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Georg Brzoska und Gerhard Hafner Möglichkeiten und Perspektiven ...

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<strong>Georg</strong> <strong>Brzoska</strong> <strong>und</strong> <strong>Gerhard</strong> <strong>Hafner</strong><br />

<strong>Möglichkeiten</strong> <strong>und</strong> <strong>Perspektiven</strong><br />

der Veränderung der Männer. insbesondere der Väter -<br />

Forschung. Diskussionen <strong>und</strong> Projekte<br />

in den Vereinigten Staaten von Amerika.<br />

Schweden <strong>und</strong> den Niederlanden<br />

Llteraturstudie im Auftrag<br />

des B<strong>und</strong>esministeriums für Jugend. Familie.<br />

Frauen <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit


I<br />

Inhalt.<br />

1.<br />

Einleitung<br />

1<br />

Weiterführung<br />

Sprachliches<br />

6<br />

7<br />

2.<br />

Die Begriffe Männerrolle<br />

moniale Männlichkeit<br />

<strong>und</strong> hege-<br />

11<br />

2.1.<br />

Männerrolle<br />

11<br />

2.2.<br />

Alternativkonzept: hegemoniale<br />

Männlichkeit<br />

16<br />

3.<br />

3.1.<br />

3.1.1.<br />

3.1.2.<br />

3.1.3.<br />

3.1.4.<br />

3.1.6.<br />

3.1.6.<br />

3.1.7.<br />

3.1.8.<br />

3.1.9.<br />

3.2. i<br />

3.2.1.<br />

Projekte <strong>und</strong> Diskussionen in den<br />

Vereinigten Staaten von Amerika<br />

Antisexistische Männer<br />

Revolten gegen die Ernährerpositon<br />

- Wende in der Männlichkeitsdefinition<br />

in den 60er Jahren<br />

Wurzeln <strong>und</strong> Anfänge der antisexistischen<br />

Männergruppen<br />

National Organization for Changing<br />

Men (NOCM)<br />

Co-Counseling oder die therapeutische<br />

Befreiung von der Unterdrückerrolle<br />

Streit um das Sorgereicht<br />

Die Ending Men's Violence Task<br />

Group der NOCM<br />

Die Kampagne zur Beendigung der<br />

Homophobie<br />

Männer gegen Pornografie<br />

Middle class bias<br />

(" Mi ttelschich tsscheuklappen")<br />

Maskulistische Männer<br />

Geschichte<br />

19<br />

19<br />

19<br />

22<br />

26<br />

28<br />

31<br />

33<br />

34<br />

36<br />

38<br />

41<br />

41


Il<br />

3.2.2.<br />

3.3.<br />

3.3.1.<br />

3.3.1.1.<br />

3.3.1.2.<br />

3.3.1.3.<br />

3.3.1.4.<br />

3.3.1.5.<br />

3.3.1.6.<br />

3.3.1.7.<br />

3.3.1.8.<br />

3.3.2.<br />

3.3.3.<br />

3.3.4.<br />

Ideologie der Maskullsten<br />

Forschung über Väter <strong>und</strong> Projekte<br />

zum Vatern<br />

Väterforschung in den USA<br />

Der Wandel der Väterforschung <strong>und</strong><br />

das Vatern<br />

Ansätze einer historischen Väterforschung<br />

Ein neuer FamlIlentypus: zwei Erwerbstätige<br />

Sind Männer famlIlenorientiert?<br />

Beteiligung der Väter an der<br />

Familienarbeit<br />

Der geschlechtsspezifische Aspekt<br />

Psychoanalytische Väterforschung<br />

Einschätzung der Väterforschung<br />

Die Zeitschrift "Nurturing Today"<br />

Die Fathering Task Group der<br />

National Organization for<br />

Changing Men<br />

Das Fatherhood Project<br />

44<br />

46<br />

46<br />

46<br />

48<br />

51<br />

53<br />

59<br />

63<br />

64<br />

68<br />

70<br />

75<br />

76<br />

3.4.<br />

3.4.1.<br />

3.4.2.<br />

3.4.3.<br />

3.4.4.<br />

3.4.5.<br />

Forschung über Männer <strong>und</strong> Männlichkeit<br />

- "men's studies"<br />

Die Hauptströmung - Joseph H. Pleck<br />

Antisexistische Ansätze innerhalb<br />

der men's studies - Harry Brod<br />

Die Ambivaienz der Männer<br />

"Homosexismus" <strong>und</strong> hegemoniale<br />

Männlichkeit<br />

Institutionen<br />

79<br />

80<br />

84<br />

88<br />

89<br />

94<br />

4.<br />

4.1.<br />

4.1.1.<br />

4.1.2.<br />

4.1.3.<br />

Schwedische Diskussionen <strong>und</strong> Projekte<br />

Staatliche Gleichstellungspolitik<br />

für Männer - die Arbeitsgruppe zur.<br />

Männerrolle<br />

Einleitung<br />

Von der Gleichstellungsidee zur<br />

Kritik der Männerrolle<br />

Feministische Kritik an der Gleich-<br />

96<br />

96<br />

96<br />

100<br />

104


III<br />

4.1.4.<br />

4.1.5.<br />

4.1.6.<br />

4.1.7.<br />

4.1.8.<br />

4.1.9.<br />

4.1.10.<br />

4.1.11.<br />

4.1.12.<br />

4.2.<br />

4.2.1.<br />

4.2.2.<br />

4.2.3.<br />

stell ungspoli tik<br />

Kritik an der Männerrolle - Kritik<br />

an der Gesellschaft?<br />

Anreize zum Vatern -<br />

der Elternurlaub<br />

Der US-amerikanische Väterforscher<br />

über den schwedischen Elternurlaub<br />

Befreiung von der Versorgerposition?<br />

Männerkulturen<br />

Arbeitsleben<br />

sport<br />

Mllltär<br />

Trennungen<br />

"Leistungen an Stelle von Gefühlen"<br />

"Verändert die Erziehung der<br />

JungenI"<br />

Männer aus anderen Kulturen<br />

Männerseminare<br />

Andere Initiativen<br />

Kollegenunterstützung in der Gewerkschaft<br />

Professionelle Krisenzentren für<br />

Männer<br />

Von den Männergruppen zur Krisenhilfe<br />

für Männer<br />

Mansjour<br />

108<br />

110<br />

117<br />

118<br />

120<br />

121<br />

122<br />

123<br />

125<br />

127<br />

130<br />

131<br />

132<br />

135<br />

135<br />

136<br />

143<br />

145<br />

4.3.<br />

4.3.1.<br />

4.3.2.<br />

Forschung<br />

Die schwedische Arbeitsgruppe zur<br />

Forschung über Männer<br />

Forschungsprogramm 1987<br />

Hegemoniale Männlichkeit<br />

Positive Männlichkeit<br />

Psychodynamik<br />

Forschungsfelder: Maskulinisierung<br />

<strong>und</strong> Sexualisierung des Mannes<br />

Weitere Forschungsfelder<br />

, ·148<br />

148<br />

150<br />

151<br />

152<br />

154<br />

158<br />

160


IV<br />

6. Niederländische Diskussionen <strong>und</strong> 162<br />

Projekte<br />

6.1. Entwicklung der Männergruppen 162<br />

6.1.1. Die 70er Jahre: Entstehung der 162<br />

Männerselbsterfahrungsgruppen<br />

6.1.2. Die 80er Jahre: Männerprojekte 164<br />

6.2. Diskussionen <strong>und</strong> Projekte 166<br />

6.2.1. Die theoretische Zeitschrift' 166<br />

"Manuscript"<br />

5.2.2. Der telefonische Beratungs- <strong>und</strong> In- 169<br />

formations dienst "Mannenlljn"<br />

(Amsterdam)<br />

5.2.3. Die "Stichting Superman" <strong>und</strong> ihr 171<br />

Informationsblatt "Superman's Vel"<br />

5.2.4. Männerspezifische Sozialarbeit: 174<br />

Die "Stichting Ondersteuning Mannenwerk"<br />

(SO MAN) in Utrecht<br />

Die Konferenz "Mannenhulpverlening" 179<br />

5.2.6.<br />

6.2.6.<br />

6.2.7.<br />

Männer gegen sexuelle Gewalt:<br />

Die "Stichting Mannen tegen Sexuell<br />

Geweld" (MTSG)<br />

Männerstudien<br />

Landelljke Werkgroep Mannenstudies<br />

(LWM)<br />

"Nleuwsbrief Mannenstudies"<br />

Die Zeitschrift "Mannen" (früher<br />

"Mannenkrant") <strong>und</strong> der Männerstudienansatz<br />

van Oostens<br />

180<br />

183<br />

183<br />

184<br />

186<br />

6.3.<br />

6.4.<br />

Die Männer der niederländischen<br />

Männergruppenszene<br />

Die Krise der niederländischen<br />

Männerprojekte<br />

190<br />

192


v<br />

6. Schluß 194<br />

6.1.1. Zusammenfassung der Strategien zur 194<br />

Veränderung der Männer<br />

6.1.2. Zusammenfassung der Strategien in 197<br />

Bezug auf das Vatern<br />

6.2. Empfehlungen 200<br />

7. Bibliographie 210


1<br />

1. Einleitung<br />

Männliches Verhalten wird von immer mehr Menschen kritisiert.<br />

Die Kritik am "Macho" z.B. ist mittierweile fast überall zu hören.<br />

Die ernsthafte Auseinandersetzung mit der bestehenden Männlichkeit<br />

müssen wir aber vom modischen Gerede über den "neuen<br />

Mann" unterscheiden. Die Zahl derjenigen, die eine Männlichkeit,<br />

deren hervortretender Zug Beherrschung ist, restaurieren wollen,<br />

hat in den ietzten Jahren ebenfalls wieder zugenommen. Die gesellschaftliche<br />

Auseinandersetzung darum, wie Männer sich verhalten<br />

sollten, wird heute expliziter geführt. l Die Kritik der<br />

Frauenbewegung am Geschlechterverhältnis hat das Bild vieler<br />

Menschen von "normaler" Männlichkeit erreicht. In anderen gesellschaftlichen<br />

Bereichen werden Errungenschaften der Frauen<br />

wieder zurückgenommen.<br />

Die wissenschaftliche Erforschung des Geschlechterverhältnisses,<br />

die in erster Linie von Feministinnen geleistet wurde, hat den<br />

Blick dafür geschärft, daß unsere Kultur von männlichen Normen<br />

<strong>und</strong> Werten bestimmt wird. Das implizite Thematisieren von Männlichkeit<br />

(Bovenschen 1979), d.h. das Strukturieren durch ein von<br />

Männern dominiertes Geschlechterverhältnis, finden wir in alltäglichen<br />

Gewohnheiten genauso wie in geachteten gesellschaftlichen<br />

Institutionen.<br />

"Die künstlerischen Forderungen <strong>und</strong> der Patriotismus, die allgemeine<br />

Sittlichkeit <strong>und</strong> die besonderen sozialen Ideen, die Gerechtigkeit<br />

des praktischen Urteils <strong>und</strong> die Objektivität des theoretischen<br />

Erkennens, die Kraft <strong>und</strong> die Vertiefung des Lebens - all<br />

1 Es hat in der Geschichte häufig weniger explizite öffentliche<br />

Auseinandersetzungen über Männlichkeiten gegeben. Siehe dazu<br />

z.B. Kiselberg (1979) <strong>und</strong> Pleck/Pleck (1980).


2<br />

diese Kategorien sind zwar gleichsam ihrer Form <strong>und</strong> ihrem Anspruch<br />

nach allgemein menschlich, aber in ihrer tatsächlichen historischen<br />

Gestaltung durchaus männlich." (<strong>Georg</strong> Simmel 1911, S.<br />

200)<br />

Auch das implizite Thematisieren von Männlichkeit im Vernunftbegriff<br />

wurde in den letzten Jahren vermehrt kritisiert - wieder<br />

vor allem von feministischen Wissenschaftlerinnen.<br />

Auch Horkheimer <strong>und</strong> Adorno (1944) haben die herrschende Vernunft<br />

einer gr<strong>und</strong>legenden Kritik unterzogen, indem sie Zusammenhänge<br />

zwischen Naturbeherrschung, Unterdrückung von "Weiblichkeit",<br />

Herrschaft über andere Menschen <strong>und</strong> Unterdrückung<br />

innerer, d.h. menschlicher (Trieb-lNatur aufzeigten.<br />

"Furchtbares hat die Menschheit sich antun müssen, bis das<br />

Selbst, der identische, zweckgerichtete, männliche Charakter des<br />

Menschen geschaffen war, <strong>und</strong> etwas davon wird noch in jeder<br />

Kindheit wiederholt". (S. 33)<br />

Indem der Mann seine Triebansprüche opfert, gewinnt er Macht<br />

über die Naturgewalten, etabIlert sich als Herrscher über die<br />

Menschen <strong>und</strong> bleibt souverän gegenüber weiblicher Macht. Atomkraftwerke,<br />

Umweltzerstörung oder Krieg resultieren aus einer<br />

Vernunft, die wesentlich durch ihre Männlichkeitsdimension bestimmt<br />

ist.<br />

Lange vor Simmel wurde von Feministinnen bereits die These<br />

vertreten, daß unsere Gesellschaft von männlichen Normen <strong>und</strong><br />

Werten bestimmt ist. Ausgehend von dieser These betrachtet


3<br />

Frauenforschung das<br />

von Männern dominierte Geschiec"htel'verhäitnis<br />

<strong>und</strong> die Situation der Frauen im Patriarchat.<br />

Langsam entwickelt sich auch in der B<strong>und</strong>esrepublik eine "Männerforschung".<br />

Es ist zu erwarten. daß sich in naher Zulwnft ein<br />

Forschungsfeld Männerforschung etablieren wird. wie dies in den<br />

USA bereits geschehen ist. Männerforschung beschäftigt sich mit<br />

dem Geschlechterverhältnis. insbesondere mit den sozialen Beziehungen<br />

der Männer <strong>und</strong> der Psychologie der Männer.<br />

Feministische Wissenschaftlerinnen haben mittlerweile schon viel<br />

Wissen über das Geschlechterrverhältnis <strong>und</strong> über Männer <strong>und</strong><br />

Männlichkeit erarbeitet. Ergebnisse feministischer Männerforschung<br />

sind also bereits vorhanden. Es sind in erster Linie Männer. die<br />

das Forschungsfeld mit der BeZeichnung Männerforschung in<br />

verschiedenen Ländern entwickeln. Wenn Männerforschung die<br />

Tatsache der männlichen Dominanz im Geschlechterverhältnis aus<br />

dem Blick verliert. befestigt sie die bestehenden Herrschaftsverhältnisse<br />

an statt sie abzubauen. Deshalb muß die Männerforschung<br />

die Ergebnisse (<strong>und</strong> auch die Methoden) feministischer ForSChung<br />

über das Geschlechterverhältnis <strong>und</strong> über Männlichkeit aufarbeiten<br />

<strong>und</strong> sich damit auseinandersetzen.<br />

Bestimmte Themen. wie z.B. die SUbjektive Erfahrung der Männer.<br />

die Gewalt von Männern gegenüber Männern <strong>und</strong> Jungen oder die<br />

Liebe unter Männern. können von der Männerforschung unter<br />

EInbeziehung der eigenen männlichen SubjektiVität fruchtbar erforscht<br />

werden. Die Orientierung der Forscher auf Beruf <strong>und</strong> Karriere.<br />

die auf Kosten der sozialen Beziehungen <strong>und</strong> der Orientierung<br />

auf die private Sphäre" geht. macht die Forscher blind für<br />

eine antisexistische "Veränderung (siehe 4.3.1. zu der entsprechenden<br />

Forderung der schwedischen Arbeitsgruppe zur Männer-


4<br />

rolle). Unter antisexistlscher Veränderung verstehen wir eine<br />

Veränderung der Männer, die der Gleichstellung zwischen Frauen<br />

<strong>und</strong> Männern in der Gesellschaft dient. (Es gibt auch andere Formen<br />

der Veränderungen, die wir in der Studie beschreiben werden.)<br />

Wir sind der Auffassung, daß insbesondere <strong>Möglichkeiten</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Perspektiven</strong> der antlsexistischen Veränderung der Männer auch<br />

von Männern selbst erarbeitet <strong>und</strong> diskutiert werden müssen,<br />

sonst bleiben sie nur ein äußerlicher Anspruch.<br />

Die hier vorliegende Untersuchung will ein Beitrag zur Diskussion<br />

über eine Veränderung der Männer in diesem Sinne sein. Das implizierte<br />

Thematisieren von Männlichkeit ist nicht unmittelbar<br />

Thema unserer Studie. Da es aber die erste, weil umfassendste<br />

Bestimmung jeder patriarchalischen Gesellschaft <strong>und</strong> Kultur ist,<br />

haben wir es an den Anfang gestellt.<br />

Unser Thema ist das explizite Thematisieren von Männlichkeit.<br />

Unser Untersuchungsgegenstand sind Ansätze, Diskussionen <strong>und</strong><br />

Projekte zur Veränderung der Männer -:- insbesondere der Väter -<br />

in den USA, Schweden <strong>und</strong> den Niederlanden. Dieses sind die drei<br />

Länder, in denen die fortgeschrittensten Ansätze zu diesem Thema<br />

zu finden sind.<br />

Da die Fragestellung noch so wenig erforscht ist, schien es uns<br />

sinnvoll zu sein, eine sehr große Bandbreite von Ansätzen zu<br />

untersuchen, um die breitgestreuten <strong>Möglichkeiten</strong> <strong>und</strong> <strong>Perspektiven</strong><br />

vorzustellen. Wir haben eine Bestandsaufnahme erarbeitet <strong>und</strong><br />

- wo es uns möglich war - eine erste Einschätzung gegeben. Bestimmte<br />

Fragen des Herangehens an die Problematik, wie die<br />

Strategien der Veränderung der Männer sowie Aspekte der Theorie


5<br />

der Männlichkeit konnten wir gründlicher erörtern. well diese<br />

Problematiken in den verschiedenen Untersuchungsgegenständen<br />

immer wiederkehren. Insgesamt variiert die Art der Behandlung<br />

der Untersuchungsgegenstände deshalb zum Teil erheblich. Zum<br />

Tell konnten wir nur berichten - zum Tell umfassend bewerten.<br />

Ein Mangel der meisten Ansätze ist ihre euphorische. unrealistische<br />

Auffassung in bezug auf die Ambivalenz der Männer gegenüber<br />

antisexistischer Veränderung (siehe 3.4.3. <strong>und</strong> passim). Eine<br />

realistische Untersuchung dieser psychologischen Ambivalenz ist<br />

als Weiterführung unserer Arbeit geboten.<br />

Da wir zahlreiche Projekte <strong>und</strong> Diskussionen.· die wir zudem in<br />

drei verschiedenen Ländern vorfanden. behandein. ergeben sich<br />

viele Querverweise. Die Leserln. die nur an bestimmten Themen<br />

interessiert ist. kann anhand der Inhaltsangab€l <strong>und</strong> der Verweise<br />

im Text die entsprechenden Kapitei finden.<br />

Weiterführung<br />

Es ist geboten. nach di€ls€lr B€lstandsaufnahm€l in €liner Weiterführung<br />

dieser Untersuchung die psychologische Dimension der Veränderung<br />

der Männer gründllcher zu analysieren <strong>und</strong> die relevanten<br />

Projekte eingehender zu untersuchen.<br />

Was haben die Männer zu gewinnen? Was hindert sie. sich zu<br />

verändern? Was haben sie zu verlleren? Die Gewinnseite der<br />

Männer darf nicht isollert betrachtet werden. sondern die Ambivalenz<br />

der Männer gegenüber der Veränderung muß analysiert<br />

werden. An welche Motivationen <strong>und</strong> Interessen können Projekte<br />

<strong>und</strong> Maßnahmen zur Veränderung der Männer im Sinne der Gleich-


6<br />

stellung anknüpfen? Um die Forschungen, Diskussionen <strong>und</strong> Projekte<br />

eingehender beurteilen zu können, ist eine Untersuchung der<br />

PsychOlogie der Veränderung der Männer unumgänglich.<br />

Unsere Untersuchung hat ergeben, daß es zur Zeit drei Kategorien<br />

von Projekten zur Veränderung der Männer im Sinne der Gleichstellung<br />

gibt, die eingehender analysiert werden sollten, als es in<br />

unserer ersten Betrachtung des ganzen Spektrums von Projekten<br />

möglich war. Diesen Projekten kommt die größte Relevanz zu. Es<br />

handelt sich um Projekte zur psychosozialen Hilfe für Männer<br />

(männerspezlflsche Sozialarbei t), Projekte gegen Männergewalt 2<br />

<strong>und</strong> die Selbsthilfe <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit fördernden bzw. leistenden<br />

sogenannten Männerbüros (mansjourer, mannencafes, men's<br />

center).<br />

Um die Ansätze im Ausiand mit den vorhandenen Initiativen in<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland eingehend vergleichen zu können,<br />

ist es notwendig, die reievanten hiesigen Projekte zu untersuchen<br />

(was nicht zur Aufgabenstellung dieser Literaturstudie gehörte).<br />

In allen drei oben genannten relevanten Kategorien von Projekten<br />

sind Ansätze in der B<strong>und</strong>esrepublik vorhanden - in jeder Kategorie<br />

sind im Ausland (in den USA, Schweden <strong>und</strong> den Niederlanden)<br />

Projekte vorhanden, die erheblich weiter fortgeschritten sind. Es<br />

ist von daher dringend geboten, in einer Weiterführung der bisherigen<br />

Untersuchung einen direkten Vergieich der hiesigen mit<br />

den ausländischen Projekten zu ziehen.<br />

Die Forschung über die Veränderung der Männer ist in der B<strong>und</strong>esrepubllk<br />

Deutschland noch völlig unentwickelt, während sie in<br />

einigen anderen Ländern zum Teil erheblich weiter fortgeschritten<br />

2 Zur Begründung, warum wir in der vorllegenden Studie die be­<br />

'deutungsvollen Projekte von Männern gegen Männergewalt in<br />

den USA nicht untersucht haben, siehe 3.1.6.


7<br />

ist - insbesondere in den USA, Schweden, den Niederlanden, Norwegen,<br />

Dänemark <strong>und</strong> Großbritannien." Gleichzeitig fehlt eine<br />

Analyse der relevanten "Männerprojekte" in der B<strong>und</strong>esrepublik.<br />

Wie sieht die Gewinn- <strong>und</strong> die Verlustseite für Männer aus? Was<br />

bringt sie dazu, sich im Sinne einer Gleichstellung zu verändern?<br />

Antworten auf diese Fragen können wir am sinnvollsten in der<br />

Verbindung der Analyse praktischer Ansätze mit der Aufarbeitung<br />

theoretischer psychOlogischer Zugänge zu dieser Problematik finden.<br />

Sprachliches<br />

In unserer Studie vermeiden wir den herrschenden Sprachgebrauch,<br />

daß männliche Bezeichnungen auch für Frauen gelten. Die Begriffe<br />

"Lehrer", "Wähler" <strong>und</strong> "Bürger" meinen herkömmlicherweise Frauen<br />

<strong>und</strong> Männer, sogar wenn Frauen in der Mehrheit sind. Dieses<br />

Verschwinden der Frauen aus der Sprache ist für uns nicht eine<br />

linguistische Formalität <strong>und</strong> die Kritik daran (z.B. bei Pusch 1984)<br />

keine Überempfindlichkeit von Feministinnen, sondern dies ist für<br />

uns Merkmal der Gleichsetzung von Mann <strong>und</strong> Mensch.<br />

Die Alternative, die wir wählen, ist zwar nicht üblich <strong>und</strong> komplizierter<br />

als der herrschende Sprachgebrauch, aber sie ist ein<br />

Stolperstein zum Nachdenken über alltäglichen Sexismus. Wir haben<br />

uns für die Sprachregelung "LehrerInnen", "WählerInnen",<br />

"BürgerInnen" entschieden, wenn es sich um Frauen <strong>und</strong> Männer<br />

handelt. Bei den in den letzten Jahren häufig auftretenden Bezeichnungen<br />

"Lehrer/innen", "Wähler/innen", "Bürger/innen" er-<br />

3 Siehe exemplarisch für Norwegen: Haavind 1986, für Dänemark:<br />

Fausing et al. 1984, für Großbritannien: Hearn 1987. Zu den<br />

USA siehe 3.3.1. <strong>und</strong> 3.4.; zu Schweden siehe 4.3. <strong>und</strong> zu den<br />

Niederlanden siehe 6.2.6.


8<br />

schien uns die weibliche Bezeichnung allzusehr Anhängsel der<br />

männlichen Gr<strong>und</strong>form zu sein. Daraus folgt, daß wir nicht "männlicher<br />

Lehrer" schreiben, wenn es sich nur um Männer handelt,<br />

sondern einfach nur "Lehrer".<br />

Bei zusammengesetzten Wörtern haben wir allerdings auf diese<br />

Sprachregelung wegen ihrer Kompllziertheit verzichtet. Deshalb<br />

schreiben wir - wie üblich - z.B. Partnerschaft <strong>und</strong> Arbeiterfamilie<br />

statt PartnerInnenschaft oder Arbeiterlnnenfamille.<br />

Wir führen den Begriff "vatern" (als Verb) nach dem Vorbild der<br />

USA ("to father"), wo er schon selbstverständlich verwendet<br />

wird< , <strong>und</strong> einem zunehmenden Gebrauch in den Niederlanden (van<br />

Velden, pers. Komm.) ein, well wir der Tätigkeit, die ein Vater<br />

,<br />

ausübt, wenn er sich (von Geburt an) bei der Kindererziehung <strong>und</strong><br />

-pflege engagiert, einen Namen geben wollen. Da Väter sich bisher<br />

lediglich als Ernährer, Spiel-<br />

<strong>und</strong> Wochenendväter betätigt<br />

haben, <strong>und</strong> die Vaterschaft als eine nebensächliche Aufgabe (neben<br />

dem Beruf) angesehen haben, konnte es keinen Begriff dafür<br />

geben." Wir wollen damit die bisherige Betrachtung der Beziehung<br />

zwischen Vätern <strong>und</strong> Kindern dadurch ergänzen, daß wir den Mann<br />

als Vater, seine Tätigkeit, aber auch deren psychische Verarbeitung<br />

stärker in den Blick bekommen. Diesen neuen Begriff halten<br />

wir nicht zuletzt im Hlnbllck auf die Veränderung der Jungen für<br />

nützlich, die bisher die Beschäftigung mit Babies bzw. Puppen gemieden<br />

haben.<br />

4 Der US-amerikanische Vaterforscher Parke benutzt den Begriff<br />

(1981) wie auch der Herausgeber der "Nurturing Today", Giveans<br />

(siehe zur "Nurturing Today" 3.3.2.).<br />

5 Zur historischen Entwicklung der Väterlichkeit, siehe 3.3.1.2.


9<br />

Anzumerken ist, daß in den USA das "Muttern" ("to mother") ein<br />

gängiger Begriff i:>t, der ebenfalls schwer zu übersetzen ist. So<br />

konnte das einflußreiche Buch von Chodorow (1978) "The reproduction<br />

of mothering" nur unglücklich als "Das Erbe der Mütter"<br />

übersetzt werden.<br />

Zum Begriff "hegemoniale Männllchkeit", den wir ebenfalls einführen,<br />

siehe die Ausführungen in 2.2.<br />

Innovationen in. der Sprache erscheinen zuerst befremdlich, wenn<br />

sie nicht im technischen Bereich (z.B. "Auto", "Computer"), sondern<br />

im soziaien Bereich eingeführt werden. Die Anpassung an<br />

sich wandelnde Verhältnisse sollte sieh j'edoch auch in der Sprache<br />

niederschiagen. Der Niedergang des "Fräulein" 1st eIne solche<br />

sprachliche Veränderung, die sich bereits vollzogen hat.<br />

übersetzungen' fremdsprachiger Zitate sind unsere eigenen, soweit<br />

wir nichts anderes vermerken.<br />

Noch ein Wort zu den Erfahrungen, die wir gemacht haben <strong>und</strong><br />

machen <strong>und</strong> die mit dem, was wir theoretisch erarbeiten, zusammenhängen.<br />

Seit Anfang der 70er Jahre haben wir uns in (antisexistischen)<br />

Männergruppen engagiert. Viele der Irrwege, die wir<br />

heute kritisieren, sind wir selbst gegangen. Zur Zeit engagieren<br />

wir uns in der "Mannege. Information <strong>und</strong> Beratung für Männer"<br />

(Berllri-West), die auch regelmäßig öffentliche Veranstaltungen<br />

durchführt, <strong>und</strong> in der b<strong>und</strong>esweiten "Arbeitsgruppe antisexistische<br />

Männerstudien". Einer von uns beiden sorgt gleichverant-


10<br />

wortlich mit der Mutter für die gemeinsame Tochter.<br />

Wir danken Karl-Heinz Michels für seine hilfreiche Kommentlerung<br />

unseres Manüskripts.


11<br />

2.<br />

Die Begriffe Männerrolle <strong>und</strong> hegemoniale Männlichkeit<br />

2.1.<br />

Männerrolle<br />

Die wissenschaftliche Untersuchung der Männlichkeit ist noch<br />

sehr jung. so daß zumeist noch unklar ist. wie sie begrifflich ge­<br />

,faßt werden soll. Bisher wurde hauptsächlich mit dem Begriff<br />

Männerrolle über Männlichkeit <strong>und</strong> Männer geforscht. Dieser Begriff<br />

ist in den letzten Jahren ausgiebig kritisiert worden (z.B.<br />

Kimmel 1986. Postler 1985). Diese Kritik leitet sich in vielen<br />

Aspekten von der Kritik an den Begriffen Rolle (z.B. Haug 1972)<br />

bzw. Frauenrolle oder Geschlechterrolle (z.B. Stanley/Wise 1983)<br />

ab.<br />

Wir referieren im folgenden die fruchtbare Kritik der Australier<br />

Oarrigan. Oonnell <strong>und</strong> Lee (1985) am Männerrollenbegriff. Das<br />

quasi offizielle schwedische Forschungsprogramm zur zukünftigen<br />

Forschung über Männer <strong>und</strong> Männlichkeit übernimmt die Kritik der<br />

Australier bis ins Detail,!<br />

Beim Gebrauch des Begriffes Männerrolle wird nicht klar zwischen<br />

Erwartungen <strong>und</strong> Verhalten unterschieden. AUßerdem werden an<br />

verschiedene Männer sehr unterschiedllche Erwartungen' gestellt.<br />

Auch das Verhalten der Männer unterscheidet sich erheblich. Es<br />

sind nicht bestimmte feste Eigenschaften. die hegemoniale Männlichkeit<br />

(siehe den nächsten Abschnitt) ausmachen. sondern das<br />

situative Verhalten in Beziehungen zu anderen."<br />

1 Siehe zu diesem Forschungsprogramm (Bengtsson <strong>und</strong> Frykman<br />

1987) den Abschnitt 4.3.2. Leider machen die Autorinnen nicht<br />

deutlich. wieviel sie von den Australiern übernehmen.<br />

2 Zu der gleichen Argumentation in bezug auf Weiblichkeit siehe<br />

Hagemann-White (1984).


12<br />

Das Verhalten der Männer, der Männer aus verschiedenen Klassen,<br />

verschiedenen Alters, aus verschiedenen Regionen, etc. unterscheidet<br />

sich so sehr, daß es gar nicht möglich ist, von der<br />

Männerrolle zu sprechen.<br />

Der Begriff Männerrolle ist unhistorisch. Zwar wird sehr häufig<br />

von einem Wandel der Männerrolle geschrieben, aber dieser Wandel<br />

kommt von außen. Gesellschaftliche Veränderungen oder psychologische<br />

Veränderungen gestalten die Männerrolle um. Daß die historische<br />

Entwicklung der Männlichkeit wesentlich durch die Entwicklung<br />

des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern bestimmt<br />

wird, kann der Rollenbegriff nicht fassen.<br />

Der Begriff Männerrolle legt das Augenmerk hauptsächlich auf die<br />

Unterschiedlichkeit des Verhaltens von Männern <strong>und</strong> Frauen. Von<br />

daher ist es erklärlich, daß mit Hilfe dieses Begriffes behauptet<br />

wird, Männer seien ähnlich unterdrückt wie Frauen. Sowohl Männer<br />

als auch Frauen erfahren negative· Sanktionen, wenn ihr<br />

Verhalten starl< von den geschlechtsgeb<strong>und</strong>enen Erwartungen abweicht.<br />

Die Betrachtung der Differenz im Verhalten zwischen den<br />

Geschlechtern lenl


13<br />

Dem Begriff Männerrolle kommt eine Entlastungsfunktion zu: Nicht<br />

der einzelne Mann trage die Verantwortung für sein Verhalten,<br />

sondern die Gesellschaft, die ihm seine Rolle auferlegt. Es ist<br />

kein Zufall, daß bestimmte politische Strategien, die behaupten,<br />

Männer hätten durch eine Veränderung im Sinne der Gleichstellung<br />

der Geschlechter kaum etwas zu verlieren, sondern im Gegenteil<br />

vor allem zu gewinnen, mit diesem Begriff operieren. Denn Männer<br />

haben vor allem Macht zu verlieren. Und Macht ist der hegemonialen<br />

Männlichkeit nicht äußerlich, sondern sie ist ein Teil der<br />

Persönlichkeit. Deshalb wird die Aufgabe von Macht viele Männer<br />

schmerzen.<br />

Ein weiteres Problem des Begriffes Männerrolle ist, daß häufig bei<br />

dem Versuch, bestimmtes Verhalten <strong>und</strong> bestimmte Eigenschaften<br />

als die Männerrolle festzuhalten, Mittelklassebias eine Rolle spielen.<br />

D.h.. der Männerrollenbegriff wird häufig mit Eigenschaften<br />

gefüllt, die die Mittelklasse bzw. die Intellektuellenschicht ihrer<br />

Klasse zuschreiben (siehe 3.1.9.).<br />

Wegen dieser wissenschaftlichen <strong>und</strong> geschlechterpolitischen Unzulänglichkeit<br />

des Begriffs Männerrolle sprechen wir von der<br />

"Veränderung der Männer" statt von "Veränderung der Männerrolle".<br />

Die Richtung der Veränderung muß allerdings auch benannt<br />

werden. Ansonsten kann das neuerliche Interesse am Mann mit<br />

einer Indifferenz gegenüber der Gleichstellung der Geschlechter<br />

verb<strong>und</strong>en sein oder sich sogar ein antifeministischer rollback­<br />

Versuch dahinter verbergen.<br />

Uns geht es um eine Veränderung der Männer weg von herrschender<br />

Männlichkeit, d.h. um eine antisexistische Veränderung,


14<br />

bei der Männer versuchen. einen Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung<br />

der Geschlechter zu gehen.


15<br />

2.2. Alternativkonzept: hegemoniale Männlichkeit<br />

Da wir in der vorliegenden Studie häufig dieses Konzept anwenden<br />

<strong>und</strong> nicht vorausgesetzt werden kann, daß es der LeserIn bekannt<br />

ist, stellen wir es hier der Erörterung der Untersuchungsgegenstände<br />

voran.<br />

Der Begriff "hegemoniale Männlichkeit" wurde erst vor kurzer Zeit<br />

eingeführt. Er wurde von Carrigan, Connell <strong>und</strong> Lee (1985) entwickelt.<br />

Auch Harry Brod (siehe 3.4.2.) <strong>und</strong> Bengtsson/Frykman<br />

(l987) haben ihn übernommen (Brod 1987). Wir stützen uns im<br />

folgenden auf die Einführung des Begriffes durch Carrigan et a1.<br />

Die drei australischen Wissenschaftler berufen sich auf Rubins<br />

"klassischen" Artikel zur Formulierung des "sex/gimder system"."<br />

Rubin stellte fest, daß die Geschlechterverhältnisse durch eine<br />

Formung sozialer Verhältnisse in bezug auf Reproduktion <strong>und</strong> Geschlechterunterteilung<br />

bestimmt sind. Dieses "sex/gender system"<br />

ist historisch gebildet <strong>und</strong> verändert sich.<br />

Zwei Aspekte dieses Systems sind vorrangig in den letzten zehn<br />

Jahren erforscht worden: die Teilung der Arbeit <strong>und</strong> die Machtstruktur.<br />

Carrigan et a1. vertreten die Auffassung, daß ein dritter<br />

Aspekt hinzukommen solite 4 : "Die Struktur der libidinösen Besetzung,<br />

die soziale Organisation der Sexualität <strong>und</strong> Attraktion, die,<br />

wie die Geschichte der Homosexualität beweist, genauso sozial ist<br />

wie die Strukturen der Arbeit <strong>und</strong> der Macht" (Carriganet. a1.<br />

. 1985, s. 590).<br />

Der am meisten hervortretende Zug des sex/gender systems ist die<br />

3 Gayle Rubin (l975). Im Englischen bedeutet "sex" biologisches<br />

Geschlecht <strong>und</strong> "gender" soziales Geschlecht.<br />

4 Ebenso wie Widerberg (l987).


16<br />

Unterordnung der Frauen. Männer sind allgemein durch diese Unterordnung<br />

begünstigt. Allerdings gibt es heute viele Situationen,<br />

in denen Frauen Macht über Männer haben oder ihnen gleichgestellt<br />

sind.<br />

Die Positionen der Männer im Geschlechterverhältnis sind unterschiedlich<br />

<strong>und</strong> der einzelne Mann hat in verschiedenen Situationen<br />

häufig unterschiedliche Positionen.<br />

Für unsere Diskussion der Männlichkeit ist es wichtig, daß wir<br />

psychologisch <strong>und</strong> soziologisch zwischen verschiedenen Männlichkeiten<br />

unterscheiden.<br />

"Das allgemeine Verhältnis zwischen Männern <strong>und</strong> Frauen ist nicht<br />

eine Konfrontation zwischen zwei homogenen, <strong>und</strong>ifferenzierten<br />

Blöcken ... Im Falle der Männer besteht die entscheidende Unterteilung<br />

zwischen hegemonialer Männlichkeit <strong>und</strong> verschiedenen<br />

untergeordneten Männlichkelten.<br />

Sogar diese Begrifflichkeit vereinfacht aber allzusehr, da sie den<br />

Eindruck erweckt, Männlichkeit sei nur nach Machtverhältnissen<br />

differenziert ... Männlichkeiten werden nicht nur durch Machtverhältnisse<br />

konstruiert, sondern durch ihr Zusammenspiel mit der<br />

Teilung der Arbeit <strong>und</strong> mit den Mustern emotionaler Bindung."<br />

(ebd., S. 590f.)<br />

Die Männlichkelten unterscheiden sich in psychologischer Hinsicht<br />

voneinander, <strong>und</strong> sie sind unterschiedliche kollektive Praxen.<br />

Diese Praxen schlagen sich auch institutionell nieder <strong>und</strong> die gesellschaftlichen<br />

Institutionen definieren Männlichkeit (<strong>und</strong> Weiblichkeit).


17<br />

"Die sozialen Definitionen der Männlichkeit sind in die Dynamik<br />

der Institutionen eingebettet - des Staates, der Betriebe, der Gewerkschaften,<br />

der Familien, etc. - genausosehr wie sie in die<br />

Persönlichkeiten der Individuen eingebettet sind." (ebd., S. 591)<br />

Hegemoniale Männlichkeit ist eine Praxis, die Frauen, aber auch<br />

andere untergeordnete Männer unterdrückt. Ein gutes Beispiel für<br />

die Praxis hegemonialer <strong>und</strong> untergeordneter Männlichkeiten zeigt<br />

die Untersuchung von Schriftsetzern in Großbritannien von Cynthia<br />

Cockburn (1983).<br />

"Cynthia Cockburn hat gezeigt, wie die Definition der Arbeit der<br />

Schriftsetzer als hypermännlich trotz gewaltiger Veränderungen in<br />

der Technologie aufrechterhalten wurde. Die SChriftsetzer hatten<br />

eine gut organisierte Praxis, die Frauen aus dem Gewerbe vertrieb,<br />

verwandte Arbeitsprozesse, in denen Frauen verblieben, an<br />

den Rand drängte <strong>und</strong> eine betont maskuline 'Kultur' am Arbeitsplatz<br />

aufrechterhielt. Viele Details in ihrer Untersuchung zeigen,<br />

daß hier kollektiv hegemoniale Männlichkeit definiert wurde, die<br />

nicht nur Barrikaden gegen Frauen bemannte, sondern gleichzeitig<br />

andere Männer in dem Gewerbe an den Rand drängte oder sich<br />

unterordnete (z.B. junge Männer, ungelernte Arbeiter <strong>und</strong> diejenigen,<br />

die nicht willens oder nicht in der Lage waren, die Rituale<br />

mitzutragen). Derartige Prozesse sind sehr welt verbreitet, wenn<br />

die Details auch variieren." (Carrigan et al. 1985, S. 591)<br />

Die psychologische Dimension hegemonialer Männlichkeit ist nicht<br />

ein Set von charakterlichen Eigenschaften, wie dies viele Männerbücher<br />

behaupten. Vielmehr ist hegemoniale Männlichkeit die<br />

Praxis dominierender Männer zur Legitimierung <strong>und</strong> Reproduktion<br />

ihrer Dominanz.


18<br />

Dem idealen. kulturell hoch angesehenen Modell von Männlichkeit<br />

entsprechen nur sehr wenige Männer. "Aber viele Männer sind<br />

Mittäter bei der Aufrechterhaltung der hegemoniaien Männlichkeit.<br />

Dafür gibt es eine Reihe von Gründen: Befriedigung durch Fantasie.<br />

Kompensation durch verschobene Aggression (z.B. das Verprügeln<br />

von Schwulen durch polizisten <strong>und</strong> Jugendliche aus der<br />

Arbeiterklasse). etc. Aber der bei weitem wichtigste Gr<strong>und</strong> ist.<br />

daß die meisten Männer von der Unterdrückung der Frauen profitieren<br />

<strong>und</strong> hegemoniale Männlichkeit zentral mit der Institutionalisierung<br />

der Dominanz der Männer über Frauen verknüpft ist."<br />

(ebd.• S. 592)


19<br />

3.<br />

Projekte <strong>und</strong> Diskussionen in den Vereinigten<br />

Staaten von Amerika<br />

Wir beginnen mit dem Land, in dem bisher am meisten Aktivitäten<br />

von Männern mit dem Ziel einer bewußten Neudefinition von<br />

Männlichkeit zu verzeichnen sind, den Vereinigten Staaten von<br />

Amerika. Wir stellen die beiden Flügel der Männergruppenszene 1<br />

vor. Um die neue re Geschichte des Kampfes um die Definition von<br />

Männlichkeit in den USA besser verständlich zu machen, referieren<br />

wir vorher die wichtigsten Erkenntnisse von Ehrenreich (1983).<br />

3.1.<br />

Antisexistische Männer<br />

3.1.1.<br />

Revolten gegen die Ernährerposition - Wende in der<br />

M!inniichkeitsdefinition in den 50er Jahren<br />

Barbara Ehrenreich hat mit ihrem Buch "Die Herzen der Männer"<br />

die Männergruppenszene <strong>und</strong> die Diskussion um den "neuen Mann"<br />

in ein neues Licht gestellt. Ihre Hauptthese lautet: Die "Suche<br />

nach einer neuen Rolle" der Männer (so der deutsche Untertitel<br />

des Buches) beginnt nicht erst in den 70er oder 80er Jahren. Die<br />

Männer in den Männergruppen der 70er <strong>und</strong> 80er Jahre befanden<br />

<strong>und</strong> befinden sich zumeist immer noch in diesem Irrglauben. Eh-<br />

1 Männergruppenszene nennen wir die Subkultur in bezug auf die<br />

Männlichkeitsproblematik engagierter Männer, da die Selbsterfahrungs-Männergruppe<br />

die zentrale So~alform dieser Subkultur<br />

ist. Diese Männer bezeichnen sich selbst zumeist als Männerbewegung.<br />

Es handelt sich aber um zu wenige aktiv engagierte<br />

Männer, um die Bezeichnung "Bewegung" zu rechtfertigen. In<br />

Zukunft werden Projekte zur antisexistischen Veränderung der<br />

Männer . wahrscheinlich immer weniger aus dieser Subkultur<br />

heraus entstehen, da die Auseinandersetzung mit Männlichkeit<br />

immer weniger nur auf diese Subkultur beschränkt ist.


20<br />

renreich konstatiert eine "Revolte der Männer gegen die Ernährerethik"<br />

, die in den USA schon ab 1953/4 ihren Ausdruck in der<br />

Zeitschrift "Playboy" fand.<br />

In den 50er Jahren war die Ernährerposition des Mannes eine<br />

Selbstverständlichkeit, d.h., daß der Mann die Familie finanziell<br />

versorgte. Junggesellen galten als verantwortungslos, als Drückeberger.<br />

Unverheiratete Frauen wurden bedauert, unverheiratete<br />

Männer galten als absonderlich, womöglich schwul. Vorstellungen<br />

über die Reife von Menschen hatten grQße Bedeutung. Für Männer<br />

gehörte zur Reife, Familienernährer zu sein.<br />

Ehrenreich ist der Ansicht, daß den Männern Familie mehr als<br />

Pflicht denn als Vorteil erschien, da im Laufe der Jahrzehnte die<br />

GebraUChsgüter schaffende Arbeit im Haus fast verschwand <strong>und</strong><br />

die Arbeiten der Ehefrau durch gekaufte Dienste von Frauen ersetzt<br />

werden konnten.<br />

Ehrenreich weist darauf hin, daß wir besser -vom Prinzip des Familieneinkommens<br />

sprechen, als davon, daß die Männer Ernährer<br />

der Frauen waren. Der Lohn vieler Arbeiter reichte nicht aus, um<br />

eine Famille zu ernähren. Nur bei Handwerkern, Facharbeitern <strong>und</strong><br />

Arbeitern in Bereichen mit starken Gewerkschaften reichte der<br />

Lohn. Das ideologische Prinzip des Familieneinkommens trug dazu<br />

bei, daß Frauen aus höheren Lohngruppen <strong>und</strong> handwerklichen<br />

Jobs gedrängt wurden.<br />

Laut Ehrenreich begann der Zusammenbruch der Ernährerethik des<br />

Mannes lange vor der neuen Frauenbewegung. Ihren ersten deutlichen<br />

Ausdruck fand die Revolte gegen die Ernährerposition in<br />

der Zeitschrift "Playbo~'''. Auf die Karriere wollten diese Männer<br />

allerdings nicht verzichten, denn Konsum war ihnen heilig. Der


21<br />

Playboy kreIerte eine neue auf den Mann zentrierte Auswahi an<br />

Gebrauchsartikeln. Mit ihnen konnte der Mann Status beweisen,<br />

ohne Ehefrau <strong>und</strong> Haus haben zu müssen. Die Pin-up-Frauen garantierten<br />

Männllchkeit: mann ist eindeutig <strong>und</strong> in sauberer Weise<br />

heterosexuell, in keiner Weise pervers.<br />

nie ab 1966 einsetzende "Herzinfarktpanik" warf ebenfalls ein<br />

neues Licht auf· Männlichkeit. Die damals von Kardiologen entwickelte<br />

These "StreJ3 führt zu Herzinfarkt" hält Ehrenreich für<br />

wissenschaftlich nicht abgesichert. Die Kardiologen diagnostizierten<br />

mit ihrer These die normale Männllchkeit als ges<strong>und</strong>heitsschädigend.<br />

Das männliche Karriere- <strong>und</strong> Erfolgsstreben wurde<br />

aufgr<strong>und</strong> dieser öffentlichen Debatte in Frage gestellt.<br />

Ehrenreich meint, die "Entdeckung" des Herzinfarkts habe der Legitimation<br />

hBherer Schichten gedient. Nach dem Motto: Erfolg fordert<br />

ihren Preis. Das Konzept des StreJ3 habe die unsichtbare, relativ<br />

weniger mühevolle Arbeit des Angestellten quasi zu physischer,<br />

sehr anstrengender Arbeit gemacht.<br />

Was die Kardiologen gesellschaftsfähig machten, wurde von den<br />

Psychologen des "Human Potential Movement" ausgefüllt: Ein<br />

Männerieben abseits vom alten Muster. Jetzt galt nicht mehr Reife<br />

als höchstes Ziel, sondern Wachstum. Die Ehe wurde in Frage gestellt.<br />

Ehrenreich zitiert <strong>Georg</strong>e Bach <strong>und</strong> Herb Goldberg 2 (1974)<br />

"... wird jedes Individuum ein einsamer Jäger, der seinen Weg<br />

durch unbekanntes Gebiet geht." (zitiert nach Ehrenreich 1983, S.<br />

107) Verantwortungsgefühl gegenüber der Ehefrau wird von den<br />

humanistischen PSYChologen als Hemmschuh der persönlichen Weiterentwicklung<br />

angesehen.<br />

2 Herb Goldberg hat eine wichtige Funktion bei den maskulistischen<br />

Männern (siehe 3.2.).


22<br />

3.1.2.<br />

Wurzeln <strong>und</strong> Anfänge der antisexistischen Männergruppen<br />

Anfang der 70er Jahre entsteht ein Netzwerk (Filine (1987) verwendet<br />

diesen Begriff als Alternative zu "Bewegung") von Männern,<br />

die ernsthaft auf den Feminismus reagieren. Die ersten<br />

Männergruppen, besser: antisexistischen Männergruppen entstehen.<br />

Hinfort können wir in den USA zwei Tendenzen unterscheiden:<br />

eine profeministische <strong>und</strong> eine "maskulistlsche", letztlich antifeministische."<br />

Brannon (1981-82) wendet sich gegen die Auffassung, daß es sich<br />

um eine einzige Männerbewegung handele. Für ihn sind die "Free<br />

Men" (d.h. die maskulistischen Männer, siehe' 3.2'> "... die letzte<br />

Verkörperung des alten Kults männlicher Privilegien <strong>und</strong><br />

Selbstinteresses, jetzt neu gewandet in der neuen Sprache der<br />

'Männerbefreiung'" (8. 31).<br />

Während der jährlich stattfindenden nationalen Konferenzen "Men<br />

and Masculinity" (aus denen sich später die "National Organization<br />

for Changing Men" entwickelte, die jetzt diese Konferenzen<br />

ausrichtet) kam es in den Jahren 1977, 1978, 1979, aber auch<br />

wieder 1987 zu Konfrontationen zwischen beiden Richtungen.<br />

Ein großer Teil der Männer aus antlsexistischen Männergruppen<br />

grenzt sich nicht gegen die Maskulisten ab. Das war schon während<br />

der Konfrontationen Ende der 70er Jahre der Fall (Jnterrante<br />

1982-1983) <strong>und</strong> ist auch heute noch so.<br />

3 Wir gehen in Kapitei 3.2. weiter auf die maskulistlschen Männer<br />

ein.


23<br />

In den letzten Jahren haben antisexistische Männer <strong>und</strong> Frauen<br />

begonnen, die verborgene Geschichte (vor allem des 19. <strong>und</strong> 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts) von Männern, die feministische Anstrengungen unterstützten,<br />

auszugraben (Leach 1980, Strauss 1982, Wagner fortlaufend).<br />

Die zeitgeschichtlichen Bewegungen, die in den 60er<br />

Jahren die Voraussetzungen für die Entstehung der antisexistischen<br />

Männergruppen schufen, waren die neue Frauenbewegung,<br />

die Hippies,. die Studentenbewegung. <strong>und</strong> die Schwulenbewegung.<br />

Wir wollen uns hier auf Hinweise auf die Hippiebewegung <strong>und</strong> die<br />

Schwulenbewegung beschränken. Die Hippies lehnten herkömmliche<br />

Männlichkeit ab; der Farblosigkeit des Äußeren der Männer setzten<br />

sie bunte Gewänder <strong>und</strong> lange Haare entgegen. Vielieicht der<br />

größte Skandal der Hippies war, daß bei ihnen Frauen <strong>und</strong> Männer<br />

verwechselt werden konnten. Nicht nur in der äußeren Erscheinung,<br />

sondern in ihrem gesamten Sein wollten die Hippies Weichheit<br />

<strong>und</strong> Emotionalität leben. Erwerbsarbeit, bürgerlicher Status<br />

<strong>und</strong> Wohlstand interessierten sie nicht.<br />

"Die Gegenkulturbewegung endete zwangsläufig (wie wir schon von<br />

Marcuse wußten) mit der Bejahung der materiell eingestellten<br />

Mittelschichtgesellschaft, die sie eigentlich hatte widerlegen wollen.<br />

Die Aufmachung der Gegenkulturbewegung ließ den Gebrauchsartikelmarkt<br />

noch verführerischer als je zuvor erscheinen,<br />

<strong>und</strong> der "zwitterhafte" Trend lud die Männer ein, am Spaß<br />

teilzuhaben, ohne ihre Heterosexualität in Verruf zu bringen."<br />

(Ehrenreich 1983, S. 127)<br />

Auch die Schwuienbewegung der 60er <strong>und</strong> frühen 70er Jahre war<br />

eine Vorläuferbewegung der antisexistischen Männergruppen. "Wir<br />

wissen, daß schwule Männer die ersten waren, die die psychischen<br />

Kosten artikulierten, die Männer zahlen, deren Verhalten nicht<br />

den traditionellen männlichen Erfordernissen genügen... <strong>und</strong> auch


24<br />

aie ersten waren, die erfuhren, wie kollektive Aktion <strong>und</strong> gegenseitige<br />

Unterstützung den Zugriff der Erfordernisse auf Männer<br />

lockern konnten." (Pleck/Sawyer 1974, S. 2)<br />

Schwule "zeigen oft ein 'unmännliches' Verhalten: sie haben ja<br />

auch keine Frau, die ihnen ihre Männlichkeit ermöglicht. Sie sind<br />

gefühlsmäßig, hysterisch, temperamentvoll, albern, eitel, schwach,<br />

etc ... Indem sie dieses Verhalten nicht mehr verstecken, well sie<br />

sich nicht mehr verleugnen wollen, sondern es veröffentlichen,<br />

provozieren sie die Männlichkeit der Normalen. Die neue Homosexuellenbewegung<br />

ist die erste Bewegung von Männern, die die<br />

Männerrolle in Frage stellt." (<strong>Brzoska</strong> 1980, S. 48)<br />

Die ersten Gruppen, die sich in Anlehnung an "Frauengruppen"<br />

"Männergruppen" nannten, entstanden in den USA Im Jahre 1969<br />

(Snodgrass 1977, S. 1l0). Schon 1970 existierte in Berkeley ein<br />

Männerzen.trum (Men's Center). 1971 soll es allein im Gebiet der<br />

San Franzisko Bucht 30 Männergruppen, 1973 in den gesamten USA<br />

ca. 300 Gruppen gegeben haben (Rödner 1976, S. 22; Katz 1974, S.<br />

152). Die Blldung von Männergruppen ist zum großen Tell eine<br />

Reaktion darauf, daß Frauen gemischte Gruppen verließen <strong>und</strong> sich<br />

als reine Frauengruppen organisierten. Die meisten Männer, die in<br />

Männergruppen gingen, hatten feministische Fre<strong>und</strong>innen oder<br />

Ehefrauen. Diese setzten sich mit dem Sexismus auseinander <strong>und</strong><br />

kritisierten die Männer. Früher oder später sahen die Männer ein,<br />

daß sie an ihrem eigenen Sexismus arbeiten mußten. Die Form der<br />

nur aus Männern bestehenden Gruppe ergab sich zum Teil einfach<br />

daher, daß sich die Frauen selbständig machten <strong>und</strong> nicht mehr<br />

bereit waren, die Sozialarbeiterinnen der Männer zu sein, sondern<br />

forderten, daß die Männer selbst die Anstrengung auf sich nahmen,<br />

an sich zu arbeiten. Als weiterer Vortell der Männergruppen<br />

wurde angesehen, daß hier Konkurrenz als Balzverhalten fortfiel.


25<br />

Zumeist waren die Gruppen Selbsterfahrungsgruppen. Die Männer<br />

versuchten, durch Gespräche oder den Einsatz von gruppendynamischen<br />

Techniken, ein anderes Verhalten <strong>und</strong> Erleben als Mann<br />

zu erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> auszuprobieren. In diesen Gruppen zu Beginn der<br />

70er Jahre hatte noch keine Entmischung zwischen maskulistischen<br />

<strong>und</strong> antisexistischen Tendenzen stattgef<strong>und</strong>en.<br />

Es herrschte die Vorstellung, dal3 die Männerrolle die Männer unterdrücke.<br />

Von daher solle es in der Männergruppe um die Freilegung<br />

der Emotionalität <strong>und</strong> Spontaneität, um die Entwicklung<br />

einer nicht mehr genital- <strong>und</strong> leistungsorientierten, sondern auf<br />

den ganzen Körper bezogenen Sexualität gehen. Männer in den<br />

Männergruppen wollten nicht mehr entfremdet arbeiten <strong>und</strong> die<br />

Verkörperer instrumenteller Vernunft sein.<br />

Es gab bis Mitte der 70er Jahre noch keine explizit maskullstisehen<br />

Aktivisten oder Gruppen innerhalb der entstehenden Männergruppenszene.<br />

Die allermeisten hatten eine eher profeministische<br />

Einstellung. Die Maskullsten Ende der 70er <strong>und</strong> der 80er<br />

Jahre konnten allerdings gut an die Vorstellung von der Unterdrückung<br />

durch die Männerrolle anknüpfen. Auch in den profeministischen<br />

Männergruppen der 80er Jahre finden wir häufig die<br />

Auffassung, Männer seien als Männer unterdrückt. Die Kritik<br />

daran ist neuerdings lauter geworden (Brod 1981, Clatterbaugh<br />

1986), doch grenzen sich auch jetzt viele Männer aus Männergruppen<br />

nicht gegen Maskullsten <strong>und</strong> maskulistische Meinungen<br />

ab.


26<br />

3.1.3. National Organization for Changing Men (NOCM)<br />

Die USA sind das einzige uns bekannte Land, in dem es eine nationale<br />

Organisation antisexistischer Männer gibt. Warum nur dort?<br />

Zuerst ist die "Bewegung" nirgendwo so groß wie in den USA (auch<br />

wenn sie auch dort klein ist). Es gab zuerst in den USA Männergruppen<br />

(1969); in anderen Ländern entstanden erste Gruppen erst<br />

zwischen 1973 <strong>und</strong> 1975 (in Schweden bereits 1971). In keinem<br />

anderen Land existieren so viele PrOjekte antisexistischer Männer.<br />

Regelmäßig finden in einigen Landestellen regionale Treffen <strong>und</strong><br />

Konferenzen statt.<br />

Im Vergleich zwischen der B<strong>und</strong>esrepubllk Deutschland <strong>und</strong> den<br />

USA fällt die fre<strong>und</strong>liche Einstellung gegenüber Organlsierung In<br />

der Männergruppenszene In den USA <strong>und</strong> die Organisationsfeindlichkeit<br />

der Männergruppenszene in der B<strong>und</strong>esrepublik auf. Die<br />

negative Einstellung in der B<strong>und</strong>esrepublik hat in antiautoritären<br />

Traditionen .. die von der Studentenbewegung der 60er Jahre herrühren,<br />

ihre Ursache.<br />

Die National Organization for Changing Men (NOCM) versteht sich<br />

als profeministisch <strong>und</strong> Homosexualitäts-bejahend. Sie vertritt die<br />

Auffassung, daß persönliches Wachstum <strong>und</strong> antisexistische, polltische<br />

Veränderung Hand in Hand gehen müssen.<br />

NOCM wurde 1982 gegründet <strong>und</strong> hatte 1987 circa 500 Mitglieder.<br />

Die nationalen Konferenzen, die jährllch mit ca. 300 Teilnehmern<br />

(<strong>und</strong> vielleicht 10 bis 30 Teilnehmerinnen) stattfinden, werden<br />

seit 1982 von NOCM veranstaltet. Die meisten Aktivitäten der<br />

Organisation finden in den task groups (Arbeitsgruppen) statt. Die<br />

1987 aktiven task groups waren folgende: die mit 130 Mitglledern<br />

größte, die Men's Studies Association (siehe 3.4.5.); die Fathering


27<br />

Task Group (siehe 3.3.3.); die Ending Men's Vlolence Task Group<br />

(siehe 3.1.6.); die Gay Rights Task Group <strong>und</strong> die Homophobia<br />

Task Group (3.1.7.); die Male/Female Relationship Task Group; die<br />

Men and Pornography Task Group (siehe 3.1.8.) <strong>und</strong> die Men's<br />

Culture Task Group. Zur Zeit führen Arbeitsgruppen von NOCM<br />

zweI größere Kampagnen durch: Die Brotherpeace Kampagne (siehe<br />

3.1.6.) <strong>und</strong> die Kampagne zur Beendigung von Homophobie (sIehe<br />

3.1.7.).<br />

Jeff Beane, der bis zum Juni 1987 zwei Jahre lang einer der beiden<br />

Sprecher der NOCM war, schätzt, daß 2/5 der Mitglieder heterosexuell,<br />

2/5 homosexuell <strong>und</strong> 1/5 bisexuell sind. Ca. 10-15 0/0<br />

sind Frauen. (McDonald, 1987).<br />

Die Vorteile einer nationalen . Organisation sind offensichtlich,<br />

wenn wir NOCM betrachten. Nationale Konferenzen können einfacher<br />

<strong>und</strong> kontinuierlicher organisiert werden, über die task groups<br />

<strong>und</strong> andere Komponenten der Organisation findet eine vielfältige<br />

Kommunikation statt.<br />

Aber auch negative Seiten der Organlsierung waren während der<br />

Konferenz in Hartford 1987 nicht zu übersehen. Dadurch, daß<br />

viele Aktivitäten auf NOCM konzentrIert sind, setzen sich in<br />

manchen Fällen bestimmte Herangehensweisen . durch. Plastisch<br />

wurde die Dominanz bestimmter Berufsgruppen innerhalb von<br />

NOCM, als ein interner Kritiker während einer offenen Sitzung des<br />

NOCM-Council eine Frage stellte. Er fragte, wer von den Council­<br />

(etwa: Vorstand) Mitgliedern nicht Psychotherapeut oder Wissenschaftler<br />

sei. Die übergroße Mehrheit des Council gehört einer<br />

oder beiden dieser Berufsgruppen an. Tatsächlich hat NOCM die<br />

(intern heftig kritisierte) Tendenz, eine Interessensorganisation<br />

von Männern (<strong>und</strong> Frauen) zu sein, die als TherapeutInnen oder


28<br />

WissenschaftlerInnen mit Männern bzw. über Männlichkeit arbeiten.<br />

Dadurch werden vielleicht zuweilen Basisaktivitäten zur Veränderung<br />

von Männern oder politische Aktivitäten zur Veränderung<br />

von Männern unterbelichtet. Dazu paßt die große Bedeutung psychologistischer<br />

Einstellungen in der Organisation. Diese Einstellungen<br />

scheinen mit dem großen Gewicht der Co-Counseling Gemeinschaft<br />

innerhalb von NOCM in Zusammenhang zu stehen (siehe<br />

nächstes Kapitel).<br />

3.1.4. Co-Counseling oder die therapeutische Befreiung<br />

von der Unterdrückerrolle<br />

In der Männergruppenszene in den USA<br />

spielen psychologische<br />

bzw. psychotherapeutische Ansätze zur Veränderung der Männer<br />

eine große Rolle. Mitglieder von Co-Counsellng haben in der NOCM<br />

eine wichtige Funktion. Andere Schulen der Wachstumspsychoiogie<br />

vertreten dasseibe Männerbild. Was wir , hier an der Co-Counseling<br />

kritisieren, gilt für sie genauso. Gemeinsamer- Ursprung dieser<br />

verschiedenen Therapieformen ist die Humanistische Psychotherapie,<br />

deren Menschenbild vom Streben nach Selbstverwirklichung,<br />

der Fähigkeit zur Kreativität, der persönlichen Entfaltung <strong>und</strong> des<br />

"Wachstums" geprägt ist. Diese Vorstellungen werden von den Co­<br />

Counselern auch auf die Männer angewandt.<br />

"Männer sind menschliche Wesen in jeder Beziehung. Wie alle anderen<br />

menschlichen Wesen auch, sind sie in ihrem Wesen (essentially)<br />

intelligent, gut, sorgend, fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong> -kooperativ. Jede<br />

Erscheinung des Gegenteils ist das Ergebnis von Mechanismen<br />

(distress patterns), die sie erworben haben, manchmal zufälllg<br />

oder durch einzigartige Umstände, öfter durch systematisch eingerichtete<br />

Verletzungen, die Tell der Konditionierung sind, die die


29<br />

Gesellschaft ihnen auferiegt. um sie für die rigiden Rollen vorzubereiten.<br />

die die Gesellschaft ihnen aufzuzwingen versucht."<br />

(Jackins 1981. S. 3. Der Autor gründete Co-Counseling)<br />

Es handeit sich hier um die Vorstellungen der Befreier des Mannes:<br />

Die Natur des Mannes. die als von selner Gesellschaftllchkeit<br />

befreit gedacht wird. ist gr<strong>und</strong>sätzlich gut. während die Gesellschaft<br />

als äußerlich <strong>und</strong> aufgesetzt gedacht wird. Sie hat lediglich<br />

die Funktion. dem Mann Zwänge (die Männerrolle) aufzuerlegen.<br />

die das natürliche Ausleben seiner guten Anlagen verhindern.<br />

"Männer sind nicht angeboren unterdrückerisch. Sie müssen heute<br />

in fast allen Gesellschaften die Rolle des AUSÜbenden der Unterdrückung<br />

spielen. Sie wurden dahin gebracht. indem sie zuerst<br />

systematisch in einer Serie von unterdrÜckenden Erfahrungen<br />

verletzt wurden. Dann wurden sie gezwungen <strong>und</strong> ermutigt. diese<br />

Mechanismen in der Unterdrückerrolle gegenüber anderen zu wiederholen."<br />

(ebd.)<br />

Demnach unterdrückt der Mann nicht. sondern spielt nur die Unterdrückerrolle.<br />

Das Negative an der Männlichkeit wurde dem Mann<br />

ansozialisiert <strong>und</strong> ist ihm letzten Endes äußerlich. Er trägt keine<br />

Verantwortung dafür. weil er dazu konditioniert worden ist. Als<br />

Junge war er <strong>und</strong> als Mann ist er hiernach immer noch Opfer.<br />

Nach dieser Sichtweise hat der einzelne Mann keinen Gewinn<br />

durch die Unterdrückung; es .ist keine Rede von Privilegien <strong>und</strong><br />

handfesten Interessen auch des einzelnen Mannes an hegemonialer<br />

Männlichkeit. Verantwortlich dafür ist eine anonyme Gesellschaft.<br />

<strong>und</strong> zwar eine Gesellschaft. aus der die Herrschaft von Männern<br />

über Frauen <strong>und</strong> die spezifischen Interessen von Männern ausgekiammert<br />

sind. Die "Gesellschaft" ist lediglich eine Metapher <strong>und</strong><br />

dient hier der Entiastung des einzelnen Mannes.


30<br />

Diese humanistisch-therapeutische Sicht geht deshalb auch an der<br />

Tatsache vorbei, daß es Frauen sind, die das Geschle.chterverhältnis<br />

ändern wollen <strong>und</strong> Im Gegensatz zur Frauenbewegung<br />

keine relevante Männerbewegung zur Veränderung der Männerherrschaft<br />

existiert. Deshalb ist es nur logisch, wenn das Ziel der<br />

Veränderung eine völlig diffuse "allgemeine Befreiung" wird:<br />

"Es ist korrekt für Männer, sich selbst als Mann stolz zu fühlen,<br />

<strong>und</strong> es Ist korrekt für Männer, die Führung in der allgemeinen<br />

Befreiung ('general liberation') zu übernehmen. Männer können die<br />

besten <strong>und</strong> stärksten Verbündeten jeder unterdrückten Gruppe<br />

sein. Sie können eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Befreiung<br />

Jeder anderen unterdrückten Gruppe zu unterstützen, genau<br />

deswegen, well sie durch die Rolle als AusÜbender der Unterdrückung<br />

In einer Position sind, wo sie sehr effektiv Ausübende<br />

der Befreiung sein können, Indem sie klar die Selten<br />

wechseln. Männer müssen Ihre unterbrochene Fähigkeit zu entspannen,<br />

Ihre Fähigkeit, zärtlich, sanft <strong>und</strong> geduldig zu ·sein.<br />

wiederentdecken. ohne die "männlichen" Tugenden aufzugeben. die<br />

ihnen in der Vergangenheit gestattet waren" (ebd.• S. 4).<br />

Für die Motivation zur persönlichen Veränderung des Mannes ist<br />

es sicherlich Voraussetzung. daß der einzelne Mann auch Gewinne<br />

vor Augen hat. Bei dieser humanistisch -therapeutischen Befreiung<br />

geht allerdings die Auseinandersetzung um die Verluste bei der<br />

Veränderung verloren. Es geht hier nur noch darum, die negativen<br />

Seiten in einem Akt der Befreiung abzuschütteln. ohne daß klar<br />

wird. warum dieser einzelne Mann plötzlich die als Konditionierung<br />

beschriebene Sozialisation ablegen will <strong>und</strong> kann. Im "Stolz. ein<br />

Mann zu sein" (eine sehr verbreitete Formulierung in der Männergruppenszene<br />

in den USA). kommt deshalb auch nicht der ne-


31<br />

gative Aspekt der Männlichkeiten zum Ausdruck. Bewußt grenzt<br />

sich diese Szene von Schuldgefühlen gegenüber Frauen ab.<br />

Wir nehmen an, daß es hier nur darum geht, sich von den Bürden<br />

der Männlichkeiten zu befreien (siehe Ehrenreich 1983, Kann<br />

1986) <strong>und</strong> einen größeren Freiheitsspielraum für persönliches<br />

Wachstum zu erhalten. In diesem Text geht es sogar darum, die<br />

Führungsrolle in der Veränderung zu übernehmen. In der Ideologie<br />

des "Wir sind alle unterdrückt" wird zwar nicht wie bei den<br />

Maskullsten expl!zit gegen die Frauenbewegung Politik gemacht,<br />

sie bricht aber den feministischen Zielen die Spitze ab. Die gesellschaftlichen<br />

Veränderungen sollen dadurch stattfinden, daß der<br />

"befreite Mann" es nicht mehr nötig habe, Frauen zu unterdrükken,<br />

weil er seine Schädigungen nicht mehr ausleben müsse. Darin<br />

drückt sich die Hoffnung aus, daß durch psychotherapeutische<br />

Mittel die Gesellschaft zu verändern sei.<br />

3.1.6. Strei t um das Sorgerecht<<br />

Im Jahr 1987 entstand eine Diskussion über die Haltung von<br />

Männern zum USA-weiten Trend, nach einer Scheidung das gemeinsame<br />

Sorgerecht als Normalregelung ("mandated joint custody")<br />

einzuführen. Es erwies sich als Konfllktpunkt zwischen der· NOCM<br />

<strong>und</strong> der großen Frauenbewegungsorganisation NOW. NOW wollte<br />

eine klare Stellungnahme zu diesen Bestrebungen von der NOCM<br />

erhalten, bevor sie die Kampagne gegen Homophobie ("Campaign to<br />

end homophobia"), die von zwei task groups von NOCM getragen<br />

wird, unterstützt. (Crutcher 1987, S. 11)<br />

Insbesondere Vaterrechtsgruppen sehen im "mandated joint<br />

4 Für die schwedischen Diskussion, siehe 4.1.6.


32<br />

custody" ein Mittel, um mehr Rechte als bei den bisherigen<br />

Scheidungsurteilen, bei denen in den allermeisten Fällen der<br />

Mutter das Sorgerecht zugesprochen wurde, zu erhaiten. Gegen<br />

diese Bestrebungen, die nach Jack Straton (1987-88) einen nationalen<br />

Trend in Richtung auf entsprechende Gesetzesregelungen<br />

bewirkt haben, entstanden Diskussionen über die möglichen Auswirkungen<br />

dieser Änderungen. Straton argumentiert dahingehend,<br />

daß dieses "mandated joint custody" die Rechte desjenigen Elternteils,<br />

der nicht die primäre Sorge für das Kind getragen hat,<br />

ausdehnt auf Kosten des primär sorgenden Elternteils <strong>und</strong> diesen<br />

dabei behindert, notwendige <strong>und</strong> dringende Entscheidungen zu<br />

treffen. Gerade bei sich feindselig gegenüberstehenden Eltern nach<br />

einer SCheidung seien die aus dieser Regeiung entstehenden Konflikte<br />

äußerst schädlich für die Entwicklung des Kindes. Nicht<br />

zuietzt eröffne diese Regelung sexuell mißbrauchenden Vätern' <strong>und</strong><br />

schlagenden Männern einen Zugang zu den Opfern."<br />

Straton <strong>und</strong> ein anderer Autor desselben lIefts, JOhn Stoltenberg<br />

(1987-88) plädieren deshalb für die "primary caretaker rule"<br />

(Regel für die primäre Pflege person) , die in West Virginia angewendet<br />

wird. Die beiden Autoren lehnen auf der einen Seite die<br />

nicht seltene Rechtspraxis ab, die mit dem Hinweis auf das Wohl<br />

des Kindes Männern aufgr<strong>und</strong> deren größeren Wohlstandes·<br />

Sorgerecht zusprechen. Auf der anderen Seite sei eine gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Bevorzugung der Mutter gleichermaßen nicht akzeptabel, weil<br />

sie Männer, die sich primär um das Kind kümmern, ausschließe,<br />

Die "primary caretaker rule" reflektiere, daß ein Sorgerechtsurtell<br />

nicht die mangelnde Beteiligung des Vaters an der Kindererzie-<br />

5 Straton zitiert Untersuchungen, nach denen in 50% aller USamerikanischen<br />

Ehen zumindest ein Vorfall von Gewalt geschehen<br />

<strong>und</strong> in 10-25% der Ehen Gewalt ein gewöhnliches Vorkommnis<br />

sei.<br />

6 Nach Stratons Angaben verdienen Männer in den USA 169%<br />

dessen, was Frauen verdienen,<br />

das


33<br />

hung vernachlässigen dürfe. aber auf der anderen Seite Väter. die<br />

sich voll bei der Kinderpflege <strong>und</strong> -erziehung engagiert haben.<br />

nicht übergangen werden dürfen.<br />

Der in der NOeM. insbesondere in deren Pornography Task Group.<br />

aktive Stoltenberg möchte diese Argumentation <strong>und</strong> diese Regelung<br />

als offizielle Politik der NOeM durchgesetzt sehen. Der diesbezügliche<br />

Diskussionsprozeß hat jedoch erst vor kurzem begonnen<br />

(Winter 1987/88). Der Einfluß der Vaterrechtsgruppen. <strong>und</strong> von<br />

deren Ideologie auch auf NOeM. sollte nicht unterschätzt werden.<br />

3.1.6. Die Ending Men's Violen ce Task Group<br />

Die Task Group der NOeM "Ending Men's Violence" repräsentiert<br />

die zahlreichen Aktivitäten US-amerikanischer Männer gegen<br />

Männergewalt.7 An vielen Orten therapieren Männergruppen oder<br />

-zentren Männer. In einem' "Ending Men's Violence National Referral<br />

Directory". das von Raven (Rape and Violence End Now -<br />

men working to end violence against women) (1986) in Kooperation<br />

mit der Task Group herausgegeben wurde. werden 145 Projekte<br />

beschrieben. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind in verschiedenen<br />

Anti-Gewalt-Projekten engagiert <strong>und</strong> tauschen in der<br />

Task Group Erfahrungen ihrer Arbeit aus. Öffentlichkeitsarbeit.<br />

z.B. beim "Brotherpeace-Tag" ist eine andere wichtige Aufgabe der<br />

Task Group.<br />

Seit 1985 finden im Oktober jährlich K<strong>und</strong>gebungen <strong>und</strong> Aktionen<br />

zum "Brotherpeace"-Tag statt. Er wurde von Männern in St. Louis<br />

als ein internationaler Tag der Aktionen initiiert, um männliche<br />

7 Da dem B<strong>und</strong>esministerium fJFFG der Bericht von Hans-Peter<br />

Lütjen (1986) vorliegt. wurden wir nicht beauftragt, die Anti­<br />

Gewalt Projekte zu untersuchen.


34<br />

Gewalt in seinen verschiedenen Formen zu beenden. Sie wollen<br />

damit Verbindungen zwischen Vergewaltigung, Gewalt in der Familie,<br />

Gewalt zwischen den Rassen, Atomkrieg, etc. aufzeigen, den<br />

Opfern der Männergewalt gedenken <strong>und</strong> die Arbeit gegen Gewalt in<br />

den jewelllgen Orten öffentlich machen. Die Initiatoren wurden zu<br />

diesem Gedenktag durch die "Women take back the night marches"<br />

(zu vergleichen mit den Walpurgisnacht-Demonstrationen in der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland) inspiriert. Die Kooperation mit den<br />

Frauen .<strong>und</strong> deren führende Rolle für die Bewegung wollen sie<br />

ebenfalls anerkennen. Am 17. Oktober 1987 fanden in mindestens<br />

54 Städten in den USA Aktionen zum Brotherpeace-Tag statt, U.a.<br />

Manifestationen bei einem großen Footballspiel, vor pornografieläden,<br />

Versammlungen, Konzerte. Zur gleichen Zeit wurde an allen<br />

Orten der Gewaltopfer durch Schweigeminuten gedacht. (Marx<br />

1987-88, Cohen 1987-88)<br />

3.1.7. Die Kampagne zur Beendigung der Homophobie<br />

Homophobie, die Angst vor Homosexualität, wird als wichtiger<br />

Gr<strong>und</strong> angesehen, weshalb Männer in der Regel keine offenen <strong>und</strong><br />

persönlichen, sondern auf Konkurrenz zentrierte, unpersönliche<br />

. Beziehungen untereinander haben. In den USA gibt es seit einigen<br />

Jahren starke Tendenzen, Homosexualität wieder moralisch zu<br />

verdammen, homosexuelle Praktiken werden mancherorts wieder<br />

bestraft. Deshalb führen die Homophobia Task Group <strong>und</strong> die Gay<br />

Rights Task Group der NOCM eine Kampagne gegen Homophobie<br />

durch.<br />

Die Kontakte, die die Arbeitsgruppe für diese Kampagne knüpfte,<br />

fÜhrten dazu, daß verschiedene Organisationen jetzt gemeinsam


35<br />

statt wie vorher isoliert an Workshops <strong>und</strong> Materialien über Homophobie<br />

arbeiten.. Die "1. Konferenz über Homophobieerziehung"<br />

1m Mai 1988 in der Nähe von Washington, D.C. ist konzipiert für<br />

ca. 150 TeilnehmerInnen aus Pädagogik, Religion, Medizin, Medien,<br />

etc. Die Arbeitsgruppe für die Kampagne hat Unterstützung von<br />

verschiedenen liberalen Kirchen, der American Psychological Association,<br />

von Frauengruppen, etc. zugesagt bekommen.<br />

Die Kampagnenarbeitsgruppe rief zur Demonstration im Oktober<br />

1987 in Washington, D.C. für die Rechte von Schwulen <strong>und</strong> Lesben<br />

auf. Paul Seidman, einer von drei Mitgliedern der Gruppe innerhalb<br />

des NOCM-Councils, die Verbindungen zu den Frauenorganisationen<br />

pflegen soll ("Liaison to women's groups"), berichtet begeistert<br />

von dieser Demonstration von ca. 650.000 TeilnehmerInnen<br />

(The Activist Men's Journal, Vol. 1, No. 2, Nov. 1987).<br />

Neuere Forschung über Männer hat das Mißverständnis des Begriffes<br />

Homophobie aufgezeigt. Darauf gehen wir im Kapitel ~"Homosexismus'<br />

<strong>und</strong> hegemoniale Männlichkeit" als Teil der Darstellung<br />

der men's studies in den USA ein (3.4.4.)..<br />

3.1.8. Männer gegen Pornografie<br />

In den USA wurden männliche Gewalt, Vergewaltigung <strong>und</strong> Pornografie<br />

von Feministinnen früher als in Europa <strong>und</strong> offensiver<br />

diskutiert. In den USA erschien 1975 Susan Brownmlllers Buch<br />

"Against our will - Men, women and rape", das die Männer mit<br />

der These provozierte, daß Vergewaltigung nicht die Tat eines<br />

einzelnen Mannes ist, der verwirrt, pervers oder kriminell ist,<br />

8 Als Blldungsmaterial gegen Homophobie, siehe z.B. die Broschüre<br />

der Presbyterian Church (U.S.A.), The Program Agency (o.J.).


36<br />

sondern daß Vergewaltigung Ausdruck der Männerherrschaft, d.h.<br />

eine politische Handlung an Frauen ist.<br />

Eine gleichermaßen leidenschaftliche Diskussion ging von Andrea<br />

Dworkins Buch "Pornography - Men possessing women" (1981) aus.<br />

Obwohl die Schädlichkeit der Pornografie für das Geschlechterverhältnis<br />

unumstritten ist, bleiben auch Feministinnen in Fragen<br />

schärferer staatlicher Maßnahmen gegen Pornografie gespalten.<br />

Nicht zuletzt die Allianz mit Frauen der "Neuen Rechten", die<br />

gegen die Pornografie aus Gründen der Moral kämpfen, hat bei<br />

vielen Feministinnen große Bedenken verursacht. Einige Feministinnen<br />

haben deshalb die "Feminist Anti -Censorship Task Force<br />

(FACT) gegründet, die sich gegen stärkere staatliche Maßnahmen<br />

gegen die Pornografie einsetzt.<br />

Opfer der Pornografie sind die Frauen. Deshalb gingen <strong>und</strong> gehen<br />

diese Diskussionen in erster Linie von Frauen aus. In erster Linie<br />

protestierten sie gegen die Zunahme der Pornografie. Mittlerweile<br />

ist der Handel mit Pornografie in den USA ein· acht Milliarden<br />

Dollar Geschäft geworden. (Dworkin 1981)<br />

Bei den Männern gibt es erste Ansätze zu Diskussionen - sogar<br />

Aktionen <strong>und</strong> Gruppengründungen gingen <strong>und</strong> gehen von Männern<br />

aus. Die Diskussionen haben sich weitgehend an der. Frage entzündet,<br />

ob staatliche Maßnahmen das rechte Mittel zur Bekämpfung<br />

der Pornografie seien - auch hier sind die Diskussionen<br />

weitgehend von der feministischen Diskussion geprägt.<br />

Innerhalb der NOeM wurde die 'Task Group on Pornography' gegründet.<br />

Sie beschäftigt sich mit den persönlichen <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />

Auswirkungen der Pornografie, gibt regelmäßig einen<br />

Newsletter "sex and justice" heraus <strong>und</strong> trifft sich im Rahmen der


37<br />

nationalen Konferenzen. Sie sieht Pornografie als ein<br />

Schlüsseielement der Unterdrückung von Frauen <strong>und</strong> nimmt in der<br />

intensiven US-amerikanischen Diskussion einen Gegenstandpunkt<br />

zur liberalen Haltung ein (vgl. die Reaktionen auf den Final Report<br />

des Attorney General's Commission on Pornography 1986),<br />

ohne deshalb Zensurmaßnahmen zu befürworten (die Haltung dazu<br />

ist kontrovers). Regionale Gruppen führen Worl


38<br />

wiesen ist. Wie auch die FACT-Feministinnen will er keine Allianz<br />

mit der New Right Bewegung, weil dadurch die Rechte von Frauen,<br />

Schwulen, Kindern <strong>und</strong> Minderheiten wieder beschnitten würden. Er<br />

meint: "Da wir 'changing men' sind, ist es für mich klar, daß wir<br />

mehr Bilder von der Sexualität brauchen, nicht weniger, um uns<br />

Wahlfreiheit in der Sexualität, die wir rekonstruieren, zu geben."<br />

(Kimme I 1986, S. 4)<br />

Unserer Einschätzung nach beteiligen sich nur einzelne (z.T. sehr<br />

aktive) Männer an diesen Diskussionen <strong>und</strong> Aktionen. Die Task<br />

Group der NOCM hat lediglich ca. 20 Mitglieder, <strong>und</strong> beim Treffen<br />

auf der Konferenz in Hartford 1987 kamen nur ein halbes Dutzend<br />

Männer <strong>und</strong> eine Frau zusammen. Es scheint, daß das Fehlen einer<br />

direkten Betroffenheit (d.h. der Unterdrückung durch Pornografie)<br />

Männer bis auf Ausnahmen davon abhält, sich aktiv damit auseinanderzusetzen.<br />

3.1.9. Middle Class Bias ("Mittelschichtsscheuklappen")<br />

Die Blindheit antisexistischer Männer gegenüber ihrer eigenen<br />

Mittelschichtsfixierung wurde auch während der letzten nationalen<br />

Jahreskonferenz "Men and Masculinity" 1987 in Hartford kritisiert.<br />

1983/4 veröffentliche Harry Brod in der Zeitschrift "M.Gentle Men<br />

for Gender Justice" (heute heißt sie "Changing Men") eine Kritik<br />

an den Mittelklasse-Vorurteilen der "Männerbewegung", die wir im<br />

folgenden referieren. Harry Brod war von 1986 bis 1987 einer der<br />

beiden Sprecher von NOCM. Er wird uns auch als bedeutender<br />

men's studies-Forscher wiederbegegnen (siehe 3.4.2.).<br />

Viele Männer in Männergruppen sind der Ansicht, daß sie in Fragen<br />

des Geschlechterverhältnisses ein besonders fortschrittliches


39<br />

Bewußtsein haben. Dies sei damit zu erklären. daß sie über die<br />

notwendige Bildung <strong>und</strong> die notwendige Zeit verfügten. um neue<br />

Ideen entwickeln zu können. Brod ist der Ansicht. daß ein solches<br />

Denken zu Arroganz - besonders gegenüber Arbeitern - führt. Er<br />

fUhrt gegen dieses Denken an. daß die Gr<strong>und</strong>züge des "neuen"<br />

Verhaltens der Männer in Männergruppen keinesfails eine radikale<br />

Alternative gegenüber gesellschaftlichen Trends darstellen. sondern<br />

im Gegenteil. gerade den neueren Entwicklungen der Arbeitsanforderungen.<br />

d.h. dem Interesse des Kapitals. entsprechen.<br />

(Vgl. anonym 1986)<br />

Es gibt immer mehr Arbeitsplätze im Dienstleistungs- <strong>und</strong> im<br />

staatlichen Sektor; der durchschnittliche Arbeitnehmer wird in<br />

seiner Position als Konsument immer bedeutungsvoller <strong>und</strong> es<br />

findet eine Verschiebung von einer Produzenten- zu einer Konsumentenideologie<br />

statt. Die Fähigkeit im "Team" kooperativ <strong>und</strong><br />

kommunikativ miteinander zu arbeiten. wird an immer mehr Arbeitsplätzen<br />

erwartet.<br />

Weiterhin kritisiert Brod den Moralismus der Männergruppenmänner.<br />

die die Mittelklassenhaltung besitzen. daß ihr Verhalten das<br />

einzig richtige se1. Dieser Moralismus SChließt nach Brod die politische<br />

Veränderung aus. die die Unterdrückung der Arbeiter am<br />

Arbeitsplatz aufheben könnte.<br />

Weit verbreitet in der Männergruppenszene ist auch die Vorstellung.<br />

Männer müßten ihre Privilegien als Mann aufgeben. Durch<br />

die freiwillige Aufgabe der Männerprivilegien seien sie keine<br />

Frauen-unterdrückenden Machos mehr. sondern würden sich mit<br />

den Frauen solidarisieren.<br />

Brod hält diese Ansicht für einen Irrglauben. der ebenfalls mit


40<br />

den Mittelschichtsscheuklappen zusammenhängt. Privilegien nimmt<br />

mann sich nicht - sie werden einem gegeben. Mann wird auf der<br />

Straße nicht angegriffen, im Beruf nicht diskriminiert. Mittelklassemänner<br />

haben iminer die Möglichkeit, sich aufgr<strong>und</strong> familiärer<br />

Bindungen, Beziehungen, Gelder, Bildung <strong>und</strong> Kommunikationsstil in<br />

privlleglerte Positionen zu begeben.<br />

In der Vorstellung vieler Männer hängt das AUfgeben der Privilegien<br />

als Mann mit dem AUfgeben der Privilegien als Angehöriger<br />

einer höheren Klasse zusammen. Brod nennt dies eine Strategie<br />

der Mobilität nach unten. Diese Strategie führe zu größerer Konkurrenz<br />

weiter "unten", lasse den Absteigenden sich edel fühlen<br />

<strong>und</strong> verändere die Verhältnisse nicht. Brods Alternative lautet:<br />

Man(n) muß seine jeweilige (Macht-)Position subversiv nutzen.<br />

Brod erläutert die Problematik durch eine Erfahrung, die er in<br />

einem Workshop machte. Ein Arbeiter reagierte folgendermaßen auf<br />

die Selbstdarstellung der teilnehmenden Akademiker: Er sei froh,<br />

daß sie ihre Positionen erreicht hätten <strong>und</strong> erwarte von ihnen,<br />

daß sie ihre <strong>Möglichkeiten</strong> in fortschrittlichem Sinne ausnutzen.<br />

Die Schuldgefühle, die sie geäUßert hatten, ließen ihn jedoch<br />

daran zweifeln, daß sie ihre privllegierte Position wirklich nutzen<br />

würden, etwas zu verändern.<br />

D:;Is Mittelklassevorurtell wird vielleicht durch folgendes Phänomen<br />

am deutlichsten: Wenn Männer in Männergruppen von Nachteilen<br />

der Männerrolle sprechen, wählen sie fast immer Beispiele aus dem<br />

Leben von Mittelklasse- oder Oberklasse-Männern (Managerkrankheiten<br />

z.B.). Wenn sie über die traditionelle Männerrolle reden,<br />

die es zu überwinden gelte, denken sie an Verhalten von<br />

Arbeitern.


41<br />

3.2. Maskulistische Männer<br />

3.2:1. Geschichte<br />

Die US-amerikanische Maskullstenbewegung hat unterschiedllche<br />

Ursprünge <strong>und</strong> wird durch heterogene Gruppen <strong>und</strong> Einzelpersonen<br />

getragen. Im Gegensatz zur profeministIschen NOeM ist sie stark<br />

durch die Medienwirksamkeit einzelner Männer, insbesondere von<br />

Herb Goldberg, geprägt.<br />

Schon am Anfang dieses Jahrh<strong>und</strong>erts gab es Organisationen von<br />

Männern, die gegen die Frauenstimmrechtsbewegung kämpften. In<br />

den späten 50er Jahren wollte die "National Men's Legion" den<br />

Verfall der amerikanischen Moral aufhalten. Sie entstand im antikommunistischen<br />

Kllma dieses Jahrzehnts <strong>und</strong> sah hinter den<br />

sozialen Veränderungen kommunistische Verschwörungen. Diese<br />

kleine Gruppe existierte nicht lange. Solche Organisationen, die<br />

hauptsächlich als Reaktion auf die Frauenbewegung entstanden,<br />

gibt es als gemischte Organisationen' in der äUßerst konservativen<br />

"Moral Majority" oder als Frauenorganisationen "The Eagle Forum"<br />

oder "STOP-ERA" (Führerin Phyllis Schlafly) noch heute.<br />

In den späten 50ern <strong>und</strong> während der 60er Jahre hatte Hugh<br />

Hefner in seinem "Playboy" eine regelmäßige Kolumne, das "Playboy<br />

Forum", in dem er die Unterdrückung des Mannes <strong>und</strong> seiner<br />

Sexualität angriff. (Siehe Ehrenreichs Kritik der Playboyphilosophie,<br />

3.1.1.)<br />

In den 60er Jahren entstand eine Scheidungsreformbewegung von<br />

Männern, die sich als Opfer eines unfairen Scheidungsrechts ansahen.<br />

Die Organisation "United States Divorce Reform", die ursprünglich<br />

unter dem Namen "Divorce Racket Busters" im Jahre


42<br />

1960 gegründet wurde, war ein früher Versuch, eine nationale<br />

maskulistische Bewegung zu initiieren. Einer ihrer Aktivisten,<br />

Charles V. Metz, veröffentlichte 1968 das Buch "Divorce and<br />

Custody for men" (Scheidung <strong>und</strong> Sorgerecht für Männer), in dem<br />

er schrieb: "überall in der Welt werden amerikanische Männer für<br />

die Hauptopfer einer frauendominierten Gesellschaft gehalten"<br />

(nach Williamson 1985, S. 317). Metz hielt es für das Hauptproblem,<br />

daß Männer auf ihre Macht verzichtet hätten. "Wir müssen<br />

wieder das Geschäft lernen, das männliche Haupt des Haushalts zu<br />

sein" (ebd.).<br />

Die "United States Divorce Reform" konzentrierte ihre Bemühungen<br />

vor allem auf Kalifornien. Aus ihr wurde genauso wenig eine nationale<br />

Organisation wie die "America's Society of Divorced Men",<br />

die Metz später mitbegründete. Allerdings existieren heute fast<br />

200 Men 's Divorce Societies in den USA (nach Williamson 1985). Es<br />

gab einige Versuche in den 70er Jahren, die verschiedenen<br />

Scheidungsgesellschaften zu vereinigen. Richard Doyle veröffentlichte<br />

ein Buch mit \lem Titel "The rape of the male" (zu deutsch:<br />

"Die Vergewaltigung des Mannes"), in dem er die Themen vom<br />

Scheidungsrecht auf allgemein-politische Zielsetzungen brachte.<br />

Doyle gründete 1973 auch die Men's Rights Association (MRA), die<br />

anfangs das Equal Rights Amendment unterstützte mit der Begründung,<br />

daß Männer <strong>und</strong> nicht die Frauen unter der Diskriminierung<br />

wegen des Geschlechts leiden würden. Im Jahre 1976 zog<br />

die MRA allerdings die Unterstützung des Equal Rights Amendment<br />

zurück, als sie sah, daß Gerichte nur gegen die Diskriminierung<br />

von Frauen Entscheidungen fällten.<br />

Ein Buch gab in der Folgezeit der maskulistischen Reaktion eine<br />

wesentliche Unterstützung: Herb Goldberg veröffentlichte 1976<br />

"The hazards of being male: Survlving the myth of masculine pri-


43<br />

vilege" (Auf deutsch ist es als "Der verunsicherte Mann - Wege<br />

zu einer neuen Identität aus psychotherapeutischer Sicht" bei<br />

einem renommierten Taschenbuchverlag veröffentlicht). Dieses<br />

Buch hat weite Verbreitung in den USA (<strong>und</strong> auch in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland) gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> den Anstoß zur Bildung von<br />

maskulistischen Gruppen gegeben. "Free Men, Inc." (auf deutsch<br />

"Freie Männer, e.V.") wurde 1977 gegründet. Seitdem gab es große<br />

Auseinandersetzungen mit den profeministischen Männern, die sich<br />

später in der National Organization for Changing Men (NOCM) organisierten,<br />

vor allem wegen der These der "Men's liberation-Bewegung",<br />

wie sie sich nannten, daß Männer stärker oder ~leichermaßen<br />

unterdrückt seien wie Frauen.<br />

Die Nachfolgeorganisation der "Free Men, lnc.", die "Coalitlon of<br />

Free Men", deren Beirat Herb Goldberg> angehört, hat in den letzten<br />

Jahren mit Konferenzen <strong>und</strong> ihrer Zeitschrift "Transitions"<br />

versucht, in der >Öffentlichkeit ihre antifeministischen Thesen zu<br />

verbreiten. Die "Men's Rights, lnc." ist juristisch orientiert <strong>und</strong><br />

hat sich beispielsweise erfoigreich für gleich€! -Lebensversicherungsprämien<br />

von Frauen <strong>und</strong> Männern in Massachusetts eingesetzt.<br />

Ihr Direktor, Fred Hayward, hat wegen seiner Teilnahme an<br />

der NOCM-Konferenz 1987 in Hartford Konflikte in NOCM hervorgerufen.<br />

Zusammen mit den zersplitterten <strong>und</strong> regionalen Vaterrechtsgruppen<br />

(Fl\ther United for Equal Rights, Male Parents for Equal<br />

Rights, Equal Rights for Fathers, u.a.) hielten diese maskulistischen<br />

Gruppen Konferenzen ab (die erste in Houston, Texas im<br />

Jahr 1981).<br />

Von einer Bewegung in dem Sinne, daß viele Männer ein starkes<br />

Engagement für maskulistische Ziele zeigen, kann nicht gesprochen


44<br />

werden. Trotzdem ist der Einfluß der maskullstischen Tendenz<br />

vielleicht größer als derjenige der antisexistischen einfach dadurch,<br />

daß die Ideen maskullstischer Autoren bei mehr Männern<br />

ein positives Echo finden als die Ansichten der Antisexisten.<br />

3.2.2. Die Ideologie der Maskulisten<br />

Das, wie sich sich nennen, "men's movement", "men's rights movement"<br />

oder die "Free Men" sehen die Gesellschaft nicht als patriarchai<br />

an <strong>und</strong> sie betonen, daß Männer nicht die Gesellschaft<br />

beherrschen (Baumll 1986, Haddad 1985):<br />

"Sie sind sicher überrepräsentiert in entscheidungsfällenden Positionen<br />

in bestimmten unserer sozialen Institutionen wie Regierung<br />

<strong>und</strong> Industrie, aber das ist so, weil es immer ihre Rolle gewesen<br />

war, sich in diesen Arenen darzustellen." (Haddad 1985, S. 282)<br />

Die Arenen der weiblichen Macht werden der männliche-n gleichgestellt:<br />

die häusliche, emotionale <strong>und</strong> sexuelle Macht. In ihrem<br />

Werbeblatt unterstützt die "Coalition of Free Men" das Konzept<br />

der Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Sie bekräftigt, daß es<br />

für jedes Ziel für Frauen wegen der historischen Natur unserer<br />

komplementären Rollen ein korrespondierendes Ziel für Männer<br />

gibt.<br />

Die meisten Maskulisten sprechen sich gr<strong>und</strong>sätzlich für eine<br />

Gleichheit zwischen Mann <strong>und</strong> Frau aus <strong>und</strong> meinen, daß die beiden<br />

Geschlechter gleichermaßen unterdrückt seien. Dies ist lediglich<br />

eine Fassade für anti -feministische Tiraden darüber, daß<br />

Männer das eigentlich unterdrückte Geschlecht seien. Sie zählen<br />

auf, daß Männer acht Jahre kürzer leben, nur 10% aller geschie-


45<br />

. denen Männer das Sorgerecht erhalten, Männer dreimal häufiger<br />

Selbstmord verüben als Frauen, 75% der Opfer von Mord Männer<br />

sind, Männer statistisch 25mal mehr im Gefängnis sitzen als<br />

Frauen, nur Männer zum Kriegsdienst gezwungen werden, etc.<br />

Baumli (1986) behauptet sogar, dal3 Ehemänner von den Ehefrauen<br />

so ernsthaft <strong>und</strong> häufig geschlagen werden wie Ehefrauen von -<br />

männern. Sie sprechen auch von "feministischem Sexismus" bzw.,<br />

dal3 Feminismus per se sexistisch sei (Fred Hayward, Men's Rights,<br />

Inc., pers. comm.).<br />

Auf der einen Seite geht es den Maskullsten um die Aufhebung<br />

der, wie sie meinen, Unterdrückung von Männern durch die ihnen<br />

von der Gesellschaft auferlegten Rollen - ein Ziel, das sie mit<br />

den Humanistischen Psychologen teilen. Auf der anderen Seite<br />

machen Maskulisten allerdings nicht eine diffuse Gesellschaft,<br />

sondern Frauen, Insbesondere Feministinnen für Ihre "Unterdrükkung"<br />

verantwortlich. Sie bezeichnen sich auch als "angry men",<br />

sind voller Bitterkeit <strong>und</strong> Ressentiment gegenüber Frauen, weil<br />

diese angeblich eine Gesellschaft anstreben, in der Frauen, aber<br />

nicht Männer von ihrer Rolle befreit sind. (Adams 1985, S. 9)


46<br />

3.3. Forschung über Väter <strong>und</strong> projekte zum Vatern<br />

3.3.1. Väterforschung in den USA<br />

3.3.1.1. Der Wandel der Väterforschung <strong>und</strong> das Vatern<br />

Robert A. Fein hat in seinem viel zitierten Artikel "Research on<br />

fathering: social pollcy and an emergent perspective" (1978) den<br />

Wandel der Perspektive der Väterforschung analysiert.<br />

Er unterscheidet zwischen der traditionellen Perspektive der Forschung<br />

über· Vaterschaft, einer modernen <strong>und</strong> einer sich herausbildenden<br />

Perspektive. Die traditionelle Perspektive' geht von<br />

einem distanzierten Vater aus, der Vater als Ernährer der Familie,<br />

der sich eher indirekt an der Erziehung beteiligt. Nicht zuletzt<br />

haben auch Soziologen (z.B. Parsons) <strong>und</strong> Psychologen (z.B.<br />

Bowlby) dieses Bild gefestigt. Die moderne Perspektive schließt an<br />

dieses traditionelle Bild an, betont jedoch die Relevanz der Vater-Kind-Beziehung<br />

für die soziale, kognitive <strong>und</strong> moralische Entwicklung<br />

des Kindes. Nach unserer Einschätzung beschäftigt sich<br />

der allergrößte Teil der Väterforschung mit dieser Fragestellung.­<br />

Für unsere Studie, die sich mit Männern bzw. Vätern, die sich in<br />

bezug auf die Gleichstellung von Frauen verändern, beschäftigt,<br />

ist diese Perspektive nur am Rande interessant. Da kaum For-<br />

1 Nach Rot<strong>und</strong>o (1982, 1986, 1987) <strong>und</strong> Demos (1982) muß berücksichtigt<br />

werden. daß diese "traditionelle Perspektive" mit<br />

einem distanzierten Vater im Laufe des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts entstanden<br />

ist.<br />

2 Im deutschen Sprachraum hat auch Wass1l1os E. Fthenakis (1986)<br />

mit seinem Standardwerk "Väter" die "Psychologie der Vater­<br />

Kind-Beziehung" (Band 1) <strong>und</strong> die "Vater-Kind-Beziehung in<br />

verschiedenen Familienstrukturen" (Band 2) zum Thema.


47<br />

schung über das Vatern vorhanden ist, müssen wir uns auf die<br />

Forschung mit der modernen Perspektive stützen.<br />

Die sich (nach Fein) herausbildende Perspektive beinhaltet, daß<br />

Väter in vollem Ausmaß psychologisch fähig sind, sich aktiv an<br />

der Kindererziehung zu beteiligen. Vaterschaft habe positive Auswirkungen<br />

auf die Entwicklung des Mannes. Das Bild des Vaters<br />

ist androgyn. Die Sozialpolitik sollte dieser Entwicklung mit unterstützenden<br />

Maßnahmen Rechnung tragen. Fein verweist in diesem<br />

Zusammenhang auf das schwedische Beispiel.<br />

Rot<strong>und</strong>o (1986, 1987) schließt sich Fein an, wenn er vom sich<br />

herausbildenden Stil der "androgynen" bzw. "teilhabenden (participant)<br />

Vaterschaft" spricht, die sich seit 1970 entwickle. Zwar<br />

steht auf der einen Seite die Zunahme der Vaterabwesenheit lnfolge<br />

der dramatischen Zunahme der Scheidungsrate nach 1966.<br />

Dadurch werden die Väter oft gänzlich von den Kindern entfernt.<br />

Die finanziellen Verpflichtungen nehmen sehr viele Väter nicht<br />

mehr wahr. Vaterabwesenheit als männlicher Individualismus, der<br />

auf Familienverantwortllchkeiten als eine heimliche Form der Tyrannei<br />

reagiert habe, sei zwar schon immer eine Unterströmung in<br />

der amerikanischen Kultur gewesen, sei aber erst im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

an die Oberfläche gekommen.<br />

Auf der anderen Seite hat sich jedoCh die "androgyne Vaterschaft"<br />

vor dem Hintergr<strong>und</strong> des "überdenkens <strong>und</strong> Neugestaltens der Geschlechterrollen"<br />

entwickelt. Der Vater betelllgt sich aktiv an der<br />

Alltagspflege, er engagiert sich in einer expressiveren <strong>und</strong> intimeren<br />

Art gegenüber seinen Kindern <strong>und</strong> er spielt einen größeren<br />

Part im Sozialisationsprozeß. Die Unterschiede zwischen dem Vatern<br />

<strong>und</strong> dem Muttern verwischen sich. Darüber hinaus vermeidet


48<br />

der androgyne Vater Sex-Typing 3<br />

bei Söhnen <strong>und</strong> Töchtern.<br />

Rot<strong>und</strong>o meint, daß sowohl der Trend zur Vaterabwesenheit als<br />

auch der Trend zum Vaterengagement anhalten werden.<br />

3.3.1.2. Ansätze einer historischen Väterforschung<br />

Neuere historische Analysen der Veränderung des Mannes (Dubbert<br />

1979, Pleck <strong>und</strong> Pleck 1980, Rot<strong>und</strong>o 1982, u.a.) sind auch für das<br />

Verständnis des Vaters wesentlich. Besonders wichtig ist In diesem<br />

Zusammenhang die Erweiterung der. historischen Perspektive<br />

auf die vorindustrielle Zelt (in den USA vor allem die Kolonialzeit),<br />

die die Bedingtheit <strong>und</strong> historische Beschränkung der traditionellen<br />

Perspektive der Väterforschung aufzeigt.<br />

Rot<strong>und</strong>o (1982) untersuchte die Veränderungen der Männllchkeltsideale<br />

der Mittelschicht des Nordens der USA von 1770 bis<br />

1920 anhand von Briefen <strong>und</strong> Tagebüchern. Die erste Periode von<br />

1770 bis 1820 (Pleck & Pleck bezeichnen sie als "agrarisches Patriarchat")<br />

war noch durch die vorindustrielle Verflechtung zwischen<br />

der beruflichen <strong>und</strong> der häuslichen Sphäre charakterisiert.<br />

Sowohl in bäuerlichen als auch in Handwerker- oder Händlerfamillen<<br />

war der Mann <strong>und</strong> Vater präsent, nicht zuletzt dadurch, daß<br />

die Kinder, insbesondere die Söhne, von klein auf bel der Arbeit<br />

dabei waren bzw. halfen. In dieser Hinsicht war der Vater Pädagoge<br />

Instrumenteller Werte; er hatte aber auch In morallschen<br />

Dingen die Verantwortung für seine Kinder. In den Vorstellungen,<br />

3 Ein Begriff, der in der Theorie der Geschlechtsrollen üblich ist,<br />

um die. Sozialisation von Geschlechtsstereotypen zu bezeichnen.<br />

4 Die soziale Einordnung der Familien als Handwerker- oder<br />

Händierfamlllen geschieht hier über den Mann - ein Verfahren,<br />

das - zu Recht - von Feministinnen kritisiert worden ist.


49<br />

wie sie in den Tagebüchern <strong>und</strong> Briefen dieser Zeit zum Ausdruck<br />

kommen, war die Frau (symbolisiert durch Eva, die den Versuchungen<br />

erlegen war) zu emotional, als daß der Mann ihr die<br />

Kinder hätte anvertrauen können. Sicher war die Mutter mit der<br />

alltäglichen Pflege insbesondere der kleinen Kinder belastet, doch<br />

die Denkweise, daß die Mutter der primäre Elternteil ist, sollte<br />

sich erst in nachfolgenden Perioden herausbilden (Demos 1982).<br />

In der Zeitspanne der ökonomischen Expansion (Rot<strong>und</strong>o) (Pleck &<br />

Pleck bezeichnen sie als "kommerzielles Zeitalter") von 1800 bis<br />

1870 (resp. 1820 bis 1860 bei Pleck & Pleck) wurden Familienleben<br />

<strong>und</strong> Erwerbstätigkeit räumlich getrennt <strong>und</strong> damit verschwanden<br />

reievante Funktionen, die der Vater vorher ausgeübt<br />

hatte. Der Mann <strong>und</strong> Vater wurde der "Ernährer" der Familie,<br />

seine wichtigste Aufgabe war jetzt der ökonomische Unterhalt der<br />

Familie. Der Inhalt seiner Arbeit war den Kindern nicht mehr bekannt.<br />

Die Frau <strong>und</strong> Mutter wurde die zentraie Person in der Familie.<br />

Dies schlug sich auch in Sorgerechtsentscheidungen nieder.<br />

Die vormals absoluten Rechte der Väter über die Kinder wurden<br />

Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts modifiziert, <strong>und</strong> zunehmend wurden<br />

den Müttern die Kinder zugesprochen, wenn diese unter sieben<br />

Jahre alt waren. (Walters & Elam 1985). Während früher der Vater<br />

die Personifikation der Familie war <strong>und</strong> die väterlichen Rechte<br />

fast identisch mit den Rechten der Familie waren, war jetzt ein<br />

Trend zum IndiVidualismus zu verzeichnen. Die Rechte des Vaters<br />

wurden von den Rechten der Eltern bzw. der Famillen getrennt.<br />

(ebd., S. 107)<br />

Diese Epoche betonte in ihren Vorstellungen das männliche Individuum.<br />

"Das Selbst war der dominierende Focus der männlichen<br />

Ideale dieser Periode" (Rot<strong>und</strong>o 1982, S. 426, der dieses Zeitalter<br />

mit "Männlichkeit des Selbst" überschrieb). Der Frau wurden jetzt


50<br />

die höheren <strong>und</strong> strengeren moralischen Maßstäbe zugesprochen. Im<br />

Gegensatz zum Mann sei sie nicht (insbesondere sexuellen) Leidenschaften<br />

unterworfen." Die Mutter hatte deshalb die Aufgabe.<br />

Töchtern <strong>und</strong> Söhnen die moralischen <strong>und</strong> geistigen Werte zu vermitteln.<br />

Diese Aufgabenverteilung <strong>und</strong> dieses Männlichkeitsideal setzten<br />

sich auch in der nachfolgenden Periode fort. doch in dieser Zeit<br />

(Rot<strong>und</strong>o überschreibt sie mit "Männlichkeit des Körpers" <strong>und</strong><br />

grenzt sie von 1850 bis 1920 ein. Pleck & Pleck bezeichnen sie<br />

als "strenuous life" (anstrengendes Leben) von 1861 bis 1919)<br />

entstehen Männlichkeitsideale. die den physischen Anteil des<br />

Selbst betonen. Dieser Wandel. der einhergeht mit einem Anti-Intellektualismus.<br />

drückt sich im Entstehen der modernen Sportarten<br />

<strong>und</strong> -vereinen. in Saloons. in denen Männer Glücksspiele spielen<br />

<strong>und</strong> trinken. <strong>und</strong> in den Boy Scouts aus. Dies war u.a. eine Reaktion<br />

auf die wachsende Bürokratisierung des Erwerbslebens <strong>und</strong><br />

gegen die aufkommende Frauenbewegung. Es wurden Pamphlete<br />

. geschrieben. gegen den zu großen Einfluß ·der Mutter auf den<br />

Sohn. der zu brav. d.h. unmännlich erzogen würde <strong>und</strong> deshalb in<br />

Identitätskonflikte geraten könne. 6 Mit ähnlichen Argumenten<br />

wurde gegen den "feminisierenden" Einfluß der Schuie gekämpft.<br />

<strong>und</strong> (u.a. von Theodore Roosevelt) wirtschaftlicher <strong>und</strong> nationaler<br />

Ruin an die Wand gemalt. Der Krieg sollte aus den verweichlichten<br />

Männern wieder richtige Männer machen. (Dubbert 1979)<br />

Die Periode von 1920 bis 1965 beschreiben Pleck &<br />

"Companionate providing"<br />

Pleck als<br />

(in etwa: Partnerschaftliches Sorgen).<br />

5 Ähnlich. wie Karin Hausen (1976). beschreibt Rot<strong>und</strong>o. wie sehr<br />

diese Bürger mit den vermeintllchen Unterschieden der Geschlechtscharaktere<br />

beschäftigt waren <strong>und</strong> sie ais komplementär<br />

verstanden.<br />

6 Für den literarischen Bereich hat Fiedler schon 1960 das Verhältnis<br />

des US-amerikanischen Mannes zu Frauen analysiert.


51<br />

Die Partnerschaft bekam einen größeren Stellenwert für den Mann.<br />

Für jugendliche Männer verloren die Männerfre<strong>und</strong>schaften zugunsten<br />

des "Dating" mit den Mädchen an Interesse. Als die Ernährerfunktion<br />

durch die Massenarbeitslosigkeit der "Großen Depression"<br />

zusammenbrach, führte dies zu einer Krise der Männlichkeit<br />

(vgl. Mirra Komarovsky 1940; zu den 50er Jahren, siehe 3.1.1.).<br />

Rot<strong>und</strong>o bezieht sich hauptsächlich auf Briefe <strong>und</strong> Tagebücher.<br />

Dadurch entsteht eher eine Mentalitätsgeschichte, die die Vorstellungen<br />

von Männlichkeiten <strong>und</strong> Väterlichkeiten beschreibt -<br />

die tatsächlichen Aktivitäten der Väter <strong>und</strong> die Abweichungen<br />

einiger Männer <strong>und</strong> Väter von diesen Idealen bleiben im Ungewissen.<br />

Vergleichbar ist diese Methode mit Aries <strong>und</strong> de Mause, auf<br />

die sich auch Fthenakis (1985) bezieht, doch im Gegensatz zu<br />

diesen Autoren stehen in den zitierten US-amerikanischen Untersuchungen<br />

nicht die Kinder bzw. die Eltern-Kind-Beziehung <strong>und</strong><br />

deren Geschichte, sondern der Wandel der Männllchkeit bzw. Väterlichkeit<br />

im Blickpunkt.<br />

3.3.1.3. Ein neuer Familientypus: zwei Erwerbstätige<br />

Für die meisten Familien sind zwei Verdienste schlichte ökonomische<br />

Notwendigkeit - dies gilt besonders für Arbeiterfamllien.<br />

Moen (1982) weist auf die gewichtigen Unterschiede zwischen<br />

"dual-worker" <strong>und</strong> '''dual-career-familles'' hin. Die meisten Untersuchungen<br />

bezögen sich auf Mittelschichtsfamilien mit zwei Karrieren,<br />

die günstigere Bedingungen für die Bewältigung der familiären<br />

Aufgaben mitbringen. Oft sind bei ihnen die Erfordernisse<br />

der Erwerbstätigkeit flexibler <strong>und</strong> sie haben mehr <strong>Möglichkeiten</strong>,<br />

sich beispielsweise durch Haushaltsmaschinen, BabysitterInnen<br />

oder Auswärts-Essen-Gehen zu entiasten. Die Flexibilität einiger


52<br />

Mittelschichtsberufe. die z.B. einen Teil ihrer Arbeit frei einteilen<br />

oder zu Hause leisten können. unterscheidet sie erheblich von<br />

anderen. die etwa Geschäftsreisen. geografische Mobllltät oder<br />

überst<strong>und</strong>en mit sich bringen oder durch Schichtarbeit besonders<br />

belasten.<br />

Das Alter von Eltern spielt insofern auch eine gewichtige Rolle.<br />

als jüngere Eltern eher mit der Unsicherheit des Arbeitsplatzes zu<br />

kämpfen haben. als Eltern. die den Kinderwunsch erst dann verwirklichen.<br />

wenn eine gewisse StabilI tät im Beruf erreicht ist. Die<br />

prekäre Lage von Familien mit Kleinkindern wird (u.a. von Moen)<br />

aufgr<strong>und</strong> dieser erhöhten Arbeitserfordernisse in dieser Lebenszeit<br />

<strong>und</strong> durch die ökonomische <strong>und</strong> psychische Belastung durch die<br />

familiären AUfgaben unterstrichen. Der zu beobachtende Trend zu<br />

. Geburten im späteren Lebensalter. wie auch der Trend zu kleineren<br />

Familien bzw. zu Kinderlosigkeit hat hier eine ihrer Ursachen.<br />

Zahlreiche Untersuchungen belegen auch die Tatsache. daß in den<br />

Jahren. in denen die Kinder geboren werden. die eheliche Zufriedenheit<br />

am niedrigsten ist (Robinson/Barret 1986. S. 68f.).-<br />

Aufgr<strong>und</strong> dessen plädiert Moen für Maßnahmen. die. sowohl Vätern<br />

wie Müttern die Möglichkeit geben. ihre Erwerbstätigkeit zu unterbrechen.<br />

ohne beruflich <strong>und</strong> finanziell Einbußen hinnehmen zu<br />

müssen. Befristete Verminderungen von Arbeitszeiten <strong>und</strong> Verantwortlichkeiten.<br />

wenn Kinder klein sind. sollten allen Berufen zur<br />

Wahl stehen. sowohl für Männer als auch Frauen. Wie die meisten<br />

Väterforscherinnen in den USA setzt Moen sich für flexible Arbeitszeiten.<br />

außerfamilIäre Kindererziehung. Teilzeitarbeit <strong>und</strong><br />

Mütter- <strong>und</strong> Väterurlaub ein (vgl, z.B. Pleck 1985b). doch sind in<br />

den USA im Gegensatz zu europäischen Ländern. besonders zu<br />

Schweden die politischen Rahmenbedingungen für eine Familienpolitik<br />

in diese Richtung sehr viel begrenzter. Während der frühere


53<br />

Präsident Jimmy Gart er in seiner Wahlkampagne 1976 zumindest<br />

versprach, eine Familienpolitik zu entwickein, hat Ronaid Reagan<br />

jegliche Ansätze vermissen lassen. Hunt & Hunt (1982) meinen,<br />

daß trotz eines hohen Konsenses über den Wert der Familie eine<br />

Sozial- <strong>und</strong> Familienpolitik nach schwedischem Muster in den USA<br />

erst dann übernommen wird, wenn die Probleme der Familien noch<br />

akuter geworden sind. Die Polarisierung zwischen Beruf <strong>und</strong> Famille<br />

wird weiter bestehen bleiben. Unter diesen Bedingungen haben<br />

die Menschen die Freiheit, sich für die Famllle zu entscheiden,<br />

aber die es tun, werden (wenn sie nicht der oberen Schicht angehören)<br />

einschneidende soziale Nachteile zu spüren bekommen,<br />

<strong>und</strong> das gilt in aller Regei für die Frauen.<br />

Auch Lamb (1987b) erinnert daran, daß weniger als ein Drittel der<br />

erwerbstätigen Frauen in den USA einen bezahlten Mutterschaftsurlaub<br />

in Anspruch nehmen können. Von daher sei die<br />

Forderung nach Vaterschaftsurlaub in den USA ein unreallstisches<br />

Ziel.'<br />

Pleck (1985b) hält die Forderung nach wenigen Tagen Vaterurlaub<br />

für eine der gesellschaftlichen Situation in den USA angemessene<br />

Forderung.<br />

3.3.1.4. Sind Männer familienorientiert?<br />

Die Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen (z.B.<br />

Arbeitszeitverkürzung) wirkt sich sehr unterschiedlich auf das<br />

Verhalten von Frauen <strong>und</strong> Männern aus. Bei einer Reduzierung der<br />

Arbeitszeit zeigt es sich, daß Frauen jede zusätzllche St<strong>und</strong>e<br />

7 Siehe dazu Lambs peSSimistische Einschätzung des Vaterurlaubs<br />

in Schweden (4.1.5.).


54<br />

außerhalb der Erwerbsarbeit in 40 bis 45 Minuten Familienarbeit<br />

umsetzen, während für die Männer in dieser Untersuchung weniger<br />

als 20 Minuten in der Familie arbeiteten. (Plecl( 1983, zitiert<br />

nach: Lamb 1987b)<br />

Unter verheirateten Müttern mit Kindern unter sechs Jahren<br />

wuchs die Zahl der Erwerbstätigen in den USA von 18,2% im Jahr<br />

1955, 25,3% im Jahr 1965, 38,8% im Jahr 1975 auf 49,9% im Jahr<br />

1982 (Department of Labor, Bureau of Labor Statistics, zitiert<br />

nach: Gerson et al. 1984, S. 437).<br />

yor dem Hintergr<strong>und</strong> der gewachsenen Erwerbstätigkeit von<br />

Frauen, insbesondere Müttern, entstanden in den USA seit den<br />

70er Jahren ausgedehnte Diskussionen <strong>und</strong> Forschungen über Familien,<br />

in denenbeide Eltern erwerbstätig sind ("dual earner families"<br />

bzw. "dual career familles"). Ihre Fragestellung ist, inwieweit<br />

Männer bereit sind, unter den veränderten Bedingungen der<br />

Erwerbstätigkeit der Ehefrauen deren Doppelbelastung (bei Pleck<br />

1985a "role overload") in Richtung auf eine Teilung der familiären<br />

Arbeit abzubauen.<br />

Zum einen wurden nicht-traditionelle Familien, in denen der Vater<br />

in größerem Ausmaß Aufgaben in der Familie übernommen hatte<br />

(z.B. Lamb 1982), zum anderen wurden Männer in traditionellen<br />

Familienstrukturen untersucht (z.B. Lewis & Salt 1986).<br />

Bis heute hat die empirische Sozialforschung in der Regel den<br />

Mann als erwerbstätigen Menschen, <strong>und</strong> weniger im Hinblick auf<br />

seine familiären Aufgaben im Blickpimkt.<br />

Diskussionen über die mangelnde Haus- <strong>und</strong> Erziehungsarbeit von<br />

Männern gingen <strong>und</strong> gehen von der These der (hauptsächlichen)


55<br />

Berufsorientierung der Männer im Kontrast zur Familienorientierung<br />

der Frauen aus. In Hinblick darauf analysiert der führende<br />

men's studies Forscher (siehe 3.4.1.) Pleck (1985a) Untersuchungen,<br />

die das Ausrna!} der Famllienbezogenheit der Männer mit deren<br />

Bezogenhelt auf den Beruf vergleichen.<br />

Er bezieht sich u.a. auf Lein et al. (1974), die eine intensive<br />

Interviewstudie an 14 DoppelverdienerfamIlien mit Vorschulkindern<br />

aus der Arbelter- oder unteren MItteischicht durchführten. Lein<br />

et al. zogen den Schlu!}, da!} "Männer In der gegenwärtigen Industriellen<br />

Kultur ihre primäre emotionale, persönliche <strong>und</strong> geistige<br />

Gratifikation im familiären Rahmen suchen. Viele der Männer in<br />

unserem Sampie zeigten grö!}ten Stolz <strong>und</strong> am meisten Gefühle,<br />

wenn sie von ihren Frauen, der Qualität ihrer Ehe oder ihrem<br />

Stolz auf ihre Kinder sprachen." (Lein et al. 1974, S. 118, nach'<br />

Pleck 1985a, S. 122)<br />

Schon Rosenberg (1957) <strong>und</strong> Adamek <strong>und</strong> Goudek (1966) fanden in<br />

Untersuchungen bei CollegestudentInnen, da!} Studenten zwar häufiger<br />

als Studentinnen die grö!}te Befriedigung Im Leben von ihrer<br />

Karriere oder Beschäftigung erwarten. Nichtsdestoweniger erwarteten<br />

viel mehr Männer ihre Befriedigung im Leben von der Familie<br />

als von der Arbeit (meint Erwerbsarbeit, nicht Hausarbeit):<br />

62% vs. 25% bel Rosenberg 1957, 70% vs. 22% bei' Adamek <strong>und</strong><br />

Goudy 1966 (nach Pleck 1985a, S. 123).<br />

In einer anderen Intensivinterviewstudie berichten Farrell <strong>und</strong><br />

Rosenberg (1982), da!} ein "unerwartetes Ergebnis der Einflu!} der<br />

FamIlienbeziehungen auf die Erfahrungen von Männern Ist, die das<br />

mittlere Alter erreichen. Frühere Studien haben die Wichtigkeit<br />

der Arbeit bei der männlichen Entwicklung betont. Tatsächlich<br />

scheint es ein gut entwickelter Mythos In unserer Kultur zu sein,


56<br />

daß das emotionale Leben der Männer sich um ihre Arbeit dreht<br />

<strong>und</strong> von ihren Familien unabhängig ist. Unser Kontakt mit den<br />

Familien zeigte, daß die Art <strong>und</strong> Weise, wie ein Mann die Mitte<br />

des Lebens erlebt, sehr abhängig von der Kultur <strong>und</strong> Struktur<br />

seiner Familie ist. ... Dieses Ineinandergreifen von individuellen<br />

<strong>und</strong> familiären Entwicklungsprozessen ist ein kritisches Element in<br />

der Erfahrung des Mannes in der Mitte des Lebens". (Pleck 1985a,<br />

S. 122f.)<br />

Pleck bezieht sich noch auf zahlreiche andere Untersuchungen,<br />

u.a. die USA-weite Quality of Employment Survey 1977, aus der<br />

eine Beziehung zwischen familiärer Zufriedenheit <strong>und</strong> Gesamtbefindlichkeit<br />

abgeleitet werden kann, um zu schlußfolgern, daß "die<br />

Mehrheit der Männer psychologisch mehr in ihre Familien involviert<br />

sind als in ihre Jobs. Es ist wichtig, sogleich anzumerken,<br />

daß diese Schlußfolgerung nicht negiert, daß Männer relativ wenig<br />

Hausarbeit <strong>und</strong> Kinderpflege übernehmen <strong>und</strong> es ist nicht notwendigerweise<br />

damit inkonsistent. Sie negiert auch nicht, daß es<br />

qualitative Differenzen in der Natur der psychologischen Involviertheit<br />

in der Familie zwischen Männern <strong>und</strong> Frauen gibt. Wenn<br />

gr<strong>und</strong>sätzliche Unterschiede im psychologischen Engagement existieren,<br />

dann treten sie auf einem subtilerem Niveau auf als in<br />

früheren <strong>und</strong> gegenwärtigen Forschungen angenommen." (Pleck<br />

1985a, S. 135) Diese psychologische Relevanz der Familie für die<br />

Mehrheit der Männer bildet für Pleck (1985a) eine wichtige<br />

Gr<strong>und</strong>lage, um die Beteiligung der Männer an der Familienarbeit<br />

zu steigern.<br />

Wir merken dazu kritisch an, daß Männer aus der traditionellen<br />

Verteilung der Positionen in der Familie, insbesondere ihrer


57<br />

Funktion als Ernährer (formal als Haushaltsvorstand) viel Anerkennung<br />

<strong>und</strong> Bestätigung erhalten.<br />

AUßerdem hat der Arbeitsplatz als Männerkultur (siehe 4.1.7. <strong>und</strong><br />

passim) große Wichtigkeit für Männer. Die Gegenüberstellung Berufs<br />

orientierung - Familienorientierung blendet relevante Zusammenhänge<br />

aus. Sie erfaßt nicht, daß die Männer die Männerkulturen<br />

stark emotional besetzen, im Durchschnitt stärker besetzen<br />

als das Familienleben.<br />

Der Forschungsansatz bleibt an der Oberfläche. Pleck argumentiert<br />

gegen die These, die Männer würden kaum Reproduktionsarbeit<br />

leisten, well sie berufsorientiert sind. Seine Gegenthese lautet:<br />

Die Männer leisten kaum Reproduktionsarbeit, obwohl sie famili ...<br />

enorientiert sind. Pleck kommt nlit seiner Gegenthese den Gründen<br />

für die mangelnde Reproduktionstätigkeit nicht näher:<br />

"...ist nicht die wirkliche Ursache der niedrigen Partizipation von<br />

Männern, daß Männer es einfach nicht tun· wollen?" (Pleck 1985a,<br />

S. 156)<br />

Er spricht davon, daß Frauen <strong>und</strong> Männer auf eine qualitativ<br />

verschiedene Weise in der Famllle involviert sind. Erst die Erforschung<br />

dieses Unterschiedes bzw. die Erforschung der Qualität<br />

der Beziehung der Männer zur Familie würde die Gründe für den<br />

Unwillen gegenüber der Reproduktionsarbeit erhellen.<br />

Ist es sinnvoll, von "Familienorientierung" zu sprechen, wenn<br />

diese beinhaltet, daß Männer sagen, die Familie sei ihnen das<br />

Wichtigste, aber nicht bereit sind, angemessene Lasten für die<br />

Familie zu tragen? Ist es nicht zutreffender, von FamllienabhlJngigkeit<br />

zu sprechen?


68<br />

Wieder einmal orientiert ~ich<br />

Pleck zu sehr an vorliegender empirischer<br />

Sozialforschung anstatt qualitativ neu anzusetzen."<br />

Die Abhängigkeit der Männer von der Familie zeigt sich insbesondere<br />

bei Trennungen/Scheidungen, wenn Männer häufig durch<br />

sie in eine schwere Krise geraten. Sie haben eInen realen Verlust<br />

an alltäglichen Zuwendungen <strong>und</strong> Dienstleistungen zu verkraften.<br />

Ob sich Männer aufgr<strong>und</strong> dieser Abhängigkeiten allerdings dazu<br />

bewegen lassen, eine gleichberechtigtere Beziehung zu ihren<br />

Partnerinnen <strong>und</strong> eine gerechtere Verteilung der Famillenaufgaben<br />

anzustreben, ist eine andere Frage. Sicher kann die Relevanz der<br />

Famllie für den Mann dazu führen, daß einige Männer aus Angst<br />

vor Verlust <strong>und</strong>/oder auf Druck der Partnerinnen einer gleichberechtigteren<br />

Beziehung zustimmen. Die realen Verhältnisse, wie sie<br />

im nächsten Abschnitt beschrieben werden, zeigen jedoch, daß dies<br />

nur zu einem geringen Ausmaß geschieht.<br />

Pleck hat in dieser untersuchung von 1986 eilie andere Haltung<br />

als in einer Analyse von 1977, in der er Zusammenhänge zwischen<br />

der untergeordneten beruflichen Position <strong>und</strong> Arbeits(un)zufriedenheit<br />

vieler Männer einerseits <strong>und</strong> ,dem Festhalten<br />

an den traditionellen Positionen andererseits hergestellt<br />

hatte. Ihre Erwerbstätigkeit empfanden die untersuchten Männer<br />

gerade wegen ihrer Funktion für die Ernährerposition in der Famllie<br />

als wertvoll, <strong>und</strong> sie fühlten sich dadurch als Männer bestätigt.<br />

"... die Befriedigung, die Männer vom Beruf bekommen, ist<br />

im wachsenden Maße nur die Befriedigung, die familiäre Ernährerrolle<br />

auszufüllen." (Pleck 1977, S. 430)<br />

8 Siehe dazu unsere Auseinandersetzung mit Ansätzen zur Forschung<br />

über Männlichkeit in den Kapiteln 2., 3.4. <strong>und</strong> 4.3.2.


59<br />

Pleck zitiert einen Arbeiter, der seiner Frau nie eriauben würde,<br />

erwerbstätig zu sein, <strong>und</strong> der nie die Fußböden schrubben würde,<br />

wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, <strong>und</strong>- merkt dazu an:<br />

"Die fragwürdigen Privilegien, welche der Sexismus den Männern<br />

zukommen läßt, <strong>und</strong> wichtiger noch: das falsche Bewußtsein um<br />

diese Privilegien spielen eine entscheidende Rolle, indem sie<br />

Männer in ihrer Unterwerfung unter eine größere ökonomie entschädigen,"<br />

(Pleck 1977, S. 431. zitiert nach der deutschen Ausgabe,<br />

S, 6)<br />

Der Schluß aus der geringen Arbeitszufriedenheit (<strong>und</strong> Berufsorientierung)<br />

könnte also auch in Richtung eines Festhaltens von<br />

Männern an traditionellen Positionen, <strong>und</strong> nicht, wie Pleck (1985a)<br />

hofft, in Richtung eines stärkeren Engagements als Vater ausfallen.<br />

3.3.1.6. Beteiligung der Väter an der Famllienarbeit<br />

Die Leiter des Fatherhood Project (siehe 3.3,4.), die Professoren<br />

Lamb, Pleck <strong>und</strong> Levine, sind der Ansicht, daß allgemein überschätzt<br />

wird, um wieviel sich Väter in den letzten zwanzig Jahren<br />

mehr um ihre Kinder kümmern (Larnb, Pleck <strong>und</strong> Levine 1986),<br />

Außerdem hätten die meisten Kommentatoren laut von sich gegeben,<br />

daß das stärkere väterliche Engagement positive Wirkungen<br />

haben werde, Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn beide Elternteile<br />

das verstärkte väterliche Engagement begrüßen würden,<br />

Um das Engagement der Väter quantifizieren zu können, teilt<br />

Lamb (1987b) es in 1) direkte Interaktion oder Engagement, 2) in<br />

Verfügbarkeit <strong>und</strong> 3) in Verantwortung ein. Direkte Interaktion


60<br />

oder Engagement heißt beispielsweise, daß der Vater das Kind<br />

wickelt, mIt Ihm spieit, etc. Verfügbar Ist der Vater für das Kind,<br />

wenn er etwas anderes tut (kocht, Zeitung liest, etc.), während<br />

das Kind zu seinen Füßen oder im Nebenraum spieit. Der Vater ist<br />

verantwortlich für das Kind, wenn er weiß, wann das Kind zur<br />

ÄrztIn mUß, den Termin abmacht, etc.<br />

In Zweielternfamilien mit einer nichterwerbstätigen Mutter verbringen<br />

Väter 20 bis 25% der Zeit, die Mütter an direkter Interaktion<br />

mit den Kindern verbringen. In bezug auf Verfügbarkeit<br />

sind sie zu einem Drittel der mütterlichen Zeit beteiligt. Die<br />

größte Diskrepanz zeigt· sich bei der Verantwortung: Väter übernehmen<br />

im wesentlichen keine Verantwortung für die Kindererziehung.<br />

Bei Zweielternfamllien mit erwerbstätigen Müttern steigen zwar die<br />

relativen Verhältniszahlen für den Vater, aber nur deswegen, weil<br />

die Mütter weniger tun, nicht weil sich die Väter mehr engagieren.<br />

Bei der direkten Interaktion beträgt der Anteil in diesem Fall<br />

33%, bei der Verfügbarkeit 65% des mütterlichen Zeitbudgets mit<br />

den Kindern. Die Verantwortung des Vaters bleibt auch in diesem<br />

Fall zu vernachlässigen.<br />

Berücksichtigen wir das Alter der Kinder, so sehen wir, daß die<br />

Väter sich bei kleineren Kindern mehr engagieren. Das gilt ebenso<br />

für Mütter. Diese Ergebnisse entsprechen nicht der landläufigen<br />

Meinung, daß Väter sich mehr mit älteren Kindern beschäftigen.<br />

Allerdings sind Väter mehr an Söhnen ais an Töchtern Interessiert<br />

<strong>und</strong> sie beschäftigen sich auch mehr mit. den Jungen. Die direkte<br />

Interaktion der Väter ist zumeist das Spielen, während Mütter<br />

sich um die Kinderpflege kümmern.


61<br />

Lamb (1987b) zitiert Untersuchungen. wonach 40% der Väter mehr<br />

Zeit mit Ihren Kindern verbringen möchten (Qulnn & Stalnes<br />

1979). Das heißt allerdings auch. daß mehr als die Hälfte der USamerikanischen<br />

Väter nicht mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen<br />

möchten. Dieselben Untersuchungen zeigen auch. daß zwischen<br />

60% <strong>und</strong> 80% der Frauen nicht wünschen. daß ihre Ehemänner<br />

sich verstärkt engagieren. (Pleck 1982, Quinn & Staines 1979)<br />

Dafür mag es nach Ansicht von Lamb viele Gründe geben. Einmal.<br />

daß die Mütter der Meinung sind. daß ihre Ehemänner inkompetent<br />

sind <strong>und</strong> ihr Engagement nur noch mehr Arbeit machen würde. Für<br />

wichtiger hält Lamb den Einfluß des väterlichen Engagements auf<br />

die Machtdynamik innerhalb der Familie. Dadurch könnte die Autorität<br />

<strong>und</strong> Macht der Mütter bedroht werden. Deswegen haben<br />

sich die Einstellungen von Frauen gegenüber väterlichem Engagement<br />

sehr' wenig während der letzten 15 Jahre geändert: (Er bezieht<br />

sich dabei auf Pleck 1982, Polatnick 1973-1974). Lamb<br />

(1987b) ist der Meinung. daß dies wahrscheinlich so bleiben wird,<br />

"bis f<strong>und</strong>amentale Veränderungen innerhalb der Gesellschaft als<br />

Ganzes die gr<strong>und</strong>legende Verteilung der Macht verändert." (S. 20)<br />

Konflikte in bezug auf die familiäre Machtverteilung könnten die<br />

Ursache dafür sein. daß in zwei Längsschnittstudien über verstärktes<br />

väterliches Engagement eine bemerkenswert hohe' Rate<br />

von Famillenauflösungen festgestellt wurde. als die Familie später<br />

aufgesucht wurde (Russell 1983. Radln & Goldsmlth 1985. nach<br />

Lamb 1987b). Lamb sieht hierin substanzielle <strong>und</strong> f<strong>und</strong>amentelle<br />

Probleme in bezug auf Rollen <strong>und</strong> Verantwortlichkeiten.<br />

Die Untersuchungen von Familien. in denen die Väter die hauptsächliche<br />

oder gleiche Verantwortung für alltägliche Kinderpflege<br />

<strong>und</strong> -erziehung übernehmen, sind seltene Ausnahmen. 9 Graeme<br />

9 Hoff/Scholz (1985) haben In der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

eine ähnliche Untersuchung durchgeführt.


62<br />

Russell (1982) hat ein kleines Sampie von australischen Familien<br />

untersucht <strong>und</strong> nach zwei Jahren eine Nachuntersuchung durchgeführt.<br />

In dieser Interviewstudie in 50 Familien waren alle Mütter<br />

<strong>und</strong> zu zwei Dritteln die Väter erwerbstätig. Beide Eltern<br />

hatten überdurchschnittliche Schulbildung. <strong>und</strong> die Mütter hatten<br />

Berufe mit hohem Status. Die Kinderzahi war unterdurchschnittlich<br />

<strong>und</strong> die Kinder waren schon älter. Ein Elternteil hatte eine gewisse<br />

Flexibllltät in bezug auf die Erwerbstätigkeit.<br />

Die Väter fühlten insbesondere die Anforderungen der Kinderfürsorge<br />

<strong>und</strong> die negativen Reaktionen besonders ihrer männlichen<br />

Gleichaltrigen. aber auch die im allgemeinen positiven Veränderungen<br />

ihrer Beziehung zu den Kindern. Die Mütter empfanden gewachsene<br />

Unabhängigkeit. Selbstbewußtsein <strong>und</strong> Zufriedenheit<br />

durch ihren Beruf. aber auch negative Reaktionen von ihren' Verwandten<br />

<strong>und</strong> positive Reaktionen von ihren Fre<strong>und</strong>innen. Im allgemeinen<br />

wurden Frauen als unterstützender ais Männer gesehen.<br />

Die Kinder schienen am wenigsten von den Veränderungen beeinflußt<br />

zu werden. Von ihnen wurden wenig Probleme berichtet.<br />

Ein gewichtiger Unterschied zu traditionellen Familien bestehe<br />

darin. daß in diesen Famlllen die Kinder mehr Kontakt alleine mit<br />

ihren Vätern haben. während sie sonst nur mit der Mutter zusammen<br />

sind bzw. zu dritt mit Mutter <strong>und</strong> Vater.<br />

Interessant ist auch die Follow-up-Studie. die zwei Jahre später<br />

an 18 dieser Famlllen unternommen wurde. Neun dieser Familien.<br />

also die Hälfte. waren zu einem traditionellen Lebensstil zurückgekehrt.<br />

d.h .• die Mütter übernahmen jetzt die Mehrheit der Aufgaben<br />

der Kindererziehung. Nur vier Familien waren bei der<br />

nicht-traditionellen Aufgabenverteilung geblieben. Dafür wurden


63<br />

vorwiegend finanzielle Gründe angegeben.<br />

Lamb (1987b) bezieht sich auf verschiedene Untersuchungen, die<br />

das verstärkte Engagement von Vätern (übernahme von. mindestens<br />

40-45% der Kindererziehung <strong>und</strong> -pflege innerhalb der Familie) in<br />

ihren Auswirkungen auf die Entwicklung der KInder studierten.<br />

Kinder mit in dieser Weise engagierteren Vätern zeigten gewachsene<br />

kognitive Kompetenz, gewachsene Empathie <strong>und</strong> wenIger Geschlechtsrollenstereotypen.<br />

Lamb führt diese Veränderungen weniger<br />

auf den direkten Einfluß des Vaters zurück, als vielmehr<br />

auf den veränderten fam1l1ären Kontext, d.h. die Teilung der<br />

Doppelbelastung zwischen Mutter <strong>und</strong> Vater. Väter konnten dadurch<br />

ihren KIndern näher sein, während die Mütter Familie <strong>und</strong><br />

Beruf besser verbinden konnten. Seiner Meinung nach ist es<br />

wahrscheinlich, daß dadurch die Beziehungen wärmer <strong>und</strong> erfüliter<br />

sind als gewöhnlich.<br />

3.3.1.6. Der geschlechtsspezifische Aspekt<br />

Bei Lamb, Pleck <strong>und</strong> Levine (1986) hat sich die Kritik von Pleck<br />

(1981) durchgesetzt: Sie haben große Vorbehalte dagegen, wie<br />

Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit in den Untersuchungen der letzten<br />

Jahrzehnte verstanden wurden. Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit<br />

wurden operationalisiert, so daß sie nur stereotyp maskulin bzw.<br />

feminin bedeuteten (siehe 3.4.1.).<br />

"Hinzu kommt noch, daß Pleck (1981) gezeigt hat, daß die 'inventories'<br />

möglicherweise überhaupt keine kohärenten Dimensionen<br />

von Weiblichkeit <strong>und</strong> Männlichl


64<br />

Untersuchungen aus den 40er, 50er <strong>und</strong> 60er Jahren konzentrierten<br />

sich häufig auf die Frage, inwieweit der Vater <strong>und</strong> dessen<br />

Männlichkeit Einfluß auf den Sohn <strong>und</strong> dessen Männlichkeit hat.<br />

Neuere Untersuchungen zeigen, daß es die Wärme, die Nähe <strong>und</strong><br />

das Engagement des Vaters sind, die Einfluß auf die Leistungen<br />

<strong>und</strong> die psychosoziale Anpassung des Sohnes <strong>und</strong>, der Tochter<br />

haben. "Was den Einfluß auf die Kinder angeht, so scheint es sehr<br />

wenig deutlich Wichtiges in bezug auf das Geschlecht des Elternteils<br />

zu geben. Die Charakteristika des Vaters als Elternteil <strong>und</strong><br />

weniger die Charakteristika des Vaters als Mann scheinen die<br />

Entwicklung des Kindes zu beeinflussen." (Lamb 1987b, S. 13) Das<br />

heißt, Väter <strong>und</strong> Mütter beeinflussen ihre Kinder in einer eher<br />

ähnlichen Art <strong>und</strong> Weise. Die Abwesenheit des Vaters kann schaden,<br />

nicht weil ein Modell für die Geschlechtsrolle fehlt, sondern<br />

weil die ökonomischen, sozialen, emotionalen Aufgaben, die der<br />

Vater übernimmt, nicht oder unzureichend ausgefüllt werden.<br />

Hier bestätigt Lamb mit seinen Untersuchungen den Trend zur<br />

Androgynität, den Fein (1978) <strong>und</strong> Rot<strong>und</strong>o (1985, 1987) prognostiziert<br />

haben. Psychoanalytische Theorien, die den Vater in seiner<br />

komplementären Funktion zur symbiotischen Mutter-Kind-Beziehung<br />

betonen, haben diese Sichtweise allerdings nicht übernommen<br />

(siehe nächster Abschnitt).<br />

3.3.1.7. Psychoanalytische Väterforschung<br />

Ansätze einer teilweise kritischen Reflexion der Männlichkeit, <strong>und</strong><br />

damit auch der Väterlichkeit, sind im Bereich der Psychoanalyse<br />

zu verzeichnen. Es würde hier zu weit führen, auf die weitreichenden<br />

Differenzen zwischen einerseits empirisch orientierten <strong>und</strong><br />

andererseits psychoanalytischen Schulen einzugehen. Analog Hage-


66<br />

mann-White (1984) in bezug auf Weiblichkeit sind wir der Meinung.<br />

daß eine zureichende Theorie des männlichen Sozialcharakters<br />

nicht an der Subjektivität vorbeikommt.' 0 Unter Feministinnen<br />

wurde über psychoanalytische <strong>und</strong> feministische Theorien über<br />

Weiblichkeit ausgiebig debattiert. Einflußreich war in den letzten<br />

zehn Jahren Nancy Chodorows "The reproduct1on of mothering" -<br />

Psychoanalysis and the sop.iology of gender" (1978). Ein vergleichbares<br />

Werk über das Vatern ist noch nicht geschrieben<br />

worden.<br />

psychoanalytikerInnen haben eine Reihe von Aufsätzen zum Thema<br />

"Männlichkeit" <strong>und</strong> "Vatern" veröffentlicht. Schafer beschreibt in<br />

einem Aufsatz mit dem Titel "Männer. die gegen Sentimentalität<br />

kämpfen" (1986). wie Männer die für sie unerträgliche Identifikation<br />

mit der Mutter <strong>und</strong> damit weibliche Anteile <strong>und</strong> homosexuelle<br />

Impulse bekämpfen." Das Nichtzulassen von Regressionen. d.h:<br />

der Wünsche. wieder ein Baby zu sein (orale Phase) oder sich (in<br />

bezug auf Sauberkeit) nicht mehr kontrollieren zu müssen (anale<br />

·Phase). sei eine häufige männliche Form der Verarbeitung.<br />

Die Relevanz dieser Regressionswünsche für die Entwicklung einer<br />

Väterlichkeit beschreibt Ross (1982) für kleine Jungen. insbesondere<br />

für jene. denen ein Geschwisterkind geboren wird, <strong>und</strong> die<br />

dadurch den Wunsch entwickeln. selbst ein Kind zu gebären -<br />

für ein bestimmtes Alter auch für Jungen häufiger Wunsch. Ross<br />

beschreibt die Ambivalenz dieses Kinderwunsches: "Das Interesse<br />

eines Jungen (oder Mädchens) am Kindergebären kann gleichzeitig<br />

Wünsche ausdrücken. ein Baby zu sein <strong>und</strong> eines zu haben. ver-<br />

10 Siehe auch die Ansätze von Carrigan et al. (1986) <strong>und</strong> Bengtsson<br />

(1988) zur Psychodynamik der Männlichkeit (siehe 2. <strong>und</strong><br />

4.3.2.).<br />

11 Die Verdrängung der Weiblichkeit hat bei jungen schwedischen<br />

Akademikern erheblich abgenommen. Laut Bengtsson haben sie<br />

einen genuinen Kinderwunsch (siehe 4.3.2.).<br />

ein


66<br />

sorgt (nurtured) zu werden <strong>und</strong> zu versorgen. Der Wunsch, ein<br />

Kind zu besitzen, kommt vom Streben, ein großes, starkes, helfendes<br />

Elterntell (Mutter oder Vater) zu sein, als auch vom Verlangen,<br />

ein Kind zu sein, versorgt zu werden <strong>und</strong> von Verantwortlichkeit<br />

befreit zu sein." (S. 189)<br />

Die schon von Freud postulierte bisexuelle Natur des Menschen<br />

<strong>und</strong> die Untersuchung des Weiblichkeitskomplexes des Mannes (z.B.<br />

Böhm 1930) gehören zu den Gr<strong>und</strong>lagen der Psychoanalyse, wenngleich<br />

der Neid des Mannes auf die Gebärmöglichkeiten der Frau<br />

nicht die herausragende Stellung wie der Penisneid eingenommen<br />

hat. Dieser Neid auf die reproduktiven Funktionen der Frau wird<br />

oft verdrängt <strong>und</strong> in kreative Arbeit, umgesetzt. (Vgl. Ross 1982,<br />

S. 15)<br />

Die Gr<strong>und</strong>annahme, die sich auch durch die neueren psycho:;malytischen<br />

Arbeiten zieht, ist, daß das Kleinkind primär durch die<br />

Mutter versorgt wird <strong>und</strong> der Vater erst danach als Beziehungsperson<br />

für das Kind, insbesondere für den Jungen, 'hinzutritt. Das<br />

heißt nicht notwendigerweise, daß der Vater aus anaiytischer<br />

Sicht zweitrangig ist. Im Gegentell hat er hiernach eine spezifische,<br />

durch die Mutter nicht zu ersetzende Funktion für das Kind.<br />

Psychoanalytikerinnen gehen immer noch von der Kleinfamilie mit<br />

der Mutter als Erziehungsperson <strong>und</strong> dem Vater als dem Ernährer<br />

aus. Die große Anzahl von alleinerziehenden Müttern <strong>und</strong> die<br />

kleine, aber wachsende Anzahl von alleinerziehenden Vätern, die<br />

wachsende Anzahl von primär <strong>und</strong> gleichermaßen wie die Mutter<br />

versorgenden Vätern, alternative Lebensstile wie Wohngemeinschaften,<br />

zwei Frauen, die zusammen Kinder aufziehen, etc., passen<br />

nicht in ihre Gr<strong>und</strong>annahme hinein.


67<br />

Neubauer (1986) gibt zu bedenken, da~ die Kernfamllie <strong>und</strong> die<br />

Eineiternfamlllen historisch ein neues Phänomen sind <strong>und</strong> früher<br />

das Kind weder in Dyaden noch in Triaden aufgewachsen ist. Der<br />

gegenwärtige Focus auf die alleinigen ausschließenden Beziehungen<br />

ist ein Ausdruck unseres heutigen Familienlebens <strong>und</strong> nicht die<br />

Durchschnittserfahrung von Kindern im Laufe der Jahrh<strong>und</strong>erte.<br />

Zwar bedauert Neubauer, da~ "er bis jetzt noch keine Longitudinalstudie<br />

gef<strong>und</strong>en hat, die klar die Folgen beschreiben, wenn der<br />

Vater ebenfalls eine primäre Sorgeperson oder die einzige ist,<br />

noch, daß es irgendwelche systematischen Studien von Analytikerinnen<br />

gibt oder Berichte von der Analyse von Erwachsenen, wenn<br />

der Vater eine frühe oder einzige Sorgeperson war." (S. 215)<br />

Neubauer ist eine Ausnahme bei den PsychoanalytikerInnen, wenn<br />

er überhaupt in Betracht zieht, da~ der Vater eine primäre Erziehungs<br />

person sein kann.<br />

Diese Vorannahmen in bezug auf die Familienstruktur prägen auch<br />

die Theoriebildung neuerer psychoanalytischer Vaterforschung.<br />

Ausgehend von einflu~reichen Untersuchungen von Margaret<br />

Mahler <strong>und</strong> MitarbeiterInnen (1975) über die Entwicldung des<br />

Kleinkindes von der Symbiose zur Individuation hat Abelln (1971)<br />

die Funktion des Vaters studiert. Nach ihm (wie auch anderen<br />

AutorInnen dieser "Objektbeziehungstheorie") löst sich das Kleinkind<br />

aus der Symbiose mit der Mutter, <strong>und</strong> der Vater hat dabei<br />

die Aufgabe, diese Loslösung von der Mutter zu erleichtern. Eine<br />

primäre, d.h. symbiotische BeZiehung des Vaters zum Kind bleibt<br />

au~er<br />

Betracht.<br />

Nach dieser Theorie hat der Vater die Aufgabe, die Mutter zu<br />

unterstützen, aber auch, das Kind gegen Impulse der Mutter, die<br />

Mutter-Kind-Symbiose zu verlängern, zu schützen (Tyson 1982).<br />

Der Vater hat demnach bei der Bildung der Identität eine wichtige


68<br />

Funktion, dies insbesondere bei der Bildung der "Geschlechtsidentität"<br />

des Jungen. In einigen Aufsätzen wird die Beteiligung des<br />

Vaters an der Entwicklung von Unabhängigkeit <strong>und</strong> Autonomie des<br />

kleinen Sohnes stark betont. Phyllis Tyson befürchtet bei Abwesenheit<br />

des Vaters eine Verzögerung des aufrechten Urinierens,<br />

der Geschlechtsrollendifferenzierung <strong>und</strong> eine Retardierung in der<br />

Entwicklung von Unabhängigkeit.<br />

Gerald 1. Fogel bleibt in seiner Einleitung von psychoanalytischen<br />

Aufsätzen zur "Psychologie des Mannes" ebenfalls bei traditionellen<br />

Konzepten von Männllchkeit <strong>und</strong> Väterlichkeit. "Ein Junge<br />

wird sich immer nach einem strengen Vater sehnen <strong>und</strong> ihn für<br />

eine ideale Entwickiung brauchen <strong>und</strong> um zu wissen <strong>und</strong> sich<br />

stolz zu fühlen, daß er ein Mann ist wie seine männllchen Modelle<br />

<strong>und</strong> Gleichaltrigen." (Fogel 1986, S. 11)<br />

Von kleinsten Ansätzen abgesehen, bezieht sich die psychoanalytische<br />

Theorie auf traditionelle Familien-<strong>und</strong> Männllchkeitsvor~<br />

stellungen. Sie verstärkt eher (z.B. mit der Triangullerungstheotie<br />

Abelins) die Tendenzen zur traditionellen Auftellung der Kinderpflege<br />

<strong>und</strong> -erziehung. Auch im deutschsprachigen Raum hat dieser<br />

Ansatz durch Rotmann (1978) <strong>und</strong> in populärer Form Bopp<br />

(1984, 1986) Verbreitung gef<strong>und</strong>en.<br />

3.3.1.8. Einschätzung der Väterforschung<br />

Von Seiten der empirischen Sozialforschung ist - besonders in den<br />

letzten Jahren - ein reges Interesse an der Veränderung der<br />

Männer bzw. der Väter zu verzeichnen gewesen. Ausgehend von<br />

der gewachsenen Erwerbstätigkeit der Frauen besteht ein gesellschaftliches<br />

Erkenntnisinteresse zu erforschen, weshalb Männer


69<br />

nicht analog die familiären AUfgaben übernehmen. Auf der Ebene<br />

der empirischen Forschung konnten allerdings keine relevanten<br />

Ergebnisse erzielt werden. Die Schlüsse, die aus den Studien gezogen<br />

werden konnten, blieben auf der Ebene, daß nur allgemeine<br />

Rahmenbedingungen angegeben werden konnten, welche die verstärkte<br />

übernahme der Reproduktionsarbeit erleichtern würden.<br />

"Ein wichtiger Gr<strong>und</strong>, vielleicht der wichtigste Gr<strong>und</strong> dafür, daß<br />

Väter so wenig (vom schwedischen Elternurlaub, G.ß. u. G.H.) Gebrauch<br />

machen, ist ihr Mangel an Motivation <strong>und</strong> ihr Gefühl, daß<br />

es für sie unangemessen ist", meint Pleck (1985b, S. 16) bei einer<br />

übersicht zum gegenwärtigen Status <strong>und</strong> den <strong>Perspektiven</strong> des<br />

Vaterurlaubs, ohne weiterzufragen, was hinter diesen Gründen<br />

stecken könnte.<br />

Unserer Meinung nach hat die Väterforschung wenig tiefgehende<br />

Ansätze zur Veränderung von Männern bzw. Vätern geliefert. Von<br />

Seiten der Psychoanalyse sind bis auf wenige Ausnahmen lediglich<br />

Ansätze, die die traditionelle Aufgabenverteilung konservieren,<br />

fortgeschrieben worden. Es gilt eine Forschung zu entwickeln, die<br />

die gesellschaftliche Privilegierung der Männer <strong>und</strong> deren Widerstände<br />

<strong>und</strong> Ambivalenzen gegenüber Veränderungen analysiert -<br />

was mit der empirischen Sozialforschung wie auch psychoanalytischen<br />

Theorien allein nicht zu erfassen ist. Nur auf diese Weise<br />

läßt sich unserer Ansicht nach die Frage -"Warum Männer Widerstand<br />

leisten" (Goode 1982) realistisch beantworten.<br />

Die in unserem Zusammenhang eigentlich bedeutungsvollen Fragen<br />

sind praktisch noch nicht erforscht worden,!2 Für die Diskussion<br />

der antisexistischen Veränderung der Männer wäre die Erforschung<br />

des Wandels der Väter bei der "sich herausbildenden" Art der<br />

12 Das bemängelte auch die ministeriell eingesetzte ständige<br />

"Arbeits gruppe zur Männerrolle" in Schweden.


70<br />

Vaterschaft, dem Vatern, von Interesse. Wie verändern sich Männer<br />

durch das Vatern? Ist das Vatern ein Weg zur nicht-herrschenden<br />

Männllchkeit? Diese Fragestellungen haben erst sehr<br />

selten Eingang in die Väterforschung gef<strong>und</strong>en, weil eine Männlichkeits-kritische<br />

Sichtweise gerade erst anfängt, in dieser Forschung<br />

Fuß zu fassen.<br />

In den folgenden Abschnitten über die "Nurturing Today" <strong>und</strong> die<br />

"Fathering Task Group" wird deutlich, daß der Bezug auf die existierenden<br />

Privilegien der Männer <strong>und</strong> damit deren Widerstand <strong>und</strong><br />

Ambivalenz gegenüber Veränderungen ignoriert wird zugunsten<br />

eines Appells an die Männer, ausgehend von der Illusion, die<br />

Männer hätten durch Veränderungen nur zu gewinnen.<br />

3.3.2. Die Zeitschrift "Nurturing Today"<br />

Die Zeitschrift "Nurturing Today" (früher "Nurturing News") begann<br />

ihr Erscheinen im Jahr 1979 In Sari Francisco als ein vlerseltiges<br />

Informationsblatt, mit Männern als Zielgruppe, die beruflich<br />

mit Kindern arbeiten. Sie entwickelte sich zu einem Forum für<br />

erziehende Väter ("to nurture" ist schwierig zu übersetzen, weil<br />

es mehr bedeutet als erziehen), das sich sehr engagiert für das<br />

Vatern einsetzt.<br />

Die frei Jahrgänge "Nurturing News - the quarterly for nurturing<br />

men" bzw. ab Sommer 1987 "Nurturlng Today - for self and famlly<br />

growth" der Jahre i985, 1986 <strong>und</strong> 1987, die wir nach ihrer Relevanz<br />

für die Diskussion über die Veränderung der Männer, insbesondere<br />

der Väter studiert haben, haben eine breite Palette an<br />

Schwerpunktthemen herausgebracht: "BehInderungen, Männer <strong>und</strong>


71<br />

Kinder'" 3 , "Großväter'" 4, "Stieffamilien'" " , "Biologische <strong>und</strong><br />

psychologische Väter'" 6, "Machismo vs. Nurturance"17, "Die Geburt<br />

der Väter"'., "Die Männerbewegung"19, "Männerfre<strong>und</strong>schaften"20,<br />

"Nurturing famllies"2'. Die Schwerpunkte, aber zum Beispiel<br />

auch die Rubrik "Men in childcare news", die seit der Ausgabe<br />

Winter 1986/87 erscheint, bringen zum Ausdruck, daß das<br />

"Vatern" nicht nur des leiblichen Vaters gefördert werden soll,<br />

sondern auch die anderen Formen der Beschäftigung, der Arbeit<br />

<strong>und</strong> des Zusammenlebens von Männern mit Kindern. Anhand von<br />

einzelnen Artikeln wollen wir die Zeitschrift charakterisieren <strong>und</strong><br />

bewerten.<br />

Die Ansicht, daß die Frauenbefreiung den Männern die Freiheit<br />

gebracht hat, wird in dieser Zeitschrift von zwei Frauen vertreten.<br />

Women's liberation habe den Männern die Möglichkeit gegeben,<br />

ihre Gefühle besser wahrzunehmen, sich in der Beziehung zur<br />

Partnerin von ihren herkömmlichen Rollen zu befreien <strong>und</strong> engeren<br />

Kontakt zu ihren Kindern zu bekommen. (Barr 1986, Estabrook<br />

1986)<br />

Beide Autorinnen zeichnen ein euphorisches Bild einer ungetrübten<br />

Partnerschaft zwischen Frau <strong>und</strong> Mann, wenn sich beide von den<br />

stereotypen Geschlechtsrollen befreien. "Frauenbefreiung <strong>und</strong> die<br />

Suche nach Gleichberechtigung in der Mann-Frau-Beziehung hat<br />

die Tür für Männer <strong>und</strong> Frauen geöffnet, um sich selbst als ganze<br />

menschliche Wesen mit der ganzen Fülle von emotionaler <strong>und</strong> in-<br />

13 Vol. VII, Nr. 1, 1985.<br />

14 Vol. VII, Nr. 2, 1985.<br />

15 Vol. VII, Nr. 3, 1985.<br />

16 Vol. VII, Nr. 4, 1985.<br />

17 Vol. VIII, Nr. I, 1986.<br />

18 Vol. VIII, Nr. 2, 1986.<br />

19 Vol. VIII, Nr. 3, 1986.<br />

20 Vol. IX, Nr. 1, 1987.<br />

21 Vol. IX, Nr. 2, 1987.


72<br />

tellektueller Ausdrucksstärke zu erleben." (Barr. S. 12)<br />

Dieser Ansatz. den Männern das Positive an der Veränderung vor<br />

Augen zu haiten. zieht sich als Leitmotiv durch die Zeitschrift.<br />

wenn er auch nicht in jedem Artikel zu finden ist. In der<br />

Schwerpunktnummer über "Die Geburt der Väter" ist diese Vorgehensweise<br />

sehr deutlich. Der Gastherausgeber dieser Nummer. der<br />

Psychiater Martin Greenberg hat den Begriff "Engrossment" geprägt.<br />

um den intensiven Einfluß des neugeborenen Kindes auf<br />

den Vater zu beschreiben (Greenberg 1986. vgl. auch Greenbergl<br />

Morris 1974).<br />

'''Engrossment' bezieht sich auf die explosive Macht. die Säuglinge<br />

über ihre Väter haben. Der Vater fühlt sich ... davongetragen von<br />

seinen Gefühlen. Er ist fasziniert vom Anblick. von den Tönen<br />

<strong>und</strong> den Berührungen seines Kindes. betrachtet sein Kind als<br />

vollkommen <strong>und</strong> fühlt sich zu seinem Kind hingezogen ais sei es<br />

ein Magnet. Er erlebt ein Hoch bel der Geburt <strong>und</strong> sein Selbstvertrauen<br />

wächst." (ebd.• S. 2) Dies ist -der Beginn eines "Liebesbandes<br />

zwischen Vater <strong>und</strong> Baby" oder - wie Greenberg pathetisch<br />

titelt - dIe "Geburt eines Vaters".<br />

In einem Artil


73<br />

SIch nichts Neues, da sie in den vielen Zeitschriften, in denen<br />

(zukünftige) Mütter angesprochen werden, zu finden sind. Nichtsdestoweniger<br />

hat ein solcher Artikel seinen Wert darin, daß gezielt<br />

Väter angesprochen werden, nicht zuletzt in bezug auf ein<br />

Lebensalter des Kindes, das im Bewußtsein weiter Teile der öffentlichkeit,<br />

aber auch von ExpertInnen wie PsychologInnen <strong>und</strong><br />

PsychotherapeutInnen praktisch ausschließlich Domäne der Mutter<br />

ist <strong>und</strong> zu sein hat.<br />

Anhand eines Artikels des Herausgebers der "Nurturing Today",<br />

David Giveans, <strong>und</strong> eines Redakteurs, Michael Robinson, (1986) in<br />

einem Reader über die Dimensionen der Vaterschaft (Hanson! Bozett<br />

1986) können wir den Geist der Zeitschrift näher erläutern.<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> sich verändernder Familienstrukturen (insbesondere<br />

der stark gestiegenen Erwerbstätigkeit von Müttern)<br />

plädieren Glveans/ Robinson für ein "modernes Bild der Vaterschaft".<br />

Der Vater nehme jetzt nicht mehr eine autokratische<br />

Haltung ein, sondern besitze eine "menschlichere Identität". Sie<br />

argumentieren mit "menschlichen Werten", mit der- "menschlicheren<br />

Rolle", die der Vater nun spiele <strong>und</strong> damit, daß er "seiner Männlichkeit<br />

eher etwas hinzufüge als daß er sie beeinträchtige".<br />

(ebd., S. 119) Dies gelte auch für die "psychologischen Väter",<br />

also z.B. die Lehrer, die nach Meinung der Autoren ein "ausgleichendes<br />

Rollenmodell zur feminisierten Welt der professionellen<br />

Erziehung bieten. Der Lehrer stellt· ein. männliches Rollenmodell<br />

für Kinder dar, denen ein konstantes männliches Rollenmodell zu<br />

Hause fehlt, <strong>und</strong> er liefert ein vergleichendes Rollenmodell für<br />

Kinder aus Kernfamlllen." (ebd.)<br />

Giveans/ .Robinson zeichnen ein Bild vom modernen Vater, der<br />

Gefühle zeigt, sich nicht zu sehr kontrolliert, sich nicht nur über<br />

den Beruf definiert, <strong>und</strong> auch bereit <strong>und</strong> offen dafür ist, von den


74<br />

Kindern zu lernen. Sie propagieren einen modernen, in der<br />

KIndererziehung engagierten Vater, der sich vom traditionellen<br />

Vater mit dessen Beschränkung auf die Ernährerrolle positiv abhebt.<br />

Mit dieser Herangehensweise hat die Zeitschrift "Nurturlng<br />

Today" eine wichtige Funktion, um den Vätern aufzuzeigen, daß<br />

sie durch verstärkte Teilnahme am Leben ihrer Kinder (<strong>und</strong> auch<br />

Enl


76<br />

entziehen, gerät bei diesem (aus der Wachstums psychologie abgeleiteten)<br />

Ansatz aus dem Blickfeld.<br />

Giveansl Robinson betonen au!}erdem die Relevanz des männlichen<br />

Rollenmodells für das Kind in einer "feminisierten Welt der professionellen<br />

Erziehung". Damit stehen sie zum einen im Widerspruch<br />

zu den Ergebnissen von Lamb (l987b) (siehe 3.3.1.6.), der<br />

die Relevanz der Männlichkeit bei der Erziehung des Vaters nicht<br />

bestätigen konnte. Zum anderen sehen wir in der Art, wie Giveansl<br />

Robinson die Präsenz von Frauen in der professionellen<br />

Erziehung charakterisieren <strong>und</strong> die Bedeutung von Männern für<br />

die professionelle Erziehung hervorheben, zuminde.st frauenfeindliche<br />

Töne (siehe auch 3.3.1.2. für Vorläufer dieser Haltung im 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert).<br />

3.3.3. Die Fathering Task Group der National Organization<br />

for Changing Men<br />

Die Fathering Task Group ist ein Forum für Männer, die in der<br />

sozialpädagogischen, psychologischen oder pädagogischen Arbeit<br />

mit Vätern, in der Väterforschung engagiert oder einfach Väter<br />

sind. Circa dreimal im Jahr erscheint ihr Newsletter "Father<br />

Love". Die Fathering Task Group hat 45 zahlende Mitglieder.<br />

Bob Baugher, der Leiter der Fathering Task Group, Psychologe <strong>und</strong><br />

College-Dozent in Seattle, grenzt sich gegen maskulistische father<br />

right's Gruppen (siehe 3.2.) ab. Es kam des öfteren vor, da!} Leserbriefe,<br />

die an "Father Love" geschickt wurden, Anklänge frauenfeindlichen<br />

Inhalts hatten. Es sind zumeist Briefe geschiedener<br />

Männer. In der Regel, so berichtet Bob Baugher, sei es ihm gelungen,<br />

die Briefeschreiber davon zu überzeugen, Veränderungen


76<br />

an den Briefen vorzunehmen. Danach hätten die Briefe keine<br />

frauenfeindlichen Töne mehr gehabt, so daß er sie habe abdrucken<br />

können. Er nimmt an, daß ein Drittel der Mitglieder der Task<br />

Group teilweise maskulistische Ansichten hat.<br />

Während der Jahreskonferenz der National Organization for<br />

Chan ging Men 1986 karnen zwanzig Mitglieder zweimal zusammen,<br />

um ihre Interessen <strong>und</strong> Meinungen darüber, wie die Task Group<br />

gestaltet werden solite, auszutauschen. Während der Konferenz in<br />

Hartford (I987) nahmen an einer Zusammenkunft der Task Group<br />

nur drei Männer teil. Mitglieder der Task Group, die auch auf der<br />

Konferenz anwesend waren, zogen andere der ca. fünfzehn zur<br />

gleichen Zeit stattfindenden Veranstaltungen vor.<br />

Ähnlich wie die "Nurturing Today" erscheint uns der Ton des<br />

Newsletters "Father Love" öfter übertrieben pathetisch. Väter,<br />

Väterlichkeit <strong>und</strong> die Bedeutung der Väter für die Kinder erscheinen<br />

in einem rosigen Licht. Von beiden Periodika sollen Väter<br />

davon überzeugt werden, daß es wichtig ist, daß sie sich mehr -<br />

um ihre Kinder kümmern, daß sie die Fähigkeiten dazu haben <strong>und</strong><br />

daß es für alle Betelllgten sehr positive Auswirkungen haben<br />

kann. Ein Verdacht bleibt jedoch, daß hier maskulistische Vätertendenzen<br />

gefördert werden können.-<br />

3.3.4. Das Fatherhood Project<br />

Im September 1981 begann das Fatherhood Project am Bank Street<br />

College of Education in New York City seine Arbeit mit dem Ziel.<br />

die "Entwicklung einer großen Bandbreite von Optionen für männliches<br />

Engagement beim Kinderaufziehen zu ermutigen". (Klinman/<br />

Kohl 1984, s. xxi) Dies sollte mittels einer Bestandsaufnahme der


77<br />

schon bestehenden Programme <strong>und</strong> Dienstleistungen erreicht werden,<br />

die in einem USA-weiten Führer zusammengefaßt wurden, zum<br />

anderen durch eigene Modellprogramme, von ihnen initiierte Forschung<br />

über Väter <strong>und</strong> gezielte Öffentlichkeitsarbeit in bezug auf<br />

die Veränderungen bei Vätern. Das Fatherhood Project wurde von<br />

dem führenden Väterforscher Prof. Michael Lamb, dem führenden<br />

men's studies Forscher Prof. Joseph H. Pleck, <strong>und</strong> dem Väterforscher<br />

Prof. James A. Levlne, geleitet.<br />

1984 gab das Fatherhood Project den ersten nationalen Führer<br />

über Programme, Dienstleistungen <strong>und</strong> Quellen für <strong>und</strong> über Väter<br />

"Fatherhood USA" (Klinman! Kohl 1984) heraus. Dieser Führer beschreibt<br />

450 Programme für Väter in allen Teilen der USA: Programme<br />

für werdende <strong>und</strong> frisch gebackene Väter, Programme für<br />

Väter von behinderten <strong>und</strong> kranken Kindern, Kinderpflegekurse 'für<br />

Jungen im schulpflichtigen Alter, Vater-Kind-Kurse (Je nach Alter<br />

der Kinder), Seibsthllfe- <strong>und</strong> Diskussionsgruppen für Väter im<br />

allgemeinen bzw. speziell für alleinerziehende Väter, Stiefväter,<br />

Väter im Alter bis zu zwanzig Jahren, schwule Väter, inhaftierte<br />

Väter, etc.<br />

In ihre Bestandsaufnahme haben die Wissenschaftler kommentarlos<br />

Vaterrechtsgruppen aufgenommen, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Scheidungs<strong>und</strong><br />

Sorgerechtsprobleme ausgesprochen frauenfeindlich eingestellt<br />

sind. Gr<strong>und</strong>sätzlich sollte jedoch das Engagement der Männer gegenüber<br />

Kindern ermutigt werden <strong>und</strong> neue Projekte sollten angeregt<br />

werden.<br />

Selber hat das Fatherhood Project zwei Modellprojekte durchgeführt,<br />

eins für Väter <strong>und</strong> Kleinkinder <strong>und</strong> das andere für Schuljungen,<br />

die lernen, Kleinl


78<br />

group" (Oppenheim et al., 1986), <strong>und</strong> eine Broschüre "Boys and<br />

Girls and Babies" (Dombro 1986), die auf den obigen MOdellprojekten<br />

basieren, herausgegeben.<br />

Das Fatherhood Project hat in einigen Großstädten "Väterforen"<br />

initiiert bzw. unterstützt. Am Vatertag wurden auf öffentlichen<br />

Plätzen Stände verschiedener Organisationen <strong>und</strong> Initiativen zur<br />

Vaterschaft aufgestellt. Diese Väterforen sollten Väter <strong>und</strong> künftige<br />

Väter ansprechen <strong>und</strong> das öffentliche Interesse am Vatern<br />

vergrößern.<br />

Wissenschaftliche Arbeiten der Professoren Joseph H. Pleck, Michael<br />

Lamb <strong>und</strong> James A. Levine über Vaterschaft, die in zahlreichen<br />

Artikeln ihren Niederschlag fanden, sind vom Vaterschaftsprojekt<br />

unterstützt worden.<br />

Von diesem Projekt ging eine rege öffentlichkeitswirkung in der<br />

populären wie der wissenschaftlichen Presse aus. 1985 beendete<br />

das Fatherhood Project seine von- vornherein befristete Arbeit.


79<br />

3.4.<br />

Forschung über Männer <strong>und</strong> Männlichkeit -<br />

studies"<br />

"men's<br />

Als "Men's studies" bezeichnen viele US-amerikanische WissenschaftlerInnen<br />

ihren Ansatz. Femiano (1985) führt 33 Kurse von<br />

27 verschiedenen WissenschaftlerInnen auf. Nach einer Recherche<br />

der New York Times (15.04.1984) wurden an 102 Universitäten <strong>und</strong><br />

Colleges men's-studies-Kurse durchgeführt.<br />

In den letzten Jahren wurden Dutzende Bücher in diesem Gebiet<br />

veröffentlicht. Kurz definiert sind Männerstudien Studien. die<br />

Männer. Männlichkeit <strong>und</strong> Männergesellschaft analysieren. ohne die<br />

traditionelle Gleichsetzung von Mann = Mensch fortzuführen. Innerhalb<br />

des Feldes der Männerstudien gibt es eine weite Spannbreite<br />

von Ansätzen. Methoden <strong>und</strong> Richtungen.<br />

Wir wollen hier zunächst die wichtigste Richtung anhand einer<br />

Betrachtung der Arbeiten ihres bedeutendsten Vertreters charakterisieren.<br />

Die beiden bisher veröffentliChten Textbücher für Colleges<br />

<strong>und</strong> Universitäten gehören dieser Str(imung an (Doyle 1983<br />

<strong>und</strong> Franklin 1984).<br />

Danach stellen wir einen profilierten. exponiert antisexistlschen<br />

men's studies Forscher vor: Harry Brod <strong>und</strong> gehen kurz auf den<br />

Vorschlag von Mark Kann ein. bei den men's studies von der Ambivalenz<br />

der Männer auszugehen. behandeln den Zusammenhang<br />

von "Homosexismus" <strong>und</strong> hegemonialer Männlichkeit <strong>und</strong> erwähnen<br />

die beiden wichtigsten Institutionen der men's studies in den<br />

USA.1<br />

1 Väterforschung behandeln wir in einem gesonderten Kapitel<br />

3.3.1. In diesem Kapitel diskutieren wir Arbeiten von Joseph<br />

Pleck zur Väterforschung.


80<br />

3.4.1. Die Hauptströmung - Joseph H. Pleck<br />

Joseph H. Pleck kommt eine zentrale Position In der Forschung<br />

über Männer <strong>und</strong> Männlichkeit in den USA zu. Er ist heute Professor<br />

für "Famlllen, Veränderung <strong>und</strong> Gesellschaft" am Wheaton<br />

College In Massachusetts. Er war einer der ersten, die mit dem<br />

spezifischen Männlichkeits-kritischen Ansatz arbeiteten. Er schloß<br />

seine Dissertation 1973 an der renommierten Harvard Universität<br />

über Männer ab. Seit diesem Jahr sind von ihm ca. 40 Veröffentlichungen<br />

über Männer erschienen. 1974 publizierte er zusammen<br />

mit Jack Sawyer den ersten Sammelband "selbstkritischer" Männer<br />

über Männer mit dem Titel "Men and Masculinity", der diese<br />

Denkrichtung stark beeinflußte. Schon bevor er seine umfangreiche<br />

Darstellung des neuen Ansatzes ("Myth of Masculinlty" 1981)<br />

veröffentlichte, war er der proflllerteste Vertreter dieser Richtung.<br />

Mit "Myth of Masculinity" hat er diesen Ansatz erheblich<br />

. deutlicher herausgearbeitet. Es handelt sich· um den wiChtigsten<br />

Theorieansatz zur Kritik an Männlichkeit.<br />

Die traditionelle Forschung über die Männerrolle in den USA<br />

Um den neuen Ansatz von Pleck <strong>und</strong> anderen verstehen zu können,<br />

müssen wir zuerst kurz die Forschung über die Männerrolle<br />

charakterisieren, die in den USA schon eine relativ lange Tradition<br />

hat. Ein wichtiger sozialer Zusammenhang der Entstehung<br />

dieser Forschung ist folgender: Früher gaben soziale Institutionen<br />

<strong>und</strong> feste Verhaltensnormen den Geschlechtern feste<br />

Verhaltensorientierungen. Als diese Verhaltensorientierungen an<br />

Bedeutung verloren, mußte ein neuer Orientierungsrahmen für das


81<br />

soziale Verhalten entstehen (siehe Rieff 1966). Laut Pleck war<br />

dies die Geschlechterrollenpsychologie. Er schreibt. daß die Forschung<br />

über Geschlechterrollen hauptsächlich mit folgenden Fragestellungen<br />

beschäftigt war: Was macht Männer weniger maskulin<br />

als sie sein sollten? Wie können wir das ändern? Daß diese Forschungsrichtung<br />

ihren ersten Höhepunkt in den 30er Jahren erreichte.<br />

führt Pleck darauf zurück. daß wegen der hohen Arbeitslosigkeit<br />

viele Männer sich in ihrer männlichen Identität bedroht<br />

fühlten. Wenn Erwerbsarbeit Männlichkeit nicht mehr bestätigen<br />

konnte. so sollten z.B. Maskulinitäts/ Femlnltäts-Skalen in der<br />

Forschung diese Funktion übernehmen. Ihren zweiten Höhepunkt<br />

erreichte diese empirische Forschung in den 50er Jahren. als<br />

Männlichkeit dadurch als bedroht wahrgenommen wurde. daß<br />

Frauen während· des Krieges "Männerarbeitsplätze" eingenommen<br />

hatten.<br />

Pleck zeigt. wie der Forschung über die Männerrolle ein Paradigma<br />

der Männerrollen-Identltät ("Male Sex Role Identity Paradigma")<br />

unterliegt. Ganz bestimmte Thesen <strong>und</strong> Erkenntnisinteressen sind<br />

immer wieder verfolgt worden. Gr<strong>und</strong>legend für dieses Paradigma<br />

ist die These. daß es ein angeborenes Bedürfnis nach einer Geschlechtsrollenidentität<br />

gibt. Ausgehend von dieser Vorstellung<br />

wurden viele Probleme als Probleme der geschlechtlichen Identität<br />

gedeutet. Hypermaskulinität z.B. wird als Reaktion auf eigene<br />

weibliche Anteile erklärt. Homosexualität soll in einer Störung der<br />

Geschlechtsrollenidentität ihre Ursache haben.<br />

Plecks Kritik -<br />

<strong>Möglichkeiten</strong> zu veränderter Männlichkeit<br />

Pleck widerlegt in seinem Buch ausführlich diese <strong>und</strong> andere<br />

Thesen des Male Sex Role Identlty Paradigma. Die gr<strong>und</strong>legende


82<br />

Annahme ist, wie gesagt, daß Menschen ein angeborenes Bedürfnis<br />

nach einer geschlechtlichen Identität, einer Identität als Mann<br />

oder Frau besitzen. Pleck zeigt jedoch, daß dieses Bedürfnis deshalb<br />

entsteht, weil die Gesellschaft vom Einzelnen ein je nach<br />

Geschlecht normiertes Verhalten erwartet. Entspricht der Einzelne<br />

diesen Erwartungen nicht, wird er negativ sanktioniert.<br />

In "Myth of Masculinity" bezeichnet Pleck seinen Ansatz als "Sex<br />

Role Strain" Paradigma. Pleck hat dieses Paradigma nicht erf<strong>und</strong>en<br />

- es hat sich in der Kritik an dem vorher <strong>und</strong> auch heute noch<br />

praktizierten Ansatz langsam in den Arbeiten vieler Forscher<br />

heraus kristallisiert. Pleck ist derjenige, der diesen Ansatz als erster<br />

systematisch als neues Paradigma formulierte <strong>und</strong> analysierte.<br />

Das Sex Role Strain Paradigma fordert nicht die Einhaltung be­<br />

'stimmter Normen geschlechtstypischen Verhaltens, sondern thematisiert<br />

das Gegenteil. Es behandelt den "strain", die Belastung,<br />

die dadurch entsteht, daß auf uns Druck ausgeübt wird, bestimmte<br />

Geschlechterrollen zu übernehmen. Pleck ist der Ansicht, daß viele<br />

psychische Probleme dadurch entstehen, daß wir gezwungen sind,<br />

vorgeformten Vorstellungen von Männlichkeit zu entsprechen.<br />

Pleck zeichnet einen wissenschaftlichen Rahmen, innerhalb dessen<br />

von der Norm abweichendes Verhalten von Männern, das bisher<br />

gesellschaftlich stigmatisiert wurde, positiv bewertet werden kann.<br />

Das Sex Role Strain Paradigma unterliegt einem großen Teil der<br />

Forschung, die von Androgynität ausgeht, d.h. davon, daß alle<br />

Menschen traditionell nur Frauen bzw. Männern zugeschriebene<br />

Empfindungen <strong>und</strong> Eigenschaften besitzen.<br />

Mängel von Plecks Ansatz<br />

Pleck kritisiert am traditionellen Male Sex Role Paradigma mit


83<br />

Recht, daß es vorgibt, für beide Geschlechter in gleichem Maße<br />

gültig zu sein, sich in Wirklichkeit aber vor allem um die Probleme<br />

sorgt, die die Männer mit ihrer Identität zu haben scheinen.<br />

Pleck unterläuft derselbe Fehler. Er nennt sein Paradigma nicht -<br />

entsprechend dem Male Sex Role Identity Paradigma - Male Sex<br />

Role Strain Paradigma. Er scheint also die Forschung über beide<br />

Geschlechter zu behandeln, ist in Wirklichkeit aber ebenfalls<br />

hauptsächlich mit Männern beschäftigt.<br />

Plecks größte Beschränkung hängt mit diesem Fehler zusammen. Er<br />

leistet zwar eine radikale Kritik des Identitätsdenkens, der Vorstellung,<br />

Männer müßten ein bestimmtes, als männlich definiertes<br />

Verhalten zeigen. Gleichzeitig bleibt seine Kritik aber völlig in<br />

der Empiriegläubigkeit <strong>und</strong> im Psychologismus der traditionellen<br />

Forschung über Geschlechterrollen befangen.<br />

Diese Beschränkung hängt weitgehend mit der unkritischen Übernahme<br />

des Begriffs Männerrolle zusammen. Der Arbeit von Pleck<br />

unterliegt folgende· Vorstellung: Die Gesellschaft fordert vom Ein'"<br />

zeInen eine Geschlechtsrolle, sie schränkt dadurch das Potential<br />

des Einzelnen willkürlich ein ("arbitrarily restriet individuals'<br />

potential"). Deshalb geht es also darum, die Männer von ihrer<br />

Belastung durch die Männerrolle zu befreien. Herrschaft wird<br />

ausgeklammert. Interessen der Männer, die Männerrolle auszufüllen,<br />

bleiben unberücksichtigt. Pleck betrachtet vornehmlich die<br />

Unterdrückung des Einzelnen - Gesellschaft nur insofern, als sie<br />

Zwänge auf den Einzelnen ausübt. Daß Männer von gesellschaftliehen<br />

Positionen profitieren (von der Männerrolle profitieren)'<br />

bleibt so gut wie immer unberücksichtigt. An einigen wenigen<br />

Stellen kommt Pleck darauf zu sprechen.<br />

Ein charakteristisches Beispiel: Eine der Thesen des Sex Role


84<br />

Strain Paradigma lautet: Für Männer hat es härtere Konsequenzen,<br />

wenn sie von ihrer Geschlechterrolle abweichen, als für Frauen.<br />

Als Nachbemerkung zu dieser These führt Pleck eine seiner wenigen<br />

soziologischen überlegungen. an. Wenn wir in Betracht zögen,<br />

daß die Geschlechterrollen einen unterschiedlichen Zugang zur<br />

Macht mit sich bringen, sei die Frauenrolle eindeutig einschränkender<br />

als die Männerrolle. Indern Pleck hier die Dimension gesellschaftlicher<br />

Macht einmal nicht ausklammert, kommt er selbst<br />

zu einer seiner eigentlichen unmittelbar widersprechenden Aussage.<br />

3.4.2. Antisexistische Ansätze innerhalb der men's studies<br />

- Harry Brod<br />

Den beschriebenen Mangel vieler men's studies-Arbeiten vermeiden<br />

ForscherInnen, die einen antisexistischen Ansatz (unsere Bezeichnung)<br />

nicht aus dem Auge verlieren. Sie berücksichtigen in<br />

ihrer Forschung, daß wir in einer von Männern beherrschten <strong>und</strong><br />

in ihren kulturellen <strong>und</strong> politischen Gr<strong>und</strong>strukturen von männliehen<br />

Werten bestimmten Gesellschaft leben. Es handelt sich hier<br />

um eine Tendenz, weniger um einen aus~efeilten Ansatz. Einige<br />

Forscher dieser Richtung bezeichnen ihren Ansatz als feministisehe<br />

Männerforschung. Wir halten diesen Begriff, wenn er sich auf<br />

Männer bezieht, genauso wie den Ausdruck "Feministischer Mann",<br />

der unter antisexistischen Männern in den USA weit verbreitet<br />

ist, für unangebracht.


85<br />

Harry Brod zwischen sozialistischem Feminismus <strong>und</strong> der guten<br />

Natur der Männer<br />

Harry Brod ist der US-Wissenschaftler, der bisher den größten<br />

Beitrag zu einern antisexistischen Ansatz der men's studies geleistet<br />

hat. 1985 bis 1987 war er einer der beiden Vorsitzenden (cochair)<br />

von NOCM. 1982 bis 1987 war er Associate Professor am<br />

Institute for the Study of Women and Men an der University of<br />

Southern California in Los Angeles (siehe 3.4.5.). Harry Brods<br />

Theorie ist sehr eklektizistisch. Er gebraucht häufig den Begriff<br />

Männerrolle, obwohl er die Kritik von Carrigan et al. an dem Begriff<br />

begrüßt. Vor allem bewegt er sich in einer Ambivalenz zwischen<br />

Cp-Counseling Ansatz <strong>und</strong> radikalem bzw. sozialistischem<br />

Feminismus. Auch er bezeichnet sich als Feminist.<br />

Die besten Impulse Brods s!nd seine männerpolitischElfi Hinweise<br />

<strong>und</strong> seine Sensibilität für andere politische Fragen <strong>und</strong> seine<br />

(leider teilweise gebrochene) Aufnahme radikalfeministischer Inhalte.<br />

In seinem im Sommer 1986 in der "Changing Men" veröffentlichten<br />

Artikel "Brüderlichkeit, Gleichheit, Freiheit" kommt<br />

seine Neigung zu Auffassungen der Co-Counseling-Gemeinschaft<br />

allerdings überdeutlich zum Tragen. In der ersten Hälfte des Artikels<br />

argumentiert er für den guten Mann, in dessen ureigenem<br />

Interesse seine antisexistische Veränderung sei. Die zweite Hälfte<br />

des Artikels bringt eine Kehrtwendung: Er spricht von der Ambivalenz<br />

der Männer, die Macht sei die große Versucherin der Männer<br />

im Patriarchat.<br />

Der erste bedeutende Artikel Brods zur Männerfrage erschien im<br />

Winter 1983/84 "Arbeitskleidung <strong>und</strong> Freizeitanzüge: die Klassenbasis<br />

<strong>und</strong> die Klassenscheuklappen der Männerbewegung". Es ist<br />

, .<br />

die ausführlichste Kritik an den Mittelschichtsscheuklappen der


86<br />

US-Männergruppenszene (siehe 3.1.9.). An dieser Stelle referieren<br />

wir kleine Teile seiner beiden Artikel in dem von ihm herausgegebenen<br />

Sammelband über men's studies "The Making of the<br />

Masculinities" (1987a).<br />

"Feministische" men's studies<br />

Brod meint, die men's studies sollten einen distinkten Beitrag zur<br />

feministischen Rekonstruktion des Wissens leisten. Seine allgemeinste<br />

Definition von men's studies lautet: men's studies "sind<br />

die Studien von Männlichkeiten <strong>und</strong> Erfahrungen von Männern als<br />

spezifische <strong>und</strong> variierende sozial-historisch-kulturelle Formationen.<br />

Diese Studien situieren Männlichkeiten als gleiche Studienobjekte<br />

wie Weiblichkeiten, anstatt sie als universelle Normen zu<br />

erhöhen" (Brod 1987c, S. 40). "Wenn Männer von ihrem zentralen<br />

Standort bewegt werden sollen <strong>und</strong> eine feministische Vision<br />

Wirklichkeit werden soll, muß die feministische Vision explizit auf<br />

die Männer gerichtet werden, um sie fortbewegen zu können."<br />

(ebd.)<br />

Politisch haben die men's studies ihre Wurzeln in der profeministischen<br />

Männerbewegung. Die Men's Studies Association ist das<br />

größte Organisations-Element der NOeM. "Men's studies sollten<br />

ohne Verlegenheit deutlich zu ihren Wurzeln in dem Streben nach<br />

fortschrittlichem, profeministischem Wandel der Männerrollen stehen."<br />

(ebd., S. 45)<br />

Bezüglich der Konflikte mit Frauenforschung über Finanzierung<br />

kann es hilfreich sein, sich Lösungen der parallelen Problematik<br />

der weiblichen <strong>und</strong> männlichen Anti-Gewalt Bewegungen anzusehen.<br />

Es gibt z.B. Repräsentantinnen von Anti-Gewalt-Frauen-


87<br />

gruppen in Vorständen von Männergruppen; übereinkünfte, Finanzanträge<br />

zuerst örtlichen Frauengruppen vorzulegen; übereinkünfte,<br />

prinzipiell nicht in Konkurrenz zu den Frauen, nach Geldern<br />

anzusuchen. Analoge institutionelle Verbindungen zwischen<br />

Frauen- <strong>und</strong> Männerforschung wären sinnvoll.<br />

Skizze einer "sozialistischen feministischen Männerforschung über<br />

kapitalistisch patriarchale Männlichkeit" (Brod)<br />

Langfristig erfolgt ein Wechsel der Macht von individuellen Patriarchen<br />

zu den Institutionen des kapitalistischen Patriarchats. Die<br />

Entwicklung des Kapitalismus bringt Entpersönlichung, Bürokratisierung<br />

<strong>und</strong> Entfremdung mit sich. Der Spalt zwischen persönlicher<br />

<strong>und</strong> 'institutioneller Macht klafft weiter auseinander, d.h., die<br />

meisten Männer fühlen sich privat machtlos, obwohl Männermacht<br />

institutionalisiert ist. Persönliche Beziehungen sind nicht mehr<br />

der Ort der Männermacht. Daher können Veränderungen des männlichen<br />

Charakters (z.B; von autoritär zu· sorgend) toleriert werden.<br />

Die Forderung nach mehr sorgenden Vätern berührt die Machtorientierung<br />

der kapitalistischen patriarchalen Institutionen nicht.<br />

Verstärkt werden Kooperationsfähigkeiten gefordert anstatt nur<br />

Konkurrenz. Andererseits werden traditionell männliche Orientie~<br />

rungen verstärkt, die funktional sind für das System. Beispiele:<br />

körperlich stark sein, aggressiv sein <strong>und</strong> seine Arbeit kontrollieren.<br />

Die Trennung von Kopf- <strong>und</strong> Handarbeit bringt aber mit sich,<br />

daß kein Mann diese Ziele gleichzeitig erreichen kann. Also sind<br />

die Männer frustriert <strong>und</strong> klammern sich an Geschlechtsidentitätsbeweise,<br />

die diese Gesellschaft ermöglicht. Es gibt ein "Wechselspiel<br />

zwischen pSYChologischen, ökonomischen <strong>und</strong> politischen<br />

Vor- <strong>und</strong> Nachteilen" für Männer. Protestantisch-kapitalistische


88<br />

Arbeitsethik <strong>und</strong> ödipaler Lustaufschub stehen miteinander in<br />

Zusammenhang. "Die feministische Wissenschaftsphilosophie <strong>und</strong><br />

ökofeministische Werke haben den Zusammenhang zwischen instrumentellen<br />

männlichen <strong>und</strong> wissenschaftlichen Rationalitäten gezeigt."<br />

(Brod 1987b, S. 15) Dritt-WeIt- <strong>und</strong> Arbeiter-Männlichkeiten<br />

können als Widerstandsformen gegenüber der Gieichmacherei<br />

verstanden werden, die für die herrschende Männlichkeit essentiell<br />

ist. Wir müssen die Trennung zwischen Privatem <strong>und</strong> öffentlichem<br />

der Männlichkeiten hier bedenken. Männer höherer Klassen<br />

mögen netter, weniger machomäßig erscheinen. Die institutionelle<br />

Männermacht, die sie ausüben, ist unpersönlicher, aber sie ist<br />

wirksamer in bezug auf Frauenunterdrückung als persönliches<br />

Machoverhalten von Männern unterer Klassen.<br />

3.4.3. Die Ambivalenz der Männer<br />

Mark Kann (1986) hat eine wichtige gr<strong>und</strong>sätzliche Kritik an<br />

vielen Men's study Arbeiten geleistet <strong>und</strong> zugleich einen Ansatz<br />

für künftige Forschung über Männer formuliert. Er kritisiert die<br />

Auffassung, die Veränderung der Männer sei in ihrem eigenen Interesse.<br />

Daß Männer sich nicht mehr entsprechend hegemonialer<br />

Männlichkeit verhalten, soll nach Meinung einiger Forscher unmittelbar<br />

mit ihrem Interesse zusammenfallen.<br />

Kann nimmt den Aufsatz von Brod "Eros thanatized" (1984) als'<br />

Beispiel. Brod schreibt, Pornografie sei nicht im Interesse der<br />

Männer, well sie ihre Sexualität verunstalte. Kann entgegnet, daß<br />

Pornografie durchaus dem Interesse der Männer entspricht, well<br />

sie die Ideologie der Männerherrschaft reproduziert. Hegemoniale<br />

Männlichkeit entspricht dem Interesse der Männer. Als große Regel<br />

können wir sagen, daß das unmittelbare Eigeninteresse der Männer


89<br />

nicht mit der Opposition von Feministinnen gegen Patriarchat <strong>und</strong><br />

hegemonialer Männlichkeit übereinstimmt. Männer erhalten durch<br />

die Unterordnung der Frauen Privilegien: bessere Arbeitsplätze mit<br />

höherem Status <strong>und</strong> Einkommen, Macht <strong>und</strong> Anerkennung, etc.<br />

Men's studies haben sich bisher auf die Untersuchung der Leiden<br />

der Männer in dieser Gesellschaft konzentriert, d.h. auf qie Leiden<br />

des herrschenden Geschlechts. Diese Ausrichtung ist nur dann zu<br />

rechtfertigen, wenn sie die Ambivalenz der Männer betrachtet.<br />

Einerseits haben Männer Motive <strong>und</strong> Interessen, die herrschende<br />

Männlichkeit aufrechtzuerhalten, andererseits haben sie Interessen<br />

<strong>und</strong> Motivationen, gegen die Männerherrschaft anzugehen. In dieser<br />

Ambivalenz befinden sich im Patriarchat alle Männer.<br />

Kann sieht Parallelen zu den BürgerInnen, die sich für unterdrückte<br />

Klassen <strong>und</strong> zu den Weißen, die sich für die Befreiung der<br />

Schwarzen eingesetzt haben. Dies sind für ihn Beispiele für<br />

Selbstaufopferung ("self sacrifice") - ein Begriff, den wir für<br />

fragwürdig halten, weil er die Gewinne auf der gesellschaftl1chen<br />

<strong>und</strong> persönlichen Ebene <strong>und</strong> damit die persönlichen Motivationen<br />

außer Betracht läßt.<br />

3.4.4. "Homosexismus" <strong>und</strong> hegemoniale Männlichkeit<br />

Herek (1986) hat den Begriff Homophobie problematisiert, weil das<br />

Suffix "-phobie" suggeriert, daß das Individuelle Vorurteil hauptsächlich<br />

auf Angst basiert <strong>und</strong> diese Angst irrational <strong>und</strong> disfunktional<br />

seI. Er meint jedoch, daß "Homophobie" teilweise deshalb<br />

so zählebig ist, weil sie funktional ist für die Individuen,<br />

die sie manifestieren.


90<br />

Lehne (1976) unterscheidet zwischen "Homosexismus" als gesellschaftlichem<br />

Phänomen <strong>und</strong> der psychischen Manifestation der<br />

"Homophobie" . Homophobie existiert nach seiner Untersuchung in<br />

den meisten Fällen nicht als ein isolierter Charakterzug oder als<br />

ein Vorurteil, sondern ist charakteristisches Merkmal für Individuen,<br />

die generell rigide <strong>und</strong> sexistisch sind. Homosexismus kann<br />

auch bei Homosexuellen <strong>und</strong> anderen, die nicht persönlich Angst<br />

vor Homosexualität haben, vorkommen. In diesen Fällen besteht<br />

nur eine Beziehung zur Homophobie, insoweit Homophobie eine soziale<br />

Norm ist. (ebd., S. 67) Nach Lehne ist deshalb Homophobie<br />

keine persönliche Phobie, sondern eine "Technik der sozialen<br />

Kontrolle durch homosexistische Individuen, um die Normen der<br />

männlichen Geschlechtsrolle zu erzwingen." (ebd., S. 77)<br />

Dhise gesellschaftliche Betrachtungsweise hat auch in kirchlichen<br />

Kreisen Eingang ·gef<strong>und</strong>en. So benutzen Autorinnen in einem Programm<br />

der Presbyterianischen Kirche der USA zur Erziehung gegen<br />

Homophobie den Begriff "Heterosexismus" (meint: Diskriminierung<br />

von Homosexuellen) vergleichbar mit dem Rassismus <strong>und</strong> Sexismus<br />

(Mollenkott o.J., Glaser o.J.).<br />

Die Unterdrückung <strong>und</strong> Verdrängung des Schwulen (des eigenen<br />

schwulen Bedürfnisses; der Männer, die als die Schwulen gelten;<br />

von Schwul-Sein als Code zur Abgrenzung hegemonialer Männlichkeit)<br />

ist ein wesentlicher Vorgang hegemonialer Männlichkeit.­<br />

Es geht< um die Ambivalenz im Verhältnis der Männer untereinander<br />

in der Männergesellschaft. Eine Ambivalenz zwischen Anerkennung/Liebe<br />

<strong>und</strong> Abwehr/Konkurrenz. Diese Ambivalenz hängt<br />

2 Zur "hegemonialen Männlichkeit" (Carrigan, Connell <strong>und</strong> Lee<br />

1985), siehe 2.2.


91<br />

von der Herrschaft der Männerwelten über die Frauenwelten ab."<br />

Homosexismus ist, so verstanden, ein zentrales Phänomen hegemonialer<br />

Männlichkeit. Das überwinden von Homosexismus hat ebenfalls<br />

große Bedeutung für das Leben eines anderen Mann-Seins.<br />

Homosexismus wird zum Teil eher psychologisch, zum Teil eher<br />

soziologisch interpretiert.<br />

Das "Schwul-Sein" ist für Jungen ein Code für vermeintlich Mädchenhaftes<br />

bzw. weibliches Verhalten, das mit Ablehnung, ja Ekel<br />

belegt ist, wenn Jungen es äußern. Schwul zu sein heißt unter<br />

Jungen, "abartig", kein ganzer Kerl zu sein. Für die Einfügung in<br />

Jungenhaftigkeit/ Männlichkeit ist die Abgrenzung gegenüber<br />

"Schwul-Sein" von zentraler Bedeutung. Zum großen Teil ist dieses<br />

Nicht-schwul-sein-Dürfen die übertragung des Nicht-Mutter­<br />

(bzw. Mädchen- <strong>und</strong> Frau-) sein-Dürfens auf das eigene Geschlecht.<br />

Der "weibliche" Junge bzw. Mann wird als schwul codiert.<br />

Verdrängung von Weiblichkeit ist Bestandteil von "normaler",<br />

d.h. hegemonialer Männlichkeit (siehe 2.2. <strong>und</strong> 4.3.2.).<br />

Ganz wichtig ist die Bedeutung dieser Abgrenzung für das Verhältnis<br />

von Jungen bzw. Männern untereinander. Das Nicht­<br />

"Schwul"-Sein bestimmt die Ambivalenz ihres Verhältnisses. Zärtlichkeiten<br />

<strong>und</strong> andere direkte Äußerungen von Nähe sind nicht<br />

erlaubt. Die Nähe, die Männer zueinander empfinden, findet andere<br />

Bahnen: z.B. Konkurrenz <strong>und</strong> das Konstruieren von Männerkulturen.<br />

Pilgrim hat mit seiner These "Alle Männer sind schwul" versucht,<br />

die große Affinität der Männer zueinander, z.B. in Gremien von<br />

3 Zu Männerweiten-Frauenwelten siehe die klassische Analyse von<br />

G.W.F. Hegel in der "Phänomenologie des Geistes", Kap. VI.A.


92<br />

Organisationen aller Art, zu erklären (vor allem in: Pilgrim<br />

1977/1983). Wir sind mit Freud der Auffassung, daß alle Menschen<br />

bisexuelle Anlagen besitzen. Pilgrims These zur Erklärung der<br />

"Männerbünde" <strong>und</strong> der verkappten Zuneigung von Männern zueinander<br />

halten wir jedoch für psychologistisch.<br />

Eine bessere Erl


93<br />

Frauenwelten wird letztendlich herabgesehen. Dennoch dürfen<br />

Äußerungen direkter Nähe nicht zwischen Männern getan werden.<br />

Sie sind dem Kontakt mit Frauen vorbehalten. Die Beziehungen zu<br />

Frauen sind mit beherrschender Heterosexualität besetzt. Die<br />

Haltung der Männer zj.leinander ist ambivalent. Es handelt sich um<br />

eine Ambivalenz zwischen Liebe/Anerkennung <strong>und</strong> Abgrenzung/<br />

Abwehr.<br />

Die Bedeutung der überwindung der Homophobie scheint in den<br />

allermeisten Männergruppen in den uns bekannten Ländern Konsens<br />

zu sein. Auch in den von der schwedischen ministeriellen<br />

Arbeitsgruppe durchgeführten Seminaren wurde diese Auffassung<br />

des öfteren geäUßert <strong>und</strong> schien unwidersprochen zu bleiben.<br />

In ihrem Ideenprogramm weist die Arbeitsgruppe auf den schädliehen<br />

Einfluß der Homophobie bzw. des Homosexismus auf die Entwicklung<br />

der Jungen hin (Arbetsgruppen om mansrollen 1985d, S.<br />

44).<br />

Die Männer in Männergruppen versuchen, sich von Homophobie zu<br />

befreien. Das Kennenlernen von Schwulen <strong>und</strong> ihren Kulturen kann<br />

dabei hilfreich sein. Am wichtigsten ist das Zulassen von Nähe zu<br />

Männern. Das schließt auch das Äußern von Zuneigung ein. Daß<br />

diese ersten Versuche, Nähe zueinander zu äußern, manchmal etworden.<br />

Diese<br />

was aufgesetzt oder holprig sind, ist oft. karikiert<br />

Anfangsschwierigkeit tut der Bedeutung der überwindung der Homophobie<br />

jedoch keinen Abbruch.<br />

Der Kampf gegen Homophobie ist ein ausgesprochenes Männer-


94<br />

gruppenthema 4 • Es geht für die heterosexuellen Männer nicht nur<br />

um eine Solidarität mit den Schwulen <strong>und</strong> Lesben gegen deren<br />

gesellschaftliche Diskriminierung <strong>und</strong> Verfolgung, sondern es geht<br />

auch um die Veränderung herrschender Männlichkeit. Männer sollen<br />

offener, persönlicher miteinan


95<br />

Institute for the Study of Women and Men an der University of<br />

Southern California in Los Angeles<br />

Die University of Southern California in Los Angeles ist eine<br />

große <strong>und</strong> renommierte Universität mit vielen Fakultäten. Seit den<br />

70er Jahren ist ein Programm entwickelt worden, das der sozialen<br />

Transformation der Frauen <strong>und</strong> Männer Rechnung trägt. Die Theorie<br />

des Männerstudienteils der Study of Women and Men in Society<br />

(SWMS) beinhaltet, nach den Worten einer Professorin (Orenstein<br />

1986), daß es notwendig ist, die Gleichsetzung Mann = Mensch zu<br />

analysieren, weH sie nicht nur Frauen, sondern auch die meisten<br />

Männer von diesem Mythos Mann ausschließt: Männer verschiedener<br />

Klassen, Rassen, Religionen, verschiedener ethnischer<br />

Hintergründe <strong>und</strong> sexueller Orientierungen. Es werden Kurse angeboten<br />

wie "Männlichkeit <strong>und</strong> Geschlechterrollen" , "Bilder von<br />

Frauen, Männern <strong>und</strong> Familie in der amerikanischen Kultur",<br />

"Einführung in die feministische Theorie <strong>und</strong> die Frauen- <strong>und</strong><br />

Männerbewegungen". Im Februar 1987 veranstaltete dieses Institut<br />

die Konferenz "The new gender scholarship:- ·women's and men's<br />

studies" (van Velden 1987b). ProfessorInnen von SWMS veröffentlichten<br />

zahlreiche Artikel <strong>und</strong> Bücher zu Männerfragen (z.B. Harry<br />

Brod).


96<br />

4.<br />

Schwedische Diskussionen <strong>und</strong> Projekte<br />

4.1.<br />

Staatliche Gleichstellungspolitik für Männer -<br />

Arbeitsgruppe zur MännerroUe<br />

die<br />

4.1.1.<br />

Einleitung<br />

1983 setzte die schwedische Gleichstellungsministerin eine "Arbeitsgruppe<br />

zur Männerrolle" ein (später "Beratungsgruppe", heute<br />

"Ideegruppe für Fragen der Männerrolle"). Bis 1987 bestand sie<br />

aus sieben Männern <strong>und</strong> fünf Frauen: vier Gewerkschaftsvertreterinnen,<br />

einem Repräsentanten des Arbeitgeberverbandes, dem Vorsitzenden<br />

des "Reichsb<strong>und</strong>es für sexuelle Aufklärung", einer Vertreterln<br />

des Fredrika-Bremer-Frauenb<strong>und</strong>es, dem Sozialwissenschaftier<br />

Lars Jalmert, drei Frauen aus drei Ministerien <strong>und</strong> dem<br />

Vorsitzenden der Gruppe, dem Landstingspolitiker (RegionalpOlitiker)<br />

Stig Ahs.<br />

Diese Arbeitsgruppe hat intensiv nachgedacht, wie zu einer Veränderung<br />

der Männer beigetragen werden könnte <strong>und</strong> ihre Vorstellungen<br />

veröffentlicht (zwei Bücher, sieben lange Tagungsberichte)'<br />

. Vor allem aber sind ihre Ideen schon praktisch geworden:<br />

Das "Krisenzentrum für Männer" in Göteborg ist teilweise<br />

aufgr<strong>und</strong> von ihren Inspirationen zustandegekommen. In dieser<br />

Einrichtung beraten ein Psychologe <strong>und</strong> ein Sozialarbeiter Männer<br />

am Telefon <strong>und</strong> in persönlichen Gesprächen. Das Projekt wird<br />

wissenschaftlich begleitet. Es geht wesentlich darum, herauszubekommen,<br />

ob es männerspezifische Probleme gibt, für die bestehende<br />

Einrichtungen kaum Hilfe bieten. Laut Zwischenbericht ist<br />

1 Jalmert 1984, Arbetsgruppen om mansrollen 1984a-1985d, Samrädsgruppen<br />

för mansrollsfrägor 1987.


97<br />

das der Fall. 2 Von den 125 Männern, denen 1986 im persönlichen<br />

Gespräch zu helfen versucht wurde, ging es bei grob einem Drittel<br />

um Trennungsprobleme, einem Drittel um Gewalt <strong>und</strong> einem Drittel<br />

um Beziehungsprobleme. Im Februar 1988 wurde in Stockholm ein<br />

sehr ähnliches Zentrum eingerichtet.<br />

Zwölf Projekte zu "Männer <strong>und</strong> Gleichstellung" werden (oder wurden)<br />

vom Staat finanziell unterstützt. Darunter befinden sich fünf<br />

Projekte, die Männer anregen sollen, (mehr) Elternurlaub zu nehmen,<br />

eins davon eine Kampagne der Metallgewerkschaft in einem<br />

Betrieb. Weiterhin zwei Projekte für Wehrpflichtige: Ein Kurs für<br />

Wehrpflichtige über die Veränderung der Männer <strong>und</strong> ein Schauspiel<br />

zu dem Thema, das Wehrpflichtigen gezeigt wird <strong>und</strong> mit<br />

ihnen diskutiert wird. Außerdem zwei Kursusprojekte, die Jungen<br />

motivieren sollen, Pflegeberufe zu wählen. Ein Projekt mit dem<br />

Ziel, Männer für die Pflegearbeit von Alten <strong>und</strong> Behinderten zu<br />

Hause zu gewinnen. Der Arbeiter-Bildungsverband arbeitet Bildungsmaterial<br />

über Männer aus, mit dem Männer (nicht zuletzt am<br />

Arbeitsplatz) erreicht werden sollen. Das zwölfte Projekt: Die<br />

Reichsorganisation der Rentner arbeitet Blldungs- <strong>und</strong> Informationsmaterial<br />

über die Veränderung der Männer für alte Männer aus.<br />

Das Geschlechterverhältnis ist sicher in Schweden nicht dasselbe<br />

wie bei uns. In Schweden wird schon seit den frühen sechziger<br />

Jahren in der Öffentlichkeit über die Gleichstellung der Geschlechter<br />

diskutiert. Diese Diskussion wurde schon damals auch<br />

wesentlich von der regierenden sozialdemokratischen Partei geführt.<br />

Schon 1968 wollte die sozialdemokratische Regierung nicht<br />

mehr von einer "Frauenfrage" sondern von einer Doppelrolie für<br />

belde Geschlechter sprechen (siehe Schöpp-Schilling , 1978). 1970<br />

hielt Olof Palme vor einer Frauenorganisation In den USA eine<br />

2 Leneer-Axelsson 1986.


98<br />

Rede, die unter dem Titel "the emancipation of man" (hier: die<br />

Emanzipation des Mannes) veröffentlicht wurde (Palme 1972).<br />

Frauen verdienen in Schweden 80% dessen, was Männer als St<strong>und</strong>enlöhne<br />

verdienen - in der Industrie 90%. In der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland verdienten Arbeiterinnen in der Industrie 1986 74%<br />

dessen, was Arbeiter in der Industrie als St<strong>und</strong>enlohn verdienten."<br />

Fast 30% der polltischen MandatsträgerInnen in Schweden<br />

sind Frauen. (Allerdings: Fast die Hälfte .der Frauen arbeitet in<br />

Schweden halbtags.) Gut jeder fünfte Vater nimmt in Schweden<br />

während des ersten Lebensjahres des Kindes Elternurlaub - im<br />

Durchschnitt 47 Tage.' Die Initiative zur Scheidung kommt in<br />

Schweden in 70% der Fälle von den Frauen." In der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

kam die Initiative zur Scheidung 1985 in 58% der Fälle von<br />

den Frauen, in 33% von den Männern <strong>und</strong> in 9% 'der Fälle von<br />

beiden."<br />

Auch Schweden ist eine Gesellschaft mit Männerherrschaft. Eines<br />

der größten Probleme ist die Geschlechtersegregation in der<br />

Berufswelt. In einem OECD-Bericht war Schweden das untersuchte<br />

Land, in dem die Berufe am meisten nach Geschlechtern getrennt<br />

waren (Arbetsgruppen om mansrollen 1984c, S. 49).<br />

Welche Interessen leiten die Aktivitäten der ministeriellen Arbeitsgruppe?<br />

Der zentrale Ausgangspunkt .ihrer überlegungen ist<br />

der Elternurlaub (siehe 4,1.5:). Die Arbeitsgruppe ist vor allem<br />

darum bemüht, herauszufinden, warum nicht mehr Männer <strong>und</strong><br />

Männer länger Elternurlaub nehmen. Sie hält Elternurlaub für das<br />

beste Mittel zur Veränderung der Männer, Sie fordert daher eine<br />

3 statistisches B<strong>und</strong>esamt 1987, S. 484.<br />

4 Arbetsgruppen om mansrollen 1985b, S, 5.<br />

5 Samrädsgruppen för mansrollsfrägor 1987, S. 91.<br />

6 Statistisches B<strong>und</strong>esamt 1987, S. 78.


99<br />

Ausdehnung <strong>und</strong> eine Quotierung des Elternurlaubes (siehe 4.1.5.).<br />

Sie betont, daß es für die ganze weitere Entwicklung des Verhältnisses<br />

von Vater <strong>und</strong> Kind von größter Bedeutung, ist, daß der<br />

Vater bereits direkt nach der Geburt eine möglichst nahe Beziehung<br />

zum Kind aufnimmt. Auf diesem Weg scheint es der Arbeitsgruppe<br />

am ehesten möglich, Männer dazu zu bewegen, Kinder- <strong>und</strong><br />

Hausarbeit zu übernehmen. Letzteres ist eine Voraussetzung für<br />

die Gleichstellung der Geschlechter, um die es der Arbeitsgruppe<br />

geht.<br />

Sowohl Interessen von Frauen als auch Interessen von Männern<br />

leiten die Arbeit der Arbeitsgruppe. Das ist im Vergleich mit den<br />

von Männern getragenen Aktivitäten in anderen Ländern Schwäche<br />

<strong>und</strong> Stärke des schwedischen Ansatzes zugleich. Schwäche insofern,<br />

als es 'einigen Oberiegungen an eingehenderer Analyse der<br />

Psychologie <strong>und</strong> Sozialpsychologie der Männer mangelt - die Arbeitsgruppe<br />

versuchte leider nicht, an die Diskussionen <strong>und</strong> Initiativen<br />

zur antisexistischen Veränderung der Männer in anderen<br />

Ländern anzuknüpfen. Stärke insofern, als es sich um eine direkte<br />

Auseinandersetzung zwischen Interessen der Männer an ihrer<br />

Veränderung <strong>und</strong> Interessen der Frauen an der Veränderung der<br />

Männer handelt. Diese unmittelbare Auseinandersetzung zwischen<br />

Frauen <strong>und</strong> Männern hat die schwedische Arbeitsgruppe den Männergruppenszenen<br />

in den verschiedenen Ländern voraus. "Männer<br />

brauchen vielleicht eine gewisse Unterstützung durch Frauen, um<br />

die Männerrollenfragen langsichtiger zu behandeln." (Arbetsgruppen<br />

om mansrollen 1985d, S. 168)<br />

Trotz aller Kritik im einzelnen beurteilen wir den schwedischen<br />

"staatsfeministischen" Weg zur Veränderung der Männer letztlich<br />

positiv. Eine staatliche Strategie zum Abbau der Privilegien einer<br />

gesellschaftlichen Gruppe (hier: die Männer) ist in gewisser Hin-


100<br />

sicht sinnvoller als eine staatliche Strategie zur Emanzipation<br />

einer unterdrückten gesellschaftlichen Gruppe (zur Problematik<br />

staatlicher Strategien zur Emanzipation der Frauen, siehe 4.1.3.).<br />

Schweden hat bereits seine NachahmerIn gef<strong>und</strong>en: Im August 1986<br />

setzte die norwegische Gleichstellungsministerin einen "Ausschuß<br />

zur Männerrolle" ein. Er soll auf den Arbeiten der schwedischen<br />

Arbeitsgruppe aufbauen <strong>und</strong> diese den norwegischen Verhältnissen<br />

anpassen. Der "Ausschuß zur Männerrolle" ist ähnlich zusammengesetzt<br />

<strong>und</strong> hat den gleichen Auftrag wie die schwedische Arbeitsgruppe<br />

zur Männerrolle.<br />

4.1.2. Von der Gleichstellungsidee zur Kritik der Männerrolle<br />

Die staatlichen Bemühungen- zur Veränderung der Männer in<br />

Schweden sind fest eingeb<strong>und</strong>en in die schwedische Gleichstellungspolitlk.<br />

Uns ist kein anderes Land bekannt, in dem bereits<br />

zu einem so frühen Zeitpunkt vom Staat Maßnahmen zur Gleichstellung<br />

getroffen wurden. Gleichstellung ist dabei ein Begriff, der<br />

vor allem bestimmte Aspekte der Aufhebung der Diskriminierung<br />

der Frauen meint.<br />

Der Begriff Gleichstellung (Jämställdhet) wurde in den 60er Jahren<br />

in Schweden gebräuchlich. Die Organisatlonsformen der Gleichstellungspolitik<br />

können aber. laut Dahlberg (1986) bereits auf die<br />

40er <strong>und</strong> 50er Jahre zurückgeführt werden. 1946 waren zum ersten<br />

<strong>und</strong> bisher einzigen Mal alle Frauen im Reichstag durch eine<br />

Initiative vereint. Sie erreichten, daß der Reichstag Maßnahmen


101<br />

beschloß, mit denen dafür gesorgt werden sollte, daß der Staat<br />

Frauen <strong>und</strong> Männern gleichen Lohn zahlt. 1946 wurde auch innerhalb<br />

des schwedischen Dachverbandes der Branchengewerkschaften<br />

(Landsorganisationen) ein Ombudsman für Frauenfragen<br />

eingerichtet. (Im Schwedischen gibt es den Begriff Ombudskvinno<br />

(-frau) (noch) nicht; "der Ombudsman" war in diesem, wie in<br />

vielen im folgenden genannten Fällen eine Frau).<br />

Die ideologischen Gr<strong>und</strong>züge der schwedischen Gleichstellungspolltik<br />

wurden in den 60er Jahren geprägt. Frauen sollen durch Erwerbsarbeit<br />

ökonomisch unabhängig werden, die Männer sollen sich<br />

genauso an der Familienarbeit beteiligen wie die Frauen, <strong>und</strong> die<br />

Geschlechtersegregatlon der Arbeitsplätze soll aufgehoben werden.<br />

Die Arbeitsgruppe zur Männerrolle steht in der Tradition der<br />

Gleichstellungspolltik. Sie wurde von der GleJchstellungsministerin<br />

der damaligen sozialdemokratischen Regierung eingesetzt. Die Arbeitsgruppe<br />

beruft sich auf eine Aussage des langjährigen schwedischen<br />

Ministerpräsidenten Tage Erlander aus dem Jahre 1964.<br />

Erlander schrieb im ZUkunftsprogramm "Die Gleichheit der Frauen",<br />

das von einer Arbeitsgruppe der sozialdemokratischen Partei erstellt<br />

wurde: "Die Gleichheit der Geschlechter bedeutet auch, daß<br />

"Männer bessere <strong>Möglichkeiten</strong> (haben müssen), Kindern nahe zu<br />

sein <strong>und</strong> Einfluß auf die Erziehung der neuen Generation zu haben.<br />

Frauenfragen werden somit auch Männerfragen." (Arbetsgruppen<br />

om mansrollen 1985d, S. 18)<br />

1971 forderte die prominente llberale Feministin Eva Moberg einen<br />

verkürzten Arbeitstag für die Eltern von Kleinkindern. Der sozialdemokratische<br />

Frauenverband forderte 1972 einen Sechs-Stun-


102<br />

den-Erwerbsarbeitstag für alle, zu allererst aber für die Eltern<br />

von Kleinkindern. Eine allgemeine Verkürzung des Arbeitstages<br />

wird auch von der Arbeitsgruppe zur Männerrolle als Voraussetzung<br />

dafür angesehen, daß Männer ihren Teil der Haushalts- bzw.<br />

Famillenarbeit übernehmen. Hingegen ist erst kürzlich wieder von<br />

der Spitze der sozialdemokratischen Partei (einschließlich der<br />

Frauen an der Spitze) verhindert worden, daß die Partei die Forderung<br />

nach dem Sechs-St<strong>und</strong>en-Tag auf die Tagesordnung setzt.<br />

Das Recht, nur sechs St<strong>und</strong>en täglich Erwerbsarbeit zu leisten,<br />

haben die Eltern kleiner Kinder in Schweden seit 1979. Heute gilt<br />

es für Eltern von Kindern, die das siebente Lebensjahr noch nicht<br />

vollendet haben. Es wird aber kaum von Vätern genutzt. Schwedische<br />

Männer arbeiten Im Durchschnitt mehr, wenn sie gerade<br />

Väter geworden sind. Der allgemeine Sechs-St<strong>und</strong>en-Tag könnte,<br />

nach Ansicht der Arbeitsgruppe zur Männerrolle, viel dazu beitragen,<br />

daß Väter sich mehr um die Kinder kümmern.<br />

Die Arbeitsgruppe nimmt an, daß das Buch "Das Recht, ein Mensch<br />

zu sein" aus dem Jahre 1976 (Paulsen, Andersson <strong>und</strong> Sessler<br />

1975), das mit einer Ausstellung verb<strong>und</strong>en war - um es mit den<br />

Worten der Arbeitsgruppe auszudrücken - "den Mythos zerriß, daß<br />

nur die Frauen unterdrückt sind." (ebd., S. 20)<br />

Weiterhin beruft sich die Arbeitsgruppe für ihre Auffassung, daß<br />

Gleichstellung eine Männer- <strong>und</strong> eine Frauenfrage Ist, auf ein<br />

Zitat der auch in der englischsprachlgen wissenschaftlichen Literatur<br />

zur Soziologie <strong>und</strong> zum Geschlechterverhältnis bekannten<br />

Rita Liljeström (1976) "Frauen standen für alles, wovon Bürokratie<br />

<strong>und</strong> Technokratie absahen. Sie hielten eine enthumanisierte Ge-


103<br />

sellschaft aufrecht, indem sie für deren kompensatorische <strong>und</strong><br />

therapeutische Kleinfamilie standen." Hier klingt die Gesellschaftskritik<br />

an, die in jeder gründlichen Betrachtung der Geschlechterproblematik<br />

angelegt ist.<br />

Liljeström weiter an der von der Arbeitsgruppe zitierten Stelle:<br />

"Das Ziel der Gleichstellung ist ein 'ganzer Mensch'. Ein Mensch,<br />

dessen Persönlichkeit sich aus der Dialektik zwischen Gefühl <strong>und</strong><br />

Sachlichkeit, Stärke <strong>und</strong> Schwäche, Regel <strong>und</strong> Ausnahme entwickelt,<br />

aus der Fähigkeit zu Intimität <strong>und</strong> der Fähigkeit zu überblick,<br />

Distanz, zu Routine <strong>und</strong> Erneuerung, anstatt jeweils einen<br />

Pol für ein Geschlecht zu reservieren." (ebd., S. 21)<br />

Die Arbeitsgruppe weist darauf hin, daß in den 70er <strong>und</strong> 80er<br />

Jahren Regierungsuntersuchungen zur Prostitution, zu Vergewaltigung'<br />

Kinder- <strong>und</strong> Frauenrnißhandlung, Inzest, etc. durchgeführt<br />

wurden, d.h., die "dunklen Seiten" der Männer untersucht wurden.<br />

Auf Initiative des parlamentarischen Gleichstellungskomitees<br />

führte der Sozialwissenschaftler Lars Jalmert eine umfangreiche<br />

Untersuchung über die schwedischen Männer durch. Sie wurde<br />

1983 fertiggestellt; es handelt sich um die erste Untersuchung mit<br />

dieser Themenstellung in Schweden.<br />

1983 <strong>und</strong> 1985 7 gab es in der schwedischen Öffentlichkeit heftige<br />

Kontroversen über die "Weichpappas" oder "Velourpappas". Beide<br />

Male traten Psychologen auf, die behaupteten, es schade den<br />

Kindern, wenn die Väter versuchten, den Kindern genauso nah wie<br />

die Mütter zu sein.<br />

Im Herbst 1983 wurde die "Arbeitsgruppe zur Rolle des Mannes in<br />

der Gleichstellungsarbeit" -<br />

so die Formulierung auf Seite 23 in<br />

7 "Die Tageszeitung", Berlin (West) v. 14.11.1985.


104<br />

Arbetsgruppen om mansrollen (l985d) -<br />

von der Gleichstellungsministerin<br />

Anita Gradin eingesetzt.<br />

4.1.3. Feministische Kritik an der Gleichstellungspolitik<br />

Verkürzt ausgedrückt kritisieren schwedische Feministinnen an der<br />

staatlichen Gleichstellungspolitik vor allem, daß sie nicht hält,<br />

was sie verspricht, daß Ideologie <strong>und</strong> Wirklichkeit auseinanderklaffen.<br />

Diese Kritik verkennt nicht, daß in Schweden mehr vom<br />

Staat zur Gleichstellung der Geschlechter getan wird als in den<br />

meisten anderen Ländern.<br />

Andere Feministinnen beteiligen sich an der staatlichen Gieichstellungspolitik.<br />

Die Gleichstellungspolitik ist eine Errungenschaft<br />

von Feministinnen, sie wird von Feministinnen - vor allem innerhalb<br />

der seit Jahrzehnten zumeist regierenden sozialdemokratischen<br />

Partei - getragen. Der Begriff Staatsfeminismus bezeichnet<br />

dieses widersprüchliche Phänomen.<br />

Dahlberg spricht in Anlehnung an Ulrike Prokop (1976) von<br />

staatsangepaßten Strategien zur Befreiung der Frauen. In Schweden<br />

wurden die Frauenforderungen schon Ende der 60er Jahre zu<br />

einem "geschlechtsneutralen Integrationsmodell" (Dahlberg 1986, S.<br />

16) umgewandelt. Dieses Modell hat seitdem einen hegemonialen<br />

Status. Dahlberg ist der Ansicht, daß die schwedische Gleichstellungspolitik<br />

weder innovativ noch feministisch ist.<br />

Laut Landby Eduards (1986) ist die Gleichstellungspolitik eine<br />

Antwort auf die Frauenbewegung. Die expandierende ökonomie<br />

brauchte weibliche Arbeitskräfte. Dadurch entstand ein Bedürfnis<br />

nach staatlichen Maßnahmen, die den Frauen die Doppelbelastung


,105<br />

erleichtern sollten: veränderte Steuerregeln, Kindertagesstätten,<br />

kürzere Arbeitszeit, etc. Der Staat organisierte die neue Interessensgemeinschaft<br />

von Kapital <strong>und</strong> Frauen.<br />

Die Gleichstellungspolitik ist eingeb<strong>und</strong>en in das schwedische<br />

Modell der friedlichen Lösung der Interessenkonflikte zwischen<br />

Kapital <strong>und</strong> Arbeit. In diesem Modell hat die Geschlechterfrage<br />

keinen Platz. Gleichstellung wird nicht als alle Lebensbereiche<br />

betreffend, sondern als engbegrenzter Maßnahmenbereich angesehen.<br />

Fast wird sie darauf reduziert, ein Problem des Arbeitsmarktes<br />

zu sein. Frauen arbeiten sehr viel häufiger an Teilzeitarbeitsplätzen<br />

als Männer <strong>und</strong> sie leisten sehr viel mehr Versorgungsarbeit<br />

für Kinder <strong>und</strong> Haushalt. Deshalb begünstigen Maßnahmen,<br />

die sich auf Erwerbsarbeit beziehen, die Männer.<br />

Nach Ansicht von schwedischen Feministinnen verlangt die<br />

Gleichstellungspolitik eine Anpassung der Frauen an männliche<br />

Normen <strong>und</strong> verlangt keine Opfer von den Männern. Dahlberg<br />

führt ein Beispiel für die Anpassung an männliche Normen an.<br />

(Dahlberg 1986, S. 31) Der Slogan "denke vernünftig", der den<br />

Mädchen zur Berufswahl vorgesetzt wurde, bedeutete: Wähle die<br />

technischen männerdominierten Berufe.<br />

Die Arpeitsgruppe zur Männerrolle spricht fast nur davon, daß<br />

Männer durch die Gleichstellung zugewinnen haben. Genauso<br />

wurde schon seit Jahren von den Vertreterinnen der schwedischen<br />

Gleichstellungspolltlk argumentiert. Dahlberg nennt ein Gegenbeispiel<br />

von zentraler Bedeutung: die Quotierung. Es ist Augenwischerei<br />

zu behaupten, Männer hätten durch die Quotierung nichts<br />

zu verlieren. Hier wie in anderen Bereichen haben sie Privilegien<br />

abzugeben.


106<br />

An Arbeitsplätzen des öffentlichen Dienstes werden Gleichstellungsprogramme<br />

"durchgeführt". Diese Programme werden dadurch<br />

behindert, daß viele der für die Durchführung Verantwortlichen<br />

kein Engagement für dieses Anliegen mitbringen. Es ist eine<br />

Dienstaufgabe für sie, um die sie sich nicht bemüht haben.<br />

Neuerdings ist es in Schweden üblich, seltener mit Gesetzen <strong>und</strong><br />

Zwangsmitteln vorzugehen. überzeugungsarbeit, .lose Rahmen für<br />

Maßnahmen <strong>und</strong> Anpassung an jeweilige konkrete Realität werden<br />

für effektivere Strategien gehalten. DIese Politik führt jedoch· bei<br />

der Gleichstellungsarbeit häufig zu Wirkungslosigkeit. Aus der<br />

Anpassung der Strategien folgen aufgeteilte <strong>und</strong> schlechtbestimmte<br />

Funktionsanforderungen <strong>und</strong> Ziele sowie Unklarheiten <strong>und</strong> Mängel<br />

der Kompetenz der lokalen GleichstellungsakteurInnen.<br />

Ein weiterer Gr<strong>und</strong>, warum die Gleichstellungsarbeit in der Realität<br />

anders aussieht als in der Ideologie, ist, daß die AkteurInnen<br />

dieser Politik de facto von den VerwaltungschefInnen ausgewählt<br />

werden. Diese AkteurInnen, die die Verantwortung für die Programme<br />

tragen, wollen den Verwaltungen oft keine einschneidenden<br />

Veränderungen zumuten.<br />

Die Gleichstellungsarbeit im privaten Sektor ist nach dem Gesetz<br />

AUfgabe der Kapitalseite. Wo es einen Gleichstellungsvertrag zwischen<br />

den Tarifparteien gibt, darf der "Gleichstellungsombudsman"<br />

nicht kontrollieren. Kontrollfunktion für die Gleichstellungsarbeit<br />

im privaten Sektor kommt ausschließlich den Gewerkschaften zu.<br />

Diese engagieren sich aber in der Regel nicht sehr dafür.<br />

Die Gleichstellungsverträge sollen Bestandteil der Mitbestim-


107<br />

mungsverträge sein. Wenn die Mitbestimmungsverträge auf lokaler<br />

Ebene ausgehandelt werden sollen, fallen in einigen Fällen die<br />

Gleichste!lungsmaßnahmen weg, in anderen Fällen werden rhetorische<br />

Formulierungen gebraucht.<br />

Dahlberg, die umfangreiche Forschungsprojekte über die Praxis der<br />

Gleichstellungsarbeit durchgeführt hat, kommt zu dem Schluß, daß<br />

Gleichstellungsarbeit in der Regel nur das Ausarbeiten von Plänen<br />

ist - zur Umsetzung der Pläne kommt es nicht. Der Aufbau von<br />

Gleichstellungsorganen dient zur Legitimation dessen, daß überhaupt<br />

etwas getan wird.<br />

Die Gleichstellungsstrategfen werden nur für die Erwerbsarbeit<br />

entwickelt <strong>und</strong> verbergen die Familienarbeit. Die Strategien sind<br />

an die traditionellen männerdominierten Organisationen angepaßt.<br />

Der Wunsch der Frauen, einerseits Erwerbsarbeit <strong>und</strong> andererseits<br />

Kinder <strong>und</strong> Famllle zu harmolJisieren, wobei die persönlichen Beziehungen<br />

das Primat haben, wird nach Ansicht von Dahlberg unterdrückt.<br />

Den größten organisatorischen' Fortschritt erreichte die Gleichstellungsarbeit<br />

an öffentlichen Arbeitsplätzen, die frauendominiert<br />

sind. Die Geschlechtersegregation an den Arbeitsplätzen soll aber<br />

aufgehoben werden, der Anteil der Frauen an frauendominierten<br />

Arbeitsplätzen also gesenkt werden. Das heißt hier, an Arbeitsplätzen,<br />

wo die Gleichste!lungsarbeit Erfolge verbucht, wird<br />

sie durch den Abbau weiblicher Arbeitsplätze blockiert.<br />

Die Gleichstellungspolitik kann laut Dahlberg sogar ein Mittel<br />

sein, die dominierende Stellung der Männer im Erwerbsleben aufrechtzuerhalten.<br />

Wenn die Zahl der Arbeitsplätze abnimmt, können<br />

Männer im Namen der Gleichstellung versuchen, Frauen aus frau-


108<br />

endominierten Arbeitsbel'eichen herauszudrängen. Als Maßnahme<br />

gegen diese Gefahr empfiehlt Dahlberg, daß in Schweden die Möglichkeit<br />

geschaffen werden sollte (die in den USA besteht), daß<br />

öffentliche Arbeitgeber private Arbeitgeber, denen sie Aufträge<br />

erteilen, Auflagen zur Gleichstellungsarbeit machen können. Dadurch<br />

könnte eine Abnahme der beschäftigten Frauen im öffentlichEm<br />

Dienst durch eine Zunahme im privaten Sektor ausgeglichen<br />

werden.<br />

4.1.4. Kritik an der "Männerrolle" - Kritik an der Gesellschaft?<br />

Es verw<strong>und</strong>ert nicht, daß die Äußerungen der Arbeitsgruppe zur<br />

Frage, wie Gesellschaft <strong>und</strong> Männlichkeit miteinander zusammenhängen,<br />

widersprüchlich sind. Schließlich handelt es sich um eine<br />

Arbeitsgruppe, in der ein Kapitalvertreter, Gewerkschafterinnen,<br />

RepräsentantInnen von Ministerien <strong>und</strong> die Repräsentantln einer<br />

Frauenorganisation mitarbeiteten. Daß die Arbeitsgruppe völlig<br />

kritiklos den Begriff Männerrolle verwendet, trägt dazu bei, daß<br />

der Zusammenhang zwischen Männlichkeit <strong>und</strong> Gesellschaft widersprüchlich<br />

bestimmt wird. (siehe 2.)<br />

Besonders Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Stig Ahs, betont oft,<br />

daß die gesellschaftlichen Strukturen, die die herrschende Männlichkeit<br />

aUfrechterhalten <strong>und</strong> verstärken, verändert werden müssen.<br />

Aber diese Bemerkung bleibt meistens nur inhaltsleerer Appell,<br />

da nicht gesagt wird, um welche Strukturen es sich handelt.<br />

Dies kann zum Teil am Denken in der Kategorie Männerrolle liegen,<br />

,wonach es um Normen <strong>und</strong> Wertvorstellungen geht, weniger<br />

um gesellschaftliche Strukturen. In der Logik des Begriffes Män-


109<br />

nerrolle liegt es auch, daß Stig Ahs. <strong>und</strong> auch das Ideenprogramm<br />

der Arbeitsgruppe davon sprechen, da[3 Männer Unterdrücker <strong>und</strong><br />

Unterdrückte zugleich sind: "Unsere Männerrolle macht uns sowohl<br />

zu Unterdrückern als auch zu Unterdrückten," (Arbetsgruppen om<br />

mansrollen 1985d, S, 15)<br />

Während ansonsten das gesamte Ideenprogramm von allen Mitgliedern<br />

der Arbeitsgruppe getragen wird, wird schon im Vorwort bemerkt,<br />

daß der Vertreter der Kapitalseite Widerspruch anmeldet, Er<br />

trägt die Vorschläge zur Quotierung <strong>und</strong> Verlängerung des EIternurlaubs<br />

<strong>und</strong> zur Verkürzung des Arbeitstages nicht mit,- Sein<br />

Gegenvorschlag: die Auffassung von der Rolle <strong>und</strong> den Aufgaben<br />

des Mannes zu "modernisieren", In der Diskussion der hegemonialen<br />

Männlichkeit durch Carrigan, Connell <strong>und</strong> Lee (1985) bezeichnet<br />

der Begriff "Modernisierung des Mannes" die Veränderung von<br />

Männlichkeit im Interesse hegemonialer Männlichkeit, Die Männerherrschaft<br />

wird bei der Modernisierung des Mannes aufrechterhalten,<br />

An einer hervorgehobenen Stelle der Diskussionen der Arbeitsgruppe<br />

wird eine Kapltalismuskritik angesprochen: Der Hauptredner<br />

des Seminars der Arbeitsgruppe zum Thema Gefühle, Johann Cullberg,<br />

benennt den Zusammenhang zwischen hegemonialer Männlichkeit<br />

<strong>und</strong> kapitalistischer Gesellschaft (Arbeitsgruppen om<br />

mansrollen 1984b, s, 7ff,), In kapitalistischen Gesellschaften hat<br />

das Interesse des Kapitals, sich zu verwerten, Primat, Gleichstellungspolitik<br />

hat hier ihre Grenze,10<br />

8 Stlg Ahs in der Eröffnungsrede des Seminars der Arbetsgruppen<br />

om mansrollen (l984b, S, 5),<br />

9 Vorschläge, die unserer Meinung nach am ehesten gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Veränderungen ermöglichen könnten,<br />

10 Zum Zusammenhang zwischen Kapitalismus <strong>und</strong> hegemonialer<br />

Männlichkeit, siehe 3,4,2,


110<br />

Die Arbeitsgruppe spricht vom Patriarchat <strong>und</strong> davon. daß die<br />

Männer herrschen. Sie kritisiert gesellschaftliche Hierarchien. Im<br />

Militär wie im Arbeitsleben sieht sie Hierarchien. die die "alte<br />

Männerrolle" aufrechterhalten.' (Arbetsgruppen om mansrollen<br />

1985d. S. 25)<br />

Immer wieder verweist die Arbeitsgruppe darauf. daß die Klassenunterschiede<br />

der Männer zu berücksichtigen sind. Leider bleibt<br />

die Unterscheidung der unterschiedlichen Klassensituation der<br />

Männer in den bisherigen Diskussionen der Arbeitsgruppe meistens<br />

an der Oberfläche.<br />

Trotz gegenteiliger Beteuerungen überwiegt im Ideenprogramm der<br />

Arbeitsgruppe die Auffassung. es gehe vor allem um eine Veränderung<br />

der Einstellungen über Männer <strong>und</strong> Männlichkeit, Die<br />

Veränderung der Einstellungen werde dann die Veränderung der<br />

materiellen Lebensverhältnisse nach sich ziehen. Häufig stehen<br />

diese widersprüchlichen Vorstellungen - Kritik gesellschaftlicher<br />

Strukturen <strong>und</strong> individualisierende Sichtweise - unvermittelt nebeneinander.<br />

Diese Widersprüchllchkeit entschärft die häufig gute Kritik an<br />

hegemonialer Männlichkeit <strong>und</strong> die guten praktischen Vorschläge<br />

der Arbeitsgruppe.<br />

4,1.5. Anreize zum Vatern - der Elternurlaub<br />

Vaterschaft <strong>und</strong> Elternurlaub waren (<strong>und</strong> sind nach wie vor) die<br />

wichtigsten Themen der Arbeitsgruppe. obwohl sie sich mit allen<br />

wichtigen Aspekten des Mann-Seins befaßt hat. Sie kam zu dem


111<br />

Ergebnis, daß das Vatern 11 der wirkungsvollste Weg zur Veränderung<br />

der Männer ist, "Daß der Mann eine größere Nähe zum Kind<br />

entwickelt, hat unserer Ansicht nach eine sehr große <strong>und</strong> vielleicht<br />

entscheidende Bedeutung fUr die Veränderung der Männerrolle,"<br />

(Arbetsgruppen om mansrollen 1985d, S, 172) Väter können<br />

nach Auffassung der Arbeitsgrupe am ehesten ein engeres Verhältnis<br />

zu ihren Kindern entwickeln, wenn sie den Elternurlaub<br />

wahrnehmen.<br />

" eine Ausgleichung der Elternverantwortung von Mann <strong>und</strong><br />

Frau kann dazu fUhren, daß es möglich wird, die Organisation des<br />

Arbeltslebens zu verändern <strong>und</strong> daß Männer einen besseren Kontakt<br />

zu sich selbst <strong>und</strong> ihren eigenen GefUhlen bekommen können.<br />

Dies wiederum könnte dazu fUhren, daß Männer besser auf Gesellschaftsveränderungen<br />

<strong>und</strong> Lebenskrisen vorbereitet sind. Im<br />

Kontakt mit seinen Kindern muß der Mann nicht so 'gepanzert'<br />

sein, sondern er kann mehr Seiten von sich selbst entwickeln <strong>und</strong><br />

zeigen." (Arbetsgruppen om mansrollen 1985d, S, 134f.)<br />

Vater oder Mutter, ob verheiratet oder unverheiratet, können<br />

neun Monate lang bei Zahlung von 90% ihres vorherigen Lohns<br />

Elternurlaub nehmen. Weitere drei Monate Elternurlaub sind möglich<br />

bei Zahlung von ca. DM 600,- monatlichem Elterngeld. Die<br />

Arbeitsgruppe betont immer wieder, daß es fUr die ganze weitere<br />

Entwicklung des Verhältnisses von Vater <strong>und</strong> Kind von größter<br />

Bedeutung ist, daß der Vater bereits direkt nach der Geburt eine<br />

möglichst nahe Beziehung zum Kind aufnimmt. Scheidungen ließen<br />

sich dadurch vermeiden, <strong>und</strong> kommt es doch zu einer Scheidung,<br />

sei die Wahrscheinlichkeit groß, daß der Mann ein gutes Verhältnis<br />

zu seinen Kindern aufrechterhält, auch wenn er getrennt von<br />

11 Zum Begriff "Vatern" , siehe die Einleitung. Im Schwedischen<br />

gibt es keinen entsprechenden Ausdruck.


112<br />

ihnen lebt.<br />

"Es gibt keine Hindernisse dafür, daß ein Kind sich genauso an<br />

seinen Vater wie an seine Mutter bindet <strong>und</strong> es gibt keine Hindernisse<br />

dafür, daß der Vater die psychischen <strong>und</strong> sozialen Bedürfnisse<br />

des Kindes befriedigt." Das zeigt Lars Jalmert (1979) in<br />

seiner Durchsicht durch die Forschung zu diesem Thema im Buch<br />

"Die soziale Entwicklung kleiner Kinder". Aber er stellt auch fest:<br />

." ... obwohl Männer sehr gut für ihre Kinder sorgen können, beweisen<br />

sie es selten." (Arbetsgruppen om mansrollen 1985d, S. 137)<br />

Wird der Elternurlaub überhaupt in nennenswertem Maße von<br />

Männern ausgenutzt? In der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland ist des<br />

öfteren zu hören, daß die schwedische Erfahrung gezeigt habe, daß<br />

der Elternurlaub praktisch wirkungslos sei. (siehe z.B. Erler 1984)<br />

Auch Maud Landby Eduards (1986), die die staatliche schwedische<br />

Gleichstellungspolitik von einem feministischen Standpunkt kritisiert'<br />

ist der Ansicht, daß der schwedische Elternurlaub bisher<br />

nicht die sozialökonomischen Werte zugunsten von Frauen umverteilt<br />

hat. Da er geschlechtsneutral konzipiert ist, <strong>und</strong> die gesellschaftliche<br />

Wirklichkeit der Geschlechter nicht genügend berücksichtigt,<br />

führt er dazu, daß weiterhin vor allem Frauen sich um<br />

Kinder <strong>und</strong> Haushalt sorgen. Die praktische Forderung von Landby<br />

Eduai'ds ist allerdings, trotz der unterschiedlichen Einschätzung,<br />

dieselbe wie die der Arbeitsgruppe zur Männerrolle: Sie fordert<br />

eine Quotierung des Elternurlaubs.<br />

In Schweden ist Jedoch die Meinung weit verbreitet, daß die<br />

Ausnutzungsquote der Männer an Elternurlaub nicht so negativ zu<br />

beurteilen ist. Nehmen wir den quantitativen Anteil, den Väter<br />

vom Elternurlaub ausnutzen, so handelt es sich um wenig ermu-


113<br />

Ugende 4%.<br />

Andererseits nimmt immerhin gut jeder fünfte Vater (22%) EIternurlaub<br />

(Arbetsgruppen om mansrollen 1984c, S. 46), lind zwar<br />

im Durchschnitt 47 Tage während des ersten Lebensjahres des<br />

Kindes.' 2 Außerdem geht jeder fünfte Vater eines Kindes unter<br />

sieben Jahren einer Teilzeltarbeit nach.<br />

Die positivste Zahl betrifft den ebenfalls bezahlten Urlaub, den<br />

schwedische Eltern im Falle der Krankheit eines Kindes nehmen<br />

können. Neben dem eigentlichen Elternurlaub haben die SchwedInnen<br />

zusätzlich noch die Möglichkeit, pro Kind im Jahr 60 Tage<br />

(bis das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet hat) Urlaub zur<br />

Betreuung des kranken Kindes zu nehmen. Von diesem Recht<br />

machten 1980 47,7% der Väter, 1983 45,2% der Väter Gebrauch.<br />

Die Väter nahmen 1983 einen Anteil von 34,5% des von beiden<br />

Elternteilen ausgenutzten Urlaubs zur Betreuung von kranken<br />

Kindern.<br />

Eine andere ermutigende Zahl betrifft den speziellen, ebenfalls<br />

bezahlten Urlaub, den (nur) Väter bei der Geburt eines Kindes<br />

nehmen dürfen 00 Tage). 1983 machten 85% der Väter von dieser<br />

Möglichkeit Gebrauch.<br />

Lars Jalmert (1984) berichtet, daß in einer empirischen Untersuchung<br />

festgestellt wurde, daß junge Männer, unverheiratet mit<br />

ihrer Partnerin zusammenlebende Männer, Männer mit dem jüngsten<br />

Kind im Vorschulalter <strong>und</strong> Männer an zahlenmäßig von Frauen dominierten<br />

Arbeitsplätzen die positivsten Einstellungen zum EIternurlaub<br />

haben.<br />

12 Arbetsgruppen om mansrollen 1985d, S. 140 <strong>und</strong> Arbetsgruppen<br />

om mansrollen 1984a, S. 7. Die zwölf Monate Elternurlaub<br />

können über einen längeren Zeitraum verteilt werden.


114<br />

Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, daß in öffentlichen Betrieben<br />

angestellte Väter häufiger Elternurlaub nehmen ais selbständige<br />

<strong>und</strong> in privaten Betrieben beschäftigte Väter.<br />

Wegen der ihrer Ansicht nach so großen Bedeutung des Elternurlaubs<br />

geht es der Arbeitsgruppe darum, nach Mitteln zu suchen,<br />

mehr Männer als bisher dazu zu bewegen, Elternurlaub zu nehmen<br />

bzw. längere Zeit die Kinder zu betreuen. Sie halten eine Verlängerung<br />

des Elternurlaubs mit einer Quotierung für ein sinnvolles<br />

Mittel für die.ses Ziel. Die Arbeitsgruppe schlägt als erste Stufe<br />

eines Ausbaus des Elternurlaubs vor, den Eitern, die den Urlaub<br />

teilen, höheres Elterngeld zu zahlen. Die Dauer des Elternurlaubs<br />

soll wie bisher zwölf Monate betragen. Diejenigen Eltern, die den<br />

Urlaub in der Weise teilen, daß jede/r mindestens drei Monate mit<br />

dem Kind verbringt, sollen die ganzen zwölf Monate 90% ihres<br />

vorherigen Lohns erhalten. Die Arbeitsgruppe betont, daß die<br />

Zahlung eines den Einkommensausfall deckenden Elterngeldes viel<br />

eher dazu geeignet ist, Männer zu motivieren, Elternurlaub zu<br />

nehmen, als die Zahlung von 60 Skr./Tag.<br />

Die letzten drei Monate des Elternurlaubs, während derer bisher<br />

nur 60 Skr/Tag erstattet werden, werden auch fast überhaupt<br />

nicht von Vätern ausgenutzt. Der Wegfall des Einkommens des<br />

Mannes ist für viele Familien nur schwer oder gar nicht zu verkraften.<br />

Daher sollte eine weitere Verlängerung des Elternurlaubs<br />

bei Zahlung von 90% des Lohnes erfolgen. Die Arbeitsgruppe<br />

schlägt als zweite Stufe eines Ausbaus des Elternurlaubs vor, daß<br />

der Zeitraum, um den der Elternurlaub verlängert werden würde,<br />

zwischen den beiden Elternteilen gleich aufgeteilt werden müßte.<br />

Für eine derartige Quotierung des Elternurlaubs spricht, daß auch


115<br />

die quasi unfreiwillige Betreuung der Kinder durch den Vater zu<br />

einem besseren Verhältnis des Vaters zum Kind führt. Dies ergab<br />

eine Untersuchung arbeitsloser Männer, die wegen ihrer Arbeitslosigkeit<br />

die Betreuung der Kinder übernahmen (Arbetsgruppen om<br />

mansrollen 1985b, S. 19).<br />

Auch das Aufbrechen zahlenmäßig männerdominierter Arbeitsplätze<br />

erscheint der Arbeitsgruppe als wirkungsvolles Mittel zur Veränderung<br />

der Männer <strong>und</strong> auch speziell zur Veränderung der Väter.<br />

Eine norwegische Untersuchung ergab, daß Männer allgemein die<br />

Gleichstellung der Frauen eher akzeptieren, wenn mehr Frauen in<br />

ihrem Arbeitsbereich arbeiten. Ebenfalls wurde festgestellt, daß<br />

Männer an frauendominierten Arbeitsplätzen in Schweden eine positivere<br />

Einstellung zum Elternurlaub haben als andere Männer.<br />

Dabei ist auch zu bedenken, daß die negative Meinung der Kollegen<br />

über den Elternurlaub einer der wichtigsten Gründe zu sein<br />

scheint, warum Männer nicht häufiger Elternurlaub nehmen. Die<br />

Aufhebung männerdominierter Arbeitsbereiche könnte also die Bereitschaft<br />

der Männer, Elternurlaub zu nehmen, erheblich vergrößern.<br />

Es gibt zwischen den Beschäftigten in verschiedenen Arbeitssektoren<br />

gewaltige Unterschiede in der Einstellung zum Vaterurlaub.<br />

Während ein Vater in vielen Betrieben der Privatwirtschaft Karriere<br />

oder sogar seine Arbeit riskieren kann, wenn er Elternurlaub<br />

nimmt, werden Väter, die keinen Elternurlaub nehmen, in manchen<br />

staatlichen Betrieben angefeindet (Arbetsgruppen om mansrollen<br />

1984c, S. 16).<br />

Ofters wird von der Arbeitsgruppe angeführt, daß in den vier<br />

Landesteilen am meisten Elternurlaub von Männern genommen<br />

wurde, in denen ein langfristiges Projekt zur Aufklärung <strong>und</strong>


116<br />

Diskussion über Sexualität <strong>und</strong> Familienplanung durchgeführt<br />

wurde.<br />

Um Jungen auf das Vatern vorzubereiten, hält die Arbeitsgruppe<br />

es für ratsam, daß Kinderpflegekurse in den Schulen unterrichtet<br />

werden. Außerdem erscheint eine Integration von Vorschule, Kindergarten<br />

<strong>und</strong> Jugendzentrum als ein wirksames Mittel, Jungen<br />

den Umgang mit Kleinkindern zu ermöglichen, was ihnen eine<br />

bessere Ausgangsposition für das Vatern verschafft.<br />

Es sollte auch überlegt werden, wie gesetzlich verhindert werden<br />

kann, daß Vätern nach ihrem Elternurlaub andere Arbeitsaufgaben<br />

übertragen werden als vorher. Entsprechendes sollte natürlich<br />

auch bei Müttern verhindert werden. Diese häufige Praxis ist ein<br />

weiterer Gr<strong>und</strong>, weshalb nicht mehr Männer Elternurlaub nehmen.<br />

Die Arbeitsgruppe hält es für sinnvoll, daß werdende Väter an<br />

Geburtsvorbereitungskursen teilnehmen <strong>und</strong>, daß diese Kurse auf<br />

die Bedürfnisse der Väter eingehen.<br />

Ihrer Ansicht nach ist es außerordentlich wichtig, daß das Personal<br />

der die Kinder betreuenden Einrichtungen <strong>und</strong> das Personal in<br />

den Schulen in Zukunft aus gleich vielen Männern wie Frauen<br />

besteht (zur Kritik dieser Forderung, siehe 4.1.3.).<br />

Forschungen haben bestätigt, daß Frauen gezwungen werden, zu<br />

Hause zu bleiben, wenn Kinderkrippen <strong>und</strong> -tagesstätten fehlen.<br />

Deshalb fordert die Arbeitsgruppe, daß jedes Kind im Alter von<br />

einem Jahr ein Recht auf einen Betreuungsplatz haben sollte.


117<br />

Der US-amerikanische Väterforscher über den schwedischen EIternurlaub<br />

Der führende Väterforscher in den USA, Michael Lamb, Professor<br />

für Psychologie, Psychiatrie <strong>und</strong> Kinderheilk<strong>und</strong>e an der Uni versity<br />

of Utah In Salt Lake City, führte zusammen mit schwedischen<br />

Forscherinnen eine Studie in Schweden durch.! 3 Sie wollten erforschen,<br />

welche Auswirkungen zeitweiliger "Rollentausch" auf das<br />

Verhalten der Eltern gegenüber den Kindern, auf das Verhältnis<br />

zwischen Eltern <strong>und</strong> Kind <strong>und</strong> auf die frühe Entwicklung des<br />

Kindes hat.<br />

Lamb hatte erwartet, daß die schwedischen Väter, die über eine<br />

gewisse Zeit Elternurlaub nahmen, sich nicht mehr traditionell<br />

gegenüber den Kindern verhalten. Väter in den USA wie in<br />

Schweden lächeln, reden, singen, berühren, halten ihre Kinder<br />

weniger <strong>und</strong> zeigen ihnen seltener Zuneigung als schwedische <strong>und</strong><br />

US-amerikanische Mütter. Lamb wurde enttäuscht. Auch die Väter,<br />

die Elternurlaub nahmen, zeigten die traditionelle größere Distanz<br />

gegenüber ihren Kleinkindern. Es ließen sich keine signifikanten<br />

Verhaltensunterschiede zwischen den Vätern, die Elternurlaub<br />

nahmen <strong>und</strong> den Vätern, die keinen Elternurlaub nahmen, feststellen.<br />

Lamb zieht aus dieser Untersuchung die Schlußfolgerung, daß Vaterurlaub<br />

keine großen Auswirkungen auf die Eltern-Kind-Beziehung<br />

hat. Lamb betrachtet nur das im empirischen Versuch beobachtbare<br />

Verhalten der Väter gegenüber den Kindern, nicht aber,<br />

welche Auswirkungen das Wahrnehmen des Elternurlaubs für die<br />

Väter hat. In der Diskussion der ministeriellen Arbeitsgruppe zur<br />

13 vgl. Lamb (1982b); Lamb/ Frodl/ Hwang/ Frodi (1982); Lamb/<br />

Frodil Hwang et al. (1982); Lamb/ Frodi! Frodi et al. (1982).


118<br />

Männerrolle in Schweden wird hingegen immer wieder betont. dafl<br />

sich gezeigt habe. dafl der Elternurlaub des Vaters eine sehr<br />

wichtige erste Phase für die Entwicklung einer gröfleren Nähe<br />

zwischen Vater <strong>und</strong> Kind im ganzen weiteren Leben sein kann.<br />

Uns erscheint Lambs Ausgangshypothese unverständlich. dafl durch<br />

im Durchschnitt drei Monate Elternurlaub der Väter. nachdem die<br />

Mütter in der Regel vorher schon sechs Monate den ganzen Tag<br />

mit den Kindern zusammen waren. eine grofle Veränderung im empirisch<br />

beobachtbaren Verhalten stattfinden würde. Sind nicht die<br />

geschlechtsspezifischen Unterschiede. mit Kleinkindern umzugehen.<br />

ganz eng an das allgemeine geschlechtsspeziflsche Verhalten geb<strong>und</strong>en?<br />

Verändert sich geschiechtsspezlflsches Verhalten durch<br />

drei Monate "Rollentausch" gr<strong>und</strong>legend? Hwang. der zusammen mit<br />

Lamb die Untersuchungen durchführte. argumentiert 1987 (Hwang<br />

1987) ähnlich wie wir.<br />

4.1.6. Befreiung von der Versorgerposition?<br />

In Schweden gibt es kaum noch "Nur"-Hausfrauen; 1985 waren es<br />

noch ca. 130.000. d.h .• es gibt kaum noch Männer. die allein die<br />

Familie "versorgen" (Arbetsgruppen om mansrollen 1985d. S. 67).<br />

Wenn die Entwicklung weiter geht wie bisher. wird der Anteil der<br />

Frauen <strong>und</strong> der Männer auf dem Arbeitsmarkt bereits Anfang der<br />

90er Jahre ungefähr derselbe sein (Arbetsmarknadsdepartementet.<br />

Jämställdhetsenheten 1986/7. S. 1).<br />

Andererseits gleichen sich die Einkünfte von Männern <strong>und</strong> Frauen<br />

nur sehr langsam an. Die meisten von Frauen dominierten Berufe<br />

sind niedrig bezahlt. Auflerdem arbeiten 45% der Frauen Tellzeit.


119<br />

"Die Frauen passen die Wahl ihrer Arbeit <strong>und</strong> ihre Arbeitszeiten<br />

den Bedürfnissen der Kinder <strong>und</strong> der Familie an." (Arbetsgruppen<br />

om mansrollen 1986, S. 7) Die Einkünfte der Männer machen also<br />

auch in Schweden den größten Teil der Famllieneinkünfte aus.<br />

In Kapitel 3.1.1. haben wir kurz dargestellt, daß es in den USA<br />

bereits seit den 50 er Jahren Tendenzen der Männer gibt, gegen<br />

die Versorgerposition zu rebel11eren. Eines der wichtigsten Ziele<br />

der Männer in Männergruppen ist, nicht mehr hauptsächlich an<br />

ökonomischer Leistungsfähigkeit, d.h. auch an der Fähigkeit zur<br />

Versorgerfunktion gemessen zu werden.<br />

Viele Männer der Arbeitsgruppe zur Männerrolle in Schweden betonen<br />

ebenfalls dieses Ziel. "Wenn ich meine Familie nicht versorgen<br />

kann, bin ich mit anderen Worten ein schlechter Mann. ,Das<br />

ist die Männerrolle, von der ich mich zu befreien versuche", so<br />

Stig Ahs, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe (Arbetsgruppen om<br />

mansrollen 1985d, S. 64).<br />

Während des Seminars der Arbeitsgruppe über Arbeit (ebd. 1984c)<br />

stießen Männer der Arbeitsgruppe mit dieser Ansicht auf heftige<br />

Kritik von Frauen. Die Frauen wiesen darauf hin, daß es international<br />

eirie Tendenz zur Mutter-Kind/er-Famllie gibt. Dieser neue<br />

Familien-Typus bringt es mit sich, daß mehr Frauen verarmen. Die<br />

Frauen stellen in der Seminardiskussion fest, daß es eine Tendenz<br />

der Männer gibt, sich ihrer Versorgungsverantwortung zu entziehen,<br />

die Frauen in die Armut stößt. Auch für Schweden gilt, daß<br />

vieie Frauen nach einer Scheidung in ökonomische SChwierigkeiten<br />

geraten.<br />

Das, Kapitel "Versorgerrolle" im Ideenprogramm der Arbeitsgruppe<br />

versucht, das Interesse der Männer auf Befreiung von der Fixie-


120<br />

rung auf Arbeitsfähigkeit mit dem Interesse der Frauen, nicht<br />

weiterhin ausgebeutet zu werden, zu vermitteln.<br />

Ein allgemeiner Sechs-St<strong>und</strong>en-Arbeitstag scheint der Arbeitsgruppe<br />

das Mittel zu sein, daß die Männer von ihrer Arbeitsfixierung<br />

wegbringen <strong>und</strong> dazu veranlassen könnte, sich mehr den<br />

Kindern <strong>und</strong> der Reproduktionsarbeit zu widmen. Nach einer Untersuchung<br />

einer staatlichen Kommission wäre ein allgemeiner<br />

Sechs-St<strong>und</strong>en tag kurz nach dem Jahr 2000 zu erreichen (ebd.<br />

1985d, S. 69).<br />

Vielleicht war die Kritik der Frauen während des Seminars<br />

fruchtbar.<br />

4.1.7. Männerkulturen<br />

Die Arbeitsgruppe leistet eine Kritik an den - wie sie es nennt -<br />

Männerkulturen. Auch hier wieder wurde die Arbeitsgruppe vor<br />

allem von Rita Liljeström inspiriert. Liljeström geht von der<br />

Trennung in Männerkulturen <strong>und</strong> Frauenkulturen aus. Die Männerkulturen<br />

beschäftigen sich mit dem, was sie für die große <strong>und</strong><br />

wichtige Welt halten. Den Frauen bleibt die Befriedigung alltäglicher<br />

Bedürfnisse <strong>und</strong> die Pflege der persönlichen Beziehungen<br />

überlassen.<br />

Gleichzeitig wird aber der Anteil der Frauen an der Aufrechterhaltung<br />

der Männerkulturen betont. Die Arbeitsgruppe will, wie<br />

sie im Vorwort schreibt, vor allem von den Sichtweisen der Männer<br />

ausgehen. Daß Frauen Männer manchmal auch aus ihren Bereichen<br />

fernhalten, ist richtig, aber uns erscheint der Anteil der<br />

Frauen an diesem Prozeß als zu groß eingeschätzt. Männer halten


121<br />

sich vor allem deshalb lieber in den "großen" Männerwelten auf,<br />

weil es ihren Interessen entspricht.<br />

Arbeitsleben<br />

Insbesondere in ihrer Erörterung des Themas Männer <strong>und</strong> Arbeitsleben<br />

kritisiert die Arbeitsgruppe, daß das Arbeitsleben männlich<br />

geprägt ist. Dies gilt sogar für Arbeitsbereiche, in denen kaum<br />

Männer arbeiten. Auch die männlichen Hierarchien, die wir überall<br />

im Arbeitsleben finden, kritisiert die Arbeitsgruppe. Ebenfalls wird<br />

kritisiert, daß die Auf teilung in qualifizierte Männerberufe <strong>und</strong><br />

monotone, schlechtbezahlte Frauenarbeit durch das Interesse der<br />

Männer, Privilegien zu erhalten, entstand <strong>und</strong> durch dieses Interesse<br />

auch aufrechterhalten Wird.<br />

Die Frage ist nur hier wie bei den anderen Thesen der ArbeItsgruppe,<br />

ob nicht ähnlich wie bei der Gleichstellungspolitik Theorie<br />

<strong>und</strong> Praxis auseinanderklaffen. Die Theorie der Arbeitsgruppe<br />

analysiert hier (wie meistens) die Wurzeln der Gleichstellungsprobleme.<br />

Aber die praktischen Konsequenzen, jedenfalls die pragmatischen,<br />

kurzfristig erreichbaren Forderungen, sind relativ uneffektiv,<br />

manchmal.vielleicht sogar kontraproduktiv.<br />

Die pragmatische Forderung der Arbeitsgruppe zu diesem Thema<br />

lautet: So wie bisher schon im Rahmen der schwedischen Gleichstellungspolltik<br />

Projekte geschaffen wurden, die es Frauen ermöglichen<br />

sollten, in von Männern dominierten Arbeitsbereichen zu<br />

arbeiten, sollten entsprechend Projekte für Männer in von Frauen<br />

dominierten Arbeitsbereichen geschaffen werden. In Kapitel 4.1.3.<br />

haben wir schon kurz angesprochen, daß diese Forderung dazu<br />

mißbraucht werden kann, daß Männer Arbeitsplätze gewinnen <strong>und</strong>


122<br />

Frauen Arbeitsplätze verlieren. Die Arbeitsgruppe schreibt, daß es<br />

aus diesem Gr<strong>und</strong>e Widerstand gegen das "Einbrechen" von Männern<br />

auf "Frauenarbeitsplätze" von Seiten der Gewerkschaften<br />

gibt.<br />

Zwei weitere Tatsachen, die die Arbeitsgruppe selbst in ihrem<br />

Kapitel über das Arbeitsleben anführt, hätten sie ebenfalis als<br />

Bedenken gegenüber ihrer Forderung benennen sollen: Einmal haben<br />

schon im Zeitraum 1975-1980 mehr Männer versucht, in<br />

"weiblichen" Arbeitsbereichen zu arbeiten, als Frauen in "männlichen"<br />

Arbeitsbereichen. Zum zweiten haben es die männlichen<br />

"Eindringlinge" ganz im Gegensatz zu den weiblichen sehr leicht.<br />

Sie stoßen nicht auf Widerstand, im Gegenteil. Deshalb sind sie<br />

auch meist sehr zufrieden. Dies zeigte sich bei dem Seminar, das<br />

die Arbeitsgruppe mit Männern, . die in traditionell von Frauen<br />

beherrschten Arbeitsplätzen arbeiteten, durchführte (Arbetsgruppen<br />

om mansrollen 1985c).<br />

Sport<br />

Beim Sport haben sich die Männer eine Männerkultur geschaffen,<br />

"die im Gr<strong>und</strong>e auf einem patriarchalischen Gesellschaftssystem<br />

basiert." (ebd. 1985d, S. 52) - so die schwedische Arbeitsgruppe.<br />

Im Ideenprogramm wird ein ehemaliger Leistungssportler zitiert,<br />

der in einem Seminar der Arbeitsgruppe das Sportlerverhalten<br />

kritisierte. Selten habe einer gewagt, Gefühle ehrlich zum Ausdruck<br />

zu bringen, jeder spielte den Starken.<br />

Klarer als im entsprechenden Kapitel im Ideenprogramm kommt die<br />

entschiedene Kritik der Arbeitsgruppe am Sport als Bollwerk<br />

schwedischer hegemonialer Männlichkeit in den Diskussionen in


123<br />

ihren Seminaren zum Ausdruck. Als ein Teilnehmer des Seminars<br />

über Trennungen (Samrädsgruppen för mansrollsfrägor 1987) sich<br />

dagegen verwahrte, daß die Fußballkultur kritisiert wurde, legten<br />

der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Stig Ahs <strong>und</strong> Hans Nestius,<br />

ebelifalls Mitglied der Arbeitsgruppe <strong>und</strong> Vorsitzender des<br />

Reichsb<strong>und</strong>es für sexuelle Aufklärung, heftig ins Zeug. In die<br />

Männerbünde, wie etwa die Sportvereine, seien die Männer schon<br />

immer vor den Problemen zuhause geflüchtet. In Schweden werde<br />

der Sport mit großen Summen unterstützt, so daß verlangt werden<br />

könne, daß der Sport sich in gesellschaftlichen Fragen engagiert.<br />

Da die Arbeitsgruppe die positiven Seiten, die es für Männer haben<br />

kann, sich zu verändern, betonen will, führt sie im Ideenprogramm<br />

positive Beispiele aus Schweden an: Es gibt Initiativen<br />

für Sport, der ohne Leistungshetze auskommt. Andererseits bringen<br />

Mitglieder der Arbeitsgruppe in einer Seminardiskussion ihre große<br />

Skepsis gegenüber der Möglichkeit, die Sport-.Männerbünde zu<br />

verändern, zum Ausdruck. Ein Teilnehmer am 'Seminar über Gefühle'<br />

meinte zu dieser Frage: "Mit Sportlern über Fragen der<br />

persönlichen Beziehungen zu arbeiten, ist das schwerste, was es<br />

gibt."<br />

Militär<br />

Auch im Schwedischen gibt es ein Sprichwort, das besagt, daß das<br />

Militär aus "unsicheren Jünglingen einen Mann" macht. Da das<br />

Militär für die Sozialisation von großer Bedeutung sei, ist der Militärdienst<br />

nach Ansicht der Arbeitsgruppe einer jener "goldenen<br />

Gelegenheiten", zu denen Männer am ehesten verändert werden<br />

könnten.


124<br />

Die Kritik am Militär bleibt allerdings vage, es wird nur kritisiert,<br />

da!} das Militär hierarchisch ist <strong>und</strong> in ihm ein veraitetes<br />

Männerbild zum Tragen kommt. Die Arbeitsgruppe führt nicht weIter<br />

aus, wie ein nichthierarchisches <strong>und</strong> einem neuen Männerbild<br />

entsprechendes Militär beschaffen sein könnte. Es gäbe keine<br />

Forschung darüber, wie der Militärdienst sich auf die Männer auswirkt.<br />

Die Interessensvertretung der. Wehrpflichtigen forderte 1984, da!}<br />

während der Militärdienstzeit Kurse über Gleichstellung <strong>und</strong> Geschlechtsrollen<br />

abgehalten werden sollten. Die Arbeitsgruppe zur<br />

Männerrolle schlie!}t sich dem an <strong>und</strong> fordert au!}erdem, da!} diese<br />

Themen in die Offiziersausbildung eingehen sollten .<br />

. Die Schulung der Offiziere sollte von Personen innerhalb oder<br />

au!}erhalb der Streitkräfte durChgeführt werden, die Interesse,<br />

Wissen <strong>und</strong> Erfahrung auf dem Gebiet haben. Der Reichsb<strong>und</strong> für<br />

sexuelle Aufklärung habe sich zum Beispiel dazu angeboten.<br />

Auf Initiative der Arbeitsgruppe wurden zwei Projekte für Wehrpflichtige<br />

vom Ministerium finanziell unterstützt. Die Stiftung<br />

Dalarnas Soldathem führte 1986 zusammen mit dem KVinnojour<br />

(etwa: Frauenzentrum) in Falun <strong>und</strong> dem Regiment I 13 ein Projekt<br />

mit sämtlichen Wehrpflichtigen in der Region durch. Das Theaterstück<br />

von Allan Akerl<strong>und</strong>, in dem es um die traditionelle Sicht<br />

von Männern auf Frauen <strong>und</strong> Frauenmi!}handlung geht, wurde den<br />

Wehrpflichtigen als Teil der Ausbildung in 18 Vorstellungen gezeigt.<br />

Anschlie!}end wurde über das Theaterstück diskutiert. An<br />

dieser Diskussion nahm eine Repräsentantin des Kvinnojour teil.<br />

Die<br />

Länsregierung· des Skaraborg Län (vergleiChbar mit einem<br />

Landkreis) führt zusammen mit dem Bildungsverband des Läns


125<br />

ebenfalls ein Projekt durch, das sich an Wehrpflichtige richtet.<br />

Dazu wurde ein Anleitungsheft für einen Kursus über Männer <strong>und</strong><br />

Gleichstellung geschrieben <strong>und</strong> hergestellt (Johansson 1986). Die<br />

InitiatorInnen wollten erreichen, daß dieses Studienmaterial Teil<br />

des obligatorischen Unterrichts der Wehrpflichtigen wird.<br />

Wir halten das Anleitungsheft für eine gute Gr<strong>und</strong>lage, Wehrpflichtige<br />

über Geschlechterfragen aufzuklären. Vor allem die<br />

praktischen Ideen, nach denen sich die Wehrpfllchtlgen mit lokalen<br />

Bedingungen, die das Geschlechterverhältnis betreffen (z.B.<br />

große Unterschiede im KiTa-Angebot <strong>und</strong> von Arbeitsplätzen für<br />

Frauen in verschiedenen Orten, Verkehrsbedingungen), auseinandersetzen,<br />

können sehr lehrreich sein. Allerdings wäre mehr Auseinandersetzung<br />

zur Frage Mllltär <strong>und</strong> Männlichkeit angebracht<br />

gewesen (nur eine von 32 Seiten behandelt dieses 'rhema).<br />

Wir halten das - immer zumindest potentielle - Soldat-Sein für<br />

ein gr<strong>und</strong>legendes Element hegemonialer Männlichkeit. Deshalb ist<br />

es sehr zu begrüßen, daß in Schweden auch hier angesetzt wird.<br />

4.1.8. Trennungen<br />

Ein großer Teil der Scheidungen <strong>und</strong> Trennungen in Schweden hat<br />

darin seine Ursache, daß Frauen es nicht länger ertragen, vom<br />

Mann nicht als gleichwertig behandelt zu werden. Die ökonomische<br />

Unabhängigkeit, d.h., daß die Frauen in der Regel erwerbstätig<br />

sind, erhöht sicher die Bereitschaft, sich vom Mann zu trennen.<br />

Die Frauen haben heute ein "Familienplanungsmonopol" (Arbetsgruppen<br />

om mansrollen 1985d, S. 92), d.h., sie bestimmen in den<br />

überwiegenden Fällen, ob sie ein Kind bekommen, ob sie abtreiben,


126<br />

daß eine Trennung erfolgt. Die Frauen bestimmen eher in Fragen<br />

des Zusammenlebens, die Männer eher in ökonomischen Fragen.<br />

Viele Männer geraten in schwere Krisen, wenn sich ihre Frau oder<br />

Fre<strong>und</strong>in von ihnen trennt. 14 Häufig halten Frauen die Kontakte<br />

mit Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Verwandten (auch denen des Mannes) aufrecht.<br />

Nach einer Trennung geraten viele Männer deshalb in die Isolation.<br />

Auch die Trennung von den Kindern, die für die Männer immer<br />

noch die Regel ist, läßt viele Männer verzweifeln. Immer mehr<br />

Männer suchen in Sorgerechtsfragen um Hilfe.<br />

Hier setzen die Krisenzentren <strong>und</strong> Mannsjourer (siehe 4.2.2. <strong>und</strong><br />

4.2.3.) an. Männer, die wegen einer Trennung Probleme hatten,<br />

machten z.B. 33% des Klienteis des Krisenzentrums für Männer In<br />

Göteborg aus.<br />

Die Arbeitsgruppe empfiehlt, daß Kurse eingerichtet werden sollten,<br />

in denen Männer lernen können, bessere Fähigkeiten für das<br />

Zusammenleben zu entwickeln - sowohl betreffend praktischer<br />

Reproduktionsarbeiten als auch der emotionalen Reproduktion.<br />

Die Arbeitsgruppe hält es für sowohl 1m Interesse der Kinder als<br />

auch der Väter für sinnvoll, daß nach Scheidungen oder Trennungen<br />

häufiger belde Elternteile sich gemeinsam in zwei Wohnungen<br />

um die Kinder kümmern, anstatt, daß die Kinder nur bei<br />

einem Elternteil aufwachsen.<br />

"Die Kinder, die nur bei einem Elternteil aufwachsen, haben auf<br />

den Verlust des anderen Elternteiles mit Trauer reagiert - sie<br />

ließen die Gefühle nach Innen gehen. Kinder, die abwechselnd<br />

14 Schätzungsweise jedes fünfte zusammenlebende Paar 1st nicht<br />

verheiratet. (Jalmert in Samrädsgruppen f1ir mansrollsfrägor<br />

1987, S. 81). Es wurde keine Untersuchung über die Anzahl<br />

durChgeführt.


127<br />

beim einen <strong>und</strong> beim anderen Elternteil leben, sind frustriert über<br />

die praktischen Probieme, die zu einem getrennten Wohnen gehören.<br />

Manchmal reagieren sie mit Wut. Sie reagieren nach außen."<br />

(Arbetsgruppen om mansrollen 1985d, S. 99) Die letztere Reaktion<br />

hält die Arbeitsgruppe für sehr viel ungefährlicher für die psychische<br />

Ges<strong>und</strong>heit des Kindes.<br />

Wir merken dazu an, daß die Arbeitsgruppe im Gegensatz zu USamerikanischen<br />

KritlkerInnen eines gemeinsamen Sorgerechts nach<br />

Scheidungen kaum von den Fällen spricht, in denen Kinder erheblich<br />

unter den Konflikten zwischen den Eltern leiden (siehe<br />

3.1.5.). In diesen Fällen würde das Aufwachsen bei nur einem Elternteil<br />

dem Kind mehr dienen, als das abwechselnde Wohnen bei<br />

beiden Eltern.<br />

Seit 1983 erhalten bei einer Scheidung automatisch beide Elternteile<br />

das Sorgerecht, wenn kein Elternteil etwas anderes beantragt.<br />

Nichtverheiratete Paare erhalten umstandslos gemeinsames<br />

Sorgerecht, wenn sie dies beim Pastorenbüro anmelden. Sie können<br />

auch nach einer Trennung das gemeinsame Sorgerecht beibehalten.<br />

Im Juli 1987 wurde vom schwedischen Reichstag ein Antidiskriminierungsgesetz<br />

verabschiedet, das die Rechte homosexueller Paare<br />

an die von Ehepaaren angleicht.<br />

4.1.9. "Leistungen an Stelle von Gefühlen"<br />

"Leistungen an Stelle von Gefühlen", so lautet eine Zwischenüberschrift<br />

im Ideenprogramm. der schwedischen Arbeitsgruppe<br />

(Arbetsgruppen om mansrollen 1985d, S. 107). Der Vorsitzende der<br />

Arbeitsgruppe vertritt die Ansicht, daß der schlechte Zugang zu


128<br />

seinen Gefühlen den Mann zum Invaliden macht (ebd. 1984b, S. 5).<br />

Viele Männer unterdrücken ihre Aggressionen, bis sie unkontrolliert<br />

zutage treten. Viele Männer richten ihre Aggressionen gegen<br />

Untergebene, d.h., sie zeigen das sogenannte Radfahrerverhalten,<br />

welches die hierarchischen Systeme fördern.<br />

Männer können häufig ihre Gefühle nicht in Worten ausdrücken,<br />

deshalb sexualisieren sie oft Gefühle, die eigentlich nicht sexuell<br />

sind. "... Männer sexualisieren viele Gefühle, well sie nicht richtig<br />

wissen, um was für Gefühle es sich handelt. Sie spüren nur einen<br />

Druck im Körper ... sie glauben, daß viele Probleme sozusagen im<br />

Penis sitzen. Wenn sie nur freien Auslauf für ihre Lust hätten, so<br />

glauben sie, würde alles gut werden. Und vielleicht geht es ihnen<br />

sofort danach tatsächlich gut, aber bald geraten sie wieder in den<br />

gleichen Spannungszustand wie vorher." (Barbro Lenneer-Axelsson,<br />

in: ebd. 1985d, S. 121)<br />

Hans Nestius, Vorsitzender des Reichsb<strong>und</strong>es für sexuelle Aufklärung<br />

<strong>und</strong> Mitglied der Arbeitsgruppe, präzisierte dies während des<br />

Seminars über Gefühle (Arbetsgruppen om mansrollen 1984a). Er<br />

differenziert vier Gruppen von Gefühlen, für die Sexualität stehen<br />

kann.<br />

1. Sexualität als die "Krone des Werkes", als Symbol für Leistung<br />

des Mannes <strong>und</strong> Anerkennung durch Männer.<br />

2. Sexualität als "Waffe", als Symbol für Aggression <strong>und</strong> Unterwerfung.<br />

3. Sexualität als Ausdruck für Sehnsucht nach Schwäche, Abhängigkeit,<br />

Sich -fallen- Lassen.<br />

4. Sexualität als Trieb-Ausleben.<br />

Die Arbeitsgruppe ist der Auffassung, daß Pornografie Frauenver-


129<br />

achtung schürt <strong>und</strong> Einsamkeit <strong>und</strong> Isolierung verstärkt. AUßerdem<br />

meint sie, daß es Zusammenhänge zwischen Pornografie, Prostitution<br />

<strong>und</strong> Vergewaltigung gibt. "... wir sympathisieren mit dem<br />

Gedanken, nicht nur Kinderpornografie <strong>und</strong> extreme Gewaltpornografie,<br />

sondern auch alle übrige massenproduzierte Pornografie zu<br />

verbieten, die so offensichtlich die Menschenwürde mit Füßeln<br />

trampet <strong>und</strong> die - eigentlich - für Männer genauso erniedrigend<br />

<strong>und</strong> kränkend ist wie für Frauen."<br />

Die Diskussion der Arbeitsgruppe über Sexualität müssen wir vor<br />

dem Hintergr<strong>und</strong> der langen Tradition der Sexualaufklärung in<br />

Schweden sehen. Diese Tradition wurde nicht durch Faschismus<br />

oder Okkupation unterbrochen. Die schwedische Aufklärungsbewegung<br />

wurde in ihren Anfängen vor allem. durch deutsche <strong>und</strong> norwegische<br />

Sexualwissenschaftlerinnen inspiriert. Ein Tell der deutschen<br />

Sexualaufklärungsbewegung überlebte nach 1933 bzw. 1940<br />

in Schweden (vieles davon auf dem Umweg einer Emigration von<br />

Sexualwissenschaftlerinnen bis zur Okkupation zunächst nach<br />

Norwegen). Sexualaufklärung zu erhalten, wird in Schweden heute<br />

als ein Recht jedes Menschen angesehen. Alle Kinder werden in<br />

der SchUle aufgeklärt. Die Diskussion über Männlichkeit wird in<br />

Schweden zum großen Teil von Sexualaufklärerinnen geführt (z.B.<br />

Erik Centerwall, siehe 4.2.3.). Die weite Verbreitung der Debatte<br />

über Sexualität zeigt sich z.B. darin, daß die führende Einzelgewerkschaft,<br />

die Metallgewerkschaft, 1985 "den Kampf gegen Pornografie<br />

als gewerkschaftliche Frage der Verteidigung der Menschenwürde"<br />

aufgenommen hat1" .<br />

15 Ottar, Nr.4/ 1985, S. 56.


130<br />

4.1.10. "Verändert die 'Erziehung der Jungen!"<br />

So lautet eine überschrift im Buch der schwedischen Arbeitsgruppe.<br />

Sie referiert Ergebnisse der empirischen Sozialisationsforschung<br />

<strong>und</strong> Erkenntnisse der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie<br />

zur Entwicklung von Jungen. Das Mitglied der Arbeitsgruppe,<br />

Lars Jalmert, hat selbst 1979 ein in Skandinavien<br />

vielbeachtetes Werk zur empirischen Soziallsationsforschung geschrieben<br />

(Jalmert 1979). Die Sicht der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie<br />

wird vor allem durch den Psychoanalytiker<br />

Johann Cullberg vertreten. Danach verdrängt der kleine Junge<br />

seinen Verlust von Nähe gegenüber den Eltern <strong>und</strong> kompensiert<br />

ihn durch eine distanzierte Sexualität.<br />

Sehr wichtig scheint uns auch Cullbergs Sicht der Position von<br />

Mutter <strong>und</strong> Vater gegenüber dem Kleinkind, das von der Arbeitsgruppe<br />

übernommen wird, "Erst mit zwei oder drei Jahren kann<br />

das Kind die Eltern klar als Personen unterschiedlichen Geschlechts<br />

unterscheiden. Wenn der Mann früh .in das Leben des<br />

Kindes kommt, erweitert dieses nur seine Erwartung auf Nähe in<br />

der Weise, daß diese Erwartung zwei Personen umfaßt. Eine Voraussetzung<br />

dafür ist natürlich, daß sowohl der Mann als auch die<br />

Frau die Sprache des Kindes lernen <strong>und</strong>, daß sie auf die Signale<br />

des Kindes hören <strong>und</strong> antworten wollen, können <strong>und</strong> dazu Zeit<br />

haben," (Arbetsgruppen om mansrollen 1985d, S, 42)<br />

Die Arbeitsgruppe ist der Ansicht, daß ein Vater, der Hausarbeit<br />

macht, ein sehr wichtiges Vorbild für Jungen ist <strong>und</strong> einen großen<br />

Einfluß darauf hätte, daß der Junge nicht - wie es normalerweise<br />

geschieht - Verachtung gegenüber Hausarbeit entwickelt,<br />

Die Arbeitsgruppe spricht häufig davon, daß den Jungen männliche


131<br />

Vorbilder fehlen. Zumeist scheint dies so gemeint zu sein .. daß ein<br />

Mann, der ein anderes Mann-Sein verkörpert, dem Jungen ermöglichen<br />

könnte, selbst ein anderes Mann-Sein zu entwickeln.<br />

An manchen Steilen steht hinter der Anpreisung männlicher Vorbilder<br />

jedoch möglicherweise die Vorsteilung, es sei von wesentlicher<br />

Bedeutung, daß der Junge bzw. der Mann eine mlinnliche<br />

Identität entwickelt.<br />

Zur Kritik des Paradigmas der männlichen Identität, siehe die<br />

Ausführungen zu Joseph Pleck in 3.4.1.<br />

Die Arbeitsgruppe hält es für außerordentlich wichtig, daß die<br />

geschlechtsspezifische Sozialisation des Jungen in der Elternausbildung,<br />

in den Massenmedien, etc. diskutiert wird, damit Jungen<br />

zukünftig weniger einseitig erzogen w(!rden. '<br />

4.1.11. Männer aus anderen Kulturen<br />

Ca. 10% der in Schweden iebenden Menschen sind im Ausland geboren.<br />

Dem Thema "Männer aus anderen Kulturen" hat sich die<br />

Arbeitsgruppe noch nicht im einzelnen gewidmet, obwohl während<br />

der Tagung des Gleichsteilungsrates! 6<br />

zum Thema Männerroile im<br />

Herbst 1984 gewünscht wurde, daß "Situation <strong>und</strong> Männerroile" der<br />

Einwanderer! 7<br />

diskutiert werden sollten. Natürlich gibt es sehr<br />

große Unterschiede zwischen Männern aus verschiedenen Ländern.<br />

GleichWOhl betont die Arbeitsgruppe, daß die schwedischen Anschauungen<br />

über die Geschlechter <strong>und</strong> Beziehungen zwischen den<br />

16 Der Gieichsteilungsrat ist ein beratendes Organ, das aus RepräsentantInnen<br />

von 23 verschiedenen Organisationen besteht,<br />

u.a. Frauenorganisationen, Parteien, Gewerkschaften, Arbeitgeberverband.<br />

17 "Invandrar" (Einwanderinnen) nennen die SchwedInnen in ihrem<br />

Land arbeitende AusländerInnen.


132<br />

Geschlechtern vielen Einwanderinnen aus anderen Kulturen anstößig<br />

<strong>und</strong> unmoralisch erscheinen können. "Männer, die aus<br />

Gesellschaften kommen, in denen der Mann die Hauptverantwortung<br />

für die Versorgung der Familie haben, können das mehr<br />

gleichgestellte schwedische Ideal als Bedrohung gegen ihre eigene<br />

Stellung <strong>und</strong> Würde erleben. "! 9<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich herrscht in Schweden die Auffassung, daß AusländerInnen<br />

in Schweden das Recht haben, ihre Kultur <strong>und</strong> Sprache<br />

zu pflegen. Dieses Recht hat aber Grenzen. Das Schlagen von<br />

Kindern wird z.B. laut Aussage der Arbeitsgruppe nicht toieriert.<br />

Es wurde 1979 gesetzlich untersagt - allerdings ohne Strafen<br />

vorzusehen.! 9<br />

Die Arbeitsgruppe hält es für wichtig, daß Einwanderergruppen<br />

mehr Information über die schwedische Familienpolitik, Gesetzgebung<br />

<strong>und</strong> das Streben nach Gleichstellung der Geschlechter erhalten.<br />

Diese Information sollte von den Einwandererorganisationen<br />

selbst gegeben werden, damit sie kulturell angepaßt ist ..<br />

In internationalen Organisationen sollte nach Auffassung der Arbeitsgruppe<br />

bei Gleichstellungsbemühungen die Männerrolle mehr<br />

Beachtung finden.<br />

4.1.12. Männerseminare<br />

Die Arbeitsgruppe hält es für außerordentlich wichtig, daß durch<br />

Bildungsaktivitäten <strong>und</strong> öffentliche Debatten versucht wird, ein<br />

18 Dieser Satz ist Teil eines Zitates aus Invandrarpolitiska komiten<br />

(1984), das die Arbeitsgruppe in ihrem Ideenprogramm<br />

anführt (S. 33).<br />

19 "Der Tagesspiegel" Berlin (West), v. 13.03.1979.


133<br />

anderes Denken über Männlichkeit zu verbreiten.<br />

Der Arbeitsgruppe sind sieben staatliche Einrichtungen bekannt,<br />

innerhalb derer Schulungen für Führungskräfte über Gleichstellung<br />

durchgeführt wurden. Da die TellnehmerInnen fast nur Männer<br />

waren, sieht sie diese Kurse als Männerkurse an.<br />

Nur in einer staatlichen Einrichtung wurden Kurse von vornherein<br />

bewußt für Männer geplant <strong>und</strong> zwar im arbetsmarknadsstyrelsen<br />

(entspricht der B<strong>und</strong>esanstalt für Arbeit).<br />

Beim Automobilhersteller Volvo wurden im Rahmen eines Gleichstellungsprojektes<br />

Männerseminare während der Arbeitszeit<br />

durchgeführt. Dieses Gleichstellungsprojekt hat sich bereits als<br />

erfolgreich erwiesen. Auch für die Mitarbeiter des schwedischen<br />

Radios fanden Männerseminare statt.<br />

Die Arbeitsgruppe führte ein Seminar mit 18 RepräsentantInnen<br />

von Blldungsorganisationen durch. Es ging dabei um die Frage,<br />

wie Männer durch Bildungsveranstaltungen <strong>und</strong> Bildungsmaterial<br />

erreicht werden könnten.<br />

Es ist schwierig, einander unbekannte Männer während einer Bildungsveranstaltung<br />

dazu zu bewegen, daß sie sich zusammensetzen<br />

<strong>und</strong> übel' ihr Mann-Sein sprechen. Männer sind nicht darin geübt,<br />

über Persönliches miteinander zu reden.<br />

Auch in Schweden geht nicht alle Aktivität von "ganz oben"<br />

aus.- 0<br />

Deshalb gehen wir im folgenden auf drei andere Orte der<br />

20 Zur Kritik am Obrigkeitsdenken in Schweden, siehe Enzensberger<br />

(1982).


134<br />

Auseinandersetzung mit Männlichkeit ein: die Koliegenunterstützung<br />

der Gewerkschaften. die professionellen Krisenzentren für<br />

Männer <strong>und</strong> die Basisaktivitäten von Männergruppen.


135'<br />

4.2. Andere Initiativen<br />

4.2.1. Kollegenunterstützung in der Gewerkschaft<br />

Die Arbeitsgruppe hält die "Kollegenunterstützung", die in den<br />

belden größten Gewerkschaften seit ein paar Jahren aufgebaut<br />

wird, für ein sehr wichtiges Mittel zur Unterstützung von Männern.<br />

Es geht dabei vor allem darum, daß Kollegen lernen, einander<br />

bei persönlichen Problemen <strong>und</strong> in Krisen zu helfen. Männern<br />

fällt es zumeist schwer, darauf einzugehen, wenn ein anderer<br />

Mann Probleme hat.<br />

Obgleich die Kollegenunterstützung nicht explizit die Veränderung<br />

der Männerrolle als Ziel hat, meint die Arbeitsgruppe, daß sie<br />

diesem Ziel dient. Das BIldungsmaterial' der Gewerkschaften· be­<br />

SChäftigt sich auch mit "den Kehrseiten der traditionellen Männerrolle"<br />

(Arbetsgruppen om mansrollen 1985d, S. 162).<br />

In der Stadt Gävle kam es zu. einer Zusammenarbeit zwischen der<br />

Arbeitergewerkschaft <strong>und</strong> dem örtlichen Frauenhaus. Mitarbeiterinnen<br />

des Frauenhauses fragen Frauen, die dort Hilfe suchen <strong>und</strong><br />

von denen sie wissen, daß ihr Mann Arbeiter ist, ob sie möchten,<br />

daß mit ihrem Mann Kontakt aufgenommen wird. Wenn die hilfesuchenden<br />

Frauen sich dafür aussprechen, nehmen Gewerkschaftler<br />

mit dem schlagenden Mann Kontakt auf.


136<br />

4.2.2. Professionelle Krisenzentren für Männer<br />

Krisenzentrum Göteborg<br />

Entstehung<br />

In Göteborg entstanden soziale Projekte für mißhandelte Frauen<br />

Anfang der 80er Jahre. Es handelt sich dabei um Initiativen, die<br />

auf freiwilliger Arbeit von Frauen beruhen, <strong>und</strong> um kommunale<br />

Einrichtungen. MitarbeiterInnen dieser kommunalen Einrichtungen<br />

<strong>und</strong> auch MItarbeiterinnen der autonomen Fraueninitiativen finden<br />

sich In einer "Informationsgruppe über Frauenmißhandlung" zusammen.<br />

In dieser Gruppe wuchs das Bedürfnis, etwas zu unternehmen'<br />

um die schlagenden Partner der Frauen, die Hilfe suchen, zu<br />

verändern. Immer wieder äUßerten mißhandelte Frauen, daß sie ja<br />

nicht diejenigen seien, die Therapie bräuchten, sondern ihre<br />

Männer. Laut Aussage von Ake Holmström, dem Psychologen, der<br />

im Krisenzentrum für Männer in Göteborg arbeitet, waren es drei<br />

Einzelpersonen bzw. Teams, die die Idee zu einem spezifischen<br />

Ansatz für Männer hatten: Barbro Leneer-Axelsson, Lektorin am<br />

"Institutionen för socialt arbete" der Universität Göteborg, Mitarbeiterinnen<br />

des Jourhemmet för kvinnor (Frauenhaus), einer kommunalen<br />

Einrichtung, <strong>und</strong> Mitarbeiterinnen des Krisenteams für<br />

Frauen im östra Krankenhaus, das Frauen, die sich wegen<br />

Mißhandlungen in diesem Krankenhaus behandeln lassen, Hilfe<br />

anbietet (pers. comm.).<br />

In der Begründung für den Antrag auf finanzielle Unterstützung<br />

bezog sich die Planungsgruppe auf die überlegungen der ministeriellen<br />

Arbeitsgruppe zur Männerrolle, daß Beziehungskrisen <strong>und</strong><br />

Trennungen Situationen sind, in denen Männer sehr viel eher als<br />

sonst dazu bewegt werden können, sich zu verändern. Außerdem


137<br />

schlie!}t sich die Planungs gruppe der Ansicht der ministeriellen<br />

Arbeitsgruppe an, da!} es an Ansätzen fehlt, Männern in der Krise<br />

(insbesondere nach Trennungen) zu helfen.<br />

Es soll bei dem Krisenzentrum für Männer in Göteborg zum einen<br />

darum gehen, schlagende Männer zu beraten, zum anderen, Erfahrungen<br />

darüber zu sammeln, welche Hilfebedürfnisse von Männern<br />

nicht durch bestehende Institutionen abgedeckt werden. Beiden<br />

Zielen dient die wissenschaftliche Begieitung der ersten zwei<br />

Jahre des Projektes, die von Barbro Leneer-Axelsson geleitet wird.<br />

EInrichtung <strong>und</strong> Ziele<br />

Im Januar 1986 nahm das Krisenzentrum für Männer in Göteborg<br />

seine Tätigkeit auf. Es war zunächst als zweijähriges Modellprojekt<br />

gedacht <strong>und</strong> wurde zunächst vom Sozial ministerium <strong>und</strong> von<br />

der Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> der Sozial verwaltung der Stadt Göteborg<br />

finanziert. Die ministerielle Arbeitsgruppe zur Männerrolle hatte<br />

die Einrichtung des Krisenzentrums unterstützt. Inzwischen ist die<br />

Existenz des Krisenzentrums für mindestens zwei weitere Jahre<br />

(l988 <strong>und</strong> 1989) gesichert. Es wird jetzt nur noch von der Ges<strong>und</strong>heits-<br />

<strong>und</strong> der Sozialverwaltung der Stadt Göteborg getragen.<br />

Das Krisenzentrum in Gqteborg befindet sich in einer 140m 2<br />

grollen Wohnung <strong>und</strong> beschäftigt zwei hauptamtliche Mitarbeiter,<br />

einen Psychologen <strong>und</strong> einen Sozialarbeiter. Eine Gruppe von<br />

Freiwilligen berät an einem Nachmittag am Telefon.<br />

Zunächst wollte die Planungsgruppe für das Krisenzentrum eine<br />

Frau <strong>und</strong> einen Mann anstellen. Aufgr<strong>und</strong> vieler Diskussionen kamen<br />

sie jedoch zu dem Schlu!}, da!} es besser ist, für eine derar-


138 .<br />

tige Tätigkeit zwei Männer als Personal einzustellen. Barbro Leneer-Axelsson<br />

nennt u.a. folgende Gründe (Lenneer-Axelsson<br />

1986, S. 3f.):<br />

1. Das unheilvolle Verhaltensmuster, daß Männer miteinander<br />

selten über persönliche Angelegenheiten sprechen, soll<br />

gebrochen werden;<br />

2. Männer, die mißhandelt haben, öffnen sich nach der Erfahrung<br />

vieler Krisenzentren für Männer in den USA eher<br />

Männern;<br />

3. Eine Identifikation mit dem Therapeuten sei wichtig für<br />

die Veränderung; dies sei insbesondere bei Mißhandlern<br />

<strong>und</strong> bei anderen männerspezifischen Problemen von Bedeutung;<br />

4. Die Erfahrung des Göteborger· Krisenzentrums zeige, daß<br />

die Klienten <strong>und</strong> die Therapeuten auch bei Trennungsproblemen<br />

besser miteinander umgehen können, weil beide<br />

Männer sind.<br />

Entsprechend der oben geschilderten Ziele versuchen die Mitarbeiter<br />

des Krisenzentrums folgende Zielgruppen anzusprechen:<br />

"Männer in der Krise, vor während <strong>und</strong> nach Trennungen. Männer<br />

mit Schwierigkeiten im Umgang mit ihren Kindern" (vor allem nach<br />

Trennungen) "Männer, die mißhandelt haben oder andere Aggressionsprobleme<br />

haben." (ebd., S. 5).<br />

Laut Aussage der Mitarbeiter <strong>und</strong> der wissenschaftlichen Begleiterin<br />

hat sich durch ihre Erfahrung bestätigt, daß es richtig ist,<br />

nicht eine Institution nur für schlagende Männer zu schaffen. Das<br />

würde stigmatisierend wirken <strong>und</strong> deshalb viele Männer abschrekken.<br />

25 % der Männer, die sich von selbst an das Krisenzentrum<br />

wandten, hatten Aggressionsprobleme.


139<br />

Tätigkeiten<br />

Da die Medien sehr viel über das Krisenzentrum berichteten.<br />

mußte bald nicht mehr in Zeitungen inseriert werden. Sehr viele<br />

Männer riefen an. 1986 erhielten sie 1550 Anrufe. die Jedoch zumeist<br />

beim Anrufbeantworter landeten. Nur ca. 400 konnten die<br />

beiden Mitarbeiter persönlich entgegennehmen. Deshalb bildeten<br />

sie Ende 1986 eine Gruppe von Freiwilligen. die ebenfalls am Telefon<br />

beraten. Seit Anfang 1987 führt diese Gruppe an einem<br />

Abend in der Woche eine eigene Telefonberatung durch. Männer.<br />

die sich lieber von Laien beraten lassen wollen. haben hier die<br />

Mögllchkeit dazu.<br />

Die beiden Mitarbeiter beraten jeden Morgen anderthalb St<strong>und</strong>en<br />

am Telefon. 1986 riefen 48% der Anrufer wegen Trennungsproblemen.<br />

26% wegen Mißhandlungen. Drohung <strong>und</strong> Aggressivität an.<br />

27% der Anrufer waren zwischen 26 <strong>und</strong> 34 Jahren. 49% zwischen<br />

36 <strong>und</strong> 45 Jahren alt.<br />

Nach der Erfahrung des Krisenzentrums sind Männer am ehesten<br />

motiviert. sich am Telefon beraten zu lassen. In diesem setting<br />

können sie anonym bleiben <strong>und</strong> die Kontrolle behaiten (jederzeit<br />

abbrechen) .<br />

Die Haupttätlgkeit des Krisenzentrums besteht in der Beratung<br />

bzw. Therapie im persönllchen Einzelgespräch. 1986 konnten die<br />

beiden Mitarbeiter 125 Männer in dieser Form unterstützen. Immerhin<br />

43% dieser Männer gehören der "Sozialgruppem" (vor allem<br />

Arbeiter <strong>und</strong> Arbeitslose) an. d.h.. die Hilfe beschränkte sich<br />

nicht auf Mittel- <strong>und</strong> Oberschichten.


140<br />

Barbro Leneer-Axelsson gibt ein Standardbeispiel für das Pro~<br />

blembild von den Männern an, die zum persönlichen Gespräch kamen:<br />

"Einsam. Deprimiert. Mangelndes Selbstvertrauen. Hat niemanden,<br />

mit dem er reden kann. Geschieden seit einem Jahr. Sehr<br />

schlechter Kontakt mit Ex-Frau <strong>und</strong> Kindern, die sie betreut.<br />

Wirschaftliehe Sorgen, da er versucht, seinen alten Lebensstandard<br />

in punkto Haus, etc. zu behalten. Große Arbeitsanforderung. " .<br />

(ebd., S. 11)<br />

1986 kamen Männer wegen folgender Probleme zum persönlichen<br />

Gespräch: Mißhandlungen 29%, Vergewaltigung <strong>und</strong> Inzest 5%,<br />

Trennungsprobleme 33%, Probleme beim Zusammenleben 28% (ebd.,<br />

S. 12). Die Anzahl der Gespräche verteilte sich 1986 wie folgt:<br />

1 - 4 Gespräche 66 Männer 63 %<br />

5- 9 Gespräche 34 Männer 28 %<br />

10 - 14 Gespräche 14 Männer 11%<br />

15 - 19 Gespräche 5 Männer<br />

20 - 25 Gespräche 2 Männer 8 %<br />

26 - 30 Gespräche 2 Männer<br />

}<br />

Die Langzeitbehandlungen erfolgten in erster Linie bel Männern,<br />

die mißhandelt bzw. Inzest ausgeübt hatten. 61 % der Männer, die<br />

zum persönlichen Gespräch kamen, waren zwischen 30 <strong>und</strong> 44<br />

Jahre alt.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist das Herantreten an<br />

Pal·tner von mißhandelten Frauen. Ein erster Versuch, mittels eines<br />

Fragebogens über die Frauen im Frauenhaus bzw. die Frauen,<br />

die das Krisenteam im östra Krankenhaus unterstützte, an die<br />

Partner der mißhandelten Frauen zu kommen, mißlang. Seit Herbst


141<br />

1986 wird erfolgreich nach einem anderen Modell vorgegangen: Das<br />

Personal des Frauenhauses fragt die mißhandelte Frau, ob sie will,<br />

daß die Mitarbeiter des Krisenzentrums für Männer Kontakt mit<br />

ihrem Partner aufnehmen. Wichtig sei, daß die Frau dadurch nicht<br />

den Eindruck bekommt, das Personal ergreife gegen sie Partei.<br />

Jeder Fall müsse einzeln erwogen werden, ob durch diese Maßnahme<br />

eine Vergrößerung der Gefahr für die Frau möglich wäre.<br />

Mit Frauen <strong>und</strong> ihren Partnern, die sie über dieses Modell ansprechen,<br />

führen sie Paartherapien durch. Dabei fungieren eine<br />

Mitarbeiterin des Frauenhauses <strong>und</strong> ein Mitarbeiter des Krisenzentrums<br />

für Männer als Ko-TherapeutInnen.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit ist die Blldungs- <strong>und</strong> Offentlichkeltsarbelt.<br />

Die Medien interessieren sich sehr für das<br />

Krisenzentrum. Außer Radio- <strong>und</strong> Fernsehinterviews gaben sie allein<br />

1986 25 umfassende Zeitungsinterviews. Viele wollen das<br />

Krisenzentrum besuchen: Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern <strong>und</strong><br />

Frauennotrufen, Arbeitsgruppen aus anderen Regionen, die ähnliche<br />

Einrichtungen planen, etc. 1986 hielten die beiden Mitarbeiter<br />

des Krisenzentrums bei mehr als einem Dutzend Tagungen Vorträge<br />

über "Männerrolle/Männerkultur/Krise der Männer <strong>und</strong> die Erfahrungen<br />

des Krisenzentrums für Männer".<br />

Manscentrum in Stockholm<br />

Seit Februar 1988 arbeitet in Stockholm ebenfalls ein vornehmlich<br />

professionelles Krisenzentrum für Männer (Centerwall 1987). Es<br />

nennt sich "manscentrum pa Södermalm" nach dem Stadtteil, in<br />

dem es vor allem tätig ist, einer Insel.


142<br />

Nach der Planung der Initiatorinnen dieses Männerzentrums soll es<br />

fast genauso aufgebaut sein <strong>und</strong> vorgehen wie das Krisenzentrum<br />

für Männer in Göteborg. Es soll ebenfalls einen Psychologen <strong>und</strong><br />

einen Sozialarbeiter beschäftigen <strong>und</strong> in ihm soll ebenfalls eine<br />

Gruppe von freiwilligen Männern tätig sein. Nach Aussage des Initiators<br />

Erik Centerwall soll es etwas mehr Schwergewicht auf Informationsarbeit,<br />

u.a. Sexualaufklärung <strong>und</strong> Bildungsarbeit für<br />

Teenager legen (pers.comm.). Wahrscheinlich wird das Männerzentrum<br />

von einer Stiftung getragen werden, um unabhängig zu sein.<br />

Im Gegensatz zum Krisenzentrum in Göteborg hat das Männerzentrum<br />

in Stockholm mehr besonderen Bezug zu dem Stadtteil, in<br />

dem es gelegen ist. Es wird vom Landstlnget (der regionalen Verwaltung),<br />

der Kommune <strong>und</strong> Kirchengemeinden von Södermalm finanziert.<br />

Die Krisenzentren haben einen unserer Einschätzung nach sinnvollen<br />

Ansatz. Es ist sinnvoll, eine geschlechterspezifische Hilfe<br />

auch für Männer anzubieten. Männer haben spezifische Hemmungen,<br />

Hilfe aufzusuchen. Das Bild vom starken Mann steht dem<br />

entgegen, d.h., ein Mann darf sich nach dem Modell der hegemonialen<br />

Männlichkeit nicht schwach zeigen.<br />

Nach unserem Eindruck erfolgt die Hilfe in Göteborg nicht in einer<br />

Weise, die dazu beiträgt, daß die hilfesuchenden Männer gegen<br />

ihre Frauen ankämpfen.<br />

Wir teilen die Meinung, daß es sinnvoll ist, bei Männern in der<br />

Krise anzusetzen. Eine Lebenskrise kann auch die Chance für eine<br />

Orientierung weg von hegemonialer Männlichkeit mit ihrer Leistungs-,<br />

Konkurrenz- <strong>und</strong> Herrschaftsfixierung bieten.


143<br />

4.2.3. Von den Männergruppen zur Krisenhilfe für Männer<br />

In Schweden beobachten wir eine ähnliche Entwicklung wie in den<br />

USA, den Niederlanden <strong>und</strong> der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. In<br />

allen diesen Ländern gab es zunächst - in den 70er Jahren -<br />

Männergruppen, die vor allem der eigenen Bewußtwerdung <strong>und</strong><br />

Veränderung dienen sollten, manchmal auch nach außen - aufklärend<br />

<strong>und</strong> politisch einflußnehmend - wirken wollten.<br />

In den USA entstanden die ersten Männergruppen im Jahr 1969.<br />

Schweden folgte als zweites Land 1971. Daß es in diesen beiden<br />

Ländern die ersten Männergruppen gab, können wir uns damit erklären,<br />

daß es sich um die zwei Länder mit vielleicht den frühesten<br />

neuen Frauenbewegungen handelt.<br />

Schon 1972 wurde ein Verein sich verändernder Männer gegründet:<br />

"Befrla mannen" (den Mann befreien). Die Hauptaufgabe dieses<br />

Zusammenschlusses war es, Männer zusammenzubringen, die eine<br />

Männergruppe gründen wollten.<br />

Der Reichsb<strong>und</strong> für sexuelle AUfklärung organisierte 1977 <strong>und</strong><br />

1979 Sommerlager für Männer. Wegen mangelnden Interesses wurden<br />

sie nicht mehr wiederholt. Auch die Organisation "befria<br />

mannen" führte Männerlager durch, u.a. in Zusammenarbeit mit<br />

socialstyrelsen (der obersten schwedischen Sozialbehörde).<br />

Im Rahmen des Aufklärungsprojekts "Sexualität <strong>und</strong> Zusammenleben<br />

auf der Insel Gotland 1973-76 wurden viele Männergruppen gebildet.<br />

Zu dieser Zelt gab es auf Gotland mehr Männergruppen als<br />

in irgendeiner anderen Region Schwedens (NIlson, Olsson <strong>und</strong>


144<br />

S<strong>und</strong>ström 1978).<br />

Auch hier finden wir eine unmittelbare Verbindung zwischen<br />

staatlichen Organen <strong>und</strong> Aktivitäten zur Männerfrage.<br />

Erik Centerwall hat diese Verbindung oft hergestellt bzw. "verkörpert".<br />

Er war 1971 Teilnehmer einer der ersten Männergruppen<br />

in Schweden <strong>und</strong> hat "befria mannen" 1972 mitbegründet. In den<br />

70er Jahren arbeitete er für den Reichsverband für sexuelle Aufklärung.<br />

Bis heute ist er freier Mitarbeiter der socialstyrelsen.<br />

Außerdem arbeitet er als Schriftsteller <strong>und</strong> verfaßte u.a. Bücher<br />

zu Männerthemen. Ende der 70er Jahre engagierte er sich während<br />

eines längeren Aufenthaltes in San Franc1sco in einer Gruppe gegen<br />

sexuelle Gewalt.<br />

Bereits 1977 führte socialstyrelsen eine Tagung über Männer<br />

durch. 1978 nahm Erik Centerwall an einem Projekt teil, in dessen<br />

Rahmen in Karlstad unter Wehrpflichtigen Männergruppen gebildet<br />

wurden. 1979/80 war er an fünf Kursen (jeweils über fünf Tage)<br />

für Militärpersonal beteiligt. Diese Kurse führten zu einem "Sexualität<br />

<strong>und</strong> Zusammenleben"-Projekt mit Wehrpflichtigen.<br />

1979 gab Erik Centerwall zusammen mit socialstyrelsen das Buch<br />

"Mansbilder" heraus. 1985 gab soc1alstyrelsen die Broschüre "Bara<br />

för Klllar" (nur für Jungen) heraus, die Erik Centerwall zusammen<br />

mit anderen verfaßte.<br />

Außerdem führte socialstyrelsen vier Seminare für Männer als<br />

Sexualaufklärer durch. Die Sexualaufklärung wurde bisher fast nur<br />

von Frauen durChgeführt. Weiterhin veranstalteten socialstyrelsen<br />

<strong>und</strong> der Reichssportverband drei Kurse zur Männerfrage für Trainer.


145<br />

Erik Centerwall ist auch einer der Initiatoren <strong>und</strong> Organisatoren<br />

des "manscentrum pa södermalm" in Stockholm (siehe 4.2.2.).<br />

Mansjour<br />

Auch in Schweden gibt es in den achtziger Jahren eine Entwicklung<br />

von den hauptsächlich auf Selbsterfahrung ausgerichteten<br />

Männergruppen zur Unterstützungsarbeit für andere Männer. In<br />

Schweden sah es allerdings einige Jahre so aus. als ob sich die<br />

Männergruppenszene wieder in Nichts auflösen würde.<br />

"Befria mannen" war einige Jahre nahe daran. sich selbst aufzulösen.<br />

In dieser Zeit bestand die einzige Betätigung des Vereines<br />

darin. die Gründung ungefähr einer Männergruppe pro Jahr zu<br />

vermitteln. 1983/4 versuchte der Verein. eine Gruppe von Männern.<br />

die sich in einer persönlichen Krise befanden. zu gründen.<br />

was jedoch mi~lang.<br />

Die Auseinandersetzung mit den Veröffentlichungen der "Arbeitsgruppe<br />

zur Männerrolle" Und das Beispiel des Krisenzentrums für<br />

Männer in Göteborg inspirierten den Verein. ein "mansjour" zu<br />

gründen. Inzwischen hat der Verein sieh umbenannt in "Foreningen<br />

Mann" (Verein Mann).<br />

"Mansjourer" sind Krisenzentren für Männer. in denen nur Freiwillige<br />

tätig sind. überall in Schweden gibt es "kvinnojourer" - Krisenzentren<br />

für Frauen. Auch Frauenhäuser. also Häuser oder<br />

Wohnungen. in denen mi~handelte Frauen vorübergehend wohnen<br />

können. hei~en in Schweden "kvinnojour".


146<br />

Mansjourer konzentrieren ihre Tätigkeit im Gegensatz zu den<br />

"Männerbüros" in der B<strong>und</strong>esrepubllk Deutschland auf die Unterstützung<br />

von Männern in der Krise. Bildungs- <strong>und</strong> Informationsarbeit<br />

spielt bei ihnen nur eine kleine oder gar keine Rolle. Die<br />

mansjourer beraten vor allem am Telefon. außerdem im persönliehen<br />

Gespräch. Das mansjour in Stockholm bildet auch Gruppen<br />

von Männern in der Krise. Die ersten vier Treffen dieser Gruppen<br />

werden von einem erfahrenen mansjour-Mitarbelter geleitet. dann<br />

trifft sich die Gruppe als Selbsterfahrungsgruppe ohne Anleitung.<br />

Mansjourer gab es im Dezember 1987 in Luleä. Skellefteä. Umeä.<br />

Uppsala. Västeräs <strong>und</strong> Stockhoim. Auch die Gruppe von Freiwllligen.<br />

die in Göteborg innerhalb des Krisenzentrums für Männer<br />

eine eigenständige Beratung am Telefon durchführt. können wir<br />

dazu zählen.<br />

Die mansjourer sind Gruppen von Männern. die unentgeltllch<br />

männerspezifische Sozialarbeit leisten. In erster Linie sind sie<br />

vom Krisenzentrum in Göteborg dazu inspiriert worden. in zweiter<br />

Linie von der Arbeitsgruppe zur Männerrolle. Die meisten Männer.<br />

die sich in den mansjourer engagieren. haben früher schon an<br />

(Selbsterfahrungs-)Männergruppen teilgenommen. d.h.. die mansjourer<br />

sind eine Initiative aus der Männergruppenszene. Diese Initiative<br />

der Männergruppenszene ist aber - in schwedischer Art -<br />

enger als anderswo mit der Frauenbewegung <strong>und</strong> mit staatlichen<br />

Organen verknüpft: Feministinnen. die politische bzw. Verwaltungsaufgaben<br />

innehaben. haben das Krisenzentrum in Göteborg<br />

<strong>und</strong> die Arbeitsgruppe zur Männerrolle ins Leben gerufen.<br />

Die mansjourer erhalten finanzielle Unterstützung für Sachkosten<br />

von Kommunen. Landkreisen <strong>und</strong>. vom Staat. Die Gruppe. die das<br />

mansjour in Stockholm trägt. wird von dem durch seine Buchver-


147<br />

öffentlichungen zum Vaterthema bekannten Psychiater Nils Uddenberg<br />

supervidiert.<br />

Den Vorsitzenden des mansjour in Stockholm, Karl !.,jungström,<br />

können wir als schwedischen Maskulisten bezeichnen. Seiner Ansicht<br />

nach beinhaltet die schwedische Gleichstellungspolitik, daß<br />

die Männer sich den Frauen anpassen sollen (pers. comm.). Mitglieder<br />

der Arbeitsgruppe zur Männerrolle würden Vorurteile über<br />

Männer verstärken <strong>und</strong> wollten die Männer nach den Bedürfnissen<br />

der Frauen verändern. Er meint, daß nach der Phase der Befreiung<br />

der Frauen jetzt eine Zeit der Befreiung der Männer kommen<br />

müßte. Erst danach sei als dritte Stufe Gleichstellung denkbar.<br />

Die Arbeitsgruppe zur Männerrolle würde die zweite Phase, die<br />

Befreiung der Männer, Überspringen wollen.


148<br />

4.3.<br />

Forschung<br />

4.3.1.<br />

Die schwedische Arbeitsgruppe zur Forschung über<br />

Männer<br />

Die schwedische Arbeitsgruppe macht auf das Paradoxon aufmerksam,<br />

daß Meinungen der Männer so viele Aspekte der Gesellschaft<br />

dominieren, über Männer aber sehr wenig bekannt ist. Es ist erst<br />

sehr wenig bewußt über Männer geforscht worden.<br />

"In den Diskussionen, die wir in der Arbeitsgruppe geführt haben,<br />

haben wir oft die wichtige Rolle betont, die Forscher für eine<br />

Veränderung der Männerrolle spielen könnten; sowohl indem sie<br />

einzelne Vorbilder für eine 'neue' Männerrolle untersuchen könnten,<br />

ais auch indem sie verschiedene Voraussetzungen für eine<br />

allgemeine Veränderung der Männerrolle untersuchen könnten",<br />

schreibt die schwedische Arbeitsgruppe, die von der Gleichstellungsministerin<br />

'eingesetzt wurde, in ihrem Ideenprogramm, (Arbetsgruppen<br />

om mansrollen 1986d, S. 160).<br />

Es erscheint ihr bemerkenswert, daß, obwohl die Welt der ForseherInnen<br />

von Männern dominiert ist, fast keine Forschung über<br />

Männer <strong>und</strong> auch nicht über das Leben von Forschern durChgeführt<br />

wurde. Sie fragt, ob wir nicht einen anderen Typus Forscher<br />

brauchen. Heute fällt die Zeit der größten Anstrengungen für die<br />

Karriere im Leben der Forscher mit der Zeit der Famillengründung<br />

<strong>und</strong> der Geburten zusammen. "Was bedeutet das für die Familien<br />

der Forscher?" Außerdem gibt die Arbeitsgruppe zu bedenken, daß<br />

vielleicht auch die Forscherwelt deshalb negativ gegenüber<br />

Gleichstellung eingestellt ist, weil sie ein von Männern dominierter<br />

Arbeitsbereich ist.


149<br />

über vier Bereiche sollte nach Auffassung der Arbeitsgruppe vorrangig<br />

geforscht werden: Erstens über die sozialen Beziehungen<br />

der Männer, insbesondere ihre Beziehung zum Kind, also in erster<br />

Linie ihre Vaterschaft. In diesem Bereich, also darüber, was mit<br />

dem Vater in der Beziehung zum Kind passiert, gibt es praktisch<br />

keine Forschung. Durch ein langes Zitat von Rita Liljeström weist<br />

die Arbeitsgruppe auf die Bedeutung von Nancy Chodorows "ReproducUon<br />

of mothering" (I978) als Forschung über die sozialen<br />

Beziehungen der Geschlechter hin. 1<br />

Der zweite Bereich, den die Arbeitsgruppe nennt, sind Lebenskrisen<br />

der Männer, insbesondere Krisen, die durch Scheidungen <strong>und</strong><br />

Trennungen hervorgerufen werden. Es sollte auch erforscht wer­<br />

"den, wie hier praktische Hilfen aussehen könnten.<br />

Weiterhin sollte nach Meinung der Arbeitsgruppe die Sprache der<br />

Männer erforscht werden. Wie drücken sie sich in unterschiedliehen<br />

Situationen aus? Wie drücken sie Gefühle aus <strong>und</strong> wie verhalten<br />

sie sich, wenn sie Gefühle verdrängen?<br />

Der vierte Bereich, der erforscht werden sollte, betrifft Unterschiede<br />

<strong>und</strong> Machtverhältnisse der Männer. Klassenunterschiede<br />

<strong>und</strong> Männerwelten wie Militär <strong>und</strong> Sport sollten erforscht werden.<br />

Was die Macht über Frauen angeht, drückt sich die Arbeitsgruppe<br />

widersprüchlich aus. Einerseits behauptet sie, die meisten Männer<br />

seien entgegen einem Vorurteil machtlos. Andererseits<br />

schreibt sie "Gleichzeitig gibt es Anzeichen dafür, daß 'machtlose'<br />

Männer z.B. gegenüber Frauen Macht ausüben." (Arbetsgruppen om<br />

mansrollen 1986, S. 17)<br />

1 Das Zitat stammt vom Seminar über Forschung über Männer, das<br />

die Arbeitsgruppe durchführte.


150<br />

Was hier unklar bleibt, wird im neu esten Beitrag zur schwedischen<br />

Forschung über Männer ausführlich erörtert (siehe nächstes Kapitel).<br />

4.3.2. Forschungsprogramm 1987<br />

Im Januar 1987 beauftragte die schwedische Regierung die "Delegation<br />

für Gleichstellungsforschung" , ein Forschungsprogramm<br />

auszuarbeiten, das Fragestellungen <strong>und</strong> Forschungsfelder künftiger<br />

Forschung über Männer <strong>und</strong> Männlichkeit vorschlagen sollte. Die<br />

Delegation für Gleichstellungsforschung besteht aus zwölf Mitgliedern,<br />

fünf Vertreterinnen ger im Reichstag. vertretenen Parteien<br />

<strong>und</strong> Forscherinnen. Die Delegation soll Gleichstellungsforschung<br />

initiieren, koordinieren <strong>und</strong> fördern (siehe Delegationen för .<br />

jämställdhetsforskning 1987).<br />

Die Delegation beauftragte Margot Bengtsson, Institut für angewandte<br />

Psychologie <strong>und</strong> Jonas -Frykman, ethnologisches Institut,<br />

beide an der Universität L<strong>und</strong>, ein solches "Programm" für die<br />

künftige Forschung über Männlichkeit zu erarbeiten. Im September<br />

1987 veröffentlichte die Delegation für Gleichstellungsforschung<br />

die Arbeit von Bengtsson <strong>und</strong> Frykman mit dem Titel "Om maskulinitet.<br />

Mannen som forskningsprojekt" (über Männlichkeit. Der<br />

Mann als Forschungsprojekt). Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses Buches<br />

führte die Delegation verschiedene Konferenzen zu Aspekten des<br />

Themas durch.<br />

Im foigenden stellen wir die wichtigsten Teile des Buches von<br />

Bengtsson/Frykman vor.


161<br />

Hegemoniale Männlichkeit<br />

Das Kernstück von "Om Maskulinetet" bildet die Kritik des Begriffs<br />

Männerrolle <strong>und</strong> die Auffassung von Männlichkeit als<br />

gleichzeitig sozialer <strong>und</strong> psychologischer Struktur. Die beiden<br />

SchwedInnen übernehmen diesen Ansatz von Carrigan, Connell <strong>und</strong><br />

Lee (1986). Wir stellten ihn in Kapitel 2 vor.<br />

"Die erste Bedingung, um Studien über Männlichkeit zu betreiben,<br />

ist die Abschaffung des alten Rolienbegriffes." (Bengtsson <strong>und</strong><br />

Frykman 1987, S. 14)<br />

Bengtsson <strong>und</strong> Frykman sind der Auffassung, daß gute Voraussetzungen<br />

für die Forschung über Männlichkeit bestehen, da die<br />

Genusforschung der letzten Zeit "hochentwickelte wissenschaftliche<br />

Methoden, neue Wege der Analyse <strong>und</strong> ein Wissensgebiet (geschaffen<br />

hat, G.H. u. G.B.), das die Forschung über den Tell der<br />

Männer innerhalb des Systems dankbar macht." (ebd., S. 13)<br />

Die schwedischen Autorinnen übernehmen die Argumentation der<br />

Australier zum sex/gender-system. Sie führen eine schwedische<br />

Untersuchung an, die die gleichen Mechanismen einer Männerkultur<br />

am Arbeitsplatz zeigen wie Cockburns Untersuchung. Bei der<br />

schwedischen Studie wurde erforscht, was geschieht, wenn Frauen<br />

in ehemals von Männern dominierte Arbeitsbereiche "eindringen"<br />

(Lindgren 1986); Es gelingt den Männern, die Frauen an den Rand<br />

bzw. ganz aus den Arbeitsplätzen zu drängen.<br />

Die Autorinnen kritisieren, daß Männlichkeit neuerdings oft als<br />

Defekt gefaßt wird. Die Männerbefreiungsaktivisten der 70er Jahre<br />

sahen die Männerrolle als Zwangsjacke, durch die das "wahre<br />

Selbst" gezwungen wurde, Schlechtes zu tun. Auch die Arbelts-


162<br />

gruppe zur Männerrolle geht an Männlichkeit therapeutisch heran.<br />

"Die eine miskreditierende Eigenschaft wird auf die andere gesetzt<br />

<strong>und</strong> ein defizitärer Charakter nimmt Gestalt an. ... Damit wird<br />

verborgen. welche Züge verschiedene Männerkulturen ermöglichen."<br />

(Bengtsson <strong>und</strong> Frykman 1987, S. 19)<br />

Wir teilen diese Kritik zwar in bezug auf viele Passagen des Ideenprogramms<br />

der Arbeitsgruppe, merken jedoch an, daß dieses<br />

Buch vor allem durch Eklektizismus gekennzeichnet ist, d.h. dadurch,<br />

daß es keine durchgängige Theorie hat.<br />

Neben diesen beiden Richtungen, aus denen Männlichkeit als Defekt<br />

aufgefaßt wurde - den Männerbefreiungsaktivisten <strong>und</strong> der<br />

Arbeitsgruppe - unterscheiden Bengtsson <strong>und</strong> Frykman noch eine<br />

dritte Tendenz: die Klassensicht der intellektuellen Mittelklasse in<br />

ihrer Gestaltung des "neuen Mannes" (siehe dazu 3.1.9.).<br />

Positive Männlichkeit<br />

Auch bestimmte Frauenforscherinnen verstehen Männlichkeit als<br />

Struktur sozialer Beziehungen. Die AutorInnen beziehen sich auf<br />

die norwegische feministische Forscherin Hanne Haavind, die die<br />

Veränderung von Männlichkeit <strong>und</strong> Weiblichkeit ebenfalls aufgr<strong>und</strong><br />

der Dialektik der Geschlechterverhältnisse, d.h. der Beziehungen<br />

zwischen den Geschlechtern <strong>und</strong> innerhalb des jeweiligen Geschlechts<br />

untersucht.<br />

Unsere Gesellschaften entwickeln sich in der langfristigen Tendenz<br />

von Geschlechtersegregation zu größerer Integration der Geschlechter.<br />

Dies führt dazu, daß viele Interaktionen zwischen


153<br />

Mann <strong>und</strong> Frau nicht vorhersehbar sind (Haavind 1985). Männer<br />

<strong>und</strong> Frauen begegnen sich immer häufiger auf (dem Anspruch<br />

nach) geschlechterneutralen Positionen. Ob das Geschlecht für die<br />

Interaktion relevant wird oder nicht, hängt von den Agierenden<br />

ab. An sozialen Orten, wo Männer die Mehrheit bilden, bestimmen<br />

sie durch unausgesprochene Regeln, wann die Frauen ihr Geschlecht<br />

ins Spiel zu bringen haben <strong>und</strong> wann nicht.<br />

"Eine moderne Frau kann alles tun, aber nur so lange sie es den<br />

Männern gegenüber relativ untergeordnet tut, mit denen sie zu<br />

tun hat." (Bengtsson <strong>und</strong> Frykman 1987, S. 32) Da männliche Dominanz<br />

zunehmend an ideologischer Legitimität verliert, muß die<br />

Frau ihre Unterordnung verschleiern. Sie tut so, als ob der Mann<br />

ihr im betreffenden Bereich überlegen ist. Umgekehrt schadet es<br />

. heute dem Ansehen, wenn Männer eine Frau haben, die allzu ab­<br />

. hängig erscheint.<br />

"Das neue ist, daß offensichtlich aggressive <strong>und</strong> autoritäre Männer<br />

leichter als mißglückte Exemplare des männlichen Geschlechts<br />

angesehen werden." (ebd., S. 33f.)<br />

Männer, die sich nicht unabhängig, selbständig <strong>und</strong> stark geben,<br />

wie es der hegemonialen Männlichkeit entspricht, werden immer·<br />

noch von vielen als unmännlich abgelehnt. Hanne Haavind spricht<br />

davon, daß Männer <strong>und</strong> Frauen das gemeinsame Projekt haben, die<br />

männliche Dominanz zu verschleiern.<br />

Die heute hegemoniale Männlichkeit, die Haavind als "positive"<br />

Männlichkeit bezeichnet, sieht also folgendermaßen aus: In einer<br />

Mischung aus Leugnen <strong>und</strong> Abstreiten wlll der Mann nicht wahrhaben,<br />

daß es eine Männerherrschaft gibt bzw. da, wo er sie zugibt,<br />

kritisiert er sie verbal. Gleichzeitig übt er selbst männliche


154<br />

Dominanz aus. Sein Selbstbewußtsein ist auf diese männliche Dominanz<br />

gegründet (Kohiberg 1966, nach: Bengtsson/Frykman 1987).<br />

Psychodynamik<br />

Die "Psychodynamik" der Männlichkeit meinen die schwedischen<br />

Autorinnen (wieder mit Carrigan, Connell <strong>und</strong> Lee) am besten<br />

durch die Theorie von Freud erklären zu können.' Sie führen als<br />

Beispiel Freuds klassischen Fall des "Wolfsmannes" an. Freud fand<br />

bei ihm promiske Homosexualität, eine homosexuelle <strong>und</strong> passive<br />

Bindung an den Vater <strong>und</strong> eine Identifikation mit Frauen. Es<br />

handelt sich um verschiedene Gefühlsschichtungen, die In verschiedenem<br />

Grade verdrängt sind. Männlichkeit (genauso wie<br />

. Weiblichkeit) besteht psychologisch aus solchen Mustern emotionaler<br />

Bindung.<br />

"Soziale Prozesse berücksichtigen den Körper <strong>und</strong> biologische Prozesse<br />

<strong>und</strong> interagieren mit ihnen ... Im Bereich dieser Interaktion<br />

konstituieren sich Sexualität <strong>und</strong> Verlangen, sowohl als körperlicher<br />

Schmerz als auch als körperliche Freude, als soziales Gebot<br />

<strong>und</strong> Verbot. Während Freud die Geschichte dieser Interaktion nur<br />

als die Verstärkung des Verbots durch eine <strong>und</strong>ifferenzierte 'Gesellschaft'<br />

ansah <strong>und</strong> Marcuse als Nebenprodukt der Klassenausbeutung,<br />

müssen wir jetzt die Konstrul


155<br />

Es gibt verschiedene Spekulationen darüber, wieviel an verdrängter<br />

Homosexualität bzw. Weiblichkeit in die heutige heterosexuelle<br />

Männlichkeit eingeht. Nur selten bauen diese überlegungen auf<br />

Fallstudien.<br />

Die Untersuchung, die Bengtsson (1988) durchführte, stellen wir<br />

im folgenden als Beispiel für eine Studie, die die Veränderung der<br />

Muster emotionaler Besetzung untersucht, vor.<br />

Bengtsson <strong>und</strong> Frykman verwenden die Theorie von Nancy Chodorow<br />

über die trianguläre bzw. polare Sexualität von Frauen respektive<br />

Männern zur Erklärung neuerer Veränderungen der Männlichkeit.<br />

Nancy Chodorow (1985) gründet ihre Theorie auf psychoanalytische<br />

Objekt beziehungs theorien. Jungen verdrängen, was<br />

mit Weiblichkeit verb<strong>und</strong>en wird, d.h. vor allem die frühe Mutter­<br />

Kind-Bindung, da sie eine männliche Identität entwickeln sollen.<br />

Diese Identität ist vor allem durch Abgrenzung, durch das Nichtweiblich-Sein<br />

gekennzeichnet. Die frühe symbiotische Zärtlichkeit<br />

wird als weiblich abgelehnt. Mädchen müssen diese Aspekte der<br />

Sexualität, die auf den ganzen Körper bezogen sind, nicht verdrängen.<br />

Jungen entwickeln hingegen eine ausgesprochen genitale,<br />

d.h. phallische Sexualität.<br />

Chodorow bezeichnet die weibliche Sexualität als triangulär, weil<br />

Mädchen Triebwünsche gegenüber dem Vater nicht so zu verdrängen<br />

brauchen wie Jungen ihre Wünsche gegenüber der Mutter.<br />

D.h., Mädchen sind sowohl an die Mutter als auch an den Vater


156<br />

geb<strong>und</strong>en, da sie die frühe Mutter-Kind-Beziehung nicht zu verdrängen<br />

brauchen. Ihre Bedürfnisse nach triangulärer "Ganzer­<br />

Körper-Sexualität" können Frauen nicht mit dem phallisch orientierten<br />

Mann, sondern nur mit einem Kind befriedigen. Die Männer<br />

hingegen haben laut Chodorow kein genuines, nicht verdrängtes<br />

Bedürfnis nach einem Kind.<br />

Es ist schon vielfach kritisiert worden, daß Chodorow von einer<br />

Familie mit der klassischen bürgerlichen Arbeitsteilung ausgeht.<br />

Chodorows Aussage widerspricht einer untersuchung von jungen<br />

Akademikern, die Bengtsson selbst kürzlich durchführte (Bengtsson<br />

1988): Nach dieser Untersuchung hat die Mehrheit der jungen<br />

Akademiker· 1987 in Schweden ein genuines Bedürfnis nach einem<br />

Kind. Nur wenige Männer begründen ihren Wunsch damit, daß sie<br />

ihren Frauen die gleiche Chance auf (berufliche) Selbstverwirklichung<br />

zugestehen wollen. Die Mehrheit der jungen Männer gibt an,<br />

ein Kind zu wollen, weil es für "Sinnlichkeit, Nähe, Verspieltheit,<br />

Nichtausbeutbarkeit <strong>und</strong> kreative Beziehung" (Bengtsson <strong>und</strong><br />

Frykman 1987, S. 54) steht. Bengtsson ist der Auffassung, daß<br />

diese Männer eine weniger phallische Sexualität entwickeit haben.<br />

Die jungen schwedischen Akademiker weisen außerdem nicht mehr<br />

eine Bindung zu ihrer Mutter von sich, wie sie es in einer ähnliehen<br />

Untersuchung in den 50er Jahren taten. "Die jungen Männer,<br />

besonders die, die selbst Kinder haben wollen <strong>und</strong> ihre zukünfti -<br />

gen Kinder versorgen wollen, erkennen willig an, daß sie in<br />

vielerlei Hinsicht ihren Müttern ähneln <strong>und</strong> daß sie eine nahe <strong>und</strong><br />

intensive Beziehung zu ihrer Mutter hatten oder haben." (Bengtsson<br />

<strong>und</strong> Frykman 1987, S. 54)


157<br />

Die Verdrängungsmechanismen, die Chodorow beschreibt <strong>und</strong> die<br />

vor kurzer Zeit auch noch bei jungen schwedischen Männern<br />

nachzuweisen waren, sind in einer gewissen Schicht in gewissem<br />

Alter bei der Mehrheit der Männer nicht mehr anzutreffen (zumindest<br />

nicht in der offensichtlichen Form, merIten wir an). Das<br />

hei!3t, da!3 die Muster emotionaler Besetzung, die Männlichkeit<br />

konstituieren, sich verändern. Bei manchen Männern scheint in die<br />

heterosexuelle Männlichkeit weniger verdrängte Weiblichkeit einzugehen.<br />

Bengtsson betont aber, da!3 der Akademiker sich wieder "zurückverwandelt",<br />

wenn er sich innerhalb der Männerkultur am Arbeitsplatz<br />

etabliert <strong>und</strong> Karriere macht. Auch Metz-Göckel <strong>und</strong><br />

Müller (1985) fanden bei den deutschen jungen Akademikern in<br />

ihren 30ern, da!3 sie wieder AUffassungen entsprechend hegemonialerMännlichkeit<br />

vertraten, während sie in ihren 20ern fortschrittlichere<br />

Ansichten vertreten hatten.<br />

Au!3erdem gibt Bengtsson zu bedenken, da!3 die veränderte Einstellung<br />

zum Kind nur im günstigen Falle eine neue Gemeinschaft<br />

<strong>und</strong> Zusammenarbeit betreffs des Kindes bedeutet - im ungünstigen<br />

Fall führt sie zu einer vergrö!3erten Konkurrenz um das Kind.<br />

In der Untersuchung von Bengtsson (1988) hing die Einstellung<br />

der jungen Akademiker zur Versorgung ihrer Kinder signifikant<br />

von der Position ihrer Mütter im Erwerbsleben <strong>und</strong> in der Ehe ab:<br />

"Je höher ausgebildet die Mütter dieser jungen Männer waren <strong>und</strong><br />

je qualifizierter die Arbeit war, die die Mütter ausübten, <strong>und</strong> je<br />

früher sie nach der Geburt ihres Sohnes angefangen hatten, erwerbstätig<br />

zu sein <strong>und</strong> je seltener die Mütter sich von den Vätern<br />

getrennt hatten, desto ähnlicher schätzten die Männer sich ihrer<br />

Mütter ein <strong>und</strong> ein um desto grö!3eres Bedürfnis, an der Pflege der


158<br />

eigenen Kinder teilzunehmen. drückten die Männer aus. Je geringer<br />

die Mütter der jungen Männer ausgebildet waren. je geringer<br />

qualifiziert ihr Beruf war (oder wenn sie Hausfrauen waren). je<br />

später sie nach der Geburt ihres Sohnes begonnen hatten erwerbstätig<br />

zu sein oder wenn sie gar nicht erwerbstätig waren<br />

<strong>und</strong> je häufiger sie sich vom Vater getrennt hatten. desto ähnlicher<br />

schätzten sie sich ihrem Vater ein <strong>und</strong> desto häufiger"<br />

(Bengtsson!Frykman 1987. S. 56) meinten sie. selber nicht das<br />

Kind versorgen zu können. obwohl sie im Prinzip dazu bereit wären.<br />

Die Mütter in der ersten Kategorie kamen vor allem aus Mittelschichten.<br />

während die Mütter der zweiten Kategorie vor allem<br />

"patriarchalisch bürgerlichen" Schichten <strong>und</strong> der Arbeiterklasse<br />

zuzuordnen waren.<br />

Einerseits gibt es in Schweden eine positive Entwicklung innerhalb<br />

eines Teils der Männer. andererseits erfolgen in anderen<br />

Milie"us seit Anfang der 80er Jahre wieder verstärkt Versuche.<br />

hegemoniale Männlichkeit zu restaurieren. Außerdem geben die<br />

schwedischen AutorInnen zu bedenken. daß die gesellschaftlichen<br />

Strukturen <strong>und</strong> die sozialen Beziehungen. die hegemoniale Männlichkeit<br />

reproduzieren <strong>und</strong> legitimieren. zum größten Teil noch<br />

erhalten sind.<br />

Forschungsfelder: Maskulinisierung <strong>und</strong> Sexualisierung des Mannes<br />

Bengtsson <strong>und</strong> Frykman schlagen Fragestellungen für die weitere<br />

Forschung über Männer in verschiedenen Bereichen vor.


159<br />

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>und</strong> besonders um die<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertwende erlebte Schweden eine Renaissance männlicher<br />

Werte (wie Deutschland Imd andere imperialistische Länder auch,<br />

siehe Kapitel 3.3.1.2. für die USA). Härte, Heldenhaftigkeit <strong>und</strong><br />

Kriegslust wurden propagiert. Warum <strong>und</strong> wie das vor sich ging,<br />

sollte erforscht werden. Der Däne Steffen Kiselberg (1979) hat<br />

drei frühe bürgerliche Männlichkeitsmuster herausgearbeitet. 3<br />

Seiner Ansicht nach ist das klassische bürgerliche Männlichkeitsbild<br />

der rationale Kapitalist, der sein gesamtes Wollen auf seinen<br />

geschäftlichen Erfolg ausrichtet. Kiselberg hält die Autobiografie<br />

Benjamin Franklins für das beste Dokument dieser Haltung.·<br />

Diesem Männlichkeitsbild steht die Revolte des proletarischen <strong>und</strong><br />

des kleinbürgerlichen Männlichkeitskultes entgegen, die beide kurz<br />

vor 1900 entstehen. Bengtsson <strong>und</strong> Frykman sind der Ansicht, daß<br />

diese verschiedenen Männlichkeitsideale <strong>und</strong> die historische Wirklichkeit,<br />

Lage <strong>und</strong> Praktiken der Männer, besonders in bezug auf<br />

das 20. Jahrh<strong>und</strong>ert erforscht werden sollte.<br />

Die Maskulinisierung des Mannes sollte auch ideengeschichtlich,<br />

ethnologisch, theologisch, literatursoziologisch, kunstwissenschaftlieh<br />

<strong>und</strong> historisch untersucht werden. Diese Forschung dient<br />

durchaus nicht· nur dem Verständnis der Geschichte. Die verschiedenen<br />

Generationen von Männern, die heute leben, sind<br />

während unterschiedlicher Perioden - d.h. auch Phasen der Maskulinisierung<br />

bzw. Auflockerung des Geschlechtscharakters<br />

aufgewachsen. Deshalb ist diese Forschung für ein Verständnis<br />

der heute lebenden Männer unumgänglich.<br />

3 Siehe die Darstellung von Kiselbergs Buch: <strong>Brzoska</strong> (1985). Kiselberg<br />

präsentiert ebenfalls eine interessante Analyse der Nationalsozialisten<br />

in Deutschland als Männerb<strong>und</strong> für eine<br />

Emanzipation der Männer.<br />

4 Wie Max Weber (1920) auch.


160<br />

Die Sexualität als der Kern der Männlichkeit ist eine Gedankenfigur,<br />

die im Verlauf des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts weite Verbreitung gef<strong>und</strong>en<br />

hat. Wieso ist es dazu gekommen? Bengtsson <strong>und</strong> Frykman<br />

schlagen vor, diese Frage anhand der Entwicklung von bestimmten<br />

Männerkulturen, z.B. dem Sport <strong>und</strong> dem Militär, zu untersuchen.<br />

Die Entwicklung, die dazu führte, daß Homosexualität als Charaktereigenschaft<br />

angesehen wurde <strong>und</strong> daß Homophobie eine sehr<br />

große Bedeutung für die hegemoniale Männlichkeit gewann, sollte<br />

untersucht werden. "Die Konstruktion der homosexuellen Identität<br />

war ein Aspekt der Sexualisierung des Mannes - sie wurde zu etwas,<br />

wogegen 'richtige' Männlichkeit sich profilieren konnte." (S.<br />

66) An den Männerkulturen, z.B. auch dem männlichen Arbeitsleben,<br />

könnte gut erforscht werden,' wie die Einübung in männliche<br />

Identität <strong>und</strong> eine bestimmte sexuelle Formung vor sich gehen.<br />

Weitere Forschungsfelder<br />

Wie sind Männer aus unterschiedlichen Klassen <strong>und</strong> anderen Bedingungsfaktoren<br />

"familialisiert" worden, .so daß die Familie ihre<br />

heutige Bedeutung für sie hat?<br />

In der Familienforschung wird zu häufig nur der Vater der klassischen<br />

Art untersucht. Es wäre auch für das Verständnis des<br />

durchschnittlichen Vaters lehrreicl1, z.B. den "Pantoffelhelden"<br />

oder den Junggesellen ,zu erforschen. Auch Homosexuelle sollten<br />

erforscht werden :- um zu ihrer Emanzipation beizutragen, <strong>und</strong><br />

weIl es Wissen über Männlichkeit schaffen würde.


161<br />

Männlichkeit verändert sich erheblich im Verlauf der verschiedenen<br />

Lebensphasen. Deshalb müssen die verschiedenen Perioden<br />

erforscht werden.<br />

Um das spezifisch Schwedische am schwedischen Mann zu ermitteln,<br />

sollte er mit Einwanderermännern aus verschiedenen Ländern<br />

verglichen werden. Dafür müßten auch im jeweiligen Heimatland<br />

der Männer Studien betrieben werden. Die verschiedenen Landesteile<br />

SChwedens prägen ebenfalls verschiedene Männlichkeiten.<br />

Vor allem Theweleits Studien (1977 <strong>und</strong> 1978) haben gezeigt, daß<br />

es lohnt, die Männerbilder in der Literatur einer bestimmten Zeit<br />

zu untersuchen. Auch die verschiedenen einander widersprechenden<br />

Männerbllder in Massenmedien sind es wert, untersucht zu<br />

werden.<br />

Die Forschung über Männlichkeit <strong>und</strong> Männer kann nicht sinnvoll<br />

nur einer der traditionellen Wissenschaftsdisziplinen zugeordnet<br />

werden. Sie würde vielmehr davon profitieren, weiterhin interdisziplinär<br />

vorzugehen. Es sollte kein eigenes Forschungsgebäude errichtet<br />

werden, aber Stiftungen <strong>und</strong> andere Forschungsgeldgeber<br />

sollten diese Forschung als besonderes Feld anerkennen.<br />

Dies haiten Bengtsson <strong>und</strong> Frykman für besonders wichtig, weil<br />

sie das Interesse der derzeitigen Forscherwelt (die ja auch eine<br />

Männerkultur ist) an dieser Thematik in Zweifel ziehen.


162<br />

5. Niederländische Diskussionen <strong>und</strong> Projekte<br />

5.1. Entwicklung der Männergruppen<br />

Am Ende der 60er Jahre begann in den Niederlanden die "Zweite<br />

feministische Welle" - zur gleichen Zeit wie die Neue Frauenbewegung<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland. Im Jahr 1968 wurde<br />

die "Man Vrouw Maatschapplj" (Mann-Frau-Gesellschaft) <strong>und</strong> 1969<br />

die Aktionsgruppe "Dolle Minna" gegründet. Während diese beiden<br />

Gruppen noch einen eher gemäßigt feministischen bzw. sozialist!­<br />

sehen Hintergr<strong>und</strong> hatten <strong>und</strong> auch mit Männern zusammenarbeiteten'<br />

entstanden ab 1971 Frauenselbsterfahrungsgruppen, nicht<br />

zuletzt unter Einfluß US-amerikanischer radikaler Feministinnen.<br />

Die sich daraus bildende autonome Frauenbewegung drückte sich<br />

auch in einer Vielzahl von Frauenprojekten <strong>und</strong> -betrieben aus.<br />

Als Beispiel sei die Monatszeitung "Opzlj" genannt, die schon 1972<br />

gegründet wurde ("Emma", die mit "Opzlj" vergleichbar ist, existiert<br />

seit 1977) (Ribberink 1987).<br />

5.1.1. Die 70er Jahre: Entstehung der Männerselbsterfahrungsgruppen<br />

Wie wir bei der Vorgeschichte der US-amerikanischen Männergruppen<br />

bereits erwähnt haben, ist die Entstehung von Männergruppen<br />

nicht monokausal, d.h., nicht nur als Folge der Frauenbewegung<br />

zu erklären (die Darstellung von Ehrenreich (1983) in<br />

bezug auf die USA, siehe 3.1.1.). Jedoch war die Gründung der<br />

ersten Männergruppen in den Niederlanden etwa im Jahr 1973<br />

(Klumpers 1981, S. 30 <strong>und</strong> "Superman's Ventiel" Nr. 44, Nov. 1986)<br />

neben Einflüssen beispielsweise aus der Studentenbewegung ganz<br />

deutlich ausgelöst worden durch die Frauenselbsterfahrungsgrup-


163<br />

pen, in deren engstem sozialen Umkreis (oft Liebesbeziehungen)<br />

die Männergruppen entstanden.<br />

Der US-amerikanische Einfluß war auch bei den Männern groß.<br />

"Unbecoming men" (1971) mit dem Untertitel "Eine Männer-Selbsterfahrungs<br />

gruppe schreibt über Unterdrückung <strong>und</strong> sich selbst"<br />

fand ebenso wie das Manifest des Männerzentrums in Berkeley<br />

(englisch in Pleck/Sawyer 1974, S. 173f.) Verbreitung in den Niederlanden.<br />

Dessen erster programmatischer Satz lautete: "Wir, als<br />

Männer, wollen unsere volle Menschlichkeit zurückgewinnen. " (S.<br />

173)<br />

Aus dem Kreis der ersten Männergesprächsgruppen wurde die<br />

Zeitschrift "Mannentaal" gegründet. Sie erschien mit ihrer ersten<br />

Nummer im Dezember 1974 mit einer verkauften Auflage· von 1500<br />

Exemplaren. Durch die Veröffentlichung von Kontaktadressen für<br />

Männergruppen hatte sie eine wichtige Funktion für die Bildung<br />

von Gruppen in den ganzen Niederlanden (Klumpers spricht von<br />

fünfzig Städten). Die meisten Medien berichteten über diese neuen<br />

Initiativen.<br />

Im Februar 1976 organisierte die Mannentaalgruppe einen "nationalen<br />

Befreiungstag für den Mann" in Amsterdam. In Amsterdam<br />

<strong>und</strong> Utrecht wurden die ersten Manneneafes, in denen regeimäßig<br />

Versammlungen <strong>und</strong> Themaabende stattftnden, gegründet. Lokale<br />

Männerzeitungen in Utrecht <strong>und</strong> Groningen wurden herausgegeben.<br />

Die ersten niederländischen Bücher <strong>und</strong> übersetzungen aus den<br />

USA <strong>und</strong> Großbritannien über "Männeremanzipation" wurden auf<br />

den Markt gebracht. Die ersten Männer-Radikale-Therapie-Gruppen<br />

entstanden 1977 <strong>und</strong> vermehrten sich nach dem Schneeballprinzip.<br />

In Volkshochschulen wurden ebenfalls· Kurse zu Themen<br />

wie "Männer <strong>und</strong> Sexualität", "Männer <strong>und</strong> Kinder", "Männer <strong>und</strong>


164<br />

Politik" angeboten. Selten wurden Aktionen durchgeführt, sondern<br />

hauptsächllch sind diese Gruppen in den 70er Jahren nach innen<br />

gerichtet (Klumpers 1981, S. 32).<br />

6.1.2. Die 80er Jahre: Männerprojekte<br />

Die Bedeutung des Selbsterfahrungsaspekts ließ mit Beginn der<br />

80er Jahre . nach. Unzufrieden über die Abgeschlossenheit <strong>und</strong><br />

Perspektivlosigkeit begannen einige Männer, Projekte zu entwikkein.<br />

Im Februar 1979 kam in Eindhoven die theoretische Zeitschrift·"<br />

Manuscript" mit ihrer Nullnummer heraus, <strong>und</strong> zwar<br />

mit dem Anllegen, sich von der Theoriefeindllchkeit der<br />

Männergruppen <strong>und</strong> -zeitschriften (z.B. "Mannentaal"), die<br />

Theorieblldung als typisch männllch ansahen <strong>und</strong> deshalb<br />

ablehnten, abzugrenzen.<br />

Im März 1980 startete in Amsterdam die "Mannenlijn", ein<br />

telefonischer Beratungs- <strong>und</strong> Informationsdienst. Außer der<br />

Vermittlung von Informationen über Veranstaltungen, etc.<br />

für Männer, berät sie bei persönllchen Krisen von Männern.<br />

Im September 1980 wurde die "Stichting Superman" gegründet<br />

mit dem Ziel, aus der Abgeschlossenhelt der Männergesprächs-<br />

<strong>und</strong> -therapiegruppen herauszutreten <strong>und</strong><br />

Männer außerhalb dieser Szene zu erreichen. Sie dokumentierte<br />

die Aussagen der Medien in bezug auf deren<br />

Männerbilder <strong>und</strong> trat mit Interviews an die öffentlichkeit.<br />

Sie gaben einen monatllehen "nieuwsbrief stichting superman"<br />

heraus.


165<br />

5.2. Diskussionen> <strong>und</strong> Projekte<br />

5.2.1. Die theoretische Zeitschrift "Manuscript"<br />

Um den Hintergr<strong>und</strong> dieser Entwicklung von den Männerselbsterfahrungsgruppen<br />

zu den Männerprojekten zu verdeutlichen, gehen<br />

wir im folgenden auf eine Ausgabe der "Manuscript" ein, die sich<br />

schwerpunktmäßig mit der "Männerbewegung" beschäftigt.<br />

Zur "Manuscript": Sie brachte ausländische Theoretikerinnen in die<br />

niederländische Diskussion wie Tolson, Interrante, Rubin <strong>und</strong> nicht<br />

zuletzt Theweleit, den sie ausführlich diskutierten <strong>und</strong> dessen<br />

"männerfantasien" sie in einer eigenen übersetzung herausbrachten.<br />

Die bekannte Feministin Anja Meulenbelt (o.J.) schrieb ebenfalls<br />

in dieser Zeitschrift. Die "Manuscript" erschien bis Januar<br />

1986 in 12 (mit der Nullnummer 13) Ausgaben mit Schwerpunktthemen<br />

wie Arbeit, Männerbewegung, Sexualität, Vatern, Milltarlsmus.<br />

Bei einer Bestandsaufnahme der bisherigen Männeraktivitäten in<br />

den Niederlanden wendet die "Manuscript" den Begriff "Männerbewegung"<br />

auf diese Aktivitäten <strong>und</strong> Gruppen an, um sogleich in<br />

Frage zu stellen, ob der traditionelle Begriff von sozialer Bewegung<br />

überhaupt auf die Männerbewegung zutreffen könne. Ihr<br />

fehlten die Organlsierung, MassenmobilIsierung, Effizienz <strong>und</strong><br />

Führung, weil sie den Zielen der Männerbewegung widersprächen.<br />

"Die Männerbewegung Ist vielmehr ein Sammelsurium von Aktivitäten<br />

bezüglich Denken <strong>und</strong> Fühlen, Suchen <strong>und</strong> Nicht-Wissen um<br />

die Frage, ob es überhaupt eine eigene Perspektive gibt. Und dies<br />

sowohl auf persönlichem als auch gesellschaftlichem Niveau."<br />

("Manuscript" o.J., No. 6, S. 1)


166<br />

Die Herausgeber der "Manuscript" sehen darin eine der größten<br />

Schwächen der Männerbewegung. Dadurch. daß es schwierig ist.<br />

eine eigene Perspektive zu schaffen. ohne in eine Haltung von<br />

Schuldgefühlen <strong>und</strong> Trauer zu verfallen <strong>und</strong> unpolitisch zu werden.<br />

verschwinden viele Männer. nach einer Phase in Gesprächsoder<br />

Mani'len-Radikale-Therapie-Gruppen (siehe unten). wieder<br />

von der Bildfläche.<br />

Während eines Wochenend treffens in Lage Vuursche im Januar<br />

1982 mit dem bezeichnenden Thema "Männerbewegung <strong>und</strong> wie<br />

welter?" wird dagegen der "Männerkampf" als politisch proklamiert.<br />

aber ohne jede Ausführung. Die allgemeine Meinung sei, daß<br />

Männer auch unterdrückt werden.<br />

Die Herausgeber der "Manuscript" halten es für positiv, daß die<br />

traditionellen Aktivitäten wie Männergesprächsgruppen <strong>und</strong> -cafes<br />

in ,besonderen Organisationen wie der "Mannenlijn" in Amsterdam<br />

als landesweiten Informationspunkt <strong>und</strong> der "Stichting Superman"<br />

als Dokumentationszentrum einen Rückhalt bekommen. Sie sehen<br />

darin aber auch eine Tendenz, die Initiativen der Frauenbewegung<br />

<strong>und</strong> deren Erfolgsformel zu kopieren. ohne die Unterschiede zu<br />

sehen.<br />

Die Herausgeber der "Manuscript" versuchen in diesem Heft ein<br />

Konzept der Veränderung der Männer zu entwerfen. das unseres<br />

Erachtens typisch ist für die niederländischen Diskussionen <strong>und</strong><br />

im Konzept für die Zeitschrift "Mannenkrant" wiederkehren wird.<br />

In ihrem Aufsatz "Die männliche Erfahrung im Patriarchat" (Jansen<br />

et al. , o.J.) beziehen sich die Herausgeber auf die Analysen<br />

von Frauen über das Patriarchat. die gründlicher <strong>und</strong> umfassender<br />

sind als die von kritischen Männern. Sie stellen die selbstkriti-


167<br />

sehe Frage, wozu die theoretische Männerzeitschrift "Manuscript"<br />

existiert <strong>und</strong> darüber hinaus, was Männer allgemein verändern<br />

können.<br />

In dieser Ausgabe vOllziehen sie einen Wechsel des Untertitels der<br />

Zeitschrift von "mannen tegen sexisme" (Männer gegen Sexismus)<br />

zu "mannen te gen het patriarchaat" (Männer gegen das<br />

Patriarchat). Diese Verschiebung begründen sie damit, daß die feministische<br />

Analyse (<strong>und</strong> der frühere Blickwinkel von "Manuscript")<br />

auf Frauen, auf deren Unterdrückung <strong>und</strong> deren Befreiung<br />

gerichtet war. "Doch fällt das Patriarchat ... nicht zusammen<br />

mit dem Bild, das die feministische Perspektive davon gibt.<br />

Nicht, daß wir dieses Bild auf seine Richtigkeit hin in Zweifel<br />

ziehen wollen. Eher wollen wir es ergänzen durch eine eigene<br />

kritische Männerperspektive in bezug auf das Patriarchat." (ebd.,<br />

S. 7)<br />

Daß sich die "Manuscript" den feministischen An'alysen anschließt<br />

heiße nicht, daß diese Analysen für Männer analog gelten. So<br />

könne unbezahlte Arbeit für Männer durchaus eine befreiende<br />

Funktion haben, während Feministinnen die unbezahlte Arbeit für<br />

Frauen bekämpfen.<br />

Bei ihrer Analyse wollen sie von ihren persönlichen Erfahrungen<br />

•<br />

ausgehen; damit schließen sie sich bewußt dem Ansatz der Neuen<br />

Frauenbewegung an, demgemäß das Persönliche politisch sei. Deshalb<br />

geht es darum, wie sich im Persönlichen das Gesellschaftliche<br />

ausdrückt, wobei sie die Gesellschaft mit dem Patriarchat übersetzen.<br />

"Wir wollen versuchen, eine eigene kritische Männerperspektive zu<br />

entwickeln, um von daher die patriarch ale Ordnung des Zusam-


168<br />

menlebens <strong>und</strong> die patriarchale Kultur zu beschreiben. zu analysieren<br />

<strong>und</strong> zu kritisieren." (ebd.. S. 8) Sie lehnen sich bewußt<br />

stark an feministische Denkbllder an <strong>und</strong> sagen: "Wir können uns<br />

wohl Feministen nennen." (ebd.. S. 9) Zugleich sind sie der<br />

Frauenbewegung gegenüber unabhängig. well sie Männer mit persönlichen.<br />

d.h. männllchen Erfahrungen sind. Diese "relative Unabhängigkeit".<br />

wie sie es nennen. drückt sich im Wechsel von<br />

"Männer gegen Sexismus" zu "Männer gegen das Patriarchat" aus.<br />

Die Verb<strong>und</strong>enheit mit dem feministischen Denken soll sich im<br />

besonderen Ernstnehmen der Kritik von feministischen Frauen in<br />

der "Manuscript" ausdrücken.<br />

Die Männerperspektive. die von den Erfahrungen von Männern<br />

ausgeht. ist zunächst nur als Entwurf vorhanden. Sie zählen als<br />

Themen auf: die Erziehung vom Jungen zum Mann. die männlichen<br />

Formen der Sexualltät. der männllche Nachdruck auf Rationalität<br />

<strong>und</strong> Arbeit. übermäßiges Verlangen vieler Männer nach "der Frau".<br />

vermengt oft mit Aggressionen. die männllche Antikörperlichkeit.<br />

Männer unterdrücken nicht nur Frauen. sondern auch nicht-herrschende<br />

Männer wie Schwarze. Schwule. Jungen. etc. Die männliche<br />

Perspektive sollte sich vor allem in Analysen auf der mehr psychologischen<br />

<strong>und</strong> symbollschen Ebene ausdrücken.<br />

Die "Manuscript"-Herausgeber setzen sich mit den Zieien der<br />

Mannen Radikale Therapie (MRT) auseinander. eine therapeutische<br />

Form der Männerselbsterfahrungsgruppen. die zeitweise in den<br />

Niederlanden in allen größeren Städten existierte. Wie die anderen<br />

Männergruppen <strong>und</strong> -cafes hat auch die MRT in den 80er Jahren<br />

einen Rückgang zu verzeichnen. Die MRT-Gruppen haben ihre Ursprünge<br />

in US-amerikanischen Therapierichtungen. aus denen auch<br />

die Co-Counseling (siehe 3.1.4.) entstanden ist (vgl. Wyckoff<br />

1976. Steiner 1976. DeGolia 1976).


169<br />

Die "Manuscript"-Herausgeber grenzen sich klar von der Perspektive<br />

der Mannen Radikale Therapie (MRT) ab, well sie deren Ansicht,<br />

daß Männer als Männer unterdrückt werden, für äußerst<br />

problematisch halten. Auf diese Weise werde suggeriert, daß Männer<br />

genau wie Frauen Opfer des patriarchalen Systems seien <strong>und</strong><br />

die Einsicht, daß Männer Frauen unterdrücken, werde zweitrangig<br />

gesehen. Positiv beurteilen sie an der MRT, daß sie die tiefliegenden<br />

psychischen Muster, die Männer in ihrem Handeln, Denken<br />

<strong>und</strong> Fühlen die Richtung geben, bloßzulegen <strong>und</strong> zu verändern<br />

versuchen - <strong>und</strong> dies nicht nur auf einem abstrakt-theoretischen,<br />

sondern auf einer konkreten <strong>und</strong> persönlichen Ebene. Doch diese<br />

Männer versuchen das Geschlechterverhältnis durch Persönllchkeitstransformationen<br />

zu verändern: mehr Körperlichkeit, weniger<br />

Homophobie, mehr Gefühle auf einer breiteren Skala <strong>und</strong> mehr<br />

warme Solidarität zwischen Männern. Sie kritisieren dies mit den<br />

Worten: "Das sind allemal schöne Errungenschaften, aber sie sind<br />

nicht notwendigerweise verknüpft mit einer größeren Verb<strong>und</strong>enheit<br />

mit dem Kampf von Frauen gegen ihre Unterdrückung.-" (ebd.,<br />

S. 13) Diese Unterdrückung spielt sich auf der Ebene von gesellschaftlichen<br />

Interessensgegensätzen zwischen Mann <strong>und</strong> Frau<br />

ab. Dies muß nach der Meinung der "Manuscript"-Herausgeber<br />

analysiert werden, werde aber von den Männergesprächsgruppen<br />

<strong>und</strong> der MRT nicht getan. "Ist das Persönliche noch politisch genug?"<br />

ist ihre skeptische Frage.<br />

5.2.2. Der telefonische Beratungs- <strong>und</strong> Informationsdienst<br />

"Mannenlljn" (Amsterdam)<br />

Ende -1979 kam eine Gruppe im damaligen Amsterdamer "Männerhaus"<br />

auf die Idee, einen telefonischen Beratungs- <strong>und</strong> Informa-


170<br />

tionsdienst für Männer einzurichten. Sie sollte Männern außerhaib<br />

der Reichweise eines Männercafes oder - hauses dazu dienen,<br />

Kontakt mit der Männergruppenszene aufzunehmen, Informationen<br />

<strong>und</strong> Adressen von Gesprächsgruppen zu erhalten, etc. Mit einem<br />

staatlichen Zuschuß <strong>und</strong> mit Hilfe einer sie unterstützenden Einrichtung<br />

begann die "Mannenlljn" am 1. März 1980 ihre Arbeit.<br />

Die "Mannenlljn" berät <strong>und</strong> informiert zur Zeit viermal in der<br />

Woche jeweils drei St<strong>und</strong>en lang am Telefon (durchgeführt von zur<br />

Zeit 18 Freiwilligen). Außerhalb dieser Zeit ist ein Anrufbeantworter<br />

eingeschaltet. Ihr Ziel haben sie so beschrieben: "Mittels<br />

persönlicher Gespräche die Männer in ihrem Streben zu unterstützen,<br />

die Beschränkungen, die die übliche Männerrolle ihnen<br />

auferlegt, zu durchbrechen". (Mannenlljn o.J., S. 35) Sie verstehen<br />

sich dabei als Laien. Die Gespräche sollen geführt werden<br />

"von Mann zu Mann auf der Basis von Gleichheit <strong>und</strong> Solidarität."<br />

(ebd.)<br />

An der "Mannenlljst", die von der "Stichting Superman" herausgegeben<br />

wurde, haben sie mitgewirkt. Sie ist ein Adressenverzeichnis<br />

all der Gruppen, die in den Niederlanden in bezug auf die<br />

Veränderung der Männer aktiv sind.<br />

Die letzte Statistik der "Mannenlljn" (Mannenlljn 1987) weist für<br />

1986 567 Telefongespräche auf (in den Vorjahren betrug die<br />

Anzahl zwischen 511 <strong>und</strong> 732 Anrufe). 42,3% waren davon Informationsgespräche,<br />

38,9% Problemgespräche, 14,9% Kontaktgespräche,<br />

0,2% Krisengespräche . <strong>und</strong> 3,7% sonstige. Diese Verteilung<br />

unterscheidet sich also erheblich vom Kriscentrum in Göteborg mit<br />

seinem Schwerpunkt auf Krisengespräche.


171<br />

Die Altersverteilung der Anrufer weist für 1986 aus:<br />

10,4% waren Männer jünger als 20 Jahre<br />

21,8% " " zwischen 20 <strong>und</strong> 30 Jahren<br />

25,6% " " " 30 " 40 "<br />

18,6% " " " 40 " 50 "<br />

16,0% " " " 50 " 60 "<br />

7,6% " " älter als 60 Jahre.<br />

Die "Mannenlijn" erreicht demnach ein breiteres Altersspektrum<br />

als die von van Dongen untersuchte Männergruppenszene (siehe<br />

5.3.). Der Hauptantell der Männer ist aber auch hier jünger als 40<br />

Jahre.<br />

5.2.3. Die "Stichting Superman" <strong>und</strong> ihr Informationsblatt<br />

"Superman's Vel" (früher "Superman's Nleuwsbrief"<br />

bzw. "Superman's Ventiel")<br />

Die "Stichting Superman" wurde im September 1980 von zwei<br />

Männern als Aktionsgruppe gegründet, <strong>und</strong> zwar, um die Medien in<br />

Ihren rollenbefestigenden Aussagen zu verfolgen. Superman wurde<br />

dabei motiviert durch die Unzufriedenheit über die Abgeschlossenheit<br />

der Männergruppenszene In den 70er Jahren (siehe 5.3.).<br />

Sie wollen deshalb "den Begriff <strong>und</strong> die Ideen der Männeremanzipation<br />

an den Mann bringen, gerichtet auf eine größtmögliche Offentllchkeit"<br />

(Ursem o.J., S. 55). Die "Stlchtlng Superman" verhält<br />

sich dabei typisch für Teile der "Männerbewegung" (wie sie sich<br />

nennen), die aus der Abgeschlossenheit der Männergesprächsoder<br />

Männerradikaltherapiegruppen heraustreten, Männer außerhalb<br />

des alternativen Männergruppenmilieus erreichen <strong>und</strong> die Gesellschaft<br />

verändern wollen.


172<br />

"Superman will diese kleine geschlossene Welt aufbrechen <strong>und</strong> mit<br />

Männeremanzipation nach außen treten." (ebd., S. 66) Sie gaben<br />

Interviews in Zeitungen <strong>und</strong> für Radio <strong>und</strong> Fernsehen, hielten<br />

Vorträge <strong>und</strong> legten Dokumentationsmaterial über das Männerbild<br />

in den Medien an.<br />

Superman gab einen monatlichen "nieuwsbrief stichting superman"<br />

heraus, später umbenannt in "superman's nieuwsbrief - monatliches<br />

Bulletin für Mlinneremanzipation", ab März 1986 "Superman's<br />

Ventiel - Monatsblatt für Männer, die aktiv in der Emanzipation<br />

sind", ab Juni 1987 (Nr. 61) hieß es "Superman's Vel - Informationsblatt<br />

für Männer, die aktiv in der Emanzipation sind". Im Januar<br />

1988 erschien die letzte Ausgabe (Nr. 56). Die Auflage war<br />

auf 160 Exemplare gesunken, was zur Streichung von Zuschüssen<br />

führte (1986 hatte die Stichting Superman noch 8000 Gulden vom<br />

Ministerie van Welzljn, Volksgesondheid en Cultuur erhalten).<br />

Die "Stichting Superman" führt den Rückgang zum einen auf das<br />

Wegfallen von Basisinitiativen wie Gesprächsgruppen, Männercafes<br />

<strong>und</strong> Festivals zurück. Auch die Männerradikaltherapie habe stark<br />

abgenommen. Zum anderen hat die seit Ende 1986 erscheinende<br />

Mannenkrant der Superman's Vel viele Abonnenten abgeworben.<br />

Die "Superman's Vel" (bzw. ihre Vorgängerinnen) sah sich, obwohl<br />

sie sich von der Selbsterfahrungsorlentiertheit der 70er Jahre<br />

abgrenzte, doch auch in deren Tradition. Zum Ausdruck kommt<br />

dies im Gebrauch der Terminologie von "Emanzipation" <strong>und</strong> "Männerbewegung"<br />

. Die Differenzen zu feministischen Vorstellungen<br />

(obwohl selten in den verschiedenen Ausgaben) kamen beim Thema<br />

"Befreiung des Mannes von seiner Ernährerfunktion ("kostwinnerschap")<br />

zu Tage.


173<br />

Im Artikel "Der Feminismus bekommt dem Kapitalismus gut" ("Superman's<br />

Ventiel" 1986, Nr. 37) kritisiert der Redakteur Alfons<br />

Tel die Feministinnen wegen ihrer - nach seiner Ansicht - Fixierung<br />

auf die Karriere. Daß sowohl Männer wie Frauen flexibel<br />

auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar selen, komme nur dem kapitalistischen<br />

System zugute. Der Feminismus habe überhaupt wenig<br />

Kritik am kapitalistischen Produktions- <strong>und</strong> Konsumtionssystem.<br />

Nach seiner Ansicht ist die Männeremanzlpation radikaler, weil sie<br />

"nach anderem Ausschau hält, als was das moderne kapitalistische<br />

Produktionssystem vorschreibt." (Tel 1986, S. 8). Er schreibt weitel':<br />

"Solange feministische (Hetero-)Frauen die Emanzipation von<br />

(Hetero-)Männern nicht ernst nehmen (<strong>und</strong> bis heute tun sie das<br />

kaum), sollen sie alleine bleiben in ihrer Wahl für Kinder <strong>und</strong><br />

Karriere, in der Erziehung von Kindern, in ihrem Kampf gegen das<br />

(männliche) Bollwerk der Macht." (ebd.,S. 8)<br />

Auch ein anderer Redakteur, Gerard -Ursem, kritisiert mit starken<br />

Worten Frauen, die durch Erwerbstätlgkeit sich emanzipieren wollen.<br />

Er spricht von einer "enormen Sucht nach bezahlter Arbeit"<br />

(Ursem 1986, S. 10), <strong>und</strong> daß der Feminismus kein Wort über die<br />

Qllalität der Arbeit verliere. Er wirft den Frauen Anpassung an<br />

die durch Männer dominierte Kultur vor <strong>und</strong> meint, daß der Feminismus<br />

reif sei für eine gründliche Umwertung.<br />

Nach unserer Ansicht kommt hier eine überSChätzung der Veränderungen<br />

der Männer <strong>und</strong> eine Geringschätzung der EmanzIpationsleistungen<br />

der Frauen zum Ausdruck. Der (partielle) Rückzug<br />

einiger alternativer Männer aus der Arbeitswelt wird als radikaler<br />

Bruch mit dem kapitalistischen System gefeiert, ohne selbstkritisch<br />

zu berücksichtigen, ob die Privilegien der Männer dadurch


174<br />

beschnitten werden (siehe 3.1. 9. für Brods Kritik der "Mittelschicht-Scheuklappen").<br />

Radikale Feministinnen mit ihrer scharfen<br />

Kritik am kapitalistischen/patriarchalen System bleiben aUßerhalb<br />

ihrer Betrachtung.<br />

Die "Stichting Superman" hatte mit ihrem Informationsblatt .eine<br />

wichtige Funktion zum einen durch die Weitergabe von Informationen<br />

über Männeraktivitäten, zum anderen ais ForUm für kontroverse<br />

Diskussionen.<br />

Obwohl sie angetreten war, eine breitere öffentlichkeit anzusprechen,<br />

besaß ihre Zeitschrift im Gegensatz zur "Mannen(krant)" nur<br />

eine begrenzte Leserschaft. Diese beschränkte sich auf die kieine,<br />

aktive Männergruppen- <strong>und</strong> projektszene, die im Laufe der 80er<br />

Jahre schrumpfte (siehe 5.4.) ..<br />

5.2.4. Männerspezifische Sozialarbeit: Die "Stichting Ondersteuning<br />

Mannenwerk (SOMAN)" in Utrecht<br />

Die "Stichting Ondersteuning Mannenwerk" (SOMAN) (auf deutsch<br />

etwa: "Stiftung unterstützende Männerarbeit") wurde im Januar<br />

1985 von zwei Absolventen der Rijksuniversiteit in Utrecht, Ton<br />

van EIst <strong>und</strong> Gert Evers, gegründet, um "auf dem Gebiet der<br />

emanzipierenden, nicht-sexistischen soziaien Dienste" (SOMAN<br />

1987, s. 3) ein B<strong>und</strong>esgenosse von Frauen bei Aktivitäten in bezug<br />

auf Frauenhllfeleistungen zu sein. Die Zielstellung der Arbeit<br />

von SOMAN ist "das Befördern des Sachverstands von männlichen<br />

Hllfeleistungen <strong>und</strong> die Einführung von strukturellen Veränderungen<br />

von Einrichtungen, so daß die Hilfe an Männern verbessert<br />

wird <strong>und</strong> Unterdrückung auf der Basis des Geschiechts (Sexismus)<br />

verschwindet." (ebd.)


175<br />

Die Gründer von SOMAN haben schon seit 1980 Initiativen im Bereich<br />

Männerarbeit begonnen: Inhaltlich ist. in der Periode von<br />

1980 bis 1983 der Akzent auf die Unterstützung <strong>und</strong> das Motivieren<br />

von individuellen Mitarbeitern in den sozialen Diensten<br />

gelegt worden. In der Periode 1984 bis 1985 lag der Akzent auf<br />

der Entwicklung von Arbeitsmethoden in Männergruppen. Eine<br />

andere wichtige Entwicklung war das Mitorganisieren des Kongresses<br />

"Mannen-Geweld-Seksualiteit" (Männer-Gewalt-Sexualität),<br />

der am 27. April 1985 in Driebergen stattfand (zusammen mit der<br />

"Landelljke werkgroep mannenstudies" , der "Vereniging voor seksuologie"<br />

<strong>und</strong> der "Interfakultaire werkgroep homostudies"). Dieser<br />

KongreJj fand in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit. Er befaJjte<br />

sich in workshops mit der sexuellen Gewalt gegen Frauen in<br />

d~r<br />

Privatsphäre <strong>und</strong> in der öffentlichen Sphäre, der sexuellen<br />

Gewalt gegenüber homosexuellen Männern <strong>und</strong> lesbischen Frauen,<br />

der Gewalt zwischen Männern, Gewalt <strong>und</strong> Sexualität in den Medien<br />

<strong>und</strong> in der Pornografie.<br />

Nach diesem Kongreß hat SOMAN einen Schwerpunkt auf sexuelle<br />

Gewalt <strong>und</strong> aggressives Verhalten von Männern gegenüber Frauen<br />

gelegt. In ihrem Jahresbericht (SOMAN 1987) konstatieren sie mit<br />

Verblüffung, wIe wenig Mitarbeiter der sozialen Dienste die Täterseite<br />

in Situationen von sexueller Gewalt beachten. Sie nahmen<br />

Kontakt zur Utrechter Arbeitsgruppe "Mannen Tegen Seksueel GeweId"<br />

(Männer gegen sexuelle Gewalt) (siehe 5.2.5.) auf. SOMAN<br />

wirkte an einem Studientag über sexuelle Gewalt <strong>und</strong> an einer<br />

Untersuchungsgruppe über die <strong>Möglichkeiten</strong> für die Entwicklung<br />

von sozialen Diensten an Tätern von sexueller Gewalt mit.<br />

Die bestehenden psychosozialen Dienste sind das wichtigste Arbeitsgebiet<br />

von SOMAN. Primär richten sie sich auf Helfer <strong>und</strong>


176<br />

deren Einrichtungen. Auch melden sich Dozenten <strong>und</strong> Studenten<br />

bei SOMAN um Unterstützung. Oft aktivieren Frauen ihre Kollegen.<br />

damit diese sich um einen Kontakt mit SOMAN bemühen. Frauen<br />

schlagen oft auch SOMAN vor. eine Männergruppe zu begleiten<br />

oder einen Vortrag über psychosoziale Hilfe bei Männern zu halten.<br />

Bei gemischten Workshops. Vorlesungen oder anderen Aktivitäten<br />

arbeitet SOMAN mit dem im sozialen Bereich arbeitenden<br />

Frauenprojekt Balsemien aus Den Bosch <strong>und</strong> mit der Stiftung<br />

"Leergangen Vrouwenhulpverlening" (etwa: "Lehrgänge Frauenhilfe")<br />

aus Utrecht zusammen.<br />

Das Angebot von SOMAN ist auf die Probleme der Praxis bezogen:<br />

Standardkurse (Orientierungskurs über die psychosoziale Hilfe an<br />

Männern. Methoden. Männllchkeitskodierungen als Erklärungsmodell<br />

für Probleme von Klienten. sexuelle Gewalt). Auf Ersuchen einer<br />

Einrichtung wird ein Kurs. Vortrag oder Workshop durchgeführt.<br />

Regional <strong>und</strong> in einzelnen Städten hat SOMAN Intervisionsgruppen<br />

für Probleme der psychosozialen Hilfe an Männern eingerichtet.<br />

SOMANentwickelt einen theoretischen Rahmen für diese Arbeit<br />

<strong>und</strong> bringt Veröffentlichungen darüber heraus (Berichte. Artikel.<br />

Broschüren. Kursmappen. Bücher).<br />

SOMAN sieht sich in einer Vorreiterrolle in der Männerhilfe <strong>und</strong><br />

will sich deshalb gerade auch der neuen Entwicklungen der nichtsexistischen<br />

sozialen Dienste (Inzest. sexuelle Gewalt. alleinstehende<br />

Männer <strong>und</strong> Väter) annehmen.<br />

In bezug auf die Machtkonflikte in den Einrichtungen der sozialen<br />

Dienste entwickelt SOMAN Untersuchungen als auch Modelle des<br />

Vermitteins. Sie wollen hierbei mit Frauenorganisationen zusammenarbeiten.


177<br />

Inhaltliche Vorstellungen<br />

Die beiden Gründer von SOMAN, Ton van Eist <strong>und</strong> Gert Evers,<br />

benutzen in einer Selbstdarstellung in der "Manuscript"<br />

(Elst/Evers o.J., vermutlich 1982 herausgegeben) als zentralen<br />

Begriff "Männerbefreiung", den sie auf ihr Fach Andragogie (psychosoziale<br />

Arbeit an Erwachsenen) anwenden. Ausgangspunkt ist<br />

für sie offensichtlich die Männerbewegung, die sie. in die jeweili -<br />

gen Berufsbereiche der Männer hineintragen <strong>und</strong> damit auch die<br />

Stagnation in der Männerbewegung beenden wollen. In der Universität<br />

von Utrecht erreichten sie, daß sie in das Frauenstudienprojekt<br />

"Rollenbefreiende Hilfe (hulpverlening)" aufgenommen<br />

wurden - ohne daß sie in diesem Artikel ein Wort über die Fragwürdigkeit<br />

verlieren; in ein Frauenprojekt einzusteigen, <strong>und</strong><br />

Frauen- <strong>und</strong> Männerbefreiung auf eine Stufe zu stellen.<br />

In der Broschüre "mannen-in-zieht" (Elst/Evers 1984) sprechen<br />

die beiden Gründer von SOMAN· nicht mehr von Männerbefreiung.<br />

Sie grenzen sich davon ab, wenn Männer Begriffe wie "Emanzipation",<br />

"Feminismus", "Rollendurchbrechen", "Anti-patriarchaler<br />

Kampf" <strong>und</strong> "Maskulismus" für sich beanspruchen oder verwenden.<br />

Statt dessen übernehmen sie von <strong>Georg</strong>e Bernard Shaw die Bezeichnung<br />

"Hominist". Sie definieren "Hominismus": "Der gemeinschaftliche<br />

Kampf von Männern für die Aufhebung der Festgesetztheit<br />

von gesellschaftlichen Positionen <strong>und</strong> Machtverhältnissen<br />

nach Geschlecht." (ebd., S. 8)<br />

Des weiteren unterscheiden sie in ihrer Analyse 1) männliche Positionen,<br />

2) Männlichkeit <strong>und</strong> 3) Männlichkeitscodierungen. Lediglich<br />

auf den letzten Punkt gehen Eist <strong>und</strong> Evers in bezug auf<br />

Sexualität, Arbeit, individueller Leistungsorientierung, (ver-)-


178<br />

sorgendem Verhalten, Distanz, Verstand, <strong>und</strong> (Non-)Verballtät jeweils<br />

detailliert ein. Es geht ihnen hierbei um die Beschreibung<br />

der falschen Botschaften <strong>und</strong> strengen -Normen, auf die die Männer<br />

"codiert" werden, ohne die gesellschaftliche Funktion <strong>und</strong> die<br />

persönliche Bestätigung _ erklären zu können oder zu wollen. Sie<br />

plädieren deshalb immer noch für Männerbefreiung, <strong>und</strong> zwar von<br />

den Kosten der zu starken Normen: "Männlichkeit wird für Männer<br />

ein Problem, sobald Männlichkeit zu einer starren Norm verinnerlicht<br />

wird <strong>und</strong> die hiermit zusammenhängenden Anforderungen für<br />

das Funktionieren im täglichen Leben zu groß werden." (Elst/Evers<br />

1984, S. 1)<br />

In den Vorträgen, die Evers <strong>und</strong> Eist 1985 auf einem Studien tag<br />

in Utrecht gehalten haben (SOMAN o.J.), ist keine Rede mehr von<br />

"hoministischer Hilfe" (hoministische hulpverlening), so"ndern meist<br />

heißt es schlicht "mannenhulpverlening". Gert Evers benutzt auch<br />

den Begriff "nicht-sexistische Hilfe/hulpverlening", wobei er in<br />

der Umgangssprache lieber von der "emanzipierenden Hilfe" spricht<br />

(Evers 1985, S. 22). Diese Gleichsetzung läßt auf eine gewisse­<br />

Undifferenziertheit <strong>und</strong> Verwaschenheit in bezug auf die Terminologie<br />

schließen.<br />

Andererseits zeigt sich für Evers die nicht-sexistische Hilfe in<br />

der durchgängigen Aufmerksamkeit für die Geschlechtsspeziflk <strong>und</strong><br />

dem Wissen, daß<br />

"... die Unterdrückung auf der Basis des Geschlechts immer <strong>und</strong><br />

überall anwesend" ist (ebd., S. 23). Er betont, daß die nicht-sexistische<br />

Hilfe<br />

" Machtunterschiede zwischen Männern <strong>und</strong> Frauen strukturell<br />

zur Diskussion stellt auf den drei Niveaus KllentIn, Helferln <strong>und</strong><br />

Verwaltung" (ebd.). Traditionelle Hilfe betrachte diese Machtunterschiede<br />

vornehmlich als ein Problem von Klientinnen.


179<br />

Evers hat Bedenken gegenüber der traditionellen Hilfe, weil sie<br />

die Folgen der Frauenunterdrückung hauptsächlich bei den Frauen<br />

sieht. Seiner Meinung nach werden männliche Machtmuster nicht<br />

aktiv untersucht, beispielsweise bei den Männern als Ausübende<br />

sexueller Gewalt. (Den Begriff "Täter" benutzt er nicht.) "Emanzipierende<br />

Helfer" gehen dagegen davon aus, daß Männer' (Helfer<br />

<strong>und</strong> Klienten) zutiefst betroffen seien von der Aufhebung der<br />

Geschlechtsunterdrückung <strong>und</strong> daß Männer ein eigenes Interesse<br />

daran hätten. Das eigene Interesse sei, daß sie gleichwertigere<br />

Verhältnisse zu Frauen aufbauen können, mehr Kontakt mit ihrem<br />

persönlichen Leben bekommen <strong>und</strong> auf Gleichwertigkeit gerichtete<br />

Fre<strong>und</strong>schaften mit Männern entwickeln (ebd.).<br />

Hier appelliert der Autor an das EIgeninteresse der Männer, statt<br />

die Ambivalenz der Interessen <strong>und</strong> Motivationen der Männer zu<br />

berücksichtigen (siehe 3.4.3.).<br />

Die Konferenz "Mannenhulpverlening" (Männerhilfeleistung) am<br />

Freitag, den 30. Oktober 1987 in Zeist (bei Utrecht)<br />

SOMAN veranstaltete am 30. Oktober 1987 zum ersten mal eine<br />

Konferenz für Männer in Sozialberufen, zu einem kleinen Teil auch<br />

für Frauen. Erklärtes Ziel war es, die Quailtät der Hilfe (hulpverlening)<br />

an Klienten zu verbessern <strong>und</strong> eine Aussprache darüber<br />

zu ermöglichen. Es nahmen ca. 200 Männer <strong>und</strong> ca. 30 Frauen<br />

daran teil. Die Konferenz wurde durch das Ministerie van Welzijn,<br />

Volksgezondheit en Cultuur ermöglicht.<br />

Neben den allgemeinen Vorträgen über "mannenhulpverlening" gab<br />

es 13 verschiedene Workshops für Teilnehmer <strong>und</strong> einen Workshop


180<br />

für die Teilnehmerinnen. Die allgemeinen Vorträge <strong>und</strong> die Treffen<br />

in den regionalen Gruppen waren gemischt.<br />

Das Programm<br />

WorkShOps für (männliche) Teilnehmer<br />

1. Der männliche Klient: ein ges<strong>und</strong>er Kerl?<br />

2. Methoden in Männergruppen<br />

3. Zwangshilfe an Ausübenden von sexueller Gewalt<br />

4. Hilfe an männlichen Opfern sexueller Gewalt<br />

5. Homosexuelle Helfer in einer Heteroeinrichtung<br />

6. Hilfe an Jungen, sture Jungen<br />

7. Hilfe an Einwanderermännern<br />

8. Männliche Sexualität<br />

9. Vaterschaft<br />

10. Arbeit<br />

1 L Hilfe an Frauen durch Männer<br />

12. Männer als B<strong>und</strong>esgenossen von feministischen Kolleginnen<br />

13. Männerhilfe in der Verwaltung<br />

14. Workshop für Teilnehmerinnen: Frauen in Zusammenarbeit<br />

mit männlichen Kollegen.<br />

6.2.6. Männer gegen sexuelle Gewalt: Die "Stichting Mannen<br />

tegen Seksueel Geweld" (MTSG)<br />

Die Gruppe "Mannen tegen Seksueel Geweld" (Männer gegen sexuelle<br />

Gewalt) besteht als landesweite Organisation seit dem 20.<br />

Oktober 1984. An diesem Tag organisierte die Initiativgruppe<br />

einen landesweiten Informations- <strong>und</strong> Diskussionstag in Utrecht,<br />

mit der Zielsetzung, örtliche <strong>und</strong> regionale Gruppen zu bilden. Es<br />

entstanden Gruppen in Amsterdam, Den Haag, Groningen <strong>und</strong> Utrecht.<br />

Später sind Gruppen in Herzogenbusch (Den Boschl, Enschede<br />

<strong>und</strong> Wageningen dazugekommen. Die Gruppe in Nimwegen/Nljmegen<br />

ist unabhängig von der landesweiten Gruppe ge-


181<br />

gründet worden, Die Initiativgruppe bestand in dieser Zeit schon<br />

ein Jahr, Anlaß für die Bildung der Gruppe war ein Aufruf von<br />

Bert van Herk in der "Manuscript" zur Bildung eines Netzwerks<br />

von örtlichen Gruppen von Männern gegen sexuelle Gewalt, In<br />

dieser Sexualitätsnummer der Manuscript hatte sich van Herk damit<br />

auselnandergesetzt. daß seine Fre<strong>und</strong>in von einem Bekannten<br />

vergewaltigt worden war, (Herk 1983)<br />

Die örtlichen Gruppen fungierten einesteils als Gesprächsgruppen.<br />

andernteils bereiteten sie konkrete Aktionen gegen sexuelle Gewalt<br />

vor <strong>und</strong> führten sie durch. außerdem machten sie öffentlichkeitsarbeit,<br />

Zum Beispiel blockierten die Gruppen aus Nimwegen<br />

<strong>und</strong> Utrecht für kurze Zeit ein Theater <strong>und</strong> verteilten Flugblätter.<br />

weil dort eine Posse gespielt wurde. in der verantwortliches<br />

Handeln in bezug auf sexuelle Gewalt <strong>und</strong> Vergewaltigung<br />

lächerlich gemacht wurde,<br />

"Mannen tegen Seksueel Geweld" hat sich zur Aufgabe gesetzt. die<br />

männliche öffentlichkeit auf verschiedenen Ebenen zu beeinflussen,<br />

Im Gegensatz zu Gruppen in den USA verrichten sie praktisch<br />

keine psychosoziale Arbeit mit Tätern, Ihr Ansatz ist. Aufklärungsarbeit<br />

bei Männern zu leisten. insbesondere über Vorurteile.<br />

die Männer in bezug auf Sexualität <strong>und</strong> Gewalt haben (beispielsweise<br />

die Meinung. daß Frauen "nein" sagen. sie jedoch "ja" meidurch<br />

Bildungsveranstaltungen (z,B, in<br />

nen), Dies geschieht<br />

Volkshochschulen). Broschüren <strong>und</strong> die viermal erschienenen "Informationsbulletins"<br />

des Jahres 1985,<br />

Eine sehr große Resonanz verbuchte der J(ongreß "Mannen. geweld.<br />

seksualitelt" (Männer. Gewalt. Sexualität). der am 27, April 1985<br />

in Driebergen stattfand, Es beteiligten sich nach Schätzung 500<br />

Menschen. davon 300 Männer, MTSG organisierte den Kongreß zu-


182<br />

sammen mit SOMAN <strong>und</strong> anderen Organisationen. Nach Aussagen<br />

der Veranstalter waren relativ wenIg Männer aus der Männergruppenszene<br />

anwesend, statt dessen Menschen aus den Bereichen<br />

Volksges<strong>und</strong>heit, Justiz, von der Sittenpollzei <strong>und</strong> aus psychosozialen<br />

Berufen.!<br />

Die MTSG beschäftigt sich allerdings nicht nur mit sexueller Gewalt<br />

von Männern an Frauen, sondern auch zwischen Männern. Am<br />

17. Mai 1985 veranstaltete sie zusammen mit Organisationen der<br />

Schwulenbewegung einen Themaabend mit dem Titel "Die Armee<br />

macht einen Mann aus dir", bei dem es um sexuelle Gewalt zwischen<br />

Männern in der Armee ging. Sexuelle Gewalt richtet sich<br />

dabei gegen die Männer, die "unmännlich" sind. Meistens geht es<br />

(im Unterschied zur Gewalt gegen Frauen) um Gruppentaten, bei<br />

denen der Anschein von Homosexualität vermieden werden muß.<br />

Sexuelle Gewalt zwischen Männern soll auch die Hierarchie zwischen<br />

den Männern zum Ausdruck bringen <strong>und</strong> befestigen."<br />

Gegenwärtiger Stand<br />

Im Oktober 1987 sind noch sechs Männer in verschiedenen Städten<br />

aktiv (Amsterdam, Groningen <strong>und</strong> Nlmwegen). Sie machen zwar<br />

noch öffentlichkeitsarbeit (z.B. auf Konferenzen) <strong>und</strong> Prävention<br />

(im Schulunterricht)' aber da die Unterstützung von Seiten des<br />

Staates gestrichen wurde, fällt beispielsweise das Publlzieren des<br />

Informationsbulletins der Gruppe weg. 1986 haben sie noch 10.000<br />

Gulden vom Ministerium van Welzljn, Volksgesondheid en Cultuur<br />

erhalten."<br />

1 Bericht, in: Mannen tegen Seksueel Geweld, Juni 1985, Jg. 1, Nr.<br />

2, S. 9f.<br />

2 Vgl. Bericht, in: ebd., S. 7f. <strong>und</strong> Marcel Bulllnga 1984.<br />

3 Vgl. Aufstellung der Subsidien für Männeraktivitäten, in: "Su-


183<br />

Die MTSG hält sich eher distanziert von der Männergruppenszene<br />

in den Niederlanden, die sie nicht für seriös genug <strong>und</strong> zu sehr<br />

mit der persönlichen Entwicklung beschäftigt hält. Sie hat mehr<br />

Kontakt mit den Frauenprojekten, die aktiv gegen sexuelle Gewalt<br />

arbeiten. Nach Ansicht des MTSG-Mitarbeiters Herman Berk (pers.<br />

comm. 1987) ist die Männeremanzipatlon nur eine Vorbedingung,<br />

aber kein Ziel für MTSG.<br />

Die Männerbewegung habe ein schlechtes Image bei der niederländischen<br />

Öffentlichkeit. Sie solle mit politischen Anliegen nach<br />

außen treten: Gleichbehandlungsgesetz, Arbeitszeitverkürzung, Basiseinkommen,<br />

gemeinsame Elternschaft <strong>und</strong> Austausch mit polltisehen<br />

Organisationen (vgl. auch Superman's Ventlel, Januar 1987,<br />

Nr. 46, S. 6).<br />

5.2.6. Männerstudien<br />

Landelljke Werkgroep Mannenstudies (LWM)<br />

Seit 1983 existiert diese niederländische landesweite Arbeitsgruppe<br />

Männerstudien. Mitglieder karnen im Laufe der Zeit aus der<br />

"Manuscript"-Redaktion, von den "Mannen tegen Seksueel Geweld",<br />

von "Mannenkrant"-Mitarbeitern, von der Universität Amsterdam,<br />

der TH Einhoven, etc. Sie organisierten den Kongreß "Mannen, geweId,<br />

seksualiteit" am 27. April 1985 in Driebergen mit (siehe<br />

5.2.4.). Am 12. Juni 1987 fand zum ersten Mal eine eintägige<br />

Arbeitskonferenz "Perspektieven van mannenstudies" in Amsterdam<br />

statt.' Trotz der intensiven Diskussion während dieses<br />

perman's Ventiel, Juli 1986, Nr. 41 <strong>und</strong> Stichting MTSG 1987.<br />

4 Vgl. den Reader dieses Studientags: Paul van Gelder (1987).


184<br />

"Studiedags" sind sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe einig, daß<br />

die Männerstudien sich erst in den Kinderschuhen befinden, wenn<br />

man sie mit den Frauenstudien oder auch Homostudien" In den<br />

Niederlanden vergleicht. In der Arbeitsgruppe finden Auseinandersetzungen<br />

über die Ausrichtung der Männerstudien statt, die<br />

zur Zerreißprobe führen könnte. Positiv ist einzuschätzen, daß<br />

hier ein Forum geschaffen worden ist, auf dem die unterschiedliehen<br />

Einschätzungen <strong>und</strong> Zielsetzungen, insbesondere das Verhältnis<br />

zu Feministinnen, offen diskutiert wurden. Dies schlug<br />

sich auch in Kontroversen in der "Mannenkrant" (jetzt "Mannen")<br />

nieder, die U.a. von Nlco van Oosten, einem Beiratsmltglied <strong>und</strong><br />

Leitartikler dieser Zeitschrift getragen wurden.<br />

"Nieuwsbrlef Mannenstudies"<br />

Seit 1985 wird vom Mitglied der "LandelJjke Werkgroep Mannenstudies"<br />

<strong>und</strong> früheren Mitarbeiter der TU Eindhoven, Frans van<br />

Velden, ein Informationsblatt, der Nieuwsbrief Mannenstudies, mit<br />

einer Bibliographie niederländischer, englisch-<br />

<strong>und</strong> deutschspra~<br />

ehiger Literatur zur Kritik hegemonialer Männllchkeiten herausgegeben.<br />

Diese kleine, dreimal im Jahr erscheinende Publikation<br />

initIIert aktuelle Diskussionen In den Niederlanden, z.B. zum Begriff<br />

"Männerunterdrückung" (Jg. 3, Nr. 1), die über Rezensionen<br />

in der "Mannenkrant" eine größere Verbreitung finden, als es der<br />

Auflage (ca. 200 Exemplare) entspricht. Ab 1988 ist eine Zusammenarbeit<br />

mit der b<strong>und</strong>esdeutschen Arbeitsgruppe "antisexistische<br />

Männerstudien" geplant.<br />

5 Mit "Homostudies" werden in den Niederlanden Forschungen über<br />

Homosexualität bezeichnet (z.B. an den Universitäten in Amsterdam<br />

<strong>und</strong> Utrecht), vgl. Hekma (1987).


185<br />

5.2.7.<br />

Die Zeitschrift "Mannen" (früher "Mannenkrant")<br />

<strong>und</strong> der Männerstudienansatz van Oostens<br />

Im Dezember 1985 ging die "Mannenkrant" mit ihrer ersten Nummer<br />

an die Öffentlichkeit, <strong>und</strong> zwar mit dem Ziel, neue Schichten von<br />

Männern anzusprechen. Sie wollen den positiven Inhalt der Männeremanzipation<br />

hervorheben <strong>und</strong> sich von der Meinung, alles<br />

traditionelle Verhalten sei negativ, insbesondere unterdrückend,<br />

abgrenzen." "Erfolg, Karriere, Leistung <strong>und</strong> Konkurrenz sind nicht<br />

mehr schmutzige Worte. Ein heutiger Mann will gesellschaftlichen<br />

Erfolg haben <strong>und</strong> ein sorgsamer Vater sein." (Mannen, März/April<br />

1988, Nr. 14, S. 2). Daß die "Superman's Vel" zum Anfang des<br />

Jahres eingestellt wurde, führen sie darauf zurück, daß diesem<br />

Informationsblatt ein positives Männerbild <strong>und</strong> eine Utopie in bezug<br />

auf den Mann gefehlt habe. Sexistisches Verhaiten will die<br />

"Mannenkrant" zwar an den Pranger stellen, aber nicht den Mann,<br />

um keine Schuldgefühle zu wecken. 7<br />

Die "Mannenkrant" erhielt im Dezember 1985 eine einmalige Subvention<br />

von 7.500 Gulden vom Koningin Juliana Fonds. Im Jahre<br />

1986 erhielt sie vom Ministerium van Welzijn, Volksgezondheid en<br />

Cultuur zweimal 10.000 Gulden Zuschuß.<br />

Die "Mannenkrant" war im ersten Jahr eine Monatszeitschrift,<br />

kommt allerdings seit Dezember 1986 als Zweimonatszeitschrift<br />

heraus. Seit der Nummer 14 (März/April 1988) kommt sie im Magazinformat<br />

als "Mannen" heraus.<br />

6 Vgl. das Editorial von Nico van Oosten: "Mannenbeweging meer<br />

dan allen maar "Softies", in: Mannenkrant, Dez. 1985, Nr. 1, S.<br />

2.<br />

7 Chris Wijne, ein Redakteur der Mannenkrant in der "superman's<br />

ventiel", Nov. 1986, Nr. 44, S. 7.


186<br />

Inhaltliche Vorstellungen<br />

Die "Mannenkrant" hat in bezug auf die Veränderung der Männer<br />

eigenständige Positionen, die weder die Gleichstellung von Fr~uen<br />

als zentrales Ziei nennt, noch dezidiert dagegen Stellung bezieht.<br />

Im folgenden wollen wir uns mit einem Artikel des BeiratsmitgliedS<br />

<strong>und</strong> Leitartiklers Nico van Oosten über Zielsetzungen von Männerstudien<br />

beschäftigen, die diese Strategie verdeutlicht. Wir<br />

wollen hinzufügen, daß in einer Zeitschrift natürlich ein gewisses<br />

Spektrum besteht, <strong>und</strong> van Oostens Ansichten nicht von allen<br />

getragen werden müssen.<br />

Van Oosten (1986-87) kritisiert die bisherigen Männerstudien in<br />

den Niederlanden, weil sie in der Unterdrückung von Frauen in<br />

der Gesellschaft ihren Ausgangspunkt sehen, die männliche Erfahrung<br />

hingegen in den Hintergr<strong>und</strong> getreten se!. Der Focus sei<br />

zu sehr auf der Notwendigkeit der Veränderung der Männer <strong>und</strong><br />

zu wenig auf der Analyse der gegenwärtigen Positionen der Männer<br />

in unserer Gesellschaft. Es gehe ihm um "ein Verständnis des<br />

traditionellen männlichen Verhaltens <strong>und</strong> der konventionell lebenden<br />

Männer." (ebd., S. 18)<br />

Nico van Oosten legt Betonung auf die emotionale Abhängigkeit<br />

der Männer von den Frauen in der Ehe, womit er nicht sagen will,<br />

daß Männer in der gleichen Art <strong>und</strong> mit gleicher Stärke unterdrückt<br />

werden wie Frauen von den Männern. Er meint jedoch,<br />

daß jede Beziehung zwischen einem Mann <strong>und</strong> einer Frau Kampf<br />

um Stärke <strong>und</strong> Kontrolle enthält - ein Kampf, in dem jede/r mit<br />

ihren/seinen eigenen Waffen kämpft. Ziel für die Männer sei es,<br />

weniger emotional abhängig von den Frauen zu werden <strong>und</strong> emotionale<br />

Beziehungen zu Männern zu entwickeln - analog wie


187<br />

Frauen weniger ökonomisch abhängig von den Männern werden.<br />

Seiner Meinung nach ist der feministische Ansatz, wie er etwa<br />

von Frans van Velden vertreten wird, nicht fruchtbar. Feministische<br />

Ansichten sagen - so van Oosten - nicht viel über die Art<br />

<strong>und</strong> Weise aus, wie Mlinner denken, fühlen <strong>und</strong> sich verhalten in<br />

Fre<strong>und</strong>schaft, Vaterschaft, Arbeitsbedingungen, geschlechtsbezogenen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsfragen, Fragen in bezug auf Männlichkeit <strong>und</strong><br />

Militarismus, <strong>und</strong> so weiter. Feministische Ansichten sagen nach<br />

seiner Meinung viel über die Art aus, wie Frauen über Männer<br />

denken, <strong>und</strong> deswegen sollten Männer vorsichtig sein, sie als alleinige<br />

Basis für Männerstudien zu übernehmen.<br />

Der Ausgangspunkt für Männerstudien sollte die Art <strong>und</strong> Weise<br />

sein, wie die Positionen der Männer In der Gesellschaft das Denken'<br />

Fühlen <strong>und</strong> Verhalten der Männer formen, <strong>und</strong> die Konsequenzen<br />

ihres Verhaltens für die Gesellschaft als ganzes <strong>und</strong> für<br />

Männer Im besonderen. Der gr<strong>und</strong>legendste Ausgangspunkt für<br />

Männerstudlen seien die Alltagserfahrungen der Männer <strong>und</strong> nicht<br />

feministische Meinungen über Männer. Auf der anderen Seite sollten<br />

Männerstudien weder als ein Alibi für die herrschenden Positionen<br />

der Männer in der Gesellschaft benutzt werden noch dafür<br />

herhalten, die Unterdrückung von Frauen zu verfestigen. "Männerstudien<br />

diskutieren <strong>und</strong> kritisieren offen männliches Verhalten<br />

<strong>und</strong> Positionen von Männern in der Gesellschaft. Diese Kritik kann<br />

zu einer Entmystiflzierung der Macht, die Männer in unserer Gesellschaft<br />

<strong>und</strong> in ihren Beziehungen mit Frauen haben, führen.<br />

Männer, die Angst haben, diese Machtpositionen zu verlieren,<br />

werden Männerstudien nicht willkommen heißen." (ebd., S. 20)


188<br />

Kritik an Nico van Oosten<br />

Männliche Erfahrung (auf der subjektiven Ebene) <strong>und</strong> Analyse der<br />

gegenwärtigen Positionen der Männer (auf der wissenschaftlichen<br />

Ebene) als Ausgangspunkt zu nehmen, hat die Konsequenz, daß<br />

die Veränderung der bestehenden Unterdrückungsverhältnisse in<br />

den Hintergr<strong>und</strong> geraten. Es geht ihm vorrangig um die Beschreibung<br />

des Status quo.<br />

Nach unserer Meinung sind feministische Theorien keine subjektiven<br />

Ansichten. Hier wird der gesellschaftliche Kampf zum liberalen<br />

Äußern von SUbjektiven Meinungen. Nico van Oosten hat<br />

sicher recht, wenn er Themen wie Vaterschaft, Fre<strong>und</strong>schaft zwischen<br />

Männern, etc. für Männerstudien sehr wichtig hält <strong>und</strong><br />

wenn er meint, daß sie in feministischen Analysen fehlen oder zu<br />

kurz kommen. Dies ist für uns jedoch kein Widerspruch zum Bezug<br />

auf <strong>und</strong> Auseinandersetzung mit feministischen Theorien. Nico van<br />

Oosten hat sicher recht, wenn er mit seinem Artikel die Notwendigkeit<br />

der Auseinandersetzung mit persönlichen Erfahrungen,<br />

nicht zuletzt auch parallel zur Theoriebildung, betonen möchte.<br />

Eine Proklamation der Männerstudien als feministisch ist in Anbetracht<br />

der Ambivalenz uns,erer Veränderungsbemühungen (siehe<br />

3.4.3.) nicht angebracht. Die Männerstudien müssen sich jedoch<br />

mit der Spannung zwischen der Aneignung feministischer Analysen<br />

<strong>und</strong> Erfahrungen von Frauen auf der einen Seite <strong>und</strong> den männlichen<br />

Erfahrungen (soweit schon, vorhanden auch Analysen)<br />

auseinandersetzen.<br />

Nico van Oosten (<strong>und</strong> mit Einschränkung auch die "Mannenkrant")<br />

will keine antifeministische Politik vertreten. Partei ergreifen für<br />

Frauen <strong>und</strong> Feministinnen will er jedoch auch nicht. Es ist eher


189<br />

ein promale 8 Standpunkt, d.h. er geht von männlichen Erfahrungen<br />

aus, es geht ihm um Kritik <strong>und</strong> Entmystlfizierung, nicht<br />

aber um Veränderung, die die Gleichstellung der Frauen in unserer<br />

Gesellschaft fördert.<br />

8 Vgl. Kimmel 1986, siehe 6.1.1.


190<br />

6.3.<br />

Die Männer der niederländi~chen Männergruppenszene<br />

Ruud van Dongen hat im August 1982 eine Doktorarbeit fiir klinische<br />

Psychologie an der Universität von Utrecht eingereicht mit<br />

dem Titel "Untersuchung über die Sexualität von Männern aus der<br />

Männerbewegung". Sie beruht auf Fragebögen, die der Autor über<br />

Mannencafes, "Manuscript" <strong>und</strong> einem Männertreffen verbreitet <strong>und</strong><br />

auf Anfrage drei Männergruppen gegeben hatte. Van Dongen erhielt<br />

statistische Daten von ca. 200 Männern (van Dongen o.J.).<br />

Altersstruktur<br />

Unter 18 Jahren war kein Mann. Zwischen 18 <strong>und</strong> 26 Jahren waren<br />

21% der Männer. Die größte Altersgruppe (41%) war zwischen<br />

26 <strong>und</strong> 31 Jahren. Zwischen 31 <strong>und</strong> 35 Jahre waren 21%. Zwischen<br />

35 <strong>und</strong> 46 Jahren waren 16%. Zwischen 46 <strong>und</strong> 64 Jahren waren<br />

lediglich 2%. Niemand war älter als 64 Jahre.<br />

Familienstand<br />

60% der Männer waren ledig, 24% verheiratet, 14% waren<br />

geschieden, getrennt lebend oder verwitwet. 26% wohnten in einer<br />

Wohngemeinschaft.<br />

Sexuelle Orientierung<br />

64% der Männer bezeichneten sich als heterosexuell, <strong>und</strong> zwar<br />

30% ausschließlich, 34% überwiegend. 17% bezeichneten sich als


191<br />

homosexuell, <strong>und</strong> zwar 5% ausschließlich, 12% überwiegend, 18%<br />

ais bisexuell.<br />

Beruf<br />

61% der untersuchten Männer waren erwerbstätig, einschließlich<br />

einem Hausmann, den van Dongen auch hier einordnet. 5% waren<br />

arbeitslos. 34% waren Studenten, 16% arbeiteten in Erziehungsberufen,<br />

26% arbeiteten in psychosozialen Berufen. 91 % dieser<br />

Männer gaben an, daß sie am liebsten eine Teilzeitarbeit haben<br />

wollten.<br />

Die Untersuchung zeigt, daß von der Altersstruktur <strong>und</strong> dem sozialen<br />

Hintergr<strong>und</strong> nur ein bestimmter Ausschnitt der männlichen<br />

Bevölkerung in den Niederlanden in einer Männergruppe war -<br />

nach unserer Einschätzung war in der B<strong>und</strong>esrepublik die Alters<strong>und</strong><br />

Sozialstruktur der Männergruppenszene ähnlich.


192<br />

6.4. Die Krise der niederländischen Männerprojekte<br />

Die theoretische Zeitschrift "Manuscript" stellt ihr Erscheinen mit<br />

der Nummer 12 im Januar 1986 ein. das gleiche gilt für das von<br />

der Stlchtlng Superman herausgegebene Informationsblatt "Superman's<br />

Vel" (früher "Superman's Nieuwsbrief" bzw. "Superman's<br />

Ventlel"), das im Januar 1988 zum letzten Mal mit der Nummer 66<br />

erscheint. Die Landelljke Werkgroep Mannenstudies arbeitet nicht<br />

mehr regelmäßig, die Stichtlng Mannen Tegen Seksueel Geweld besteht<br />

nur noch aus sechs Männern. Die Manneneafes sind teilweise<br />

geschlossen bzw. haben wie das Mannencentrum in Amsterdam lediglich<br />

einmal im Monat geöffnet.<br />

Eine mögliche Erklärung für diese Entwicklung hängt mit der Aitersstruktur<br />

der niederländischen Männergruppen <strong>und</strong> der Männerprojekte<br />

zusammen, wie sie van Dongen beschrieben hat. Es<br />

handelt sich hier um Männer von hauptsächlich einem Alter von<br />

Ende zwanzig, die nach einigen Jahren persönlicher Veränderung<br />

in Männergesprächs- bzw. Mannenradikalgruppen <strong>und</strong> unbezahlter<br />

Arbeit in den Männerprojekten sich vor die Entscheidung gestellt<br />

sehen, ob sie ihre im allgemeinen gute Ausbildung nicht für ihre<br />

Karriere nutzen sollen.<br />

Mit den Worten von Hans de Groot, einem ehemaligen "Manuscript"-Redakteur<br />

<strong>und</strong> Mitglied der Landelljke Werkgroep Mannenstudies:<br />

"Ich bin seit beinahe vier Jahren fertig studiert <strong>und</strong><br />

arbeitslos. Wenn ich ein Kind aufziehe, bin ich wieder vier Jahre<br />

aus dem Rennen; dann bin ich 36 <strong>und</strong> kann es wohl vergessen.<br />

Dann komme ich nicht mehr an eine Laufbahn, die ich gut<br />

finde. "1<br />

1 Mannenkrant Nr. 10, Mai/Juni 1987, S. 6.


193<br />

Es sind traditionelle Motive für eine berufliche Laufbahn, die sie<br />

aus den Projekten aussteigen lassen, so daß sie, wie es im Laufe<br />

dieses Interviews mit den drei ehemaligen Redakteuren deutlich<br />

wird, auch die Kindererziehung möglicherweise wieder in die Hände<br />

der Frauen geben. 2<br />

Anders ist die Situation der wenigen Männer, die schon in einem<br />

festen, oft gut bezahlten Beruf arbeiten, <strong>und</strong> die die Männerprojekte<br />

nebenher mit großem persönlichen Engagement betreiben.<br />

Dies sind Einzelpersonen, die das Rückgrat der Gruppen bilden,<br />

die sich jedoch nicht auf eine breite Unterstützung von Männern<br />

verlassen können. Angewiesen sind sie auf die in Anbetracht der<br />

Tragweite der Probieme geringen Zuschüsse der Regierung bzw.<br />

,Fonds. Wenn diese wesentlich gekürzt werden (wie bei MTSG <strong>und</strong><br />

"Superman's Vel"), steht das Projekt in Frage.<br />

Einen Sonderfall bildet SOMAN, deren zwei Initiatoren sich mittels<br />

ihres Projektes professionalisieren. Der zweifellos große Hand-<br />

1ungsbedarf an männerspezifischen Ansätzen in den Bereichen der<br />

psychosozialen Dienste führte zu einer (z.Zt. noch bescheidenen)<br />

Institutionalisierung <strong>und</strong> finanziellen Absicherung dieses Projektes.<br />

2 Vgl. die Kritik daran von van Velden 1987a.


194<br />

6.<br />

Schlu~<br />

6.1.1.<br />

Zusammenfassung der Strategien zur Veränderung<br />

der Männer<br />

Die Veränderungsprozesse bei Männern sind zum einen durch die<br />

allgemeinen sozio-ökonomischen Veränderungen der Gesellschaft,<br />

wovon die Veränderungen im Geschlechterverhältnis ein bedeutender<br />

TeU sind, <strong>und</strong> zum anderen (damit zusammenhängend)<br />

durch die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Fraktionen<br />

der Frauenbewegung bedingt.<br />

Veränderungen der Männer <strong>und</strong> des Männerbildes aufgr<strong>und</strong> historischer<br />

<strong>und</strong> sozio-ökonomischer Veränderungen sind (da Männer ja<br />

. Teil der Gesellschaft sind) eigentlich ein trivialer Tatbestand. Der<br />

"traditionelle Mann" oder der "traditionelle Vater" sind historisch<br />

gewachsene Bilder <strong>und</strong>, soweit mann das sagen kann, nicht äiter<br />

als zweih<strong>und</strong>ert Jahre. E. & J. Pleck (1980) beschreiben exemplarisch<br />

die Geschichte des US-amerikanischen Mannes. Die historischen<br />

<strong>und</strong> gegenwärtigen Anpassungsprozesse der Männer können<br />

wir unter den Begriff "Modernisierung' fassen.<br />

In unserem Zusammenhang interessant ist die Auseinandersetzung<br />

von Männern mit der feministischen Kritik an der Herrschaft von<br />

Männern über Frauen, <strong>und</strong> zwar nicht nur auf der abstrakt gesellschaftlichen,<br />

sondern auch auf der persönlichen Ebene (die<br />

nach feministischer Kritik auch politisch zu sehen ist). In dieser<br />

Auseinandersetzung von Männern mit der Kritik von Frauen <strong>und</strong><br />

der Frauenbewegung haben sich verschiedene politische Strategien<br />

herausgebildet, die mit den Modernisierungsstrategien der Männer<br />

eng verwoben sind.


195<br />

Das Spektrum reicht von der Sympathie mit der Frauenbewegung<br />

(die antlsexistischen Männer) auf dem einen Pol bis zur mehr oder<br />

minder entschiedenen Ablehnung des (insbesondere radikalen) Feminismus<br />

(die maskulistischen Männer) auf dem anderen Pol. Wir<br />

charakterisieren hier in fünf wichtigsten Strategien in knapper<br />

Form. Differenzierungen <strong>und</strong> Einzelheiten kann die/der Leserln in<br />

den Kapiteln über Repräsentanten der einzelnen Strategien nachlesen.<br />

Die antisexistischen Männer (die sich auch "Profeministen", einige<br />

auch "Feministen" nennen) haben die Abschaffung der Männerherrschaft<br />

gegenüber Frauen, der Hierarchie zwischen Männern<br />

<strong>und</strong> der herrschenden Männlichkeit zum Ziel gesetzt. Es geht ihnen<br />

sowohl um politische als auch persönliche Veränderung, die<br />

sie in Selbsterfahrungs-, Antigewalt-, Antipornografiegruppen etc.<br />

anstreben. Die Motivation dieser Männer ist vielschichtig; oft<br />

haben sie einen engagierten politischen Hintergr<strong>und</strong>. Sie erkennen,<br />

daß sie Privilegien als Mann bei einer radikalen Veränderung<br />

aufgeben müssen. Zugleich sind sie persönlich durch die Gewinne<br />

einer nicht-herrschenden Männlichkeit (eine bessere Beziehung zu<br />

sich selbst <strong>und</strong> zu Frauen, Kindern <strong>und</strong> anderen Männern) <strong>und</strong><br />

durch die "Kosten" der hegemonialen Männlichkeit motiviert. Persönliches<br />

Wachstum des Mannes wird in einer antisexistischen<br />

Strategie daraufhin überprüft, ob es einer Erhaltung männlicher<br />

Privilegien dient.<br />

Die Strategie der schwedischen ministeriell eingesetzten "Arbeitsgruppe<br />

zur Männerrolle" ist nicht konsequent antisexistisch, da<br />

sie z.b. die Illusion weitertransportiert, Männer hätten durch eine<br />

antisexistlsche Veränderung praktisch nur zu gewinnen. Trotz der<br />

Widersprüchlichkeiten in ihren überlegungen ist die Hauptmotivation<br />

der Arbeitsgruppe zur Männerrolle Jedoch die Aufhebung der


196<br />

Männerherrschaft. Deshalb können wir sie als im großen <strong>und</strong> ganzen<br />

antisexistisch bezeichnen.<br />

Die Männerherrschaft <strong>und</strong> die Privilegien der Männer bewußt nicht<br />

ins Zentrum der Betrachtung zu stellen, ist das Konzept der niederländischen<br />

Zeitschrift "Mannen(krant)". Ausgangspunkt sind die<br />

männlichen Erfahrungen, Thema ist das Mann-Sein. Diese Männer<br />

haben durchaus Berührungspunkte mit den antisexistischen Männern,<br />

wenn sie etwa gegen sexistisches Verhalten am Arbeitsplatz<br />

schreiben. Bei einem zentralen Thema, wie der von ihnen positiv<br />

bewertete Abbau der Ernährerfunktion in der Familie, übersehen<br />

sie allerdings, daß diese Veränderung zu Lasten von Frauen gehen<br />

kann (neue Armut von Frauen). Unserer Auffassung nach dient<br />

dieses Konzept der Anpassung an veränderte Erfordernisse <strong>und</strong><br />

der Modernisierung des Männerbildes, ohne die gr<strong>und</strong>legenden gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse anzutasten.<br />

Strategien der Wachstumspsychologie spielen sowohl bei antisexistischen<br />

als auch maskulistischen Männern eine große Rolle. Es<br />

handelt sich hier um eine individualistische Sichtweise, die in der<br />

Reinform lediglich das persönliche Wachstum des einzelnen Mannes<br />

<strong>und</strong> nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse (Männerherrschaft)<br />

betrachtet. Das Paradigma der "Männerrolle", die den einzelnen<br />

Mann unterdrückt, ist hier von zentraler Wichtigkeit. Da auch antisexistische<br />

Männer persönliche Veränderung anstreben, übernehmen<br />

sie in ihren Gruppen oftmals Aspekte der Wachstumspsychologie.<br />

Das Wachstum des Mannes ins Zentrum zu stellen, ist allerdings<br />

ein Merkmal von Gruppen, die sich als "promale"1 (männerfre<strong>und</strong>-<br />

1 Kimmel (1986) unterscheidet drei verschiedene Reaktionen von<br />

Männern auf die Entstehung der Frauenbewegung im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert:<br />

die profeministischen, die antifeministischen <strong>und</strong> die


197<br />

lieh) verstehen, aber implizit oder explizit eine antifeministische<br />

Politik verfolgen. (Vgl. die herausragende Rolle des Wachstumspsychologen<br />

Herb Goldberg bei den antifeministischen Männern in<br />

den USA). Die maskulistischen (antlfeministischen) Männer drehen<br />

entweder die feministische Argumentation um <strong>und</strong> behaupten, daß<br />

es die Männer sind, die in der Gesellschaft diskriminiert werden,<br />

oder sie gewichten die Machtbereiche von Männern (öffentliche<br />

Sphäre) <strong>und</strong> Frauen (Privatsphäre) gleich.<br />

6.1.2. Zusammenfassung der Strategien der Gruppierungen<br />

in bezug auf das Vatern<br />

Für die durch die Wachstumspsychologen beeinflußte Richtung<br />

spIelen die Veränderungen für den Mann, die er sich in der Beziehung<br />

zu den Kindern (nicht zuletzt Kleinkindern) in Form von<br />

mehr Spontaneität, Körperlichkeit, etc. aneignen kann, eine gewichtige<br />

Rolle für die Motivation des Mannes zum Vatern .. Bei den<br />

Gruppen <strong>und</strong> Männern, die wachstumspsychologisch orientiert sind,·<br />

spielen diese Gewinne <strong>und</strong> positiven Erfahrungen durch das Vatern<br />

die zentrale Rolle, wobei die negativen Erfahrungen vernachlässigt<br />

werden. Nichtsdestoweniger sind es diese positiven<br />

Erfahrungen <strong>und</strong> Gewinne für die Väter, die Männer motivieren<br />

können, sich mehr in der Kindererziehung <strong>und</strong> -pflege zu engagieren.<br />

Bei den antisexistischen Männern geht es um die Gleichverpflich-<br />

"promale" Männer. Während die antifeministischen Männer die<br />

Frauen wieder in die häusliche Sphäre zurückdrängen wollten,<br />

ignorierten die "promale" Männer die wachsende Partizipation<br />

von Frauen in der öffentlichen Sphäre <strong>und</strong> bauten betont<br />

männliche Organisationen auf, in denen Frauen ausgeschlossen<br />

wurden: Handwerkszünfte, Sportvereine, Boy Scouts (Pfadfinder),<br />

etc. (S. 52lf.).


198<br />

tung des Mannes zur Kinder- <strong>und</strong> Hausarbeit, um die Ausbeutung<br />

von Frauen durch die Doppelbelastung abzubauen. Der Druck von<br />

Seiten der Frauen spielt hierbei eine wichtige. Rolle. Tendenziell<br />

sollen zwischen dem Muttern <strong>und</strong> dem Vatern keine Unterschiede<br />

mehr bestehen. In der Beziehung zum Kind kann der Vater Eigenschaften<br />

zeigen, die traditionell den Frauen zugeschrieben wurden<br />

<strong>und</strong> die wiederum Einfluß auf das Kind ausüben sollen, sich weniger<br />

an traditionellen Geschlechtsstereotypen zu orientieren.<br />

Das Vatern kann ein Weg zur Einübung in nicht-:-hegemoniale<br />

Männlichkeit sein. Die Erfahrungen an Zärtlichkeit, Körperlichkeit,<br />

etc., die das Vatern mit sich bringen, können die männliche Sexualität<br />

verändern (siehe 4.3.2.). Die Sorge für die Befriedigung<br />

alltäglicher Bedürfnisse (Nahrung, Ausscheidung, Reinigung, Kleidung,<br />

etc.) wirkt der Geringschätzung hegemonialer Männlichkeit<br />

gegenüber dieser traditionell weiblichen Sorge entgegen.<br />

Diese große Chance positiver Veränderung gllt für den Alltags­<br />

Vater, nicht für den Spielvater. Häufig suchen sich die Väter den<br />

für sie angenehmen Teil der Beschäftigung mit dem Kind, das<br />

Spielen, aus." Die Art dieser Spiele hat außerdem häufig den<br />

Charakter, herrschende Männlichkeit noch zu verstärken. In den<br />

USA wurde für diese Art Spiele der Väter mit den Kindern der<br />

Ausdruck "rough and tumble play" (das sind Tobespiele) geprägt.<br />

Männer schwingen das Kind in der Luft, spielen Bewegungsspiele,<br />

am besten an der frischen Luft, etc. Das Spielvatern reproduziert<br />

hegemoniale Männlichkeit.<br />

Die maskulistischen Gruppen legen den. Schwerpunkt auf die individuelle<br />

Erlangung des Sorgerechts nach einer Scheidung bzw. auf<br />

2 Vgl. Metz-Göckel!Müller 1985 für die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.


199<br />

Kampagnen zur diesbezüglichen Rechtspraxis. Eigens zu diesem<br />

Zweck haben sich zahlreiche Vaterrechtsgruppen auf lokaler <strong>und</strong><br />

überregionaler Ebene in' den USA gebildet. Die Wichtigkeit des<br />

Vaters betonen sie angesichts der von ihnen als bedrohlich betrachteten<br />

Feminisierung des pädagogischen Sektors, nicht zuletzt<br />

was die Söhne angeht. (Zu diesem Zweck werden bereits "Vater &<br />

Sohn Wildnis Touren" angeboten, auf denen den Söhnen Männlichkeit<br />

vermittelt werden soll). Sie propagieren,' daß jedes Kind einen<br />

Vater braucht, ohne zu sehen, daß sich Väter in den allermeisten<br />

Fällen der alltäglichen Arbeit mit den Kindern entziehen. Die<br />

Maskullsten übernehmen Aspekte vaternden Verhaltens - vor allem<br />

aufgr<strong>und</strong> von Einflüssen der Wachstumspsychologie. Da sie<br />

aber die hegemoniale Männlichkeit gutheißen, reproduziert ihre Art<br />

der Vaterschaft die Männerherrschaft.


200<br />

6.2. Empfehlungen<br />

Wir können nur sehr vorläufige Empfehlungen geben, well die<br />

Frage "Welche Initiativen <strong>und</strong> Maßnahmen sind sinnvoll für eine<br />

antisexistische Veränderung der Männer?" noch so gut wie nicht<br />

erforscht wurde. Unsere Empfehlungen ergaben sich aus unserer<br />

Untersuchung von Projekten <strong>und</strong> Diskussionen im Ausland, bei der<br />

wir die wichtigsten Projekte noch nicht eingehender analysieren<br />

konnten <strong>und</strong> die ausländischen Projekte noch nicht mit b<strong>und</strong>esdeutschen<br />

Projekten (bzw. den Bedin'gungen für eventuelle Projekte<br />

in der B<strong>und</strong>esrepublik) vergleichen konnten.<br />

Zwei gr<strong>und</strong>sätzliche Bedenken stellen wir unseren Empfehlungen<br />

voran:<br />

(1) Isolierte Reformen der hegemonialen Männlichkeit zeigen<br />

nur geringe Wirkung,<br />

(2) Schritte zur antisexistischen Veränderung der Männer<br />

können nicht losgelöst von FrauenpolitIk diskutiert werden.<br />

(1) AntisexistIsche Veränderung der Männer in relevantem Ausmaß,<br />

d.h., die (partielle) Aufhebung hegemonialer Männlichkeit<br />

(zumindest in relevanten Lebensbereichen von einer größeren Anzahl<br />

von Männern) ist nur vorstellbar als Wandel der gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse <strong>und</strong> als Veränderung der Persönlichkeit.<br />

Hegemoniale Männlichkeit ist sowohl in der Triebstruktur der<br />

Männer als auch in den gesellschaftlichen Strukturen (wie Männerkulturen,<br />

Männerbünden, Hierarchien, dem Leistungsprinzip) tief<br />

verankert. Auch eine einschneidende politische Maßnahme wie der<br />

allgemeine Sechs-St<strong>und</strong>en-Erwerbsarbeitstag ist - bleibt sie isoliert<br />

- angesichts der tiefen psychischen <strong>und</strong> sozio-ökonomischen<br />

Dimension der Männlichkeit nur ein kleiner, äußerlicher Schritt.


201<br />

Isolierte Schritte in der einen Richtung erfolgen häufig gleichzeitig<br />

mit Verschiebungen in der entgegengesetzten Richtung in anderen<br />

gesellschaftlichen Bereichen. Das Ziel. die Aufhebung der<br />

gesellschaftlichen Männerherrschaft <strong>und</strong> ein Wandel des Bewußtseins<br />

<strong>und</strong> des Unbewußten der Männer, ist nur aufgr<strong>und</strong> von einer<br />

politischen Konzeption, die die Privilegien der Männer beseitigen<br />

will, erreichbar. Unserer Ansicht nach sind Appelle an die Männer<br />

oder das bloße Aufzeigen der für sie positiven Seiten ihrer Veränderung<br />

relativ wirkungslos, weU sie den Verlust an Macht <strong>und</strong><br />

Privile


202<br />

Ma!}nahmen, die Männergewalt betreffen, sollten primär den Opfern<br />

<strong>und</strong> potentiellen Opfern von Gewalt zugute kommen - Ma!}nahmen<br />

zur Veränderung der Täter sollten den Initiativen zugunsten der<br />

Opfer nachgeordnet sein.<br />

Allgemein gilt für die Geschlechterpolitik, da!} die direkte <strong>und</strong><br />

indirekte Unterstützung <strong>und</strong> Stärkung von Frauen unseres Erachtens<br />

Vorrang vor der Unterstützung von Projekten zur Veränderung<br />

des Mannes hat. Es wäre wichtig, letztere zu unterstützen,<br />

doch sollten sie nicht auf Kosten von Ma!}nahmen zugunsten von<br />

Frauen durchgeführt werden. Gr<strong>und</strong>sätzlich dient die Stärkung der<br />

Frauen auch der antisexistischen Veränderung der Männer - z.B.<br />

wären die antisexistischen Männergruppen ohne die neue Frauenbewegung<br />

nicht entstanden.<br />

Wir halten einen Eltern urlaub, während dessen der Einkommensausfall<br />

gedeckt wird, für ein Mittel, das viel eher geeignet ist,<br />

Männer dazu zu bewegen, sich zugunsten ihrer Kinder beurlauben<br />

zu lassen, als die DM 600,- im Monat, die heute in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

an Erziehungsgeld gezahlt werden. Nur wenige Familien<br />

können es sich leisten, auf das zumeist h1lhere Einkommen des<br />

Mannes über einen längeren Zeitraum zu verzichten. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong>e empfehlen wir, da!} in der B<strong>und</strong>esrepublil{ Schritte in<br />

Richtung auf einen Elternurlaub, ähnlich dem in Schweden verwirklichten,<br />

unternommen werden. Eine Quotierung des Elternurlaubs<br />

(siehe 4.6.1.) halten wir genauso wie die schwedische Arbeitsgruppe<br />

zur Männerrolle für n1ltig, um tatsächlich zu gewährleisten,<br />

da!} eine grö!}ere Anzahl von Vätern den Urlaub wahrnimmt.


203<br />

Die Forderung nach einem maximalen Sechs-St<strong>und</strong>en-Erwerbsarbeitstag<br />

für alle halten wir für eine wichtige geschlechterpolitische<br />

Forderung, gerade auch bezogen auf Männer. Das .gewichtige<br />

Argument für den Sechs-St<strong>und</strong>en-Tag il1 der B<strong>und</strong>esrepublik, die<br />

Umvertellung der Arbeit zugunsten der Arbeitslosen, ist bei der<br />

Geschlechterproblematik, die wir hier diskutieren, ein Zusatz-Argument<br />

- die eigentliche Argumentation in unserem Zusammenhang<br />

zielt auf die Gleichstellung der Geschlechter bzw. die antisexistische<br />

Veränderung der Männer. 1<br />

Viele Väter fliehen vor der Verantwortung gegenüber den Kindern.<br />

Väter "machen im Durchschnitt noch etwas weniger Hausarbeit als<br />

kinderlose Männer" (siehe die Repräsentativuntersuchung von<br />

Metz-Göcke!/Müller 1985, S. 48). In Schweden besteht seit 1979<br />

für jeden Elternteil die Möglichkeit, bis zum Ende des siebten<br />

Lebensjahres des Kindes die Arbeitszeit um ein Viertel zu reduzieren,<br />

z.B. statt acht nur sechs St<strong>und</strong>en pro Tag zu -arbeiten.<br />

Nur wenige Väter machen davon Gebrauch. Die schwedische Arbeitsgruppe<br />

zur Männerrolle fordert deshalb den allgemeinen<br />

Sechs-St<strong>und</strong>en-Erwerbsarbeitstag. Er könnte eine wichtige Voraussetzung<br />

dafür sein, daß Männer mehr Reproduktionsarbeit leisten<br />

<strong>und</strong> Väter sich mehr um ihre Kinder kümmern. Ob Männer die<br />

gewonnene Zeit bei den Kindern <strong>und</strong> nicht mit anderen Beschäftigungen<br />

verbringen (siehe 3.3.1.4. zu den Unterschieden bel<br />

Männern <strong>und</strong> Frauen bei gewonnener Freizeit), hängt jedoch noch<br />

von anderen Faktoren (der Sozialisation zum (Nicht-)Vatern, der<br />

gesellschaftlichen Bewertung von Erwerbs- <strong>und</strong> Hausarbeit, den<br />

Einflüssen der Medien, der Vorbildfunktion von Politikern, etc.)<br />

1 Zur weiteren Begründung der Forderung nach einem Sechs­<br />

St<strong>und</strong>en - Erwerbsarbeitstag, siehe 4.1. passIm.


204<br />

ab. - Der Sechs-St<strong>und</strong>en-Erwerbsarbeitstag könnte dazu beitragen,<br />

daß nicht nur Väter sondern auch kinderlose Männer weniger<br />

Identität aus der Arbeit <strong>und</strong> den Männerkulturen am Arbeitsplatz<br />

beziehen.<br />

Wir sind In unserer Studie den Ansätzen antisexistischer Jungenarbeit,<br />

auf die wir stießen, nicht nachgegangen, obwohl wir meinen,<br />

daß dieser Arbeit für die antIsexistIsche Veränderung der<br />

Männer eine große Bedeutung zukommen kann. Da wir aber nur<br />

Isolierte Ansätze antisexistIscher Jungenarbeit fanden, <strong>und</strong> weil<br />

wir ein sehr breites Spektrum sehr unterschiedlicher Projekte <strong>und</strong><br />

Diskussionen in einem sehr kurzen Zeitraum zu untersuchen hatten,<br />

haben wir den Untersuchungsbereich auf erwachsene Männer<br />

elngegrenzt.-<br />

In der B<strong>und</strong>esrepublIk Deutschland haben sich zwei Institutionen<br />

in der bewußten Jungenarbeit hervorgetan:<br />

das Wannseeheim Berlin<br />

die Helmvolkshochschule "Alte Molkerei Frille".<br />

Es wäre sinnvoll, Modellprojekte der Jungenarbeit mit wissenschaftlicher<br />

Begleitung im schulischen <strong>und</strong> außerschulischen Bereich<br />

einzurichten.<br />

Der vom "Fatherhood Projekt" (siehe 3.3.4.) zusammengestellte<br />

Führer über die Programme <strong>und</strong> Projekte für Väter <strong>und</strong> das Vatern<br />

"Fatherhood U.S.A." wäre entsprechend für die B<strong>und</strong>esrepublIk<br />

Deutschland ebenfalls sinnvoll, um eine übersicht über die bereits<br />

2 Aspekte des Jungen-Seins werden allerdings bei dem Thema Sozialisation<br />

an verschiedenen Punkten unserer Studie diskutiert.<br />

- Ansätze antisexistischer Jungenarbeit fanden wir z.B. In<br />

Dombro (1986), Thompson (1985), Socialstyrelsen (1983) <strong>und</strong><br />

Socials tyreisen (1985 L


205<br />

bestehenden Projekte zu erlangen.<br />

Die in den USA vom "Fatherhood Project" initiierten "Väterforen".<br />

auf denen am Vatertag das Vatern diskutiert wird <strong>und</strong> sich Väter<br />

jenseits von üblichen Vatertagsfeiern über ihre Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Probleme austauschen. wären auch in der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland eine Möglichkeit. um (künftige) Väter anzusprechen<br />

<strong>und</strong> dem Vatern eine größere öffentlichkeit zu verschaffen.<br />

Eine große Bandbreite von Themen könnten von verschiedenen<br />

Organisationen <strong>und</strong> Einzelpersonen. die in unterschiedlicher Weise<br />

am Vatern interessiert sind. angesprochen werden. Themen sollten<br />

die psychischen Auswirkungen auf den Mann <strong>und</strong> die Männlichkeit<br />

behandeln (weniger die rechtliche Situation).<br />

Im sozialarbeiterischen Bereich haben wir unterschiedliche Typen<br />

männerspezifischer Projekte beschrieben:<br />

1. Die "Mannenlijn" ist von der Struktur her eine Selbsthil­<br />

·feorganisation. die eine gesellschaftliche Veränderung von<br />

Männern anstrebt <strong>und</strong> auch Beratung für einzelne Männer<br />

übernimmt. Neben dem großen Anteil an Informationsgesprächen<br />

berät die "Mannenlijn" lediglich bei Problemgesprächen.<br />

führt jedoch praktisch keine Krisengespräche<br />

(siehe 5.2.2.) durch.<br />

2. SOMAN (Stichting Ondersteuning Mannenwerk) bietet als<br />

private professionelle Einrichtung Supervision <strong>und</strong> Fortbildungsrnaßnahmen<br />

für etablierte Institutionen im psychosozialen<br />

Bereich an.


206<br />

3. Die schwedischen Krisenzentren In Göteborg <strong>und</strong> Stockholm<br />

haben einen professionellen Hintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> bieten nicht<br />

nur telefonische, sondern auch persönliche Beratung durch<br />

festangestellte Therapeuten bzw. Sozialarbeiter an.<br />

Während die "Mannenlljn" sozialarbeiterische Elemente in Form der<br />

Telefonberatung mit gesellSChaftspolitischem Engagement verbindet.<br />

hat SOMAN für die Sozialarbeit eine Innovative Funktion.<br />

leistet aber keine Sozialarbeit. Von diesen drei Modellen machen<br />

nur die Krisenzentren Sozialarbeit Im klassischen Sinne. wobei<br />

hier die Krisensituation als Chance begriffen wird, den Mann auf<br />

den Weg einer nicht-hegemonialen Männlichkeit zu bringen. Ob<br />

Sozialarbeit dies leisten kann, oder ob sie eventuell nur dazu<br />

dient, eine weniger auffällige bzw. weniger (selbst-)zerstörerlsche<br />

Männlichkeit (wleder)herzustellen, bleibt die Frage. Um es in den<br />

Kategorien der Strategien (siehe 6.1.1.) zu formulieren: Ist diese<br />

männerspezifische Sozialarbeit antisexistisch, d.h. dient sie der<br />

gesellSChaftlichen Gleichstellung oder bewältigt sie lediglich die<br />

Krisen der Männer <strong>und</strong> der hegemonialen Männlichkeit? Unseres<br />

Erachtens verbietet sich eine vorschnelle Euphorie, daß männerspezifische<br />

Sozialarbeit per se eine antisexistische Wirkung habe.<br />

Wenn wir uns das Ausmaß der sozialen Probleme, die Männer betreffen<br />

bzw. die von Männern verursacht werden, vor Augen halten,<br />

ist es eigentlich sehr erstaunlich, daß der männerspezifische<br />

Aspekt in den Bereichen der Sozialarbeit bis auf wenige Ansätze<br />

nicht berücksichtigt wird. Von daher sind solche Anstöße gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

zu begrüßen, weil sie dazu beitragen können,<br />

die besonderen Schwierigkeiten von Männern, überhaupt<br />

Probleme bei sich zu erkennen,<br />

<strong>und</strong> als zweiten Schritt Hilfe aufzusuchen <strong>und</strong> an sich zu<br />

arbeiten, in Angriff nimmt.


207<br />

Männerspezifische Sozialarbeit ist sensibillsiert für die<br />

geschlechtsspezifischen Interaletionen zwischen Klient <strong>und</strong><br />

professioneller HelferIn.<br />

Sie kann die spezifischen Erwartungen an Männern <strong>und</strong><br />

deren Sozialisation besser berücksichtigen.<br />

In diesem Sinn kann männerspezifische Sozialarbeit effektiver arbeiten<br />

<strong>und</strong> wird unseres Erachtens auch einen notwendigen Ansatz<br />

für die verschiedenen Bereiche der Sozialarbeit in der Zukunft<br />

darstellen.<br />

In der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland bestehen mittlerweile ebenfalls<br />

Projekte in dieser Richtung: Die Beratungsstelle des Vereins<br />

"Männer helfen Männern" in Ludwigshafen <strong>und</strong> die Gruppe "Männer<br />

gegen Männer-Gewalt" in Hamburg. Bisher wurden diese Projekte<br />

mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) nur kurzfristig <strong>und</strong> ungenügend<br />

abgesichert. Es wäre sinnvoll, solche Initiativen besser<br />

zu fördern.<br />

Sozialarbeiter, die den männerspezifischen Ansatz in der bestehenden<br />

Sozialarbeit einbringen, haben in Berlin eine Männerarbeitsgruppe<br />

"Gegert sexuellen Mißbrauch" gegründet, <strong>und</strong> andere<br />

Sozialarbeiter beim Bezirksamt Berlin-Spandau haben öffentliche<br />

"Männertage" (11.-l3. März 1988) veranstaltet. Einige "Männerbü­<br />

'ros" beraten Männer bei persönlichen Problemen.<br />

Zur Förderung der Entwicklung männerspezifischer Sozialarbeit in<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik sollte ein Krisenzentrum geschaffen werden,<br />

das ähnlich wie die beiden in Schweden bei den Problembereichen<br />

Beziehungskrisen <strong>und</strong> Gewalt mit Männern ansetzt. Diese Arbeit<br />

sollte wie in Göteborg in den ersten zwei Jahren wissenschaftlich<br />

begleitet werden.


208<br />

Wir schließen uns der schwediscnen Arbeitsgruppe zur Männerrolle<br />

darin an, daß wir einen anderen Typus Forscher für nötig halten<br />

(siehe 4.3.1.). Die Karriereorientierung der Forscher, die auf Kosten<br />

der sozialen Beziehungen <strong>und</strong> der privaten Sphäre geht,<br />

macht sie blind für eine Veränderung der Männer im Sinne der<br />

Gleichstellung. Wir halten es genauso wie die Arbeitsgruppe für<br />

angebracht, die Forscherwelt als Männerkultur wissenschaftlich zu<br />

untersuchen.<br />

Die in unserem Zusammenhang eigentlich interessante Fragestellung<br />

"Wie verändern sich die Männer durch aktive Vaterschaft,<br />

das Vatern?" wurde so gut wie noch nicht erforscht. Das gUt für<br />

die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland ebenso wie für die drei von uns<br />

untersuchten Länder. Auch neueste Forschung, wie z.B. Hoff <strong>und</strong><br />

Scholz (1985) stellt diese Frage nicht. Forschung über das Vatern<br />

könnte helfen, Wege zu finden, mehr Männer zum Vatern zu motivieren,<br />

was ein bedeutungsvoller Beitrag zur Gleichstellung der<br />

Geschlechter sein könnte.<br />

Folgende weitere Themen erscheinen uns als für die Erforschung<br />

von Männern <strong>und</strong> Männlichkeit vordringlich (nicht in der Reihenfolge<br />

ihrer Bedeutung angeordnet):<br />

Psychologie der Veränderung der Männer: Analyse der Motivationen<br />

der Männer für <strong>und</strong> gegen eine Veränderung im<br />

Sinne der Gleichstellung der Geschlechter.<br />

Männer in der Krise: Trennungen/Scheidungen, Aggression/Gewalt,<br />

Arbeitslosigkeit, Verrentung, Modelle für Hilfen.<br />

Die relevanten Kategorien von Projekten zur Veränderung<br />

der Männer: männerspezifische psychosoziale Hilfen, Projekte<br />

gegen Männergewalt <strong>und</strong> die "Männerbüros". Modell-


209<br />

projekte der ersten beiden K!jtegorien sollten wissenschaftlich<br />

begleitet werden.<br />

Jungenarbeit im schulischen <strong>und</strong> außerschulischen Bereich.<br />

MOdellprojekte sollten wissenschaftlich begleitet werden.<br />

Gefühle: Verdrängung von Gefühlen. Ausdruck der Gefühle.<br />

Kommunikation der Gefühle.<br />

Männlichkeiten: hegemoniale Männlichkeit. untergeordnete<br />

Männlichkeiten. antisej(istische Männlichkeiten. Differenzierung<br />

der Männlichkeiten nach Macht. Arbeitsteilung <strong>und</strong><br />

libidinöser Besetzung (u.a. Schwule).<br />

Männerkulturen: Arbeitsplätze. Militär. Sport <strong>und</strong> andere.<br />

Die Männlichkeitsdimension des herrschenden Rationalitätsbegriffs.<br />

Geschichte der Männlichkeit: z.B. die Konstituierung bürgerlicher<br />

Männlichkeit. das zweite deutsche Kaiserreich<br />

<strong>und</strong> der Nationalsozialismus als Männerkulturen.<br />

Eine Bibliografie der Veröffentlichungen über Männer <strong>und</strong><br />

Männlichkeit sollte erstellt werden (in den USA wurden<br />

bereits drei umfangreiChe Bibliografien· veröffentlicht: August<br />

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Changing Men. (P.O. Box 24159, St. Louis, MO 63130, USA).<br />

Changing Men - Issues in Gender, Sex and Polltlcs. Hg. von<br />

Feminist Men's Publications, 306 N. Brooks St., Madison, WI<br />

53715, USA, erscheint zweimal im Jahr (früher: M. - gentle<br />

men for gender justice).<br />

Father Love, Newsletter of Fathering Task Group of the National<br />

Organizatlon for Changing Men, Editor: Bob Baugher, Seattle,<br />

Washington.<br />

HerrMann - die falsche Stimme im Männerchor (Berlin), erschien<br />

jeden zweiten bis dritten Monat, eingestellt.<br />

Making Waves. Hg. von California Anti-sexist Men's Political<br />

Caucus (CAMP), 139 14 t h Street, Arcata, CA 95521, USA,<br />

erscheint unregelmäßig.<br />

Mannen - Een nieuwe kijk op hun doen en laten. Hg. von der<br />

Btlchting Man, Isebrandtsheerd 146, 9737 LN Groningen,<br />

Niederlande (früher: Mannenkrant), erscheint zweimonatlich.<br />

Mannen Tegen<br />

gleichnamigen<br />

eingestellt.<br />

Seksueel Geweld, herausgegeben von der·<br />

Stiftung (Postbus 11597, 1001 GN Amsterdam),<br />

Manuscript (Eindhoven, Niederlande), erschien unregelmäßig,<br />

eingestellt.<br />

Men's Studles RevIew. Hg. von der Men's Studies Association -<br />

eine Task Group der National Organization for Changing Men.<br />

(P.O. Box 32, Harriman, TN 37748-0032, USA), erscheint<br />

viermal im Jahr.<br />

Nieuwsbrief Mannenstudies. Hg. von<br />

Twijnderstraat 14, 5623 AK Eindhoven,<br />

dreimal im Jahr.<br />

Frans van Velden,<br />

Niederlande, erscheint<br />

Nurturlng Today - For Self and Family Growth. Hg. von David L.<br />

Giveans. (187 Caselli Avenue, San Francisco, CA 94114, USA)<br />

(früher: Nurturing News - The Quarterly for Nurturing Men),<br />

erscheint viermal im Jahr.<br />

Sex & Justice - the newsletter of the Task Group of the National<br />

Organization for Changing Men (c/o Men Against Pornography,


230<br />

217 East 85 t h Street. Suite 326. New York. NY 10028. USA).<br />

erscheint unregelmäßig.<br />

Superman's Vel informatieblad voor mannen aktief in<br />

emancipatie. Hg. von der Stichting Superman. Nijhoffstraat<br />

1983, 6821 BL Arnhem. Niederlande (früher: Superman's Ventiel<br />

bzw. Superman's Nieuwsbrief), erschien monatlich, eingestellt.<br />

The Activist Men's Journal. Koordinator: Jon Cohen, 6612 Clemens<br />

No. 1 W, St. Louis, MO 63130, USA), erscheInt alle 2-3 Monate.<br />

Von Mann zu Mann. (Frankfurt a.M.), erschien unregelmäßig,<br />

eingestellt.

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