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Einleitung<br />
Das Lesen unterscheidet sich von visuellen Medien dadurch, daß es in einem hohen<br />
Maße die Phantasie anregt. Der Leser ist sein eigener Regisseur. Er dreht seinen Film im<br />
Kopf, mit seinen Figuren und seinen unterschiedlichen Akzentsetzungen. Daher ist man<br />
auch oft von einem Film enttäuscht, wenn man das zugrunde liegende Buch bereits<br />
gelesen hat. Dennoch scheint das Lesen im Zuge des kommunikationselektronischen<br />
Fortschritts unmodern geworden zu sein. Audiovisuelle Medien verdrängen das Buch,<br />
so daß es besonderer Mittel bedarf, um nicht nur Kinder- und Jugendliche wieder zum<br />
Lesen zu führen.<br />
„Schock` deine Eltern, lies ein Buch!“ Dieser ironische Satz, auf einem Plakat an der<br />
Tür einer Schulbibliothek zu lesen, wirbt auf eine witzige Art für das Lesen. Der<br />
Werbespruch fordert Kinder und Jugendlichen auf, mit dem Lesen von Büchern gegen<br />
den vermeintlichen gesellschaftlichen Konsens des Nichtlesens und damit auf eine<br />
wirksame Weise gegen die „modernen“ Erwachsenen zu opponieren.<br />
In der Bibliotherapie jedoch existiert eine Psychotherapie, die dem Lesen eine ganz<br />
besondere Bedeutung <strong>bei</strong>mißt und ein weiteres Argument liefert, ihm Aufmerksamkeit<br />
zu widmen. Grundannahme ist, daß die Literatur eine heilkräftige Wirkung in sich trägt<br />
und <strong>bei</strong> der Bewältigung schwerwiegender Lebensereignisse hilfreich sein kann.<br />
Lebenskrisen sind zumeist gekennzeich<strong>net</strong> durch eine scheinbare Ausweglosigkeit.<br />
Deren Überwindung ist eine Voraussetzung für Fortentwicklung. Im Märchen wird dies<br />
vorgeführt. Zu Beginn herrscht oft eine Krise. Die Not ist groß, ein ganzes Land wird<br />
von einem Drachen bedroht, die Königstochter wurde geraubt oder Kinder werden von<br />
zu Hause fortgeschickt. Wird jetzt nicht geholfen, geschieht eine Katastrophe. Immer<br />
jedoch wagt sich ein Mensch vor, zieht in die Ferne, tötet den Drachen. Es scheint, als<br />
bräuchte es eine solche Herausforderung, um versteckte Kräfte und Möglichkeiten<br />
freizusetzen, die sonst brach lägen.<br />
Die Vertreter der Bibliotherapie gehen davon aus, daß solch ein Prozeß der Freisetzung<br />
von Ressourcen durch Literaturrezeption initiiert werden kann. Über eine Identifikation<br />
oder Distanzierung mit Stoff und Inhalt, Personen und Problemen aus der Literatur<br />
können Emotionen freigesetzt und Handlungsmöglichkeiten antizipiert werden. Das<br />
Betreten neuer Räume durch Lektüre, wie es im Eingangszitat geschildert wird, die<br />
www.foepaed.<strong>net</strong><br />
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