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Alexander von Zemlinsky - Die Seejungfrau - Schulmusik in Baden ...

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Zum Konzert des<br />

Radio-S<strong>in</strong>fonieorchester Stuttgart des SWR<br />

1. Februar 2013, 20 Uhr<br />

Stuttgarter Liederhalle, Beethovensaal<br />

<strong>Alexander</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong><br />

„<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“


Handreichung <strong>von</strong> Anna-Lena Müller<br />

Pädagogische Hochschule<br />

Heidelberg<br />

1


Inhalt<br />

1. E<strong>in</strong>leitung .................................................................................................................................. 3<br />

2. Informationen für Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer ............................................................................... 3<br />

2.1 <strong>Alexander</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> ................................................................................................... 3<br />

2.2 <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong> .................................................................................................................. 5<br />

2.2.1 S<strong>in</strong>fonische Dichtung, Fantasie oder Tondichtung? .................................................... 5<br />

2.2.2 Entstehung .................................................................................................................... 6<br />

2.2.3 <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> – e<strong>in</strong> Märchen <strong>von</strong> Christian Andersen .................................. 7<br />

2.2.4 Musikalische Analyse ................................................................................................ 17<br />

3. Methodisch-didaktische H<strong>in</strong>weise und Unterrichtsmaterialien .............................................. 22<br />

3.1 Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung ............................................................................... 22<br />

3.1.1 E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Thema und eigene Komposition ................................................... 22<br />

3.1.2 <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>, Teil 1 .............................................................................................. 23<br />

3.1.3 <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>, Teil 2 .............................................................................................. 24<br />

3.1.4 <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>, Teil 3 .............................................................................................. 25<br />

3.1.6 Das Orchester kennenlernen ...................................................................................... 25<br />

3.1.7 Nach dem Konzertbesuch .......................................................................................... 26<br />

3.2 Materialien ........................................................................................................................ 27<br />

3.2.1 Gruppenarbeit „Erlebnisse der sechs Schwestern“ .................................................... 27<br />

3.2.2 Briefe <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s an Schönberg über die Entstehung der <strong>Seejungfrau</strong> .................... 29<br />

3.2.3 Spielanweisungen....................................................................................................... 34<br />

3.2.4 Gesichtsausdrücke ...................................................................................................... 35<br />

3.2.5 Noten für Klassenmusizieren – Filmmusik zu „H2O“ ............................................... 38<br />

3.2.6 Lösungen zu den Aufgaben ........................................................................................ 38<br />

4. Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 39<br />

2


1. E<strong>in</strong>leitung<br />

<strong>Die</strong>se Handreichung soll helfen, Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern e<strong>in</strong>en Zugang zu<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s Musik zu ermöglichen. Neben H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationen zum<br />

Komponisten und Werk, gibt sie Vorschläge und konkrete Aufgaben für den<br />

Musikunterricht ab der 8. Klasse. <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s „<strong>Seejungfrau</strong>“ be<strong>in</strong>haltet Themen, wie<br />

Identität, Heimat, Sehnsucht und andere Gefühle, die Jugendliche auch heute<br />

beschäftigen.<br />

2. Informationen für Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer<br />

2.1 <strong>Alexander</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong><br />

<strong>Alexander</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> (1871-<br />

1942) war e<strong>in</strong> erfolgreicher<br />

Dirigent und Komponist, dessen<br />

Karriere der Nationalsozialismus<br />

leider beendete und dessen<br />

Kompositionen <strong>in</strong> den 1970er<br />

Jahren wieder neu entdeckt<br />

wurden.<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> bekam während se<strong>in</strong>es<br />

Studiums zunächst e<strong>in</strong>e klassische<br />

Ausbildung, zu der beispielsweise<br />

motivische Arbeit, Formanalyse,<br />

Generalbasslehre und Kontrapunkt gehörten. <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s frühe Werke, wie auch „<strong>Die</strong><br />

<strong>Seejungfrau</strong>“, s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Stilelementen der Komponisten Beethoven, Schubert, Schumann<br />

und Brahms bee<strong>in</strong>flusst. Auch Mahler war e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er Vorbilder. Traditionelle<br />

motivische Arbeit verb<strong>in</strong>det <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> mit expressionistischem Ausdruck. In se<strong>in</strong>en<br />

Opernwerken verwendet <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> e<strong>in</strong>gängige Melodien und klangvolle<br />

Instrumentation für positive Charaktere und Handlungen sowie Chromatik und scharfe,<br />

dunkle Klänge für alles Negative. <strong>Die</strong> späteren Werke <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s haben erkennbare<br />

E<strong>in</strong>flüsse durch Wagner. <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> spielt mit Alterierungen, nutzt die Emanzipation<br />

des Septakkordes zur Konsonanz und e<strong>in</strong>e erweiterte Harmonik. Er gibt präzise<br />

Spielanweisungen an die Musiker<strong>in</strong>nen und Musiker, die e<strong>in</strong>e ausdrucksvolle<br />

Spielweise fordern. E<strong>in</strong>ige harmonische Wendungen haben <strong>in</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s Werken ganz<br />

bestimmte Bedeutungen. Er spielt ebenso mit Zahlen und Buchstaben, die <strong>in</strong> ihrer<br />

speziellen Abfolge e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n ergeben. Se<strong>in</strong>e musikalischen Motive stehen für Ideen,<br />

Gefühle und Stimmungen. In späteren Werken gibt es auch Leitmotive wie <strong>in</strong> Wagners<br />

Musik.<br />

3


<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s Musik ist ausdrucksstark und gehört zur „Hochexpressionistischen<br />

Endphase der ‚traditionellen‘ Musik“. 1 Er war Wegbereiter für die Musik des 20.<br />

Jahrhunderts.<br />

<strong>Alexander</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> zählt – wie auch Franz Schreker - zur Vorkriegsgeneration,<br />

die die historische Kont<strong>in</strong>uität der Musik erhielten und im Blick auf die Vergangenheit<br />

komponierten. Se<strong>in</strong>e Musik richtet sich mehr nach absolut-musikalischem Maßstäben<br />

als nach der Programmmusik. 2<br />

In se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>dheit lernte <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> Klavier spielen und sang im Tempelchor der<br />

jüdischen Geme<strong>in</strong>de. Er besuchte ab dem 14. Lebensjahr das Konservatorium der<br />

Musikfreunde <strong>in</strong> Wien und studierte Klavier, Musiktheorie und Komposition. Während<br />

se<strong>in</strong>es Studiums gewann er mehrere Preise, u. a. e<strong>in</strong>en Konzertflügel beim<br />

Klavierwettbewerb der Firma Bösendorfer. <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> wurde <strong>von</strong> Brahms <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Komponisten-Laufbahn gefördert und dem Verleger Simrock vorgestellt. Später<br />

unterstützte ihn Mahler mit der Uraufführung se<strong>in</strong>er Oper „Es war e<strong>in</strong>mal...“.<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> war offen für den neuen Kompositionsstil der Wiener Schule, komponierte<br />

selbst jedoch nicht atonal. 3<br />

Er schrieb Werke für Chor mit Begleitung, e<strong>in</strong> Chorwerk a cappella, Werke für Gesang<br />

mit Begleitung, zahlreiche Lieder für Gesang und Klavier, Opern, Ballette, e<strong>in</strong><br />

Mimodram, e<strong>in</strong>e Bühnenmusik, Kammermusik mit und ohne Klavier, Klaviermusik und<br />

Orchesterwerke, zu denen auch die Fantasie „<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“ zählt.<br />

Se<strong>in</strong> Schüler Arnold Schönberg heiratete <strong>Alexander</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s Schwester Mathilde.<br />

Schönberg und <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> pflegten e<strong>in</strong>e herzliche Freundschaft, die sich <strong>in</strong> ihrem<br />

größtenteils erhaltenen Briefwechsel zeigt. Der Briefwechsel zeugt <strong>von</strong> ihren<br />

unterschiedlichen Temperamenten, Schönbergs Optimismus und <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s<br />

Melancholie. Gelegentlich tauschten sie sich auch über ihre Kompositionen aus. 4 Auch<br />

mit Webern, Berg und se<strong>in</strong>em Studienkollegen Schreker unterhielt er Briefkontakte.<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> galt im Schönberg-Kreis als e<strong>in</strong>e Autoritätsperson. Vor allem die Briefe <strong>von</strong><br />

Webern und Berg zeugen <strong>von</strong> Respekt gegenüber dem ehemaligen Lehrer Schönbergs. 5<br />

Als der Briefwechsel mit Schönberg nach Mathildes Tod abnahm, trat Berg als<br />

Korrespondenz-Partner an Schönbergs Stelle. 6<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> widmete se<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong> Alma Sch<strong>in</strong>dler Mahler, <strong>in</strong> die er sich verliebt<br />

hatte, e<strong>in</strong>ige se<strong>in</strong>er Kompositionen. Obwohl sie ihn zuerst als e<strong>in</strong>e „Carricatur – k<strong>in</strong>nlos,<br />

kle<strong>in</strong>, mit herausquellenden Augen und e<strong>in</strong>em zu ‚verrückten‘ Dirigieren“ 7 bezeichnete<br />

entwickelte sich nach privatem Kompositionsunterricht und geme<strong>in</strong>samen<br />

1 MGG, S.1422<br />

2 Vgl. Danuser<br />

3 Vgl. Konzertführer (SWR), S.966<br />

4 Vgl. Ertelt, S.XXIIIff<br />

5 Ebd. S.XXVII<br />

6 Ebd. S. XXVIII<br />

7 Alma Mahler-Werfel. Tagebuch-Suiten, 11.Febr. 1900; Ausg. 1997, s. Dokumente<br />

4


Konzertbesuchen e<strong>in</strong>e Affäre zwischen den beiden, die mit Almas Verlobung mit<br />

Mahler endete. <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> heiratete zunächst Ida Guttmann, mit der er <strong>in</strong> Wien wohnte<br />

und lebte ab 1930 <strong>in</strong> zweiter Ehe mit der Prager Sänger<strong>in</strong> Luise Sachser <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.<br />

Er war e<strong>in</strong> begabter Pianist, Dirigent und Komponist, dirigierte und komponierte für<br />

führende Theater- und Konzerthäuser se<strong>in</strong>er Zeit. So kam er nach Wien, Mannheim,<br />

München, Prag, Rom, Barcelona, Berl<strong>in</strong>, Paris, Warschau, Len<strong>in</strong>grad und Zürich, teils<br />

als Gastdirigent und teils fest angestellt. Als Operndirektor am Neuen Deutschen<br />

Theater <strong>in</strong> Prag brachte er dessen Publikum die Neue Musik näher und blieb <strong>in</strong> Kontakt<br />

mit dem Komponisten-Kreis um Schönberg.<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> trat 1899 aus der Israelitischen Kultusgeme<strong>in</strong>de aus, trat den Freimaurern<br />

und dem Protestantismus bei. Ab 1934 galt se<strong>in</strong>e Musik dennoch durch den<br />

Nationalsozialismus als verpönt und sogar schon unterschriebene Verträge mit<br />

deutschen Bühnen wurden gekündigt. Aufgrund der jüdisch-muslimischen Wurzeln<br />

se<strong>in</strong>er Mutter musste <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> nach Hitlers Machtergreifung <strong>in</strong> die USA emigrieren.<br />

Aus Geldschwierigkeiten komponierte er dort populäre Songs und Schulstücke. Nach<br />

drei Schlaganfällen starb <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> <strong>in</strong> Larchmont (New York) im Alter <strong>von</strong> 70 Jahren<br />

an e<strong>in</strong>er Lungenentzündung.<br />

2.2 <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong><br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> hat „<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“, e<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>fonische Dichtung für Orchester, <strong>in</strong> den<br />

Jahren 1902 / 1903 nach e<strong>in</strong>em Märchen <strong>von</strong> Christian Andersen komponiert. „<strong>Die</strong><br />

<strong>Seejungfrau</strong>“ blieb nach ihrer Uraufführung bei e<strong>in</strong>em Konzert des <strong>von</strong> Schönberg<br />

gegründeten „Vere<strong>in</strong>s schaffender Tonkünstler“ <strong>in</strong> Wien im Jahre 1905 ohne große<br />

Resonanz. Erst <strong>in</strong> den 1970er Jahren wurde sie wiederentdeckt und seitdem wieder<br />

aufgeführt.<br />

2.2.1 S<strong>in</strong>fonische Dichtung, Fantasie oder Tondichtung?<br />

„<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“ wird sowohl als e<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>fonische Dichtung als auch e<strong>in</strong>e Fantasie<br />

bezeichnet. Beide Gattungen entstanden <strong>in</strong> der Romantik und s<strong>in</strong>d Formen der<br />

Programmmusik.<br />

In der <strong>von</strong> Liszt def<strong>in</strong>ierten S<strong>in</strong>fonischen Dichtung werden Werke aus der Literatur,<br />

Themen oder Überschriften mithilfe <strong>von</strong> charakteristischen musikalischen Mitteln bzw.<br />

Motiven dargestellt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em s<strong>in</strong>fonischen Gesamtwerk mite<strong>in</strong>ander verbunden und<br />

verarbeitet. E<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>fonischen Dichtung liegt also stets e<strong>in</strong>e poetische Idee, e<strong>in</strong> Sujet<br />

oder e<strong>in</strong> Programm zugrunde. <strong>Die</strong> Kompositionen haben s<strong>in</strong>fonischen Anspruch und<br />

lassen <strong>in</strong> den Vorstellungen der Zuhörer Bilder entstehen. <strong>Die</strong> Idee der Synthese der<br />

Künste <strong>in</strong> der Romantik und das Verständnis <strong>von</strong> Musik als Ausdrucksform des<br />

Poetischen unterstützt den Gedanken, dass S<strong>in</strong>fonische Dichtungen die <strong>in</strong>neren<br />

Vorgänge, Gefühle und Stimmungen ausdrücken, die <strong>in</strong> Dichtung und Malerei nicht<br />

dargestellt werden können. Musik wird zur Sprache. Selbst die Form ist nicht mehr<br />

vorgegeben, sondern richtet sich nach dem Thema und dessen Ausdruck. So bekommt<br />

die Formkonzeption e<strong>in</strong>e Vielfalt <strong>von</strong> Möglichkeiten. Das Programm, das die<br />

5


Komponisten für Aufführungen S<strong>in</strong>fonischer Dichtungen verfassten oder verfassen<br />

ließen, diente dazu die Verb<strong>in</strong>dung zwischen Gefühl und Verstand wieder herzustellen.<br />

Um 1900 wurde die Gattung S<strong>in</strong>fonische Dichtung oft auch Tondichtung genannt. <strong>Die</strong><br />

Fantasie ist e<strong>in</strong>e weitere Bezeichnung für die S<strong>in</strong>fonische Dichtung. Sie distanziert sich<br />

im Vergleich zum Begriff der S<strong>in</strong>fonischen Dichtung wieder etwas <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er zugrunde<br />

liegenden Dichtung und impliziert e<strong>in</strong>e freiere Kompositionsweise, die nicht strikt an<br />

die Textvorlage gebunden ist.<br />

2.2.2 Entstehung<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> verarbeitete <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er „<strong>Seejungfrau</strong>“ Themen, die ihn zu dieser Zeit aufgrund<br />

se<strong>in</strong>er persönlichen und beruflichen Situation beschäftigten. Hier spielten der Abbruch<br />

se<strong>in</strong>er Affäre zu Alma Sch<strong>in</strong>dler und der Vorwurf der Musikkritiker, se<strong>in</strong>e Musik wäre<br />

wenig orig<strong>in</strong>ell und modern e<strong>in</strong>e Rolle. Das Märchen der kle<strong>in</strong>en <strong>Seejungfrau</strong> mit dem<br />

Thema der unerfüllten Liebe und der Identitätsf<strong>in</strong>dung hatte ihn wohl <strong>in</strong> der Zeit um<br />

1902 / 1903 angesprochen.<br />

Er begann im Februar 1902 mit der „<strong>Seejungfrau</strong>“ (kurz vor der Mahler-Sch<strong>in</strong>dler-<br />

Hochzeit) und stellte se<strong>in</strong>e Komposition im März 1903 fertig. Es entstand e<strong>in</strong> ca. 45m<strong>in</strong>ütiges<br />

Werk <strong>in</strong> drei Teilen. Vor der Uraufführung strich <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> e<strong>in</strong>ige Passagen<br />

heraus, wie z. B. den Besuch der <strong>Seejungfrau</strong> bei der Meerhexe. Das Programm zur<br />

„<strong>Seejungfrau</strong>“, das <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> selbst verfasste, ist leider verschwunden.<br />

Aus dem Briefwechsel <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s mit Schönberg s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Kommentare zur<br />

Entstehung der <strong>Seejungfrau</strong> erhalten (siehe Unterrichtsmaterialien 3.2.2).<br />

Am 25. Januar 1905 wurden <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s „<strong>Seejungfrau</strong>“ und Schönbergs „Pelleas und<br />

Melisande“ uraufgeführt. Im Vergleich zu „Pelleas und Melisande“ beschrieben<br />

Rezensenten <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s Werk als eklektizistisch. Während Schönbergs S<strong>in</strong>fonische<br />

Dichtung sowohl Empörung als auch Begeisterung unter dem Publikum hervorriefen,<br />

enttäuschte „<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“ die Erwartungen des Wiener Publikums an <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>,<br />

der nach se<strong>in</strong>em erfolgreichen Studium als talentierter Hoffnungsträger der jungen<br />

Musikszene <strong>in</strong> Wien galt. Nach diesen schlechten Kritiken brachte <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> se<strong>in</strong>e<br />

„<strong>Seejungfrau</strong>“ nicht mehr zur Aufführung.<br />

„<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“ und auch „Pelleas und Melisande“ <strong>von</strong> Schönberg weisen beide<br />

sowohl „absolute“ als auch „ programmatische“ Züge auf. <strong>Die</strong>s mag e<strong>in</strong>e Antwort auf<br />

den damals aktuellen Streit zwischen Wagnerianern und Brahm<strong>in</strong>en gewesen se<strong>in</strong>, die<br />

die beiden Richtungen strikt trennten. Nach Ansicht der jungen Wiener Komponisten<br />

konnte <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s Musik beide Strömungen mite<strong>in</strong>ander vere<strong>in</strong>baren.<br />

Während der erste Teil der „<strong>Seejungfrau</strong>“ Andersens Vorlage noch sehr konsequent<br />

folgt, wird die Komposition <strong>in</strong> der Fortführung abstrakter und sche<strong>in</strong>t mehr nach den<br />

Richtl<strong>in</strong>ien „absoluter“ Musik komponiert. <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> weicht <strong>von</strong> se<strong>in</strong>er Vorlage ab,<br />

um das Werk <strong>in</strong>nermusikalisch stimmiger zu komponieren, wie z.B. mit der<br />

Verwendung <strong>von</strong> Gegensätzen. <strong>Die</strong> Zuhörer können dann nicht mehr e<strong>in</strong>deutig die<br />

6


Handlung der Geschichte auf die Musik beziehen, begegnen jedoch immer wieder<br />

Stimmungen und Gefühlen, die die <strong>Seejungfrau</strong> durchlebt.<br />

Heutigen musikwissenschaftlichen Forschungen zufolge bekamen <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s<br />

Kompositionen durch se<strong>in</strong>e persönliche Krise e<strong>in</strong>e größere Sensibilität dar<strong>in</strong>,<br />

emotionale Intensität durch se<strong>in</strong>e Musik auszudrücken und verschiedenste Nuancen des<br />

Ausdrucks herauszuarbeiten. <strong>Die</strong>se Sensibilität, die vorher schon se<strong>in</strong>e Lieder<br />

bereicherte, fand sich nun auch <strong>in</strong> der Komposition se<strong>in</strong>er größeren Werke. Er<br />

entwickelte <strong>in</strong> der Zeit der Komposition se<strong>in</strong>er „<strong>Seejungfrau</strong>“ durchaus e<strong>in</strong>en eigenen<br />

Stil, auch wenn er sich nicht der Neuen Wiener Schule und deren atonaler<br />

Kompositionsweise anschloss. Somit nimmt die „<strong>Seejungfrau</strong>“ e<strong>in</strong>e Schlüsselposition<br />

unter den Kompositionen <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s e<strong>in</strong>.<br />

2.2.3 <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> – e<strong>in</strong> Märchen <strong>von</strong> Christian Andersen<br />

Der folgende Text wurde gekürzt und an die aktuelle Rechtschreibung angepasst. Der<br />

gesamte Text ist im Internet nachzulesen unter:<br />

http://www.zeno.org/Literatur/M/Andersen,+Hans+Christian/M%C3%A4rchensammlu<br />

ng/M%C3%A4rchen/<strong>Die</strong>+kle<strong>in</strong>e+<strong>Seejungfrau</strong><br />

<strong>Die</strong> Meereswelt<br />

Weit h<strong>in</strong>aus im Meer ist das Wasser so blau wie die Blätter der schönsten Kornblume<br />

und so klar wie das re<strong>in</strong>ste Glas, aber es ist sehr tief, tiefer als irgend e<strong>in</strong> Ankertau<br />

reicht; viele Kirchtürme müssten auf e<strong>in</strong>ander gestellt werden, um vom Boden bis über<br />

das Wasser zu reichen.<br />

Nun muss man aber nicht glauben, dass da nur der weiße Sandboden sei; ne<strong>in</strong>, da<br />

wachsen die sonderbarsten Bäume und Pflanzen, die so geschmeidig im Stiel und <strong>in</strong> den<br />

Blättern s<strong>in</strong>d, dass sie sich bei der ger<strong>in</strong>gsten Bewegung des Wassers rühren, gerade als<br />

ob sie lebten. Alle Fische, kle<strong>in</strong>e und große, schlüpfen zwischen den Zweigen h<strong>in</strong>durch,<br />

ebenso wie hier oben die Vögel <strong>in</strong> der Luft. An der allertiefsten Stelle liegt des<br />

Meerkönigs Schloss, die Mauern s<strong>in</strong>d <strong>von</strong> Korallen und die langen, spitzen Fenster vom<br />

allerklarsten Bernste<strong>in</strong>; aber das Dach bilden Muschelschalen, die sich öffnen und<br />

schließen, je nachdem das Wasser strömt. Das sieht herrlich aus, denn <strong>in</strong> jeder liegen<br />

strahlende Perlen; e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige würde <strong>in</strong> der Krone e<strong>in</strong>er König<strong>in</strong> die größte Pracht<br />

geben.<br />

Der Meerkönig hatte sechs schöne K<strong>in</strong>der, aber die jüngste war die schönste <strong>von</strong> allen,<br />

ihre Haut war so klar und fe<strong>in</strong> wie e<strong>in</strong> Rosenblatt, ihre Augen so blau wie die tiefste<br />

See, aber wie all' die andern hatte sie ke<strong>in</strong>e Füße, ihr Körper endete <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Fischschwanz.<br />

Es gab ke<strong>in</strong>e größere Freude für sie, als <strong>von</strong> der Menschenwelt zu hören; die alte<br />

Großmutter musste alles, was sie <strong>von</strong> Schiffen und Städten, Menschen und Tieren<br />

wusste, erzählen. Hauptsächlich erschien ihr ganz besonders schön, dass oben auf der<br />

Erde die Blumen duften, das taten sie auf dem Grunde des Meeres nicht, und dass die<br />

Wälder grün s<strong>in</strong>d, und dass die Fische, die man dort zwischen den Bäumen erblickt, so<br />

laut und herrlich s<strong>in</strong>gen können, dass es e<strong>in</strong>e Lust ist.<br />

7


»Wenn Ihr Euer fünfzehntes Jahr erreicht habt,« sagte die Großmutter, »dann sollt Ihr<br />

die Erlaubnis erhalten, aus dem Wasser empor zu tauchen, im Mondsche<strong>in</strong> auf der<br />

Klippe zu sitzen und die großen Schiffe, die vorbei segeln, zu sehen, Wälder und Städte<br />

werdet Ihr dann erblicken!«<br />

<strong>Die</strong> Erlebnisse der Schwestern an der Wasseroberfläche<br />

Nun war die älteste Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> fünfzehn Jahre alt und durfte über die Meeresfläche<br />

emporsteigen.<br />

Als sie zurückkehrte, hatte sie hunderterlei zu erzählen, aber das Schönste, sagte sie,<br />

war im Mondsche<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>er Sandbank <strong>in</strong> der ruhigen See zu liegen, und nahebei die<br />

Küste mit der großen Stadt zu betrachten, wo die Lichter gleich hundert Sternen<br />

bl<strong>in</strong>kten, die Musik und den Lärm und das Toben <strong>von</strong> Wagen und Menschen zu hören,<br />

die vielen Kirchtürme und Spitzen zu sehen, und das Läuten der Glocken zu hören.<br />

Im folgenden Jahre erhielt die zweite Schwester die Erlaubnis, durch das Wasser empor<br />

zu steigen und zu schwimmen, woh<strong>in</strong> sie wolle. Sie tauchte auf, eben als die Sonne<br />

unterg<strong>in</strong>g, und dieser Anblick, fand sie, war das Schönste. Der ganze Himmel habe wie<br />

Gold ausgesehen, sagte sie, und die Wolken, ja, deren Schönheit konnte sie nicht genug<br />

beschreiben; rot und blau waren sie über ihr dah<strong>in</strong> gesegelt, aber weit schneller als<br />

diese, flog, e<strong>in</strong>em langen, weißen Schleier gleich, e<strong>in</strong> Schwarm wilder Schwäne über<br />

das Wasser h<strong>in</strong>, wo die Sonne stand. Sie schwammen derselben entgegen, aber die<br />

Sonne sank, und der Rosensche<strong>in</strong> erlosch auf der Meeresfläche und den Wolken.<br />

Das Jahr darauf kam die dritte Schwester h<strong>in</strong>auf; sie war die mutigste <strong>von</strong> allen, deshalb<br />

schwamm sie e<strong>in</strong>en breiten Fluss aufwärts, der <strong>in</strong> das Meer ausmündete. Herrlich grüne<br />

Hügel mit We<strong>in</strong>ranken erblickte sie, Schlösser und Gehöfte schimmerten durch<br />

prächtige Wälder hervor; sie hörte, wie alle Vögel sangen, und die Sonne schien so<br />

warm, dass sie oft unter das Wasser tauchen musste, um ihr brennendes Antlitz<br />

abzukühlen. Nie konnte sie die prächtigen Wälder, die grünen Hügel und die niedlichen<br />

K<strong>in</strong>der vergessen, die im Wasser schwimmen konnten, obgleich sie ke<strong>in</strong>en<br />

Fischschwanz hatten.<br />

<strong>Die</strong> vierte Schwester war nicht so kühn, sie blieb draußen mitten im wilden Meer, und<br />

erzählte, dass es dort am schönsten sei; man sehe r<strong>in</strong>gsumher, viele Meilen weit, und<br />

der Himmel stehe wie e<strong>in</strong>e Glasglocke darüber. Schiffe hatte sie gesehen, aber nur <strong>in</strong><br />

weiter Ferne, sie sahen wie Strandmöven aus, und die possierlichen Delph<strong>in</strong>e hatten<br />

Purzelbäume geschossen, und die großen Walfische aus ihren Nasenlöchern Wasser<br />

empor gespritzt, sodass es ausgesehen hatte, wie hunderte <strong>von</strong> Spr<strong>in</strong>gbrunnen<br />

r<strong>in</strong>gsumher.<br />

Nun kam die Reihe an die fünfte Schwester; ihr Geburtstag fiel gerade im W<strong>in</strong>ter, und<br />

deshalb sah sie, was die andern das erste Mal nicht gesehen hatten. <strong>Die</strong> See nahm sich<br />

ganz grün aus, und r<strong>in</strong>gsumher schwammen große Eisberge, e<strong>in</strong> jeder sah wie e<strong>in</strong>e Perle<br />

aus, sagte sie, und war doch weit größer als die Kirchtürme, welche die Menschen<br />

bauen. Sie zeigten sich <strong>in</strong> den sonderbarsten Gestalten und glänzten wie Diamanten. Sie<br />

hatte sich auf e<strong>in</strong>en der allergrößten gesetzt und alle Segler kreuzten erschrocken<br />

draußen herum, wo sie saß und den W<strong>in</strong>d mit ihrem langen Haar spielen ließ; aber<br />

gegen Abend hatte sich der Himmel mit Wolken überzogen, es blitzte und donnerte,<br />

8


während die schwarze See die großen Eisblöcke hoch emporhob und sie beim roten<br />

Blitz erglänzen ließ. Auf allen Schiffen nahm man die Segel e<strong>in</strong>, da war e<strong>in</strong>e Angst und<br />

e<strong>in</strong> Grauen, aber sie saß ruhig auf ihrem schwimmenden Eisberge und sah die blauen<br />

Blitzstrahlen im Zickzack <strong>in</strong> die schimmernde See fahren.<br />

Endlich war die jüngste Schwester fünfzehn Jahre alt. <strong>Die</strong> Sonne war eben<br />

untergegangen, als sie den Kopf über das Wasser erhob, aber alle Wolken glänzten noch<br />

wie Rosen und Gold, und <strong>in</strong>mitten der blassroten Luft strahlte der Abendstern hell und<br />

schön, die Luft war mild und frisch, und das Meer ganz ruhig. Da lag e<strong>in</strong> großes Schiff<br />

mit drei Masten, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Segel war nur aufgezogen, denn es rührte sich ke<strong>in</strong><br />

Lüftchen, und r<strong>in</strong>gsumher im Tauwerk und auf den Stangen saßen Matrosen. Da war<br />

Musik und Gesang, und wie der Abend dunkler ward, wurden Hunderte <strong>von</strong> bunten<br />

Laternen angezündet; sie sahen aus als ob die Flaggen aller Völker <strong>in</strong> der Luft wehten.<br />

<strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> schwamm bis zum Kajütenfenster h<strong>in</strong>, und jedes Mal, wenn das<br />

Wasser sie emporhob, konnte sie durch die spiegelklaren Fensterscheiben blicken, wo<br />

viele geputzte Menschen standen; aber der schönste war doch der junge Pr<strong>in</strong>z mit den<br />

großen, schwarzen Augen. Er war sicher nicht mehr als fünfzehn Jahre alt; heute war<br />

se<strong>in</strong> Geburtstag und deshalb herrschte all' diese Pracht. <strong>Die</strong> Matrosen tanzten auf dem<br />

Verdeck, und als der junge Pr<strong>in</strong>z da h<strong>in</strong>austrat, stiegen über hundert Raketen <strong>in</strong> die Luft,<br />

die leuchteten wie der helle Tag, sodass die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> sehr erschrak und unter<br />

das Wasser tauchte, aber sie steckte bald den Kopf wieder hervor, und da war es gerade,<br />

als ob alle Sterne des Himmels zu ihr herunter fielen. Nie hatte sie solche Feuerkünste<br />

gesehen. Große Sonnen sprühten herum, prächtige Feuerfische flogen <strong>in</strong> die blaue Luft,<br />

und alles glänzte <strong>in</strong> der klaren, stillen See wieder. Auf dem Schiffe selbst war es so hell,<br />

dass man jedes kle<strong>in</strong>e Tau, wie viel mehr die Menschen sehen konnte. O, wie war doch<br />

der junge Pr<strong>in</strong>z hübsch, und er drückte den Leuten die Hände und lächelte, während die<br />

Musik <strong>in</strong> der herrlichen Nacht erklang!<br />

Sturm und Rettung<br />

Es wurde spät, aber die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> konnte ihre Augen nicht <strong>von</strong> dem Schiffe<br />

und dem schönen Pr<strong>in</strong>zen wegwenden. <strong>Die</strong> bunten Laternen wurden ausgelöscht,<br />

Raketen stiegen nicht mehr <strong>in</strong> die Höhe, es ertönten auch ke<strong>in</strong>e Kanonenschüsse mehr,<br />

aber tief unten im Meer summte und brummte es. Inzwischen saß sie auf dem Wasser<br />

und schaukelte auf und nieder, sodass sie <strong>in</strong> die Kajüte h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>blicken konnte; aber das<br />

Schiff bekam mehr W<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong> Segel nach dem andern breitete sich aus, nun g<strong>in</strong>gen die<br />

Wogen stärker, große Wolken zogen auf, es blitzte <strong>in</strong> der Ferne. O, es wird e<strong>in</strong><br />

erschrecklich böses Wetter werden; deshalb nahmen die Matrosen die Segel e<strong>in</strong>. Das<br />

große Schiff schaukelte <strong>in</strong> fliegender Fahrt auf der wilden See, das Wasser erhob sich,<br />

gleich großen, schwarzen Bergen, die über die Maste wälzen wollten, aber das Schiff<br />

tauchte e<strong>in</strong>em Schwan gleich zwischen den hohen Wogen nieder, und ließ sich wieder<br />

auf die aufgetürmten Wasser heben. Der kle<strong>in</strong>en <strong>Seejungfrau</strong> bedünkte es e<strong>in</strong>e recht<br />

lustige Fahrt zu se<strong>in</strong>, aber so erschien es den Seeleuten nicht. Das Schiff knackte und<br />

krachte, die dicken Planken bogen sich bei den starken Stößen, die See drang <strong>in</strong> das<br />

Schiff h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, der Mast brach mitten durch, als ob er e<strong>in</strong> Rohr wäre und das Schiff legte<br />

sich auf die Seite, während das Wasser <strong>in</strong> den Raum e<strong>in</strong>drang. Nun sah die kle<strong>in</strong>e<br />

<strong>Seejungfrau</strong>, dass sie <strong>in</strong> Gefahr waren, sie musste sich selbst vor Balken und Stücken<br />

vom Schiff, die auf dem Wasser trieben, <strong>in</strong> acht nehmen. E<strong>in</strong>en Augenblick war es so<br />

stockdunkel, dass sie nicht das m<strong>in</strong>deste wahrnehmen konnte, aber wenn es dann blitzte,<br />

9


wurde es wieder so hell, dass sie alle auf dem Schiff erkennen konnte; besonders suchte<br />

sie den jungen Pr<strong>in</strong>zen, und sie sah ihn, als das Schiff verschwand, <strong>in</strong> das tiefe Meer<br />

vers<strong>in</strong>ken. Zuerst wurde sie ganz vergnügt, denn nun kam er zu ihr h<strong>in</strong>unter, aber da<br />

gedachte sie, dass die Menschen nicht im Wasser leben können, und dass er nicht<br />

anders als tot zum Schlosse ihres Vaters h<strong>in</strong>untergelangen konnte. Ne<strong>in</strong>, sterben, das<br />

durfte er nicht; deshalb schwamm sie h<strong>in</strong> zwischen Balken und Planken, die auf der See<br />

trieben, und vergaß völlig, dass diese sie hätten zerquetschen können; sie tauchte tief<br />

unter das Wasser und stieg wieder hoch zwischen den Wogen empor, und gelangte am<br />

Ende so zu dem jungen Pr<strong>in</strong>zen h<strong>in</strong>, der fast nicht länger <strong>in</strong> der stürmenden See<br />

schwimmen konnte; se<strong>in</strong>e Arme und Be<strong>in</strong>e begannen zu ermatten, die schönen Augen<br />

schlossen sich, er hätte sterben müssen, wäre die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> nicht<br />

h<strong>in</strong>zugekommen. Sie hielt se<strong>in</strong>en Kopf über dem Wasser empor, und ließ sich dann mit<br />

ihm <strong>von</strong> den Wogen treiben, woh<strong>in</strong> sie wollten.<br />

Am Morgen war das böse Wetter vorüber, <strong>von</strong> dem Schiffe war ke<strong>in</strong>e Spur zu<br />

erblicken, die Sonne stieg rot und glänzend aus dem Wasser empor, es war, als ob des<br />

Pr<strong>in</strong>zen Wangen Leben dadurch erhielten, aber die Augen blieben geschlossen. <strong>Die</strong><br />

<strong>Seejungfrau</strong> küsste se<strong>in</strong>e hohe, schöne Stirn und strich se<strong>in</strong> nasses Haar zurück.<br />

Nun erblickte sie vor sich das feste Land, hohe, blaue Berge, auf deren Gipfel der weiße<br />

Schnee erglänzte, als wären es Schwäne, die dort lägen; unten an der Küste waren<br />

herrliche, grüne Wälder, und vorn lag e<strong>in</strong>e Kirche oder e<strong>in</strong> Kloster, das wusste sie nicht<br />

recht, aber e<strong>in</strong> Gebäude war es. Zitronen- und Apfels<strong>in</strong>enbäume wuchsen im Garten,<br />

und vor dem Tor standen hohe Palmbäume. <strong>Die</strong> See bildete hier e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Bucht, da<br />

war es ganz still, aber sehr tief; hierher bis zur Klippe, wo der weiße, fe<strong>in</strong>e Sand<br />

aufgespült war, schwamm sie mit dem schönen Pr<strong>in</strong>zen, legte ihn <strong>in</strong> den Sand, und<br />

sorgte besonders dafür, dass der Kopf hoch im warmen Sonnensche<strong>in</strong> lag.<br />

Nun läuteten die Glocken <strong>in</strong> dem großen, weißen Gebäude, und es kamen viele junge<br />

Mädchen durch den Garten. Da schwamm die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> weiter h<strong>in</strong>aus, h<strong>in</strong>ter<br />

e<strong>in</strong>ige hohe Ste<strong>in</strong>e, die aus dem Wasser emporragten, legte Seeschaum auf ihr Haar und<br />

ihre Brust, sodass niemand ihr kle<strong>in</strong>es Antlitz sehen konnte, und dann passte sie auf,<br />

wer zu dem armen Pr<strong>in</strong>zen kommen würde.<br />

Es währte nicht lange, bis e<strong>in</strong> junges Mädchen dorth<strong>in</strong> kam; sie schien sehr zu<br />

erschrecken, aber nur e<strong>in</strong>en Augenblick, dann holte sie mehrere Menschen, und die<br />

<strong>Seejungfrau</strong> sah, dass der Pr<strong>in</strong>z zum Leben zurückkehrte, und dass er alle r<strong>in</strong>gsherum<br />

anlächelte, aber zu ihr h<strong>in</strong>aus lächelte er nicht, er wusste ja auch nicht, dass sie ihn<br />

gerettet hatte. Sie fühlte sich sehr betrübt, und als er <strong>in</strong> das große Gebäude h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geführt<br />

wurde, tauchte sie traurig unter das Wasser und kehrte zum Schlosse ihres Vaters<br />

zurück.<br />

<strong>Die</strong> Unsterblichkeit der Seele<br />

Immer war sie still und nachdenkend gewesen, aber nun wurde sie es weit mehr. <strong>Die</strong><br />

Schwestern fragten sie, was sie das erste Mal dort oben gesehen habe, aber sie erzählte<br />

erst als sie es nicht mehr länger aushalten konnte.<br />

E<strong>in</strong>e der <strong>Seejungfrau</strong>en wusste, wer der Pr<strong>in</strong>z war, sie hatte auch das Fest auf dem<br />

Schiffe gesehen, und gab an, woher er war und wo se<strong>in</strong> Königsschloss lag.<br />

Nun wusste sie, wo er wohnte, und dort war sie manchen Abend und manche Nacht auf<br />

dem Wasser; sie schwamm dem Lande weit näher, als e<strong>in</strong>e der andern es gewagt hatte.<br />

10


Mehr und mehr f<strong>in</strong>g sie an die Menschen zu lieben, mehr und mehr wünschte sie, unter<br />

ihnen umher wandeln zu können.<br />

»Wenn die Menschen nicht ertr<strong>in</strong>ken,« fragte die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> ihre Großmutter,<br />

»können sie dann ewig leben, sterben sie nicht, wie wir unten im Meer?«<br />

»Ja,« sagte die Alte, »sie müssen auch sterben, und ihre Lebenszeit ist sogar noch<br />

kürzer, als die unsere. Wir können dreihundert Jahre alt werden, aber wenn wir dann<br />

aufhören zu se<strong>in</strong>, so werden wir <strong>in</strong> Schaum auf dem Wasser verwandelt, haben nicht<br />

e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Grab hier unten unter unsern Lieben. Wir haben ke<strong>in</strong>e unsterbliche Seele,<br />

wir erhalten nie wieder Leben, wir s<strong>in</strong>d gleich dem grünen Schilf, ist das e<strong>in</strong>mal<br />

durchschnitten, so kann es nicht wieder grünen. <strong>Die</strong> Menschen dah<strong>in</strong>gegen haben e<strong>in</strong>e<br />

Seele, die ewig lebt, lebt, nachdem der Körper zu Erde geworden ist; sie steigt durch die<br />

klare Luft empor h<strong>in</strong>auf zu allen den glänzenden Sternen! So wie wir aus dem Wasser<br />

auftauchen und die Länder der Menschen erblicken, so steigen sie zu unbekannten,<br />

herrlichen Orten auf, die wir nie zu sehen bekommen.«<br />

»Warum bekamen wir ke<strong>in</strong>e unsterbliche Seele?« fragte die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> betrübt.<br />

»Ich möchte alle me<strong>in</strong>e Hunderte <strong>von</strong> Jahren, die ich zu leben habe, dafür geben, um<br />

nur e<strong>in</strong>en Tag e<strong>in</strong> Mensch zu se<strong>in</strong> und dann Anteil an der himmlischen Welt zu haben.«<br />

»Daran musst du nicht denken!« sagte die Alte. »Wir fühlen uns weit glücklicher und<br />

besser, als die Menschen dort oben!«<br />

»Ich werde also sterben und als Schaum auf dem Meer treiben, nicht die Musik der<br />

Wogen hören, die schönen Blumen und die rote Sonne sehen? Kann ich denn gar nichts<br />

tun, um e<strong>in</strong>e unsterbliche Seele zu gew<strong>in</strong>nen?«<br />

»Ne<strong>in</strong>,« sagte die Alte, »nur wenn e<strong>in</strong> Mensch dich so lieben würde, dass du ihm mehr<br />

als Vater und Mutter wärest; wenn er mit all' se<strong>in</strong>em Denken und all' se<strong>in</strong>er Liebe an dir<br />

h<strong>in</strong>ge, und dem Prediger se<strong>in</strong>e rechte Hand <strong>in</strong> die De<strong>in</strong>ige, mit dem Versprechen der<br />

Treue hier und <strong>in</strong> alle Ewigkeit, legen ließe, dann flösse se<strong>in</strong>e Seele <strong>in</strong> de<strong>in</strong>en Körper<br />

über, und auch du erhieltest Anteil an der Glückseligkeit der Menschen. Er gäbe dir<br />

Seele und behielt doch se<strong>in</strong>e eigene. Aber das kann nie geschehen! Was hier im Meer<br />

gerade schön ist, de<strong>in</strong> Fischschwanz, f<strong>in</strong>den sie dort auf der Erde hässlich, sie verstehen<br />

es nun nicht besser, man muss dort zwei plumpe Stützen haben, die sie Be<strong>in</strong>e nennen,<br />

um schön zu se<strong>in</strong>!«<br />

Da seufzte die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> und sah betrübt auf ihren Fischschwanz.<br />

»Lass uns froh se<strong>in</strong>!« sagte die Alte. »Hüpfen und spr<strong>in</strong>gen wollen wir <strong>in</strong> den<br />

dreihundert Jahren, die wir zu leben haben. Das ist wahrlich lange Zeit genug, später<br />

kann man umso besser ausruhen. Heute Abend werden wir Hofball haben!«<br />

Der Ball auf dem Meeresschloss<br />

Das war auch e<strong>in</strong>e Pracht, wie man sie nie auf Erden erblickt. <strong>Die</strong> Wände und die Decke<br />

des großen Tanzsaales waren <strong>von</strong> dickem, aber klarem Glase. Mehrere hundert<br />

ungeheure Muschelschalen, rosenrote und grasgrüne, standen zu jeder Seite <strong>in</strong> Reihen<br />

mit e<strong>in</strong>em blau brennenden Feuer, welches den ganzen Saal beleuchtete und durch die<br />

Wände h<strong>in</strong>aus schien, sodass die See draußen ganz beleuchtet war; man konnte alle die<br />

unzähligen Fische sehen, große und kle<strong>in</strong>e, die gegen die Glasmauern h<strong>in</strong>schwammen;<br />

auf e<strong>in</strong>igen glänzten die Schuppen purpurrot, auf andern erschienen sie wie Silber und<br />

Gold. – Mitten durch den Saal floss e<strong>in</strong> breiter Strom, und auf diesem tanzten die<br />

Meermänner und Meerweibchen zu ihrem eigenen lieblichen Gesang. So schöne<br />

Stimmen haben die Menschen auf der Erde nicht. <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> sang am<br />

11


schönsten <strong>von</strong> ihnen allen, sie wurde deshalb beklatscht, und e<strong>in</strong>en Augenblick fühlte<br />

sie e<strong>in</strong>e Freude <strong>in</strong> ihrem Herzen, denn sie wusste, dass sie die schönste Stimme <strong>von</strong><br />

allen auf der Erde und im Meere hatte.<br />

Aber bald gedachte sie wieder der Welt oben über sich; sie konnte den hübschen<br />

Pr<strong>in</strong>zen und ihren Kummer, dass sie ke<strong>in</strong>e unsterbliche Seele wie er besaß, nicht<br />

vergessen. Deshalb schlich sie sich aus ihres Vaters Schloss h<strong>in</strong>aus, und während alles<br />

dr<strong>in</strong>nen Gesang und Frohs<strong>in</strong>n war, saß sie betrübt <strong>in</strong> ihrem kle<strong>in</strong>en Garten. Da hörte sie<br />

das Waldhorn durch das Wasser ertönen, und sie dachte: »Nun segelt er sicher dort<br />

oben, er, <strong>von</strong> dem ich mehr halte, als <strong>von</strong> Vater und Mutter, er, an dem me<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>ne<br />

hängen und <strong>in</strong> dessen Hand ich me<strong>in</strong>es Lebens Glück legen möchte. Alles will ich<br />

wagen, um ihn und e<strong>in</strong>e unsterbliche Seele zu gew<strong>in</strong>nen! Während me<strong>in</strong>e Schwestern<br />

dort <strong>in</strong> me<strong>in</strong>es Vaters Schloss tanzen, will ich zur Meerhexe gehen, vor der ich mich<br />

immer gefürchtet habe, aber sie kann mir vielleicht raten und helfen!«<br />

<strong>Die</strong> Verwandlung der kle<strong>in</strong>en <strong>Seejungfrau</strong><br />

Nun g<strong>in</strong>g die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> aus ihrem Garten h<strong>in</strong>aus nach den brausenden Strudeln<br />

h<strong>in</strong>, h<strong>in</strong>ter denen die Hexe wohnte. Den Weg hatte sie früher nie zurückgelegt; da<br />

wuchsen ke<strong>in</strong>e Blumen, ke<strong>in</strong> Seegras, nur der nackte, graue Sandboden erstreckte sich<br />

gegen die Strudel h<strong>in</strong>, wo das Wasser gleich brausenden Mühlrädern herumwirbelte und<br />

alles, was es erfasste, mit sich <strong>in</strong> die Tiefe riss. Mitten zwischen diesen zermalmenden<br />

Wirbeln musste sie h<strong>in</strong>durch, um <strong>in</strong> den Bereich der Meerhexe zu gelangen, und hier<br />

war e<strong>in</strong> langes Stück ke<strong>in</strong> anderer Weg, als über warmen sprudelnden Schlamm,<br />

welchen die Hexe ihren Torfmoor nannte. Dah<strong>in</strong>ter lag ihr Haus mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

seltsamen Walde. Alle Bäume und Büsche waren Polypen, halb Tier, halb Pflanze, sie<br />

sahen aus, wie hundertköpfige Schlangen, die aus der Erde hervor wuchsen; alle Zweige<br />

waren lange, schleimige Arme, mit F<strong>in</strong>gern, wie geschmeidige Würmer, und Glied um<br />

Glied bewegten sie sich, <strong>von</strong> der Wurzel bis zur äußersten Spitze. Alles, was sie im<br />

Meer erfassen konnten, umschlangen sie fest und ließen es nie wieder fahren. <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e<br />

<strong>Seejungfrau</strong> blieb ganz erschrocken stehen; ihr Herz pochte vor Furcht, fast wäre sie<br />

umgekehrt, aber da dachte sie an den Pr<strong>in</strong>zen und an die Seele des Menschen, und da<br />

bekam sie Mut. Ihr langes, fliegendes Haar band sie fest um das Haupt, damit die<br />

Polypen sie nicht daran ergreifen möchten, beide Hände legte sie über ihre Brust<br />

zusammen, und schoss so da<strong>von</strong>, wie der Fisch durch das Wasser schießen kann,<br />

zwischen den hässlichen Polypen h<strong>in</strong>durch, die ihre geschmeidigen Arme und F<strong>in</strong>ger<br />

h<strong>in</strong>ter ihr her streckten. Sie sah, wie jeder <strong>von</strong> ihnen etwas, was er ergriffen hatte, mit<br />

Hunderten <strong>von</strong> kle<strong>in</strong>en Armen, gleich starken Eisenbanden, hielt. Menschen, die auf der<br />

See umgekommen und tief h<strong>in</strong>unter gesunken waren, sahen als weiße Gerippe aus den<br />

Armen der Polypen hervor. Schiffsruder und Kisten hielten sie fest, Knochen <strong>von</strong><br />

Landtieren und e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Meerweib, welches sie gefangen und erstickt hatten, das war<br />

ihr fast das Schrecklichste.<br />

Nun kam sie zu e<strong>in</strong>em großen, sumpfigen Platz im Walde, wo große, fette<br />

Wasserschlangen sich wälzten und ihren hässlichen weißgelben Bauch zeigten. Mitten<br />

auf dem Platze war e<strong>in</strong> Haus, <strong>von</strong> weißen Knochen gestrandeter Menschen errichtet.<br />

»Ich weiß schon was Du willst!« sagte die Meerhexe; »es ist zwar dumm <strong>von</strong> dir, doch<br />

sollst du de<strong>in</strong>en Willen haben, denn er wird dich <strong>in</strong>s Unglück stürzen, me<strong>in</strong>e schöne<br />

Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>. Du willst gern de<strong>in</strong>en Fischschwanz los se<strong>in</strong> und statt dessen zwei Stützen<br />

gleich wie die Menschen zum Gehen haben, damit der junge Pr<strong>in</strong>z verliebt <strong>in</strong> dich<br />

12


werden möge, und du ihn und e<strong>in</strong>e unsterbliche Seele erhalten kannst!« Dabei lachte die<br />

Hexe widerlich. »Ich werde dir e<strong>in</strong>en Trank bereiten, mit dem musst du, bevor die<br />

Sonne aufgeht, nach dem Lande schwimmen, dich dort an das Ufer setzen und ihn<br />

tr<strong>in</strong>ken, dann schw<strong>in</strong>det de<strong>in</strong> Schweif und schrumpft zu dem, was die Menschen<br />

niedliche Be<strong>in</strong>e nennen, e<strong>in</strong>; aber das tut wehe, es ist, als ob e<strong>in</strong> scharfes Schwert dich<br />

durchdränge. Alle, die dich sehen, werden sagen, du seiest das schönste Menschenk<strong>in</strong>d,<br />

was sie gesehen haben! Du behältst de<strong>in</strong>en schwebenden Gang, ke<strong>in</strong>e Tänzer<strong>in</strong> kann<br />

schweben wie du, aber bei jedem Schritt, den du machst, ist dir, als ob du auf scharfe<br />

Messer trätest, als ob de<strong>in</strong> Blut fließen müsste. Willst du alles dies leiden, so werde ich<br />

dir helfen!«<br />

»Ja!« sagte die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> mit bebender Stimme, und gedachte des Pr<strong>in</strong>zen und<br />

der unsterblichen Seele.<br />

»Aber bedenke,« sagte die Hexe, »hast du erst menschliche Gestalt bekommen, so<br />

kannst du nie wieder e<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> werden! Und gew<strong>in</strong>nst du des Pr<strong>in</strong>zen Liebe<br />

nicht, so bekommst du ke<strong>in</strong>e unsterbliche Seele! Am ersten Morgen, nachdem er mit<br />

e<strong>in</strong>er andern verheiratet ist, da wird de<strong>in</strong> Herz brechen, und du wirst zu Schaum auf<br />

dem Wasser.«<br />

»Ich will es!« sagte die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> und ward bleich wie der Tod.<br />

»Aber du musst mich auch bezahlen!« sagte die Hexe, »und es ist nicht wenig, was ich<br />

verlange. Du hast die schönste Stimme <strong>von</strong> allen hier auf dem Grunde des Meeres,<br />

damit glaubst du wohl, ihn bezaubern zu können, aber diese Stimme musst du mir<br />

geben. Das Beste, was du besitzest, will ich für me<strong>in</strong>en köstlichen Trank haben! Me<strong>in</strong><br />

eigen Blut muss ich dir ja dar<strong>in</strong> geben, damit der Trank scharf werde, wie e<strong>in</strong><br />

zweischneidig Schwert!«<br />

»Aber wenn du me<strong>in</strong>e Stimme nimmst,« sagte die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong>, »was bleibt mir<br />

dann übrig?«<br />

»De<strong>in</strong>e schöne Gestalt,« sagte die Hexe, »De<strong>in</strong> schwebender Gang und de<strong>in</strong>e<br />

sprechenden Augen, damit kannst du schon e<strong>in</strong> Menschenherz betören. Nun, hast du<br />

den Mut verloren? – Strecke de<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Zunge hervor, dann schneide ich sie an<br />

Zahlungs Statt ab, und du erhältst den kräftigen Trank!«<br />

»Es geschehe!« sagte die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> und die Hexe setzte ihren Kessel auf, um<br />

den Zaubertrank zu kochen.<br />

»Da hast du ihn!« sagte die Hexe und schnitt der kle<strong>in</strong>en <strong>Seejungfrau</strong> die Zunge ab, die<br />

nun stumm war, weder s<strong>in</strong>gen noch sprechen konnte.<br />

Bevor die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> an die Wasseroberfläche schwamm, kam sie am Schloss<br />

ihres Vaters vorbei. Sie schlich <strong>in</strong> den Garten, nahm e<strong>in</strong>e Blume <strong>von</strong> jedem Blumenbeet<br />

ihrer Schwestern, warf tausende <strong>von</strong> Kussf<strong>in</strong>gern dem Schlosse zu und stieg durch die<br />

dunkelblaue See h<strong>in</strong>auf.<br />

13


Auf dem Schloss des Pr<strong>in</strong>zen<br />

<strong>Die</strong> Sonne war noch nicht aufgegangen, als sie des Pr<strong>in</strong>zen Schloss erblickte und die<br />

prächtige Marmortreppe h<strong>in</strong>an stieg. Der Mond schien herrlich klar. <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e<br />

<strong>Seejungfrau</strong> trank den brennenden, scharfen Trank, und es war, als g<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong><br />

zweischneidig Schwert durch ihren fe<strong>in</strong>en Körper, sie fiel dabei <strong>in</strong> Ohnmacht und lag<br />

wie tot da. Als die Sonne über die See schien, erwachte sie und fühlte e<strong>in</strong>en schneiden<br />

den Schmerz, aber vor ihr stand der schöne junge Pr<strong>in</strong>z und heftete se<strong>in</strong>e kohlschwarzen<br />

Augen auf sie, sodass sie die ihrigen niederschlug. Da sah sie, dass ihr Fischschwanz<br />

fort war, und dass sie die niedlichsten, kle<strong>in</strong>en weißen Be<strong>in</strong>e hatte, die nur e<strong>in</strong> Mädchen<br />

haben kann; aber sie war ganz nackt, deshalb hüllte sie sich <strong>in</strong> ihr großes, langes Haar<br />

e<strong>in</strong>. Der Pr<strong>in</strong>z fragte, wer sie sei, und wie sie dah<strong>in</strong> gekommen sei, und sie sah ihn<br />

milde und doch betrübt mit ihren dunkelblauen Augen an, sprechen konnte sie ja nicht.<br />

Da nahm er sie bei der Hand und führte sie <strong>in</strong> das Schloss h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Bei jedem Schritt, den<br />

sie tat, war ihr, wie die Hexe vorausgesagt hatte, als träte sie auf spitze Nadeln und<br />

scharfe Messer, aber das ertrug sie gern; an des Pr<strong>in</strong>zen Hand stieg sie so leicht wie e<strong>in</strong>e<br />

Seifenblase, und er sowie alle wunderten sich über ihren lieblichen, schwebenden Gang.<br />

Köstliche Kleider <strong>von</strong> Seide und Mussel<strong>in</strong> bekam sie nun anzuziehen, im Schlosse war<br />

sie die Schönste <strong>von</strong> allen, aber sie war stumm, konnte weder s<strong>in</strong>gen, noch sprechen.<br />

Nun tanzten die Sklav<strong>in</strong>nen niedliche, schwebende Tänze zur herrlichsten Musik; da<br />

erhob die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> ihre schönen, weißen Arme, richtete sich auf den<br />

Zehenspitzen empor und schwebte tanzend über den Fußboden h<strong>in</strong>, wie noch ke<strong>in</strong>e<br />

getanzt hatte; bei jeder Bewegung wurde ihre Schönheit noch sichtbarer, und ihre<br />

Augen sprachen tiefer zum Herzen, als der Gesang der Sklav<strong>in</strong>nen.<br />

Alle waren entzückt da<strong>von</strong>, besonders der Pr<strong>in</strong>z, der sie se<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es F<strong>in</strong>delk<strong>in</strong>d nannte,<br />

und sie tanzte immer fort, obwohl es jedes Mal, wenn ihr Fuß die Erde berührte, war,<br />

als ob sie auf scharfe Messer träte. Der Pr<strong>in</strong>z sagte, dass sie immer bei ihm se<strong>in</strong> solle,<br />

und sie erhielt die Erlaubnis, vor se<strong>in</strong>er Tür auf e<strong>in</strong>em Samtkissen zu schlafen.<br />

Er ließ ihr e<strong>in</strong>e Männertracht machen, damit sie ihn zu Pferde begleiten könne. Sie ritten<br />

durch die duftenden Wälder, wo die grünen Zweige ihre Schultern berührten, und die<br />

kle<strong>in</strong>en Vögel h<strong>in</strong>ter den frischen Blättern sangen. Sie kletterte mit dem Pr<strong>in</strong>zen auf die<br />

hohen Berge h<strong>in</strong>auf, und obgleich ihre zarten Füße bluteten, sodass die andern es sehen<br />

konnten, lachte sie doch darüber und folgte ihm, bis sie die Wolken unter sich segeln<br />

sahen, als wäre es e<strong>in</strong> Schwarm Vögel, die nach fremden Ländern zögen.<br />

Aber nun sollte der Pr<strong>in</strong>z sich verheiraten und des Nachbarkönigs schöne Tochter<br />

haben, erzählte man, deswegen rüstete er e<strong>in</strong> prächtiges Schiff aus. Der Pr<strong>in</strong>z reist, um<br />

des Nachbarkönigs Länder zu besichtigen, heißt es wohl, aber es geschieht, um des<br />

Nachbarkönigs Tochter zu sehen, e<strong>in</strong> großes Gefolge soll ihn begleiten; aber die kle<strong>in</strong>e<br />

<strong>Seejungfrau</strong> schüttelte das Haupt und lächelte; sie kannte des Pr<strong>in</strong>zen Gedanken weit<br />

besser, als die andern. »Ich muss reisen!« hatte er zu ihr gesagt. »Ich muss die schöne<br />

Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> sehen, me<strong>in</strong>e Eltern verlangen es, aber sie wollen mich nicht zw<strong>in</strong>gen, sie als<br />

me<strong>in</strong>e Braut heimzuführen. Ich kann sie nicht lieben, sie gleichet nicht dem schönen<br />

Mädchen im Tempel, der du ähnlich bist; sollte ich e<strong>in</strong>st e<strong>in</strong>e Braut wählen, so würdest<br />

du es eher se<strong>in</strong>, me<strong>in</strong> liebes, gutes F<strong>in</strong>delk<strong>in</strong>d mit den sprechenden Augen!« Und er<br />

küsste sie auf ihren roten Mund, spielte mit ihren schönen, langen Haaren und legte se<strong>in</strong><br />

Haupt an ihr Herz, sodass dieses <strong>von</strong> Menschenglück und e<strong>in</strong>er unsterblichen Seele<br />

träumte.<br />

14


<strong>Die</strong> Vermählung des Pr<strong>in</strong>zen<br />

Am nächsten Morgen segelte das Schiff <strong>in</strong> den Hafen <strong>von</strong> des Nachbarkönigs prächtiger<br />

Stadt. Alle Kirchenglocken läuteten und <strong>von</strong> den hohen Türmen wurden die Posaunen<br />

geblasen, während die Soldaten mit fliegenden Fahnen und blitzenden Bajonetten <strong>in</strong><br />

Reihe und Glied dastanden. Jeder Tag führte e<strong>in</strong> neues Fest mit sich. Bälle und<br />

Gesellschaften folgten e<strong>in</strong>ander, aber die Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> war noch nicht da, sie werde weit<br />

da<strong>von</strong> entfernt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tempel erzogen, sagten sie, dort lerne sie alle königlichen<br />

Tugenden. Endlich traf sie e<strong>in</strong>.<br />

<strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> war begierig, ihre Schönheit zu sehen, und sie musste<br />

anerkennen, dass sie e<strong>in</strong>e lieblichere Ersche<strong>in</strong>ung noch nie gesehen habe. <strong>Die</strong> Haut war<br />

fe<strong>in</strong> und klar und h<strong>in</strong>ter den langen, dunklen Augenwimpern lächelten e<strong>in</strong> paar<br />

schwarzblaue, treue Augen.<br />

»Du bist es,« sagte der Pr<strong>in</strong>z, »Du, die mich gerettet hat, als ich e<strong>in</strong>er Leiche gleich an<br />

der Küste lag!« Und er drückte se<strong>in</strong>e errötende Braut <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Arme. »O, ich b<strong>in</strong> allzu<br />

glücklich!« sagte er zur kle<strong>in</strong>en <strong>Seejungfrau</strong>. »Das Beste, was ich je hoffen durfte, ist<br />

mir <strong>in</strong> Erfüllung gegangen. Du wirst dich über me<strong>in</strong> Glück freuen, denn du me<strong>in</strong>st es<br />

am besten mit mir <strong>von</strong> ihnen allen!« <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> küsste se<strong>in</strong>e Hand, und es<br />

kam ihr schon vor, als fühle sie ihr Herz brechen. Se<strong>in</strong> Hochzeitsmorgen sollte ihr ja<br />

den Tod geben und sie <strong>in</strong> Schaum auf dem Meere verwandeln.<br />

Noch an demselben Abend g<strong>in</strong>gen die Braut und der Bräutigam an Bord des Schiffes;<br />

die Kanonen donnerten, alle Flaggen wehten und mitten auf dem Schiffe war e<strong>in</strong><br />

köstliches Zelt <strong>von</strong> Gold und Purpur und mit den schönsten Kissen errichtet, da sollte<br />

das Brautpaar <strong>in</strong> der stillen, kühlen Nacht schlafen.<br />

<strong>Die</strong> Segel schwollen im W<strong>in</strong>de, und das Schiff glitt leicht und ohne große Bewegung<br />

über die klare See dah<strong>in</strong>.<br />

Als es dunkelte, wurden bunte Lampen angezündet und die Seeleute tanzten lustige<br />

Tänze auf dem Verdeck. <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> musste ihres ersten Auftauchens aus<br />

dem Meere gedenken, wo sie dieselbe Pracht und Freude erblickt hatte, und sie drehte<br />

sich mit im Tanze, schwebte, wie die Schwalbe schwebt, wenn sie verfolgt wird, und<br />

alle jubelten ihr Bewunderung zu, nie hatte sie so herrlich getanzt; es schnitt wie scharfe<br />

Messer <strong>in</strong> die zarten Füße, aber sie fühlte es nicht; es schnitt ihr noch schmerzlicher<br />

durch das Herz. Sie wusste, es sei der letzte Abend, an dem sie ihn erblickte, für den sie<br />

ihre Verwandten und ihre Heimat verlassen, ihre schöne Stimme dah<strong>in</strong>gegeben und<br />

täglich unendliche Qualen ertragen, ohne dass er e<strong>in</strong>e Ahnung da<strong>von</strong> hatte. Es war die<br />

letzte Nacht, dass sie dieselbe Luft mit ihm e<strong>in</strong>atmete, das tiefe Meer und den<br />

sternklaren Himmel erblickte, e<strong>in</strong>e ewige Nacht ohne Gedanken und Traum harrte ihrer,<br />

die ke<strong>in</strong>e Seele hatte, ke<strong>in</strong>e Seele gew<strong>in</strong>nen konnte. Alles war Freude und Heiterkeit auf<br />

dem Schiffe bis weit über Mitternacht h<strong>in</strong>aus, sie lachte und tanzte mit Todesgedanken<br />

im Herzen. Der Pr<strong>in</strong>z küsste se<strong>in</strong>e schöne Braut, und sie spielte mit se<strong>in</strong>en schwarzen<br />

Haaren, und Arm <strong>in</strong> Arm g<strong>in</strong>gen sie zur Ruhe <strong>in</strong> das prächtige Zelt.<br />

15


<strong>Die</strong> Töchter der Luft<br />

Es wurde tot und stille auf dem Schiffe, nur der Steuermann stand am Ruder, die kle<strong>in</strong>e<br />

<strong>Seejungfrau</strong> legte ihre weißen Arme auf den Schiffsrand und blickte gegen Osten nach<br />

der Morgenröte, der erste Sonnenstrahl, wusste sie, würde sie töten. Da sah sie ihre<br />

Schwestern aus dem Meere aufsteigen, sie waren bleich, wie sie; ihre langen, schönen<br />

Haare wehten nicht mehr im W<strong>in</strong>de, sie waren abgeschnitten.<br />

»Wir haben sie der Hexe gegeben, um dir Hilfe br<strong>in</strong>gen zu können, damit du diese<br />

Nacht nicht sterben musst! Sie hat uns e<strong>in</strong> Messer gegeben, hier ist es! Siehst du, wie<br />

scharf? Bevor die Sonne aufgeht, musst du <strong>in</strong> das Herz des Pr<strong>in</strong>zen stechen, und wenn<br />

dann das warme Blut auf de<strong>in</strong>e Füße spritzt, so wachsen diese <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Fischschwanz<br />

zusammen und du wirst wieder e<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong>, kannst zu uns herabsteigen und lebst<br />

de<strong>in</strong>e dreihundert Jahre, bevor du der tote, salzige Seeschaum wirst. Beeile dich! Er<br />

oder du musst sterben, bevor die Sonne aufgeht! Unsere alte Großmutter trauert so, dass<br />

ihr weißes Haar gefallen ist wie das unsrige, <strong>von</strong> der Schere der Hexe. Töte den Pr<strong>in</strong>zen<br />

und komm' zurück! Beeile dich, siehst du den roten Streifen am Himmel? In wenigen<br />

M<strong>in</strong>uten steigt die Sonne auf und dann musst du sterben!« Und sie stießen e<strong>in</strong>en tiefen<br />

Seufzer aus und versanken <strong>in</strong> die Wogen.<br />

<strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> zog den Purpurteppich vom Zelte fort, und sie sah die schöne<br />

Braut mit ihrem Haupte an des Pr<strong>in</strong>zen Brust ruhen, und sie bog sich nieder, küsste ihn<br />

auf se<strong>in</strong>e schöne Stirn, blickte gen Himmel auf, wo die Morgenröte mehr und mehr<br />

leuchtete, betrachtete das scharfe Messer und heftete die Augen wieder auf den Pr<strong>in</strong>zen,<br />

der im Traum se<strong>in</strong>e Braut beim Namen nannte; nur sie war <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Gedanken, und das<br />

Messer zitterte <strong>in</strong> der <strong>Seejungfrau</strong> Hand, – aber da warf sie es weit h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> die Wogen,<br />

die glänzten rot; wo es h<strong>in</strong>fiel, sah es aus, als keimten Blutstropfen aus dem Wasser auf.<br />

Noch e<strong>in</strong>mal sah sie mit halbgebrochenem Blicke auf den Pr<strong>in</strong>zen, stürzte sich vom<br />

Schiffe <strong>in</strong> das Meer h<strong>in</strong>ab und fühlte, wie ihr Körper sich <strong>in</strong> Schaum auflöste.<br />

Nun stieg die Sonne aus dem Meere auf, die Strahlen fielen mild und warm auf den<br />

todkalten Meeresschaum und die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> fühlte nichts vom Tode; sie sah die<br />

klare Sonne, und oben über ihr schwebten Hunderte <strong>von</strong> durchsichtigen, herrlichen<br />

Geschöpfen, sie konnte durch dieselben des Schiffes weiße Segel und des Himmels rote<br />

Wolken erblicken. <strong>Die</strong> Sprache derselben war melodisch, aber so geistig, dass ke<strong>in</strong><br />

menschliches Ohr es vernehmen, ebenso wie ke<strong>in</strong> menschliches Auge sie erblicken<br />

konnte; ohne Schw<strong>in</strong>gen schwebten sie vermittelst ihrer eigenen Leichtigkeit durch die<br />

Luft. <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> sah, dass sie e<strong>in</strong>en Körper hatte, wie diese, der sich mehr<br />

und mehr aus dem Schaume erhob.<br />

»Zu wem komme ich?« fragte sie, und ihre Stimme klang wie die der andern Wesen, so<br />

geistig, dass ke<strong>in</strong>e irdische Musik sie wiederzugeben vermag.<br />

»Zu den Töchtern der Luft!« erwiderten die andern. »<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong> hat ke<strong>in</strong>e<br />

unsterbliche Seele, kann sie nie erhalten, wenn sie nicht e<strong>in</strong>es Menschen Liebe gew<strong>in</strong>nt;<br />

<strong>von</strong> e<strong>in</strong>er fremden Macht hängt ihr ewiges Dase<strong>in</strong> ab. <strong>Die</strong> Töchter der Luft haben auch<br />

ke<strong>in</strong>e ewige Seele, aber sie können durch gute Handlungen sich selbst e<strong>in</strong>e schaffen.<br />

Wir fliegen nach den warmen Ländern, wo die schwüle Pestluft den Menschen tötet;<br />

dort fächeln wir Kühlung. Wir breiten den Duft der Blumen durch die Luft aus und<br />

senden Erquickung und Heilung. Wenn wir dreihundert Jahre lang gestrebt haben, alles<br />

Gute, was wir vermögen, zu vollbr<strong>in</strong>gen, so erhalten wir e<strong>in</strong>e unsterbliche Seele und<br />

nehmen teil an dem ewigen Glücke der Menschen. Du arme, kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> hast<br />

mit ganzem Herzen nach demselben, wie wir gestrebt, du hast gelitten und geduldet,<br />

16


dich zur Luftgeisterwelt erhoben, nun kannst du dir selbst, durch gute Werke nach drei<br />

Jahrhunderten e<strong>in</strong>e unsterbliche Seele schaffen.«<br />

<strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> erhob ihre verklärten Arme gegen Gottes Sonne, und zum ersten<br />

Mal fühlte sie Tränen <strong>in</strong> ihren Augen. – Auf dem Schiffe war wieder Lärm und Leben,<br />

sie sah den Pr<strong>in</strong>zen mit se<strong>in</strong>er schönen Braut nach ihr suchen; wehmütig starrten sie den<br />

perlenden Schaum an, als ob sie wüssten, dass sie sich <strong>in</strong> die Fluten gestürzt habe.<br />

Unsichtbar küsste sie die Stirn der Braut, lächelte ihn an, und stieg mit den übrigen<br />

K<strong>in</strong>dern der Luft auf die rosenrote Wolke h<strong>in</strong>auf, welche den Äther durchschiffte.<br />

»Nach dreihundert Jahren schweben wir so <strong>in</strong> das Reich Gottes h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>!«<br />

Quelle: Aus: Andersen, H[ans] C[hristian]: Sämmtliche Märchen. Leipzig [um 1900], S.<br />

319-347.<br />

2.2.4 Musikalische Analyse<br />

2.2.4.1 Besetzung und Steigerungen<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> komponierte „<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“ für e<strong>in</strong> romantisches S<strong>in</strong>fonieorchester. Er<br />

legte viel Wert auf differenzierte Instrumentierung und kreierte dadurch verschiedene<br />

Klangfarben. In der Komposition erkl<strong>in</strong>gen vier Flöten (3. und 4. auch kle<strong>in</strong>e Flöte),<br />

zwei Oboen, e<strong>in</strong> Englisch Horn, e<strong>in</strong>e Klar<strong>in</strong>ette <strong>in</strong> Es, je zwei Klar<strong>in</strong>etten <strong>in</strong> B und <strong>in</strong> A,<br />

je e<strong>in</strong>e Bassklar<strong>in</strong>ette <strong>in</strong> B und <strong>in</strong> A, drei Fagotte, sechs Hörner <strong>in</strong> F, drei Trompeten <strong>in</strong><br />

F, vier Posaunen (1.-3. Tenorposaunen, 4. Bassposaune), e<strong>in</strong>e Basstuba, zwei Harfen,<br />

Pauken, Schlagwerk für zwei Spieler mit Glockenspiel, Triangel, Hängebecken und<br />

zwei Röhrenglocken sowie Streicher. <strong>Die</strong> Dynamik reicht <strong>von</strong> ppp (T. I, 1) bis fff (T. I,<br />

164). Im dritten Teil verlangt <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> <strong>von</strong> Streichern und Harfe sogar e<strong>in</strong> ppppp (T.<br />

III, 215ff). Er bevorzugt re<strong>in</strong>e Instrumentalfarben, die oft nur dezent <strong>von</strong> anderen<br />

Instrumentengruppen begleitet werden.<br />

Im ersten Teil kommen alle Instrumente vor, wobei die hohen Blechbläser nur teilweise<br />

spielen. Sie kommen <strong>in</strong> Abschnitten zur Geltung, <strong>in</strong> denen die Harfe pausiert und<br />

umgekehrt. So entstehen schon durch die Wahl der Klangfarbe Kontraste zwischen<br />

dramatischer und träumerischer Wirkung.<br />

Im zweiten Teil führt die Instrumentierung zu noch stärkeren Kontrasten. Ab T. II, 166<br />

spielen nur noch die Bassklar<strong>in</strong>ette und Streicher. Langsam kommen die anderen<br />

Instrumente dazu. Es ergibt sich e<strong>in</strong>e Steigerung <strong>in</strong> der Instrumentation (und der<br />

Dynamik), die <strong>in</strong> den T. II, 202-203 ihren Höhepunkt erfährt und wieder e<strong>in</strong>e Abnahme<br />

der Instrumente (und der Dynamik) zur Folge hat. Steigerung und Abklang wiederholen<br />

sich noch zweimal und haben <strong>in</strong> T. II, 229 und den T. II, 314-317 ihrer größte<br />

Besetzung und Intensität. E<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Abschluss, der unerwartet auf e<strong>in</strong>en<br />

sche<strong>in</strong>bar im Nichts endenden Abschnitt folgt, fordert nochmals das ganze Orchester.<br />

17


Den dritten Teil beg<strong>in</strong>nen alle<strong>in</strong> die Streicher. Erst im T. III, 111 ist das Orchester<br />

wieder komplett und geht ab T. II, 120 <strong>in</strong> Instrumentation (und Dynamik) auch schon<br />

wieder zurück. Steigerungen und Abkl<strong>in</strong>gen wechseln sich wieder ab. So kommt es <strong>in</strong><br />

T. III, 154, T. III, 186-191 und T. III, 240-243 zu drei weiteren Höhepunkten. Nach<br />

diesem letzten dramatischen Höhepunkt bleibt die Besetzung weiterh<strong>in</strong> komplett, spielt<br />

aber im ppp – p bis zum Schluss.<br />

2.2.4.2 Motivische Arbeit und Wirkung<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> entwickelt <strong>in</strong> der Komposition der „<strong>Seejungfrau</strong>“ gesangliche,<br />

charakteristische Motive, die er mite<strong>in</strong>ander vernetzt und nutzt meist e<strong>in</strong>e tonale, also<br />

für diese Zeit eher konservative Harmonik. „<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“ wurde schon nach ihrer<br />

Uraufführung als technisch perfekt komponiert und als traditionalistisch beschrieben. In<br />

ihrer Form und Wirkung ist sie mehrdeutig. <strong>Die</strong>s liegt unter anderem daran, dass<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s Musik nicht die Handlung des Märchens chronologisch nacherzählt,<br />

sondern vielmehr die <strong>in</strong>neren emotionalen und seelischen Motive der <strong>Seejungfrau</strong><br />

darstellt. Der Ausdruck <strong>von</strong> Stimmungen und Gefühlen steht im Vordergrund. Für die<br />

Umsetzung dieser Stimmungen s<strong>in</strong>d die detaillierten Spielanweisungen unabd<strong>in</strong>gbar.<br />

Der Komponist arbeitet <strong>in</strong>nerhalb aller drei Teile mit Steigerungen und Kontrasten. <strong>Die</strong><br />

Teile s<strong>in</strong>d durch Pausen klar <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander getrennt. <strong>Die</strong> Übergänge werden jeweils<br />

durch e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>leitung und e<strong>in</strong>e Coda vorbereitet. <strong>Die</strong> Coda endet stets <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

ungewöhnlichen Tonart und kreiert somit e<strong>in</strong>e Erwartungshaltung, die wiederum e<strong>in</strong>e<br />

Verb<strong>in</strong>dung zum folgenden Teil herstellt. In ihrer Wirkung unterscheiden sich die Teile<br />

nicht wesentlich <strong>von</strong>e<strong>in</strong>ander.<br />

2.2.4.3 Gliederung 8<br />

Teil I:<br />

Im ersten Teil werden die wichtigsten Themen vorgestellt. Sie werden <strong>in</strong> den weiteren<br />

Teilen dann wieder aufgenommen und verarbeitet. <strong>Die</strong> Themen s<strong>in</strong>d teilweise zunächst<br />

durch andere Stimmen verschleiert und entpuppen sich erst später als tragende<br />

Elemente, die dann wieder vernetzt werden. Das Hauptthema der „Meereswelt“ und die<br />

Verarbeitung der „Meerestiefe“ (s. u.) s<strong>in</strong>d im ersten Teil vorherrschend.<br />

Abschnitt Inhalt, Motive, Bilder,<br />

mögliches Programm<br />

1. Abschnitt: T. I, 1-52, Themenaufstellung:<br />

Meereswelt, Heimat,<br />

Hauptthema und aus diesem abgeleitete synkopische <strong>Seejungfrau</strong><br />

Pendelfigur, Thema der <strong>Seejungfrau</strong>, Zäsuren<br />

2. Abschnitt: T. I, 53-98, Fortsp<strong>in</strong>nungsthema: Menschenwelt<br />

Verarbeitung mit assoziativer Neukomb<strong>in</strong>ation<br />

bisherigen thematischen Materials, zahlreiche<br />

Modulationen<br />

8 Abschnitte <strong>in</strong>: Wessel, S.214<br />

18


3. Anschnitt T. I, 99-172, Sehnsuchtsthema und<br />

dessen Verarbeitung, unter Aufnahme vorheriger<br />

Gedanken<br />

4. Abschnitt T. I, 173-322, dramatische Verarbeitung<br />

des thematischen Materials mit Bildung neuer<br />

Varianten<br />

5. Abschnitt T. I, 323-350, Epilog mit neuem<br />

melodischen Gedanken, an den Rhythmus des<br />

Hauptthemas ankl<strong>in</strong>gend<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> wollte bei der Komposition des Sturmes allzu e<strong>in</strong>deutige Tonmalerei<br />

umgehen (siehe Brief Nr. 9).<br />

Aufgrund rechtlicher Bestimmungen können die Notenbeispiele der Themen hier leider<br />

nicht kostenlos abgedruckt werden.<br />

Teil II:<br />

Abschnitt Inhalt, Motive, Bilder,<br />

mögliches Programm<br />

1. Abschnitt T. II, 1-70, Eröffnung mit Rückgriff auf<br />

Material aus Teil I<br />

2. Abschnitt T. II, 71-165, „Reigen“ mit zwei neuen Reigen, Ball beim Meerkönig<br />

Themen<br />

3. Abschnitt T. II, 166-210, Wiederaufnahme des Meereswelt, <strong>Seejungfrau</strong><br />

Haupt- und des <strong>Seejungfrau</strong>-Themas<br />

4. Abschnitt T. II, 211-234, weiteres neues Thema und<br />

Verarbeitung des <strong>Seejungfrau</strong>-Themas<br />

5. Abschnitt T. II, 235-361, Wiederaufnahme des<br />

„Reigens“<br />

Teil III:<br />

19<br />

Fest auf dem Schiff?, Reigen,<br />

Sehnsuchtsthema<br />

Der dritte Teil könnte, dem Märchen zufolge, das Leben der <strong>Seejungfrau</strong> an Land, die<br />

Hochzeit des Pr<strong>in</strong>zen und den Tod der <strong>Seejungfrau</strong> widerspiegeln.<br />

Gülke <strong>in</strong>terpretiert den dritten Teil folgendermaßen: die Verzweiflung der <strong>Seejungfrau</strong>,<br />

der Klagegesang der Schwestern, e<strong>in</strong> Requiem, die Darstellung der schlafenden<br />

Brautleute, der folgende <strong>in</strong>nere Konflikt der <strong>Seejungfrau</strong> und ihre Wandlung zu e<strong>in</strong>er<br />

der Töchtern der Luft. 9<br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> äußert sich allerd<strong>in</strong>gs nicht zum Inhalt des dritten Abschnitts. So wäre e<strong>in</strong>e<br />

andere Deutung, dass nun die Musik über das Märchen h<strong>in</strong>aus geht und wiederum die<br />

<strong>in</strong>nere Verfassung der <strong>Seejungfrau</strong> sowie Stimmungen darstellt. Dafür spräche auch,<br />

dass das Thema der <strong>Seejungfrau</strong> <strong>in</strong> diesem Teil dom<strong>in</strong>iert.<br />

9 Vgl. Gülke, S.64 f<br />

Sehnsucht<br />

Sturm, scheiterndes Schiff<br />

Epilog: Rettung, stille<br />

Seligkeit, volksliedhafte<br />

Innigkeit


Abschnitt<br />

1. Abschnitt T. III, 1-30, Lamento-Thema und <strong>Seejungfrau</strong>-Thema im Wechsel<br />

2. Abschnitt T. III, 31-137, lebhaftes F<strong>in</strong>ale-Thema: <strong>Seejungfrau</strong>-Thema und<br />

Sehnsuchts-Thema verbunden <strong>in</strong> neuer Variante, geme<strong>in</strong>same Verarbeitung mit<br />

Hauptthema und Lamento-Thema<br />

3. Abschnitt T. III, 138-154, ruhiger Abschnitt mit dichter Überlagerung verschiedener<br />

Themen aus Teil I bis III<br />

4. Abschnitt T. III, 155-197, ähnlich wie der vorige Abschnitt, jedoch ausgedehnter<br />

und dramatisch sich steigernd<br />

5. Abschnitt T. III, 198-223, Wiederaufgriff der E<strong>in</strong>leitung <strong>von</strong> Teil I<br />

6. Abschnitt T. III, 224-253, kaum veränderte Wiederaufnahme des 4. Abschnitts <strong>von</strong><br />

Teil II mit abschließender Coda, Ende <strong>in</strong> Es-Dur (sehr entfernte Tonart zum sonst<br />

vorherrschenden a-Moll)<br />

2.2.4.4 Themen und Motive<br />

<strong>Die</strong> Motive der Themen wiederholen sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Phrase selten und variieren ständig.<br />

E<strong>in</strong>e solche Variantenbildung führt zur Vernetzung der Themen. Zudem passen sich die<br />

Themen jeweils ihrer Umgebung an. Dennoch führen sie die Zuhörenden durch alle drei<br />

Teile. Im ersten Teil ist es am e<strong>in</strong>fachsten, die Themen herauszuhören. Mit der<br />

Verknüpfung der zuerst eigenständigen Themen zu e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heit wird es schwieriger,<br />

die Themen auszumachen. Wie die e<strong>in</strong>zelnen Themen mite<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Beziehung stehen,<br />

ist bei Peter Wessel(s. Literaturverzeichnis) nachzulesen. Hier wird die Komplexität der<br />

Themen <strong>in</strong> allen musikalischen Parametern ausführlich beschrieben.<br />

E<strong>in</strong>leitung „Meerestiefe“<br />

In der E<strong>in</strong>leitung erkl<strong>in</strong>gen Posaune, Tuba, Pauke, 1. Harfe, Fagott und die tiefen<br />

Streicher zu Beg<strong>in</strong>n des 1. Teils, deren weicher, tiefer Klang die Meerestiefe darstellt.<br />

Sie spielen <strong>in</strong> Quarten, Qu<strong>in</strong>ten oder Tonleitern.<br />

T. I, 3-6<br />

6/4, ke<strong>in</strong>e Vorzeichen<br />

(Aus oben genannten Gründen s<strong>in</strong>d die Notenbeispiele hier herausgenommen.)<br />

Hauptthema „Heimat“ / „Meereswelt“<br />

<strong>Die</strong> Bassklar<strong>in</strong>ette und das Horn stellen das Hauptthema vor. <strong>Die</strong> Wellenbewegung des<br />

Themas steht für die Wellen des Meeres.<br />

„Pendelfigur“<br />

<strong>Die</strong> Viol<strong>in</strong>en 1 und 2 spielen e<strong>in</strong>e Pendelfigur <strong>in</strong> stark chromatisiertem a-Moll.<br />

T. I, 18+19<br />

„<strong>Seejungfrau</strong>-Thema“<br />

20


Aus der Chromatik der Pendelfigur und den Aufwärtsbewegungen des Meereswelt-<br />

Themas stellt sich nun das „<strong>Seejungfrau</strong>-Thema“ neu zusammen, das zunächst die Solo-<br />

Viol<strong>in</strong>e präsentiert. Das „<strong>Seejungfrau</strong>-Thema“ ist das e<strong>in</strong>zige Thema, das periodisch<br />

aufgebaut ist. Während die E<strong>in</strong>leitung, das Hauptthema und die Pendelfigur <strong>in</strong> Moll<br />

stehen, bildet das „<strong>Seejungfrau</strong>-Thema“ ihnen gegenüber e<strong>in</strong>en Kontrast <strong>in</strong> Dur. Auch<br />

<strong>in</strong> Tempo, Taktart und Instrumentation bildet das „<strong>Seejungfrau</strong>-Thema“ e<strong>in</strong>en<br />

Gegensatz zu den vorhergehenden Themen.<br />

T. I, 21-25<br />

„Fortsp<strong>in</strong>nungsthema“<br />

Das „Fortsp<strong>in</strong>nungsthema“ weist zahlreiche Parallelen, aber auch Unterschiede zum<br />

Thema der „<strong>Seejungfrau</strong>“ und dem Hauptthema auf.<br />

T. I, 57-66<br />

Motiv „Schaum auf den Wellen“<br />

1. Oboe, 1. Klar<strong>in</strong>ette<br />

T. I, 9+10<br />

<strong>Die</strong> Flöten spielen das Motiv während des Reigens <strong>in</strong> veränderter Form (T. II, 71-74).<br />

„Sehnsuchts-Thema“<br />

Es spielen 1./2. Flöten (3#), 2./3. Föten (3#), Oboe (3#), Englisch Horn (4#), Es-<br />

Klar<strong>in</strong>ette (6#), 1./2. Klar<strong>in</strong>ette <strong>in</strong> B (5#), Bassklar<strong>in</strong>ette <strong>in</strong> B (5#), 1./2. Fagott (3#) und<br />

3. Fagott (3#). <strong>Die</strong> Streicher (ausgenommen Kontrabass) spielen an dieser Stelle die<br />

gleichen Stimmen wie die hohen Bläser, unterstützen also das Sehnsuchts-Thema im ff.<br />

T. I, 164-167<br />

„Sehnsucht der <strong>Seejungfrau</strong> <strong>von</strong> der Menschenwelt“<br />

Besetzung: Soloviol<strong>in</strong>e (2#)<br />

T. I, 100-103<br />

Das Thema wird später auch <strong>von</strong> den Bläsern gespielt.<br />

„Lamento-Thema“<br />

T. III, 1-8<br />

Das „Lamento-Thema“ wird <strong>von</strong> den ersten und zweiten Viol<strong>in</strong>en vorgestellt und <strong>von</strong><br />

den Klar<strong>in</strong>etten wiederholt.<br />

21


3. Methodisch-didaktische H<strong>in</strong>weise und Unterrichtsmaterialien<br />

<strong>Die</strong> Unterrichtsmaterialien s<strong>in</strong>d für Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler ab der 8. Klasse<br />

konzipiert. Sicherlich können e<strong>in</strong>ige Aufgaben auch schon <strong>in</strong> niedrigeren Klassen<br />

durchgeführt bzw. so verändert werden, dass auch jüngere Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

da<strong>von</strong> profitieren und auf e<strong>in</strong> Konzert vorbereitet werden können.<br />

Da zur <strong>Seejungfrau</strong> ke<strong>in</strong> Programm erhalten und die Komposition teilweise mehrdeutig<br />

ist, s<strong>in</strong>d viele Interpretationen der Musik denkbar. <strong>Die</strong>s lässt den Schüler<strong>in</strong>nen und<br />

Schülern <strong>in</strong> ihrem Umgang mit dem Werk e<strong>in</strong>e gewisse Freiheit und es bieten sich<br />

kreative Umsetzungen, wie z. B. Tanz, Kunst oder Lichttechnik an. Da <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> auf<br />

den Ausdruck se<strong>in</strong>er Komposition sehr viel Wert legte, sollten die Wirkung der Musik<br />

und die Gefühlswelt, die sie darstellt, im Mittelpunkt des Musikunterrichts stehen, um<br />

e<strong>in</strong>en authentischen Zugang zur Komposition zu schaffen.<br />

Es ist s<strong>in</strong>nvoll, die Motive bzw. Themen den Schüler<strong>in</strong>nen und Schülern vorzustellen,<br />

da diese im ganzen Werk wiederkehren. So ereignen sich Wiedererkennungseffekte<br />

während des Konzertbesuches. Zur Vorstellung der Themen eignet sich am besten der<br />

erste Teil, da gegen Ende des Werkes die Themen immer dichter mite<strong>in</strong>ander verknüpft<br />

werden.<br />

<strong>Die</strong> folgenden Aufgaben bauen aufe<strong>in</strong>ander auf, können aber beliebig – je nach zur<br />

Verfügung stehender Zeit – gekürzt oder gestrichen werden.<br />

3.1 Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung<br />

3.1.1 E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> das Thema und eigene Komposition<br />

Umfang: 2 Unterrichtsstunden<br />

Phase I: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler br<strong>in</strong>gen Bilder <strong>von</strong> Meeresgestalten oder<br />

Meerjungfrauen mit. <strong>Die</strong>se können selbstgemalt, aus Büchern oder aus dem Internet<br />

ausgedruckt se<strong>in</strong>.<br />

Welche Tiere, Gestalten und Pflanzen gibt es im Meer? Welche Sagenfiguren stammen<br />

aus dem Meer?<br />

Phase II: E<strong>in</strong>e Schüler<strong>in</strong> / e<strong>in</strong> Schüler erzählt das Märchen der <strong>Seejungfrau</strong>. <strong>Die</strong><br />

Lehrer<strong>in</strong> / der Lehrer ergänzt gegebenenfalls (s. 2.2.3 Märchentext „<strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e<br />

<strong>Seejungfrau</strong>“). Wie unterscheidet sich die Orig<strong>in</strong>alversion Christian Andersens <strong>von</strong> der<br />

bekannteren Version <strong>von</strong> Disney?<br />

Phase III: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler sammeln Gefühle, die die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong><br />

im Verlauf der Geschichte empf<strong>in</strong>det, z. B. Sehnsucht, Hoffnung, Vorfreude, Schmerz,<br />

Liebe, Enttäuschung, ...<br />

Phase IV: <strong>Die</strong> Lehrperson legt e<strong>in</strong>e Folie mit dem folgenden Zitat aus Christian<br />

Andersens Märchen auf. E<strong>in</strong>e Schüler<strong>in</strong> / e<strong>in</strong> Schüler liest den Abschnitt vor.<br />

22


»Wenn Ihr Euer fünfzehntes Jahr erreicht habt,« sagte die Großmutter, »dann sollt Ihr<br />

die Erlaubnis erhalten, aus dem Wasser empor zu tauchen, im Mondsche<strong>in</strong> auf der<br />

Klippe zu sitzen und die großen Schiffe, die vorbei segeln, zu sehen, Wälder und<br />

Städte werdet Ihr dann erblicken!«<br />

Aufgabe: Gibt es <strong>in</strong> „unserer Welt“ auch Altersbeschränkungen / Rituale, die an e<strong>in</strong><br />

Alter gebunden s<strong>in</strong>d? <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler tauschen sich kurz zu zweit aus,<br />

welche Regeln und Privilegien <strong>in</strong> ihrer Familie / ihrer Kultur gelten. Sie teilen ihre<br />

Erfahrungen dann im Klassengespräch mit.<br />

Phase V: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler vertonen die Erlebnisse der sechs Schwestern<br />

<strong>in</strong> Gruppenarbeit (s. Unterrichtsmaterialien 3.2.1). Sie werden <strong>in</strong> sechs Gruppen<br />

aufgeteilt. Jede Gruppe entwirft e<strong>in</strong> Konzept für die Vertonung e<strong>in</strong>es Erlebnisses, z. B.<br />

anhand e<strong>in</strong>er grafischen Notation. Immer zwei Gruppen kommen zusammen und<br />

entscheiden sich für e<strong>in</strong> Konzept, das sie dann vertonen. So entstehen drei<br />

Kompositionen, die geprobt und der Klasse vorgeführt werden. <strong>Die</strong> Gruppen<br />

entscheiden sich dann für zwei Motive, die den Übergang zwischen zwei<br />

Kompositionen darstellen. <strong>Die</strong> drei Teile werden zusammengefügt. Es entsteht e<strong>in</strong><br />

Stück <strong>von</strong> den Erlebnissen der Meerjungfrauen.<br />

3.1.2 <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>, Teil 1<br />

Umfang: 2 Unterrichtsstunden<br />

Phase I: Hörbeispiel: <strong>Die</strong> Erlebnisse der kle<strong>in</strong>en <strong>Seejungfrau</strong> an der Wasseroberfläche,<br />

T. I, 99-179<br />

Das Hörbeispiel f<strong>in</strong>det sich auf Youtube:<br />

http://www.youtube.com/watch?v=9hiJOp7gxjM<br />

Der Abschnitt zu den Erlebnissen der kle<strong>in</strong>en <strong>Seejungfrau</strong> an der Wasseroberfläche geht<br />

<strong>von</strong> 5‘27‘‘- 8‘13‘‘.<br />

Höraufgaben:<br />

1. Überprüfe die Liste der Gefühle der kle<strong>in</strong>en <strong>Seejungfrau</strong> (siehe 3.1.1). Welche<br />

Gefühle kommen vor? Welche Gefühle kannst du ergänzen?<br />

2. Welche Instrumente spielen mit? Welche Wirkung hat die Wahl der Instrumente?<br />

Gibt es unterschiedliche Klangfarben?<br />

Gleich nach dem Hören schildern die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler zunächst ihren ersten<br />

Höre<strong>in</strong>druck. Gefällt euch das Stück? Warum (nicht)? Dann werden die Aufgaben 1 und<br />

2 im Plenum besprochen.<br />

Gibt es Ähnlichkeiten zwischen euren Kompositionen und dem Hörbeispiel aus dem<br />

ersten Teil <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s „<strong>Seejungfrau</strong>“?<br />

Phase II: <strong>Die</strong> Lehrperson stellt die zwei der Motive „<strong>Seejungfrau</strong>“ und<br />

„Menschenwelt“ vor (Youtube-L<strong>in</strong>k bei 1‘58‘‘ und 5‘30‘‘). Gegebenenfalls können die<br />

23


Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler diese musizieren. Wenn nun das Hörbeispiel vom Anfang der<br />

Stunde e<strong>in</strong> zweites Mal erkl<strong>in</strong>gt, sollen die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler bewusst auf die<br />

Motive achten. Sie können z. B. die Hand heben, wenn sie die Motive hören oder<br />

zählen, wie oft sie erkl<strong>in</strong>gen.<br />

Phase III: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler bearbeiten die Aufgaben zu <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s<br />

Briefen an Schönberg zur Entstehung der „<strong>Seejungfrau</strong>“ (s. Unterrichtsmaterialien<br />

3.2.2). Bei kle<strong>in</strong>eren Klassen oder Zeitmangel können die Briefe Nr.19, 22, 24 und 37<br />

weggelassen werden. <strong>Die</strong> Lehrperson gibt Informationen zum Zeitgeschehen um 1900.<br />

<strong>Die</strong> Aufgabe Nr. 8 kann z. B. als e<strong>in</strong>e Internetrecherche gelöst werden.<br />

Phase IV: Gattung S<strong>in</strong>fonische Dichtung / Fantasie: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

schreiben <strong>in</strong> Partnerarbeit e<strong>in</strong>en Lexikone<strong>in</strong>trag für e<strong>in</strong> Jugendlexikon. Folgende<br />

Internetseiten geben Informationen zur Gattung S<strong>in</strong>fonische Dichtung.<br />

http://www.theatergeme<strong>in</strong>de-bonn.de/kultur/kultur-Archiv/musikalischebegriffe/s<strong>in</strong>fonische-dichtung/<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/S<strong>in</strong>fonische_Dichtung<br />

Auch der Text aus 2.2.1, der auf Informationen aus dem MGG basiert, kann dazu<br />

verwendet werden.<br />

3.1.3 <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>, Teil 2<br />

Umfang: 1 Unterrichtsstunde<br />

Phase I: Hörbeispiel, Teil 2. Den 2. Teil gibt es ebenfalls auf Youtube:<br />

http://www.youtube.com/watch?v=-K-34IvkpoI<br />

und http://www.youtube.com/watch?v=jZze_2uawNk<br />

Während des Hörens machen sich die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler Notizen zu den<br />

Aufgaben 1 und 2, die im Anschluss geme<strong>in</strong>sam besprochen werden.<br />

1. Zeichne e<strong>in</strong>e „Dramatikkurve“ und ordne ihr passende Adjektive zu. (Beispiel s.<br />

3.2.6 Lösungen )<br />

2. Wie wird diese Wirkung erzeugt?<br />

Phase II: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler ordnen die durche<strong>in</strong>andergeratenen<br />

Spielanweisungen der Reihe nach. Das Ergebnis kann e<strong>in</strong> Anhaltspunkt für die dritte<br />

Phase se<strong>in</strong>.<br />

Bemerkung: Unter den Unterrichtsmaterialien 3.2.3 f<strong>in</strong>den Sie die Spielanweisungen <strong>in</strong><br />

ihrer richtigen Reihenfolge. <strong>Die</strong>se können z. B. <strong>in</strong> Abschnitten ause<strong>in</strong>ander geschnitten<br />

und dann im Unterricht <strong>in</strong> Partnerarbeit zusammengesetzt werden.<br />

Phase III: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler gestalten die Lichttechnik für e<strong>in</strong>e<br />

Inszenierung, z. B. e<strong>in</strong>e Tanzaufführung. Welche Farben und Effekte würden passen?<br />

ODER<br />

24


<strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler entwerfen <strong>in</strong> Gruppen e<strong>in</strong>en eigenen Tanz zu Teil 2 mit<br />

weißen Handschuhen und Schwarzlicht.<br />

3.1.4 <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>, Teil 3<br />

Umfang: 1 Unterrichtsstunde<br />

Möglichkeit I: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler malen abstrakte oder konkrete Bilder mit<br />

Wasserfarben, während sie den gesamten dritten Teil (14‘) der „<strong>Seejungfrau</strong>“ hören.<br />

Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=i_axxxYiVIs<br />

und http://www.youtube.com/watch?v=tpjNMn7cTgc<br />

Sie gestalten anschließend e<strong>in</strong>e Bilderausstellung im Schulhaus oder im<br />

Klassenzimmer.<br />

ODER<br />

Möglichkeit II: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler schreiben Emotionen und Stimmungen<br />

auf, die ihrer Me<strong>in</strong>ung nach zur Musik des dritten Teils passen. <strong>Die</strong> Lehrer<strong>in</strong> / der<br />

Lehrer zeigt Bilder mit verschiedenen Gesichtsausdrücken (s. Unterrichtsmaterialien<br />

3.2.4) <strong>in</strong> unterschiedlichen Emotionen. Daraufh<strong>in</strong> stellen die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

ihre notierten Emotionen und Stimmungen durch Gesichtsausdrücke dar und<br />

fotografieren sich gegenseitig.<br />

Sie gestalten anschließend e<strong>in</strong>e Fotoausstellung oder e<strong>in</strong>e Präsentation mit Beamer.<br />

Vielleicht ist sogar e<strong>in</strong>e Installation im Schulgebäude mit der Musik und den Fotos<br />

umsetzbar.<br />

3.1.6 Das Orchester kennenlernen<br />

Umfang: 1 Unterrichtsstunde<br />

Gruppenarbeit:<br />

<strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler bearbeiten drei Themen. Bei <strong>in</strong>sgesamt sechs Gruppen<br />

bearbeiten jeweils zwei Gruppen e<strong>in</strong> Thema.<br />

Hierzu sollen die Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler selbst im Internet recherchieren.<br />

Gruppe 1: Radios<strong>in</strong>fonieorchester Stuttgart des SWR<br />

<strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler gestalten e<strong>in</strong> Plakat zum Radios<strong>in</strong>fonieorchester<br />

Stuttgart. Fragen zur Anregung: Welche Instrumentengruppen kommen vor? Wie sitzen<br />

sie im Orchester? Seit wann gibt es das Orchester? Spielt das Orchester nur <strong>in</strong> Stuttgart<br />

oder auch an anderen Orten?<br />

Welche Fragen könnten wir bei e<strong>in</strong>em Interview stellen?<br />

Folgende Homepage ist hilfreich:<br />

http://www.swr.de/orchester-und-ensembles/rso/ueberuns/-<br />

/id=788422/di0lyb/<strong>in</strong>dex.html<br />

Gruppe 2: Dirigent<strong>in</strong> Xian Zhang<br />

<strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler gestalten e<strong>in</strong>e Seite für das Programmheft über die<br />

Dirigent<strong>in</strong>.<br />

25


Folgende Internetseiten s<strong>in</strong>d hilfreich:<br />

http://www.klassik-heute.com/kh/6kuenstler/bio_i_30549.shtml<br />

http://www.pressefoyer.com/amc4/p_archivbeitrag_detail01_prt.php?lng=de&filter_pat<br />

=808<br />

Gruppe 3: Beethovensaal<br />

<strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler gestalten e<strong>in</strong> Plakat zum Beethovensaal mit e<strong>in</strong>er Skizze<br />

des Saals und erkundigen sich über die Anfahrt zur Liederhalle Stuttgart.<br />

Folgende Internetseiten s<strong>in</strong>d hilfreich:<br />

Über den Beethovensaal: http://www.liederhallestuttgart.de/<strong>in</strong>dex.php?tacoma=webpart.pages.TacomaDynamicPage&navid=4069&coi<br />

d=4069&&cid=0<br />

Raumplan: http://www.liederhallestuttgart.de/filerepository/uxTyYanEM3V93brwzEcz.pdf<br />

Anfahrtsplan: http://www.liederhallestuttgart.de/filerepository/vBpBstRfqcFXG7atR5vh.pdf<br />

3.1.7 Nach dem Konzertbesuch<br />

Umfang: 1 Unterrichtsstunde<br />

Phase I: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler verfassen e<strong>in</strong>e Kritik zum Konzert. War die<br />

Musik ausdrucksstark, wie es <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> beabsichtigte?<br />

Bemerkung: <strong>Die</strong>se Aufgabe bietet sich auch als Hausaufgabe nach dem Konzertbesuch<br />

an.<br />

Phase II: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler vergleichen die Musik der „<strong>Seejungfrau</strong>“ mit<br />

der Filmmusik zu „Fluch der Karibik“, Arielle, der Meerjungfrau und / oder H2O.<br />

Youtube Meerjungfrauen <strong>in</strong> Fluch der Karibik:<br />

http://www.youtube.com/watch?v=8gxJhs-LnVE&feature=fvwp&NR=1<br />

Youtube Arielle, die Meerjungfrau, 2‘15‘‘-3‘10‘‘: http://www.youtube.com/watch?v=li52Z3ycj4<br />

Youtube H2O, 7‘43‘‘-8‘55‘‘: http://www.youtube.com/watch?v=6OZaTHEDoVY<br />

<strong>Die</strong> Glockenspielstimme der H2O -Filmmusik kann <strong>in</strong> der Klasse zusammen musiziert<br />

werden (s. Unterrichtsmaterialien 3.2.5).<br />

Phase III: <strong>Die</strong> Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler bekommen das Programm „Young Classix“.<br />

Wählt e<strong>in</strong>en Workshop oder e<strong>in</strong> Projekt aus, das euch <strong>in</strong>teressiert und stellt dieses <strong>in</strong><br />

der Klasse vor.<br />

Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung: anna.lena.mueller1@gmail.com. Ich freue<br />

mich auch über Kritik oder Anregungen, da die Handreichung Teil me<strong>in</strong>er<br />

Zulassungsarbeit ist.<br />

26


3.2 Materialien<br />

3.2.1 Gruppenarbeit „Erlebnisse der sechs Schwestern“<br />

<strong>Die</strong> Erlebnisse der Schwestern an der Wasseroberfläche<br />

Nun war die älteste Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> fünfzehn Jahre alt und durfte über die Meeresfläche<br />

emporsteigen.<br />

Als sie zurückkehrte, hatte sie hunderterlei zu erzählen, aber das Schönste, sagte sie,<br />

war im Mondsche<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>er Sandbank <strong>in</strong> der ruhigen See zu liegen, und nahebei die<br />

Küste mit der großen Stadt zu betrachten, wo die Lichter gleich hundert Sternen<br />

bl<strong>in</strong>kten, die Musik und den Lärm und das Toben <strong>von</strong> Wagen und Menschen zu hören,<br />

die vielen Kirchtürme und Spitzen zu sehen, und das Läuten der Glocken zu hören.<br />

Im folgenden Jahre erhielt die zweite Schwester die Erlaubnis, durch das Wasser empor<br />

zu steigen und zu schwimmen, woh<strong>in</strong> sie wolle. Sie tauchte auf, eben als die Sonne<br />

unterg<strong>in</strong>g, und dieser Anblick, fand sie, war das Schönste. Der ganze Himmel habe wie<br />

Gold ausgesehen, sagte sie, und die Wolken, ja, deren Schönheit konnte sie nicht genug<br />

beschreiben; rot und blau waren sie über ihr dah<strong>in</strong> gesegelt, aber weit schneller als<br />

diese, flog, e<strong>in</strong>em langen, weißen Schleier gleich, e<strong>in</strong> Schwarm wilder Schwäne über<br />

das Wasser h<strong>in</strong>, wo die Sonne stand. Sie schwammen derselben entgegen, aber die<br />

Sonne sank, und der Rosensche<strong>in</strong> erlosch auf der Meeresfläche und den Wolken.<br />

Das Jahr darauf kam die dritte Schwester h<strong>in</strong>auf; sie war die mutigste <strong>von</strong> allen, deshalb<br />

schwamm sie e<strong>in</strong>en breiten Fluss aufwärts, der <strong>in</strong> das Meer ausmündete. Herrlich grüne<br />

Hügel mit We<strong>in</strong>ranken erblickte sie, Schlösser und Gehöfte schimmerten durch<br />

prächtige Wälder hervor; sie hörte, wie alle Vögel sangen, und die Sonne schien so<br />

warm, dass sie oft unter das Wasser tauchen musste, um ihr brennendes Antlitz<br />

abzukühlen. Nie konnte sie die prächtigen Wälder, die grünen Hügel und die niedlichen<br />

K<strong>in</strong>der vergessen, die im Wasser schwimmen konnten, obgleich sie ke<strong>in</strong>en<br />

Fischschwanz hatten.<br />

<strong>Die</strong> vierte Schwester war nicht so kühn, sie blieb draußen mitten im wilden Meer, und<br />

erzählte, dass es dort am schönsten sei; man sehe r<strong>in</strong>gsumher, viele Meilen weit, und<br />

der Himmel stehe wie e<strong>in</strong>e Glasglocke darüber. Schiffe hatte sie gesehen, aber nur <strong>in</strong><br />

weiter Ferne, sie sahen wie Strandmöven aus, und die possierlichen Delph<strong>in</strong>e hatten<br />

Purzelbäume geschossen, und die großen Walfische aus ihren Nasenlöchern Wasser<br />

empor gespritzt, sodass es ausgesehen hatte, wie hunderte <strong>von</strong> Spr<strong>in</strong>gbrunnen<br />

r<strong>in</strong>gsumher.<br />

Nun kam die Reihe an die fünfte Schwester; ihr Geburtstag fiel gerade im W<strong>in</strong>ter, und<br />

deshalb sah sie, was die andern das erste Mal nicht gesehen hatten. <strong>Die</strong> See nahm sich<br />

ganz grün aus, und r<strong>in</strong>gsumher schwammen große Eisberge, e<strong>in</strong> jeder sah wie e<strong>in</strong>e Perle<br />

aus, sagte sie, und war doch weit größer als die Kirchtürme, welche die Menschen<br />

bauen. Sie zeigten sich <strong>in</strong> den sonderbarsten Gestalten und glänzten wie Diamanten. Sie<br />

hatte sich auf e<strong>in</strong>en der allergrößten gesetzt und alle Segler kreuzten erschrocken<br />

draußen herum, wo sie saß und den W<strong>in</strong>d mit ihrem langen Haar spielen ließ; aber<br />

gegen Abend hatte sich der Himmel mit Wolken überzogen, es blitzte und donnerte,<br />

während die schwarze See die großen Eisblöcke hoch emporhob und sie beim roten<br />

27


Blitz erglänzen ließ. Auf allen Schiffen nahm man die Segel e<strong>in</strong>, da war e<strong>in</strong>e Angst und<br />

e<strong>in</strong> Grauen, aber sie saß ruhig auf ihrem schwimmenden Eisberge und sah die blauen<br />

Blitzstrahlen im Zickzack <strong>in</strong> die schimmernde See fahren.<br />

Endlich war die jüngste Schwester fünfzehn Jahre alt. <strong>Die</strong> Sonne war eben<br />

untergegangen, als sie den Kopf über das Wasser erhob, aber alle Wolken glänzten noch<br />

wie Rosen und Gold, und <strong>in</strong>mitten der blassroten Luft strahlte der Abendstern hell und<br />

schön, die Luft war mild und frisch, und das Meer ganz ruhig. Da lag e<strong>in</strong> großes Schiff<br />

mit drei Masten, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Segel war nur aufgezogen, denn es rührte sich ke<strong>in</strong><br />

Lüftchen, und r<strong>in</strong>gsumher im Tauwerk und auf den Stangen saßen Matrosen. Da war<br />

Musik und Gesang, und wie der Abend dunkler ward, wurden Hunderte <strong>von</strong> bunten<br />

Laternen angezündet; sie sahen aus als ob die Flaggen aller Völker <strong>in</strong> der Luft wehten.<br />

<strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> schwamm bis zum Kajütenfenster h<strong>in</strong>, und jedes Mal, wenn das<br />

Wasser sie emporhob, konnte sie durch die spiegelklaren Fensterscheiben blicken, wo<br />

viele geputzte Menschen standen; aber der schönste war doch der junge Pr<strong>in</strong>z mit den<br />

großen, schwarzen Augen. Er war sicher nicht mehr als fünfzehn Jahre alt; heute war<br />

se<strong>in</strong> Geburtstag und deshalb herrschte all' diese Pracht. <strong>Die</strong> Matrosen tanzten auf dem<br />

Verdeck, und als der junge Pr<strong>in</strong>z da h<strong>in</strong>austrat, stiegen über hundert Raketen <strong>in</strong> die Luft,<br />

die leuchteten wie der helle Tag, sodass die kle<strong>in</strong>e <strong>Seejungfrau</strong> sehr erschrak und unter<br />

das Wasser tauchte, aber sie steckte bald den Kopf wieder hervor, und da war es gerade,<br />

als ob alle Sterne des Himmels zu ihr herunter fielen. Nie hatte sie solche Feuerkünste<br />

gesehen. Große Sonnen sprühten herum, prächtige Feuerfische flogen <strong>in</strong> die blaue Luft,<br />

und alles glänzte <strong>in</strong> der klaren, stillen See wieder. Auf dem Schiffe selbst war es so hell,<br />

dass man jedes kle<strong>in</strong>e Tau, wie viel mehr die Menschen sehen konnte. O, wie war doch<br />

der junge Pr<strong>in</strong>z hübsch, und er drückte den Leuten die Hände und lächelte, während die<br />

Musik <strong>in</strong> der herrlichen Nacht erklang!<br />

28


3.2.2 Briefe <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s an Schönberg über die Entstehung der <strong>Seejungfrau</strong><br />

[Poststempel: Wien, 18.II.[?]1902]<br />

Lieber Freund, [...]<br />

Ich arbeite fest an e<strong>in</strong>er symphonischen Dichtung: „Das Meerfräule<strong>in</strong>“ v. Andersen, es<br />

soll e<strong>in</strong>e Vorarbeit für me<strong>in</strong>e Symfonie „Vom Tode“ werden. Ich habe große Freude<br />

damit. Mir s<strong>in</strong>d fast alle Themen dafür schon e<strong>in</strong>gefallen u. gute vor allem. Ich b<strong>in</strong> auch<br />

schon mitten dr<strong>in</strong>nen. Lies das Märchen. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>theilung so:<br />

I. Theil a: Am Meeresgrund (ganze Explosion) b: des Meerfräule<strong>in</strong> auf der Menschen-<br />

Welt, der Sturm, des Pr<strong>in</strong>zen Errettung,<br />

II. Theil a das Meerfr:[äule<strong>in</strong>s] Sehnsucht; bei der Hexe. b: des Pr<strong>in</strong>zen Vermählung,<br />

des Meerfr. Ende. Also II Theile aber 4 Abschnitte.<br />

Gruß <strong>von</strong> allen an Dich und Mathilde<br />

Herzlichst Alex<br />

Quelle: Weber, Nr. 4, S. 7ff<br />

Bemerkung: <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> hat ke<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>fonie „Vom Tode“ komponiert.<br />

[Wien], 27. März [190]2<br />

„am Tage der Auferstehung unseres Herrn u Heiland!“<br />

L. Fr. [...]<br />

Ich halte am Ende des 1. Theiles me<strong>in</strong>er symph. Dichtung, u.z.comp. ich gerade den<br />

Sturm am Meer: e<strong>in</strong>e Sauarbeit, wenn man nicht billig und geme<strong>in</strong> se<strong>in</strong> will. [...]<br />

Alex.<br />

Quelle: Weber, Nr.9, S.13f<br />

Bemerkung: u.z.comp. = und zwar komponiere<br />

[Poststempel: Wien, 18.VII.1902]<br />

Lieber Freund, [...]<br />

Me<strong>in</strong>e symf. Dichtung wächst mir allmählich über den Kopf. Sie wird immer grösser,<br />

aber auch tiefer durchdacht u. ich hoffe nicht ganz schlecht: Zufrieden – das werden wir<br />

beide – hoffentlich nie se<strong>in</strong>. Bei dieser Gelegenheit empfehle ich Dir dr<strong>in</strong>gen[d]st e<strong>in</strong>en<br />

Roman <strong>von</strong> Zola – „das Kunstwerk“ (auf deutsch), da stehn tiefs<strong>in</strong>nige D<strong>in</strong>ge über den<br />

schaffenden, revolutionären Künstler dar<strong>in</strong>. Lies ihn unbed<strong>in</strong>gt! [...]<br />

Herzlichste Grüsse für Dich u. Alle<br />

Quelle: Weber, Nr.16, S.20ff<br />

29


[Poststempel: 9.VIII.1902]<br />

Altmünster<br />

Lieber Freund, [...]<br />

Ich b<strong>in</strong> wüthend, dass du de<strong>in</strong>e Sache fertig componirt hast – ich b<strong>in</strong> noch nicht fertig.<br />

Wie lang ist de<strong>in</strong>e Sache. Me<strong>in</strong> Stück dauert doch ¾ Stunde Aufführungszeit. Ich<br />

<strong>in</strong>strumentire jetzt daran und componir erst <strong>in</strong> Wien den Schluss. Ich werde<br />

wahrsche<strong>in</strong>lich e<strong>in</strong>e grosse Mission für Dich haben. Nämlich Strauss zu fragen, ob es<br />

ihm genügt, wenn ich ihm e<strong>in</strong>en Theil der Partitur schicke – das Ganze erst wenn ich<br />

fertig b<strong>in</strong>. Vielleicht wirst du so gut se<strong>in</strong>? [...]<br />

Herzlichst Alex<br />

Quelle: Weber, Nr.19, S.23ff<br />

[Poststempel: Altmünster, 19.VIII.1902]<br />

Lieber Freund, [...]<br />

Ich habe heute de<strong>in</strong>en Brief bekommen, freue mich, dass du auch nicht fertig wirst mit<br />

de<strong>in</strong>er Arbeit. Me<strong>in</strong>e wird m<strong>in</strong>destens doppelt so lang! [...]<br />

Quelle: Weber, Nr.22, S.25f<br />

[Postkarte<br />

Poststempel: Altmünster, 28.VIII.1902]<br />

L. Fr. [...]<br />

Me<strong>in</strong> 1. Theil ist fertig <strong>in</strong>strumentirt – ck 60 Partitur Seiten. Was ist mit Dir? Schreib‘<br />

wieder e<strong>in</strong>mal!<br />

Herzl. Gr. Alex. [...]<br />

Quelle: Weber, Nr.24, S.27<br />

[Postkarte<br />

Poststempel: Wien, 4.IX.1902]<br />

L. Fr. [...]<br />

Ich möchte dir dieser Tage den fertigen 1. Theil me<strong>in</strong>er s.D. schicken, damit du so gut<br />

seist u. ihn R.Str[auss] br<strong>in</strong>gst – Es ist wohl der schwächste <strong>von</strong> den drei Theilen – ich<br />

glaube aber, noch immer so, um nicht das Interesse für die andern schw<strong>in</strong>den zu lassen<br />

– ich denke sogar besser. Ich werde dazu e<strong>in</strong>en Brief für R.Str[auss] schicken ich<br />

beende dieser Tage die Composition, <strong>in</strong>strumentire dabei am 2. Theil. [...]<br />

Ich dürfte me<strong>in</strong>e 3 Stücke oder die s.D. den Phylharmonikern geben, die andern können<br />

doch zu wenig dafür. Beides aber ist sehr schwer. Gruss Alex [...]<br />

Quelle: Weber, Nr.25, S.27<br />

30


[Poststempel: Wien, 11.IX.1902]<br />

Lieber Freund,<br />

du erhäl[t]st wahrsche<strong>in</strong>lich gleichzeitig mit diesem Brief, me<strong>in</strong>en I. Theil der symf..D.<br />

[...] <strong>in</strong> ck 3-4 Wochen b<strong>in</strong> ich ganz fertig; die Sache hat 3 Theile, dauert höchstens30<br />

M<strong>in</strong>., eher weniger. Auch, dass ich den 1.Theil nicht für den bestgelungenen halte. [...]<br />

Herzliche Grüsse<br />

Alex<br />

Quelle: Weber, Nr.27, S.28<br />

[Poststempel: Wien, 16.IX.1902]<br />

Lieber Freund, vielen, vielen Dank für de<strong>in</strong>en Brief. Ich brauche dir nicht zu sagen, wie<br />

wohl solche Worte e<strong>in</strong>em <strong>von</strong> wahrem u. verständigem Munde thun. Weiss ich auch,<br />

dass <strong>in</strong> de<strong>in</strong>em so freundlichen, warmen Lobe, e<strong>in</strong> grosser Theil Sehnsucht nach Wien u<br />

de<strong>in</strong>en Freunden enthalten ist, b<strong>in</strong> ich noch immer froh über den Rest, der für mich<br />

alle<strong>in</strong> u. me<strong>in</strong>e Arbeit bleibt. Und gerade, dass du lieber doppelt so viel Gutes f<strong>in</strong>dest u.<br />

auch sagst: wie freundlich u. selbstlos <strong>von</strong> Dir! Wie anders als die, die nur halb so viel<br />

f<strong>in</strong>den als da ist u. – nichts sagen! Also nochmals: vielen Dank. [...]<br />

Jetzt will ich zur Arbeit, schliesse deshalb.<br />

Herzlichste Grüsse für euch alle<br />

Alex. [...]<br />

Quelle: Weber: Nr.28, S.29<br />

[Poststempel: Wien, 30.X.1902]<br />

Lieber Freund, [...]<br />

Der Anfang des II. Theiles ist e<strong>in</strong> Ball am Meeresgrunde, se[e]lische Motive s<strong>in</strong>d<br />

natürlich verflochten, aber ich brauchte diese äusserliche Stimmung zu musikalischen<br />

Gegensätzen. Auch möchte ich – so weit wie wir das können, - das Märchenhafte<br />

irgendwie fixieren. Später dann das Motiv ¾ langsam: <strong>von</strong> der unsterblichen Seele des<br />

Menschen, - dann der Gang zur Meerhexe, die zauberhafte Verwandlung des<br />

Meerfräule<strong>in</strong>s zum Menschen etc. Das nur zur oberflächlichen Orientierung. [...]<br />

Alex.<br />

Quelle: Weber: Nr.31, S.31ff<br />

31


[Poststempel: Wien, 19.II.1903]<br />

Lieber Freund, [...]<br />

Ich mache jetzt me<strong>in</strong>e „<strong>Seejungfrau</strong>“ zu Ende. <strong>Die</strong> Sache ist ziemlich umfangreich<br />

geworden. [...]<br />

Grüsse Mathilde u. die Kle<strong>in</strong>e<br />

u. sei auch herzlich gegrüsst <strong>von</strong><br />

Alex.<br />

Quelle: Weber: Nr.37, S.39f<br />

[Poststempel: Wien, 17.III.1903]<br />

L. Fr. [...]<br />

Heute mache ich die letzten Takte me<strong>in</strong>er „<strong>Seejungfrau</strong>“. Der 3. Theil ist der<br />

„<strong>in</strong>nerlichste“ – so glaube ich. [...]<br />

Herzlichen Gruss<br />

Alex<br />

Quelle: Weber: Nr.38, S.40f<br />

[Poststempel: Wien, 29.V.1903]<br />

Lieber Freund, heute e<strong>in</strong> paar „Hoffnungen“ – vielleicht ohne Erfüllung! Ich habe<br />

wegen Pelleas etwas unternommen, welches das Resultat haben soll: e<strong>in</strong> Concert <strong>in</strong><br />

Wien mit „Pelleas“ u. „Meerfräule<strong>in</strong>“ <strong>von</strong> mir selbst studirt. Ich habe jemanden<br />

<strong>in</strong>teressirt, der sich mit Nachdruck bei e<strong>in</strong>em Musik- u. Geld-Fexen e<strong>in</strong>setzen will. [...]<br />

Herzlich Alex. [...]<br />

Quelle: Weber: Nr.42, S.44<br />

Bemerkung: „Pelleas und Melisande“ ist e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>fonische Dichtung <strong>von</strong> Arnold<br />

Schönberg und wurde zusammen mit der „<strong>Seejungfrau</strong>“ am 25.1.1905 <strong>in</strong> Wien<br />

uraufgeführt.<br />

32


Aufgaben<br />

1. Damals war die Rechtschreibung nach Duden noch nicht im gesamten<br />

deutschsprachigen Raum etabliert. Wie wird denn nun S... D... geschrieben? (Bitte<br />

ankreuzen.)<br />

 S<strong>in</strong>fonische Dichtung<br />

 S<strong>in</strong>phonische Dichtung<br />

 Symphonische Dichtung<br />

 Symfonische Dichtung<br />

2. Wie stehen <strong>Alexander</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> und Arnold Schönberg zue<strong>in</strong>ander?<br />

3. Wie hatte Alex den Aufbau der „<strong>Seejungfrau</strong>“ ursprünglich geplant und wie hat er<br />

ihn schließlich umgesetzt? (Briefe Nr. 4 und 25/27)<br />

4. Was hält Arnold Schönberg <strong>von</strong> <strong>Alexander</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s „<strong>Seejungfrau</strong>“? (Brief<br />

Nr. 28)<br />

5. Im Brief vom 30.10.1903 schreibt Alex <strong>von</strong> musikalischen Motiven <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Komposition und <strong>von</strong> dem Märchenhaften. (Brief Nr. 31) Wirkt die Musik<br />

märchenhaft? Wenn ja, welche Elemente lassen sie märchenhaft wirken?<br />

6. Welche „musikalischen Gegensätze“ gibt es <strong>in</strong> der „<strong>Seejungfrau</strong>“? (Brief Nr. 31)<br />

7. Wann beendete Alex die Komposition der „<strong>Seejungfrau</strong>“? (Brief Nr. 38)<br />

8. F<strong>in</strong>de heraus, ob bzw. wann „<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“ wirklich zum ersten Mal aufgeführt<br />

wurde. (Brief Nr. 42)<br />

9. Fiel es Alex leicht, die „<strong>Seejungfrau</strong>“ zu komponieren? Wie erg<strong>in</strong>g es ihm dabei?<br />

(Briefe Nr. 4, 9, 16, 19, 22)<br />

33


3.2.3 Spielanweisungen<br />

<strong>Die</strong> Spielanweisungen, die <strong>Alexander</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> den Orchestermusikern als<br />

Orientierung aufgeschrieben hat, s<strong>in</strong>d durche<strong>in</strong>ander geraten. Versuche sie zu ordnen,<br />

während du den zweiten Teil der „<strong>Seejungfrau</strong>“ hörst.<br />

6/8 Sehr bewegt, rauschend<br />

Noch schneller<br />

Sehr langsam und leise<br />

1. Zeitmaß<br />

dim<strong>in</strong>uendo (leiser werden)<br />

Immer ruhiger<br />

Ruhig wiegend wie im Reigen<br />

Steigern<br />

Noch bewegter<br />

Früheres Zeitmaß<br />

Nach und nach ruhiger<br />

Steigern<br />

Breit<br />

Steigern<br />

4/4 sehr ruhig<br />

Steigern<br />

Mit großer Wärme<br />

Allmählich aber stark steigern<br />

Mit großer Wärme<br />

5/4 ritardando ¾ sehr breit<br />

6/8 1.Zeitmaß<br />

Steigern<br />

Fortwährend steigern<br />

34<br />

Noch bewegter<br />

Dim<strong>in</strong>uendo (leiser werden)<br />

Fortwährend abnehmend<br />

Lange Pause<br />

¾ Sehr gedehnt<br />

6/8 früheres Zeitmaß, nur mäßiger


3.2.4 Gesichtsausdrücke<br />

Verliebt se<strong>in</strong><br />

Sehnsucht<br />

35


Hoffnung<br />

Freude<br />

36


Traurigkeit<br />

Verzweiflung<br />

37


3.2.5 Noten für Klassenmusizieren – Filmmusik zu „H2O“<br />

3.2.6 Lösungen zu den Aufgaben<br />

Zu 3.1.3 Phase I:<br />

Aufgabe 1: Beispiel für e<strong>in</strong>e „Dramatikkurve“<br />

Dramatik<br />

Aufgabe 2: <strong>Die</strong> Wirkung wird erzeugt durch Veränderung des Rhythmus, Dynamik,<br />

Instrumentation, Harmonik, Chromatik, Spielweise, …<br />

38<br />

Zeit


4. Literaturverzeichnis<br />

Altenburg, Detlef: Symphonische Dichtung. In: Blume, Friedrich (Hrsg.): <strong>Die</strong> Musik <strong>in</strong><br />

Geschichte und Gegenwart. Band 2. Kassel: Bärenreiter, 1965. S. 153-162.<br />

Beaumont, Antony: <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>. London: Faber and Faber, 2000. S.125-129.<br />

Dahlhaus, Carl & Danuser, Hermann (Hrsg.): Neues Handbuch der Musikwissenschaft.<br />

<strong>Die</strong> Musik des 20. Jahrhunderts. Laaber Verlag, 1984. S. 85.<br />

Gülke, Peter: <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>s „<strong>Seejungfrau</strong>“. In: Krones, Hartmut (Hrsg.): <strong>Alexander</strong><br />

<strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>. Ästhetik, Stil und Umfeld. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag Ges.m.b.H.<br />

& CoKG, 1995. S.57-65.<br />

Krones, Hartmut: <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>. In: Blume, Friedrich (Hrsg.): <strong>Die</strong> Musik <strong>in</strong> Geschichte und<br />

Gegenwart. Band 14. Kassel: Bärenreiter, 1968. S. 1413-1422.<br />

Mauser, Siegfried & Schmidt, Matthias (Hrsg.): Geschichte der Musik im 20.<br />

Jahrhundert: 1900-1925. Band 1. Laaber: Laaber-Verlag, 2005. S.169.<br />

Nebehay, Christian M.: Musik um 1900. Wo f<strong>in</strong>de ich...? Wien speziell. Wien: Verlag<br />

Christian Brandstätter, 1984. S. VI/6.<br />

Weber, Horst (Hrsg.): <strong>Alexander</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>: Briefwechsel mit Arnold Schönberg, Anton<br />

Werbern, Alban Berg und Franz Schreker. In: Ertelt, Thomas (Hrsg.): Briefwechsel der<br />

Wiener Schule. Band 1. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1995.<br />

Wessel, Peter: Im Schatten Schönbergs. Rezeptionshistorische und analytische Studien<br />

zum Problem der Orig<strong>in</strong>alität und Modernität bei <strong>Alexander</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>. Band 5. Aus<br />

der Reihe: Krones, Hartmut (Hrsg.): Schriften des Wissenschaftszentrums Arnold<br />

Schönberg. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag Ges.m.b.H. und Co.KG, 2009.<br />

Onl<strong>in</strong>equellen:<br />

Märchen der kle<strong>in</strong>en <strong>Seejungfrau</strong>:<br />

http://www.zeno.org/Literatur/M/Andersen,+Hans+Christian/M%C3%A4rchensammlu<br />

ng/M%C3%A4rchen/<strong>Die</strong>+kle<strong>in</strong>e+<strong>Seejungfrau</strong><br />

[10.8.2012]<br />

Bild <strong>Alexander</strong> <strong>von</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>: Deutsche Welle:<br />

http://www.dw.de/dw/article/0,,15361654,00.html [03.10.2012]<br />

Bild Freude: http://www.bistum-augsburg.de/<strong>in</strong>dex.php/bistum/Hauptabteilung-<br />

III/Spirituelle-<strong>Die</strong>nste/Geistlicher-Impuls/Jahreskreis/Fussball-Freude [03.10.2012]<br />

Bild Hoffnung:<br />

http://imag<strong>in</strong>evienna.at/Portfolio.9.0.html?ref=gal&imageId=2151&username=Kletterm<br />

ayer&format=650 [03.10.2012]<br />

39


Bild <strong>Seejungfrau</strong> Deckblatt: http://de.wikipedia.org/wiki/Meerjungfrau [14.09.2012]<br />

Bild Sehnsucht:<br />

http://www.grenzlandtheater.de/de/theater/ensemble/name/Peter%20Anders.html<br />

[03.10.2012]<br />

Bild Traurigkeit: http://www.cvjm-eg-ehr<strong>in</strong>gshausen.de/denkanstoss/denkanstoss.htm<br />

[03.10.2012]<br />

Bild Verliebt se<strong>in</strong>: http://www.amicella.de/body-soul/psychologie/heute-mehrselbsbewusstse<strong>in</strong>/<br />

[03.10.2012]<br />

Bild Verzweiflung: http://medienelite.de/2009/06/14/traurige-menschen/ [03.10.2012]<br />

Musik „<strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>“:<br />

http://www.youtube.com/results?search_query=die+seejungfrau+zeml<strong>in</strong>sky&oq=die+se<br />

ejungfrau+zeml<strong>in</strong>sky&gs_l=youtube.3..35i39l2.11078.12188.0.12828.6.6.0.0.0.0.109.5<br />

31.5j1.6.0...0.0...1ac.1.EzRhKHqq574 [29.10.2012]<br />

S<strong>in</strong>fonische Dichtung: http://www.theatergeme<strong>in</strong>de-bonn.de/kultur/kultur-<br />

Archiv/musikalische-begriffe/s<strong>in</strong>fonische-dichtung/ [25.10.2012]<br />

Noten:<br />

<strong>Alexander</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>. Fantasie für Orchester (1903). Partitur<br />

UE31754. Korr. IX/2003. 2/2009. Universal Edition: Vienna, London, New York.<br />

Tonträger:<br />

<strong>Alexander</strong> <strong>Zeml<strong>in</strong>sky</strong> (1871-1942): <strong>Die</strong> <strong>Seejungfrau</strong>. S<strong>in</strong>fonische Dichtung für<br />

Orchester (1902/1903): Universal Edition, Wien, 1984. Aufnahmen des Südwestfunks,<br />

<strong>Baden</strong>-<strong>Baden</strong>. Leitung: Zoltán Peskó. Wergo.<br />

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