Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...

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152 weiter davon aus, dass diese noradrenergen Verbindungen auch einen wichtigen Einfluss auf die zentralnervöse Kontrolle der Emotionen, der Motorik und vegetativer Funktionen wie der Herzkreislauf-Aktivität haben (Stahl, 2000). Bei einer akuten Angstattacke kommt es aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer noradrenergen Überaktivität. Die dabei zu beobachtenden klinischen Phänomene passen zu den bekannten Projektionen bzw. Funktionssystemen: Die noradrenerge Überaktivierung des präfrontalen Cortex führt zu ängstlich übersteigerter Aufmerksamkeit. Die Aktivierung des Frontalhirns sowie limbischer Strukturen erklärt das Angsterleben, die motorische Unruhe und gesteigerte Konditionierbarkeit. Das für Panikattacken typische Zittern lässt sich durch vegetative Übererregung bzw. die Erregung des Kleinhirns erklären. Der noradrenerge Einfluss auf vegetative Zentren erklärt die Blutdruck- und Herzschlagsteigerung, das Schwitzen und die Schlaflosigkeit angstgequälter Patienten (Stahl, 2000). Vor einiger Zeit wurde der Noradrenalinstoffwechsel anhand des Plasmaspiegels des Noradrenalinabbauprodukts MHPG (3-methoxy- 4-hydroxyphenyglycol) untersucht (Coplan et al., 1997a). Die Mittelwerte der Blutspiegel von Panikpatienten und Kontrollen waren nicht signifikant verschieden. Untersuchte man hingegen die Schwankungsbreite des MHPG-Spiegels bei den einzelnen Versuchspersonen, zeigte sich bei den Panikpatienten unter Provokationsbedingungen eine wesentlich gesteigerte Volatilität. Dies spricht für eine größere Sensibilität des Noradrenalinmechanismus bei Panikpatienten. Von Bedeutung ist vermutlich auch die noradrenalinabhängige Aktivierung der Hypothalmus-Hypophysen-Nebennierenachse. Infolge verstärkter Noradrenalinaktivität kommt es zu einer erhöhten Ausschüttung an CRF (Corticotropin Realeasing Hormone) und STH (Wachstumshormon). Ersteres ist für die Aktivierung der bekannten Stressreaktionskaskade verantwortlich. Die damit einhergehende Steigerung der Cortisolspiegel hat wiederum einen angstsensibilisierenden Effekt auf verschiedene Komponenten des Angstnetzwerks. Einige dieser Effekte scheinen, wie man aufgrund von Tierversuchen

153 vermuten muss, mit dauerhaften Veränderungen einherzugehen (Coplan et al., 1997a). Der adrenerge Effekt auf das Wachstumshormon lässt sich bei gesunden Kontrollen durch Clonidin, das den noradernergen Input herunterreguliert, dämpfen. Dies ist bei Panikpatienten (ebenso wie bei Depressiven und Patienten mit einer Generalisierten Angststörung) nicht der Fall. Die Stabilität dieses Befundes könnte für einen „trait“- oder Vulnerabilitätsmarker sprechen (Coplan et al., 2000). Medikamente, die unmittelbar in die überschießende noradrenerge Neurotransmission eingreifen, erzielen eine schnelle Abdämpfung der vegetativen Symptome. Möglich ist dies mit Hilfe der β-Rezeptorenblocker, die den erregenden Einfluss des Exzess-Noradrenalins am Rezeptor begegnen, oder mit dem blutdrucksenkenden Mittel Clonidin, einem präsynaptischen α2-Agonisten, der demselben Exzess durch die Stimulation hemmender Autorezeptoren entgegen wirkt. Umgekehrt haben Pharmaka, die – wie Koffein oder Yohimbin – den Noradrenalineffekt steigern, einen angstverstärkenden, panikogenen Effekt. Von größerer, weil nachhaltigerer praktischer Bedeutung sind die noradrenerg wirksamen Antidepressiva, die mit einer unterschiedlich langen zeitlichen Verzögerung (wenige Tage bis sechs Wochen) zu einer „down“-Regulation der adrenergen β-Rezeptoren führen. Infolge der so erreichten geringeren Ansprechbarkeit noradrenerger Rezeptoren kommt es zu einer Dämpfung des zu leicht erregbaren Noradrenalin-Systems. Zu den Antidepressiva, die diesen Effekt erzielen, gehören die trizyklischen Antidepressiva, die Monoaminoxydasehemmer und die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (Shiloh et al., 1999). Die genannten Medikamente sind bei der klinischen Behandlung von Panikpatienten wirksam. Allerdings sprechen weniger als 60 Prozent der Behandelten auf die Therapie an. Vollständige Remissionen sind eine Seltenheit. Hinsichtlich ihrer differentiellen Wirksamkeit scheinen die Monoaminooxidasehemmer und die Serotonin-Noradrenalin- Wiederaufnahmehemmer den klassischen Trizyklika überlegen zu sein. Alle genannten Antidepressiva wirken besser als Placebo, sind

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vermuten muss, mit dauerhaften Veränderungen einherzugehen<br />

(Coplan et al., 1997a). Der adrenerge Effekt auf das Wachstumshormon<br />

lässt sich bei ges<strong>und</strong>en Kontrollen durch Clonidin, das den noradernergen<br />

Input herunterreguliert, dämpfen. Dies ist bei Panikpatienten<br />

(ebenso wie bei Depressiven <strong>und</strong> Patienten mit einer Generalisierten<br />

<strong>Angst</strong>störung) nicht der Fall. Die Stabilität dieses Bef<strong>und</strong>es<br />

könnte für einen „trait“- oder Vulnerabilitätsmarker sprechen (Coplan<br />

et al., 2000).<br />

Medikamente, die unmittelbar in die überschießende noradrenerge<br />

Neurotransmission eingreifen, erzielen eine schnelle Abdämpfung der<br />

vegetativen Symptome. Möglich ist dies mit Hilfe der β-Rezeptorenblocker,<br />

die den erregenden Einfluss des Exzess-Noradrenalins am<br />

Rezeptor begegnen, oder mit dem blutdrucksenkenden Mittel Clonidin,<br />

einem präsynaptischen α2-Agonisten, der demselben Exzess<br />

durch die Stimulation hemmender Autorezeptoren entgegen wirkt.<br />

Umgekehrt haben Pharmaka, die – wie Koffein oder Yohimbin – den<br />

Noradrenalineffekt steigern, einen angstverstärkenden, panikogenen<br />

Effekt. Von größerer, weil nachhaltigerer praktischer Bedeutung sind<br />

die noradrenerg wirksamen Antidepressiva, die mit einer unterschiedlich<br />

langen zeitlichen Verzögerung (wenige Tage bis sechs Wochen)<br />

zu einer „down“-Regulation der adrenergen β-Rezeptoren führen.<br />

Infolge der so erreichten geringeren Ansprechbarkeit noradrenerger<br />

Rezeptoren kommt es zu einer Dämpfung des zu leicht erregbaren<br />

Noradrenalin-Systems. Zu den Antidepressiva, die diesen Effekt erzielen,<br />

gehören die trizyklischen Antidepressiva, die Monoaminoxydasehemmer<br />

<strong>und</strong> die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer<br />

(Shiloh et al., 1999).<br />

Die genannten Medikamente sind bei der klinischen Behandlung <strong>von</strong><br />

Panikpatienten wirksam. Allerdings sprechen weniger als 60 Prozent<br />

der Behandelten auf die Therapie an. Vollständige Remissionen sind<br />

eine Seltenheit. Hinsichtlich <strong>ihre</strong>r differentiellen Wirksamkeit scheinen<br />

die Monoaminooxidasehemmer <strong>und</strong> die Serotonin-Noradrenalin-<br />

Wiederaufnahmehemmer den klassischen Trizyklika überlegen zu<br />

sein. Alle genannten Antidepressiva wirken besser als Placebo, sind

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