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Ein pädagogisches Konzept<br />
für die Hauptschule basierend auf den<br />
vier Grundmotivationen des Menschen<br />
DASEIN-Können<br />
WERTSEIN-Mögen<br />
SELBSTSEIN-Dürfen<br />
SINNVOLL-Leben<br />
Abschlussarbeit zur Beratungsausbildung in<br />
Existenzanalyse und Logotherapie<br />
Scharf Ingrid Jänner 2005
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Abstrakt / Abstract<br />
2. Einleitung<br />
2.1 Arbeitsplatz – Schule<br />
2.2 Die Situation der SchülerInnen<br />
2.3 Die Situation der LehrerInnen<br />
3. Meine persönliche Entwicklung zur Lehrerin in diesem Schulsystem<br />
4. Ein pädagogisches Konzept für die Hauptschule basierend auf den vier<br />
personalen Grundmotivationen des Menschen<br />
4.1 Was ist das Wesen des Menschen, was ist Person?<br />
4.2 Wie drückt sich die Person aus?<br />
4.3 Wie lässt sich die Person im Menschen antreffen?<br />
4.4 Was bewegt Kinder und Jugendliche? Wie können sie motiviert<br />
werden sich als Personen zu zeigen?<br />
4.5 Wie können die personalen Grundmotivationen Basis für ein<br />
pädagogisches Konzept an der Hauptschule sein?<br />
5. Ein pädagogischer Leitfaden für soziales Lernen in der Hauptschule<br />
ausgerichtet auf die personalen Grundmotivationen des Menschen<br />
5.1 1. Grundmotivation:<br />
Der Mensch will den Seinsgrund empfinden: Er will dasein können,<br />
Halt und Raum für sich und seine Entwicklung haben.<br />
5.2 2. Grundmotivation:<br />
Der Mensch will den Wert des Lebens fühlen: Er will, dass sein<br />
Leben wertvoll ist.<br />
5.3 3. Grundmotivation:<br />
Der Mensch will er selbst sein dürfen: Er will vor sich und anderen<br />
bestehen können.<br />
5.4 4. Grundmotivation:<br />
Der Mensch will sinnvoll leben: Er hat den Willen zum Sinn!<br />
6. Konkrete Anwendung der Theorie zum sozialen Lernen ausgerichtet auf<br />
die personalen Grundmotivationen des Menschen<br />
7. Projekt: Form, Farbe, Philosophie<br />
Form, Farbe, Philosophie 1<br />
Form, Farbe, Philosophie 2<br />
Form, Farbe, Philosophie 3<br />
Form, Farbe, Philosophie 4<br />
Form, Farbe, Philosophie 5<br />
Form, Farbe, Philosophie 6<br />
Form, Farbe, Philosophie 7<br />
Form, Farbe, Philosophie 8<br />
8. Literaturverzeichnis<br />
2
1. Abstrakt / Abstract<br />
In diese Arbeit einführend wird vorerst<br />
eine Standortbestimmung von Schule<br />
heute in Bezug auf Schule als<br />
Arbeitsplatz, Situation der<br />
SchülerInnen und LehrerInnen<br />
gegeben. Es folgt die persönliche<br />
Entwicklung einer Lehrerin in diesem<br />
System und führt zur Formulierung<br />
eines pädagogischen Konzeptes für die<br />
Hauptschule, das als Basis die<br />
existentiellen Grundmotivationen des<br />
Menschen hat. Im Anschluss daran<br />
wird die Realisierung im Schulalltag<br />
anhand eines Projektes, das in der 6.<br />
Schulstufe durchgeführt wurde,<br />
aufgezeigt.<br />
As a lead-in, the author provides a<br />
definition of the position of the current<br />
school system as a place of work,<br />
coucerning the situation of pupils as<br />
well as teachers. This is followed by a<br />
personal account of development of a<br />
teacher in this system and leads to the<br />
definition of a paedagogical concept<br />
for secondary school, basis of which is<br />
the existential fundamental motivation<br />
of human beings. Finally, the<br />
realization of a project, which was<br />
conducted in a second form, is being<br />
discussed.<br />
Schlüsselwörter: existenzanalytisches<br />
Personenverständnis, existentielle<br />
Dynamik, Dialogfähigkeit, personales<br />
Dreieck, Grundmotivation<br />
Key words: existential-analytical<br />
peoples`concept, existential dynamics,<br />
dialogue competence, personal triangle,<br />
fundamental motivation<br />
3
2. Einleitung<br />
„Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung“<br />
(Antoine de Saint-Exupery)<br />
2.1 Arbeitsplatz – Schule<br />
Die Schule war schon immer Instrument der Gesellschaft. Den LehrerInnen wurde die<br />
Aufgabe übertragen, der heranwachsenden Generation jene Sitten und Gebräuche zu<br />
vermitteln, die sich in der Gesellschaft entwickelt hatten.<br />
Früher schien das „System Schule“ klar zu sein: Es wurden Antworten gelehrt, denn Lernen<br />
und Fragen waren nur außerhalb der Schule möglich. In der Schule wurde Wissen vermittelt,<br />
Erziehung wurde großteils. Der Lehrer arbeitete als beamteter „Erklärer“, der als Privatperson<br />
nicht vorhanden war. Das heutige Schulsystem hat sich aus dieser Haltung heraus entwickelt<br />
und etabliert.<br />
Doch nun herrschen zunehmend Unsicherheit und Verantwortungsdiffusion: Was ist die<br />
Aufgabe der Schule? Wer ist wofür zuständig? Verkehrserziehung, Drogenberatung,<br />
Gesundheitsförderung, Vermittlung von Anstandsregeln (Erziehung), Ganztagsbetreuung,<br />
Sexualerziehung usw. sind nur einige Schlagworte, die immer wieder diskutiert werden und<br />
als Aufgabenbereich der Schule zugeschoben werden. Aus dieser Unklarheit heraus werden<br />
Ressourcen nicht zielgerichtet eingesetzt und genutzt. Wenn Mängel und Fehler auftreten und<br />
Veränderungen anstehen, schauen alle auf das, was sich ändern sollte. Jede Gruppe weiß auch<br />
genau, wer Schuld hat und wer für Neuerungen zuständig ist: nämlich jeweils die andere.<br />
Visionen, wie die Regelschule werden könnte, gibt es genügend. Die Realisierung in diesem<br />
trägen System ist aber äußerst schwierig und langwierig und bleibt leider immer noch an den<br />
Projekten engagierter Einzelpersonen hängen (Lehrer, Direktor, Elternverein, Schulrat).<br />
(vgl. Mitschka 2001, 7)<br />
Was sind nun, kurz zusammengefasst, die wesentlichen Aspekte, die das<br />
System Schule heute ausmachen?<br />
Ganz augenscheinlich ist zunächst einmal der äußere Rahmen, die Organisationsstruktur des<br />
Ganzen. Das bedeutendste Merkmal dessen ist wohl die Organisation eines Schulvormittags<br />
in 50-Minuten-Einheiten. Alle Dreiviertelstunde findet, ganz starr festgelegt und äußerlich<br />
strukturiert durch die Schulglocke, der Stundenwechsel statt: Wechsel des Faches (oft<br />
zusätzlich noch verbunden mit einem Gruppenwechsel), der Inhalte, der Lehrkraft, sehr<br />
häufig der Arbeits- und Denkweisen und oftmals auch noch der eines Raumes. Für die<br />
Schüler erschwerend kommt hinzu, dass die Arbeitsweisen sehr häufig wenig eigenes<br />
Handeln beinhalten, sehr oft die völlige (kognitive) Aufmerksamkeit verlangen und<br />
Eigentätigkeit gerade nicht erwünscht ist.<br />
So wird auch von den LehrerInnen verlangt, dass sie sich ständig auf neue Schülergruppen<br />
einstellen können und die jeweilige Gruppendynamik im Griff haben. Voraussetzung dafür ist<br />
die Wahrnehmung des jeweiligen Verhaltensmusters jedes einzelnen Schülers, die sehr<br />
unterschiedlich sein können. Das braucht Zeit. LehrerInnen, die im Laufe der Woche<br />
durchschnittlich 100 Schüler, oftmals nur 1 Stunde pro Woche unterrichten, fehlt diese.<br />
Der nächste sehr zentrale Aspekt der Schule heute ist die primäre Ausrichtung auf die<br />
Lehrinhalte, die generell der Beziehung vorgeordnet sind.<br />
Lehrer sind von ihrer Berufsdefinition her weder Therapeuten noch Sozialarbeiter. Somit ist<br />
auch das ganze Beziehungsgeschehen zwischen Schülern und Lehrern - SchülerInnen<br />
untereinander - Schülern und Eltern - Eltern und Lehrern – ja, die gesamte Dynamik, in die<br />
alle einbezogen sind, nicht im Fokus der Aufmerksamkeit.<br />
4
Im Vordergrund stehen die Lehrinhalte, die zu vermitteln sind und alles, was diese Priorität<br />
bedroht, wird als Störung erlebt. Gerade deswegen wäre es äußerst wichtig gewisse<br />
Kenntnisse der Vorgänge auf der Beziehungsebene zu haben.<br />
Ein dritter zentraler Bestandteil des Systems Schule sind die Noten. Über Benotung erfahren<br />
Schüler immer die Grenzen der eigenen Begabungen und Fähigkeiten. Noten sind eine<br />
Möglichkeit an Anerkennung zu kommen. Eigene Leistungen können in einer guten<br />
Beziehung zum eigenen Selbst stehen und daher auch emotional getragen und erfüllend sein.<br />
Sie können aber auch als Misserfolg erlebt werden und Frustration bedeuten. Für alle Schüler<br />
ist es jedoch schwer, Noten immer wieder als punktuelle Bewertung von Leistungen und nicht<br />
als solche der ganzen Person zu sehen. Im schulischen Alltag sind sie immer wieder Quelle<br />
ständiger Kränkung (übrigens auch der Eltern!). Und wenn der Selbstwert der Schüler allein<br />
von den Noten abhängig ist, ist die Gefahr groß, dass der Selbstwert der Schüler gewaltigen<br />
Schwankungen unterliegt. (vlg. Zeunert 2002)<br />
2.2 Die Situation der SchülerInnen<br />
Die SchülerInnen der Sekundarstufe 1 (Hauptschüler) sind zwischen zehn und fünfzehn Jahre<br />
alt. Laut Entwicklungspsychologie ist das die Zeit der Vorpubertät und Pubertät. Die<br />
Geschlechtsreife tritt immer früher ein, bei den meisten schon im Alter von elf, zwölf Jahren.<br />
Parallel mit den körperlichen Veränderungen kommt es zu einem Identitätsverlust: Die<br />
Betroffenen sind keine Kinder mehr, haben in der Gesellschaft aber noch nicht den<br />
Erwachsenenstatus. Sie befinden sich in einem schwierigen Lebensabschnitt. Der<br />
Identitätsverlust macht die Jugendlichen unsicher, deshalb brauchen sie in dieser<br />
Entwicklungsphase vor allem Orientierungshilfen und Bestätigung.<br />
Es geht um das Finden der eigenen Identität, um das Behaupten in einer Gemeinschaft<br />
außerhalb der Familie. Es ist wichtig, den Raum zu spüren für die eigenen Kräfte, für<br />
Beziehungen und Gefühle, für Ideen und das eigene Handeln – diesmal unter Gleichaltrigen.<br />
Im Alltag hören sie die meisten „Botschaften“ der Erwachsenen als Information darüber, wie<br />
sie sein sollten, aber nicht sind, und dass man sie gerne anders hätte. Jugendliche erleben das<br />
als Übergriffe und als Infragestellung ihrer ganzen Person. Oft bedarf es deshalb nicht viel,<br />
um das Fass, in dem die negativen Selbstwertgefühle gesammelt werden, zum Überlaufen zu<br />
bringen. Die dementsprechend heftig ausfallenden Reaktionen der Schüler erleben nun wieder<br />
die LehrerInnen als Provokation und persönliche Beleidigung. Eine schwierige Dynamik setzt<br />
sich in Gang, die das Schüler –Lehrer-Verhältnis beeinträchtigt.(vlg. Mitschka 2001, 8)<br />
Durch die derzeitige Organisation eines Schulvormittages ist es sowohl für die Lehrpersonen<br />
als auch für die Schüler sehr schwierig diesen Kreislauf zu durchbrechen. Einerseits bleibt<br />
offen, ob wir Lehrer uns wirklich eine Vorstellung davon machen können, wie es ist, fünfzig<br />
Minuten lang Mathematik zu „haben“, bei einem strengen Kollegen, der seinen Unterricht<br />
lehrerzentriert gestaltet, dann, nach fünf Minuten Pause, sich auf eine junge Lehrerin<br />
einzustellen, die Geschichte zum Erlebnis werden lassen möchte und schließlich den<br />
Anforderungen des Deutschunterrichtes gerecht zu werden, wenn man sich mit<br />
Einfühlungsvermögen im offenen Gespräch Literaturtexten zuwenden soll. (vlg. Zeunert,<br />
2002)<br />
Andererseits ist auch die Situation der Lehrer sehr schwierig. Wie sollen sie es schaffen, den<br />
Jugendlichen Ansprechpartner zu sein, wenn sie alle fünfzig Minuten eine andere<br />
Schülergruppe vor sich haben? Wenn Konflikte auftreten, bleibt buchstäblich keine Zeit diese<br />
zu lösen, den Jugendlichen Reibungsfläche und Auseinandersetzung zu bieten, denn die fünf<br />
Minuten Pause reichen gerade eben aus den Klassenraum zu wechseln. Sie bleiben mit ihren<br />
Problemen auf dem Weg zur Identitätsfindung weitgehend alleine, obwohl sie dringend<br />
Personen (Lehrpersonen) brauchen würden, die ihnen behilflich sind, die neue<br />
5
Unübersichtlichkeit ihres Lebensgefühls zu ordnen, jemanden, der ihnen hilft, den Weg zum<br />
eigenen Ich zu finden.<br />
Wie man so sagt, sind SchülerInnen heute „ganz anders“ als früher. Verhaltensweisen, die<br />
man vor zehn Jahren noch als gestört definiert hat, werden mittlerweile als normal angesehen.<br />
Heute machen sich SchülerInnen immer öfter als lärmende Einzelwesen bemerkbar, die sich<br />
nicht mehr nur auf das Lernen von Wissensinhalten reduzieren lassen, sondern als<br />
ganzheitliche Person gesehen und gefördert werden wollen. Gelingt dies nicht, gestalten sie<br />
den Unterricht nach ihren eigenen Regeln. Für viele Hauptschüler ist die Schule eine Stätte<br />
der Unterhaltung geworden. Oft wird während des Unterrichtes ein „Spektakel“ aufgeführt,<br />
das Thema lautet Unruhe. Dies wird sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Ständig bewegt<br />
sich ein Gegenstand oder zumindest ein Schüler durch den Raum, Unlust wird durch lautes<br />
Gähnen untermalt, „Stühle“ schaukeln, es wird getratscht. Als Beobachter solcher Situationen<br />
gewinnt man den Eindruck, dass das Schülerleben sich außerhalb des Unterrichtsgeschehens<br />
abspielt. (vlg. Mitschka 2001, 8)<br />
2.3 Die Situation der LehrerInnen<br />
Die LehrerInnen bemerken natürlich, was sich in den Klassenzimmern abspielt, leiden<br />
vermehrt darunter und wollen die Situation auch zum Besseren wenden. Weil sie Unterricht<br />
gestalten wollen, müssen sie zwangsläufig auch Erziehung anbieten und Disziplin einfordern.<br />
Respekt vor den Lehrpersonen ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Doch<br />
pädagogisches Rüstzeug, wie man eine Ansammlung von Einzelpersönlichkeiten in ein<br />
arbeitsfähiges Team verwandelt, fehlt. Bislang ist dies nämlich kein Schwerpunkt in der<br />
Ausbildung zum Lehrer. An den pädagogischen Akademien wird in erster Linie darauf<br />
hingearbeitet, wie man die Lehrinhalte methodisch, didaktisch richtig aufbereitet und dass<br />
Lehrersein nicht nur Job, sondern auch Berufung ist. Junglehrer müssen im Schulalltag selbst<br />
herausfinden, welche pädagogischen Vorgehensweisen geeignet sind um Schüler in einer<br />
angemessenen Art zu disziplinieren. Je nach Lehrerpersönlichkeit gelingt dies dem einen<br />
besser und dem anderen weniger gut.<br />
Pädagogen werden im heutigen Schulsystem in die Rolle eines „Dompteurs“ gedrängt. Aus<br />
einer einsamen Position heraus müssen sie vor einer mitunter unberechenbaren Gruppe<br />
bestehen.<br />
Demzufolge sind Lehrkräfte Einzelkämpfer, die jedoch die Teamfähigkeit Jugendlicher<br />
fördern sollten, selbst aber selten die Möglichkeit haben, im Team zu arbeiten.<br />
So übernehmen die einen LehrerInnen die Verantwortung und Pflicht die Schüler zu<br />
sozialisieren, die anderen beziehen sich auf den Standpunkt, dass es Aufgabe der Schule sei,<br />
Lehrinhalte zu vermitteln. Sie nützen die Machtposition, die sie durch das Beurteilungssystem<br />
der Notengebung halben. Für die Schüler bedeutet das eine weitere Erschwerung echter<br />
Beziehung, weil sie eben auch von der Lehrerseite her nicht gegeben und nicht angestrebt<br />
wird.<br />
Die Mehrheit der Lehrpersonen hat den Beruf nicht wegen der Ferien oder des<br />
unterrichtsfreien Nachmittags wegen gewählt und nimmt den Auftrag der Gesellschaft die<br />
Jugend fürs Leben zu rüsten ernst.<br />
Neue Wege werden gesucht um Schule zeitgemäßer organisieren und gestalten zu können.<br />
Dabei haben engagierte Lehrer erkannt, dass sie sehr viele der geforderten Kompetenzen<br />
nebenberuflich erwerben müssen, denn ihre pädagogische Ausbildung reicht schon lange<br />
nicht mehr um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Doch selbst wenn die<br />
Bereitschaft zur Weiterbildung groß ist, ist es oft schwer, sich im Durcheinander der<br />
Fortbildungsangebote zurechtzufinden. Referentennamen und Seminarorte locken einmal<br />
dahin, dann wieder dorthin. Vereinzelt werden Lehrgänge angeboten. Mosaiksteinchen für<br />
Mosaiksteinchen wird von den Lehrern in Kleinarbeit zusammengetragen.<br />
6
Ein Gesamtkonzept, ein Motto, eine zielgerichtete Absicht ist praktisch nicht<br />
beziehungsweise erst ansatzweise erkennbar. Sehr hilfreich wäre zumindest eine Basis-<br />
Zusatzausbildung, die ihren Schwerpunkt nicht auf die effektivere Wissensvermittlung legt,<br />
sondern Hilfestellungen gibt, wie personale Begegnungen in der Schule besser möglich<br />
werden. LehrerInnen brauchen heutzutage Kenntnisse in folgenden Bereichen:<br />
Persönlichkeits- und Emotionstheorie<br />
Kommunikationstraining, professionelle Gesprächsführung bei Beratung, Mediation,<br />
Konfliktgespräch, Verhandlung<br />
Entwicklungspsychologie (Kinder- und Jugendalter)<br />
Praxis der Gruppendynamik<br />
Methoden des sozialen Lernens<br />
Diese Fähigkeiten tragen dazu bei, dass man authentisch Lehrer sein kann.<br />
Kenner der Szene „Schule“ gewinnen den Eindruck, es gäbe zwei nebeneinander bestehende<br />
heimliche Ziele. Das Ziel der Lehrer, allein Verantwortung zu übernehmen, das oftmals bis<br />
zum Burnout Syndrom verfolgt wird. Zweitens das der Schüler, in der Schule für<br />
Wohlbefinden und Unterhaltung zu sorgen. Diese Diskrepanz bestimmt ganz wesentlich, dass<br />
einiges im Schulalltag schief laufen muss. Doch eines haben LehrerInnen und SchülerInnen<br />
gemeinsam: dieselbe Orientierungslosigkeit.<br />
(vlg. Mitschka 2001, 10)<br />
7
3. Meine persönliche Entwicklung zur Lehrerin in diesem Schulsystem<br />
„Lehrer werden ist nicht schwer, es zu sein dagegen sehr.“<br />
Nach zehnjähriger Berufserfahrung an allen Pflichtschultypen hatte ich einen Einblick in das<br />
Schulsystem bekommen und meine Unzufriedenheit im Schulalltag nahm immer stärker zu.<br />
Die starke Ausrichtung auf die Lehrinhalte, die Wissensvermittlung, das „kursähnliche“<br />
Abhalten meiner Stunden (von einer Klasse zur anderen) machten mich immer unzufriedener.<br />
Der Alltagstrott war alles andere als befriedigend. Mit meiner Unzufriedenheit stieg<br />
erstaunlicherweise das Bedürfnis der Schüler mich auch als Ansprechpartner für persönliche<br />
Probleme zu gewinnen. Immer häufiger wurde ich mit allen möglichen, oft sehr schwierigen<br />
Konfliktsituationen konfrontiert, deren Lösungen den schulischen Rahmen bei weitem<br />
sprengten. Mein Wunsch zu helfen war einerseits sehr groß und das Vertrauen der<br />
SchülerInnen ehrte mich, aber ich fühlte mich auch hoffnungslos überfordert. Auf dieses<br />
Lehrersein war ich in keinster Weise vorbereitet und mein Selbstverständnis als Lehrerin kam<br />
ins Wanken. Ich fühlte mich in alle möglichen Rollen gedrängt (Sozialarbeiterin,<br />
Psychologin, Seelsorgerin, Krankenschwester, Freundin,...) und spürte nur, dass ich keinen<br />
Handlungsspielraum hatte. Mein Wunsch nach Veränderung wurde immer stärker, ich war<br />
mir nicht mehr sicher, ob ich weiterhin Lehrerin sein wollte und ich sah mich nach<br />
Alternativen zum Unterrichten um. Dabei stieß ich auf ein Ausbildungsangebot der<br />
Logotherapie und Existenzanalyse. Die Ausbildung wurde berufsbegleitend angeboten und<br />
richtete sich an Personen, die in einem Sozialberuf oder in den Humanwissenschaften tätig<br />
sind (Pädagogen, Seelsorger, Ärzte, Erzieher, Sozialpädagogen). Die Formulierung der<br />
Ausbildungsziele sprach mich sofort an, einerseits die Vermittlung allgemeiner Kenntnisse<br />
über das Zustandekommen eines sinnvollen, menschenwürdigen Lebens auf Grund der<br />
Kenntnis der eigentlichen Natur des Menschen und andererseits die ganz persönliche,<br />
reflektierte Erfahrung der eigenen Existenz und ihrer Möglichkeiten, als auch das Einüben<br />
dieser Erkenntnisse im eigenen Berufsfeld. Ich entschloss mich diese Ausbildung zu machen.<br />
In den folgenden vier Jahren lernte ich, was es bedeutet, authentisch zu lehren, die<br />
persönlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu erkennen und zu festigen und welche Rolle<br />
eine klare Lehrerpersönlichkeit im Schulalltag spielt. Durch das neu erworbene pädagogische<br />
Rüstzeug waren für mich auf einmal neue Wege erkennbar und ich nahm die Herausforderung<br />
an in einem kleinen Lehrerteam eine Integrationsklasse zu führen.<br />
Das Kernteam bestand aus zwei Hauptschullehrerinnen und einer Sonderpädagogin. Alle<br />
SchülerInnen wurden im Klassenverband mit innerer Differenzierung unterrichtet.<br />
Gemeinsam legten wir besonderen Wert darauf, möglichst viele Unterrichtsfächer in dieser<br />
Klasse abzudecken. Teamteaching war Voraussetzung dafür, dem Anspruch aller Kinder<br />
dieser Klasse gerecht werden zu können. Die Sonderpädagogin war als Zweitlehrerin ständig<br />
im Unterricht dabei, in den Hauptfächern unterrichteten wir sechs Stunden wöchentlich zu<br />
dritt. Wir änderten zudem die schulischen Rahmenbedingungen in allen wichtigen Punkten.<br />
Wir hoben die starre Trennung von Fünfzig-Minuten-Einheiten auf. Der Gedanke des<br />
Voneinander-Lernens rückte in den Vordergrund und führte zum schülerzentrierten<br />
Unterricht. In Anlehnung an die Reformpädagogen Maria Montessori oder Celestin Freinet<br />
entstand ein offenes Lernklima, welches ca. 10 -12 Stunden Freiarbeit wöchentlich<br />
beinhaltete. Das waren offene beziehungsweise freie Unterrichtsphasen, für die den Schülern<br />
diverse Unterrichtsmaterialien, Karteien und Lernspiele zur Verfügung standen.<br />
Projektorientiertes Lernen hatte einen besonderen Stellenwert.<br />
Um in dieser Form den Unterricht gestalten zu können fehlten mir zunächst die praktischen<br />
und methodischen Mittel, denn während meiner Ausbildung hatte ich von diesen Formen des<br />
Unterrichtens nichts gehört.<br />
8
Wiederum belegte ich außerhalb meiner Dienstzeit diverse Kurse zu den Themen Integration,<br />
offenes Lernen, Lerntypen, verhaltensoriginelle Kinder, Projektunterricht usw. Die<br />
Herstellung der pädagogischen Materialien nahm sehr viel Zeit in Anspruch.<br />
Damit die Integration von behinderten Kindern nicht nur ein Schlagwort blieb, legten wir<br />
neben dem Erlernen der kognitiven Fähigkeiten ebenso großen Wert auf die emotionale und<br />
soziale Entwicklung unserer SchülerInnen. Die Einführung eines wöchentlichen<br />
„Klassenrates“ unterstützte unser Anliegen auch den persönlichen Befindlichkeiten der<br />
Kinder Raum zu geben. Es war die Zeit, in der die Schüler ihre Wünsche, Anregungen und<br />
Beschwerden vorbringen und in der bei anstehenden Problemen gemeinsam Lösungen<br />
gesucht werden konnten. In den Freiarbeitsphasen wählten die Schüler größtenteils selbst<br />
aus, in welcher Sozialform (Einzelarbeit, Partnerarbeit, Gruppenarbeit) sie lernen wollten. Die<br />
Präsentation der geleisteten Arbeit vor der ganzen Klasse war wesentlicher Bestandteil des<br />
Lernens.<br />
Statt der herkömmlichen Notengebung wählten wir die alternative Beurteilungsform des<br />
Pensenbuches. Der Lernstoff wurde in Lernzielen formuliert, das Kind konnte nicht erreichte<br />
Lernziele jederzeit nachholen. Zwangsläufig ist der Ansatz einer lernzielorientierten<br />
Beurteilung ein anderer als bei der Notengebung. Im Vordergrund stand nicht, welche Note<br />
der Schüler bekam, sondern, was (welche Lerninhalte) er noch nicht konnte, wo er noch<br />
zusätzliche Hilfe bekommen musste.<br />
Die schulischen wie auch persönlichen Erfahrungen, die ich in diesen vier Jahren machte,<br />
waren für mich eine außerordentliche Bereicherung und zwar auf allen Ebenen. Vor allem das<br />
Miteinander des Lehrerteams, das gemeinsame „Ziehen an einem Strang“, erleichterte den<br />
Schulalltag um vieles. Sowohl Administration als auch Konfliktsituationen konnten<br />
gemeinsam viel besser und effektiver erledigt werden. Das Motto „Gemeinsam sind wir<br />
stark“ erlebten Schüler, Lehrer und auch Eltern sehr positiv. Die zahlreichen und sehr<br />
wertschätzenden Rückmeldungen von Eltern über die vergangene Hauptschulzeit bei der<br />
Verabschiedung dieser Klasse bestätigten unsere Arbeit. Meine Erkenntnisse lassen sich<br />
folgendermaßen zusammenfassen: Wenn Schüler ihren Platz in der Schule finden,<br />
Beziehungen gestalten können und sich wohlfühlen, sind die Voraussetzungen gegeben, dass<br />
Kinder gerne in die Schule gehen. Wenn sie in der Schule so sein dürfen, wie sie sind, und sie<br />
sich ihrem Wesen entsprechend angenommen fühlen, schafft dies eine solide Basis für<br />
Lernerfolge. Lernen fürs Leben wird möglich, denn auch im Berufsleben wird in<br />
zunehmendem Maße auf soziales Verhalten ebenso großen Wert gelegt wie auf fachliche<br />
Qualifikation.<br />
Wieder ins Regelschulwesen zurückgeworfen und durch die erfolgreichen letzten Jahre hoch<br />
motiviert, stellten sich für mich die Fragen:<br />
Wie kann es für alle Schüler möglich sein Schule anders zu erleben?<br />
Welche Möglichkeiten bieten sich für das ganze Lehrerteam der Schule?<br />
Wie können die noch nicht genutzten Ressourcen erschlossen werden?<br />
Es gelang mir einige Kollegen für mein Anliegen zu begeistern und es bildete sich eine<br />
Projektgruppe von 10 LehrerInnen, die sich gemeinsam Gedanken darüber machten, wie ein<br />
Pädagogisches Konzept für die HS-Gisingen aussehen könnte.<br />
Ausgangspunkt unserer Überlegungen war der Wunsch, unserem sehr erfolgreichen<br />
inhaltlichen Schulentwicklungsmodells ein gleichwertiges pädagogisches Leitbild zur Seite zu<br />
stellen. Wir waren uns einig, dass die Beziehungsebene eine wichtige Voraussetzung und<br />
Grundlage jeder Erziehungs- und Unterrichtsarbeit ist und wollten dem gerecht werden. Unser<br />
Konzept sollte darauf ausgerichtet sein die Persönlichkeiten der Schüler zu stärken und den<br />
Lehrern eine Orientierungshilfe für sinnvolles pädagogisches Handeln zu bieten.<br />
9
Es stellte sich die Frage, welche stützenden Maßnahmen möglich und nötig wären, um die<br />
seelisch-existentielle Gesundheit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der Schule<br />
zu fördern. Die Kunst der Erziehung ist es ja, den Schüler so anzusprechen, dass er sich als<br />
Person angenommen fühlt, die Möglichkeit hat Stellung zu nehmen und es gelingt<br />
Handlungsfreiheiten für ihn aufzuzeigen. So kann er eigene Werte entwickeln, die den Willen<br />
stärken diese in eigene Tätigkeiten umzusetzen.<br />
Welches sind dabei die konkreten pädagogischen Handlungsfelder?<br />
Als Grundlage und Ausgangspunkt unseres Konzeptes wählten wir die personale<br />
Existenzanalyse, das ist eine eigenständige Psychotherapieform, die Alfried Längle aus dem<br />
Gedankengut der allgemeinen Existenzanalyse und Logotherapie Frankls entwickelt hat. Vor<br />
allem drei Teilbereiche dieser Theorie schienen uns bei der Umsetzung unseres Anliegens von<br />
Bedeutung und hilfreich:<br />
- Das Personenverständnis (Die drei Ecksteine der Person, das personale Dreieck)<br />
- Die existentielle Dynamik (Die Dialogfähigkeit)<br />
- Die personalen Grundmotivationen (DASEIN-Können, WERTSEIN-Mögen,<br />
SELBSTSEIN-Dürfen, SINNVOLL-Leben)<br />
Obwohl es inhaltlich sowohl bei der Psychotherapie als auch bei der Pädagogik um das<br />
Werden der Persönlichkeit geht, war es uns wichtig, beide Bereiche klar voneinander<br />
abzugrenzen. Trotzdem stellte sich heraus, dass es zweifellos viele Überschneidungen<br />
zwischen Psychotherapie und Pädagogik gibt und die Grenzen nicht ganz scharf gezogen<br />
werden können. Wir wollten aber auf keinen Fall aus den Lehrpersonen Therapeuten machen,<br />
sondern uns die Erkenntnisse der Psychotherapie als roten Faden für unser Konzept zunutze<br />
machen, um eine gesunde Entwicklung der Kinder zu gewährleisten. Die Rolle des Lehrers<br />
sollte auf jeden Fall klar umrissen bleiben. Eine Unterscheidung zwischen Therapie und<br />
Pädagogik scheint mir an dieser Stelle sinnvoll.<br />
LehrerInnen arbeiten hauptsächlich mit Großgruppen, mit ca. 30 Kindern, die geleitet werden<br />
müssen. Erzieherische Arbeit in der Schule bedeutet demnach als erstes ein gemeinsames<br />
Handeln in der Welt (Schulwelt), in der wir leben. Aber auch den Lebensraum der Familie,<br />
der Arbeit, des Freundeskreises, der Nachbarschaft, der Öffentlichkeit usw. gilt es zu<br />
gestalten und zu organisieren. Im Alltag müssen wir uns miteinander auseinandersetzen uns<br />
arrangieren, uns behaupten. Kämpfe um Macht, Anerkennung und Selbstdarstellung, das<br />
Ringen um einen Sinn gehören dazu. Regeln des Zusammenlebens müssen gefunden und<br />
durchgehalten werden. Erzieher und Schüler agieren innerhalb des gemeinsamen Alltages.<br />
Unterricht und Erziehung sind eingebettet im gemeinsamen Handeln, Reden und<br />
Unternehmen, finden also im Rahmen gemeinsamer Erfahrungen und Erlebnisse statt, in den<br />
verschiedenen Feldern des Miteinanders. Der Erzieher ist mit seiner ganzen Persönlichkeit<br />
mit ins Geschehen einbezogen. Erziehung versucht beim Aufbau des Menschen in seiner<br />
Gesamtheit mitzuwirken, Fehlentwicklungen vorzubeugen. Die Offenheit der Kinder sowie<br />
ihre „unendliche“ Lernfähigkeit und Lernbedürftigkeit sind dafür gute Voraussetzungen.<br />
Kinder sind auf Erziehung angewiesen, aber sie sind nicht zwangsläufig zu therapieren. Die<br />
Gefahr für die Pädagogik besteht darin, dies nicht zu beachten.<br />
Therapie hingegen findet außerhalb des Alltages statt. Es gibt keine Gruppensituation mehr,<br />
der Klient bekommt die ungeteilte Aufmerksamkeit des Therapeuten. Dies zeigt sich auch<br />
deutlich im räumlichen und zeitlichen Arrangement der „Therapie-Stunde“, die mit einem<br />
Therapeuten vereinbart wird, der nicht ins alltägliche Leben eingebunden ist. Therapie wird in<br />
Anspruch genommen, wenn die Schwierigkeiten im Alltag so groß geworden sind, dass sie<br />
die Menschen nicht mehr alleine bewältigen können. Der Mensch, der Therapie beansprucht,<br />
ist in sich gefangen, bestimmte Bereiche seines Erlebens und Verhaltens sind erstarrt, der<br />
Handlungsspielraum ist stark eingeschränkt.<br />
10
In der Psychotherapie geht es darum Fehlentwicklungen und Störungen des Klienten, die ein<br />
sinnerfülltes Leben beeinträchtigen, zu erkennen und zu korrigieren. Die Gefahr der Therapie<br />
ergibt sich aus der Alltagsferne und dem distanzierten Verhalten des Therapeuten zu seinem<br />
Klienten. Die Therapiestunden werden vom Klienten oft als „Auszeiten“ vom Alltag und<br />
deshalb als entlastend erlebt. Die Bewährung des Klienten besteht in der Folge darin, das in<br />
der Therapie Erfahrene im Alltag eigenverantwortlich umzusetzen.<br />
Die Motivation in Pädagogik und Therapie ist eine jeweils andere, das ist auf Grund der<br />
bisherigen Überlegungen, glaube ich, naheliegend. Wichtig ist es, die spezifischen<br />
Eigenheiten der beiden Bereiche zu kennen, damit sie sich gegenseitig ergänzen können.<br />
Für die Pädagogik mit ihren vielfältigen Aufgaben ist es sehr hilfreich auf Anregungen aus<br />
therapeutischen Konzepten zurückgreifen zu können. Sie sind wertvolle Ergänzungen für ihre<br />
spezifischen Arbeitsmöglichkeiten.<br />
Die Therapie stellt sich den Problemen, die sich im Alltag zeigen und reicht mit ihren<br />
spezifischen Hilfestellungen weit in den Alltag hinein.<br />
Pädagogik und Therapie lassen sich so als zwei Pole einer Zielrichtung verstehen und die<br />
Grenzen zwischen ihnen sind fließend. (vlg. Wicki 1990, 183f)<br />
Nachdem die Projektgruppe im Frühjahr 2002 die Eckpunkte eines möglichen pädagogischen<br />
Entwurfes formuliert hatte, wurde dieser dem gesamten Lehrkörper vorgestellt. Für die<br />
Umsetzung legte das Kollegium zwei „pädagogische Tage“ fest, die im folgenden<br />
Herbstsemester terminlich fixiert wurden. Eine professionelle Moderation sollte unser<br />
Vorhaben unterstützen und begleiten. Pädagogische Richtlinien sollten festgeschrieben<br />
werden. Daraus sollten Ansprüche (Soll-Zustand) abgeleitet werden, die mit der Realität (Ist-<br />
Zustand) verglichen werden können. Aus terminlichen Gründen mussten wir dieses Vorhaben<br />
jedoch in das Sommersemester verschieben und umstrukturieren. Aus Kostengründen waren<br />
inzwischen aus den zwei Tagen zwei Halbtage für das gesamte Kollegium geworden. Die<br />
Projektgruppe erklärte sich bereit als Vor- und Nachbereitung (Evaluierung) jeweils<br />
wiederum einen halben Tag zur Verfügung zu stellen.<br />
In Folge sollte die Anwendung und Durchführung des erarbeiteten Konzeptes im Rahmen<br />
fortlaufender pädagogischer Kurzkonferenzen gewährleistet sein.<br />
11
4. Ein pädagogisches Konzept für die Hauptschule basierend auf den vier<br />
personalen Grundmotivationen des Menschen<br />
Inzwischen sind zwei Jahre vergangen, das pädagogische Konzept wartet in der Schublade auf<br />
Verwirklichung. Einfach nur warten, bis etwas geschah, konnte ich nicht. Für mich stellte sich<br />
die Frage, wie ich trotzdem im Rahmen meiner persönlichen Möglichkeiten an der<br />
Umsetzung des Projektes zumindest in meinem Unterricht arbeiten konnte.<br />
Wie kann eine ganzheitliche, gesundheitsfördernde Entwicklung der<br />
Kinder zu starken Persönlichkeiten in der Schule begleitet und unterstützt<br />
werden?<br />
Ausgangspunkt meiner Überlegungen war das existenzanalytische Verständnis vom<br />
Menschsein, denn in der Existenzanalyse ist neben der Sinnfrage genau dieses Werden der<br />
Persönlichkeit Schwerpunkt. Der „Person“ kommt zentrale Bedeutung zu und mit „Person“ ist<br />
das Wesen des Menschen, der existentielle Kern, die geistige Dimension gemeint.<br />
4.1 Doch was ist das Wesen des Menschen, was ist Person?<br />
Das existenzanalytische Personenverständnis wurde von Frankl grundgelegt, er stellte 10<br />
Thesen zur Person vor (Frankl 1991b, 108). Dem zufolge ist das Wesen der Person nicht<br />
allgemein fassbar, es lassen sich aber konkrete Wesensmerkmale anführen:<br />
- „Die Person ist geistig, sie ist daher frei und verantwortlich.<br />
- Sie nimmt Stellung, setzt sich auseinander, entscheidet.<br />
- Sie kann Beziehung aufnehmen, zu sich und zu anderen, und ist offen für Begegnung.<br />
- Sie öffnet sich zur Welt hin und schließt sich gleichzeitig von ihr ab. Öffnen und<br />
Abgrenzen, Bei-mir-Sein und Bei-anderen-Sein, bilden die Grunddynamik der Person,<br />
deren Charakteristikum die Dialogfähigkeit ist.<br />
- Sie ist sinn- und wertorientiert, d.h. sie braucht ein Wozu, einen Sinnhorizont, auf den<br />
zu sie sich bewegen kann.<br />
- Sie ist schöpferisch, weil sie Resultate von Erbe, Erziehung, Sozialisation gestalten<br />
kann.<br />
- Sie setzt sich mit sich selbst auseinander (Selbstdistanzierung) und verwirklicht sich<br />
selbst in der Hingabe an den anderen (Selbsttranszendenz).<br />
- Sie ist dynamisch und daher in keinem Augenblick ein Automatismus.<br />
- Sie ist der Inbegriff der Potentialität.<br />
- Sie ist nicht das, was ich habe, sondern das, was ich bin. Sie ist das Unverwechselbare,<br />
Unvergleichbare am einzelnen Menschen. Personsein ist absolutes Anderssein.“<br />
(Khinast 2000, 232)<br />
„Von Anfang an ist auch im Kind Personales gegenwärtig und wirksam. Es besitzt also<br />
bereits alle wesentlichen personalen Eigenschaften (eigentlich nicht „besitzt“, sondern „ist“)<br />
und unterscheidet sich vom Erwachsenen vorwiegend durch die andere Bewusstheit,<br />
geringere Erfahrung und schwächere Überlebens-Kompetenz. Andererseits hat aber auch der<br />
Erwachsene mit dem Kind die Unfertigkeit und das Wachsen gemeinsam. Denn im Grunde<br />
“ist“ die Person niemals, sondern ihr Sein ist im „Werden“, wie ich das Wesen des<br />
Menschseins umschreiben möchte. Kind und Erwachsener – die Unterschiede sind nur<br />
nebensächlicher Art, wenn die existenzanalytische Sicht eingenommen wird.“(Längle 1990,<br />
Geleitwort in: Das Kind als Person)<br />
12
4.2 Wie drückt sich die Person aus?<br />
„Die Person braucht die drei Bereiche (Dimensionen) Körper (Soma), Seele (Psyche) und<br />
Vernunft (Nous), Geist, Ratio, Bewusstsein, um sich ausdrücken und zur Welt verhalten zu<br />
können. Alle Dimensionen sind gleichwertig und haben ihre eigene Faszination. Alles bedingt<br />
sich, bedarf einander, ist aufeinander angewiesen: Die Person auf das Psycho-Physikum, das<br />
ihr gegeben ist, um sich auszudrücken, das Psycho-Physikum auf die Person, damit es<br />
Ausdrucksfeld werden kann.“ (Khinast 2000, 239)<br />
„Da sich das Personale nur über das Physische und Psychische ausdrücken kann und da sich<br />
das Psychophysische beim Kind in einer starken Entwicklung befindet, tritt die Person des<br />
Kindes weniger deutlich bez. nur in eingeschränkter Form zutage. Der Entwicklungsstand des<br />
Kindes begrenzt die Ausdrucksmöglichkeiten des Personalen.“ (Wicki 1990, Das Kind als<br />
Person, 14)<br />
4.3 Wie lässt sich die Person im Menschen antreffen?<br />
Die Person vollzieht ihr Sein im dialogischen Austausch mit der Welt in drei Schritten, im<br />
Dreischritt der personalen Grundfähigkeiten: ansprechen und ansprechbar sein, verstehen<br />
können und verstanden werden, antworten und Antwort erhalten. Die Dialogfähigkeit ist das<br />
Charakteristikum der Person schlechthin und Sprache wird somit zu einem besonderen<br />
Wesensmerkmal des Menschen. (vgl. Längle 1991b, 138f)<br />
„Die Existenzanalyse nennt hier drei Merkmalsbeschreibungen:<br />
1. Die Person ist erreicht in dem Eindruck, von dem sie berührt ist.<br />
2. Die Person wird erkennbar in der Stellungnahme, die sie zu den sie berührenden<br />
Eindrücken trifft.<br />
3. Die Person ist erlebbar in dem, was sie zum Ausdruck bringt.“<br />
(Kolbe 2001, 57)<br />
Diese drei Charakteristika nennt die Existenzanalyse nach Längle das Personale Dreieck:<br />
Eindruck – Stellungnahme – Ausdruck.<br />
verstehend<br />
SD<br />
innere<br />
STELLUNG-<br />
NAHME<br />
Person<br />
(Intimraum)<br />
ST<br />
EINDRUCK<br />
AUSDRUCK<br />
ansprechend<br />
SA<br />
antwortend<br />
Die subjektive Erlebnisseite personalen Geschehens.<br />
(SD= Selbst-Distanzierung, ST= Selbst-Transzendenz, SA= Selbst-Annahme)<br />
13
Die Bedeutung des existenzanalytischen Personenverständnisses für die<br />
Schule.<br />
Wenn schulische Erziehung über das Vermitteln bestimmter Kenntnisse und tradieren<br />
anerkannter Kulturwerte hinausgehen soll, müssen die LehrerInnen den Schülern in<br />
zunehmendem Maße auf der personalen Ebene begegnen, muss vor allem die Dialogfähigkeit<br />
der Heranwachsenden gefördert und gestärkt werden.<br />
Kinder und Erwachsene sehnen sich im gleichen Maße nach persönlichen Begegnungen. Im<br />
persönlichen Gespräch erlebt sich der Schüler als angesprochen, er ist unverwechselbar selbst<br />
gemeint. Angesprochen spürt er, dass ihm niemand dieses Ich und seine Wirkungsweise<br />
abnehmen kann, er ist unausweichlich in die Existenz gerufen. Es geht um ihn und sofort ist<br />
er als Person aktuell und im Geschehen. Ein weiterer wesentlicher Aspekt für die<br />
SchülerInnen ist es, verstanden zu werden, denn das ist eine der wohltuendsten und<br />
heilsamsten Erfahrungen des Menschen. Es entstehet das Gefühl des Angenommenseins und<br />
führt so zu wirklichen Begegnungen. (vgl. Längle 1991b, 138-140)<br />
Die personale Begegnung ereignet sich dort, wo Menschen in ihrem Bewegtsein erkannt und<br />
gelten gelassen werden, wo sie ihre Sicht der Dinge, ihre Meinungen einbringen können. Dass<br />
dies wechselseitig zu geschehen hat, macht die Kunst der Begegnung aus. (vgl. Kolbe 2001,<br />
61) So ist es für Kinder und Jugendliche außerordentlich wichtig auch die Person des Lehrers<br />
wahrnehmen zu können. Seine Stärken und Schwächen zu sehen und zu erleben, wie auch er<br />
sich immer wieder persönlich anfragen lässt und Stellung bezieht. Dies schafft Vertrauen und<br />
ist die Voraussetzung dafür, dass Schüler an der Person des Lehrers lernen und wachsen<br />
können.<br />
Wenn also LehrerInnen ihre Schüler erreichen wollen, müssen sie ihnen begegnen.<br />
Kinder sind angewiesen auf das Ansprechen ihrer Person, sie wollen wahrgenommen und<br />
persönlich gefragt sein (nicht nur abgefragt werden!), um eigene Antworten zu finden, die sie<br />
so gut wie möglich zum Ausdruck bringen wollen. Es sind die Fragen gemeint, die die eigene<br />
Stellungnahme herausfordern. Doch auch das Antwort bekommen darf an dieser Stelle nicht<br />
unerwähnt bleiben, denn wie oft bleiben Kinder ohne Antwort. Wie sollen sie sich aber als<br />
Personen erfahren und entfalten können, wenn sie keine Antworten bekommen, und dadurch<br />
nicht in den personalen Raum gehoben werden, wo sie Person sein können, indem sie der<br />
Person begegnen? (vgl. Längle 1991b, 140)<br />
Jeder Mensch hat das existenzielle Bedürfnis sich zu zeigen, seine Innerlichkeit zu verlassen,<br />
sich zum Ausdruck zu bringen. Er will nicht bei sich selbst verhaftet bleiben, sondern in der<br />
Welt zur Existenz kommen. Erst dann wird das Leben bedeutsam und als sinnerfüllt erlebt.<br />
(vgl. Kolbe 2001,59) Lehrer sollten deshalb die personalen Grundgegebenheiten kennen und<br />
im Schulalltag berücksichtigen. Ziel der Schule sollte es sein Bedingungen zu schaffen, die<br />
Schüler und Lehrer in die Begegnung führen mit dem, was sie angeht: mit sich selbst und mit<br />
den anderen.<br />
4.4 Was bewegt Kinder und Jugendliche? Wie können sie motiviert werden<br />
sich als Personen zu zeigen?<br />
Alfried Längle hat in vier personal-existentiellen Grundmotivationen jene Grundbedingungen<br />
der Existenz beschrieben, die sich jedem Menschen als unausweichliche Tatsachen stellen:<br />
1. Jeder Mensch wird ungefragt in diese Welt hineingeboren und muss sich mit ihren<br />
Fakten und Möglichkeiten auseinandersetzen.<br />
2. Der Mensch steht aber nicht nur vor der Tatsache, dass er „ist“, sondern mit dem<br />
Leben sind immer auch Beziehungen und Emotionen verknüpft.<br />
14
3. Jeder Mensch ist in seinem Wesen einzigartig und ringt um die Anerkennung des<br />
Eigenen, braucht die Rechtfertigung der eigenen Existenz vor sich selbst und den<br />
anderen.<br />
4. Jeder Mensch muss zurechtkommen mit der steten Veränderung, dem Werden und der<br />
Zukunft.<br />
Diese existentiellen Grundbedingungen sind stets zugegen und stehen hinter allen anderen<br />
Motivationen des Menschen. (vgl. Längle 2004, 28)<br />
Die Grundmotivationen sind wie Module, die Entwicklungsabschnitte strukturieren. So ist das<br />
Kind zuerst mit dem Sichern des Daseins und mit dem Raum-Haben beschäftigt. Dann<br />
braucht es vor allem die Wärme der familiären Beziehungen. In der Pubertät dreht sich alles<br />
um Selbstfindung und im Erwachsenenalter um die sinnvolle Lebensgestaltung. (vgl. Längle<br />
1999, 19)<br />
4.5 Wie können die personalen Grundmotivationen Basis für ein<br />
pädagogisches Konzept an der Hauptschule sein?<br />
„Die Grundmotivationen sind wie Module, die Entwicklungsabschnitte strukturieren und<br />
begleiten den Menschen in allen Lebensbereichen und Lebensabschnitten.“ (Längle 1999, 19)<br />
Wenn Menschen in neue Lebenssituationen (z.B. Schule, Arbeitsplatz, Partnerschaft)<br />
kommen, stellt sich sofort die Frage nach den Grundmotivationen: Habe ich hier Raum? Bin<br />
ich hier erwünscht, mag man mich? Werde ich mit meinen Vorstellungen akzeptiert? Kann<br />
ich meine Werte verwirklichen? „Eine situative Entwicklung ist dann vollständig, wenn alle<br />
vier Grundmotivationen in ihr vollzogen sind.“ (Längle 1999, 19)<br />
So bieten sich die vier Grundmotivationen des Menschen auch sehr gut für einen<br />
pädagogischen Leitfaden an, der durch die vier Schulstufen führt.<br />
Aufgrund der vielschichtigen und umfangreichen Lektüre zum Thema (siehe Literaturliste:<br />
Khinast, Längle, Petermann, Probst, Resl, Schieder, Schneeweis, Waibel, Wiesinger)) und<br />
meiner persönlichen Erfahrung ergeben sich für mich deshalb folgende Richtlinien als Basis<br />
für ein pädagogisches Konzept:<br />
1. Lehrpersonen müssen noch mehr lernen die Kinder als Personen wahrzunehmen.<br />
2. Sie müssen einen beziehungsfördernden Umgang mit den SchülerInnen pflegen,<br />
indem die Kriterien der vier Grundmotivationen enthalten sind. Die Schüler sollen<br />
merken, dass man für sie da ist, dass es nicht gleichgültig ist, wie es ihnen geht und<br />
was sie tun. Sie sollen in ihrem Selbstsein anerkannt und geschätzt werden und<br />
erleben können, dass der gemeinsame Schulalltag Lehrer und SchülerInnen<br />
gemeinsam etwas angeht und sie verbindet. Die Haltung der Lehrer den SchülerInnen<br />
gegenüber muss deshalb annehmend, zuwendend, achtend und somit<br />
entwicklungsfördernd sein.<br />
3. Es liegt in der Eigenverantwortung eines jeden Lehrers Raum zu schaffen und sich<br />
Zeit zu nehmen für Lerneinheiten, die das Werden der Persönlichkeiten zum Inhalt<br />
haben. Dies im Schulalltag zu realisieren ist sehr schwierig, da im System Schule<br />
dafür keine Zeit vorgesehen ist. Welche Möglichkeiten die einzelnen Lehrpersonen<br />
diesbezüglich haben, hängt zum einen sicherlich von der jeweiligen Schultype ab, von<br />
der Zusammenarbeit des Lehrerteams und vom persönlichen Engagement der<br />
Personen, die im Schulsystem tätig sind.<br />
15
Im Folgenden möchte ich nun ein pädagogisches Konzept vorstellen, das sich an den<br />
existentiellen Grundbedingungen des Menschseins orientiert. Dafür habe ich die vier<br />
Grundmotivationen in Bezug auf die Schule genauer beschrieben, den vier Schulstufen<br />
zugeordnet und Jahresmottos formuliert, die als didaktischer Leitfaden angesehen werden<br />
können. Es gibt eine Fülle von unterschiedlichsten Lernmaterialien zu allen Bereichen des<br />
sozialen Lernens, die sehr gut in der Schule einsetzbar sind. Damit eine passende Auswahl<br />
erleichtert wird, ist die Zuordnung zu einem Jahresmotto sicher hilfreich.<br />
Im Anschluss daran zeige ich auf, wie die Umsetzung im Schulalltag anhand eines<br />
durchgeführten Projektes in der 6. Schulstufe (2. Grundmotivation) aussehen kann.<br />
16
5. Ein pädagogischer Leitfaden für soziales Lernen in der Hauptschule,<br />
ausgerichtet auf die personalen Grundmotivationen des Menschen<br />
5.1 1. Grundmotivation:<br />
Der Mensch will den Seinsgrund empfinden: Er will dasein können, Halt<br />
und Raum für sich und seine Entwicklung haben.<br />
„Die existentielle Grundfrage lautet: Ich bin da – aber kann ich – als ganzer Mensch – dasein?<br />
Um dasein zu können, braucht der Mensch Grund, Halt, Schutz, Geborgenheit, eine Heimat,<br />
ein Zuhause. Er muss sich auf die Welt verlassen können, er braucht ein Grundvertrauen in<br />
das Dasein, das sich in der Gewissheit ausdrückt: Ich falle nicht aus der Welt.<br />
Die Voraussetzung für dieses Grundvertrauen ist die Erfahrung, von der Welt, d.h., zunächst<br />
von den Eltern, angenommen zu sein. Diese Erfahrung macht es dem Menschen möglich,<br />
auch die Welt mit ihren Licht- und Schattenseiten annehmen zu können.<br />
Wer selbstverständlich Dasein kann, gibt und nimmt sich Raum zum Leben, Raum für seine<br />
eigenen Gedanken, Ideen, Empfindungen, Gefühle, Bedürfnisse, Sorgen, Freuden, Raum für<br />
seine Vitalität.<br />
Für den Raum, den ein Mensch für sein Leben braucht, muss er nicht eigens um Erlaubnis<br />
bitten, denn Leben braucht keine Erlaubnis.“<br />
(Khinast 2000, 190)<br />
Mit dem Schulwechsel von der Volksschule in die Hauptschule ist das Kind in eine völlig<br />
neue Lebenssituation gestellt. Diese gilt es anzunehmen und zu bejahen. Das fordert von den<br />
Kindern ein sich Einlassen auf das Neue, Mut und Vertrauen den Anforderungen gewachsen<br />
zu sein. Die Rahmenbedingungen in der neuen Schule sind gänzlich anders als das gewohnte<br />
System.<br />
Das Schulgebäude ist meistens viel größer und unübersichtlicher, eine Vielzahl von Kindern<br />
füllen das Haus. Die Mitschüler in der neuen Klasse sind fremd. Der Unterricht wird im<br />
Fächersystem mit ständig wechselnden Lehrpersonen gestaltet. Die Leistungsdifferenzierung<br />
in den Hauptfächern und die somit bevorstehende Einstufung in Leistungsgruppen setzt die<br />
Schüler unter Erfolgsdruck. Durch das Unterrichten in Leistungsgruppen findet häufig ein<br />
Wechsel der Klassenräume statt, die Lerngruppe ändert sich immer wieder.<br />
Es ist ungewohnt keine eigene Klasse mehr zu haben, den Sitzplatz mit anderen Schülern zu<br />
teilen und die Unterrichtsmittel ständig mit sich herumzutragen.<br />
Kinder haben ein ausgeprägtes Raumbedürfnis, weil sie Raum brauchen, um sich entfalten zu<br />
können. Mit dem Bedürfnis nach Raum und Halt ist aber nicht nur die äußere Bedingung des<br />
Platzhabens gemeint, sondern auch ein geistiger Raum, in dem die Entwicklung des Eigenen<br />
möglich ist, Erfahrungen mit anderen ausgetauscht werden können, eigene Verhaltensweisen<br />
neben anderen bestehen können, man sich behaupten kann.<br />
Dieses Raumhaben und Raumnehmen kann nur in der Gemeinschaft und in realen Räumen,<br />
die gestaltet und geschützt werden, geschehen. Kinder, die zu wenig Raum für ihre<br />
Lebendigkeit haben, fühlen sich eingeengt und werden wütig und zornig.<br />
Je nach den verschiedenen Persönlichkeitsanteilen der Kinder treten Verhaltensauffälligkeiten<br />
zutage. Kinder, die das Gefühl haben, übersehen zu werden, schlüpfen oft in die Rolle eines<br />
Clowns, um alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie erleben unter Umständen, dass sie<br />
durch dieses Verhalten erfolgreich Raum nehmen können, dass so ihr Dasein akzeptiert<br />
werden muss. Andere reagieren aggressiv, werden zu „Raumgreifern“, die andere mit<br />
Übergriffen und Überlegenheit einschüchtern. Es gibt aber auch Kinder, die es aufgegeben<br />
haben, sich Raum zu nehmen und sich in ihren „inneren“ Raum zurückziehen.<br />
17
Ein Kind, das seinen Anspruch auf Raum nicht behaupten kann oder dem der notwendige<br />
Raum immer wieder genommen wird, erlebt seinen Lebensraum als instabil. Es wird in<br />
seinem Lebensgefühl frustriert, will nicht mehr in die Schule gehen und wird oftmals krank.<br />
Ein Kind braucht deshalb klare Grenzen, denn nur die Grenze schafft Raum.<br />
„Grenzen schützen, geben Halt und Sicherheit, bieten emotionale und soziale Orientierung,<br />
lassen das Begrenzte kostbar erscheinen; zu enge Grenzen – durch verwöhnende oder<br />
unterdrückende Erziehung – können das Eigene ersticken und unselbständig machen;<br />
fehlende Grenzen bewirken Handlungsunsicherheit und Haltlosigkeit, fordern zu<br />
Grenzüberschreitungen oder ausweichendem, unverbindlichem, verantwortungslosem<br />
Verhalten heraus.“ (Khinast 2000, 200)<br />
Schüler brauchen empathische Pädagogen, die über die personale Begegnung Grenzen setzen.<br />
Sie brauchen Erzieher, die mit einer Haltung innerer Gefasstheit und Gelassenheit Klarheit,<br />
Festigkeit, Bestimmtheit, Konsequenz, Verlässlichkeit bieten. So können Kinder ein Gefühl<br />
für die eigene Person und die des anderen entwickeln. Durch das Setzen von Grenzen<br />
bekommen die Schüler einen Maßstab für ihr Verhalten und entwickeln Unrechtsbewusstsein.<br />
Ein entschiedenes Nein gibt Schutz und Orientierung. Kinder, die diese Haltung nicht<br />
vorfinden, werden orientierungslos, haltlos, unsicher und testen die Grenzen immer wieder<br />
aus, um zu erfahren, wie weit sie gehen dürfen. Sie suchen die Auseinandersetzung, einen<br />
Widerstand, an dem sie Ihre Kräfte entwickeln und wachsen können. In der<br />
Auseinandersetzung schaffen und stabilisieren Jugendliche ihren Raum.<br />
Kinder akzeptieren Grenzen, wenn sie spüren, dass das NEIN mit einem begründeten Wert in<br />
Verbindung steht und die Achtung der Person des Kindes Grundlage dafür ist.<br />
Grenzen, die mit Strafen, Missachtung oder Brechen des Willens eingefordert werden, erleben<br />
Kinder als apersonal. Sie werden aus einer inneren Enge heraus gesetzt und hat zur Folge,<br />
dass Schüler das Funktionieren lernen.<br />
Es stellt sich die Frage, wie das Bedürfnis der 1. Grundmotivation des<br />
Kindes nach Raum und Halt in der Schule gewährleistet sein kann.<br />
Der Grundwert jedes Menschen, der Wert seines Seins, wird immer wieder aufs Neue<br />
gestärkt, wenn sich das „Ja zum Leben“ wiederholen lässt. Dieses Jasagen geschieht nicht<br />
über den Intellekt, es zeigt sich aber im eigenen Empfinden, es ist erlebbar.<br />
Für die Schüler ist es deshalb wichtig, dass sie die neue Schulsituation so wahrnehmen<br />
können:<br />
„Ich bin hier gewünscht, dass ich da bin, ist gut, hier habe ich Raum, hier<br />
fühle ich mich wohl, hier kann ich sein!“<br />
Dieses positive Grundgefühl der SchülerInnen ist eine solide Basis für erfolgreiches Lernen<br />
und deshalb auf jeden Fall anzustreben.<br />
Das Lehrerverhalten hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung der persönlichen<br />
Fähigkeiten des Kindes. Es sollte deshalb eine respektvolle Behandlung gewährleisten,<br />
ernstnehmendes Verstehen beinhalten, Ermutigung und Anteilnahme ausdrücken. Dies sind<br />
die besten Voraussetzungen für die Entwicklung eines guten Selbstwertes und die Schaffung<br />
eine positiven offenen Lernklimas.<br />
18
5.2 2. Grundmotivation:<br />
Der Mensch will den Wert des Lebens fühlen: Er will, dass sein Leben<br />
wertvoll ist.<br />
„Die Grundfrage des Lebens lautet: Ich lebe – aber mag ich eigentlich leben, mag ich so<br />
leben? Das Leben als Wert – der Grundwert: Jeder Mensch braucht nicht nur Raum, er will<br />
es auch gut haben in diesem Raum, ihn schön ausgestalten, damit dieser nicht kahl und kalt<br />
bleibt. Er will nicht allein Dasein; er will Lebenswert spüren, sich an der Fülle freuen und die<br />
Werte genießen.<br />
Und zugleich will er für andere Wert sein. Er kann sich in seinem Wert erleben, wenn er<br />
Zuwendung, Nähe, Liebe erfährt. Das öffnet ihn selbst wieder, und er kann sich anderen<br />
Dingen und Menschen zuwenden. Er will mögen und gemocht werden, lieben und geliebt<br />
werden. Die Erfahrung, geliebt zu werden, ohne die Liebe erst verdienen zu müssen, ist der<br />
Funke, der die Liebe zum eigenen Leben entzündet. Der Mensch kann ja zu seinem Leben<br />
sagen: „Es ist gut, dass es mich gibt!“<br />
(Khinast 2000, 203)<br />
In der zweiten Klasse (6. Schulstufe) haben sich ein Großteil der SchülerInnen gut eingelebt.<br />
Sie haben ihren Platz im Schulalltag gefunden. Das „System Schule“ läuft. Die Lehrer sind<br />
bekannt, man hat sich auf sie mehr oder weniger eingestellt. Ebenso verhält es sich mit den<br />
Mitschülern in den verschiedenen Lerngruppen. Freundschaften sind geschlossen worden,<br />
Schülercliquen haben sich gebildet. Die Kinder wollen am „Leben“ in der Schule teilhaben,<br />
daraus Kraft und Energie schöpfen. Eine Kraft, die ihnen Vermögen und Können verleiht, die<br />
es ihnen möglich macht Gefühle zu haben, Nähe zu erleben, Beziehungen zu empfinden und<br />
Werte zu erkennen und zu erspüren. Die Zuwendung von anderen ist dafür sehr wichtig. Der<br />
andere, der spüren lässt: Gut, dass es dich gibt. Schön, dass du da bist. Ich mag dich. Die<br />
Schüler wollen den Lebenswert spüren, unabhängig von ihren Fähigkeiten und ihren<br />
schulischen Leistungen. Erst wenn es möglich wird, Kinder nicht auf Grund ihrer erbrachten<br />
Leistungen zu schätzen, können sie ihre ganze Leistungskraft entwickeln. Dann können sie<br />
sich über ihre erbrachten Leistungen entfalten. Die Tatsache zu sein ist von vornherein gut.<br />
Weil ich bin, ist es gut, dass ich bin. Der Zeitgeist wirkt dem entgegen: Du bist noch gar nicht<br />
gut, leiste erst einmal etwas und dann reden wir weiter. Kinder, für die es nicht<br />
selbstverständlich ist, einfach so angenommen und geborgen zu sein, meinen, dass sie ihren<br />
Lebenswert immer wieder neu unter Beweis stellen müssen. Sie bemühen sich besonders brav<br />
und nett zu sein und durch Ehrgeiz und Leistungsstreben ihr Minderwertigkeitsgefühl zu<br />
kompensieren. Unter diesem Aspekt, dass erst die erbrachte Leistung ein Recht zu leben gibt,<br />
wird Leistungsdenken negativ, verhindert und entwertet die Person.<br />
Besonders wichtig ist es deshalb das Werterleben der Schüler zu pflegen. Wertpflege meint<br />
persönliche Beziehungen einzugehen, zu erkennen, was man mag und was nicht, sich Zeit für<br />
sich selber zu nehmen um das Leben in sich zu spüren. Ein Unterricht, der diesem Mögen<br />
Raum gibt, ermöglicht den Schülern Lernen als positiv zu erleben. Für Kinder ist das<br />
Gemeinschaftserleben in der Schule besonders wichtig, sie wollen eine Klassengemeinschaft,<br />
in der jeder mit seinen Fähigkeiten akzeptiert wird. Das heißt einerseits sich durchsetzen zu<br />
können, das Eigene einzufordern und andererseits sich auch einordnen und einfügen zu<br />
können. Das gelingt, wenn Mitgefühl für einander vorhanden ist. Das Lernen von aktivem<br />
Zuhören ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Es heißt nämlich den<br />
Mitschüler wahrzunehmen und zu beachten, ihm das Gehörte und vor allem die Gefühle, die<br />
beim Zuhören auftauchen, zurückzumelden. Gedanken und Gefühle können so noch einmal<br />
überdacht und Lösungen für ein Problem leichter gefunden werden. Echte Kommunikation<br />
findet statt.<br />
19
Sich Klarheit darüber zu verschaffen, wen man mag und wen nicht, welche Eigenschaften und<br />
Angewohnheiten des anderen einem entgegenkommen und welche nicht, ist für ein<br />
zufriedenes Zusammenleben notwendig, denn es ist nicht möglich alle in der Klasse zu<br />
mögen. Es gilt aber zu akzeptieren, das der andere nicht besser oder schlechter ist, sondern<br />
eben nur anders. Für Schüler ist das oft nicht einfach auszuhalten und die Gefahr feindselig zu<br />
werden besteht.<br />
Es stellt sich die Frage, wie das Bedürfnis der 2. Grundmotivation den Wert<br />
des Lebens zu fühlen in der Schule gelebt werden kann.<br />
Das grundsätzliche Ja zum Leben – der Grundwert – ist Voraussetzung für das Werterleben.<br />
Der Zuspruch von anderen ist sehr wichtig, reicht aber allein nicht aus, um die Liebe zum<br />
eigenen Leben entfalten zu können. Jeder ist selbst aufgefordert, das Ja zum Leben<br />
auszusprechen. Wer das kann, lässt sich von Menschen und Dingen in der Welt berühren, das<br />
Erlebte wird wertvoll. Durch die Freude am Dasein lässt sich das Leben genießen, sie macht<br />
es kraftvoll und farbig.<br />
Für die Kinder ist es deshalb wichtig in der Schule zu erfahren:<br />
„Weil ich bin, ist es gut, dass ich bin. Ich lebe gerne, kann meine<br />
Beziehungen gestalten und meine Werte zum Ausdruck bringen!“<br />
Die Selbstgestaltung des Heranwachsenden braucht neben der Auseinandersetzung mit sich<br />
selbst auch die Anregung von außen. Die Person des Lehrers ist von Bedeutung. Sie bestimmt<br />
zu mindestens gleichen Teilen die Interaktionen zwischen Schülern und Lehrern. Ihr Sein und<br />
Handeln hat direkten Einfluss auf die Erziehung. Jeder Lehrende sollte sich dessen bewusst<br />
sein und eigene Handlungsweisen immer wieder reflektieren und hinterfragen.<br />
20
5.3 3. Grundmotivation:<br />
Der Mensch will er selbst sein dürfen: Er will vor sich und anderen bestehen<br />
können.<br />
„Die Grundfrage der Person heißt: Ich bin – aber darf ich so sein wie ich bin?<br />
Jeder Mensch will unverwechselbar, einmalig, ganz er selbst sein. Jeder will sein Eigenes,<br />
Persönliches leben und so sein dürfen, wie er seinem Wesen nach ist.<br />
Der Mensch will seinen Selbstwert spüren. Er will so mit sich leben, dass er zu sich stehen,<br />
sich annehmen, vor sich bestehen, mehr noch: sich anerkennen und achten kann. Er will<br />
also, dass es recht so ist, wie er lebt und was er tut und hervorbringt.<br />
Er braucht aber auch Anerkennung der eigenen Person in ihrer Einzigartigkeit und<br />
Unverwechselbarkeit durch andere. Anerkennung geschieht in echter Begegnung.<br />
Er sucht Wertschätzung, Respekt, Achtung seines So-seins und dessen, was er geschaffen<br />
hat. Achtung bedeutet, die Würde der Person zu respektieren.<br />
Sich selbst und zugleich die anderen anschauen können, mit sich im Letzten<br />
übereinstimmen und mit Übereinstimmung auch vor anderen bestehen können, das<br />
macht seine Würde aus.“<br />
(Khinast 2000,.209)<br />
In der 3. Klasse (7. Schulstufe) beginnt die Pubertät , die eine Anpassung an neue<br />
Anforderungen, Rollenerwartungen und biologische Veränderungen fordert.<br />
Als eine wichtige Entwicklungsaufgabe gilt es nun die eigene, sich verändernde körperliche<br />
Erscheinung zu akzeptieren, sich mit der geschlechtlichen Reifung auseinander zu setzen und<br />
die Geschlechterrolle zu übernehmen. Wichtig wird auch das Erlangen emotionaler<br />
Unabhängigkeit von den Eltern.<br />
Für SchülerInnen dieses Alters ist ihr Aussehen und vor allem ihre Wirkung auf andere von<br />
großer Bedeutung. Die Gedanken drehen sich hartnäckig um Gewicht, Größe, Hautprobleme,<br />
Bartwuchs, Busengröße usw. Die Jugendlichen betrachten sich mit kritischem Blick im<br />
Spiegel, messen sich mehr als bisher mit anderen, vergleichen sich. Orientierungshilfe und<br />
Halt suchen viele in Gleichaltrigengruppen, denn die Meinung der Erwachsenen werden<br />
oftmals angezweifelt, hinterfragt und nicht akzeptiert. Es gilt, was in der Gleichaltrigengruppe<br />
für gut befunden wird.<br />
Die Fragen „Wer bin ich eigentlich? Ist es gut, wie ich bin? Werde ich von anderen<br />
akzeptiert, wenn ich so bin?“ treten in den Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit.<br />
Die Jugendlichen sind verunsichert, denn die eigene Identität ist noch nicht gefunden. Erst<br />
langsam werden sie sich ihrer selbst bewusst. Eigene Stärken und Vorzüge sind oft noch<br />
unklar. Anerkennung und Zuspruch vor allem von Gleichaltrigen sind jetzt für Jugendliche<br />
besonders wichtig, denn das Autonomiestreben gegenüber den Eltern nimmt während der<br />
Pubertät eine tragende Funktion ein. Sie wollen akzeptiert werden und brauchen den Raum<br />
sosein zu dürfen wie sie sind, sich selbst zu entdecken. Auch im Schulalltag tauchen<br />
Unsicherheiten und Ängste verstärkt auf und verhindern oftmals, dass SchülerInnen<br />
Persönliches in die Gemeinschaft einbringen, dass sie sich zu Wort melden und zu ihren Ideen<br />
und Ansichten stehen. Die Angst vor dem Versagen, vor dem Gesichtsverlust und<br />
Zurückweisung ist sehr groß, ebenso die Angst vor Bewertung und Verlassen-Werden. ICH<br />
zu sagen bedeutet ein Wagnis. Für die SchülerInnen ist es aber ganz wichtig zu lernen sich für<br />
das Eigene einzusetzen, denn nur so können sie sich als Wert begreifen. Wenn sie aus Angst<br />
darauf verzichten sie selbst zu sein, verzichten sie auf ihr Leben, werden abhängig vom<br />
Zuspruch durch andere.<br />
21
Sie passen sich an und unterwerfen sich dem Diktat der Gruppe, die in dieser<br />
Entwicklungsphase Sicherheit und Orientierung gibt, um anerkannt und geschätzt zu werden.<br />
Bleiben Anerkennung und Wertschätzung jedoch aus, verlieren sie leicht ihren Selbstwert<br />
und jeden Halt. Zudem probieren Jugendliche in zunehmendem Maß Verhaltensweisen aus,<br />
die in der Gleichaltrigengruppe vorgelebt werden, den elterlichen Normvorstellungen jedoch<br />
widersprechen. Alkohol und Zigaretten werden konsumiert und die ersten sexuellen<br />
Erfahrungen gemacht. Um sich unter dem Gruppendruck nicht selbst zu verlieren, braucht es<br />
eine gute Ichstärke, die klar abgrenzt zwischen mir und den anderen. Eine Kraft, die spürt,<br />
was gut ist und was nicht. Die elterlichen Ansprüche werden häufig als Kritik aufgefasst und<br />
als Zurückweisung empfunden. So bieten jugendliche Verhaltensweisen viel Konfliktstoff<br />
und führen immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen mit Eltern und auch Lehrern z.B.<br />
wegen schlechten Schulnoten oder weil Anerkennung durch Gleichaltrige gesichert werden<br />
muss. Um ihre Ängste und Unsicherheiten zu verstecken gehen die Heranwachsenden oft auf<br />
Distanz, lassen nicht mehr mit sich reden, überspielen unangenehme Situationen, flüchten in<br />
viele Aktivitäten, wollen selbst Entscheidungen treffen, sich nichts mehr sagen lassen,<br />
machen Vorwürfe usw. und fühlen sich trotzdem dabei einsam, unverstanden und ungerecht<br />
behandelt. Eltern und Pädagogen sollten sich dies immer wieder bewusst machen.<br />
Es stellt sich die Frage, wie das Bedürfnis der 3. Grundmotivation das<br />
Eigene, Persönliche zu spüren, den Selbstwert zu finden, in der Schule<br />
gelebt werden kann.<br />
Der Mensch will erleben, dass es gut ist, wie er ist. Er will sich persönlich in die Welt<br />
einbringen, das Eigene vertreten und auch genießen können. Das Leben will gestaltet werden,<br />
damit es nicht einfach nur passiert. Das im Gewissen wurzelnde Grundgefühl für das Eigene<br />
lässt spüren, was gelebt werden will, hilft den Platz in der Welt zu finden und schafft Raum,<br />
um das Selbst ganz zur Entfaltung zu bringen.<br />
Im Lebensraum Schule müssen die Jugendlichen erfahren können:<br />
„Es ist recht so, wie ich lebe! Ich kann zu dem stehen, was ich und wie ich<br />
es tue! Wenn ich jederzeit öffentlich zu meinem Handeln stehen kann,<br />
bestehe ich auch vor den anderen und erfahre dadurch Wertschätzung,<br />
Anerkennung und Respekt.“<br />
In der Pubertät stehen die Jugendlichen also vor der schwierigen Aufgabe sich selbst<br />
anzunehmen und auch auszuhalten, mit allen Vorzügen und Unvollkommenheiten, selbst<br />
dann, wenn sie feststellen anders zu sein, als sie sich selbst gerne sehen würden. Es ist für sie<br />
deshalb wichtig zu lernen wie man sich selbst gegenübertreten kann, sich wie in einem<br />
Spiegel aus einem Abstand anzuschauen. Denn nur in der Selbstdistanzierung entsteht der<br />
Raum, der für ein sorgsames Umgehen mit sich selber notwendig ist.<br />
Die erfolgreiche Bewältigung der aus den Entwicklungsübergängen resultierenden<br />
Anforderungen ist dann gegeben, wenn Jugendliche in der Schule, d.h. im Gruppengeschehen,<br />
entsprechende Gelegenheiten haben ihre eigene Potenziale zu erkennen und zu nützen, wenn<br />
soziale Kompetenzen eingefordert werden und dabei die Unterstützung von Seiten der Lehrer<br />
gewährleistet ist. Jugendliche müssen eine ausreichende Autonomie gegenüber Eltern und<br />
Lehrern entwickeln dürfen ohne die Aufrechterhaltung einer positivern Beziehung zu<br />
gefährden. Wenn das gelingt, ist die Gefahr einer Fehlanpassung gering. (vgl. Petermann,<br />
Niebank, Scheithauer 2004, 284-290)<br />
22
5.4 4. Grundmotivation:<br />
Der Mensch will sinnvoll leben: Er hat den Willen zum Sinn!<br />
Frankl formulierte das Wesen des Menschen in klassischer Weise:<br />
„Der Mensch ist das Wesen, das letztlich und eigentlich auf der Suche nach Sinn ist. Er ist<br />
immer schon ausgerichtet und hingeordnet auf etwas, das nicht wieder er selbst ist: auf eine<br />
Aufgabe, die es zu erfüllen gibt, auf ein Du, das er liebt.<br />
So oder so: Menschsein weist immer schon über sich selbst hinaus, und die Transzendenz<br />
ihrer selbst ist die Essenz menschlicher Existenz.<br />
Den Sinn des Daseins erfüllen wir – unser Dasein erfüllen wir mit Sinn – allemal dadurch,<br />
dass wir Werte verwirklichen.“ (Khinast 2000, 84)<br />
In der 4. und letzten Klasse der Hauptschule (8. Schulstufe) stellt sich die Frage: Wie kann ich<br />
mein Leben in die Hand nehmen, die richtige Berufswahl treffen und den richtigen Partner<br />
finden, damit sich mein Leben lohnt, sinnvoll wird.<br />
Der Mensch ist auf Sinn ausgerichtet, es ist zutiefst menschlich nach dem Sinn im Leben zu<br />
fragen. Der Wille zum Sinn ist in jedem Menschen fest verankert und er wird, solange er lebt,<br />
nach Sinn suchen. Die Sinnfrage bekommt aber erst dann Gewicht, wenn der Lebenssinn<br />
verlorengegangen ist. Sinnmangel macht krank und kann als Langeweile, Gleichgültigkeit, als<br />
Trauer oder Verzweiflung wahrgenommen werden. Ein Gefühl der inneren Leere und Starre<br />
stellt sich ein.<br />
An der menschlichen Entwicklung kann man sehen, dass der Mensch zuallererst im Erleben<br />
Sinn findet, später über schöpferisches Tun und dann erst durch das Einnehmen bestimmter<br />
Einstellungen. Das Leben hält für die Menschen drei Arten von Aufgaben bereit, die alle<br />
„Straßen“ zum Sinn sind. Konkrete Situationen verlangen z.B., dass der Mensch etwas tut,<br />
handelt, das Leben gestaltet. Dann gibt es wieder Gelegenheiten das Leben zu genießen, im<br />
Erleben Wertmöglichkeiten zu erfahren oder der Alltag fordert unabänderliche Gegebenheiten<br />
anzunehmen, das Schicksal auf sich zu nehmen. Sinnmöglichkeiten liegen also im Handeln<br />
und im kreativen Schaffen eines Werkes, in der Begegnung mit anderen Menschen und im<br />
Erleben von Natur und Kunst, sowie im Ertragen von unabänderlichem Leid, welches wohl<br />
die größte Herausforderung für den Menschen ist. Wenn das Auftauchen des Sinnes in<br />
verschiedenen Lebenssituationen erkannt wird, leuchtet die „Person“ auf, die durch die<br />
Sinnverwirklichung wächst und sich selbst verwirklicht. Sinn erfüllen heißt, Werte<br />
verwirklichen.<br />
Sinn kann allerdings nicht gemacht oder verordnet werden, er muss immer selbst gefunden<br />
werden im Hier und Jetzt der konkreten Situation. Es geht darum die bestmögliche Antwort<br />
auf die Fragen des Lebens zu finden, denn nach bestem Wissen und Gewissen dem Leben zu<br />
antworten, es zu verantworten, erzeugt Sinn. Sinn setzt jedoch voraus, möglichst offen an das,<br />
was das Leben anbietet, heranzutreten und genau wahrzunehmen, welches die jeweiligen<br />
Werte sind, die vertreten werden wollen. Zur Erfassung des Sinns hilft das Gewissen.<br />
Den Sinn zu sehen heißt, die Welt ganzheitlich zu erfassen und zu verstehen, denn Sinn<br />
bindet die Person ein in ein größeres Ganzes, in die soziale Mitwelt und in die Natur.<br />
Es stellt sich die Frage, wie das Bedürfnis der 4. Grundmotivation im Leben<br />
Sinn zu finden, in der Schule gefördert werden kann.<br />
Auch in der Schule ist es keinesfalls so, dass es den SchülerInnen gleichgültig ist, was sie tun,<br />
beziehungsweise was sie lernen, sie wollen Sinnhaftes. Sinnvolles Lernen geschieht dann,<br />
wenn die SchülerInnen mit innerer Beteiligung ganz bei der Sache (Aufgabe) sind, die sie<br />
gerade erledigen.<br />
23
Die LehrerInnen sind herausgefordert dafür gute Bedingungen zu schaffen, indem sie die<br />
SchülerInnen mit Aufgaben beziehungsweise Situationen konfrontieren, die zukunftsorientiert<br />
sind und Aufgabencharakter haben, an denen sich die selbstgestaltenden Eigenaktivitäten der<br />
Schüler entfalten können. Die Lernenden sollen herausgefordert sein eigene Entscheidungen<br />
zu treffen und ihre Fähigkeiten zu erproben. Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen.<br />
Durch Problemstellungen, Hinweise zur Überwindung von Angst, eine Rückmeldung, eine<br />
übertragene Aufgabe, die zum Handeln auffordert. Damit die SchülerInnen diese<br />
Herausforderungen auch positiv bewältigen können, ist es wichtig, dass die Aufgaben konkret<br />
und überschaubar sind, dass sich die Schüler die Aufgabe auch zutrauen und die notwendigen<br />
Schritte zur Umsetzung wagen können.<br />
Die LehrerInnen müssen ihre Schüler sehr gut kennen und tiefes Verständnis für ihre Person<br />
haben, damit die Konfrontationen und Auseinandersetzungen mit den Lerninhalten die<br />
Möglichkeiten der Jugendlichen nicht übersteigen. Nicht immer werden die gebotenen<br />
Möglichkeiten zur Selbstentfaltung von den Schülern genutzt und sie drücken sich vor den<br />
gestellten Aufgaben. Dann muss man den Jugendlichen auch etwas zumuten, wozu sie im<br />
Moment nicht gerade motiviert sind. Beim Auffordern zu bestimmtem Tun, beim<br />
Herausfordern zur Auseinandersetzung mit sich selbst und ihren Fähigkeiten ist es sehr wohl<br />
möglich, dass etwas Unangenehmes gefordert oder aufgebrochen wird, dass an Gewohnheiten<br />
und Vertrautem gerührt wird. Sich Neuem zu stellen kann Furcht auslösen. Schüler können<br />
beim Bewältigen der übernommenen Aufgaben an Hindernisse stoßen, die sie vielleicht aus<br />
eigener Kraft nicht zu überwinden vermögen. Dann ist die haltgebende Begleitung und<br />
Unterstützung des Lehrers notwendig.<br />
Mit dem Blick auf die Welt bieten sich dem Jugendlichen eine Fülle von Möglichkeiten an,<br />
die aber auch Notwendigkeiten mit einschließen. Im Blick nach innen entdeckt und erfährt er<br />
die Grenzen seiner Fähigkeiten, denn nur ein kleiner Teil kann durch ihn realisiert werden. Es<br />
liegt am Menschen selbst, die beste Möglichkeit vor dem Hintergrund der Realität<br />
auszuwählen und somit sein Tun als etwas Sinnvolles zu erleben.<br />
Im der Schule müssen die Jugendlichen fürs Leben lernen können:<br />
„Ich kann den Aufbruch zu Unbekanntem wagen, die Übernahme von<br />
Aufgaben riskieren und dabei durchhalten. Mein Leben wird sinnvoll,<br />
wenn ich mit meinen Fähigkeiten Werte verwirkliche.“<br />
Die wichtigste Aufgabe beziehungsweise das Ziel jeder Erziehung liegt darin den Grund zu<br />
bereiten, von dem aus ein eigenverantwortliches, eigenständiges Leben möglich ist, denn um<br />
die zutiefst menschlichen Aspekte des Lebens wie innere Freiheit, Verantwortlichkeit, das<br />
Finden von Sinn, und um lebendige Beziehungen müssen sich die Menschen ein Leben lang<br />
bemühen.<br />
24
6. Konkrete Anwendung der Theorie zum sozialen Lernen, ausgerichtet auf<br />
die vier personalen Grundmotivationen des Menschen<br />
1. Klasse – 1. Grundmotivation: Halt und Raum (Ja zum Dasein in der Welt)<br />
Motto: Ich bin ich und neugierig auf dich<br />
Meinen Platz in der Schule haben, da sein können!<br />
Themen:<br />
1. Sich selbst, die eigene Person , wahrnehmen<br />
(Name, Herkunft, Zugehörigkeit)<br />
2. Unterschiede zu und Gemeinsamkeiten mit anderen entdecken<br />
(Anders sein dürfen – trotzdem Gemeinschaft erleben)<br />
3. ICH und DU<br />
(Jeder braucht einen Freund! Wie kann man Freunde gewinnen?)<br />
2. Klasse – 2. Grundmotivation: Werte und Zeit (Ja zum Leben)<br />
Motto: Ich lebe und gestalte Beziehungen<br />
Gerne in die Schule gehen, Beziehungen haben, sich wohl fühlen!<br />
Themen:<br />
Gesprächskultur erlernen<br />
(miteinander reden, Wünsche äußern, erzählen, Probleme besprechen, aktiv zuhören)<br />
Gefühle bei sich wahrnehmen und benennen, Gefühle ausdrücken können, Gefühle bei<br />
anderen beachten, Rückmeldungen geben und annehmen können, Mitgefühl entwickeln<br />
3. Klasse – 3. Grundmotivation: Würde, Wertschätzung, Autorität (Ja zu mir als Person)<br />
Motto: Ich setze mich auseinander<br />
In der Schule so sein dürfen, wie man ist, dem Wesen entsprechend!<br />
Themen:<br />
Konflikte bearbeiten (in mir, zwischen Personen, in und zwischen Gruppen)<br />
Rollen in der Klasse, Gruppenphänomene erkennen (Vorurteile, Außenseiter)<br />
Erste Liebe, Sexualität, Ängste,<br />
Klasse (8. Stufe) – 4. Grundmotivation: Erfüllung, Sinn (Ja zu einem sinnvollen Leben)<br />
Motto: Ich nehme mein Leben in die Hand<br />
In der Schule Sinn finden, fürs Leben lernen!<br />
Themen:<br />
Lern- und Lebensplanung<br />
Sich an Werten orientieren und handeln<br />
Berufs- /Laufbahnwahl treffen<br />
Trennung, Abschied nehmen - Mut fassen für den nächsten Entwicklungsschritt<br />
(vgl. Mitschka 2001, 114)<br />
25
7. Projekt: FORM, FARBE, PHILOSOPHIE<br />
Mit dem Ziel die pädagogischen Richtlinien zur 2. Grundmotivation zu realisieren und somit<br />
die Klassengemeinschaft weiterhin zu stärken und zu verbessern, entschloss ich mich am<br />
Schulanfang „meiner“ zweiten Klasse das Projekt „Form, Farbe, Philosophie“ anzubieten,<br />
sofern dies auch von den Schülern und Eltern gewünscht würde. Im regulären Unterricht mit<br />
zwei Stunden Geschichte und einer Stunde Geographie in meiner Klasse sah ich keine<br />
Möglichkeit mehr Themen des sozialen Lernens durchgängig in meinen Unterricht<br />
einzubringen, da hierfür einfach die Zeit fehlte. Die Themen des Projektes wählte ich in<br />
Bezug auf das Motto des Jahres - Ich lebe und gestalte Beziehungen – aus. Obwohl das für die<br />
Schüler bedeutete, einen zusätzlichen freien Nachmittag in der Schule zu verbringen,<br />
meldeten sich von 30 Schülern 26 für diesen Projektnachmittag an, der einmal im Monat<br />
jeweils am Freitagnachmittag von 15.00 bis 17.30 stattfand.<br />
Form: Gesprächskultur erlernen<br />
miteinander reden<br />
erzählen<br />
Probleme besprechen<br />
Wünsche äußern<br />
aktiv zuhören<br />
Konflikte lösen<br />
Selbstwert stärken unter dem Motto:<br />
„Ich lebe und gestalte Beziehungen“<br />
Farbe: Gefühle bei sich wahrnehmen und benennen,<br />
Gefühle ausdrücken können,<br />
Gefühle bei anderen beachten,<br />
Rückmeldungen geben und annehmen können<br />
Mitgefühl entwickeln<br />
zeichnen, malen<br />
Musik hören<br />
Rollenspiele<br />
Feste feiern<br />
Philosophieren: Nachdenken über den Menschen, Gott und die Welt<br />
philosophische Gespräche führen<br />
26
24.10.03 Form, Farbe, Philosophie 1<br />
Lernziele: Sozialform „Sitzkreis“, Gesprächsregeln formulieren, miteinander reden<br />
Literaturtipps: Dauer 1999, Schilling 2000<br />
Unterrichtsmaterialien:<br />
dicke Wolle, Karton, und Schere für die Herstellung eines „Gesprächsballes“<br />
Bild vom „Indianerrat“<br />
Die Gesprächsregeln auf buntem Papier, foliert (DINA 4)<br />
Packpapier für die Gestaltung eines Plakates<br />
Filzstifte, Klebstoff<br />
1. Sitzkreis:<br />
Vorstellungsrunde: Jedes Kind erzählt kurz, wie der Schulanfang war und was es sich von den<br />
Projektnachmittagen erwartet. (Erstellen des Wollpompons)<br />
Einen Namen für den Gesprächsball suchen (Abstimmung)<br />
Spiel mit dem Gesprächsball: Den Ball einander zuwerfen, auf Zeit, mit Namensnennung<br />
2. Bildimpuls (Indianerrat):<br />
Spekulieren, was das Bild darstellen soll, warum diese Menschen im Kreis sitzen, welche<br />
Gründe es geben könnte, sich zu treffen. (Gesprächsstein)<br />
Fragen: Warum treffen wir uns? Was wollen wir gemeinsam machen?<br />
Wie können unsere Zusammenkünfte gelingen?<br />
Bezug herstellen ( Gesprächsstein der Indianer – Gesprächsball der Schüler )<br />
3. Erste Gesprächsregel einführen:<br />
Wer den Ball hat, darf reden!<br />
Weitere Gesprächsregeln wiederholen und formulieren, die für uns gültig sein sollen.<br />
4. Plakat gestalten<br />
Regeln aufschreiben, aufschreiben, was Freunde miteinander tun<br />
Unterschrift der SchülerInnen<br />
5. Abschlussrunde:<br />
Wie waren wir als Team?<br />
- Habe ich den anderen zugehört? Haben die anderen mir zugehört?<br />
- Waren die meisten auf ihre Art an der Diskussion beteiligt?<br />
- Waren wir ein Team, wo man sich wohl und geborgen fühlt?<br />
Das Wiederholen und Formulieren der Gesprächsregeln hat uns bald ins<br />
Philosophieren gebracht.<br />
Im Laufe des Gespräches stellte sich heraus, dass das Zuhören können für viele<br />
sehr schwer ist und es nervt, wenn man immer wieder auf Ruhe warten muss. Mit<br />
der Frage, warum das so schwierig ist, beschäftigten wir uns recht lange. Dass das<br />
Zuhören Aufmerksamkeit verlangt, war sehr schnell klar. Ebenso, dass der Redner<br />
erwartet, gehört zu werden und es als geringschätzend erlebt, die Aufmerksamkeit<br />
27
nicht zu bekommen. Andererseits stellte sich auch die Frage, ob der Sprecher<br />
wirklich ein Zuhören verlangen kann, ob man wirklich gehorchen und Interesse<br />
haben muss. Schlussendlich waren sich die Kinder darüber einig, dass es doch<br />
wichtig ist einander zuzuhören, da man ja sonst gar nicht ins Gespräch kommen<br />
kann.<br />
Die formalen Regeln haben sich alle Kindern noch vom letzten Jahr gemerkt und sie<br />
wurden nicht in Frage gestellt:<br />
- Handzeichen heißt: Ich möchte etwas sagen.<br />
- Wer den Ball, hat darf reden!<br />
- Wer den Ball hat, entscheidet, wer der Nächste, die Nächste ist.<br />
- Nicht nur der Freundin / dem Freund den Ball zuwerfen!<br />
Obwohl die Kinder ziemlich einstimmig auch die folgenden Regeln (Wir dürfen<br />
sagen, was wir denken. Wir lassen die Meinung des anderen zu. Wir lachen den<br />
anderen nicht aus.) anerkannt haben, wurde immer wieder gelacht und geblödelt,<br />
wenn jemand etwas sagte. Manche Kinder beschwerten sich darüber, forderten die<br />
Regel ein. Eine Diskussion über das Lachen setzte ein.<br />
Aussagen: Man muss zwischen dem Lachen und dem Auslachen unterscheiden.<br />
Genau hinhören, welches Lachen gemeint ist.<br />
Manche Aussagen sind einfach lustig.<br />
Lachen ist gesund und macht Spaß.<br />
Spaß soll man auch verstehen können.<br />
Manchmal meint man nur, dass man ausgelacht wird.<br />
Nicht jeder empfindet gleich.<br />
Die Regel vom Auslachen wurde dann doch als gültig erklärt. Die Schüler einigten<br />
sich darauf, dass man ja nachfragen kann, ob man jetzt ausgelacht wurde oder nicht.<br />
28
28.11.03 Form, Farbe, Philosophie 2<br />
Lernziele: Gefühle kann man spüren, sehen und ausdrücken (Pantomime), zuhören lernen<br />
Unterrichtsmaterialien:<br />
Michael Ende: „Momo“<br />
Wörtliche Reden: Streit zwischen Nicola und Nino<br />
Die kopierte Textstelle des Streites aus Momo<br />
1. Sitzkreis:<br />
Bezug nehmen zum letzten sozialen Lernen. Wichtiges Thema: Zuhören können! Warum ist<br />
das so wichtig?<br />
2. Textstelle aus Momo vorlesen<br />
Momo (S. 14 - 16 So kam es, .............. So konnte Momo zuhören!)<br />
3. Rollenspiel<br />
6-er Gruppen einteilen (Momo, Nino, Ninos Gefühl, Nicola, Nicolas Gefühl, Erzähler)<br />
Arbeitsauftrag: Spielt das Streitgespräch vor! Wechselt untereinander die Rollen aus!<br />
Momo hört nur zu.<br />
Der Erzähler liest den Text zwischen den wörtlichen Reden. (kopierte Textstelle)<br />
Nicola und Nino „streiten“ ihre Texte abwechslungsweise vor. (Wörtliche Reden)<br />
Die Gefühle stehen neben ihnen und drücken die Gefühle pantomimisch aus.<br />
Die Gruppen, die ihr Spiel vorzeigen wollen, können das auf freiwilliger Basis tun.<br />
4. Sitzkreis<br />
Reflexion:<br />
Wie ist es euch in der Gruppe mit dem Arbeitsauftrag ergangen?<br />
Was war leicht, was war schwierig?<br />
Was sagt „Momo“ zu dem Streit?<br />
Wie endet der Streit?<br />
5. Abschlussrunde:<br />
Blitzlicht – wie war der Nachmittag? Einen Wunsch fürs nächste Mal formulieren.<br />
Der Arbeitsauftrag stellte für die Gruppen eine hohe Anforderung dar. Sie musste<br />
sich selbst organisieren, das war schwierig. Die Rollen mussten zugeteilt werden.<br />
Das Lesen erforderte Ausdauer und Konzentration („richtige“ Stelle zum richtigen<br />
Zeitpunkt). Pantomime artete bei manchen in „Blödelei“ aus.<br />
Von den vier Gruppen kam eine Gruppe zu keinem Ergebnis, eine Gruppe fand sehr<br />
spät in den Gestaltungsprozess und wurde nicht fertig, zwei Gruppen konnten ihre<br />
Arbeit erfolgreich präsentieren. Bei der Abschlussrunde erklärten die Erfolgreichen,<br />
wie sie „es“ gemacht hatten. Es war erstaunlich, dass die beste Präsentation<br />
Schülerinnen mit durchschnittlichem Leistungsniveau erzielten. Sie waren sehr stolz<br />
auf sich. Einige leistungsstarke Schüler waren doch sehr frustriert, da sie die<br />
Aufgabe nicht erfüllen konnten. Etwas neidisch blickten sie auf die „Gewinner“. In der<br />
Reflexion erkannten sie, dass sie selber Schuld hatten, woran es lag, dass sie nichts<br />
zustande gebracht hatten. Mit Bedauern stellten sie fest, eine Möglichkeit sich zu<br />
beweisen, nicht genutzt zu haben, dass es jetzt zu spät war.<br />
30
Ich geh.<br />
Ich hab meinen guten Willen gezeigt, indem ich überhaupt gekommen bin.<br />
Aber du siehst Momo, er ist verstockt.<br />
Wozu soll ich noch länger warten?<br />
Ja, mach dass du wegkommst!<br />
Du hättest erst gar nicht zu kommen brauchen.<br />
Ich versöhne mich doch nicht mit einem Verbrecher!<br />
Wer ist hier ein Verbrecher?<br />
Sag das noch mal!<br />
Sooft du nur willst!<br />
Du glaubst wohl, weil du stark und brutal bist, wagt niemand dir die Wahrheit ins Gesicht zu<br />
sagen?<br />
Aber ich, ich sage sie dir und allen, die sie hören wollen!<br />
Ja, nur zu, komm doch her und bring mich um, wie du es schon mal tun wolltest!<br />
Hätt ich`s nur getan!<br />
Aber da siehst du, Momo, wie er lügt und verleumdet!<br />
Ich hab ihn nur beim Kragen genommen und in die Spülwasserpfütze hinter seiner Spelunke<br />
geschmissen.<br />
Da drin kann nicht einmal eine Ratte ersaufen.<br />
Leider lebst du ja noch, wie man sieht!<br />
Eine Zeit lang gingen die wildesten Beschimpfungen hin und her und Momo konnte nicht<br />
schlau daraus werden, worum es überhaupt ging und weshalb die beiden so erbittert<br />
aufeinander waren. Aber nach und nach kam heraus, dass Nicola diese Schandtat nur<br />
begangen hatte, weil Nino ihm zuvor in Gegenwart einiger Gäste eine Ohrfeige gegeben hatte.<br />
Dem war allerdings wieder vorausgegangen, dass Nicola versucht hatte, Ninos ganzes<br />
Geschirr zu zertrümmern.<br />
Ist ja überhaupt nicht war!<br />
Einen einzigen Krug hab ich an die Wand geschmissen, und der hatte sowieso schon einen<br />
Sprung!<br />
Aber es war mein Krug, verstehst du?<br />
Und überhaupt hast du kein Recht zu so was!<br />
Weißt du, was er über mich gesagt hat?<br />
Er hat gesagt, ich könne keine gerade Mauer bauen, weil ich Tag und Nacht betrunken sei.<br />
Und mein Urgroßvater wäre schon so gewesen, und er hätte beim schiefen Turm von Pisa<br />
mitgebaut!<br />
35
Aber Nicola, das war doch nur Spaß!<br />
Ein schöner Spaß, über so was kann ich nicht lachen!<br />
Es stellte sich jedoch heraus, dass Nino damit nur einen Spaß Nicolas zurückgezahlt hatte.<br />
Eines Morgens hatte nämlich in knallroten Buchstaben auf Ninos Tür gestanden: „Wer nichts<br />
wird, wird Wirt“.<br />
Momo schaute sie groß an, und keiner der beiden konnte sich ihren Blick so recht deuten. Ihr<br />
Gesicht verriet nichts. Aber den Männern war plötzlich, als sähen sie sich selbst im Spiegel,<br />
und sie fingen an sich zu schämen.<br />
Gut, ich hätte das vielleicht nicht auf deine Tür schreiben sollen, Nino. Ich hätte es auch nicht<br />
getan, wenn du dich nicht geweigert hättest, mir nur ein einziges Glas Wein auszuschenken.<br />
Das war gegen das Gesetz, verstehst du? Denn ich habe immer bezahlt, und du hattest keinen<br />
Grund, mich so zu behandeln.<br />
Und ob ich den hatte!<br />
Erinnerst du dich nicht mehr an die Sache mit dem heiligen Antonius? Ah, jetzt wirst du<br />
blass!<br />
Du hast mich nämlich nach Strich und Faden übers Ohr gehauen, und so was muss ich mir<br />
nicht bieten lassen.<br />
Ich dich! Umgekehrt wird ein Schuh draus!<br />
Du wolltest mich hereinlegen, nur ist es dir nicht gelungen!<br />
Die Sache war die: In Ninos kleinem Lokal hatte ein Bild an der Wand gehangen, das den<br />
heiligen Antonius darstellte. Es war ein Farbdruck, den Nino irgendwann einmal aus einer<br />
Illustrierten ausgeschnitten und gerahmt hatte.<br />
Eines Tages wollte Nicola Nino dieses Bild abhandeln – angeblich, weil er es so schön fand.<br />
Und Nino hatte Nicola durch geschicktes Feilschen schließlich dazu gebracht, dass dieser sein<br />
Radio zum Tausch bot.<br />
Nino lachte sich ins Fäustchen, denn natürlich schnitt Nicola dabei ziemlich schlecht ab. Das<br />
Geschäft wurde gemacht.<br />
Nun stellte sich aber heraus, dass zwischen Bild und Rückwand aus Pappdeckel ein<br />
Geldschein steckte, von dem Nino nichts gewusst hatte. Jetzt war er plötzlich der<br />
Übervorteilte, und das ärgerte ihn.<br />
Kurz und bündig verlangte er von Nicola das Geld zurück, weil es nicht zum Tausch gehört<br />
habe.<br />
So hatte der Streit angefangen.<br />
Sag mir jetzt einmal ganz ehrlich, Nicola – hast du schon vor dem Tausch von dem Geld<br />
gewusst oder nicht?<br />
Klar, sonst hätte ich doch den Tausch nicht gemacht.<br />
36
Dann musst du doch zugeben, dass du mich betrogen hast!<br />
Wieso? Hast du denn von dem Geld wirklich nichts gewusst?<br />
Nein, mein Ehrenwort!<br />
Na, also.<br />
Dann wolltest du mich hereinlegen. Wie konntest du mir sonst für das wertlose Stück<br />
Zeitungspapier mein Radio abnehmen, he?<br />
Und warum hast du von dem Geld gewusst?<br />
Ich hab gesehen, wie es zwei Abende vorher ein Gast als Opfergabe für den heiligen Antonius<br />
dort hineingesteckt hat.<br />
War es viel?<br />
Nicht mehr und nicht weniger, als mein Radio wert war.<br />
Dann geht unser ganzer Streit eigentlich bloß um den heiligen Antonius, den ich aus der<br />
Zeitung ausgeschnitten habe.<br />
Eigentlich ja, du kannst ihn gern wiederhaben, Nino.<br />
Aber nicht doch! Getauscht ist getauscht! Ein Handschlag unter Ehrenmännern!<br />
Und plötzlich fingen beide an zu lachen, sie umarmten einander und klopften sich gegenseitig<br />
auf den Rücken.<br />
Dann nahmen sie beide Momo in den Arm und sagten:<br />
Danke, Momo!<br />
Danke, Momo!<br />
Vielen Dank!<br />
Vielen Dank!<br />
37
19.12.03 Form, Farbe, Philosophie 3<br />
Lernziele: Weihnachtsfeier organisieren (Programmpunkte, Essen, Trinken, Einladungen)<br />
Den Organisationsplan gemeinsam mit der Klasse erstellen<br />
Frage an die Klasse: Wie gelingt es, aus einem Treffen eine Feier zu machen? Was ist der<br />
Unterschied?<br />
Brainstorming an der Tafel: SchülerInnen schreiben auf, was ihnen einfällt.<br />
(Musik, Unterhaltung, Weihnachtsgeschichte, Kerzen, Kekse,<br />
Gäste, Getränke, Klassenschmuck, gute Laune ...........)<br />
Gemeinsames Feiern – gemeinsames Vorbereiten des Festes: Nur wenn sich alle aktiv an der<br />
Feier beteiligen und jeder einen Beitrag leistet, kann ein Fest gelingen.<br />
Wer kümmert sich worum?:<br />
Schüler organisieren ihr Fest selbständig.<br />
Es bilden sich Gruppen, die jeweils einen Teilbereich vorbereiten<br />
1. Gruppe: Getränke und Kekse mitbringen<br />
Den Klassenraum für das Fest vorbereiten (Tische stellen)<br />
2. Gruppe: Bastelt Weihnachtsschmuck für die Klasse, Tischschmuck (Servietten, Kerzen)<br />
3. Gruppe: Programmpunkt – Weihnachtsgeschichte vorspielen<br />
4. Gruppe: Musikgestaltung: 2 Lieder vorsingen - Gruppe<br />
1 Lied – Solo<br />
Spielmusik: Flöte und Keyboard<br />
Tanzeinlage<br />
5. Gruppe: Einladungen schreiben und Programmablauf einteilen<br />
6. Gruppe: Aufräumtrupp (Klasse wieder in Ordnung bringen, Abfall beseitigen, usw.)<br />
Nachdem die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche zugeordnet waren, hatte sich jede<br />
Gruppe selbständig auf das Fest vorzubereiten. Die Programmpunkte waren nur den<br />
Interpreten bekannt und wir alle, die Mitschüler und natürlich auch ich, waren<br />
gespannt, was sich die einzelnen Gruppen ausgedacht hatten.<br />
Alle nahmen ihre Aufgabe sehr ernst, deshalb kam auch eine wirklich sehr<br />
stimmungsvolle, friedliche Weihnachtsfeier zustande. Das Lob und die Anerkennung<br />
der geladenen Gäste (Lehrer) waren für die Kinder eine schöne persönliche<br />
Bestätigung. Zufrieden marschierten sie ab in die Weihnachtsferien.<br />
38
16.1.04 Form, Farbe, Philosophie 4<br />
Lernziele: Schulung der Wahrnehmung – Stilleübung, Hörübung, Phantasiereise<br />
Literaturtipps: Berg 1996, Daurer 1999, Reichling 1994, Richter 2003, Teml 1987<br />
Unterrichtsmaterialien:<br />
Augenbinden<br />
Verschiedenen Dinge um ein Geräusch erzeugen zu können<br />
Text: Phantasiegeräusche<br />
Memory- Kärtchen mit verschiedenen Gefühlsszenen<br />
Packpapierrolle am Stück (Blattabschnitte für jedes Kind markieren, ca. 50x50 cm)<br />
Malutensilien (alle möglichen Farben)<br />
Anweisung für Partnerübung – (Unsinn-Sätze)<br />
Sitzkreis:<br />
Hörübungen<br />
1. Stilleübung: Nicht nur der Mund ist still, sondern auch der ganze Körper.<br />
So sitzen, dass man gut 1 Minute bewegungslos bleiben kann.<br />
Augen schließen, was höre ich?<br />
(Kinder berichten, was sie alles gehört haben.)<br />
2. Geräusche erkennen: Schüler legen die Augenbinde an.<br />
Aufgabe: Die Geräusche, die ich mache, erkennen und sich merken.<br />
(Beispiele für Geräusche: gehen, Fenster öffnen, Wasser laufen<br />
3. Phantasiereise: Einen Platz suchen, wo man sich wohl fühlt<br />
Imagination anleiten<br />
Reflexion im Sitzkreis<br />
Sitzkreis:<br />
Mit Sprache Gefühle ausdrücken<br />
- Unsinnsätze in die Mitte des Kreises legen<br />
- Ein Kind holt sich einen Satz, liest ihn vor, alle müssen nachsprechen, nächstes Kind<br />
(Spiel mit Sprache, Stimme, Rhythmus)<br />
- Partnersuche: jeder zieht ein Memory- Kärtchen und sucht den Partner, Paare suchen,<br />
diejenigen, die das gegenteilige Gefühl auf dem Kärtchen hat – 4-er Gruppen<br />
entstehen)<br />
- Gruppenübung: 1 Unsinnsatz pro Gruppe, Anweisung laut Arbeitsblatt<br />
Den Satz mit einem der vorgegebenen Gefühle sprechen – Partner<br />
versucht das Gefühl herauszuhören - Wechsel<br />
Reflexion im Sitzkreis (Beispiele vormachen)<br />
Sitzkreis:<br />
Gefühle aufs Papier malen<br />
- Jeder zeichnet seine momentane Gemütslage in den Blattabschnitt.<br />
- Die Übergänge zum Nachbarn so gestalten, dass man nicht sieht, wo das eigene Bild<br />
aufhört und das nächste anfängt. (Während des Malens darf nicht gesprochen werden)<br />
Abschlussrunde:<br />
Blitzlicht – Reflexion mit der „Daumensprache“<br />
39
Um die Qualität der Unterrichtseinheit zu steigern, erklärte ich den Schülern am Ende<br />
des Nachmittags die Daumensprachen (Daumen hoch, mittel, abwärts) um zu<br />
reflektieren. Diese Methode eignete sich gut, um passives Konsumieren zu<br />
vermeiden. Die Kinder sollten lernen Verantwortung zu tragen. Es war keine<br />
Leistungsbeurteilung, sondern diente der Steigerung der sozialen Kompetenz und<br />
Kommunikation, sowie der Eigen- und Fremdwahrnehmung.<br />
Das Programm für den Nachmittag war sehr dicht. Für zwei Schüler war die<br />
Imagination zu schwierig. Sie störten die anderen Kinder so, dass ich sie von der<br />
Übung ausschließen musste und vor die Klasse schickte. Für das Malen hätten sich<br />
die Kinder gerne mehr Zeit genommen. Damit das Plakat fertig wurde, musste ich<br />
ziemlich drängen, was die Kinder als störend empfanden.<br />
40
Partnerübung:<br />
Versuche den „Satz“ mit den vorgegebenen Gefühlen vorzulesen!<br />
Der / die andere muss versuchen herauszuhören, aus welchem Gefühl heraus der<br />
Satz jeweils gesprochen wurde.<br />
Beispiele<br />
- eine Bitte ausdrücken (betteln)<br />
- liebevoll und zart sprechen (verliebt sein)<br />
- Ärger ausdrücken (schimpfen)<br />
- Freude und Glück ausdrücken (sich freuen)<br />
- traurig sein<br />
- eine Aufforderung machen (befehlen)<br />
- ängstlich sein<br />
- sich entschuldigen (schlechtes Gewissen haben)<br />
- Überlegenheit ausdrücken (angeben)<br />
- ganz ohne Gefühl sprechen, wie abgestorben<br />
Unsinnsätze<br />
Dua schuwi da schuwi duwi duap<br />
Duba dap da, djip dap djidabi dap djonga<br />
Dum de dum de dap dap dau wau<br />
Bom di di dum bom bom<br />
Atte katte nuwa emisa demis adula misa ho<br />
Bobo waro fero satodeh<br />
Zjufhu di ria, ho lolo tia<br />
42
5.3.04 Form, Farbe, Philosophie 5<br />
Lernziele: Handlungsweisen reflektieren – (Stellungnahme, Verantwortung übernehmen)<br />
Vorgeschichte:<br />
Während der gemeinsamen Schiwoche machten sich viele Schüler den Spaß immer wieder<br />
bei der Telefonseelsorge anzurufen, um sich die Zeit zu vertreiben. Zwei Tage lang, bis die<br />
„Aktion“ aufflog, wurden zu allen möglichen Tageszeiten die Notrufnummern gewählt.<br />
Im Verlaufe der „Krisenintervention“ entschlossen sich die betroffenen Kinder, sich bei den<br />
Mitarbeitern der Telefonseelsorge zu entschuldigen. Sie verzichteten am nächsten Vormittag<br />
auf das Schifahren und schrieben gemeinsam einen Entschuldigungsbrief.<br />
Für uns Lehrer war somit die Sache erledigt und die Schüler waren sehr erleichtert, dass diese<br />
Dummheit den weiteren Verlauf der Schiwoche nicht mehr störte.<br />
Der Leiter der Telefonseelsorge meldete sich jedoch auf Grund des Briefes und äußerte den<br />
Wunsch, die Entschuldigung der SchülerInnen persönlich anzunehmen. Der nächste Termin<br />
für soziales Lernen wurde für diesen Zweck reserviert.<br />
Unterrichtsmaterialien:<br />
Memory-Kärtchen mit verschiedenen Gefühlsszenen<br />
Gedicht: Sabine<br />
Informationsbroschüren der Telefonseelsorge<br />
1. Sitzkreis<br />
- kurze Begrüßung des Gastes (Leiter der Telefonseelsorge)<br />
- Vorbereitungen für die Vorstellrunde (Anknüpfen an die Erlebnisse der Schiwoche):<br />
Die Memory-Kärtchen sind auf 5 Stationen verteilt. Schüler im Sitzkreis auf 5<br />
abzählen lassen. Gruppe eins zur ersten Station, Gruppe zwei zur zweiten – Kärtchen<br />
lesen.<br />
Frage: Wem fällt zu welchem Kärtchen ein Erlebnis von der Schiwoche ein?<br />
Erzählt es euch!<br />
Wechsel zur nächsten Station. Wenn alle Stationen durchgemacht sind, in den<br />
Sitzkreis zurückkehren.<br />
- Aufgabe: Jeder überlegt sich, welches Gefühlskärtchen für ein persönliches<br />
Schiwochenereignis am besten passt und holt es in den Sitzkreis.<br />
Gruppe eins beginnt Kärtchen auszuwählen.<br />
- Vorstellungsrunde: Jedes Kind nennt seinen Namen und sagt in einem Satz, warum es<br />
dieses Gefühl ausgewählt hat, zu welchem Erlebnis es passt.<br />
2. Informationen über die Telefonseelsorge<br />
Der Leiter informiert über die Institution, die Mitarbeiter und die Arbeit der Telefonseelsorge.<br />
Schüler haben die Möglichkeit Fragen zu stellen.<br />
3. Wandplakat über die Telefonseelsorge gestalten<br />
Als Anregung und Überleitung den Kindern das Gedicht „Sabine“ vorlesen (Warum ist<br />
Sabine traurig? Warum ist Sabine böse? Wovor hat Sabine Angst?<br />
Die Schüler waren von den Ausführungen des Gastes sehr beeindruckt. Mit großer<br />
Aufmerksamkeit und persönlich betroffen hörten sie zu und stellten viele konkrete<br />
Fragen. Disziplinierungen waren nicht notwendig, die Gesprächsregeln wurden<br />
durchgängig von allen SchülerInnen eingehalten! Das war für mich eine schöne<br />
Bestätigung, denn sie zeigten mir so, dass sie das bereits Gelernte auch in neuen<br />
Situationen anwenden können. Es war das erste Mal, dass eine außerschulische, für<br />
44
sie fremde Person das Gespräch leitete. Der Vorschlag des Gastes, statt des<br />
Plakates einen Leserbrief zu formulieren, wurde gerne angenommen. Ein Teil der<br />
SchülerInnen wollte aber dennoch ein Plakat gestalten und so wurde die Klasse in<br />
zwei Gruppen geteilt. Die eine formulierte gemeinsam den Leserbrief, die andere<br />
gestaltete mit dem Gedicht ein Plakat.<br />
45
Entschuldigungsbrief an die Seelsorge<br />
Liebe Betroffene!<br />
Bürserberg, 06.02.2004<br />
Wir sind die Kids aus der HS-Gisingen (2c), die am Montag und Dienstag die Telefonleitung<br />
der Telefonseelsorge blockiert haben.<br />
Als wir den Anruf des Herrn Direktors bekamen und die Lehrer herausfanden, dass wir ca. 50<br />
mal angerufen hatten, waren wir selber schockiert über diesen Tatbestand. Niemals ist es<br />
unsere Absicht gewesen 4-5 Stunden Ihrer Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen. Jetzt ist uns<br />
bewusst, dass unser Streich alles andere als lustig gewesen ist und möglicherweise unser<br />
Verhalten einigen Menschen geschadet hat, da sie dringend benötigte Hilfe nicht bekamen.<br />
Wir bitten aufrichtig um Entschuldigung.<br />
Als Widergutmachung unterstützen wir Ihre Telefondienststelle, indem wir Plakate gestalten<br />
und in der Schule aufhängen. Vielleicht schicken Sie uns Informationsbroschüren, die wir<br />
dafür verwenden können.<br />
Wir hoffen, dass Sie unsere Entschuldigung annehmen.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Leserbrief<br />
Telefonseelsorge, hallo!<br />
Wir sind die Kids aus der HS-Gisingen (2c), die den Mitarbeitern der Telefonseelsorge<br />
ziemlich auf die Nerven gegangen sind. Denn wir haben die Notrufnummer für unnütze<br />
Anrufe missbraucht. Wir bereuen diese Dummheit, die wir während unserer Schiwoche zum<br />
Zeitvertreib gemacht haben. Bei einem Informationsnachmittag mit dem Leiter der<br />
Telefonseelsorge wurden alle unsere Fragen offen und ehrlich beantwortet. Uns ist nun klar,<br />
welche Bedeutung die Seelsorge für viele ratsuchende Menschen hat.<br />
Wie wir erfahren haben, gibt es auch eine Vielzahl von verantwortungslosen Erwachsenen,<br />
die mit zahllosen Beleidigungen und Beschimpfungen die Mitarbeiter belästigen. Späße über<br />
Unfälle oder schwere Verletzungen sowie Sexanrufe sind nicht selten.<br />
Für die Telefonseelsorge arbeiten 70 Menschen gratis und in ihrer Freizeit ca. 500 Stunden im<br />
Jahr. Sie opfern ihre Zeit um sich die Probleme anderer anzuhören und freuen sich, wenn sie<br />
Menschen in Not helfen können. Wir alle waren sehr beeindruckt, als wir das hörten. Wir sind<br />
der Meinung, dass man solche Menschen unterstützen sollte, indem man ihre Arbeit schätzt<br />
und nicht verhindert. Jeder kann das machen, indem keine Spaßanrufe gemacht werden. Denn<br />
somit bleibt die Leitung für Hilfesuchende frei. Und deshalb ein Aufruf an alle: Überlegt was<br />
ihr tut! Ruft nicht einfach nur so an!<br />
10 Schüler aus der 2c Klasse der HS-Gisingen<br />
Klassenvorstand: Ingrid Scharf<br />
46
Sabine<br />
Wenn Sabine Hunger hat,<br />
dann sagt sie: Ich habe Hunger.<br />
Wenn Sabine Durst hat,<br />
dann sagt sie: Ich habe Durst.<br />
Wenn Sabine Bauchweh hat,<br />
dann sagt sie: Ich habe Bauchweh.<br />
Dann bekommt sie zu essen,<br />
zu trinken und auch<br />
eine Wärmflasche auf den Bauch.<br />
Und wenn Sabine Angst hat,<br />
dann sagt sie nichts.<br />
Und wenn Sabine traurig ist,<br />
dann sagt sie nichts.<br />
Und wenn Sabine böse ist,<br />
dann sagt sie nichts.<br />
Niemand weiß,<br />
warum Sabine Angst hat.<br />
Niemand weiß,<br />
warum Sabine traurig ist.<br />
Niemand weiß,<br />
warum Sabine böse ist.<br />
Niemand kann Sabine verstehen<br />
Und niemand kann Sabine helfen,<br />
weil Sabine<br />
nicht über Sabine spricht.<br />
(Marianne Kreft)<br />
48
26.3.04 Form, Farbe, Philosophie 6<br />
Lernziele: Gipsmasken bauen<br />
(Gefühle verstecken, Masken als Schutz, eigene Gefühle hinter der „Maske“ entdecken)<br />
Literaturtipps: Mitschka 2001, Richter 2003<br />
Vorgeschichte:<br />
Um mit den Schülern Masken bauen zu können, brauchte ich eine Partnerin zur<br />
Unterstützung, da die Klasse mit 26 SchülerInnen einfach zu groß war. Als kompetente<br />
Begleitung konnte ich für mein Anliegen die Kunsttherapeutin Eva Maria Dörn gewinnen.<br />
Der Elternverein übernahm die Honorarkosten.<br />
Unterrichtsmaterialien:<br />
Luftballons, Garn<br />
wasserfeste Stifte<br />
Arbeitsblatt: Tabelle mit Gefühlsausdrücken<br />
Gipsbinden (pro Kind 1 Rolle – 8 cm breit, 20 m lang)<br />
Sitzkreis:<br />
1. Vorstellungsrunde mit Luftballons:<br />
- Jeder bekommt einen Luftballon, einen Garnfaden und einen wasserfesten Stift.<br />
- Jeder malt auf seinen aufgeblasenen Lustballon ein Gesicht (momentanes Empfinden)<br />
- Jeder nennt seinen Namen und stellt seinen Luftballon vor.<br />
2. Gefühle sind weder gut noch schlecht, jeder hat sie:<br />
- Gefühle auf dem Arbeitsblatt ankreuzen<br />
- Kurz mit den Sitznachbarn links und rechts vergleichen<br />
- Blatt in die Hosentasche stecken<br />
3. Einführung ins Thema „Maskenarbeit“ (Eva Dörn)<br />
4. Masken herstellen<br />
- Eva zeigt die Arbeit vor<br />
- In Partnerarbeit die Masken anfertigen<br />
5. Abschlussrunde<br />
Blitzlicht – Reflexion (Je näher sich die Schüler in die Mitte des Kreises stellen<br />
(Gesprächsball in die Mitte legen), um so besser hat ihnen der Nachmittag gefallen.<br />
Das gemeinsame Arbeiten mit Eva Maria Dörn war für mich sehr angenehm. Es<br />
zeigte sich wieder einmal, wie wertvoll und entlastend es ist, im Team arbeiten zu<br />
können, gerade bei dieser Arbeit, die für die Kinder eine persönliche<br />
Herausforderung war. Sie mussten sich doch vertrauensvoll in die Obhut ihres<br />
Partners begeben und auf wertschätzendes Umgehen hoffen. Berührungen im<br />
Gesicht erfordern zudem viel gegenseitiges Vertrauen. Für einige war das nicht<br />
einfach auszuhalten und verschiedenste Gefühlsäußerungen zeigten sich. Es<br />
entstanden immer wieder Unruheherde, die auf diese Unsicherheiten der eigenen<br />
Gefühlswahrnehmung zurückzuführen waren und nichts mit fehlender<br />
Aufmerksamkeit oder Interesselosigkeit zu tun hatten.<br />
49
Die allesamt positiven Rückmeldungen bei der Abschlussrunde bestätigten dies.<br />
Ausnahmslos stellten sich die Kinder bei der Schlussreflexion in den<br />
Kreismittelpunkt. Für viele war dieser Projektnachmittag bis jetzt der schönste. Das<br />
meldeten mir die Kinder bei einer persönlichen Verabschiedung zurück.<br />
50
30.4.04 Form, Farbe, Philosophie 7<br />
Lernziele: Gipsmasken bemalen<br />
(Gefühle verstecken, Masken als Schutz, eigene Gefühle hinter der „Maske“ entdecken)<br />
Literaturtipp: Richter 2003<br />
Unterrichtsmaterialien:<br />
Werkzeuge um Löcher in die Masken zu bohren, Hosengummi<br />
feines Schleifpapier<br />
Temperafarben, Pinsel<br />
Verschiedene Musikinstrumente<br />
1. Die Maske fertig stellen<br />
- Gipsmaske abschleifen, Löcher bohren, Gummi anbringen<br />
- Maske bemalen<br />
2. Maskenpräsentation im Sitzkreis<br />
- Einen Ton für die Maske suchen<br />
(Jedes Kind experimentiert mit den Instrumenten, legt sich dann auf einen Ton fest<br />
und kommt mit dem Instrument in den Kreis zurück)<br />
- Die Maske mit dem Ton der Klasse vorstellen<br />
- Die Kinder setzen ihre Masken auf und machen ein „Maskenkonzert“<br />
- ein Schüler beginnt mit seinem Ton und wiederholt ihn ständig.<br />
Der Nächste im Kreis gibt seinen Ton dazu, bis schließlich alle „Masken“ ihre Töne<br />
spielen - ein Maskenkonzert entsteht.<br />
3. Abschlussrunde<br />
Die SchülerInnen waren beim Anmalen und Gestalten ihrer Maske so in ihre Arbeit<br />
vertieft, dass kaum gesprochen wurde. Vor allem die Mädchen gestalteten ihre<br />
Maske sehr liebevoll und genau und brauchten daher viel mehr Zeit, als ich<br />
eingeplant hatte. Die Präsentation der Masken und die Abschlussrunde musste<br />
dieses Mal leider ausfallen. Wer die Maske fertig hatte, durfte seinen Platz<br />
aufräumen und gehen. Einige Mädchen verlängerten freiwillig, da sie nicht aufhören<br />
wollten an der Maske zu arbeiten.<br />
55
4.6. 04 Form, Farbe, Philosophie 8<br />
Lernziele: Philosophieren – (Rückblick und Zusammenfassung des Projektes soziales Lernen)<br />
Literaturtipp: Daurer 1999<br />
Unterrichtsmaterialien:<br />
Michael Snunit, Naàma Golomb: „Der Seelenvogel“<br />
Die Fragen zu den Gefühlen (jede Frage auf ein eignes Blatt kopieren)<br />
Denkwerkzeuge: folierte Karten: „G“ - Grund nennen - warum?<br />
„W“- Was meinst du damit?<br />
„R“- Ist das wirklich richtig?<br />
„B“- Beispiel nennen!<br />
„Z“- Zusammenfassung<br />
Sitzordnung in der Klasse beibehalten<br />
- Die Geschichte vom Seelenvogel vorlesen<br />
(Schüler, die das wollen, können vor der Klasse während dem Lesen die Geschichte<br />
pantomimisch begleiten)<br />
- Jeder Schüler bekommt ein Blatt mit einer Frage zum Thema Gefühl:<br />
Sind Gefühle gut oder schlecht?<br />
Woher kommen die Gefühle?<br />
Kann man auch kein Gefühl haben?<br />
Woran erkennt man Gefühle?<br />
Kann man sich aussuchen, welches Gefühl man haben möchte?<br />
Können sich Gefühle ändern?<br />
Haben Erwachsene andere Gefühle als Kinder?<br />
Haben Tiere Gefühle?<br />
Fühlt ein Stein?<br />
Weißt du, wie sich jemand fühlt, wenn du das Gefühl selbst noch nie erlebt hast?<br />
Ist es manchmal wichtig zu versuchen, die Gefühle zu kontrollieren?<br />
Aufgabe: Schreibe auf, welche Gedanken du zu dieser Frage hast. Formuliere<br />
mögliche Antworten, vielleicht kannst du ein Beispiel nennen. Oder mache eine<br />
Zeichnung dazu!<br />
- Die Fragen werden nach einiger Zeit reihum weitergegeben, so lange, bis jeder<br />
Schüler jede Frage zumindest einmal gehabt hat. (Neue Frage – gleiche Aufgabe!)<br />
Sitzkreis<br />
- Die gestalteten Blätter in den Kreis legen<br />
- Kurze Klärung des Begriffes PHILOSOPHIEREN<br />
- Ein Schüler beginnt und holt sich die Frage, die ihm am Wichtigsten erscheint. Er liest<br />
alles vor, was auf dem Blatt steht.<br />
- Schüler können sich zum Vorgelesenen äußern.<br />
- Wenn die Frage ausreichend besprochen ist, bestimmt derjenige, der den<br />
Gesprächsball gerade hat, wer die nächste Frage holen und vorlesen darf.<br />
(Wenn sich das Gespräch im Kreis dreht, die Kinder aneinander vorbeireden oder sich nur<br />
noch wiederholen, wird ein gerade entsprechendes „Denkwerkzeug“ angeboten.)<br />
56
Abschlussrunde<br />
Blitzlicht - Reflexion des Projektes Farbe Form Philosophie<br />
Wie waren wir als Klasse?<br />
- Sind die Inhalte in die Tiefe gegangen?<br />
- Habe ich etwas Neues gelernt?<br />
- Haben wir hart gearbeitet?<br />
- War es interessant?<br />
Auftrag an die Schüler:<br />
Schreibt mir bitte einen persönlichen Brief, wie es euch in den letzten zwei Jahren in der<br />
Hauptschule ergangen ist, was euch gefallen hat, was nicht, und ob ihr für die nächsten zwei<br />
Jahre einen Wunsch hättet, was sich ändern sollte.<br />
Beim Durchsehen und Vorlesen der bearbeiteten Fragen stellte sich schnell heraus,<br />
dass mit den notierten Begriffen und Antworten kein befriedigendes Gespräch<br />
geführt werden konnte. Um die gestellten Fragen wirklich ergründen zu können fehlte<br />
Wesentliches. Ja- und Nein-Antworten reichten nicht aus. Nach und nach konnte ich<br />
den Kindern nun anhand der Jackson-Methode „Werkzeuge für schlaue Denker“<br />
anbieten. Mit Hilfe dieser Denkwerkzeuge Hilfestellung geben, welche nicht den<br />
Inhalt beeinflussten, sondern nur das Gespräch weiterführten. Bei jeder weiteren<br />
Frage nutzten nun die SchülerInnen vermehrt die Möglichkeiten die Denkwerkzeuge<br />
einzusetzen. Sie lagen als Erinnerungshilfe nach dem Einführen und Besprechen<br />
sichtbar im Kreis. Die Schüler erlebten ansatzweise, wie aus gewöhnlichen Fragen<br />
und Antworten ein philosophisches Gespräch entstehen konnte.<br />
57
Literaturverzeichnis<br />
Autorenteam, 1995:<br />
„Soziales Lernen – Sich selbst entfalten und die Kraft der Gruppe nutzen“<br />
Ein Arbeitsbuch für alle, die im Team arbeiten wollen<br />
Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten<br />
Beda Wicki, 1990:<br />
„Die Existenzanalyse von Viktor E. Frankl als Beitrag zu einer anthropologisch<br />
fundierten Pädagogik“<br />
Verlag Paul Haupt<br />
Berg Sigrid,1996:<br />
„Biblische Bilder und Symbole erfahren – Ein Material- und Arbeitsbuch“<br />
Kösel/ Calwer<br />
Brüning Barbara, 2000:<br />
“Wenn das Leben an Grenzen stößt – Philosophieren mit Märchen über<br />
Grenzsituationen”<br />
LEIBNITZ-Bücherwarte<br />
Daurer Doris, 1999:<br />
„Staunen, Zweifeln, Betroffensein. Mit Kindern philosophieren“<br />
Beltz-Taschenbuch<br />
Ende Michael, 1973:<br />
„Momo“<br />
Verlag Gustav Swoboda & Bruder<br />
Frankl Viktor, 1991a:<br />
„Das Leiden am sinnlosen Leben“<br />
HERDER Verlag<br />
Frankl Viktor, 1991b:<br />
„Der Wille zum Sinn“<br />
Serie Piper<br />
Frankl Viktor, 1992:<br />
„Die Sinnfrage in der Psychotherapie“<br />
Serie Piper<br />
Frankl Viktor, 1995:<br />
Ärztliche Seelsorge – Grundlagen der Logotherapie und Existenzanalyse<br />
FISCHER Taschenbuch<br />
Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse, 1990:<br />
„Das Kind als Person“<br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag<br />
Khinast Günther, 2000:<br />
„Existenzanalyse und Logotherapie“<br />
Linz: Veröffentlichungen des Pädagogischen Institutes des Bundes in Oberösterreich<br />
69
Kolbe Christoph, 2001:<br />
„Gesundheit als Fähigkeit zum Dialog“<br />
In: Tagungsbericht Methoden der Existenzanalyse und Logotherapie 2. Teil<br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.54-61<br />
Längle Alfried, 1991a:<br />
„Sinnvoll leben – Wegweiser zum Leben“<br />
Niederösterreichisches Pressehaus<br />
Längle Alfried, 1991b:<br />
„Personale Existenzanalyse“<br />
In: Wertbegegnung – Phänomene und methodische Zugänge<br />
Tagungsbericht Nr. 1 und 2/1991 der <strong>GLE</strong>, S.133-160<br />
Längle Alfried, 1999:<br />
„Was bewegt den Menschen? Die existentielle Motivation der Person“<br />
In: Tagesbericht Zeit-Erfahrungen<br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.18-29<br />
Längle Alfried, 2000:<br />
„Praxis der personalen Existenzanalyse“<br />
Erweiterter Tagungsbericht 2/1993 der <strong>GLE</strong><br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag<br />
Längle Alfried, 2004:<br />
„Beziehung(s)formen“<br />
In: Themenschwerpunkt – Therapeutische Beziehung<br />
<strong>International</strong>: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.23-29<br />
Längle Silvia,2000:<br />
„Voraussetzungen zu erfülltem Sinnerleben“<br />
In: Tagungsbericht – Wenn der Sinn zur Frage wird<br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.28-32<br />
Lichtenegger Barbara, 2003:<br />
„Ge(h)fühle! – Arbeitsbuch für Schule, Hort und Jugendgruppen“<br />
Veritas-Verlag<br />
Mitschka Ruth, 2001:<br />
„Die Klasse als Team – Wegweiser zum Sozialen Lernen in der Sekundarstufe“<br />
VERITAS Verlag<br />
Oaklander Violet, 2001:<br />
„Gestalttherapie mit Kindern und Jugendlichen“<br />
Klett-Cotta<br />
Petermann, Niebank, Scheithauer, 2004-11-13<br />
„Entwicklungswissenschaft“<br />
Springer Verlag<br />
Probst Michaela, 2002:<br />
„Der Zugang zum Menschen in suizidalen Krisen“<br />
In: Existenzanalyse in der Praxis<br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.16-20<br />
70
Reichling Ursula, Wolters Dorothee, 1994:<br />
„Hallo, wie geht es dir?“ – Merk- und Sprachspiele, Pantomimen und Rollenspiele<br />
Verlag an der Ruhr<br />
Resl Eleonore, 2003:<br />
„Suizidprävention bei Kindern und Jugendlichen“<br />
In: Berichte zur existenzanalytischen Kinder- und Jugendtherapie<br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.22-32<br />
Richter Kurt, 2003:<br />
„Erzählweisen des Körpers – Kreative Gestaltarbeit in Theorie, Beratung, Supervision<br />
und Gruppenarbeit“<br />
Kallmeyersche/ edition: gruppe & spiel<br />
Schachl Hans, 1991:<br />
„Lernen ohne Angst – Mehr Freude und Erfolg in der Schule!“<br />
Bundesministerium für Unterricht und Kunst<br />
Schieder Brigitta, 2000:<br />
„Märchenarbeit mit Kindern im Spiegel der Grundmotivationen“<br />
In: Tagungsbericht – Wenn der Sinn zur Frage wird<br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.39-41<br />
Schilling Diane, 2000:<br />
„Miteinander klarkommen – Toleranz, Respekt und Kooperation trainieren“<br />
Verlag an der Ruhr<br />
Schneeweis Marie Luise, 2002:<br />
„Ich pflege als die, die ich bin“<br />
In: Existenzanalyse in der Praxis<br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.53-55<br />
Snunit Michael, 1991:<br />
„Der Seelenvogel“<br />
Carlsen<br />
Teml Hubert, 1987:<br />
„Entspannt lernen – Stressabbau, Lernförderung und ganzheitliche Erziehung“<br />
Veritas-Verlag<br />
Vester Frederic, 1997:<br />
„Denken, lernen, vergessen – Was geht in unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn,<br />
und wann lässt es uns im Stich?<br />
Deutscher Taschenbuch Verlag<br />
Waibel Eva Maria, 1994:<br />
“Erziehung zum Selbstwert –<br />
Persönlichkeitsförderung als zentrales pädagogisches Anliegen”<br />
Auer Verlag<br />
Wicki Beda, 1990:<br />
„Die Existenzanalyse von Viktor E. Frankl als Beitrag zu einer anthropologisch<br />
fundierten Pädagogik“<br />
Verlag Paul Haupt<br />
71
Wiesinger Hans Peter, 2003:<br />
„Ängste von Jugendlichen“<br />
In: Tagungsbericht – Angst<br />
<strong>International</strong>: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.67-69<br />
Zeunert Ruth, 2002:<br />
„ Schule als System“<br />
In: Berichte zur existenzanalytischen Kinder- und Jugendtherapie<br />
Wien: <strong>GLE</strong>-Verlag, S.87-89<br />
72
Abschlussarbeit zur Beratungsausbildung in<br />
Existenzanalyse und Logotherapie:<br />
Ein pädagogisches Konzept<br />
für die Hauptschule basierend auf den vier<br />
Grundmotivationen des Menschen<br />
DASEIN-Können - WERTSEIN-Mögen - SELBSTSEIN-Dürfen - SINNVOLL-Leben<br />
Eingereicht von:<br />
Eingereicht im Jänner 2005 bei:<br />
Scharf Ingrid<br />
Im Glend 9<br />
6800 Feldkirch<br />
Dr. Christoph Kolbe<br />
Leiter des norddeutschen Institutes der<br />
Akademie für Existenzanalyse und<br />
Logotherapie<br />
Helmut Dorra<br />
Leiter des Hamburger Institutes der<br />
Akademie für Existenzanalyse und<br />
Logotherapie<br />
Angenommen am:<br />
73