Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...
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218 Über das diagnostische Abgrenzungsproblem hinaus interessiert die Persönlichkeit eines Patienten den Therapeuten natürlich auch im Hinblick auf ein besseres Verständnis der speziellen Lebenssituation des Kranken, die ja entscheidend von seiner Persönlichkeit mitbestimmt wird. Sie interessiert zudem im Hinblick auf die therapeutischen und rehabilitativen Einwirkungsmöglichkeiten, die ebenfalls wesentlich von Persönlichkeitsfaktoren abhängen und durch sie womöglich stark eingeschränkt werden; andererseits können solche Faktoren auch Ressourcen darstellen, die sich therapeutisch nutzen lassen. Schließlich geht es bei Fragen nach der prämorbiden Persönlichkeit um die auch theoretisch bedeutsame Problematik der Vulnerabilität (v. Zerssen, 1994): Wieweit tragen Persönlichkeitsfaktoren zur Entstehung einer bestimmten psychischen Störung – zum Beispiel einer Angststörung – bei, und zwar generell wie im konkreten Einzelfall? Umgekehrt könnten bestimmte Persönlichkeitsfaktoren auch protektiv im Sinne von Schutzfaktoren wirken, der Entstehung einer aktuellen Störung also eher entgegenwirken bzw. deren Überwindung fördern, was für Prognose und Therapie von Bedeutung wäre. Wir sind dieser Problematik in Auswertungen von Patientenbiographien, wie sie in narrativer Form in Krankengeschichten niedergelegt waren, nachgegangen (Pössl und v. Zerssen, 1990, siehe auch v. Zerssen 2001). Dazu wurden die Angaben zur persönlichen Lebensgeschichte von Angstpatienten und Patienten mit anderen Formen körperlich nicht begründbarer psychischer Störungen vergleichend auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin geprüft. Auf methodische Details kann hier nicht näher eingegangen werden. Es sollen nur die für unser Thema wichtigsten Ergebnisse kurz resümiert werden, wobei wir uns auf die Darstellung von Vulnerabilitätsfaktoren beschränken müssen. Bei Patienten mit Angststörungen, aber auch solchen mit anderen „neurotischen“ Störungen (zum Beispiel Dysthymien in Verbindung mit nicht-melancholischen Formen einer „major depression“) und ebenfalls bei schizophrenen Patienten fanden sich vergleichsweise
219 häufig zwei Konstellationen solcher Persönlichkeitszüge, wie sie in ähnlichen Formulierungen auch als Items von Neurotizismus-Skalen dienen. Wegen dieser Ähnlichkeit der Einzelmerkmale mit entsprechenden Fragebogen-Items haben wir diese Merkmalskonstellationen zusammenfassend als „neurotoide Typen“ bezeichnet und sie den bei Patienten mit gravierenden Formen rein affektiver Störungen dominierenden „affektiven Typen“ gegenübergestellt. Die häufigere Form „neurotoider Typen“ (Tabelle 2, S. 216) wurde von uns rein deskriptiv als „ängstlich-unsicherer Typ“ bezeichnet, da Züge von Ängstlichkeit und Selbstunsicherheit von Kindesbeinen an das Bild beherrschten (linke Spalte). Dieser Typ repräsentiert somit die Ängstlichkeit „in Reinkultur“. Offenkundig korrespondiert er mit dem, was in der US-amerikanischen Literatur als „behavioral inhibition“ bezeichnet wird. Die andere Form einer „neurotoiden“ Konstellation von Persönlichkeitszügen ist hingegen mehr durch Reizbarkeit und innere Gespanntheit charakterisiert, was in ihrer Bezeichnung als „nervös-gespannter Typ“ zum Ausdruck gebracht wird (rechte Spalte). Von den beiden Formen „affektiver Typen“ (Tabelle 3, S. 217) interessiert hier weniger der in ähnlichen Ausdrücken schon von psychoanalytischen Autoren (Mendelson, 1976) und besonders plastisch von Tellenbach (1983) beschriebene „Typus melancholicus“ (linke Spalte), der vor allem bei Patienten mit einer gravierenden unipolaren „major depression“ melancholischer Prägung anzutreffen ist (v. Zerssen, 1999). Vielmehr ist der von ihm grundverschiedene „Typus manicus“ (v. Zerssen, 1988) hervorzuheben (rechte Spalte), der vornehmlich bei den seltenen Formen einer sogenannten bipolaren (das heißt manisch-depressiven) Störung mit deutlichem Überwiegen der manischen Anteile vorherrscht; denn er stellt gewissermaßen das Gegenteil des „ängstlich-unsicheren Typs“ dar. Bei ihm findet sich schon von Kindheit an eine erhöhte Risikobereitschaft, wie sie beim „ängstlich-unsicheren Typ“ grundsätzlich vermisst wird.
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Über das diagnostische Abgrenzungsproblem hinaus interessiert die<br />
Persönlichkeit eines Patienten den Therapeuten natürlich auch im<br />
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des Kranken, die ja entscheidend <strong>von</strong> seiner Persönlichkeit mitbestimmt<br />
wird. Sie interessiert zudem im Hinblick auf die therapeutischen<br />
<strong>und</strong> rehabilitativen Einwirkungsmöglichkeiten, die ebenfalls<br />
wesentlich <strong>von</strong> Persönlichkeitsfaktoren abhängen <strong>und</strong> durch sie<br />
womöglich stark eingeschränkt werden; andererseits können solche<br />
Faktoren auch Ressourcen darstellen, die sich therapeutisch nutzen<br />
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Schließlich geht es bei Fragen nach der prämorbiden Persönlichkeit<br />
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(v. Zerssen, 1994): Wieweit tragen Persönlichkeitsfaktoren zur Entstehung<br />
einer bestimmten psychischen Störung – zum Beispiel einer<br />
<strong>Angst</strong>störung – bei, <strong>und</strong> zwar generell wie im konkreten Einzelfall?<br />
Umgekehrt könnten bestimmte Persönlichkeitsfaktoren auch protektiv<br />
im Sinne <strong>von</strong> Schutzfaktoren wirken, der Entstehung einer aktuellen<br />
Störung also eher entgegenwirken bzw. deren Überwindung fördern,<br />
was für Prognose <strong>und</strong> Therapie <strong>von</strong> Bedeutung wäre.<br />
Wir sind dieser Problematik in Auswertungen <strong>von</strong> Patientenbiographien,<br />
wie sie in narrativer Form in Krankengeschichten niedergelegt<br />
waren, nachgegangen (Pössl <strong>und</strong> v. Zerssen, 1990, siehe auch<br />
v. Zerssen 2001). Dazu wurden die Angaben zur persönlichen Lebensgeschichte<br />
<strong>von</strong> <strong>Angst</strong>patienten <strong>und</strong> Patienten mit anderen Formen<br />
körperlich nicht begründbarer psychischer Störungen vergleichend<br />
auf Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiede hin geprüft. Auf<br />
methodische Details kann hier nicht näher eingegangen werden. Es<br />
sollen nur die für unser Thema wichtigsten Ergebnisse kurz resümiert<br />
werden, wobei wir uns auf die Darstellung <strong>von</strong> Vulnerabilitätsfaktoren<br />
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Bei Patienten mit <strong>Angst</strong>störungen, aber auch solchen mit anderen<br />
„neurotischen“ Störungen (zum Beispiel Dysthymien in Verbindung<br />
mit nicht-melancholischen Formen einer „major depression“) <strong>und</strong><br />
ebenfalls bei schizophrenen Patienten fanden sich vergleichsweise