folter - Schweizerisches Rotes Kreuz
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Im Gespräch<br />
Wie gehen Fachpersonen mit Belastungen um?<br />
Annelies Jordi und Hasim Sancar erzählen von<br />
ihren Erfahrungen und Strategien.<br />
© SRK<br />
Hasim Sancar (HS): Beim Zuhören komme<br />
ich immer wieder an meine Grenzen. Dann<br />
kann es schwierig werden, die nötige Balance<br />
zwischen Distanz und Nähe aufrechtzuerhalten.<br />
Die Grenze ist klar überschritten, wenn<br />
ich mich auch privat noch in Gedanken mit<br />
dem Fall beschäftige.<br />
AJ: In der Körpertherapie bin ich sehr nah<br />
«dran», die Distanz zum Patienten ist gering.<br />
Da muss ich immer wieder darauf achten,<br />
dass ich keine Symptome übernehme.<br />
“Bei der Arbeit mit Folteropfern<br />
ist alles intensiv –<br />
auch die positiven Gefühle”<br />
8<br />
Annelies Jordi arbeitet als Physio-,<br />
Körper- und Bewegungstherapeutin.<br />
Hasim Sancar ist Fachbereichsleiter<br />
Sozialberatung.<br />
Beide arbeiten im Ambulatorium<br />
für Folter- und Kriegsopfer in<br />
Wabern seit seiner Gründung vor<br />
elf Jahren.<br />
Fachpersonen, die in ihrem Arbeitsalltag<br />
mit Folter- und Kriegsopfern zu tun haben,<br />
werden mit den Erlebnissen der Betroffenen<br />
konfrontiert und müssen sich damit<br />
auseinandersetzen. Doch wie schaffen sie<br />
dies, ohne selber unter den schwierigen<br />
Schicksalen ihrer Patienten zu leiden? Die<br />
afk-Teammitglieder Annelies Jordi und<br />
Hasim Sancar berichten.<br />
Wie sehen die psychologischen Belastungen<br />
aus, denen Sie ausgesetzt sind?<br />
Annelies Jordi (AJ): Mir macht oft die<br />
Atmosphäre zu schaffen, die von einem Patienten<br />
ausgeht. Vor allem wenn ich sein Misstrauen<br />
spüre oder sein Gefühl von Ausweglosigkeit,<br />
seine schwere Müdigkeit. Dann<br />
werde ich selbst müde und fühle mich schwer.<br />
Zu schaffen macht mir auch der Druck von<br />
Patienten, der aus ihrer Unzufriedenheit mit<br />
ihrer schwierigen Situation herrührt.<br />
HS: Auch vor der Gefahr, in Mitleid zu versinken,<br />
muss man sich hüten. Wenn ich z.B. mit<br />
einer Patientin zu tun habe, die Mutter ist, und<br />
sehe, wie wenig die Familie sich leisten kann,<br />
habe ich als Angehöriger der Wohlstandsgesellschaft<br />
leicht ein schlechtes Gewissen.<br />
AJ: Umgekehrt kann es passieren, dass man,<br />
um sich zu schützen, sich zu stark abgrenzt<br />
und gefühllos wird.<br />
HS: Eine besondere Belastung stellt für mich<br />
Misserfolg dar. Wenn ich das Gefühl habe, ich<br />
komme nicht weiter, erreiche das Ziel nicht<br />
oder es dem Klienten chronisch schlecht geht,<br />
können sich Selbstzweifel einstellen. Ich bin<br />
dann plötzlich lust- und energielos.<br />
Herr Sancar, Sie haben selbst Migrationserfahrung.<br />
Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?<br />
HS: Die Erwartung von Migranten an andere<br />
Migranten ist besonders gross. Vor allem wenn<br />
beide die gleiche Sprache sprechen. Wenn die