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Jusletter 4. Juli 2005<br />

Erich Rüegg, Wirksamkeit und Tragweite von Freizeichnungsklauseln in Grundstückkaufverträgen<br />

Nutzen und Gefahr unbekannt, dagegen (ii) dem Verkäufer, der die Aufklärung bewusst unterlässt, bekannt<br />

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sein . Schliesslich (iii) muss die Verschweigung gegen Treu und Glauben verstossen . Letzteres ist schon<br />

dann anzunehmen, wenn der Verkäufer nach den gegebenen Umständen davon ausgehen muss, der Käufer<br />

kenne den Mangel nicht und werde ihn auch nicht erkennen, sei es überhaupt nicht oder nicht in der vollen<br />

32<br />

Tragweite . Im hier zur Diskussion stehenden BGE 4C.242/2004 (= BGE 130 III 686 ff.), Erw. 2 (in der<br />

amtlichen Sammlung nicht publiziert), stellte das Bundesgericht aufgrund der vorinstanzlichen, für das<br />

Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsermittlung fest, dass der Verkäufer im massgeblichen Zeitpunkt<br />

keine Kenntnis vom Mangel hatte. Beide Instanzen hielten daher zu Recht fest, dass die Freizeichnungsklausel<br />

vor Art. 199 OR Stand hält. Dagegen scheint das Bundesgericht in der vorzitierten Erwägung davon<br />

auszugehen, dass die zweite Voraussetzung für die arglistige Verschweigung (Kenntnis des Mangels durch den<br />

Verkäufer) auch dann erfüllt ist, wenn der Verkäufer den Mangel hätte kennen können. Das ist abzulehnen,<br />

denn fahrlässige Unkenntnis ist mit Arglist nicht vereinbar. Keine Fahrlässigkeit, sondern absichtlich<br />

unterlassene Kenntnisnahme liegt dagegen vor, wenn der Verkäufer den Mangel nur deshalb nicht kennt, weil<br />

er sich bewusst der besseren Erkenntnis verschliesst. Eine solchermassen unterlassene Kenntnisnahme ist dem<br />

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Verkäufer auf jeden Fall anzurechnen .<br />

II. Die Tragweite von Freizeichnungsklauseln<br />

[Rz 8] Das Bundesgericht entwickelte in langjähriger Rechtsprechung zwei besondere Auslegungsregeln zur<br />

Ermittlung der Tragweite von Freizeichnungsklauseln in Kaufverträgen. Diese Auslegungsregeln lauten: Erstens fällt<br />

ein Mangel bei objektivierter Auslegung dann nicht unter den Gewährleistungsausschluss, wenn er gänzlich<br />

ausserhalb dessen liegt, womit ein Käufer vernünftigerweise rechnen musste. Zweitens ist für die Beurteilung der<br />

Frage, ob ein bestimmter Mangel unter den Gewährleistungsausschluss fällt oder nicht, auf den wirtschaftlichen<br />

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Zweck des Kaufvertrages abzustellen . Das Gesagte bedarf der Ergänzung:<br />

Der Inhalt von Freizeichnungsklauseln ist, wie von anderen Vertragsbestimmungen auch, durch Auslegung zu<br />

ermitteln. Massgebend ist dabei in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille, den die Parteien<br />

ausdrücklich oder stillschweigend erklärt haben (subjektive Auslegung). Lässt sich dieser übereinstimmende<br />

wirkliche Wille feststellen, so bestimmt sich der Inhalt und damit auch die Tragweite einer<br />

35<br />

Freizeichnungsklausel nach dem festgestellten wirklichen Willen der Parteien .<br />

Führt die subjektive Auslegung nicht zum Ziel, weil der wirkliche Wille der Parteien nicht oder nicht mit<br />

rechtsgenügender Sicherheit festgestellt werden kann, ist der mutmassliche Parteiwille zu ermitteln. Dabei hat<br />

der Richter als Vertragswille anzusehen, was vernünftig und redlich handelnde Parteien unter den gegebenen<br />

Umständen durch die Verwendung der auszulegenden Worte oder ihr sonstiges Verhalten ausgedrückt und<br />

36<br />

folglich gewollt haben würden . Die vom Bundesgericht für Freizeichnungsklauseln entwickelten<br />

Auslegungsregeln dürfen m.E. nicht als allgemeine Prinzipien, sondern nur als Konkretisierung der<br />

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objektivierten Auslegung aufgefasst werden. Dabei kommt es immer auf den Einzelfall an . Und auch die<br />

anderen Auslegungsregeln, namentlich jene, dass Freizeichnungsklauseln im Zweifel eng und damit zu<br />

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Gunsten des Käufers auszulegen sind , bleiben nach Massgabe des Einzelfalls anwendbar.<br />

Bei der vom Bundesgericht auf Freizeichnungsklauseln angewendeten vorerwähnten ersten Auslegungsregel<br />

handelt es sich regelmässig um eine sinnvolle Konkretisierung der objektivierten Auslegung, denn vernünftige<br />

Parteien beziehen einen allgemein gehaltenen und unspezifizierten Gewährleistungsausschluss nur auf solche<br />

Mängel, die nicht gänzlich ausserhalb dessen liegen, womit vernünftigerweise zu rechnen ist. Nur weil ein<br />

Mangel unerwartet ist, liegt er allerdings noch nicht notwendigerweise ausserhalb des vernünftigerweise<br />

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Vorstellbaren , denn auch Mängel, mit denen vernünftigerweise zu rechnen ist, können für den Käufer<br />

unerwartet sein. Ausserhalb des vernünftigerweise Vorstellbaren liegen dagegen in der Regel sog. Altlasten,<br />

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wenn der Käufer mit Grundstückgeschäften unerfahren und das gekaufte Grundstück «unverdächtig» ist . Ob<br />

die Feuchtigkeitsmängel gemäss dem hier zu diskutierenden Bundesgerichtsentscheid innerhalb dessen liegen,<br />

womit vernünftigerweise zu rechnen ist, musste das Bundesgericht mangels vorinstanzlicher Feststellung über<br />

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das genaue Ausmass der Mängel richtigerweise offenlassen .<br />

Mehr Schwierigkeiten bereitet dagegen die zweite Auslegungsregel, wonach für die Beurteilung der Frage, ob<br />

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