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Darstellung der Bibliotherapie wachstumsfördernden Bibliotherapie umschreibt vorgreifend, was im Kapitel 5.1 zur Prävention von Verhaltensstörungen behandelt werden soll. 2.2 Geschichte 2.2.1 Mittelalter und Neuzeit Liest man Wilhelm Hauff, in dessen „Wirtshaus im Spessart“ (o.J.) sich die Reisenden nachts Geschichten erzählen, um Furcht und Schlaf zu vertreiben, läßt man sich von Rafik Schami (1992) nach Damaskus entführen, dessen „Erzähler der Nacht“ durch ihre Geschichten ihren Freund Salim von der Stummheit befreien oder blättert man in Theodor Fontanes Lebensgeschichte, der sich nach dem klugen Rat seines Arztes in einer schweren Lebenskrise mit Lebenserinnerungen gesund schrieb (Nürnberger 1993, 145-147) - die Zeugnisse einer heilenden oder verhaltensändernden 3 Wirkung gestalteter Sprache sind so vielfältig wie traditionsreich. Schon seit Jahrhunderten ist man sich der Macht und Stärke des Wortes bewußt. Es wird besprochen, wahrgesagt, angerufen, beschworen, gebetet, es werden Ereignisse herbeigeführt, gewünscht, abgewendet, erkannt, Mächte beschwichtigt, Fehler und Sünden gebüßt. Der Möglichkeiten gibt es viele. Als einfachstes Ausdrucksmittel neben dem Gesang war und ist das Wort immer und überall verfügbar. Eine schlichte Gutenachtgeschichte wirkt Wunder. Zauber, Segen, Fluch, Bann und Beschwörung bilden die ursprünglichsten Formen der Machtausübung auf sprachlicher Ebene. Sprache ermöglicht den verbalen oder ideellen Zugriff auf das Benannte oder führt es herbei 4 , die Benennung führt andererseits zum Verfügen über oder zu einer Bemächtigung von Dingen. Der Name trägt eine besondere Bedeutung, er ist Omen oder Fluch. Weiß man Dinge bei ihrem Namen zu nennen, so stellt sich eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Benennendem und dem Benannten dar, wie das Märchen vom Rumpelstilzchen symbolisch zeigt. 3 Man denke an die läuternde Wirkung des Erzählens der „Märchen aus 1001 Nacht“ durch Scherezade. 4 Wie das Sprichwort verdeutlicht: Wenn man vom Teufel spricht, dann ist er nicht weit. Daher darf man den Teufel auch oft nicht bei seinem Namen nennen. www.foepaed.net 12
Darstellung der Bibliotherapie Der Volksaberglaube kennt das Wort „besprechen“, welches bezaubernde, entzaubernde, und verzaubernde Wirkung hat: www.foepaed.net „Unter b.(esprechen) im Sinne von e n t z a u b e r n [...] versteht man nach antikem wie christlichem Glauben das Vertreiben eines Dämons, der in einem Menschen, Tiere oder Gegenstand hausend als die unsichtbare Ursache eines dort vorkommenden oder von dort ausgehenden Übels angesehen wird.“ (Bächtold-Stäubli 1987, 1158) Die Bibliotherapie als psychotherapeutisches Verfahren nutzt diese entdämonisierende Wirkung des Besprechens ebenfalls, wenn auch auf andere Weise. Besprochen werden in der Frühzeit nicht nur innere und äußere Erkrankungen, Wunden, Kinderkrankheiten und Unfälle. Auch Dämonen und Feuer können durch das Besprechen vertrieben werden, Pferde herbeigerufen, Waffen am Losgehen gehindert und nicht zuletzt kann auch die Liebe erzeugt werden (Bächtold-Stäubli 1987). Spruch- und Segensheiler gehören keineswegs der Vergangenheit an, sondern finden sich auch heute noch in ländlichen Gebieten. Bächtold-Stäubli nennt als Erklärung der immer noch weiten Verbreitung des Besprechens dessen suggestive Wirkung, für das das Fixieren der Aufmerksamkeit und der Glaube an die Heilkraft Voraussetzungen sind. Das Verfügen über Wort, Sprache und Schrift ist wichtiges Kennzeichen der Macht. Gegen Fluch und Bann können im Märchen selbst die eigentlichen Machthaber wenig ausrichten und auch heute noch bezeichnet der Begriff „Wortführer“ das Maß des Einflusses. Weiterhin führen Petzold und Orth das aristotelische Konzept der Katharsis an, welches beinhaltet, daß der Mensch „durch eine Verwandlung oder Läuterung seiner Gefühle sein inneres Gleichgewicht wiederfinden kann“ (1985, 24 f.). Allerdings wirken hier nicht nur Sprache und deren Gestaltung, sondern auch die dramatische Darstellung einer Handlung auf der Bühne läuternd. Als weiteren wichtigen Aspekt gestalteter Sprache führen die Autoren die literarische Gattung der Trostschriften an. Ergänzt werden muß hier ebenfalls die Erbauungsliteratur, die vorwiegend im christlichen Altertum, Mittelalter und Barock Verbreitung fand. Diese umfaßt neben sogenannten Seelengärtlein, Trost- und Sterbebüchlein auch religiöse Literatur wie Gebetbüchlein, Andachtsbücher und Heiligenlegenden, die Anweisungen zu einem rechten christlichen Leben geben sollten, eine innere Religiosität pflegen und damit 13
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Darstellung der Bibliotherapie<br />
Der Volksaberglaube kennt das Wort „besprechen“, welches bezaubernde,<br />
entzaubernde, und verzaubernde Wirkung hat:<br />
www.foepaed.<strong>net</strong><br />
„Unter b.(esprechen) im Sinne von e n t z a u b e r n [...] versteht man nach antikem wie<br />
christlichem Glauben das Vertreiben eines Dämons, der in einem Menschen, Tiere oder<br />
Gegenstand hausend als die unsichtbare Ursache eines dort vorkommenden oder von dort<br />
ausgehenden Übels angesehen wird.“ (Bächtold-Stäubli 1987, 1158)<br />
Die Bibliotherapie als psychotherapeutisches Verfahren nutzt diese entdämonisierende<br />
Wirkung des Besprechens ebenfalls, wenn auch auf andere Weise.<br />
Besprochen werden in der Frühzeit nicht nur innere und äußere Erkrankungen, Wunden,<br />
Kinderkrankheiten und Unfälle. Auch Dämonen und Feuer können durch das<br />
Besprechen vertrieben werden, Pferde her<strong>bei</strong>gerufen, Waffen am Losgehen gehindert<br />
und nicht zuletzt kann auch die Liebe erzeugt werden (Bächtold-Stäubli 1987). Spruch-<br />
und Segensheiler gehören keineswegs der Vergangenheit an, sondern finden sich auch<br />
heute noch in ländlichen Gebieten. Bächtold-Stäubli nennt als Erklärung der immer<br />
noch weiten Verbreitung des Besprechens dessen suggestive Wirkung, für das das<br />
Fixieren der Aufmerksamkeit und der Glaube an die Heilkraft Voraussetzungen sind.<br />
Das Verfügen über Wort, Sprache und Schrift ist wichtiges Kennzeichen der Macht.<br />
Gegen Fluch und Bann können im Märchen selbst die eigentlichen Machthaber wenig<br />
ausrichten und auch heute noch bezeich<strong>net</strong> der Begriff „Wortführer“ das Maß des<br />
Einflusses. Weiterhin führen Petzold und Orth das aristotelische Konzept der Katharsis<br />
an, welches <strong>bei</strong>nhaltet, daß der Mensch „durch eine Verwandlung oder Läuterung seiner<br />
Gefühle sein inneres Gleichgewicht wiederfinden kann“ (1985, 24 f.). Allerdings wirken<br />
hier nicht nur Sprache und deren Gestaltung, sondern auch die dramatische Darstellung<br />
einer Handlung auf der Bühne läuternd. Als weiteren wichtigen Aspekt gestalteter<br />
Sprache führen die Autoren die literarische Gattung der Trostschriften an.<br />
Ergänzt werden muß hier ebenfalls die Erbauungsliteratur, die vorwiegend im<br />
christlichen Altertum, Mittelalter und Barock Verbreitung fand. Diese umfaßt neben<br />
sogenannten Seelengärtlein, Trost- und Sterbebüchlein auch religiöse Literatur wie<br />
Gebetbüchlein, Andachtsbücher und Heiligenlegenden, die Anweisungen zu einem<br />
rechten christlichen Leben geben sollten, eine innere Religiosität pflegen und damit<br />
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