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Verhaltensstörungen und die besonderen Erfordernisse im pädagogischen Umgang mit ihnen „psychopathisches Verhalten“, „Asozialität“, „Dissozialität“, „Entwicklungsgestörtheit“, „Verhaltensschädigung“, „neurotisches Verhalten“, „Sozialauffälligkeit“, „Gemeinschaftsschwierigkeit“, „Verwahrlosung“ hin zu dem Terminus „Verhaltensstörung“. Dieser findet zunehmend Verbreitung (vgl. Benkmann 1992). Die Feststellung eines als abweichend geltenden Verhaltens - es soll später noch deutlicher werden - ist einer großen Subjektivität unterlegen und von den Werten und Normen, den inneren Einstellungen dessen abhängig, der eine Bezeichnung vornimmt. In der Verhaltensgestörtenpädagogik scheint eine besondere Diskrepanz zwischen der Sicht der Bezeichnenden und der der Bezeichneten zu bestehen, denn letztere fassen ihr Verhalten meist nicht als auffällig, sondern als von einer inneren, für sie geltenden Logik bestimmt, auf. Insofern trifft auch der Begriff „Verhaltensstörung“ nicht den Kern der Sache. Neuere Bestrebungen in Österreich versuchen mit dem Terminus „Verhaltensoriginalität“ diesem Problem aus dem Wege zu gehen. Er betont zwar immer noch die Sicht der Beurteilenden, jedoch in einer für die Betroffenen eher positiv assoziierten Weise. Für Kritiker dürfte dieser jedoch zu verharmlosend und zu weit gefaßt klingen. In den folgenden Ausführungen soll in Ermangelung eines geeigneteren der Terminus „Verhaltensstörung“ verwendet werden, da dieser auch Vorteile hat, die jedoch an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden sollen (vgl. ebd.). 19 4.2 Definition In diesem Kapitel sollen drei Definitionsansätze von Verhaltensstörungen vergleichend gegenübergestellt werden, um einen kurzen Überblick über Erklärungsmöglichkeiten zu geben. Sie sind den Ausführungen von Benkmann (1992) entnommen. 4.2.1 Definition nach Havers 19 Die o.g. Ausführungen zur Bedeutung von Sprache und Bezeichnung unterstützen entgegen anderer Meinungen die Notwendigkeit einer Begriffsbildung zum Phänomen der Verhaltensstörung. www.foepaed.net 40
Verhaltensstörungen und die besonderen Erfordernisse im pädagogischen Umgang mit ihnen Havers (1982, zit. in Benkmann 1992) beschreibt in seinem Konzept Verhaltensstörung als eine Regelabweichung, die vom Handelnden selbst oder von einem Beobachter, der mit Sanktionsmacht ausgestattet ist, als solche eingeschätzt wird. Als Unterbegriff wird die Bezeichnung „Erziehungsschwierigkeit“ verwendet, die Abweichungen von pädagogischen Regeln und Normen und deren Sanktionierung meint. Dabei bildet das soziologische Modell der Konstituierung abweichenden Verhaltens durch primäre und sekundäre Etikettierung die theoretische Grundlage. Dies beinhaltet, daß besonders öffentliche negative Etikettierung oder die durch nahestehende Personen vorgenommene zur Übernahme des Etiketts in das Selbstbild des Beurteilten führt. Diese Übernahme, auch als sekundäre Etikettierung bezeichnet, erzeugt eine negative, deviante Identität, der nahezu zwangsläufig eine abweichende Karriere folgt. Zahlreiche Kriterien, wie Anzahl, Häufigkeit und Schwere der Regelverletzung, Persönlichkeit der Schülers, insbesondere Alter, sozialer Status, Intelligenz, Erscheinungsbild sowie Toleranzgrenze, Weltanschauung, Normentreue des Lehrers entscheiden über das Erfolgen einer primären Etikettierung. Als Ursachen, die Erziehungsschwierigkeiten erzeugen werden also das Vorhandensein von Normen, deren Verletzung - in welchem Maße auch immer - und der anschließende Etikettierungsprozeß verstanden. Schulische Erziehungsschwierigkeiten beziehen sich nach Havers auf Verletzung von Normen und Regeln, die durch das Schulgesetz definiert und legitimiert werden. Nach Havers erfolgt jedoch nur dann eine Etikettierung als „verhaltensgestört“ durch den Lehrer oder schulischen Erzieher, wenn diese das Verhalten wahrnehmen und als zahlreich, intensiv, schwerwiegend und das tolerierbare Maß überschreitend einschätzen. Regelverstöße, die aufgrund mangelnder Intelligenz, Krankheit oder organisch bedingter Behinderung zu erklären sind, klammert Havers aus. 4.2.2 Definition nach Bach Nur eindeutig Bezeichnetes ist im Denken präsent und ruft eine Auseinandersetzung damit hervor. Leider ist die Gefahr einer Stigmatisierung immer gegeben. www.foepaed.net 41
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Verhaltensstörungen und die besonderen Erfordernisse im pädagogischen Umgang mit ihnen<br />
Havers (1982, zit. in Benkmann 1992) beschreibt in seinem Konzept Verhaltensstörung<br />
als eine Regelabweichung, die vom Handelnden selbst oder von einem Beobachter, der<br />
mit Sanktionsmacht ausgestattet ist, als solche eingeschätzt wird. Als Unterbegriff wird<br />
die Bezeichnung „Erziehungsschwierigkeit“ verwendet, die Abweichungen von<br />
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auch als sekundäre Etikettierung bezeich<strong>net</strong>, erzeugt eine negative, deviante Identität,<br />
der nahezu zwangsläufig eine abweichende Karriere folgt. Zahlreiche Kriterien, wie<br />
Anzahl, Häufigkeit und Schwere der Regelverletzung, Persönlichkeit der Schülers,<br />
insbesondere Alter, sozialer Status, Intelligenz, Erscheinungsbild sowie Toleranzgrenze,<br />
Weltanschauung, Normentreue des Lehrers entscheiden über das Erfolgen einer<br />
primären Etikettierung. Als Ursachen, die Erziehungsschwierigkeiten erzeugen werden<br />
also das Vorhandensein von Normen, deren Verletzung - in welchem Maße auch immer<br />
- und der anschließende Etikettierungsprozeß verstanden. Schulische<br />
Erziehungsschwierigkeiten beziehen sich nach Havers auf Verletzung von Normen und<br />
Regeln, die durch das Schulgesetz definiert und legitimiert werden. Nach Havers erfolgt<br />
jedoch nur dann eine Etikettierung als „verhaltensgestört“ durch den Lehrer oder<br />
schulischen Erzieher, wenn diese das Verhalten wahrnehmen und als zahlreich, intensiv,<br />
schwerwiegend und das tolerierbare Maß überschreitend einschätzen. Regelverstöße, die<br />
aufgrund mangelnder Intelligenz, Krankheit oder organisch bedingter Behinderung zu<br />
erklären sind, klammert Havers aus.<br />
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