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folter - Schweizerisches Rotes Kreuz

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Flucht in die Schweiz<br />

Später wurde Ebru Dincer in ein Spital gebracht.<br />

Die Füsse ans Bett gekettet und rund<br />

um die Uhr von Soldaten bewacht, blieb sie für<br />

zwei Monate in Pflege. Danach wurde sie wieder<br />

in eine Gefängniszelle verlegt. Nach weiteren<br />

drei Monaten erfolgte eines Tages ihre vorläufige<br />

Freilassung. Ebru Dincer beschloss,<br />

vorerst in Istanbul zu bleiben und auf ihren<br />

Prozess zu warten. In dieser Zeit gab sie verschiedenen<br />

Zeitungen und Fernsehanstalten<br />

aus dem In- und Ausland Interviews und berichtete<br />

über die Ereignisse im Gefängnis.<br />

«Ich wollte, dass die Menschen erfahren, was<br />

an jenem Tag wirklich passiert ist. Die Regierung<br />

liess offiziell verlauten, dass wir uns selber<br />

angezündet hätten.» Ebru Dincer greift<br />

nach ihrer Handtasche und nimmt einen Artikel<br />

aus einer türkischen Zeitung hervor. In fetten<br />

Lettern ist ihr Name auf der Titelseite des<br />

Journals zu lesen. Ein Foto zeigt Soldaten in<br />

Kampfuniform und mit Gasmasken. Das sei<br />

aber das einzige, was sie in jener Zeit gemacht<br />

habe: den Medien Interviews geben und dadurch<br />

der Wahrheit zum Durchbruch verhelfen.<br />

Ansonsten lebte Ebru Dincer zurückgezogen<br />

und voller Angst. Dennoch und obwohl ihr<br />

Freunde und ihr Anwalt dazu rieten, wollte sie<br />

nicht weg von Istanbul. «Ich habe gewartet<br />

und gehofft, dass ich nicht verurteilt werde»,<br />

erzählt sie. Irgendwann entschied sie sich doch<br />

zur Flucht. Freunde von ihr waren bereits in<br />

die Schweiz geflüchtet und hatten dort Asyl<br />

erhalten. Sie folgte ihnen.<br />

nicht zerbrochen daran. Ich habe mir gesagt,<br />

ich muss leben und stark sein.» Neben der<br />

Therapie gibt ihr auch ihre Haltung Kraft, der<br />

Glaube an den Sozialismus – und ihr Freund.<br />

Ebru Dincer hat viele Pläne im Kopf, möchte<br />

in ihrem Leben noch vieles erreichen: einen<br />

Roman über die militärische Operation schreiben,<br />

vielleicht studieren und irgendwann eine<br />

Familie gründen. Die Willens- und Schaffenskraft<br />

der heute 29-Jährigen ist beeindruckend.<br />

Ebru Dincer hat zurück ins Leben gefunden.<br />

Regula Bättig<br />

Ihre Spende hilft,<br />

die seelische Not<br />

von Opfern<br />

systematischer<br />

Gewalt zu lindern.<br />

Dafür danken<br />

wir Ihnen.<br />

Das Spendenkonto<br />

PC 70-79907-1<br />

Vermerk:<br />

Ambulatorium für Folterund<br />

Kriegsopfer<br />

Leben? Leben!<br />

Ebru Dincer lebt seit drei Jahren als anerkannter<br />

Flüchtling in der Schweiz. In der ersten<br />

Zeit blieb sie oft zu Hause, wagte sich kaum<br />

unter Menschen. Es ging ihr nicht gut damals,<br />

ihre Vergangenheit holte sie immer wieder ein.<br />

Sie rang mit sich, ihrem Leben, ihrer Zukunft.<br />

«Im Gefängnis versuchte ich mir vorzustellen,<br />

wie es wäre, wenn keine Wände da wären und<br />

ich mich einfach frei bewegen könnte», erzählt<br />

Ebru Dincer. «Jetzt war ich frei, doch ich<br />

wollte nichts mehr.» Durch einen Freund kam<br />

sie schliesslich ins Ambulatorium für Folterund<br />

Kriegsopfer. Die Therapie und Beratungen<br />

hätten ihr geholfen, wieder nach draussen zu<br />

gehen, ihre Lern- und Wissbegierde wieder zu<br />

entdecken und vor allem, sich selber zu akzeptieren,<br />

mit all den Spuren im Gesicht und am<br />

Körper, welche die Folter hinterlassen hat.<br />

«Ich habe viel Furchtbares erlebt, aber ich bin<br />

Eine starke Frau: Ebru Dincer<br />

© SRK<br />

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