Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...
Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ... Angst, Furcht und ihre Bewältigung - oops - Carl von Ossietzky ...
102 Stärke zurück. Es ist eine erfreuliche Nebenerscheinung, dass durch die Verhaltenstherapie, die nicht im Verdacht steht, dies anzustreben, psychoanalytische Hypothesen über Wirkungsmechanismen bestätigt werden. Verhaltenstherapeutische Erfolge werfen zugleich die Frage auf, inwieweit psychoanalytische Misserfolge damit zusammenhängen, dass es eine Art der Neutralität gibt, durch welche die Selbstsicherheit fortlaufend geschwächt wird und Patienten hilfloser werden. Aus der modernen psychoanalytischen Angsttheorie ergeben sich also fundamentale Auswirkungen auf die Psychoanalyse als therapeutischer Methode. Die soeben zusammengefassten Erkenntnisse über die eindeutige Psychogenese scheinbar „spontan“ oder „endogen“ auftretender Angstanfälle sind neueren Datums (Bassler, 2000a; 2000b; Busch et al., 1991; 1999; 2001; Hoffmann, 1984, 1986; Milrod, 1995; Milrod et al., 1997, 2000; Mentzos, 1984; Thomä und Kächele, 1997). Freud hat zwar den Angstanfall vorbildlich und vollständig beschrieben, aber dazu eine falsche physiologische (metapsychologische) Theorie geliefert. Wo die frühe Theorie über die sogenannten Aktualneurosen als gültig angenommen wurde, stagnierte die analytische Psychotherapie von Panikattacken und Hypochondrien. Hier ist eine erfreuliche Übereinstimmung zwischen Verhaltenstherapeuten und Psychoanalytikern festzustellen: Die neurobiologische Theorie der Panikattacken hat sich als ebenso falsch erwiesen wie Freuds metapsychologische, libido-ökonomische Erklärung der Angstneurosen. Die Behauptung über angeblich „spontan“ oder „endogen“ im limbischen System entstehende Panikattacken, die von den amerikanischen Psychiatern D.F. Klein (1981) sowie Sheehan and Sheehan (1983), die ihre Theorie pharmakotherapeutisch mit der speziellen Wirksamkeit trizyklischer Antidepressiva begründeten, aufgestellt wurde, wurde aus verhaltenstherapeutischer Sicht unter anderem von Lelliott und Marks (1988) zurückgewiesen und von Margraf und Ehlers als widerlegt angesehen (Ehlers und Margraf, 1990). Bedenkt man, dass Rickels und Schweizer (1987) im Zusammenhang mit der „Current Pharmacotherapy of Anxiety and Panic“ von einem Wandel der psy-
103 chiatrischen Weltanschauung gesprochen haben, trifft diese Widerlegung mehr als einen Trend der modernen Psychiatrie. Denn es wird bei dieser weltanschaulichen Wende fast immer impliziert, nun sei auch für die Neurosen das ursächliche, zerebrale Substrat gefunden. Als Verhaltenstherapeuten haben Basoglu und Marks (1989) den Protagonisten einer „endogenen“ Entstehung der Panikattacken vorgehalten, dass diese Pharmakopsychiater verhaltenstherapeutische Erkenntnisse einfach ignorieren. Als Psychoanalytiker kann ich mich dieser Klage anschließen. Selbst renommierte Psychiater wie Möller (1994) unterlassen es, bei der Darstellung pharmakotherapeutischer Vergleichsstudien zu betonen, dass Benzodiazepine oder Antidepressiva lediglich symptomatisch bzw. palliativ wirken und im Rahmen einer Psychotherapie supportiv eingesetzt werden sollten (Häfner, 1987, S. 203; Kapfhammer, 1998). Andernfalls wird durch die Medikation dem Patienten gegenüber impliziert, als handele es sich bei den zentral-nervösen Begleiterscheinungen der Angst um deren „endogene“ Ursache. 7 Furcht und Angst Unabhängig voneinander gelangten Kierkegaard und Freud zur Unterscheidung von Angst und Furcht. Danach bezöge sich die Furcht auf etwas Bestimmtes, Angst sei dagegen eine gegenstandslose Stimmung. In der Alltagssprache werden Angst und Furcht freilich gleichbedeutend verwendet. Auch der Philosoph Walter Schulz (1965) hält die Unterscheidung zwischen Angst und Furcht aus sprachlichen und psychologischen Gründen für problematisch. Da jedoch Martin Heidegger von Kierkegaards Angstverständnis ausgegangen ist, blieb Schulz der Unterscheidung treu. 4 4 Besagt die philosophische Aussage, dass das Sein in der Welt der Grund der Angst ist, viel mehr als die schlichte Feststellung, dass Angst zum Leben gehört? Schulz scheint diesen Sachverhalt im Auge zu haben, wenn er Heideggers Inder-Welt-Sein als Grund der Angst durch den ersten Teil des Wortes Jesu Christi aus dem Johannesevangelium (16, 33) erläutert: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Gewöhnlichen Menschen ist diese Überwindung unmöglich. Ihr Leben ist bis zum Tod von Angst begleitet.
- Seite 51 und 52: Persönlichkeitsstörung und Gedäc
- Seite 53 und 54: ungen und Depressionen (Brady et al
- Seite 55 und 56: EPISODISCHES GEDÄCHTNIS Meine letz
- Seite 57 und 58: Abb. 3: Darstellung des Zusammenhan
- Seite 59 und 60: mationen durch homologe Regionen de
- Seite 61 und 62: Neben den zum Teil vergleichbaren G
- Seite 63 und 64: Tabelle 2: Fälle mit psychogen-fun
- Seite 65 und 66: Studie Patientencharakteristika Mar
- Seite 67 und 68: Aufgrund der phänomenologischen Ä
- Seite 69 und 70: zwischen kontrollierbarem und unkon
- Seite 71 und 72: corticale und subcorticale Netzwerk
- Seite 73 und 74: Insbesondere die Spezifität der Ge
- Seite 75 und 76: Blackburn-Munro, G. und Blackburn-M
- Seite 77 und 78: Franklin, C.L. und Zimmerman, M. (2
- Seite 79 und 80: Mackenzie Ross, S. (2000), “Profo
- Seite 81 und 82: models of neurodegenerative disease
- Seite 83: Wheeler, M.A. Stuss, D.T. und Tulvi
- Seite 87 und 88: Helmut Thomä Sitzt die Angst in de
- Seite 89 und 90: iologie sind mit dem Körper identi
- Seite 91 und 92: Symptomen, ohne Rücksicht auf dere
- Seite 93 und 94: different ausdrücken, aber psycho-
- Seite 95 und 96: 5 Trauma und Angst Dem DSM kann nic
- Seite 97 und 98: mende medizinische Begriff ist wede
- Seite 99 und 100: (Bartlett, 1932) in seiner vielfäl
- Seite 101: 101 (und dazu gehört auch immer: F
- Seite 105 und 106: 105 nächsten kommen, werden die zu
- Seite 107 und 108: 107 im Sinne von Spielbergers (1980
- Seite 109 und 110: 109 Der zuhörende Psychoanalytiker
- Seite 111 und 112: 111 gestellte Korrelationen darübe
- Seite 113 und 114: 113 befreit. Das gesunde Gehirn ist
- Seite 115 und 116: 115 Wie angekündigt gebe ich nun e
- Seite 117 und 118: 117 verstanden werden. Damit kann d
- Seite 119 und 120: 119 Busch, F.N. Milrod, B.L. Rudden
- Seite 121 und 122: 121 Kalin, N. (1994), „Neurobiolo
- Seite 123: 123 Senden, M. von (1932), Raum- un
- Seite 126 und 127: 126 Tabelle 1: Diagnostische Kriter
- Seite 128 und 129: 128 onelle Hilfe suchen (Shores et
- Seite 130 und 131: 130 Costello, 1993). Bei einem Verg
- Seite 132 und 133: 132 Lecrubier, Y. Puech, A.J. Azcon
- Seite 135 und 136: Markus Pawelzik und Birgit Mauler A
- Seite 137 und 138: 137 mechanismen für ähnliche Ersc
- Seite 139 und 140: 139 aus Theorie, experimenteller kl
- Seite 141 und 142: 141 welche Art der Angstreaktion fu
- Seite 143 und 144: 143 Beide Klassifikationssysteme un
- Seite 145 und 146: 145 Meta-Kognitionen „Ich muss me
- Seite 147 und 148: 147 Person keine harmlose Erklärun
- Seite 149 und 150: 149 tungen einher, ohne deswegen fr
- Seite 151 und 152: 151 8 Das noradrenerge System Dass
102<br />
Stärke zurück. Es ist eine erfreuliche Nebenerscheinung, dass durch<br />
die Verhaltenstherapie, die nicht im Verdacht steht, dies anzustreben,<br />
psychoanalytische Hypothesen über Wirkungsmechanismen bestätigt<br />
werden. Verhaltenstherapeutische Erfolge werfen zugleich die Frage<br />
auf, inwieweit psychoanalytische Misserfolge damit zusammenhängen,<br />
dass es eine Art der Neutralität gibt, durch welche die Selbstsicherheit<br />
fortlaufend geschwächt wird <strong>und</strong> Patienten hilfloser werden.<br />
Aus der modernen psychoanalytischen <strong>Angst</strong>theorie ergeben sich<br />
also f<strong>und</strong>amentale Auswirkungen auf die Psychoanalyse als therapeutischer<br />
Methode.<br />
Die soeben zusammengefassten Erkenntnisse über die eindeutige Psychogenese<br />
scheinbar „spontan“ oder „endogen“ auftretender <strong>Angst</strong>anfälle<br />
sind neueren Datums (Bassler, 2000a; 2000b; Busch et al.,<br />
1991; 1999; 2001; Hoffmann, 1984, 1986; Milrod, 1995; Milrod et<br />
al., 1997, 2000; Mentzos, 1984; Thomä <strong>und</strong> Kächele, 1997). Freud<br />
hat zwar den <strong>Angst</strong>anfall vorbildlich <strong>und</strong> vollständig beschrieben,<br />
aber dazu eine falsche physiologische (metapsychologische) Theorie<br />
geliefert. Wo die frühe Theorie über die sogenannten Aktualneurosen<br />
als gültig angenommen wurde, stagnierte die analytische Psychotherapie<br />
<strong>von</strong> Panikattacken <strong>und</strong> Hypochondrien. Hier ist eine erfreuliche<br />
Übereinstimmung zwischen Verhaltenstherapeuten <strong>und</strong> Psychoanalytikern<br />
festzustellen: Die neurobiologische Theorie der Panikattacken<br />
hat sich als ebenso falsch erwiesen wie Freuds metapsychologische,<br />
libido-ökonomische Erklärung der <strong>Angst</strong>neurosen.<br />
Die Behauptung über angeblich „spontan“ oder „endogen“ im limbischen<br />
System entstehende Panikattacken, die <strong>von</strong> den amerikanischen<br />
Psychiatern D.F. Klein (1981) sowie Sheehan and Sheehan (1983),<br />
die <strong>ihre</strong> Theorie pharmakotherapeutisch mit der speziellen Wirksamkeit<br />
trizyklischer Antidepressiva begründeten, aufgestellt wurde,<br />
wurde aus verhaltenstherapeutischer Sicht unter anderem <strong>von</strong> Lelliott<br />
<strong>und</strong> Marks (1988) zurückgewiesen <strong>und</strong> <strong>von</strong> Margraf <strong>und</strong> Ehlers als<br />
widerlegt angesehen (Ehlers <strong>und</strong> Margraf, 1990). Bedenkt man, dass<br />
Rickels <strong>und</strong> Schweizer (1987) im Zusammenhang mit der „Current<br />
Pharmacotherapy of Anxiety and Panic“ <strong>von</strong> einem Wandel der psy-