „ernährt“ er sich gewissermaßen.<br />
Gespenster „leben“ <strong>von</strong> der Aufmerksamkeit, die man ihnen<br />
zollt. Dies bedeutet nicht, dass man sie verleugnen oder so tun sollte,<br />
als ob es sie nicht gäbe. Man sollte auch nicht versuchen, sie zu<br />
„bekämpfen“. „Keine Aufmerksamkeit schenken“ heißt, dass man<br />
ihnen keine Bedeutung beimessen soll, sich also nicht mehr davor<br />
fürchten oder sein Handeln <strong>von</strong> ihnen bestimmen lassen soll. Es kann<br />
durchaus sein, dass der Spuk dann am Anfang etwas „wilder“ wird,<br />
um die Aufmerksamkeit, die der „Geist zu Leben braucht“, wieder<br />
herzustellen. Man soll sich da<strong>von</strong> nicht beeindrucken lassen – das ist<br />
freilich leichter gesagt als getan.<br />
Das „Festbinden“ ist aufwendiger: Es beinhaltet eine möglichst perfekte<br />
Dokumentation aller Vorkommnisse. Im Prinzip müsste man in<br />
jedem Raum eine Videokamera installieren, die jedes Vorkommnis<br />
aufzeichnet. Man hat festgestellt, dass dann nichts mehr passiert. Je<br />
mehr man sich bemüht die Vorkommnisse zu objektivieren, umso<br />
weniger wird passieren. Natürlich sind diese beiden Methoden nicht<br />
ganz unabhängig <strong>von</strong>einander, weil durch eine Dokumentation ja<br />
schon die Bedeutung, die der Spuk für einen hat, geändert wird. Statt<br />
sich davor zu fürchten, ist man nun an einer Untersuchung interessiert<br />
– oder anders ausgedrückt: „Gespenster sind beobachtungsscheu“.<br />
Schließlich muss man den Betroffenen – wenn möglich – klar<br />
machen, dass der Spuk immer etwas mit ihnen selbst zu tun hat<br />
(Lucadou <strong>und</strong> Poser, 1997). Man kann auch ohne die oben dargelegten<br />
theoretischen Details den Betroffenen nahe bringen, dass<br />
seelische Probleme „ein gef<strong>und</strong>enes Fressen“ für den Spuk sind <strong>und</strong><br />
er oft geradezu wie ein „real gewordener Traum“ oder ein Gespenst