folter - Schweizerisches Rotes Kreuz
folter - Schweizerisches Rotes Kreuz
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Ein Mensch erzählt<br />
Widerstand trotz Festnahme<br />
Eines Tages drang die Polizei ins Kulturzentrum<br />
ein. Ebru Dincer wurde zusammen mit<br />
anderen festgenommen und für drei Tage eingesperrt.<br />
Sie habe im Gefängnis schlechte<br />
Erfahrungen gemacht, erinnert sich die junge<br />
Frau. Es sollten nicht ihre letzten sein. Nach<br />
ihrer Freilassung engagierte sie sich weiter im<br />
Kulturzentrum. Schon bald wurde sie erneut<br />
von der Polizei verhaftet. Dieses Mal für längere<br />
Zeit: Insgesamt fünfeinhalb Jahre sei sie<br />
im Gefängnis gesessen. Doch die harten Bedingungen<br />
ihrer Gefangenschaft hielten Ebru<br />
Dincer nicht ab, sich weiter aufzulehnen und<br />
für ihre Ideale zu kämpfen. Mehrmals beteiligte<br />
sie sich an Hungerstreiks. Ihr letzter<br />
wurde durch eine militärische Operation jäh<br />
beendet.<br />
© SRK<br />
Sie wuchs in der Türkei auf, war begeistert<br />
vom Sozialismus und engagierte sich aktiv<br />
gegen den Kapitalismus. Nicht ohne Folgen.<br />
Die Geschichte von Ebru Dincer, einer<br />
jungen Frau, die trotz schrecklichen Erfahrungen<br />
ihren Lebenswillen und Optimismus<br />
bewahrt hat.<br />
Stark bis zum Letzten<br />
Ebru Dincer erzählt von jenem Tag, an dem sie<br />
zusammen mit anderen gefangenen Frauen<br />
abgeführt und in einen Raum im zweiten Stock<br />
eines Gebäudes gebracht wurde. Was danach<br />
folgte, war schrecklich. Sie erinnert sich nur<br />
bruchstückhaft daran, sucht nach Worten, um<br />
das Unfassbare fassbarer zu machen. Da waren<br />
die Granaten, welche die Polizisten ins<br />
Gebäude warfen und die den Raum mit beissenden<br />
Dämpfen erfüllten. Mit einem Tuch<br />
versuchte sie sich gegen die Giftwolken zu<br />
Zurück ins Leben<br />
Sie war jung, noch keine zwanzig, neugierig<br />
und angetan vom sozialistischen Gedankengut.<br />
Sie wollte sich einsetzen für eine bessere,<br />
gerechtere Welt und engagierte sich in einem<br />
Kulturzentrum in Istanbul, war begeistert von<br />
der Protestmusik und nahm an Demonstrationen<br />
gegen die türkische Regierung teil, die sie<br />
als anti-demokratisches und kapitalistisches<br />
Regime bezeichnet. Ebru Dincer erzählt ruhig<br />
und gefasst. «Es war damals Krieg in Kurdistan.<br />
Viele Menschen wurden ge<strong>folter</strong>t und<br />
getötet. Aber nicht nur dort. Auch in der Türkei<br />
erlitten Menschen Folter und wurden umgebracht.<br />
Ich wollte etwas dagegen machen.»<br />
schützen. Sie beschreibt jenen Moment, als sie<br />
glaubte, ihre Haare und ihr Rücken brennten.<br />
Doch nicht etwa Flammen bereiteten ihr die<br />
grauenvollen Schmerzen, es war die Wirkung<br />
chemischer Kampfstoffe, die Brandwunden<br />
auf ihrem Körper und ihrem Gesicht hinterliessen.<br />
Ebru Dincer erinnert sich aber auch an<br />
den Tanz: Zusammen mit anderen Gefangenen,<br />
die sich wie sie später aus dem verseuchten<br />
Raum retten konnten, hat sie im Hof des<br />
Gebäudes ein Volkslied gesungen und dazu<br />
getanzt, im Kreis, Hand in Hand mit den anderen.<br />
«Die Soldaten, die uns bewachten, staunten<br />
nur noch.»<br />
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