Ausgabe 1-2010 - Westdeutsches Tumorzentrum Essen

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30.10.2013 Aufrufe

4 s c h w e r p u n k t w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 0 · 2 . J g Weichteil- sarkome im Erwachsenenalter Sebastian Bauer Christoph Pöttgen Florian Grabellus Andreas Paul Georg Täger Diagnostik und Therapie Weichteilsarkome stellen sowohl Primärversorger als auch spezialisierte interdisziplinäre Teams vor große Herausforderungen. Weichteilsarkome sind sehr selten und können überall im Körper auftre- ten. Da sie zunächst meist symptomarm verlau- fen, sind sie klinisch vielfach nicht von gutartigen Veränderungen zu unterscheiden. Beschwerden treten häufig erst durch die zunehmende Raum - forderung und Verdrängung auf, was die früh - zeitige Erkennung und Behandlung erschwert. Sarkome sind biologisch außerordentlich hetero- gen und erfordern regelhaft eine referenzpatho - logische Untersuchung unter Einschluss moleku- lar-pathologischer Techniken. Trotz der medizinischen Fortschritte der letzten Jahre ist selbst mit einer aggressiven multimodalen Therapie nach wie vor nur ein Teil der Patienten langfristig heilbar. Zudem erhöhen onkologisch nicht fachgerecht durchgeführte Biopsien und Operationen die Morbidität von Weichteilsarkomen deutlich. Wenn Weichteilsarkome in spezialisierten Zentren erkannt und behandelt werden, lassen sich nicht nur Heilungschancen verbessern und Morbiditäts - risiken verringern. Hinzu kommen ein ökonomischer Einspareffekt [1], und ein messbarer prognostischer Vorteil, der umso ausgeprägter ist, je zeitnäher die Diagnose gestellt wurde [2]. Die großen Fortschritte im biologischen Verständnis und in der molekularen Kategorisierung von Sarkomen haben in

den letzten Jahren eine neue Ära der individualisierten Therapie eingeläutet. Damit ist eine substanzielle Verbesserung der Patientenversorgung greifbar geworden. Wenig spezifische Symptomatik Im Gegensatz zu vielen epithelialen und hämatologischen Neoplasien weisen Patienten mit Weichteilsarkomen keine B-Symptome auf. Wichtigster Hinweis auf das Vorliegen eines Weichteilsarkoms ist nach AWMF-Leitlinien (Evidenzgrad I) ein schmerzloser Weichteilknoten, der größer als 2 Kubikzentimter ist, nachweislich neu aufgetreten ist, eine tiefe anatomische Lage aufweist. Nur jeder tausendste Weichteilknoten stellt tatsächlich ein Sarkom dar. Die genannten Kriterien erleichtern deshalb die Selektion derjenigen Patienten, bei denen eine Biopsie oder eine erweiterte Diagnostik angezeigt ist. Verdacht auf WTS Biopsie Diagnose Staging Therapie Restaging Nachsorge Rezidiv s c h w e r p u n k t w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 0 · 2 . J g CT-Th + Abd MRT-Primarius 99mTc-Szinti lokalisiert metastasiert Vorsicht bei intramuskulären Raumforderungen Vorsicht ist geboten bei intramusku - lären Raumforderungen: Undifferenzierte Sarkome sind häufig in hohem Maße nekrotisiert. Nicht selten führt selbst ein Bagatelltrauma zu einer Einblutung in den Tumor. Die Unterscheidung zwischen Hämatom und eingeblutetem Tumor kann damit schwierig werden. Schon beim geringsten Zweifel, ob es sich um einen Tumor oder ein Hämatom handelt, empfehlen wir vor der Ausräumung immer ein Kontrastmittel-haltigesMagnetresonanztomogramm (MRT). Gegebenenfalls sollte der Patient in einem spezialisierten Zentrum vorgestellt werden. Die klinisch nicht seltene „Oops“-Situ - ation, also die inzidenzielle Diagnose eines Sarkoms bei Resektion einer vorab als gutartig eingestuften Raumforderung, findet sich nach Literaturangaben bei 15 bis 30 Prozent aller Sarkome [3]. Damit verbunden ist meist eine deutlich erhöhte Morbidität bei Interdisziplinäre Sprechstunde Sarkom-Board Lokalbefund? Therapiefähigkeit? Biopsieweg = Möglicher Resektionsweg? True-cut, CT-gesteuerte Schneidbiopsie, Offene Biopsie? CT-Thorax, CT-Abdomen MRT-Primärtumor (Extr.) Skelettszintigraphie Histologie? Knochen-Sarkom vs „juvenile“ vs klassische WTS Mol-Path / Referenz-Pathologie sinnvoll? Therapiekonzept kurativ/palliativ? Resektabilität? Plastische Deckung? Neo- / adjuvante Therapie? (CTX, RTX, ILP) Metastasektomie möglich? Induktions vs palliative CTX? Palliative chirurgische Eingriffe? Reevaluation und Aktualisierung des Therapiekonzepts Adjuvante Therapie? Koordination OP / RTX / CTX Lokalbefund Spätfolgen der endgültigen Resektion des Primarius. Im Zweifel ist deshalb eine vorhergehende Biopsie immer emp - fehlenswert. Spezialsprechstunde und Sarkom-Board Sarkome gehören interdisziplinär behandelt. Je nach Ausdehnung, Lokalisation und Histologie sind mehrere chirurgische, internistische, strahlentherapeutische und diagnostische Disziplinen gefordert. Konsilanforderungen und telefonische Absprachen allein werden der Komplexität der Fragestellungen allerdings nicht gerecht. Am Westdeutschen Tumorzentrum existiert bereits seit vielen Jahren ein wöchentliches Sarkom-Board, das seit 2008 auch durch eine interdisziplinäre Sprechstunde ergänzt wird. Damit ist die Organisation der teilweise komplexen, über Monate angelegten Therapien sichergestellt. Die Kommunikation zwischen den betreuenden Ärzten untereinander bildet das Rückgrat jeder Sarkomtherapie (Abb. 1). Diagnostik: Biopsie lege artis durchführen! Um einen Weichteiltumor als Weichteilsarkom zu identifizieren, ist im Bereich der Gliedmaßen und des Körperstamms die Bildgebung mittels Kontrastmittel-MRT notwendig. Bestätigt sich der Verdacht, beispielsweise durch Kontrastmittelaufnahme oder durch eine heterogene Morphologie, stellt die Probebiopsie den nächsten Schritt Abb. 1: Flussdiagramm zu Diagnostik und Therapie von Weichteilsarkomen im interdisziplinären Team WTS = Weichteilsarkom Mol-Path = Molekulare Pathologie CT = Computertomographie CTX = Chemotherapie RTX = Strahlentherapie ILP = Isolated Limb Perfusion [isolierte Extremitäten-Perfusion) Onkologische Chirurgie Strahlentherapie Medizinische Onkologie Plastische Chirurgie Pathologie Radiologie 5

den letzten Jahren eine neue Ära<br />

der individualisierten Therapie eingeläutet.<br />

Damit ist eine substanzielle<br />

Verbesserung der Patientenversorgung<br />

greifbar geworden.<br />

Wenig spezifische Symptomatik<br />

Im Gegensatz zu vielen epithelialen<br />

und hämatologischen Neoplasien weisen<br />

Patienten mit Weichteilsarkomen<br />

keine B-Symptome auf. Wichtigster<br />

Hinweis auf das Vorliegen eines Weichteilsarkoms<br />

ist nach AWMF-Leitlinien<br />

(Evidenzgrad I) ein schmerzloser<br />

Weichteilknoten, der<br />

größer als 2 Kubikzentimter ist,<br />

nachweislich neu aufgetreten ist,<br />

eine tiefe anatomische Lage aufweist.<br />

Nur jeder tausendste Weichteilknoten<br />

stellt tatsächlich ein Sarkom dar. Die<br />

genannten Kriterien erleichtern deshalb<br />

die Selektion derjenigen Patienten,<br />

bei denen eine Biopsie oder eine<br />

erweiterte Diagnostik angezeigt ist.<br />

Verdacht auf WTS<br />

Biopsie<br />

Diagnose<br />

Staging<br />

Therapie<br />

Restaging<br />

Nachsorge<br />

Rezidiv<br />

s c h w e r p u n k t w t z - j o u r n a l 1 · 2 0 1 0 · 2 . J g<br />

CT-Th + Abd<br />

MRT-Primarius<br />

99mTc-Szinti<br />

lokalisiert<br />

metastasiert<br />

Vorsicht bei intramuskulären<br />

Raumforderungen<br />

Vorsicht ist geboten bei intramusku -<br />

lären Raumforderungen: Undifferenzierte<br />

Sarkome sind häufig in hohem<br />

Maße nekrotisiert. Nicht selten führt<br />

selbst ein Bagatelltrauma zu einer Einblutung<br />

in den Tumor. Die Unterscheidung<br />

zwischen Hämatom und eingeblutetem<br />

Tumor kann damit schwierig<br />

werden. Schon beim geringsten Zweifel,<br />

ob es sich um einen Tumor oder ein<br />

Hämatom handelt, empfehlen wir vor<br />

der Ausräumung immer ein Kontrastmittel-haltigesMagnetresonanztomogramm<br />

(MRT). Gegebenenfalls sollte<br />

der Patient in einem spezialisierten<br />

Zentrum vorgestellt werden.<br />

Die klinisch nicht seltene „Oops“-Situ -<br />

ation, also die inzidenzielle Diagnose<br />

eines Sarkoms bei Resektion einer<br />

vorab als gutartig eingestuften Raumforderung,<br />

findet sich nach Literaturangaben<br />

bei 15 bis 30 Prozent aller Sarkome<br />

[3]. Damit verbunden ist meist<br />

eine deutlich erhöhte Morbidität bei<br />

Interdisziplinäre<br />

Sprechstunde Sarkom-Board<br />

Lokalbefund?<br />

Therapiefähigkeit?<br />

Biopsieweg = Möglicher Resektionsweg?<br />

True-cut, CT-gesteuerte Schneidbiopsie, Offene Biopsie?<br />

CT-Thorax, CT-Abdomen<br />

MRT-Primärtumor (Extr.)<br />

Skelettszintigraphie<br />

Histologie? Knochen-Sarkom vs<br />

„juvenile“ vs klassische WTS<br />

Mol-Path / Referenz-Pathologie<br />

sinnvoll?<br />

Therapiekonzept<br />

kurativ/palliativ?<br />

Resektabilität?<br />

Plastische Deckung?<br />

Neo- / adjuvante Therapie?<br />

(CTX, RTX, ILP)<br />

Metastasektomie möglich?<br />

Induktions vs palliative CTX?<br />

Palliative chirurgische Eingriffe?<br />

Reevaluation und Aktualisierung des Therapiekonzepts<br />

Adjuvante Therapie? Koordination OP / RTX / CTX<br />

Lokalbefund<br />

Spätfolgen<br />

der endgültigen Resektion des<br />

Primarius. Im Zweifel ist deshalb eine<br />

vorhergehende Biopsie immer emp -<br />

fehlenswert.<br />

Spezialsprechstunde und<br />

Sarkom-Board<br />

Sarkome gehören interdisziplinär<br />

behandelt. Je nach Ausdehnung, Lokalisation<br />

und Histologie sind mehrere<br />

chirurgische, internistische, strahlentherapeutische<br />

und diagnostische<br />

Disziplinen gefordert. Konsilanforderungen<br />

und telefonische Absprachen<br />

allein werden der Komplexität der<br />

Fragestellungen allerdings nicht gerecht.<br />

Am Westdeutschen <strong>Tumorzentrum</strong><br />

existiert bereits seit vielen Jahren ein<br />

wöchentliches Sarkom-Board, das seit<br />

2008 auch durch eine interdisziplinäre<br />

Sprechstunde ergänzt wird. Damit ist<br />

die Organisation der teilweise komplexen,<br />

über Monate angelegten Therapien<br />

sichergestellt. Die Kommunikation<br />

zwischen den betreuenden Ärzten<br />

untereinander bildet das Rückgrat<br />

jeder Sarkomtherapie (Abb. 1).<br />

Diagnostik: Biopsie lege artis<br />

durchführen!<br />

Um einen Weichteiltumor als Weichteilsarkom<br />

zu identifizieren, ist im Bereich<br />

der Gliedmaßen und des Körperstamms<br />

die Bildgebung mittels Kontrastmittel-MRT<br />

notwendig. Bestätigt<br />

sich der Verdacht, beispielsweise durch<br />

Kontrastmittelaufnahme oder durch<br />

eine heterogene Morphologie, stellt<br />

die Probebiopsie den nächsten Schritt<br />

Abb. 1: Flussdiagramm zu Diagnostik<br />

und Therapie von Weichteilsarkomen im<br />

interdisziplinären Team<br />

WTS = Weichteilsarkom<br />

Mol-Path = Molekulare Pathologie<br />

CT = Computertomographie<br />

CTX = Chemotherapie<br />

RTX = Strahlentherapie<br />

ILP = Isolated Limb Perfusion<br />

[isolierte Extremitäten-Perfusion)<br />

Onkologische Chirurgie Strahlentherapie<br />

Medizinische Onkologie Plastische Chirurgie<br />

Pathologie Radiologie<br />

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