Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...
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Andreas Paul Angst: eine evolutionsbiologische Perspektive 1 Einleitung: Wer hat Angst vorm bösen Wolf? Manch eine(r) kennt das Gefühl: Kurz bevor man ins Rampenlicht tritt, werden die Knie weich, der Mund wird trocken, die Stimme heiser und unbestimmt, und man fürchtet, sie könne gleich gänzlich versagen ... Sie treten ans Pult und schielen nach dem Wasserglas, das eine gute Seele bereitgestellt hat, rühren es aber nicht an, um nicht gänzlich aus dem Konzept zu kommen. „Lampenfieber“ ist die etwas euphemistische Bezeichnung für dieses Gefühl, aber die Symptome, die es begleiten, hatte Charles Darwin schon 1872 in seinem Buch über den „Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren“ beschrieben – unter dem Stichwort „fear“ (Furcht): „Eines der am besten ausgesprochenen Symptome ist das Erzittern aller Muskeln des Körpers; dies zeigt sich häufig zuerst an den Lippen. Aus dieser Ursache und wegen der Trockenheit des Mundes wird die Stimme heiser und unbestimmt oder kann auch gänzlich versagen.“ (Darwin, 2000 [1872]: S. 328). Lampenfieber ist eine der vielfältigen Formen von Angst: Angst davor, im Zentrum der Aufmerksamkeit vieler, nicht nur vertrauter Personen zu stehen. Aber warum sollte uns das Angst machen? Es wird dir schon niemand den Kopf abreißen, pflegte meine Mutter immer zu sagen. Wohl wahr: Dass der Geschichtenerzähler, der sein Publikum nicht befriedigte, einen Kopf kürzer gemacht wurde, soll zwar vorgekommen sein, dürfte unter den heutigen Gegebenheiten aber doch wohl eher unwahrscheinlich sein. Warum also ist unser Nervenkostüm so dünn? Und warum beziehen sich so viele unserer Ängste auf Situationen, die keinerlei Gefahr für Leib und Leben darstellen? Angst ist ein merkwürdiges Phänomen: Sie kann uns zu Höchstleistungen anspornen, uns aber auch lähmen. Spitzhörnchen können, wie
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Andreas Paul<br />
<strong>Angst</strong>: eine evolutionsbiologische Perspektive<br />
1 Einleitung: Wer hat <strong>Angst</strong> vorm bösen Wolf?<br />
Manch eine(r) kennt das Gefühl: Kurz bevor man ins Rampenlicht<br />
tritt, werden die Knie weich, der M<strong>und</strong> wird trocken, die Stimme<br />
heiser <strong>und</strong> unbestimmt, <strong>und</strong> man fürchtet, sie könne gleich gänzlich<br />
versagen ... Sie treten ans Pult <strong>und</strong> schielen nach dem Wasserglas, das<br />
eine gute Seele bereitgestellt hat, rühren es aber nicht an, um nicht<br />
gänzlich aus dem Konzept zu kommen. „Lampenfieber“ ist die etwas<br />
euphemistische Bezeichnung für dieses Gefühl, aber die Symptome,<br />
die es begleiten, hatte Charles Darwin schon 1872 in seinem Buch<br />
über den „Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen <strong>und</strong><br />
den Tieren“ beschrieben – unter dem Stichwort „fear“ (<strong>Furcht</strong>):<br />
„Eines der am besten ausgesprochenen Symptome ist das Erzittern<br />
aller Muskeln des Körpers; dies zeigt sich häufig zuerst an den Lippen.<br />
Aus dieser Ursache <strong>und</strong> wegen der Trockenheit des M<strong>und</strong>es wird<br />
die Stimme heiser <strong>und</strong> unbestimmt oder kann auch gänzlich versagen.“<br />
(Darwin, 2000 [1872]: S. 328). Lampenfieber ist eine der vielfältigen<br />
Formen <strong>von</strong> <strong>Angst</strong>: <strong>Angst</strong> davor, im Zentrum der Aufmerksamkeit<br />
vieler, nicht nur vertrauter Personen zu stehen.<br />
Aber warum sollte uns das <strong>Angst</strong> machen? Es wird dir schon niemand<br />
den Kopf abreißen, pflegte meine Mutter immer zu sagen. Wohl<br />
wahr: Dass der Geschichtenerzähler, der sein Publikum nicht befriedigte,<br />
einen Kopf kürzer gemacht wurde, soll zwar vorgekommen<br />
sein, dürfte unter den heutigen Gegebenheiten aber doch wohl eher<br />
unwahrscheinlich sein. Warum also ist unser Nervenkostüm so dünn?<br />
Und warum beziehen sich so viele unserer Ängste auf Situationen, die<br />
keinerlei Gefahr für Leib <strong>und</strong> Leben darstellen?<br />
<strong>Angst</strong> ist ein merkwürdiges Phänomen: Sie kann uns zu Höchstleistungen<br />
anspornen, uns aber auch lähmen. Spitzhörnchen können, wie