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Tatort Wahlkreis: Abgeordneten auf den Fersen - Martin-Luther ...

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3 2013<br />

Franckes Welt:<br />

Seitenweise Wissenschaft<br />

Kürzungsdebatte: „Schä<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> in K<strong>auf</strong> genommen“<br />

<strong>Tatort</strong> <strong>Wahlkreis</strong>: <strong>Abgeordneten</strong> <strong>auf</strong> der Spur<br />

Studienzweifel? Career Center bietet Hilfe<br />

www.magazin.uni-halle.de<br />

D A S M A G A Z I N D E R M A R T I N L U T H E R U N I V E R S I T Ä T H A L L E W I T T E N B E R G


2 forschen und publizieren scientia halensis 3/2013<br />

Wir haben, was kluge Köpfe brauchen:<br />

*Das Angebot gilt nur in ausgewählten Bestän<strong>den</strong> und ist zeitlich befristet. Weitere Informationen zu <strong>den</strong> Bestän<strong>den</strong><br />

und <strong>den</strong> zeitlichen Befristungen der Angebote erfahren Sie unter: 0345/527 1065 oder www.hwgmbh.de.<br />

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Tel.: 0345/527 1065<br />

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Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

was würde August Hermann Francke wohl zu <strong>den</strong><br />

vielen Feierlichkeiten im „Francke-Jahr 2013“ sagen?<br />

Dokumentiert ist zumindest, was er sich für<br />

die „Glauchaschen Anstalten“ nach seinem Ableben<br />

wünschte. „Wie wird es aber wer<strong>den</strong>, nach seinem<br />

Tode?“, wollte König Friedrich Wilhelm I. beim Rundgang<br />

über das Gelände 1713 wissen. „Ich habe treue<br />

Gehülfen, von <strong>den</strong>en kann es fortgesetzet wer<strong>den</strong>,<br />

und geschiehet es dann auch nicht in solcher Weitläufigkeit,<br />

so kann es <strong>den</strong>noch eine nützliche Anstalt<br />

bleiben“, antwortete Francke. Eine „nützliche Anstalt“<br />

sind die Franckeschen Stiftungen auch heute.<br />

Ein bunter Bildungskosmos, in dem täglich 4000<br />

Menschen in über 40 Einrichtungen tätig sind.<br />

Francke war nicht nur Pietist und Pfarrer, erfolgreicher<br />

Bauherr und Unternehmer. Sein Wirken als<br />

Theologe und Professor für orientalische Sprachen<br />

prägte auch die noch junge Friedrichsuniversität zu<br />

Halle. Wussten Sie, dass er sich um die Professionalisierung<br />

der Lehrerausbildung und <strong>den</strong> klinischen<br />

Unterricht im Medizinstudium ebenfalls verdient<br />

gemacht hat? Im Francke-Jahre waren die Autoren<br />

der scientia halensis <strong>auf</strong> dem Gelände der Stiftungen<br />

unterwegs. Die Fülle an Themen und Einrichtungen<br />

vor Ort, die <strong>auf</strong> vielschichtige Weise auch mit der<br />

<strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität in Verbindung stehen,<br />

IMPRESSUM<br />

scientia halensis<br />

Magazin der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

Halle-Wittenberg (MLU)<br />

Ausgabe 3/13, 21. Jahrgang<br />

Auflage 6.000 Expl.<br />

ISSN 0945-9529<br />

erscheint viermal im Jahr<br />

sowie im Internet:<br />

www.magazin.uni-halle.de<br />

Herausgeber:<br />

Rektor der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

Redaktion:<br />

Manuela Bank-Zillmann (V.i.S.d.P.),<br />

Corinna Bertz (red. Koordinierung),<br />

Tom Leonhardt, Sarah Huke,<br />

Ute Olbertz, Christopher Pflug<br />

Kontakt:<br />

<strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

Halle-Wittenberg<br />

Stabsstelle des Rektors / Pressestelle<br />

Universitätsplatz 9, 06108 Halle (S.)<br />

Telefon: 0345 55 21420<br />

Fax: 0345 55 27404<br />

E-Mail: magazin@uni-halle.de<br />

sprengt jedes Unimagazin. Wir haben uns <strong>auf</strong> fünf<br />

Fragen und Antworten rund um <strong>den</strong> „Francke-<br />

Campus“ beschränkt, die nur einen Bruchteil der<br />

Vielfalt widerspiegeln können, die am Franckeplatz<br />

zu fin<strong>den</strong> ist. Sie reichen von der international renommierten<br />

Pietismusforschung bis zu <strong>den</strong> stu<strong>den</strong>tischen<br />

Bewohnern der Fachwerkhäuser.<br />

Am Ende seines Besuchs versichert Friedrich Wilhelm<br />

I. Francke: „Ich will Alles gern fördern, wenn<br />

es nur nicht zum Hochmuth ist.“ 300 Jahre später<br />

hat die Landesregierung im Hochschulbereich die<br />

umfangreichsten Kürzungen angekündigt, die es<br />

in Sachsen-Anhalt seit 1990 gegeben hat. In einem<br />

Interview mit dem Unimagazin spricht Hochschulforscher<br />

Professor Peer Pasternack über <strong>den</strong> Spardruck<br />

<strong>auf</strong> die Hochschulen in Ostdeutschland, die oft<br />

hitzig geführte politische Debatte und die Folgen<br />

der drohen<strong>den</strong> Kürzungen in Sachsen-Anhalt. Im<br />

Onlinemagazin begleiten wir das Thema unter www.<br />

magazin.uni-halle.de/hochschulpolitik.<br />

Viel Spaß beim Lesen und eine schöne Sommerzeit<br />

Corinna Bertz<br />

Redakteurin<br />

Grafik-Design:<br />

Sisters of Design<br />

www.sistersofdesign.de<br />

Mediadaten:<br />

www.pr.uni-halle.de/mediadaten<br />

Anzeigen / Satz / Gesamtherstellung:<br />

Digital Druckservice Halle GmbH<br />

Kutschgasse 4, 06108 Halle (S.)<br />

Telefon: 0345 47 88601<br />

Fax: 0345 47 88602<br />

www.digitaldruck-halle.de<br />

E-Mail: info@digitaldruck-halle.de<br />

scientia halensis 3/2013 editorial<br />

Druck:<br />

IMPRESS Druckerei Halbritter KG<br />

www.impressonline.de<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />

geben die Meinung der Autoren<br />

wieder. Bei unverlangt eingesandten<br />

Texten/Fotos besteht keine Gewähr für<br />

einen Abdruck.<br />

Die Redaktion behält sich Änderungen<br />

eingesandter Texte vor. Der Nachdruck<br />

von Artikeln ist bei Angabe der Quelle<br />

gestattet. Die Redaktion bittet um ein<br />

Belegexemplar.<br />

Corinna Bertz<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Wollen Sie mitdiskutieren,<br />

Kritik loswer<strong>den</strong> oder<br />

Themen vorschlagen?<br />

Wir freuen uns über Ihre<br />

Kommentare! Per Mail an<br />

magazin@uni-halle.de<br />

oder online unter<br />

www.magazin.uni-halle.de.<br />

scientia halensis erscheint mit freundlicher<br />

Unterstützung der Vereinigung<br />

der Freunde und Förderer der <strong>Martin</strong>-<br />

<strong>Luther</strong>-Universität Halle-Wittenberg<br />

e. V. (VFF)<br />

Titelbild:<br />

Zwischen Fachliteratur und Fachwerk:<br />

Im Innenhof der Franckischen Stiftungen.<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

3


4 inhaltsverzeichnis scientia halensis 3/2013<br />

Hochschulpolitik im<br />

Onlinemagazin<br />

Kürzungspläne, Massenproteste,<br />

landesweite Bündnisse – die Hochschulpolitik<br />

des Landes sorgt für<br />

Aufruhr. Im Juli stellt der Wissenschaftsrat<br />

seine Gutachten vor.<br />

Scientia halensis berichtet unter<br />

www.magazin.uni-halle.de/hochschulpolitik.<br />

(Foto: Corinna Bertz)<br />

Das Gedächtnis der<br />

Universität {10}<br />

Das Universitätsarchiv in der<br />

Pfännerhöhe gleicht einem „schlafen<strong>den</strong><br />

Dornröschen“. Der neue<br />

Archivleiter Dr. Michael Ruprecht<br />

will es wecken. (Foto: Michael Deutsch)<br />

Lehren, Leben, Forschen am Campus<br />

Franckesche Stiftungen {12}<br />

Erziehungswissenschaftler, Theologen, Pietismusforscher,<br />

Konviktbewohner und Studierende lernen, lehren, forschen<br />

und leben <strong>auf</strong> dem Gelände der Franckeschen Stiftungen.<br />

Im Schwerpunkt zum Francke-Jahr geht scientia halensis<br />

fünf Fragen rund um <strong>den</strong> Campus im Kultur<strong>den</strong>kmal <strong>auf</strong> <strong>den</strong><br />

Grund: Was Theologen heute beschäftigt, wie es sich im<br />

historischen Fachwerkhaus lebt und ob die Wiege der<br />

halleschen Unimedizin ebenfalls hier zu fin<strong>den</strong> ist – all das<br />

erfahren Sie ab Seite 14.<br />

Außerdem im Titelthema: Der stu<strong>den</strong>tische Beitrag zur großen<br />

Francke-Jubiläumsausstellung ab Seite 12. (Foto: Michael Deutsch)


inhalt<br />

varia<br />

6 „Schä<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> in K<strong>auf</strong><br />

genommen“:<br />

Interview mit Hochschulforscher<br />

Peer Pasternack<br />

8 Sprachsalat / Bilderrätsel<br />

9 Johann Christian Reil:<br />

Universalmediziner und<br />

Stadtphysikus im Fokus<br />

10 Das Gedächtnis der Universität:<br />

Neue Pläne für das<br />

Universitätsarchiv<br />

titelthema<br />

12 Mit Francke raus aus der Theorie:<br />

Stu<strong>den</strong>ten gestalten<br />

„FranckeBilder und Festkultur“<br />

14 Fächerwerk in Fachwerkhäusern:<br />

Fünf Fragen und Antworten rund<br />

um <strong>den</strong> Francke-Campus<br />

studieren,<br />

lehren, leben<br />

20 Studienzweifel?<br />

Projekt des Career Centers zeigt<br />

Wege <strong>auf</strong><br />

22 Musizierende Hochschullehrer:<br />

Ein Strafrechtler zieht alle Register<br />

QR-Codes und Webcodes im Heft<br />

24 #dabeibleiben<br />

„Halle bleibt“ und das<br />

Aktionsbündnis MLU<br />

26 Zwei Länder, zwei Unis,<br />

zwei Abschlüsse:<br />

Stu<strong>den</strong>tinnen aus Halle und<br />

Mailand berichten<br />

Forschen und<br />

publizieren<br />

Some stories are also available in English:<br />

www.international.uni-halle.de/magazine Please look for the flag!<br />

28 Vom Greifen und Begreifen:<br />

3D-Druck in der Wissenschaft<br />

30 Fachliteraturfabrik Universität<br />

32 Die universelle Gen-Schere:<br />

Von Pflanzen bis zu<br />

menschlichen Zellen<br />

34 <strong>Tatort</strong> <strong>Wahlkreis</strong>:<br />

Politikwissenschaftler erforschen<br />

die Beziehung von <strong>Abgeordneten</strong><br />

zu ihren Wählern<br />

Personalia<br />

36 Die Universität trägt ihre<br />

Handschrift:<br />

Uni-Grafikerin Hannelore<br />

Schlesinger im Porträt<br />

38 20 Fragen an Dr. Jürgen Krätzer<br />

40 Neue Pressesprecherin der MLU /<br />

Neu berufen<br />

42 Dr. Usus Zeitgeist<br />

www.magazin.uni-halle.de ist die Adresse des Unimagazins im Internet. Mit Hilfe der QR- und Webcodes<br />

neben <strong>den</strong> Beiträgen gelangen Sie direkt zur entsprechen<strong>den</strong> Internetseite. QR-Codes funktionieren ähnlich wie<br />

Barcodes. Mit einem Tastendruck bzw. einer Foto<strong>auf</strong>nahme des Mobiltelefons können Sie die verlinkte Webseite<br />

<strong>auf</strong>rufen. Für die Eingabe der Webcodes nutzen Sie einfach die Internetseite www.uni-halle.de/webcode.<br />

scientia halensis 3/2013 inhaltsverzeichnis<br />

Zwei Länder, zwei Abschlüsse<br />

{21}<br />

Ein Studium, zwei Abschlüsse:<br />

Diana Righi und Luise Vorwerk<br />

erzählen, warum sie sich für <strong>den</strong><br />

deutsch-italienischen „doppelten<br />

Master“ entschie<strong>den</strong> haben.<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

3D-Druck: Vom Greifen und<br />

Begreifen {28}<br />

Ein Protein zum Greifen:<br />

200-millionenfach vergrößert,<br />

dreidimensional ausgedruck. Zwei<br />

hallesche Forscher berichten von ihren<br />

Erfahrungen mit 3D-Druck.<br />

(Foto: Melanie Zimmermann)<br />

5


6 varia scientia halensis 3/2013<br />

varia<br />

„Schä<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> in K<strong>auf</strong> genommen“<br />

Nicht nur die Hochschulen in Sachsen-Anhalt stehen unter Druck. In ganz Ostdeutschland bringt die Entwicklung<br />

der Landeshaushalte auch die Universitäten in Rechtfertigungsnöte. Hochschulforscher Prof. Dr. Peer Pasternack<br />

plädiert für mehr Sachlichkeit in der oft hitzig geführten Debatte zwischen Politik und Wissenschaft.<br />

Im Interview spricht der Direktor des Instituts für Hochschulforschung in Wittenberg über die Situation der<br />

Hochschulen, das Gutachten des Wissenschaftsrats und mögliche Folgen der geplanten Einsparungen.<br />

Rund 4.000 Menschen<br />

demonstrierten am 15. Mai<br />

2013 gegen die Kürzungspläne<br />

<strong>auf</strong> dem Uniplatz.<br />

(Foto: Arvid Rostek)<br />

Sie beobachten und erforschen die ostdeutsche<br />

Hochschullandschaft seit über 20 Jahren. Haben<br />

Sie die aktuellen hochschulpolitischen Entwicklungen<br />

in Sachsen-Anhalt noch überrascht?<br />

Ja und Nein. Vor dem Hintergrund der Haushaltsentwicklungen<br />

ist das nicht sehr überraschend. Es ist<br />

immer schwierig, außerhalb der Hochschulen und<br />

der Hochschulpolitik Verständnis für die Anliegen<br />

der Hochschulen zu erzeugen. Diese Schwierigkeit<br />

der Kommunikation begleitet Hochschulpolitik fort-<br />

während. Die Wirkungsintervalle von Hochschulen<br />

sind relativ lang und haben die Eigenschaft, über<br />

Legislaturperio<strong>den</strong> hinauszugehen. Eine langfristige<br />

Hochschulentwicklung ist nur möglich, wenn<br />

berücksichtigt wird, dass bei Forschung und Lehre<br />

kurzfristige Effekte größtenteils nicht möglich sind.<br />

Zurzeit stehen die Hochschulen in allen ostdeutschen<br />

Ländern, außer in Mecklenburg-Vorpommern,<br />

unter starkem Druck. Überraschend ist allenfalls<br />

die Kommunikation, wie so etwas in die


politische Debatte eingespeist wird. Sie ist derzeit<br />

sehr stark von Polarisierung und Zuspitzung geprägt.<br />

Ist der Einspardruck <strong>auf</strong> die Hochschulen ein spezifisch<br />

ostdeutsches Phänomen?<br />

Nein, in nahezu allen Bundesländern ist das zu beobachten.<br />

Im Augenblick fokussiert sich die bundesweite<br />

Diskussion dar<strong>auf</strong>, dass der Bund unterstützend<br />

eingreifen müsste, weil die Länder mit ihren<br />

Steuer<strong>auf</strong>kommen bei der Hochschulfinanzierung<br />

überfordert seien. In Ostdeutschland verschärft sich<br />

die Situation dadurch, dass sich die Probleme der<br />

Landeshaushaltsentwicklungen bis 2020 extrem zuspitzen<br />

wer<strong>den</strong>. In allen ostdeutschen Landeshaushalten<br />

wer<strong>den</strong> Minderungen von 20 bis 30 Prozent<br />

der Haushalte entstehen, aber lediglich bis zu zehn<br />

Prozent des gesamten Haushaltes sind disponibel –<br />

also nicht durch gesetzliche oder vertragliche Verpflichtungen<br />

fest verplant.<br />

Wir wirkt sich das <strong>auf</strong> die Hochschulen aus?<br />

Insofern, als politisch sehr offensiv nach Argumenten<br />

gesucht wird, warum die ostdeutschen<br />

Hochschulen gar nicht so viel Geld benötigen wür<strong>den</strong>,<br />

wie sie derzeit erhalten. Das führt zu Diskussionen,<br />

in <strong>den</strong>en gern Vergleichszahlen zitiert wer<strong>den</strong>,<br />

die nach genauerer Prüfung so nicht haltbar<br />

sind. Oder es wer<strong>den</strong> Tatbestände nicht berücksichtigt,<br />

die tatsächliche oder vermeintliche Schwächen<br />

im Leistungsprofil erklärbar machen. Zum Beispiel<br />

wird kritisiert, dass an <strong>den</strong> Hochschulen in Sachsen-<br />

Anhalt die Zahl der Studienabbrecher höher liegt als<br />

im Bundesdurchschnitt. Das muss man einor<strong>den</strong>:<br />

Seit 2000 hat es im Land einen deutlichen Zuwachs<br />

an Studieren<strong>den</strong> und eine Steigerung der Studienbeteiligung<br />

innerhalb der relevanten Alterskohorten<br />

gegeben. Diese Zunahme hat jedoch nicht dazu<br />

geführt, dass sich die Zahl der Studienabbrecher<br />

erhöht hat. Das ist der entschei<strong>den</strong>de Punkt, wenn<br />

man be<strong>den</strong>kt, dass der Deutsche Lernatlas Sachsen-<br />

Anhalts Schulsystem <strong>auf</strong> Platz 11 von 16 Bundesländern<br />

platziert. Vor diesem Hintergrund müsste<br />

man eigentlich erwarten, dass bei einer Steigerung<br />

der Studierneigung die Zahl der Abbrecher steigt.<br />

Das dies nicht passiert ist, ist ein immenser Erfolg.<br />

Am 12. Juli wird nun der Wissenschaftsrat das Gutachten<br />

zur Entwicklung der Hochschullandschaft<br />

und zur Universitätsmedizin in Halle vorlegen. Was<br />

kann ein solches Gutachten leisten?<br />

Es kann keine politischen Entscheidungen abnehmen.<br />

Das Gutachten wird sich evaluativen Fragestellungen<br />

zu einzelnen Fächern und strategischen<br />

Aspekten des Hochschul- und Wissenschaftssystems<br />

des Landes widmen. Es wird sicherlich auch<br />

zu Qualitätsaussagen gelangen. Wenn diese zum<br />

Beispiel lauten „Das Fach X erfüllt bestimmte Standards<br />

nicht“, dieses Fach zum Beispiel für die Lehrerausbildung<br />

aber unabdingbar ist, dann bedarf es<br />

einer politischen Entscheidung: Müssen wir dieses<br />

Fach ertüchtigen, damit es aus seiner unterdurchschnittlichen<br />

Qualitätssituation herauskommt, oder<br />

stellen wir das Fach zur Disposition? Dann müsste<br />

zugleich politisch beantwortet wer<strong>den</strong>, wo die<br />

entsprechen<strong>den</strong> Lehrer künftig herkommen sollen.<br />

Ich vermute, dass beim Wissenschaftsrat vor dem<br />

Hintergrund der jüngsten Debatten sehr genau an<br />

Formulierungen gefeilt wurde, um zu vermei<strong>den</strong>,<br />

dass sich unmittelbar aus diesen Empfehlungen<br />

politische Entscheidungen ableiten lassen.<br />

Wenn die Landesregierung die Einsparungen im<br />

Hochschulbereich im derzeit genannten Umfang<br />

von 50 Millionen bis zum Jahr 2020 umsetzt, was<br />

würde das für die Hochschulen im Land bedeuten?<br />

Das kommt <strong>auf</strong> die Umsetzungsweise an. Wenn<br />

nächstes Jahr mit <strong>den</strong> Einsparungen begonnen wird,<br />

dann wird eine Hochschulstruktur das Ergebnis sein,<br />

die sich aus dem Pensionierungsgeschehen ergibt.<br />

Von einer systematischen Hochschulstrukturentwicklung<br />

könnte dann keine Rede mehr sein. Oder<br />

es wird ein langfristigerer Einsparpfad eingeschlagen,<br />

der Schwerpunktsetzungen in der Hochschulentwicklung<br />

zulässt.<br />

In jedem Fall wer<strong>den</strong> die Hochschulen am Ende<br />

einer solchen Entwicklung nicht unbeschädigt<br />

bleiben. Es wer<strong>den</strong> Professuren und – wenn Fachbereiche<br />

nicht mehr vorhan<strong>den</strong> sind – auch Studiengänge<br />

wegfallen. Diese Beschädigungen wer<strong>den</strong><br />

politisch in K<strong>auf</strong> genommen und sind somit von der<br />

Politik auch dahingehend zu tragen, dass die Hochschulen<br />

bestimmte Effekte für das Land nicht mehr<br />

erzielen können. Wenn es beispielsweise darum<br />

geht, Studierende außerhalb Sachsen-Anhalts in<br />

das Land zu holen oder junge Leute hier zu halten,<br />

weil sie in Wohnortnähe ihren Wunschstudienplatz<br />

vorfin<strong>den</strong>. So etwas ist im derzeitigen Umfang dann<br />

nicht mehr zu realisieren. Diese politische Entscheidung<br />

muss auch in ihren Konsequenzen getragen<br />

wer<strong>den</strong>. Interview: Corinna Bertz<br />

scientia halensis 3/2013 varia<br />

Hochschulforscher Prof. Dr.<br />

Peer Pasternack (Foto: Uni<br />

Leipzig, Jan Woitas)<br />

Zur Langfassung des<br />

Interviews:<br />

WEBCODE MAG 15183<br />

QR CODE<br />

7<br />

NEU


8 varia scientia halensis 3/2013<br />

bilderrätsel<br />

Was zeigt dieses<br />

Bild?<br />

Des Rätsels Lösung ist<br />

wieder im Unimagazin<br />

versteckt.<br />

Wer der Redaktion als<br />

Erste(r) per Telefon,<br />

E-Mail, Fax oder (Haus-)<br />

Post die richtige Lösung<br />

übermittelt, <strong>auf</strong> die oder<br />

<strong>den</strong> wartet ein Gutschein<br />

im Wert von 15 Euro,<br />

einzulösen im Uni-Shop<br />

im Marktschlösschen.<br />

Viel Glück!<br />

Das Rätselfoto in der<br />

scientia halensis 2/13,<br />

Seite 16, zeigte einen<br />

Ausschnitt des Titelbildes.<br />

Der Schnellste, der das<br />

Rätsel löste, war Volker<br />

Müller. Er ist technischer<br />

Mitarbeiter der Zentralen<br />

Kustodie im Löwengebäude<br />

und teilte uns die<br />

Lösung am Telefon mit.<br />

Zeichnung: Oliver Weiss<br />

„Bitte einmal gemischten Sprachsalat …“<br />

diesmal mit blablametrischen essenzen<br />

gewürzt<br />

Die letzte Portion Sprachsalat (magenfreundlich<br />

und geschmacklos garniert im April serviert) kam<br />

<strong>auf</strong> einen Bullshit-Index von 0,03. Damit kann man<br />

zufrie<strong>den</strong> sein – sofern man der internetten Sprachtesterfindung<br />

des Frankfurter Kommunikationswissenschaftlers<br />

Bernd Wurm trauen will. Den ärgerten<br />

leere Worte und großspurige Werbe-Worthülsen,<br />

die nichts enthielten, schon lange. Um sie zu entlarven,<br />

entwickelte er ein spezielles Webportal. Das<br />

ist seit Anfang 2011 als „BlaBlaMeter“ nutzbar für<br />

jedermann.<br />

Der Web-Experte hat inzwischen viele Texte (sogar<br />

die Bibel!) selbst <strong>auf</strong> ihren Blabla-Gehalt hin analysiert<br />

und offenbar eine Marktlücke entdeckt: Klickt<br />

man im Internet <strong>auf</strong> www.blablameter.de, erscheinen<br />

derzeit 99.200 Treffer. Besonders für (Print-)<br />

Medien ist das neue Prüfinstrument interessant,<br />

etliche berichteten darüber, zum Beispiel der Tagesspiegel<br />

am 21. Juli 2011 und die Mitteldeutsche<br />

Zeitung am 14. Januar 2013.<br />

Wonach sucht der Sprachspürhund? Zu <strong>den</strong> Kriterien<br />

für die Bewertung des Textgehalts zählt vor<br />

allem der Nominalstil – <strong>den</strong> möglichst vermei<strong>den</strong><br />

muss, wer niveauvolle Texte schreiben will. So sind<br />

besser keine neuen Metho<strong>den</strong> „zur Anwendung zu<br />

bringen“ oder „<strong>auf</strong> <strong>den</strong> Prüfstand zu stellen“ – man<br />

kann sie schlicht und einfach anwen<strong>den</strong> oder (über-)<br />

prüfen! Zudem gibt es etliche „böse Wörter“, die<br />

Leser/Hörer beeindrucken wollen – Wurm nennt als<br />

Beispiel „effizient“; ähnlich inflationär erscheinen<br />

„zukunftsweisend“ und „innovativ“. Die Vorliebe für<br />

Bandwurmwörter oder „BWLer-Deutsch“ schneidet<br />

ebenfalls schlecht ab und lässt <strong>den</strong> „Bullshit“-Faktor,<br />

der stets zwischen Null und Eins liegt, steigen.<br />

Deshalb sorgt sich MZ-Autor Jan-Ole Prasse sehr<br />

ernsthaft um seine Kollegen und andere Sprachproduzenten:<br />

„Wenn wirklich jeder verstehen würde,<br />

was sie sagen: Wer bräuchte sie dann noch? [...] Effektive<br />

und effiziente Maßnahmen müssen her, um<br />

dem BlaBlaMeter-Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Das<br />

Imponier-Deutsch darf nicht sterben.“<br />

Gute journalistische Texte erzielen Werte zwischen<br />

0.1 und 0.3. Allerdings lässt sich ein zu niedriger<br />

Indexwert auch als Indiz für stilistische Mängel interpretieren.<br />

Wir dürfen ja nicht vergessen: Das BlaBlaMeter versteht<br />

die Inhalte nicht – sondern orientiert sich ausnahmslos<br />

an sprachlichen Merkmalen! Jetzt ist uns<br />

klar, warum es die Präambel des Grundgesetzes mit<br />

0,21 bewertet: Der Text „…zeigt erste Hinweise aus<br />

‚Bullshit’-Deutsch, liegt aber noch <strong>auf</strong> akzeptablem<br />

Niveau“. Na, also!<br />

Und richtig glücklich macht es uns, am Ende zu erfahren,<br />

dass Goethes „Erlkönig“ mit einem Wert von<br />

Nullkommanull absolut Spitze ist!<br />

Der hier gemixte Sprachsalat bringt es nur <strong>auf</strong> 0,38<br />

– daran sind vermutlich die Zitate schuld.<br />

Margarete Wein


Johann Christian Reil im Fokus<br />

Der 200. Todestag von Johann Christian Reil am 22.<br />

November 2013 ist Anlass für vielfältige Aktivitäten,<br />

die <strong>den</strong> Begründer der deutschen Psychiatrie in ein<br />

neues Verhältnis zur Gegenwart setzen. Sein Wirken<br />

in Halle als Universitätsprofessor, Stadtphysikus, romantischer<br />

Naturphilosoph sowie als Wegbereiter<br />

von Psychiatrie und Neurologie oder als führendes<br />

Mitglied der „Loge zu <strong>den</strong> drei Degen“ steht dabei im<br />

Mittelpunkt der Betrachtungen. An der Universität –<br />

im Löwengebäude wie in der Medizinischen Fakultät<br />

– und an <strong>den</strong> Kunstmuseen der Stadt Halle wird im<br />

Jahr 2013/14 das Wirken Reils besonders gewürdigt.<br />

„Eine interdisziplinäre Projektgruppe, der auch die<br />

Vereinigung der Freunde und Förderer der MLU –<br />

die VFF – angehört, befasst sich mit umfangreichen<br />

Vorbereitungen“, sagt VFF-Geschäftsführerin Ramona<br />

Mitsching. Vertreten sind außerdem die Saalesparkasse,<br />

die Stiftung Kunstforum Halle, die MLU<br />

und die Nationale Akademie der Wissenschaften<br />

Leopoldina.<br />

Den Auftakt bildete bereits im Juni eine medizinhistorische<br />

Tagung des Instituts für Geschichte<br />

und Ethik der Medizin der MLU, die an die aktuelle<br />

psychiatriehistorische Diskussion anknüpfte. Ab<br />

Herbst steht die dreigeteilte Ausstellung „Das geheimnisvolle<br />

Organ – die Vorstellung über Hirn und<br />

Seele von Reil bis heute“ im Mittelpunkt. Sie soll<br />

mit thematisch unterschiedlichen Schwerpunkten<br />

an drei Ausstellungsorten der Stadt gezeigt wer<strong>den</strong>:<br />

im Universitätsmuseum, im Kunstforum der Saalesparkasse<br />

und im Landeskunstmuseum Stiftung<br />

Moritzburg Halle. „Auch das traditionelle Jahresfest<br />

der VFF steht am 21. November ganz im Zeichen<br />

des Reil-Jubiläums“, verrät Ramona Mitsching. „Es<br />

findet zugleich mit der Eröffnung des ersten Teils<br />

der Ausstellung im Löwengebäude statt.“ Für die<br />

Öffentlichkeit ist die Schau vom 22. November 2013<br />

bis März 2014 zu sehen. Thema der Ausstellungen<br />

ist die faszinierende Entwicklung der Hirnforschung<br />

vom Ende des 18. Jahrhunderts bis heute, für die<br />

Reil beispielhaft steht. Im Universitätsmuseum geht<br />

es in erster Linie um wissenschaftlich-universitäre<br />

Aspekte dieses Fortschritts. Reil war davon überzeugt,<br />

dass das seelische Vermögen im Gehirn<br />

lokalisiert ist. So gehören zu <strong>den</strong> Exponaten unter<br />

anderem ein zeitgenössisches Gerät zur Herstellung<br />

von Hirnschnitten, das Originalpräparat einer<br />

„Reilschen Insel“ im Gehirn, Abbildungen aus Reils<br />

„Gehirnatlas“ oder prägnante Zitate zur humaneren<br />

Behandlung psychisch Kranker. Ute Olbertz<br />

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1. Zentral gelegen und trotzdem ruhig wohnen<br />

2. Historische Bausubstanz mit ansprechendem Komfort<br />

3. Wohnen im Grünen, <strong>auf</strong> Wunsch mit dem eigenen<br />

Garten genau vor der Tür<br />

4. Gästewohnung zum Übernachten<br />

scientia halensis 3/2013 varia<br />

Johann Christian Reil<br />

(1759–1813)<br />

(Bild: Uniarchiv Halle,<br />

Rep 40-1, Nr. R2)<br />

Ausführlich im<br />

Onlinemagazin:<br />

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Kontaktdaten<br />

Pestalozzistraße 30 | 06128 Halle<br />

Telefon: 0345 17 01 22 6<br />

Telefax: 0345 17 01 22 7<br />

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Internet: www.gwg-gartenstadt.de<br />

9


10 varia scientia halensis 3/2013<br />

Das Gedächtnis<br />

der Universität<br />

Wüsste man nicht, dass sich in einem der Wohnhäuser in der Pfännerhöhe das Archiv der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong><br />

Universität verbirgt, würde man an dem grauen, schmucklosen Haus vorbei l<strong>auf</strong>en. Und doch öffnen sich dem<br />

Besucher die Türen zu <strong>den</strong> größten Schätzen, die eine Lehranstalt zu bieten hat.<br />

Betritt man das Archiv, so scheint in manchen Räumen<br />

die DDR-Zeit wieder <strong>auf</strong>zuleben. Tapete und<br />

Linoleum original erhalten aus sozialistischen Wohnträumen.<br />

Und <strong>den</strong>noch ist die Zeit im Archiv nicht<br />

stehen geblieben. Über vier Etagen erstrecken sich<br />

20 kleine Zimmer, die Akten, Urkun<strong>den</strong>, Fotos und<br />

vieles mehr versteckt halten. Aneinander gereiht<br />

wür<strong>den</strong> sie eine Länge von 3,5 Kilometer ergeben,<br />

eine Strecke vom Marktplatz bis zur Bergschänke.<br />

Das älteste Stück des Archivs, eine Urkunde der<br />

Stiftskirche Wittenberg, ist von 1350. Das jüngste,<br />

eine Stu<strong>den</strong>tenakte, stammt aus dem Jahr 2012. All<br />

das können die Archivbenutzer im neu renovierten<br />

Lesesaal für ihre wissenschaftlichen Forschungen<br />

nutzen. Noch in diesem Jahr sollen die traditionellen<br />

Findmittel, die in Buchform oder als Karteikarten<br />

existieren, digital nutzbar gemacht wer<strong>den</strong> und die<br />

Arbeit erleichtern.<br />

Doch nicht nur bei Lesesaal und Findmitteln gibt<br />

es Neuerungen. Seit Archivleiter Dr. Michael Ruprecht<br />

seine Stelle im August 2012 angetreten hat,<br />

weht ein frischer Wind im Archiv. „Das Archiv ist<br />

ein schlafendes Dornröschen, das man wach küssen<br />

muss. Wir müssen verschie<strong>den</strong>e Dinge anpacken,<br />

um das Archiv in die Jetzt-Zeit zu holen. Dazu gehört,<br />

dass wir hausinterne Strukturen verändern,<br />

Abläufe rationeller gestalten und Aufgaben in <strong>den</strong><br />

Blick nehmen, die vorher nicht im Fokus stan<strong>den</strong>“.<br />

So gestaltet sich die Aufarbeitung von Rückstän<strong>den</strong>,<br />

die über eine lange Zeit <strong>auf</strong>gel<strong>auf</strong>en sind, als eine<br />

sehr wichtige Aufgabe für Ruprecht und seine fünf<br />

Mitarbeiterinnen. Archive existieren seit es eine<br />

geordnete Verwaltung gibt. Die Ursprünge des Uni-<br />

versitätsarchivs Halle lassen sich im 19. Jahrhundert<br />

fin<strong>den</strong>. Ruprecht holt die original erhaltenen Statuten<br />

der 1817 vereinigten Universitäten Halle und<br />

Wittenberg aus einer vergilbten Archivschachtel<br />

hervor. „Erst 1854 hat man für die Jahrzehnte zuvor<br />

gegründete Vereinigte Friedrichs-Universität Halle-<br />

Wittenberg neue Statuten erlassen, die vom preußischen<br />

König Friedrich Wilhelm IV. unterzeichnet<br />

wur<strong>den</strong>. Dank der Verwahrung im Archiv können<br />

wir dieses Stück Geschichte mit einem sehr schönen<br />

roten, in Silber gefassten Wachssiegel heute in <strong>den</strong><br />

Hän<strong>den</strong> halten. Diese Urkunde dokumentiert eine<br />

wichtige Wegmarke der langen Tradition unserer<br />

Universität.“<br />

Als zentrale Einheit existiert das Universitätsarchiv<br />

in seiner heutigen Form seit 1947. Da es stetig<br />

wächst, hat das Archiv seitdem schon einige Umzüge<br />

mitgemacht. Was in <strong>den</strong> neunziger Jahren an<br />

der Pfännerhöhe als Zwischenlösung gedacht war,<br />

wurde, obwohl baulich nicht geeignet, zur Vollzeitlösung<br />

bis heute. „Ziel und Herausforderung ist es,<br />

möglichst bald ein anderes Gebäude zu fin<strong>den</strong>, in<br />

dem wir die Unterlagen optimal lagern und das Klima<br />

stabil halten können“, erzählt Ruprecht und zeigt<br />

<strong>auf</strong> ein Klimadiagramm mit zu großen Temperaturschwankungen.<br />

Um die Sonneneinstrahlung <strong>auf</strong> die<br />

Unterlagen zu reduzieren, wur<strong>den</strong> in <strong>den</strong> letzten<br />

Monaten Verdunklungsrollos eingebaut.<br />

Doch nicht nur durch Temperaturschwankungen<br />

und unsachgemäße Lagerung lei<strong>den</strong> die Akten. Auch<br />

<strong>auf</strong>grund ihres Alters und durch die häufige Benutzung<br />

wur<strong>den</strong> sie teils stark in Mitlei<strong>den</strong>schaft gezogen.<br />

„Wir haben sehr hohen Restaurierungsbedarf.


Die Akten sollen Stück für Stück wieder hergerichtet<br />

wer<strong>den</strong> und dann für die Benutzer wieder zugänglich<br />

sein. Dazu arbeiten wir eng mit Restauratoren<br />

zusammen und suchen auch ständig Paten, die sich<br />

für <strong>den</strong> Erhalt dieser Unikate einsetzen“, erläutert<br />

der Archivar.<br />

Schon 2014 könnten Besucher die gut erhaltenen<br />

Akten bewundern. „Wir haben für das nächste Jahr<br />

die Lange Nacht der Wissenschaften fest im Blick,<br />

ebenso <strong>den</strong> Tag der Archive. Mit solchen Veranstaltungen<br />

wollen wir das Archiv ins Bewusstsein<br />

der Uni und der Stadt rücken.“ Das Archiv ist das<br />

Gedächtnis der Universität. Ohne das gedruckte<br />

Wort hätten niemand Kenntnis von der Tradition<br />

der MLU: Man wüsste nicht, welche Hochschullehrer<br />

und berühmten Persönlichkeiten hier gewirkt<br />

haben und was sie bewegte. Ohne die im Archiv<br />

<strong>auf</strong>bewahrte Promotionsurkunde von Dorothea<br />

von Erxleben wüsste heute auch keiner, dass sie die<br />

erste Frau war, die an einer deutschen Hochschule<br />

promoviert wurde. Im Sommer bekommt das Archiv<br />

ein Faksimile der Promotionsurkunde. Darüber<br />

freut sich Ruprecht besonders: „Die Urkunde ist ein<br />

begehrtes Ausstellungsstück und wird oft nachgefragt.<br />

Wenn wir das Duplikat haben, brauchen wir<br />

das Original nicht mehr herausgeben. Es muss dann<br />

nicht mehr durch Transport oder Klimaschwankungen<br />

lei<strong>den</strong> muss“. Gespendet wurde das Duplikat<br />

von Ehrhardt Bödecker, Stifter des Bran<strong>den</strong>burg-<br />

Preußen Museums in Wustrau.<br />

Alles was von historischer Bedeutung oder von<br />

rechtlichem Belangen ist, ist für Ruprecht als Quelle<br />

archivwürdig. Nicht nur Fakultäten, Institute und<br />

Uni-Gremien sollten regelmäßig ihre Akten abgeben.<br />

„Wir freuen uns auch über Professorennachlässe.<br />

Deren Unterlagen und Schriftgut sind für uns<br />

interessant, weil vieles in <strong>den</strong> Akten, die zu uns<br />

kommen, nicht abgebildet ist. Professoren haben<br />

eigene Aufzeichnungen, die einen anderen Blick<br />

<strong>auf</strong> die Fakultäts- oder Institutsgeschichte zulassen“<br />

erläutert Ruprecht.<br />

„Wir sind auch dankbar, wenn Privatleute <strong>auf</strong> uns<br />

zu kommen, die einen Bezug zur Universität haben<br />

und in ihrem Familienbesitz befindliche Promotionsurkun<strong>den</strong><br />

oder Schriftwechsel mit der Uni aus<br />

dem 19. Jahrhundert an uns weiter geben.“ Erst<br />

vor wenigen Wochen wur<strong>den</strong> dem Archiv Tagebücher<br />

einer Stu<strong>den</strong>tin aus <strong>den</strong> 1920ern übergeben.<br />

Christina Naumann<br />

Kontakt: Dr. Michael Ruprecht<br />

Universitätsarchiv Halle<br />

Telefon: 0345 1201166<br />

E-Mail: michael.ruprecht@archiv.uni-halle.de<br />

scientia halensis 3/2013 varia<br />

„Das Archiv ist ein schlafendes<br />

Dornröschen“. Archivleier<br />

Dr. Michael Ruprecht<br />

will es in die Jetzt-Zeit<br />

holen. (Foto: Michael<br />

Deutsch)<br />

11


12 titelthema scientia halensis 3/2013<br />

titelthema<br />

Mit Francke raus<br />

Claudia Weiß, David<br />

Kramer (als Francke) und<br />

Paul Philipp Beckus in der<br />

von Studieren<strong>den</strong> gestalteten<br />

Kabinettsaustellung „FranckeBilder<br />

und Festkultur“.<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

Motiviert und engagiert schritten die Studieren<strong>den</strong><br />

verschie<strong>den</strong>er Lehramts- und Masterstudiengänge<br />

im Rahmen der zwei Semester umfassen<strong>den</strong> Veranstaltung<br />

„Wahrnehmungen und Deutungen des<br />

Pietismus: Zeitgenossen – Rezeption“ zur Tat. Zunächst<br />

haben sie in einem Seminar die Rezeptionen<br />

von Person und Wirken August Hermann Franckes<br />

aus der Theorie<br />

Ein Semester Theorie kombiniert mit einem Semester purer Praxis förderte pünktlich zum Francke-Jubiläum<br />

nebst Ausstellung und Katalog auch stolze Studierende und Dozenten zutage. „FranckeBilder und Festkultur –<br />

Jubiläen von der Aufklärung bis in die DDR“ ist das Zeugnis eines eindrucksvollen Ausbruchs aus dem Alltag<br />

theoretischer Lehrveranstaltungen. Und „von der Recherche bis zum Ausschnei<strong>den</strong> der Beschriftungskärtchen“<br />

von Stu<strong>den</strong>tenhand gemacht.<br />

in verschie<strong>den</strong>en Zeiten, also sozialen und politischen<br />

Kontexten, anhand zeitgenössischer Quellen<br />

erkundet. Denn „jede Zeit baut sich einen eigenen<br />

Francke“, so Historiker und Seminarleiter Prof.<br />

Dr. Andreas Pečar vom Institut für Geschichte der<br />

MLU, das die Veranstaltung in Kooperation mit <strong>den</strong><br />

Franckeschen Stiftungen anbot. Das Besondere da-


an bestand nicht nur darin, dass die Studieren<strong>den</strong><br />

dabei eigenständig Texte ausfindig machen und <strong>auf</strong><br />

dieser Grundlage einen publikationsreifen Essay für<br />

einen Katalog verfassen sollten. „Die Veranstaltung<br />

war von Beginn an mit der Idee verbun<strong>den</strong>, die Studieren<strong>den</strong><br />

in einer an das Seminar anschließen<strong>den</strong><br />

Übung eine Ausstellung konzipieren und bis zur Präsentationsreife<br />

begleiten zu lassen“, so der zweite<br />

Seminarleiter Dr. Holger Zaunstöck, Historiker und<br />

UNESCO-Be<strong>auf</strong>tragter der Franckeschen Stiftungen.<br />

„Das zu dem Zeitpunkt bevorstehende Francke-<br />

Jubiläum bot eine wunderbare Gelegenheit dafür.“<br />

Und diese Gelegenheit wurde genutzt, wenngleich<br />

ein Mehr<strong>auf</strong>wand abzusehen war. „Die Veranstaltung<br />

versprach einen Ausbruch aus der Theorie und<br />

schon die Aussicht <strong>auf</strong> eine Publikation war verlockend“,<br />

erzählt Teilnehmerin Claudia Weiß, Studierende<br />

im Masterstudiengang Aufklärung – Religion<br />

– Wissen. Bereits während der Vorbereitungen ihres<br />

Referats konnte sie Neuland erkun<strong>den</strong>. „Bisher habe<br />

ich ausschließlich in Bibliotheken recherchiert. Es<br />

war interessant, die hiesigen Archive auch einmal<br />

kennenzulernen, da man besonders bei der Arbeit<br />

in Museen sicher häufig <strong>auf</strong> darin befindliches Material<br />

zurückgreift.“<br />

Außerdem aber haben Claudia Weiß und ihr Kommilitone<br />

Paul Philipp Beckus, Masteranwärter im Fach<br />

Geschichte, noch etwas anderes, sehr Nützliches<br />

gelernt: „Es schreibt zwar jeder im Rahmen des Studiums<br />

einmal einen Essay, dieser hier musste aber<br />

ein gewissermaßen populärwissenschaftlicher Text<br />

wer<strong>den</strong>, der <strong>den</strong> Lesern wissenschaftliche Inhalte<br />

<strong>auf</strong> allgemein verständliche Weise vermittelt“, so<br />

der 23-Jährige. „Auch das war für uns ein Novum.“<br />

Nachdem die sieben Teilnehmer allein oder zu zweit<br />

diese Herausforderung gut gemeistert hatten, konnte<br />

im neuen Jahr der praktische Teil beginnen. „Mit<br />

der Ausarbeitung der Essays haben wir jeder ein bestimmtes<br />

Unterthema konkretisiert und dazu dann<br />

in Archiven, der Stiftungsdatenbank und Katalogen<br />

nach Ausstellungsmaterial recherchiert“, berichtet<br />

Claudia. Dabei – und auch beim Abschließen der<br />

Leihverträge – stan<strong>den</strong> ihnen die Mitarbeiter der<br />

Stiftungen besonders hilfreich zur Seite.<br />

„Dank der vielseitigen Unterstützung haben wir<br />

schnell viele Dinge gelernt, die man sich im Berufsleben<br />

vermutlich weitestgehend selbst aneignen<br />

muss. Wir haben leicht Zugang zu verschie<strong>den</strong>en<br />

Institutionen erhalten und Hinweise in die richtige<br />

Richtung“, so die Absolventin der Kunstgeschichte<br />

und Germanistik. Die engagierte Suche nach Ausstellungsstücken<br />

beförderte sogar einen wahren<br />

Fund zutage: Antje Schloms und Holger Trauzettel,<br />

die sich mit Francke zu dessen Lebzeiten auseinandergesetzt<br />

haben, entdeckten das Titelkupfer<br />

„Sturz der Kanzel“, eine polemische Darstellung<br />

der „Begeisterten Mägde“ von 1704. „Dies ist<br />

vermutlich die erste Abbildung der begeisterten<br />

Mägde und hätte recht eigentlich in die große Jubiläumsausstellung<br />

gehört“, berichtet Pečar stolz.<br />

Der die Hauptausstellung ergänzende Charakter<br />

von „FranckeBilder und Festkultur“ wird dadurch<br />

um einen weiteren Aspekt verstärkt.<br />

Einhundert Gäste im Kabinett<br />

Die Erkundung der Berufspraxis endete jedoch nicht<br />

mit der fertig gestellten Ausstellung. Nach der Eröffnungsveranstaltung<br />

Ende April, zu der – zur großen<br />

Überraschung der Studieren<strong>den</strong> – etwa einhundert<br />

Gäste erschienen, betreuen sie ihr Werk weiterhin<br />

mit Führungen, so auch bei der Langen Nacht der<br />

Wissenschaften am 5. Juli. „Durch die Führungen<br />

lernen wir, <strong>den</strong> Stoff zu vermitteln, und nehmen,<br />

auch dank des Katalogs, die Arbeit der Kommilitonen<br />

stärker wahr. Gleichzeitig erleben wir dabei,<br />

dass unsere Arbeit geschätzt wird. Das fühlt sich gut<br />

an und motiviert“, meint Paul Beckus.<br />

Und nicht nur die Stu<strong>den</strong>ten sind froh über <strong>den</strong><br />

Erfolg. „Große Zufrie<strong>den</strong>heit herrscht auch seitens<br />

der Stiftungen“, betont Holger Zaunstöck. „Den Mitarbeitern<br />

hat die Zusammenarbeit Freude bereitet<br />

und wir blicken neuen Gelegenheiten zu solchen<br />

Kooperationsprojekten zuversichtlich entgegen.“<br />

Melanie Zimmermann<br />

Kontakt: PD Dr. Holger Zaunstöck<br />

Franckesche Stiftungen zu Halle<br />

Telefon: 0345 2127 473<br />

E-Mail: zaunstoeck@francke-halle.de<br />

Kontakt: Prof. Dr. Andreas Pečar<br />

Institut für Geschichte<br />

Telefon: 0345 55 24290<br />

E-Mail: andreas.pecar@geschichte.uni-halle.de<br />

scientia halensis 3/2013 titelthema<br />

„Jede Zeit baut sich<br />

einen eigenen<br />

Francke.“<br />

prof. dr.<br />

andreas peČar<br />

13


14 titelthema scientia halensis 3/2013<br />

Die Universität in Franckes Welt<br />

Fünf Fragen und Antworten rund um <strong>den</strong> Campus Franckesche Stiftungen<br />

Bei schönem Wetter ist der<br />

kleine Garten neben Haus 39<br />

ein beliebter Platz zum Lernen<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

24<br />

Wie kam der Pietismus in<br />

die Welt?<br />

Diese Frage beschäftigt die Forscher am Interdisziplinären<br />

Zentrum für Pietismusforschung (IZP) in<br />

Haus 24 zurzeit. Über seine Schulen in <strong>den</strong> „Glauchaschen<br />

Anstalten“, durch einen hauseigenen Verlag,<br />

die Druckerei, eine Missionsanstalt und unzählige<br />

persönliche Kontakte half August Hermann Francke,<br />

die pietistischen Ideen in die Welt zu tragen.<br />

Pietismus – was war das noch? Hinter dem Begriff<br />

steckt die größte Reformbewegung des Protestantismus<br />

seit <strong>Luther</strong>s Thesenanschlag von 1517.<br />

Der Reformation der Kirche sollte eine „Reformation<br />

des Lebens“ folgen. Die Pietisten wollten Kirche und<br />

Gesellschaft erneuern, indem sie das Christentum<br />

lebendiger gestalteten. Sie strebten nach einem<br />

frommen, aktiv gottgefälligen Leben, geprägt von<br />

Nächstenliebe, Innerlichkeit und gemeinsamem<br />

Bibelstudium.<br />

Durch Francke und seine Schüler wurde Halle zu<br />

einem Zentrum dieser Bewegung. Aus ganz Europa<br />

strömten Stu<strong>den</strong>ten herbei, um bei ihm zu lernen.<br />

Der Pietist pflegte intensive Beziehungen nach<br />

England, Ungarn und Amerika. Auch eine dänischhallesche<br />

Mission wurde im 18. Jahrhundert in <strong>den</strong><br />

Glauchaschen Anstalten eingerichtet. Nach ihrer<br />

Ausbildung gingen die Missionare nach Südindien.<br />

Halle war Vorreiter der lutherischen Mission. Heute<br />

ist die Stadt durch das IZP ein Zentrum der internationalen<br />

Pietismusforschung. Kunst- und Kirchenhistoriker,<br />

Sprach- und Literaturwissenschaftler,<br />

historische Musikwissenschaftler erforschen hier<br />

die Reformideen des Pietismus und ihre Wirkung <strong>auf</strong><br />

verschie<strong>den</strong>e Bereiche – von der Architektur bis<br />

zum Schulwesen.<br />

Ende August wer<strong>den</strong> hunderte Forscher zum größten<br />

internationalen Kongress zur Pietismusforschung<br />

erwartet. Zum vierten Mal findet er in <strong>den</strong><br />

Franckeschen Stiftungen statt. Im Fokus der Tagung<br />

stehen die Medien, mit deren Hilfe die Pietisten ihre<br />

Ideen weitertrugen. Corinna Bertz


8/9<br />

Wer wohnt im<br />

Kultur<strong>den</strong>kmal?<br />

Ein nicht en<strong>den</strong> wollendes Treppenhaus, alte Fachwerkbalken<br />

und schmale Holzfenster – im Wohnheim<br />

des Evangelischen Konviktes <strong>auf</strong> dem Gelände<br />

der Franckeschen Stiftungen ist eine ganz besondere<br />

Atmosphäre zu spüren. „Das Flair der alten<br />

Zeiten sitzt in jeder Ecke. Wir haben zum Teil noch<br />

Möbel, die wohl schon Francke nutzte“, erzählt<br />

Anne-Kathrin Bock. Das heutige Stu<strong>den</strong>tenheim in<br />

<strong>den</strong> Häusern 8 und 9 des Kultur<strong>den</strong>kmals steht in<br />

der Tradition älterer Konvikte. Gründer waren unter<br />

anderem der Theologe August Tholuck und seine<br />

Frau Mathilde.<br />

Die Theologie-Stu<strong>den</strong>tin Bock schätzt das Leben<br />

dort. „Es hat etwas Beruhigendes hier zu wohnen.<br />

Mitten in der Stadt und doch ein wenig abgeschirmt.<br />

Oft fragen Touristen ungläubig, ob wir wirklich hier<br />

leben.“ Wir – das sind 70 Stu<strong>den</strong>tinnen und Stu<strong>den</strong>ten<br />

verschie<strong>den</strong>er Fachrichtungen, die nicht nur<br />

zusammen wohnen. Oft treffen sie sich zu gemeinsamen<br />

Ausflügen, wissenschaftlichen Übungen,<br />

Gottesdiensten, zum Sport oder zu DVD-Aben<strong>den</strong>.<br />

Blumenminister, Putzminister und Fetenminister<br />

– was sich skurril anhört, regelt das Leben im Evangelischen<br />

Konvikt. Der Ministerrat plant einzelne<br />

Aktivitäten während des Semesters und hält <strong>den</strong><br />

Kontakt zu anderen Konvikten in Halle. Doch das<br />

Konvikt <strong>auf</strong> dem Gelände der Franckeschen Stiftungen<br />

ist etwas Besonderes, erklärt Anne-Kathrin<br />

Bock: „Mensa, Uni, Kultur – alles an einem Ort. Ein<br />

Freund meinte mal, dass man die Stiftungen nicht<br />

mehr verlassen müsste, wenn es einen Supermarkt<br />

hier gäbe. Ein Rundum-sorglos-Paket sozusagen.“<br />

Sarah Huke<br />

51<br />

Wiege der halleschen<br />

Unimedizin?<br />

Oft heißt es, Johann Juncker habe in <strong>den</strong> Franckeschen<br />

Stiftungen ein Universitätsklinikum gegründet,<br />

die Stu<strong>den</strong>ten der Medizin am Krankenbett unterrichtet<br />

und so das „Bedside Teaching“ erfun<strong>den</strong>.<br />

„Neuere Forschungsprojekte zeigen, dass Juncker<br />

ab 1717 die theoretisch-medizinische Ausbildung<br />

der Stu<strong>den</strong>ten der Medizin um <strong>den</strong> praktischen<br />

scientia halensis 3/2013 titelthema<br />

Der hauseigene Kicker wird<br />

von <strong>den</strong> Konviktbewohnern<br />

oft und gerne genutzt.<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

15


16 anzeigen scientia halensis 3/2013<br />

Neue Stadt? Neues Leben? Neue Wohnung!<br />

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Unterricht, dem sogenannten Collegium clinicum,<br />

ergänzte“, erklärt Prof. Dr. Florian Steger, Direktor<br />

des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin.<br />

Francke holte Juncker persönlich an die hallesche<br />

Universität und machte ihn 1717 zum Anstaltsarzt<br />

in <strong>den</strong> Frackeschen Stiftungen. „Er übernahm fortan<br />

auch die Armensprechstunde und ließ Stu<strong>den</strong>ten<br />

der Medizin hospitieren. So konnten sie praktische<br />

Erfahrungen sammeln. Halle wurde zu einem der<br />

frühesten Standorte mit klinischem Unterricht“,<br />

erzählt Steger.<br />

Steger und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr.<br />

Maximilian Schochow sind Experten <strong>auf</strong> dem Gebiet<br />

der Medizingeschichte. „Wer in Halle unterwegs ist,<br />

wird <strong>auf</strong> Schritt und Tritt von Geschichte begleitet.<br />

Mit unserem neuen medizinischen Stadtführer<br />

wollen wir das nachvollziehbar machen“, sagt Schochow,<br />

und Steger ergänzt: „Während unserer Recherchen<br />

haben wir gemerkt, wie stark die Medizin<br />

die Stadt beeinflusst hat.“<br />

Der Stadtführer ist im Juli im Universitätsverlag<br />

Halle-Wittenberg erschienen. Vier thematische<br />

Rundgänge führen durch die Stadt Halle. Im Rahmen<br />

des Bundesprogramms „Investitionen für nationale<br />

Kultureinrichtungen in Ostdeutschland“ ist nun die<br />

Sanierung von Haus 51, dem Junckerschen Hospital,<br />

geplant. Es soll künftig Platz für das Seelsorge-Seminar<br />

der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands<br />

bieten. Sarah Huke<br />

2-7 31<br />

Pioniere und Vorreiter ‒<br />

auch heute noch?<br />

August Hermann Francke war Pietist, Pfarrer, Professor<br />

- und in vielen Dingen Pionier. Seine Schulen<br />

wur<strong>den</strong> zum Vorbild für ganz Preußen und seine Vorstellung<br />

von einer flächendecken<strong>den</strong> Schulbildung<br />

trug dazu bei, dass König Friedrich Wilhelm I. 1717 in<br />

Preußen die allgemeine Schulpflicht einführte. Auch<br />

die professionelle Ausbildung zum Lehrer hat ihren<br />

Ursprung in <strong>den</strong> Stiftungen. Francke begann als<br />

erster damit, einen Teil seiner Theologiestu<strong>den</strong>ten<br />

systematisch zu Lehrern auszubil<strong>den</strong>. 1697 gründete<br />

er mit dem „Seminarium praeceptorium“ das erste<br />

Lehrerbildungsseminar in Deutschland. Wenig verwunderlich,<br />

dass auch der erste deutsche Professor<br />

für Pädagogik, Ernst Christian Trapp, in Halle lehrte.<br />

Damit zog die Pädagogik als selbständiges Lehrfach<br />

in die Universität ein.<br />

An diese starke Tradition wird im bunten Bildungskosmos<br />

der Stiftungen bis heute angeknüpft. Eine<br />

einmaliger generationsübergreifender Mix ist <strong>auf</strong><br />

dem Gelände zu fin<strong>den</strong>: Sie reicht von Kindertagesstätten<br />

über drei verschie<strong>den</strong>e Schultypen bis zum<br />

Haus der Generationen und der erziehungswissenschaftlichen<br />

Fakultät der MLU. 2012 zog auch das<br />

Staatliche Seminar für Lehrämter Halle und das<br />

Landesprüfungsamt für Lehrämter Sachsen-Anhalts<br />

(LISA) in die Stiftungen. Der überwiegende Teil der<br />

akademischen Lehrerausbildung des Landes ist damit<br />

hier angesiedelt.<br />

Die erziehungswissenschaftlichen Studienangebote<br />

an der MLU zählen zu <strong>den</strong> besten deutschlandweit.<br />

Das bestätigte im Mai 2013 zuletzt das Ranking des<br />

Centrums für Hochschulentwicklung. Das Studium<br />

ist praxisnah angelegt, Lehre und Forschung sind<br />

eng miteinander verzahnt. In der Lehre wer<strong>den</strong><br />

neue Schritte gewagt, und zugleich wissenschaftlich<br />

begleitet. So zum Beispiel beim Service Learning,<br />

einer Lehr- und Lernmethode, die stu<strong>den</strong>tisches Engagement<br />

in der Gesellschaft mit akademischer Lehre<br />

verbindet. In Halle wurde das Konzept erstmals<br />

bundesweit untersucht. Auf Basis dieser im April<br />

2013 veröffentlichten Bestands<strong>auf</strong>nahme bildet<br />

wird nun über die weitere Etablierung des Konzepts<br />

in Deutschland diskutiert.<br />

Von der Bildungs-, Kindheits- und Jugendforschung<br />

bis zur Geistigbehinderten-, Integrations-, Sozial-<br />

und Rehabilitationspädagogik: Die Forschung an der<br />

Philosophische Fakultät III – Erziehungswissenschaften<br />

ist international hoch anerkannt. Viele der hier<br />

arbeiten<strong>den</strong> Wissenschaftler gehören zu Vorreitern<br />

<strong>auf</strong> ihren Fachgebieten. Aus ihrer Feder stammen<br />

Standardwerke der Fachliteratur, ihre Forschungsprojekte<br />

wer<strong>den</strong> von renommierten Stiftungen und<br />

vom Bund gefördert, so etwa die vier Projekte der<br />

Forschergruppe „Mechanismen der Elitebildung<br />

im deutschen Bildungssystem“ durch die Deutsche<br />

Forschungsgemeinschaft. Auch der Standort<br />

selbst, an dem kulturelle, schulische, museale und<br />

wissenschaftliche Bildung praktiziert wird, wird im<br />

Francke-Jahr zum Forschungsthema:<br />

Was im Sozialraum „Frankesche Stiftungen“ geschieht,<br />

ist die zentrale Frage, mit der sich Forscher<br />

in der Pädagogischen Woche im Oktober auseinandersetzen<br />

wollen. Corinna Bertz<br />

scientia halensis 3/2013 titelthema<br />

Ein Interview zum Service<br />

Learning im Onlinemagazin:<br />

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17


18 titelthema scientia halensis 3/2013<br />

Professor Michael Domsgen,<br />

hier mit einer <strong>Luther</strong>-Figur,<br />

leitet die neue Forschungsstelle<br />

„Religiöse Kommunikations-<br />

und Lernprozesse“<br />

(Foto: Jörg Hammerbacher)<br />

30<br />

Was beschäftigt Theologen<br />

heute?<br />

Zu Pfarrer Heiner Urmoneit von der Evangelischen<br />

Kirchgemeinde Schochwitz kommen in der Regel<br />

Jugendliche, die bereits durch ihre Familie an die<br />

Kirche gebun<strong>den</strong> sind. „Für uns steht das Gemeinschaftserlebnis<br />

der Jugendlichen im Vordergrund.<br />

Wir kochen zusammen, wir lachen und nebenbei<br />

bringen wir sie dem Glauben ein Stück näher“, so<br />

der Pfarrer. Über Klassenkamera<strong>den</strong> fin<strong>den</strong> auch<br />

Schüler, die nichts mit der Kirche zu tun haben, ihren<br />

Weg in seinen Konfirman<strong>den</strong>unterricht. Die nicht<br />

kirchlich gebun<strong>den</strong>en Jugendlichen sind oft sogar<br />

interessierter als ihre evangelischen Mitschüler.<br />

„Glauben hat etwas mit Vertrauen zu tun. An unseren<br />

Nachmittagen versuchen wir die Lebenswelt<br />

der Jugendlichen zu treffen, die sich <strong>auf</strong> der Suche<br />

nach dem Sinn des Lebens befin<strong>den</strong>. Das gilt für<br />

kirchlich gebun<strong>den</strong>e ebenso wie für konfessionslose<br />

Jugendliche“, erzählt der Referent für Konfirman<strong>den</strong>arbeit.<br />

Doch was bewegt <strong>den</strong> Einzelnen zum<br />

Schritt in die Kirche? Ist es nur das Gemeinschaftsgefühl<br />

oder der evangelische Banknachbar, der<br />

konfessionslose Jugendliche in <strong>den</strong> Konfirman<strong>den</strong>unterricht<br />

zieht?<br />

In zwei Jahren könnte die 2012 an der MLU gegründete<br />

Forschungsstelle „Religiöse Kommunikations-<br />

und Lernprozesse“ Pfarrer Urmoneit und<br />

seinen Kollegen Antwort <strong>auf</strong> diese Fragen liefern.<br />

Dann sollen die Ergebnisse der Studien zur Konfessionslosigkeit<br />

von Professor Michael Domsgen und<br />

seinem Team vorliegen. „Wir wollen verstehen, wie<br />

religiöses Lernen funktioniert und wie man sich<br />

mit dem erlernten Kommunizieren vor allem im<br />

konfessionslosen Kontext bewegt. Wenn die Pfarrer<br />

daraus handlungsorientierende Schwerpunkte<br />

ableiten, ist das gut, aber im Moment ist das nicht<br />

unser Schwerpunkt“, erklärt Domsgen.<br />

In zwei renovierten Büros in <strong>den</strong> Franckeschen Stiftungen<br />

erforscht der Theologe mit seinen Mitarbeitern,<br />

wie Menschen Religion lernen. „Wir wissen<br />

noch zu wenig, was dieses Phänomen Konfessionslosigkeit<br />

überhaupt bedeutet – insbesondere für<br />

religiöses Lernen“, erläutert er. Dabei rücken vor<br />

allem die Menschen in <strong>den</strong> Vordergrund der Betrachtungen,<br />

die in ihrer frühkindlichen Sozialisation


oder Jugend nicht explizit mit Religion in Berührung<br />

gekommen sind.<br />

Im April 2012 begann die Forschungsstelle ihre<br />

Arbeit mit einer Tagung zum Thema „Lässt sich Geschmack<br />

bil<strong>den</strong> für Religionen?“ Das Interesse war<br />

groß, erzählt Michael Domsgen: „Es war ein breites<br />

Publikum vertreten. Fachkollegen aus ganz Deutschland,<br />

aber auch interessierte Praktiker kamen.“ Sein<br />

fünfköpfiges Team widmet sich insbesondere <strong>den</strong><br />

Fragen: „Was verstehen Menschen unter Religion?<br />

Wie eignen sie sich Religion an? Wie öffnen sie sich<br />

für die religiöse Dimension?“ So beschäftigt sich<br />

eine Doktorandin mit religiösen Schulfeiern. Besonders<br />

interessieren sie dabei die Jugendlichen,<br />

bei <strong>den</strong>en der Initiationsritus der Konfirmation oder<br />

Jugendweihe zum Eintritt in das Erwachsenenalter<br />

wegfällt.<br />

Ein zweites Projekt widmet sich Menschen, die<br />

nicht christlich sozialisiert wur<strong>den</strong>, sich aber im<br />

Jugendalter der Religion zuwendeten. „Wir wollen<br />

die Beweggründe dafür verstehen, wie so eine weltanschauliche<br />

Neuorientierung zustande kommt“,<br />

erklärt der Leiter der Forschungsstelle. Weitere<br />

Projekte widmen sich <strong>den</strong> Fragen: Wie nehmen es<br />

nicht konfessionell gebun<strong>den</strong>e Kinder und Jugendliche<br />

<strong>auf</strong>, Schulen und Kindergärten in evangelischer<br />

Trägerschaft zu besuchen? Was treibt Jugendliche<br />

an, für sich selbst beten zu lernen, obwohl sie als<br />

Kind dieses Ritual nicht erfahren haben? Und wenn<br />

sie nicht beten, was sind ihre entsprechen<strong>den</strong> Substitute?<br />

Für die Gemeindepraxis, aber auch für <strong>den</strong> Religionsunterricht<br />

ergeben sich aus all diesen Forschungsfeldern<br />

interessante Anknüpfungspunkte.<br />

Vielleicht helfen sie Pfarrern und Lehrern dabei,<br />

Kinder und Jugendliche in der Schule oder beim Konfirman<strong>den</strong>unterricht<br />

besser zu verstehen – zu verstehen,<br />

was ihnen wichtig ist und was sie beschäftigt,<br />

wenn sie mit Religion bislang noch nicht explizit<br />

in Berührung gekommen sind. Christina Naumann<br />

scientia halensis 3/2013 titelthema<br />

19


20 studieren, lehren, leben scientia halensis 3/2013<br />

studieren, lehren, leben<br />

Wenn Zweifel<br />

überhand nehmen<br />

Fast jeder Studierende hat es schon einmal getan: sein Studium in Frage gestellt. Während bei vielen die Motivation<br />

nur kurzzeitig sinkt, sind die Zweifel an der eigenen Studienwahl bei manchen so stark, dass sie die<br />

Universität ohne Abschluss verlassen. Den „Studienzweiflern“, die nicht zwingend zu Studienabbrechern wer<strong>den</strong>,<br />

widmet sich das Projekt „Zweifel am Studium“. Gemeinsam mit der Arbeitsagentur Halle hat das Career<br />

Center der MLU seit Herbst 2011 160 Studienzweifler <strong>auf</strong> ihrem Weg begleitet.<br />

Zweifel gehören zum Studium<br />

dazu. Das Career Center<br />

berät bei der Neuorientierung.<br />

(Foto: Fotolia/wavebreakmediaMicro)<br />

Mit einer eher vagen Vorstellung vom Studienfach<br />

und der beruflichen Zukunft haben viele mit 18 oder<br />

19 ihr Studienfach gewählt. Und jetzt, nach drei Semestern<br />

voller Formeln, Hausarbeiten oder abstrakter<br />

Diskussionen setzen oft die Zweifel ein. Ist das<br />

wirklich meins – dieses Fach und diese berufliche<br />

Richtung? Will ich überhaupt dorthin? Werde ich<br />

mithalten können? „Mit dem Wissen wächst auch<br />

der Zweifel“, wusste schon Goethe. Soweit, so normal.<br />

„Schwierig wird es erst dann, wenn man nicht


mehr aktiv versucht, <strong>auf</strong> diese Fragen eine Antwort<br />

zu fin<strong>den</strong>“, sagt die Leiterin des Career Centers Tina<br />

Küstenbrück. Das Career Center der MLU veranstaltet<br />

regelmäßig Infonachmittage zum Thema „Studienzweifel<br />

– was nun?“. Meist erscheine nur eine<br />

Handvoll Stu<strong>den</strong>ten, die danach aber auch die Einzelberatungen<br />

sehr intensiv nutze. „Viele Zweifler<br />

wünschen sich eine schnelle Lösung und sagen uns<br />

erstmal: Das wird nichts mehr, ich muss hier raus<br />

und brauche einen Job“, erzählt Küstenbrück. Häufig<br />

handelt es sich dabei aber um eine Kurzschlussreaktion.<br />

„Wir wollen Studienzweiflern vor allem erst<br />

einmal dabei helfen, herauszufin<strong>den</strong>, was sie selbst<br />

wirklich wollen. Die persönliche Entwicklung und<br />

Lebensplanung steht für uns im Mittelpunkt.“<br />

Das heißt zunächst: Fragen stellen und bei der<br />

Suche nach Antworten Hilfe leisten. Warum hat<br />

sich jemand für sein Studium entschie<strong>den</strong>? Was<br />

war Auslöser für die Zweifel? Was sind die eigenen<br />

Hauptinteressen und Berufswünsche? „Wir geben<br />

<strong>den</strong> Zweiflern Metho<strong>den</strong>wissen an die Hand, mit<br />

<strong>den</strong>en sie anschließend selbst die nächsten Schritte<br />

gehen können.“ Die Gründe, für tiefe Zweifel am<br />

eigenen Studium sind vielfältig. „Manche kommen<br />

beispielsweise mit bestimmten Prüfungsformen<br />

oder dem Studien<strong>auf</strong>bau nicht zurecht. Oder die<br />

Entscheidung für ein bestimmtes Fach entsprach<br />

eher dem Studienwunsch der Eltern als dem eigenen“,<br />

erläutert Tina Küstenbrück.<br />

Durch das Projekt „Zweifel am Studium“, das das<br />

Career Center vor zwei Jahren gemeinsam mit der<br />

Arbeitsagentur Halle gestartet hat, wur<strong>den</strong> Studienzweifler<br />

erstmals gezielt durch ein ganzheitliches<br />

Informations-, Beratungs- und Vermittlungsangebot<br />

unterstützt. „Wir wollten ganz bewusst vor dem<br />

Studienabbruch ansetzen, dann, wenn der erste<br />

tiefe Zweifel <strong>auf</strong>taucht“, erklärt Küstenbrück. Denn<br />

Ergebnis solcher Zweifel kann auch sein: Danach<br />

umso motivierter erst richtig durchzustarten. Das<br />

Fach zu wechseln und erfolgreich zu Ende zu studieren.<br />

Oder beim Praktikum, Auslands<strong>auf</strong>enthalt<br />

oder im Job herauszufin<strong>den</strong>, was man wirklich will.<br />

Konkreter Anlass für das Projekt war die Anfrage<br />

eines Unternehmens, das beim Career Center<br />

gezielt nach Studienabbrechern fragte. Die Firma<br />

suchte nach qualifizierten Bewerbern für ihre Ausbildungsstellen.<br />

Das war vor wenigen Jahren noch<br />

eine ungewöhnliche Anfrage. „Inzwischen zeigen<br />

sich immer mehr Unternehmen an Studienabbrechern<br />

interessiert. Sie suchen fähiges, motiviertes<br />

scientia halensis 3/2013 studieren, lehren, leben<br />

Personal und schauen dabei weniger <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Abschluss<br />

oder die Semesterzahl“, erzählt Tina Küstenbrück.<br />

Während sie und ihre Mitarbeiter im ersten<br />

Schritt die Studieren<strong>den</strong> bei der Karrierefindungssuche<br />

beraten, übernimmt die Arbeitsagentur die<br />

Vermittlung in freie Ausbildungsstellen, sobald der<br />

oder die Studierende sich für diesen Weg entschie<strong>den</strong><br />

hat. Gemeinsam arbeiten beide Partner auch<br />

daran, Unternehmen <strong>auf</strong> die Gruppe der Studienabbrecher<br />

<strong>auf</strong>merksam zu machen und ein breites<br />

Netzwerk für <strong>den</strong> Erfahrungsaustausch und die<br />

Jobvermittlung <strong>auf</strong>zubauen.<br />

160 Studierende nahmen das Beratungs- und Vermittlungsangebot<br />

der bei<strong>den</strong> Projektpartner innerhalb<br />

eines Jahres wahr. „Diese Zahl hat uns schon<br />

überrascht.“ Bundesweit gibt es über Studienzweifler<br />

und Studienabbrecher bislang nur wenige Studien<br />

und kaum belastbare Zahlen. Wer die Universität<br />

ohne Abschluss verlässt, verschwindet auch aus der<br />

Studieren<strong>den</strong>statistik. Erhoben wird weder, warum<br />

jemand abbricht, noch wohin er geht. Das Evaluationsbüro<br />

der MLU will nun erstmals gezielt diejenigen<br />

befragen, die im Wintersemester 2012/13 und<br />

im Sommersemester 2013 ohne Studienabschluss<br />

die MLU verlassen haben.<br />

Einen ersten Erfolg können die Projektleiter schon<br />

vorweisen: Zwei Drittel der 160 Studieren<strong>den</strong><br />

wollten zu Beginn der Beratungen ihr Studium abbrechen.<br />

Aber nur ein Drittel hat tatsächlich diesen<br />

Weg gewählt. Den Studienabbrechern konnte über<br />

die Arbeitsagentur ein Ausbildungsplatz vermittelt<br />

wer<strong>den</strong>. Der Projektbericht bietet erste Statistiken<br />

zu <strong>den</strong> Grün<strong>den</strong> des Studienzweifels und zum Verl<strong>auf</strong><br />

der Beratungsfälle. Das 18-seitige Papier stieß<br />

im Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium des<br />

Landes ebenso wie im Rektorat <strong>auf</strong> großes Interesse.<br />

„Es ist viel in Bewegung gekommen im letzten<br />

Jahr“, freut sich Tina Küstenbrück. „Den Studieren<strong>den</strong><br />

können wir sagen: Es tut sich was! Und <strong>den</strong><br />

Abbrechern: Ihr seid ebenso interessant für Arbeitsgeber<br />

wie andere!“ Corinna Bertz<br />

Kontakt: Tina Küstenbrück<br />

Career Center<br />

Telefon: 0345 55 21498<br />

E-Mail: tina.kuestenbrueck@career.uni-halle.de<br />

Wie finde ich heraus, was<br />

ich beruflich wirklich will?<br />

Antworten von John Webb,<br />

Trainer für Life/Work Planning,<br />

im Onlinemagazin:<br />

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21


22 studieren, lehren, leben scientia halensis 3/2013<br />

Ein Strafrechtler<br />

zieht alle Register<br />

Schon als Kind entschied sich Joachim Renzikowski, Strafrechtler an der MLU, für die „Königin der Instrumente“<br />

– die Orgel. Sie ist nicht das einzige Instrument, dass der musizierende Hochschullehrer spielen kann.<br />

Professor Joachim Renzikowski<br />

an der Sauer-Orgel in<br />

der Aula der Universität<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Das Orgelspiel reizte Joachim Renzikowski, dem der<br />

Klavierunterricht mit zwölf Jahren nicht mehr ausreichte,<br />

nachdem ihm bewusst wurde, „dass in der<br />

Orgel der volle Sound eines ganzen Sinfonieorchesters<br />

steckt“. Die Orgel gilt mit ihrem raumfüllen<strong>den</strong><br />

Klang als Königin der Instrumente. Kein Wunder,<br />

dass ihr Spiel eine besondere Herausforderung<br />

darstellt. Hände und Füße agieren gleichzeitig in<br />

atemberaubender Geschwindigkeit.<br />

„Das Ziehen nur eines Registers bringt gleich eine<br />

ganze Reihe Orgelpfeifen zum Tönen“, sagt Renzikowski.<br />

Mit siebzehn hat er in der Heiligkreuzkirche<br />

in Erlangen sonntags die Gottesdienste an der Orgel<br />

begleitet. Bald spielte er klassische Werke von Bach<br />

oder romantische Stücke von Reger, Brahms und<br />

Mendelssohn Bartholdy. Die Musik stellte für ihn<br />

immer ein bereicherndes Hobby dar, kam aber nie<br />

ernsthaft für eine berufliche Zukunft in Betracht.<br />

Heute ist Prof. Dr. Joachim Renzikowski Inhaber des<br />

Lehrstuhls für Strafrecht, Rechtsphilosophie und<br />

Rechtstheorie an der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität.<br />

Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen unter<br />

anderem Sexualstrafrecht, Normentheorie sowie<br />

die Europäische Konvention der Menschenrechte<br />

und Grundfreiheiten. Orgelspiel bildet für ihn oft<br />

<strong>den</strong> Ausgleich zu hitzigen Debatten, die sein Fach<br />

bei Kontroversen über die Grenzen des Sexualstrafrechts<br />

mitunter mit sich bringt. Da geht es um Themen<br />

wie Legalisierung der Prostitution, Strafbarkeit<br />

des Inzests oder Jugendschutz. „Gerade sexuelle<br />

Themen wecken in konkreten Fällen manchmal hohe<br />

Emotionen“, so Renzikowski.<br />

Elemente des Jazz <strong>auf</strong> der Orgel reizen ihn ebenso<br />

wie der Klang romantischer Musikwerke <strong>auf</strong> Instrumenten<br />

des französischen Orgelbaumeisters<br />

Aristide Cavaillé-Coll. „Die historische Sauer-Orgel<br />

in der Aula der Universität bringe ich gelegentlich<br />

bei Absolventenfeiern zum Klingen“, erzählt der<br />

Strafrechtler. Als die ehemalige Generalbundesanwältin<br />

Dr. Monika Harms 2008 in Halle eine<br />

Honorarprofessur erhielt, begann er mit dem berühmten<br />

Intro der d-moll-Tocatta von Bach, wechselte<br />

in „Pomps and Cirumstances“ und endete mit<br />

Oscar Petersons „Night Train“. „Mich faszinieren vor<br />

allem modernere Orgelkompositionen von wenig<br />

bekannten Komponisten, zum Beispiel von Malcolm<br />

Archer.“ Aber auch Musik des amerikanischen Jazzmusikers<br />

Duke Ellington oder Melodien aus „Porgy<br />

and Bess“ von George Gershwin begeistern Renzikowski.<br />

Nicht selten versucht er, Stücke zu Hause<br />

<strong>auf</strong> seiner elektronischen Orgel nachzuspielen. Er<br />

bewundert die flinken Füße der Jazz-Organistin<br />

Barbara Dennerlein, die im beeindrucken<strong>den</strong> Tempo<br />

der Orgel swingende Klänge entlockt. Und schmunzelnd<br />

fügt er hinzu, dass er beim Orgelspiel immer<br />

noch seine über 30 Jahre alten Mokassins trägt.<br />

„Mit anderen Schuhen treffe ich die Pedale nicht.“<br />

Renzikowski präsentiert scientia halensis augenzwinkernd<br />

sein Zweitinstrument, mit dessen Spiel<br />

er einmal im Zeltlager begonnen hat: eine Blues<br />

Harp – bekannt auch einfach als Mundharmonika.<br />

Diese wiederum wird manchmal als Mundorgel bezeichnet<br />

und kann zumindest eine weitläufige Verwandtschaft<br />

mit einer richtigen Orgel <strong>auf</strong>weisen.<br />

Er konnte bald die typischen „Jaultöne“ aus ihr herausholen<br />

und musizierte zeitweise in Tübingen mit<br />

der Blues Harp in einer Band. „Manchmal träume<br />

ich von einem einsamen Bluesgitarristen, der noch<br />

einen Partner sucht.“ Oder viel besser: Er schlägt<br />

die Gründung einer „<strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Blues-Band“ in<br />

Halle vor. Dazu fehlen allerdings noch die Mitspieler.<br />

Ute Olbertz


scientia halensis 3/2013 studieren, lehren, leben<br />

23


24 studieren, lehren, leben scientia halensis 3/2013<br />

#dabeibleiben<br />

Seit April beteiligen sich viele Studierende und Uni-Angehörige aktiv an <strong>den</strong> Protesten gegen die Kürzungspläne<br />

der Landesregierung. In Halle haben das „Aktionsbündnis MLU - Perspektiven gestalten“ und das Bündnis<br />

der Medizinischen Fakultät „Halle bleibt“ beachtliche Präsenz gezeigt. Grund zum Ausruhen ist das für die<br />

Beteiligten aber nicht.<br />

Im Protest gegen die Kürzungspläne<br />

der Landesregierung<br />

demonstrieren Hochschulen<br />

und Hochschulgruppen<br />

Einigkeit. (Foto: Maike<br />

Glöckner, Protest in Halle am<br />

30. April)<br />

„Halle bleibt“ – aus zwei kleinen Wörtern ist seit<br />

April eine eindrucksvolles Zeichen von Stärke und<br />

Geschlossenheit gewor<strong>den</strong>. Auf Protestplakaten, an<br />

Fahrrädern, als T-Shirt und <strong>auf</strong> Fotos aus der ganzen<br />

Welt ist die kurze, prägnante Botschaft wiederzufin<strong>den</strong>.<br />

„Dabei war uns schnell klar, dass ‚Halle Bleibt’<br />

eigentlich zu kurz greift“, sagt Frederik Winter vom<br />

Fachschaftsrat Medizin. „Uns ist erstmal nichts Anderes,<br />

nichts Besseres eingefallen.“ Im April wurde<br />

die Medizinische Fakultät von <strong>den</strong> hochschulpolitischen<br />

Ereignissen geradezu überrollt: Am 17. April<br />

war der Wissenschaftsrat am Universitätsklinikum<br />

Halle zu Besuch, am Tag dar<strong>auf</strong> berichtete die Mitteldeutsche<br />

Zeitung erstmals von einem internen<br />

Ministeriumspapier, das <strong>den</strong> Erhalt von zwei Universitätskliniken<br />

im Land in Frage stellte. Und einen Tag<br />

später wurde Wirtschafts- und Wissenschaftsministerin<br />

Birgitta Wolff entlassen.<br />

Kurz dar<strong>auf</strong> trafen sich Vertreter der Gremien mit<br />

engagierten Mitarbeiter und Studierende der Medi-<br />

zin, um gemeinsam die Vollversammlung der Mediziner<br />

am 24. April vorzubereiten. „Zu dem Zeitpunkt<br />

haben wir uns auch gefragt, wie wir alle einbin<strong>den</strong><br />

und <strong>den</strong> direkten Kontakt halten können“, erzählt<br />

der Medizinstu<strong>den</strong>t. Schnell war die E-Mail-Adresse<br />

hallebleibt@uk-halle.de eingerichtet. Eine Webseite<br />

und die Onlinepetition für <strong>den</strong> Erhalt der Universitätsmedizin<br />

Halle folgten. Der "Halle bleibt!"-<br />

Schriftzug in Fakultätsrot und Uni-grün wurde zum<br />

Selbstläufer, tauchte immer häufiger im Stadtbild<br />

und vor allem in <strong>den</strong> sozialen Netzwerken <strong>auf</strong>. In<br />

weniger als zwei Wochen schafften es die Mediziner<br />

gemeinsam mit dem Aktionsbündnis „MLU Perspektiven<br />

gestalten“ mehr als 7.000 Menschen zu<br />

mobilisieren, die am 30. April für <strong>den</strong> Erhalt der Universitätsmedizin<br />

und gegen die Kürzungspläne im<br />

Hochschulbereich <strong>auf</strong> die Straße gingen. „Das war<br />

natürlich ein großer Ansporn“, sagt Frederik Winter,<br />

der <strong>auf</strong> dem Marktplatz seine erste Rede hielt. Er ist<br />

zurzeit vor allem damit beschäftigt, zu allen im Pro-


test engagierten Gruppen einen möglichst kurzen<br />

Draht zu halten - sei es der Studieren<strong>den</strong>rat (StuRa),<br />

der Personalrat der MLU und der Medizin oder das<br />

„Aktionsbündnis MLU - Perspektiven gestalten.“<br />

Seit April arbeiten engagierte Studierende und<br />

Mitarbeiter eng zusammen, um Proteste und Kampagnen<br />

zu planen, dazugehörige Webseiten am<br />

L<strong>auf</strong>en zu halten, öffentlich Präsenz zu zeigen und<br />

sich dabei mit allen Statusgruppen und Gremien<br />

auszutauschen und abzustimmen. Wie viele genau<br />

beteiligt sind, ist schwer einzuschätzen. „Sie bringen<br />

sich über die verschie<strong>den</strong>en Gruppen ein. Mal sind<br />

20, mal 50 Teilnehmer im Plenum vertreten“, sagt<br />

Dr. Rainer Herter vom Personalrat der MLU.<br />

Seit Sommer 2012 besteht das Aktionsbündnis<br />

MLU bereits, damals noch als Reaktion <strong>auf</strong> die<br />

uni-interne Spardebatte. „Wir hatten also einen<br />

gewissen Vorl<strong>auf</strong>.“ Der Bündnisvertreter hofft,<br />

dass das hohe Engagement das Bündnis auch über<br />

<strong>den</strong> vorlesungsfreien Sommer tragen wird und der<br />

Landesregierung ein „heißer Herbst“ bevorsteht.<br />

Noch seien dafür dicke Bretter zu bohren. Der Kern<br />

der Bündnisgruppe arbeitet seit Monaten am Limit.<br />

Mehrere Abende in der Woche und viele Wochenende<br />

wer<strong>den</strong> in eine Arbeit investiert, von der noch<br />

scientia halensis 3/2013 studieren, lehren, leben<br />

niemand weiß, ob sie am Ende erfolgreich sein wird.<br />

Aber nichts zu tun ist für die Beteiligten unvorstellbar.<br />

„Die Kürzungspläne der Landesregierung im<br />

Bildungsbereich gefähr<strong>den</strong> die Ausbildung unserer<br />

Kinder und Enkel und die Wirtschaft des Landes.<br />

Wer diese Zukunftsperspektive für seine Kinder<br />

nicht haben will, dem kann ich nicht mehr helfen“,<br />

meint Herter. „Jeder der mitmachen will, ist bei uns<br />

willkommen und kann sich einbringen. “<br />

Das Aktionsbündnis verbindet Gruppen, die selten<br />

Einigkeit demonstrieren: StuRa und Fachschaftsräte,<br />

Personalrat, Gewerkschaften und Rektorat sowie<br />

die jugendpolitische Verbände und Hochschulgruppen<br />

von <strong>den</strong> Jungsozialisten bis zum Ring Christlich-<br />

Demokratischer Stu<strong>den</strong>ten sind vertreten. Sogar<br />

ein landesweites Hochschulaktionsbündnis ist <strong>auf</strong><br />

Initiative des halleschen Bündnis' zustande gekommen.<br />

Ein Kraftakt, der nur gelingen konnte, weil<br />

allen Akteuren das gemeinsame Ziel so wichtig und<br />

wesentlich ist: Eine <strong>den</strong> Aufgaben gemäße Finanzierung<br />

des Hochschulsystems Sachsen-Anhalts<br />

und keine weiteren Kürzungen im Hochschul- und<br />

Forschungsbereich sowie bei <strong>den</strong> Stu<strong>den</strong>tenwerken.<br />

Corinna Bertz<br />

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MLU:<br />

www.facebook.com/<br />

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Das landesweite Bündnis:<br />

www.hochschulbuendnis.de<br />

Halle Bleibt:<br />

www.hallebleibt.de<br />

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25


26 studieren, lehren, leben scientia halensis 3/2013<br />

Zwei Unis, zwei Länder,<br />

zwei Abschlüsse<br />

In Halle und Mailand gibt es ein besonderes Masterprogramm: Die Studieren<strong>den</strong> des Masters „Europäische Integration<br />

und regionale Entwicklung“ kommen von zwei Unis, studieren in zwei Ländern und erhalten dafür<br />

zwei Abschlüsse: Den Master of Science und <strong>den</strong> Laurea Magistrale. Möglich macht das eine Kooperation der<br />

MLU mit der Università Cattolica del Sacro Cuore. Zwei Studierende berichten über das Programm.<br />

Diana Righi: Eigentlich habe ich in Mailand Deutsch<br />

und Englisch als Fremdsprachen sowie Internationale<br />

Beziehungen studiert. Doch nach meinem<br />

Abschluss wollte ich nicht als Dolmetscherin oder<br />

als Sprachlehrerin arbeiten. Ich wollte meinen Blick<br />

erweitern, deshalb habe ich mich dann 2011 für<br />

<strong>den</strong> Master in Politikwissenschaften in Mailand<br />

eingeschrieben. Zu dem Zeitpunkt war noch gar<br />

nicht klar, ob ich nach Deutschland kann: Nur fünf<br />

Stu<strong>den</strong>ten, die sehr gute Noten und einen Deutschkurs<br />

erfolgreich abgeschlossen hatten, durften für<br />

zwei Semester nach Halle zum Studieren. Ich habe<br />

mich riesig gefreut, dass ich angenommen wurde!<br />

Als ich dann in Halle angekommen bin, hatte ich<br />

erstmal einen doppelten „Kulturschock“: Zuerst<br />

die deutsche Kultur und dann die erste eigene<br />

Wohnung. In Mailand sind die Lebenshaltungskosten<br />

so hoch, dass es sich viele Studierende nicht<br />

leisten können, von zu Hause wegzuziehen. Deshalb<br />

wohnen viele, wie ich, noch bei ihrer Familie.<br />

In Halle war das dann ganz anders: Ich hatte meine<br />

eigene Wohnung und musste mich um alles selbst<br />

kümmern. Da war es gut, dass wir im Studium nur<br />

neun Kommilitonen sind – da sind wir sehr schnell<br />

zusammen gekommen und haben uns gegenseitig<br />

geholfen. Außerdem wohne ich mit einer Kommilitonin<br />

aus Italien zusammen. Das macht es auch<br />

ein wenig leichter. Das Studium in Deutschland<br />

unterscheidet sich nicht nur inhaltlich von dem in<br />

Mailand: In Italien ist es häufig so, dass nur der Pro-


fessor während der Veranstaltungen redet und die<br />

Stu<strong>den</strong>ten zuhören. Wir müssen zu <strong>den</strong> Vorlesungen<br />

auch immer ganze Bücher lesen. Da war ein Prof hier<br />

in Halle ganz verwirrt, als ich nach seiner Veranstaltung<br />

zu ihm kam und ihn fragte, welche Bücher<br />

ich lesen solle. Außerdem gibt es in Italien fast nur<br />

mündliche Prüfungen, was aber nicht heißt, dass wir<br />

sehr viel auswendig lernen müssen. Das ist eher hier<br />

in Deutschland so: Einige der Wirtschafts-Klausuren<br />

waren „multiple choice“, da kam es viel mehr dar<strong>auf</strong><br />

an, nur Fakten wiedergeben zu können. Während<br />

meiner Zeit in Deutschland musste ich auch ein<br />

Praktikum absolvieren. Das habe ich im Internationalen<br />

Büro für Wirtschaftsförderung in Magdeburg<br />

gemacht und mich vor allem mit europäischen Projekten<br />

wie dem Leonardo-Projekt beschäftigt. Das<br />

hat mir noch mal richtig die Augen geöffnet, welche<br />

Möglichkeiten und welche verschie<strong>den</strong>en Arbeitsfelder<br />

es nach dem Studium für mich gibt.<br />

Luise Vorwerk: Bevor ich mich für <strong>den</strong> Master<br />

entschloss, habe ich in Halle Romanistik und Wirtschaftswissenschaften<br />

studiert. Das war auch ganz<br />

schön, aber gegen Ende des Studiums habe ich mich<br />

schon gefragt, was ich später mal mit Romanistik<br />

machen könnte – gleichzeitig hat sich meine Perspektive<br />

geändert und ich wollte im Master etwas<br />

studieren, mit dem ich später mal etwas bewegen<br />

kann. Deshalb war der Master für mich ein attraktives<br />

Angebot. Er ist so <strong>auf</strong>gebaut, dass wir in <strong>den</strong><br />

zwei Semestern hier in Halle einen Fokus <strong>auf</strong> die<br />

scientia halensis 3/2013 studieren, lehren, leben<br />

Wirtschafts- und die Rechtswissenschaften haben.<br />

Dazu kommen auch vereinzelt Projektseminare,<br />

also Seminare mit Diskussionen zu europäischen<br />

Themen, etwa zur europäischen I<strong>den</strong>tität. Die sind<br />

besonders schön, weil sie konkret <strong>auf</strong> die EU eingehen,<br />

was sonst im Studium manchmal etwas fehlt.<br />

Ein großer Unterschied des Studiums hier in Halle zu<br />

dem in Mailand ist der Anspruch an das selbstständige<br />

wissenschaftliche Arbeiten. Wir haben schon<br />

im Bachelor sehr viele, vielleicht sogar fast zu viele,<br />

Hausarbeiten. Das ist in Italien nicht so – da mussten<br />

wir unseren Kommilitoninnen erst einmal helfen,<br />

als es hier hieß: Schreibt eine Hausarbeit. Da hilft<br />

es, dass wir nur eine kleine Gruppe sind und uns<br />

gegenseitig helfen können. Wir sind schon eine sehr<br />

eingeschworene Truppe.<br />

Ab dem nächsten Semester wer<strong>den</strong> wir voraussichtlich<br />

für ein Jahr in Mailand studieren. Dann wer<strong>den</strong><br />

wir wahrscheinlich keine Kurse mit unseren bisherigen<br />

italienischen Kommilitoninnen zusammen haben,<br />

sondern lernen die neuen Jahrgänge kennen.<br />

Im Februar 2013 waren wir schon mal für ein paar<br />

Tage in Mailand. Eigentlich müssen wir in Italien<br />

insgesamt nur 30 Credit Points erwerben, also die<br />

Hälfte vom normalen Pensum. Ich will aber versuchen,<br />

die meisten Scheine gleich im Wintersemester<br />

zu machen, damit ich mehr Zeit für das Praktikum<br />

im vierten Semester habe. Ich würde gerne ein längeres<br />

Praktikum absolvieren – aber nicht unbedingt<br />

direkt in Mailand. Protokoll: Tom Leonhardt<br />

Diana Righi und Luise<br />

Vorwerk gönnen sich <strong>auf</strong> dem<br />

halleschen Marktplatz ein<br />

italienisches Eis<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

Der Masterstudiengang<br />

im Internet:<br />

iw.wiwi.uni-halle.de<br />

27


28 forschen und publizieren scientia halensis 3/2013<br />

forschen und publizieren<br />

3D-Druck:<br />

Vom Greifen und Begreifen<br />

Kugel-Stab-Modelle waren gestern – 3D-Druck-Modelle sind heute. Verhilft Wissenschaftlern die moderne<br />

Technik aber zu einem besseren Verständnis dessen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“? Scientia halensis<br />

sprach mit zwei Forschern der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität über ihre Erfahrungen bei der Erkundung des<br />

3D-Drucks und über dessen Nutzen, Nachteil und Zukunftsfähigkeit.<br />

200 millionenfach vergrößert<br />

hat sich Dominik Schneider<br />

„sein“ Protein ausdrucken<br />

lassen. (Foto: Melanie Zimmermann)<br />

Diplom-Ingenieur Dominik Schneider hat es ausprobiert.<br />

Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut<br />

für Biochemie und Biotechnologie der MLU hat das<br />

Protein S aus Myxococcus xanthus, das er im Rahmen<br />

seiner Promotion in der Arbeitsgruppe „Künstliche<br />

Bindeproteine“ untersucht, als 3D-Modell drucken<br />

lassen. „Ich wollte es in der Hand halten“ lautet<br />

die ganz simple Erklärung des Protein-Forschers. Zu-<br />

mindest 3D-Simulationen gehören längst zu seinem<br />

Arbeitsalltag. „Bereits für eine Vielzahl an Proteinen<br />

bestehen Strukturmodelle, die in öffentlichen Datenbanken<br />

hinterlegt sind. Die graphische Darstellung<br />

dieser Modelle hilft ungemein, <strong>den</strong> komplexen<br />

Aufbau und die dreidimensionale Orientierung der<br />

Proteine zu verstehen“, erklärt der 31-Jährige. Die<br />

Modellierung, das sogenannte „Prototyping“, bringe


allerdings noch eine ganz andere Qualität mit sich:<br />

„Die nahezu abstrakte Welt aus Zahlen, Formeln<br />

und Tabellen, in die man täglich zehn Stun<strong>den</strong> eintaucht,<br />

wird durch die Modellierung zu einem echten,<br />

haptischen Ding.“<br />

Prof. Dr. Peter Wycisk, Leiter des Fachgebiets Hydro-<br />

und Umweltgeologie am Institut für Geowissenschaften<br />

und Geographie der MLU, der sich seit vielen<br />

Jahren mit 3D-Modellierung auseinandersetzt,<br />

sieht das ähnlich und möchte eine Lanze brechen<br />

für je<strong>den</strong> Wissenschaftler, der sich an das Thema<br />

3D-Druck heranwagt: „Die Vergegenständlichung<br />

ermöglicht ein Weiter<strong>den</strong>ken. Es ist ein komplexes<br />

Sichtbarmachen von nicht einfach Sichtbarem, und<br />

insofern auch ein Zugänglichmachen.“<br />

Aus diesem Grund haben Wycisk und sein Team<br />

in Zusammenarbeit mit dem 3D-Labor der Technischen<br />

Universität Berlin bereits vor fünf Jahren<br />

eine komplexe 3D-Geologie-Untergrundstruktur<br />

eines einstigen Tagebaugebietes von Bitterfeld<br />

gedruckt. Dieser bis heute einzigartige Gips-Polymer-Farbdruck<br />

besteht aus acht komplexen, 25<br />

mal 25 Zentimeter großen Schichten und bildet<br />

eine Fläche von 16 Quadratkilometern ab. „Die<br />

Modellierung diente der optimalen Erfassung der<br />

Grundwasserleiter, also der Grundwasserströmung<br />

und -ausbreitung. Das 3D-Modell stellt zudem ein<br />

Werkzeug zur Analyse und Prognose dar“, erklärt<br />

der Hydrogeologe.<br />

Komplexe Sachverhalte (be)greifbar und zugänglich<br />

zu machen – das scheint derzeit noch der Hauptgrund<br />

für Wissenschaftler zu sein, 3D-Modelle<br />

drucken zu lassen. „Das dreidimensionale Modell<br />

mit <strong>den</strong> richtigen Proportionen ist eine tolle Sache,<br />

für die Erforschung meines Proteins und anderer<br />

Gegenstände aber nicht notwendig“, so Schneider.<br />

Das Drucken vereinfache die Erstellung von Modellen<br />

und mache es damit theoretisch jedem möglich,<br />

etwas Vorzeigbares produzieren zu lassen. „Für die<br />

Wissenschaft lässt sich das vor allem didaktisch<br />

nutzen. Ich könnte meiner Großmutter zeigen und<br />

erklären, was ich tue. Insofern kann die Technik<br />

einem größeren Publikum <strong>den</strong> Zugang zur Wissenschaft<br />

erleichtern.“<br />

Während jedermann schon eifrig Blumenvasen,<br />

Haustierbüsten und Schmuck drucken lässt, verbreitet<br />

sich die wissenschaftliche Nutzung der Technik<br />

allerdings nur langsam. Das mag der Relation von<br />

Aufwand und Nutzen geschuldet sein. Denn obwohl<br />

Schneider für <strong>den</strong> Druck seines Proteins <strong>auf</strong><br />

scientia halensis 3/2013 forschen und publizieren<br />

ein bereits vorhan<strong>den</strong>es Strukturmodell zurückgreifen<br />

konnte, dauerte es Monate, kostete etliche<br />

Versuche und nicht wenig Geld, bis ein erster Druck<br />

überhaupt zustande kam.<br />

Eine Herausforderung stellten die Vielzahl und Kompatibilitäten<br />

der Programme dar. Nachdem es ihm<br />

gelungen war, eine Simulations-Datei zu erstellen,<br />

die sich in die 3D-Druck-Programme verschie<strong>den</strong>er<br />

Anbieter importieren ließ und er sich <strong>auf</strong> der Zielgera<strong>den</strong><br />

glaubte, sollte er an Material und Größe<br />

scheitern. „Man kann mittlerweile zwar zwischen<br />

etwa 20 verschie<strong>den</strong>en Materialien wählen, aber<br />

nicht jedes taugt für jede Art von Modell. Insgesamt<br />

habe ich etwa ein Dutzend Druck<strong>auf</strong>träge ausgelöst,<br />

bevor sich überhaupt eine Material- und Größen-<br />

Konstellation als machbar und finanzierbar erwies“,<br />

berichtet der Ingenieur. „Man muss schon einen<br />

langen Atem haben.“ Das zeigte sich insbesondere<br />

auch an dem hochkomplexen Bitterfeld-Modell.<br />

Wycisk und seine Kollegen hatten über ein Jahr<br />

Arbeit damit, das möglichst genaue Strukturmodell<br />

für <strong>den</strong> Druck überhaupt erst einmal zu entwerfen.<br />

Und hätten sie nicht bereits Jahre vorausgearbeitet<br />

<strong>auf</strong> diesem Gebiet, hätte es weitaus länger gedauert.<br />

„Obwohl der 3D-Druck mittlerweile deutlich<br />

günstiger und die Materialauswahl sehr viel größer<br />

gewor<strong>den</strong> ist, sind riesige Datenmengen und die<br />

Auswahl an Programmen noch immer ein Problem“,<br />

so Wycisk. Trotz aller Widrigkeiten glauben beide<br />

Wissenschaftler an das Potenzial und die Zukunftsfähigkeit<br />

des 3D-Drucks. „Mit der Möglichkeit, Titan<br />

als Druckmaterial zu verwen<strong>den</strong>, dürfte die Technik<br />

auch im Bereich der Medizin relevant wer<strong>den</strong>“,<br />

vermutet Schneider. „Und wenn es der NASA tatsächlich<br />

gelingt, Pizzen zu drucken, kann Dr. Oetker<br />

einpacken!“ Melanie Zimmermann<br />

Kontakt: Prof. Dr. Peter Wycisk<br />

Institut für Hydro- und Umweltgeologie<br />

Telefon: 0345 55 26134<br />

E-Mail: peter.wycisk@geo.uni-halle.de<br />

Kontakt: Dipl.-Ing. Dominik Schneider<br />

Institut für Biochemie und Biotechnologie<br />

Telefon: 0345 55 28520<br />

E-Mail: dominik.schneider@biochemtech.uni-halle.de<br />

„Die abstrakte Welt<br />

aus Zahlen, Formeln<br />

und Tabellen wird<br />

durch die Modellierung<br />

zu einem echten,<br />

haptischen Ding.“<br />

dominik schneider<br />

29


30 forschen und publizieren scientia halensis 3/2013<br />

Lese-Empfehlungen querbeet<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG 15182<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG 15179<br />

(fach-)literaturfabrik universität<br />

Verbaler Aperitif zur Exposition<br />

Noch bis 12. Juli 2013 erwartet im universitären<br />

Haupthaus die repräsentative Ausstellung „Vom<br />

Barfüßerkloster zum Löwengebäude“ ihre Besucher.<br />

Doch auch danach, wenn sie ihre Pforten längst<br />

geschlossen haben wird, kann man sich und andere<br />

noch an <strong>den</strong> schönen Bildern erfreuen.<br />

Denn der langjährige Chef der Zentralen Kustodie<br />

der Universität, Ralf-Torsten Speler, brachte im<br />

fliegenkopf verlag ein Broschürchen im Westentaschenformat<br />

heraus, das als informativer Einstieg<br />

in die Geschichte des Bauwerks bestens geeignet<br />

ist – sowohl für hallesche Uni-Fans als auch für Gäste<br />

aus nah und fern. Zwei Dutzend farbige Abbildungen<br />

illustrieren <strong>den</strong> Text, der <strong>auf</strong>s Äußerste verknappt<br />

alles Wesentliche enthält. Der Bogen spannt sich<br />

von Niemeyers erstem, am 13. Oktober 1823 an <strong>den</strong><br />

preußischen König Friedrich Wilhelm III. gerichteten<br />

„Immediatgesuch“ (das wenig später abgelehnt<br />

wurde), über die Wahl des Bauplatzes und der Ar-<br />

Der Vater der Waisen und sein Werk<br />

August Hermann Francke war kein Hallenser, doch<br />

Leben und Werk sind untrennbar mit dieser Stadt<br />

und ihrer Universität verknüpft. Im März 2013 jährte<br />

sich sein Geburtstag zum 350. Mal – das animierte<br />

<strong>den</strong> halleschen Theologen und Vorsitzen<strong>den</strong> des<br />

Kuratoriums der Franckeschen Stiftungen Helmut<br />

Obst zu einem neuen, einem breiten Publikum<br />

zugedachten Buch („so handlich, dass es in <strong>den</strong><br />

Rucksack passt“ – Helmut Obst) über <strong>den</strong> berühmten<br />

Pietisten und sein Lebenswerk. Es ist ausdrücklich<br />

nicht die noch ausstehende wissenschaftliche<br />

Francke-Biografie, sondern will uns <strong>den</strong> streitbaren<br />

Theologen, Pädagogen, Ökonomen, Reformer, Wissenschaftsorganisator<br />

und -exporteur als Mensch<br />

nahe bringen. Diese Absicht zeigt schon das Titelbild,<br />

ein Gemälde von Antoine Pesne aus dem Jahr<br />

1725 – da war Francke 62 Jahre alt. Sein Blick aber<br />

chitekten für das Projekt, die Grundsteinlegung zum<br />

Geburtstag des Königs am 3. August 1832, bautechnische<br />

Schwierigkeiten und <strong>den</strong> Bau an sich bis zur<br />

feierlichen Einweihung des neuen Hauptgebäudes<br />

der Vereinigten Fridericiana am Reformationstag<br />

1834. Ende gut, alles gut? Nein, <strong>den</strong>n nun begann<br />

das Tauziehen um Ausstattung und Dekoration der<br />

fast noch leeren Innenräume – schon damals beherrschten<br />

die Finanzen alles, ohne privates Engagement<br />

ging nichts. Das vorläufige I-Tüpfelchen wurde<br />

1868 mit <strong>den</strong> Schadow’schen Löwen gesetzt, die das<br />

Portal bis heute zieren. Ein Blick <strong>auf</strong> die mehrfach<br />

preisgekrönte Umgestaltung des Uniplatzes zu Beginn<br />

des neuen Jahrtausends rundet das Büchlein<br />

ab. Margarete Wein<br />

Ralf-Torsten Speler: Das Hauptgebäude der<br />

Universität zu Halle, Seiten, farbige<br />

Abbildungen, Halle , Euro, fliegenkopf verlag<br />

wirkt jung, der sinnliche Mund trotz prinzipieller<br />

Strenge lebensfroh. Franckes Wirken im Sinne der<br />

Waisenkinder und sein Engagement für Stu<strong>den</strong>ten<br />

aus aller Welt waren einzigartig in jener Zeit, ebenso<br />

sein erfolgreiches Bemühen, all das aus eigener<br />

Kraft erwirtschaften zu können. Davon zeugen bis<br />

heute Apotheke und Buchhandlung des Waisenhauses<br />

sowie die Cansteinsche Bibelanstalt. Sein Credo<br />

„Weltveränderung durch Menschenveränderung“,<br />

das die von ihm bis nach Indien und Amerika entsandten<br />

Missionare in die Welt hinaus trugen, wirkt<br />

bis heute fort. Margarete Wein<br />

Helmut Obst: August Hermann Francke und sein<br />

Werk, Seiten, Abbildungen, Halle , <br />

Euro, Verlag der Franckeschen Stiftungen zu Halle


scientia halensis 3/2013 forschen und publizieren<br />

(fach-)literaturfabrik universität<br />

Zwischen Darwin und Marx<br />

Richard Saage, Professor i. R. für Politikwissenschaft<br />

an der MLU, analysiert in seinem aktuellen Buch die<br />

Formen des rechten und linken Darwinismus und<br />

die sozialdemokratische Auseinandersetzung damit<br />

Anfang des 20. Jahrhunderts. Nach Saage besteht<br />

„die Aufgabe des Historikers politischer Ideen darin,<br />

sie im Durchgang durch die Quellen behutsam<br />

freizulegen und zu einer empirienahen Struktur zusammenzufügen.“<br />

Ausgehend von <strong>den</strong> 1859 erschienenen Veröffentlichungen<br />

von Charles Robert Darwins „Die Entstehung<br />

der Arten“ und Karl Marx’ „Kritik der politischen<br />

Ökonomie“ untersucht Saage wichtige Quellen<br />

der linken Darwinismus-Rezeption vor 1933/34<br />

und sucht nach dem historischen Menschenbild der<br />

Sozialdemokratie. Thematik und analysierter Zeitraum<br />

sind angesichts heutiger, beispielsweise durch<br />

Thilo Sarrazin ausgelöste Diskussionen, sehr aktuell.<br />

Die agieren<strong>den</strong> Personen wirken auch dank der im<br />

Zeig mir das Bild vom Tod<br />

Dass Totes so schön und lebendig sein kann! – Führungen<br />

durch die Meckelschen Sammlungen im<br />

Institut für Anatomie und Zellbiologie der MLU sind<br />

seit Jahren heiß begehrt. Seit kurzem aber kann<br />

sich Neu- und Wissbegier anders helfen: Ende 2012<br />

kam ein prächtiger Bildband heraus, der Vieles viel<br />

besser präsentiert, als wenn man im Rudel an <strong>den</strong><br />

Vitrinen vorübereilt. Und die Erklärungen zu <strong>den</strong><br />

Exponaten kann man nun in Ruhe nachlesen.<br />

Rüdiger Schultka, mehrere Jahre Direktor des<br />

Instituts sowie langjähriger Prosektor und Leiter des<br />

makroskopisch-anatomischen Arbeitsbereichs, hat<br />

aus seinem Lebenswerk ein Buch gemacht. Seine<br />

Texte – ernsthaft und amüsant, oft mit hübschen<br />

Anekdoten garniert – lassen <strong>den</strong> Leser Entstehen<br />

und Wer<strong>den</strong>, Vergangenheit und Gegenwart dieses<br />

einzigartigen Fundus der Medizingeschichte nach-<br />

Anhang enthaltenen Kurzbiografien erfrischend lebendig.<br />

Im Anhang ebenfalls enthalten sind Quellen<br />

und Literatur, Anmerkungen des Autors, Personen-<br />

und Sachregister. In <strong>den</strong> vier Teilen des Buches legt<br />

Saage Bedingungen und Strukturen sozialdemokratischer<br />

Darwin-Rezeption dar und beschäftigt sich<br />

mit der sozialdemokratischen Auseinandersetzung<br />

mit dem antisozialistischen Darwinismus. Er analysiert<br />

die Kontroverse innerhalb der Sozialdemokratie<br />

zwischen Linksdarwinisten und marxistischem<br />

Zentrum und geht <strong>auf</strong> anthropologische Aspekte<br />

im Selbstverständnis der SDP und SDAP bis 1933/34<br />

ein. Petra Hoffmann<br />

Richard Saage: Zwischen Darwin und Marx. Zur<br />

Rezeption der Evolutionstheorie in der deutschen<br />

und der österreichischen Sozialdemokratie vor<br />

/. Böhlau Verlag , Seiten, Euro<br />

und miterleben; die wunderbaren Fotos von Janos<br />

Stekovics visualisieren dieses Wissen und zeigen<br />

die „Naturschönheit so mancher anatomischen<br />

Mikrostruktur“.<br />

Drei Mediziner namens Meckel legten <strong>den</strong> Grundstock<br />

für die ursprünglich privaten Sammlungen<br />

(seit 1836 im Besitz der halleschen Universität). Ihr<br />

unschätzbarer Wert für die Wissenschaft wurde<br />

früh erkannt. Bereits in „Rundes Chronik der Stadt<br />

Halle 1750 bis 1835“ erscheinen sie als das „vorzüglichste<br />

Cabinett in unserer Stadt“. Margarete Wein<br />

Rüdiger Schultka: Das vorzüglichste Cabinett. Die<br />

Meckelschen Sammlungen zu Halle (Saale), <br />

Seiten, farbige Abbildungen, Euro, Verlag<br />

Janos Stekovics <br />

Lese-Empfehlungen querbeet<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG 15180<br />

Zur ausführlichen Rezension:<br />

WEBCODE MAG 15181<br />

31


32 forschen und publizieren scientia halensis 3/2013<br />

Die universelle Gen-Schere<br />

Es ist ein Krieg ums Überleben. Pflanzen gegen Bakterien. Dein Lebensraum, mein Lebensraum. Und mittendrin:<br />

Dr. Jens Boch von der Abteilung Pflanzengenetik. Er fand 2009 heraus, wie bestimmte Bakterien<br />

Pflanzenzellen genetisch manipulieren können. Diesen Trick machten sich Wissenschaftler weltweit zunutze.<br />

Sie entwickelten eine neuartige Gen-Schere, mit der man auch Erbkrankheiten in menschlichen Zellen <strong>auf</strong> die<br />

Schliche kommen kann.<br />

Dr. Jens Boch machte<br />

2009 eine Entdeckung,<br />

die Forscher in der ganzen<br />

Welt <strong>auf</strong>horchen ließ.<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Der kleinste gemeinsame Nenner von Bakterien,<br />

Pflanzen und Menschen sind Zellen. Sie enthalten<br />

das Erbgut. „Die DNA kann <strong>auf</strong> verschie<strong>den</strong>e Arten<br />

genutzt wer<strong>den</strong>, zum Beispiel durch das An- und<br />

Abschalten der Gene. Das wird vom bakteriellen<br />

Krankheitserreger Xanthomonas getan, um die<br />

Funktionen in Pflanzenzellen zu verändern“, erklärt<br />

Dr. Jens Boch. Den Trick des Erregers entschlüsselte<br />

er 2009 gemeinsam mit seinem damaligen Kollegen<br />

Dr. Sebastian Schornack.<br />

„Es ist ein ganz simples Prinzip: Die Bakterien besitzen<br />

Proteine, deren Bausteine in einer bestimmten<br />

Reihenfolge angeordnet sind. Diese Proteine namens<br />

TAL-Effektoren wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Bakterien in<br />

<strong>den</strong> Kern der Pflanzenzelle geschleust. Dort docken<br />

sie an die passende Stelle in der DNA an. Verändert<br />

man <strong>den</strong> Aufbau der TAL-Effektoren, verändert sich<br />

auch die Andockstelle“, erläutert der Pflanzengenetiker.<br />

Die Folgen sind ganz unterschiedlich: „In<br />

unserem Fall entziehen die Bakterien <strong>den</strong> Pflanzenzellen<br />

Zucker und ernähren sich davon.“<br />

Eine Entdeckung, die es <strong>auf</strong> das Titelbild des renomierten<br />

„Science Magazine“ schaffte und Forscher<br />

in der ganze Welt <strong>auf</strong>horchen ließ. Denn die TAL-<br />

Effektoren können noch mehr. „Verbindet man sie<br />

mit einem bestimmten Enzym, entsteht eine Gen-<br />

Schere. Eigentlich nichts Neues, aber diese Gen-<br />

Schere schneidet nur noch an einer Stelle und nicht<br />

mehrfach in der DNA.“ Auswirkungen eines dadurch<br />

manipulierten Gens können genauer untersucht und<br />

neue Informationen gezielter ins Erbgut eingebracht<br />

wer<strong>den</strong>. Zudem ist die Gen-Schere kostengünstiger<br />

als andere. „Auch kleine Labore arbeiten jetzt damit.<br />

Schon Stu<strong>den</strong>ten können sie im Labor bauen.<br />

Das ist eine Revolution“, so Boch.<br />

Eine Revolution mit viel Potenzial. Denn die Gen-<br />

Schere ist universell einsetzbar und kommt auch<br />

in humanen Zellen zur Anwendung. „Man kann<br />

Veränderungen im menschlichen Erbgut <strong>auf</strong>spüren,<br />

ausschnei<strong>den</strong> und durch ein neues Gen ersetzen.<br />

Das hilft bei der Behandlung von Erbkrankheiten,<br />

funktioniert jedoch bislang nur in einzelnen Zellen.“<br />

Inzwischen arbeiten immer mehr Wissenschaftler<br />

mit <strong>den</strong> TAL-Effektoren. Sie verbessern die Funktionsweise<br />

und experimentieren mit anderen ergänzen<strong>den</strong><br />

Enzymen.


Für seine bahnbrechen<strong>den</strong> Arbeiten zu <strong>den</strong> Mechanismen<br />

bakterieller Proteine ist Jens Boch in diesem<br />

Jahr mit dem Forschungspreis der Vereinigung für<br />

Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie ausgezeichnet<br />

wor<strong>den</strong>. „Dass das so einschlagen würde,<br />

vor allem im Bereich der Biotechnologie, war uns am<br />

Anfang gar nicht klar.“<br />

Und <strong>den</strong>noch: Grüne Gentechnik ist für viele Menschen<br />

ein Verfahren, dem sie skeptisch gegenüber<br />

stehen. Boch kennt die Argumente der Kritiker und<br />

meint dazu: „Genmanipulation ist ein Naturphänomen<br />

und findet ständig statt. Hat man sich einmal<br />

mit <strong>den</strong> Prinzipien von Genetik und Evolution beschäftigt,<br />

dann versteht man, dass das was man<br />

heute in der Natur sieht kein festgelegter Status<br />

ist. Natur verändert sich stetig – dasselbe machen<br />

scientia halensis 3/2013 forschen und publizieren<br />

wir, nur eben schneller und gezielter“, meint der<br />

Grundlagenforscher. Er will vor allem über die Möglichkeiten<br />

seiner Arbeit informieren, vertritt aber<br />

auch eine starke Meinung zu dem, was er tut: „Aber<br />

ich bin auch ein Öko – so wie die Wissenschaftler,<br />

die die erste Gentomate züchteten. Sie wollten einfach<br />

nicht mehr so viele Pestizide in ihrem Essen.“<br />

Sarah Huke<br />

Kontakt: Dr. Jens Boch<br />

Allgemeine Genetik<br />

Telefon: 0345 55 26292<br />

E-Mail: jens.boch@genetik.uni-halle.de<br />

Zur Schnitzelwirtin<br />

Restaurant & Biergarten<br />

Wer Schnitzel liebt, der kommt zu uns!<br />

Wir kochen frisch & lecker ...<br />

mit täglich frischem Fleisch der Stadtmetzgerei Barner,<br />

frische Zutaten und á la minute<br />

· für je<strong>den</strong> Geschmack<br />

klassisch, experimentell, scharf, rustikal und<br />

international, vom Schwein, Kalb, Pute, Hirsch<br />

· für je<strong>den</strong> Hunger<br />

halbe, normale und doppelte Portionen<br />

· für Abwechslung<br />

sorgen saisonale Angebote wie Spargel-,<br />

Pfifferlings- oder Weihnachtsgerichte . . .<br />

Cordon Bleu<br />

Große Märkerstraße 18, 06108 Halle • Telefon & Telefax [0345] ] 20 202 99 38<br />

mail: kontakt@schnitzelwirtin.de • web: www.schnitzelwirtin.de<br />

Mo. - Sa. von 11:30 Uhr bis 23:00 Uhr und So. von 11:30 Uhr bis 15:00 Uhr<br />

Je<strong>den</strong> letzten Montag im Monat bleibt das Restaurant geschlossen.<br />

33


34 forschen und publizieren scientia halensis 3/2013<br />

<strong>Tatort</strong> <strong>Wahlkreis</strong>:<br />

<strong>Abgeordneten</strong> <strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Fersen</strong><br />

Was tun Bundestagspolitiker wenn sie fernab des Berliner Reichstagsgebäudes in ihren <strong>Wahlkreis</strong>en arbeiten?<br />

Wie nehmen die Bürger sie wahr und welche Ansprüche und Erwartungen haben diese an die Volksvertreter?<br />

Diesen Fragen widmen sich französische und deutsche Politikwissenschaftler im Zuge der CITREP-Studie<br />

(„Citizens and Representatives in France and Germany“). Dafür begleiteten Forscher der MLU 64 deutsche<br />

Abgeordnete in ihre <strong>Wahlkreis</strong>e.<br />

Das Projekt im Internet:<br />

www.citrep.eu<br />

Zwischen Juli und August wird es so weit sein: Der<br />

Hallenser wird sie morgens in seinem Briefkasten<br />

fin<strong>den</strong>, die Benachrichtigung zur Bundestagswahl<br />

2013. Zurück <strong>auf</strong> dem Weg zum Frühstückstisch<br />

wird er sich vermutlich darüber Gedanken machen,<br />

welchem Kandidaten und welcher Partei er dieses<br />

Jahr sein Vertrauen ausspricht. Oder kommt es erst<br />

gar nicht so weit? Zuletzt, zur Bundestagswahl 2009,<br />

lag die Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt bei rund<br />

61 Prozent – das schlechteste Ergebnis unter allen<br />

Bundesländern. „Politikverdrossenheit“ heißt das<br />

griffige Schlagwort, unter dem vielfältige Formen<br />

des Vertrauensverlusts in die Demokratie subsumiert<br />

wer<strong>den</strong>. Doch welche Erwartungen haben die<br />

Wähler eigentlich an ihre <strong>Wahlkreis</strong>abgeordneten?<br />

Kennen sich Abgeordnete und Wähler überhaupt?<br />

Und mit welchem Selbstverständnis arbeiten die<br />

Politiker?<br />

Ausgerechnet die Arbeit der <strong>Abgeordneten</strong> im<br />

<strong>Wahlkreis</strong> hat die Parlamentsforschung, eine Teildisziplin<br />

der Politikwissenschaft, bislang recht stiefmütterlich<br />

behandelt. „Die Parlamentsforschung<br />

hat sich ausgiebig mit der Arbeit der <strong>Abgeordneten</strong><br />

im Parlament, beispielsweise bei der Ausübung der<br />

Gesetzgebungs- oder Kontrolltätigkeit, beschäftigt.<br />

Die Perspektive <strong>auf</strong> die Arbeit im <strong>Wahlkreis</strong> wurde<br />

jedoch in Deutschland weitgehend vernachlässigt“,<br />

erläutert der Politikwissenschaftler Dr. Sven T. Siefken<br />

von der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität. Dabei verbringen<br />

die <strong>Abgeordneten</strong> rund 40 Prozent ihrer Zeit<br />

mit der direkten Arbeit in ihrem <strong>Wahlkreis</strong>.<br />

Grund genug also für die Forscherteams aus Frankreich<br />

und Deutschland die Beziehungen, Arbeitsstrukturen<br />

und Anforderungen der Volksvertreter<br />

mit Blick <strong>auf</strong> Wähler und <strong>Wahlkreis</strong>e genauer zu<br />

untersuchen. Vor drei Jahren startete das Projekt<br />

unter Leitung von Prof. Dr. Suzanne S. Schüttemeyer<br />

vom Institut für Politikwissenschaft der MLU, Prof.<br />

Dr. Oscar W. Gabriel von der Universität Stuttgart<br />

und Prof. Dr. Eric Kerrouche vom Institut „Sciences<br />

Po Bordeaux “.<br />

Für das Vorhaben begleiteten die Forscher Abgeordnete<br />

des Deutschen Bundestages und der<br />

französischen Nationalversammlung in ihre <strong>Wahlkreis</strong>e.<br />

Gleichzeitig fand eine repräsentative Bevölkerungsbefragung<br />

statt. Das Besondere an der<br />

vergleichen<strong>den</strong> Studie: Sie wurde als teilnehmende<br />

Beobachtung durchgeführt. Die Forscher konnten<br />

so einen unmittelbaren Eindruck von der Arbeitswirklichkeit<br />

der <strong>Abgeordneten</strong> erhalten, waren<br />

dabei nicht nur <strong>auf</strong> deren Selbstauskünfte in Interviews<br />

angewiesen, sondern konnten das reale<br />

Verhalten vor Ort <strong>auf</strong>nehmen.<br />

Für jeweils drei Tage reisten 22 deutsche Politologen<br />

mit 63 Mitgliedern des Deutschen Bundestages in<br />

deren <strong>Wahlkreis</strong>e. „Wir haben <strong>den</strong> <strong>Abgeordneten</strong><br />

gesagt: Macht, was ihr immer tut, wir wollen euch<br />

begleiten, über die Schulter schauen und das<br />

Ganze dokumentieren“, umschreibt Siefken grob<br />

die Vorgehensweise. Ausgewählt wur<strong>den</strong> die Repräsentanten<br />

nach vorher sorgfältig bestimmten<br />

Kriterien, um in der Untersuchung ein möglichst de-


ckungsgleiches Abbild des Bundestags zu erhalten.<br />

Zu <strong>den</strong> prominentesten Teilnehmern der Studie zählen<br />

Anette Schavan, Brigitte Zypries, Frank-Walter<br />

Steinmeier und Christian Ströbele. Die anfängliche<br />

Skepsis einiger Abgeordneter habe sich bald gelegt:<br />

„Es war eine besondere Stärke der Studie, dass wir<br />

es geschafft haben, innerhalb der drei Tage vor Ort<br />

eine relativ enge persönliche Beziehung <strong>auf</strong>bauen<br />

zu können, teilweise sogar ein echtes Vertrauensverhältnis“,<br />

so Siefken. Überraschend sei für ihn<br />

gewesen, das andere Gesicht des Politikers – das<br />

des Generalisten – zu erleben: „Wir haben gesehen,<br />

dass viele Abgeordnete sich als ‚Kümmerer’ in allen<br />

möglichen Fragen verstehen.“ Erstaunt habe die<br />

Forscher auch die Bandbreite der Fragen, mit <strong>den</strong>en<br />

die Wähler an die <strong>Abgeordneten</strong> herantreten:<br />

„Das reicht von Eheproblemen über <strong>den</strong> Vortrag<br />

von eigenen Gedichten bis zu kuriosen Anfragen, ob<br />

man nicht selbst einmal das Bundesverdienstkreuz<br />

erhalten könne“, berichtet Siefken.<br />

Doch was hat es nun mit der eingangs erwähnten<br />

„Politikverdrossenheit“ <strong>auf</strong> sich? Die Bevölkerungsbefragung<br />

hat gezeigt, dass sich circa die Hälfte der<br />

befragten Deutschen weder besonders schlecht<br />

noch gut repräsentiert fühlt. Fast jeder Dritte rech-<br />

scientia halensis 3/2013 forschen und publizieren<br />

net sich aber <strong>den</strong> Kategorien „schlecht repräsentiert“<br />

bis „gar nicht repräsentiert“ zu. Be<strong>den</strong>klich ist<br />

auch die Einstellung, Politiker vertreten zu allererst<br />

die Interessen ihrer Partei, und der <strong>Wahlkreis</strong> stehe<br />

hinten an.<br />

Welche Schlüsse die Politik und die Politikwissenschaftler<br />

aus der Studie ziehen, bleibt abzuwarten,<br />

bis die Analysephase abgeschlossen ist und die<br />

Ergebnisse zum Jahresende 2013 veröffentlicht<br />

wer<strong>den</strong> können. Was sich schon jetzt sagen lässt:<br />

„Je intensiver der Kontakt der Wähler mit ihrem <strong>Abgeordneten</strong><br />

ausfällt, desto größer gestaltet sich das<br />

Vertrauen in das demokratische System“, erläutert<br />

Siefken. Vielleicht kann dem eingangs erwähnten<br />

Hallenser der Besuch einer Bürgersprechstunde<br />

seines <strong>Wahlkreis</strong>abgeordneten also einen Teil seiner<br />

Skepsis nehmen. Christopher Pflug<br />

Kontakt: Dr. Sven T. Siefken<br />

Regierungslehre und Policy-Forschung<br />

Telefon: 0345 55 24216<br />

E-Mail: sven.siefken@politik.uni-halle.de<br />

Sie repräsentieren einen<br />

ganzen <strong>Wahlkreis</strong> – aber<br />

kennen sich Abgeordnete und<br />

Wähler überhaupt? Eine der<br />

Fragen, <strong>den</strong>en die Forscher<br />

im Projekt CITREP <strong>auf</strong><br />

<strong>den</strong> Grund gingen. (Foto: ©<br />

ojoimages4 / Fotolia)<br />

35


36 personalia scientia halensis 3/2013<br />

personalia<br />

Die Universität trägt<br />

Mit vollem Herzen dabei:<br />

die Universitäts-Grafikerin<br />

Hannelore Schlesinger (Foto:<br />

Michael Deutsch)<br />

ihre Handschrift<br />

Ohne Inspiration läuft nichts. Und Gestaltung wird oft von Gefühlen getrieben. Schon deshalb beginnt Hannelore<br />

Schlesinger nicht gleich vom Ergebnis ihrer Arbeiten zu erzählen, sondern vielmehr vom Weg dorthin. Egal<br />

ob Plakat, Computer-Grafik, kunstvolle Urkunde oder kalligraphische Beschriftung, etwa im Gol<strong>den</strong>en Buch der<br />

MLU: Hannelore Schlesinger hat die Optik der hiesigen Alma Mater seit 1986 mitbestimmt.<br />

Da braucht es kreative Ideen und Fingerspitzenfühl.<br />

Und deshalb verweist die Grafikerin am Friedemann-Bach-Platz<br />

zuerst auch <strong>auf</strong> das Plakat von<br />

Grete Minde. Der Druck liege ihr besonders am Herzen.<br />

2008 habe sie ihn für einen Vortrag des Rechtshistorikers<br />

Prof. Dr. Heiner Lück entworfen. „Grete<br />

Minde“, erklärt Hannelore Schlesinger, „wurde 1617<br />

beschuldigt, die Stadt Tangermünde angezündet zu<br />

haben. Auf dem Scheiterh<strong>auf</strong>en wurde sie bei lebendigem<br />

Leibe ,geschmöcht‘“, erzählt die 61-Jährige.<br />

„Das ist grausam“, schiebt sie nach und wird still.<br />

Warum sie das überhaupt erzähle? Nun, weil es wesentlich<br />

ist, wesentlich für ihre Arbeit. „Denn bevor<br />

man so ein Thema künstlerisch mit Farben, For-


men und Strukturen anfasst, muss man sich dar<strong>auf</strong><br />

einlassen, gefühlsmäßig und voll mit dem Herzen<br />

dabei sein. Sonst wird aus Kunst Murks“, sagt die<br />

Grafikerin, die ihr Skizzenbuch immer bei sich trägt.<br />

„Bereits als Kind liebte ich Kunst, wollte möglichst<br />

etwas mit Malen machen“, erinnert sich die Hallenserin.<br />

Ihr Onkel, der Kunstmaler Heinz Schuhmann,<br />

sei daran nicht ganz unschuldig. „Ich war von ihm<br />

fasziniert, sehe heute noch seine Farbtöpfe, die<br />

Farben und seinen bekleckerten Kittel“, schwärmt<br />

die Hallenserin, die in der Schulzeit immer „Einsen“<br />

im Fach Zeichnen nach Hause brachte.<br />

Später nahm sie Einzelunterricht beim Maler und<br />

Grafiker Fritz Drechsler und vervollkommnte ihre<br />

Maltechniken. Besonders Landschaften und Porträts<br />

hatten es ihr angetan, damals <strong>auf</strong> der Sportschule.<br />

Sportschule? Hannelore Schlesinger lächelt.<br />

„Das stimmt schon. Ich war Basketballerin beim SC<br />

Chemie Halle und sogar Mitglied in der DDR-Nationalmannschaft“,<br />

überrascht sie. Mit 1,72 Meter Körpergröße<br />

recht klein, aber trippelstark, war sie <strong>auf</strong><br />

dem Spiel-Parkett aktiv, bis mit 21 Jahren ihre erste<br />

Tochter zur Welt kam. Aus dem Leistungssport wurde<br />

ein Hobby, und sie blieb am Ball. „Ich spiel immer<br />

noch beim USV, bei <strong>den</strong> Senioren.“ Doch wie kommt<br />

man vom Trippeln zum Scribbeln? „Nach dem Abitur<br />

erlernte ich <strong>den</strong> Beruf des Goldschmieds.“ Doch mit<br />

der verordneten Serienproduktion von Schmuckstücken<br />

konnte sie sich künstlerisch nicht anfreun<strong>den</strong>.<br />

Sie schmiss hin und nahm an der Kunsthochschule<br />

„Burg Giebichenstein“ ein Studium in der Fachrichtung<br />

Emailkunst <strong>auf</strong>. Danach einige Zeit als Werkstattleiterin<br />

an der Burg tätig, blieb ihr auch hier<br />

die berufliche Erfüllung versagt. „Ich wollte mich<br />

umorientieren, habe sogar mit der Selbstständigkeit<br />

geliebäugelt.“<br />

Doch wo eine Tür zugeht, geht eine andere <strong>auf</strong>.<br />

„An der Universität in der Grafikabteilung wurde<br />

ein Schriftenmaler gesucht. Also bewarb ich mich<br />

1986 – mit Erfolg“. Schriftproben musste Hannelore<br />

Schlesinger nicht abgeben. Aber man braucht nicht<br />

zweifeln, sondern darf eher ein bisschen neidisch<br />

wer<strong>den</strong>. Denn sie ist die Frau mit der schönsten<br />

Handschrift an der Universität. Oder besser Handschriften.<br />

Sie beherrscht sowohl die englische<br />

Schreibschrift als auch die Antiqua. Doch die Zeiten<br />

haben sich geändert. Wur<strong>den</strong> zu DDR-Zeiten die<br />

Türschilder der Professoren noch in Hand- oder in<br />

Stempelschrift angefertigt, kommt seit 1995 der<br />

Computer zu Hilfe. So hört es sich fast nostalgisch<br />

an, wenn die Schönschreiberin vom Uni-Poststempel<br />

erzählt, der kurz nach der Wende entstand. Als<br />

Vorlage diente das handgezeichnete Löwengebäude.<br />

„Zunächst haben wir <strong>den</strong> Text ausgedruckt, dann<br />

die Zeichnung am Kopierer verkleinert und danach<br />

Text und Zeichnung als Collage zusammengesetzt.<br />

Das war die Vorlage für <strong>den</strong> Stempel, der bis heute<br />

im Gebrauch ist.“<br />

Dank des Computers sind die Möglichkeiten viel<br />

größer gewor<strong>den</strong>. Alles geht schneller und ein wichtiges<br />

Problem hat sich erledigt: Fehlerteufel und<br />

Tintenklecks. „Man kann heute alles ausmerzen.<br />

Früher war das Wunsch<strong>den</strong>ken. Wenn man sich verschrieb<br />

oder mit Tinte tropfte, hatte man oft keine<br />

zweite Chance“, sagt Schlesinger und verweist <strong>auf</strong><br />

das Gol<strong>den</strong>e Buch der Universität, das sie als eines<br />

der wenigen Bücher auch noch heute fürchten<br />

muss. „Hier wird alles per Hand geschrieben, und<br />

bei Fehlern kann man keine Seite rausreißen. Wenn<br />

das Buch bei mir liegt, bin ich jedes Mal ganz schön<br />

angespannt“, sagt sie. Klar gibt‘s Tage, wo man sich<br />

verschreibt, aber an wirkliche Pannen erinnere sie<br />

sich „Gott sei Dank“ nicht. Dafür aber an Arbeiten,<br />

die sie stolz machen. So darf sie jedes Jahr die<br />

<strong>Luther</strong>-Urkun<strong>den</strong> für jene Doktoran<strong>den</strong> anfertigen,<br />

die ihre Promotionsarbeit mit „Summa cum laude“<br />

abgeschlossen haben. Auch die Ehrendoktor-Urkunde<br />

für <strong>den</strong> ehemaligen Präsi<strong>den</strong>t der Europäischen<br />

Kommission, Romano Prodi, stammt aus ihren Hän<strong>den</strong>,<br />

wenn auch am Computer erstellt.<br />

Und <strong>den</strong>noch: eine Handschrift wirkt persönlicher.<br />

Für die private Post sind Stift oder Feder für die<br />

Kunstfreundin immer noch ein Muss. „Viele freuen<br />

sich ja auch, wenn sie handgeschriebene Briefe von<br />

mir bekommen“, sagt sie. Muss man <strong>den</strong> Beruf des<br />

Schönschreibers künftig nicht abschreiben?<br />

Schwierige Frage. Hannelore Schlesinger gehört der<br />

Generation an, die alles von der Pike <strong>auf</strong> gelernt hat.<br />

Das soll heißen: „Wenn der Computer ausfällt, bin<br />

ich immer noch in der Lage, ein Schild handschriftlich<br />

zu gestalten.“ Michael Deutsch<br />

Kontakt: Hannelore Schlesinger<br />

Regierungslehre und Policy-Forschung<br />

Telefon: 0345 55 21037<br />

E-Mail: hannelore.schlesinger@verwaltung.unihalle.de<br />

scientia halensis 3/2013 personalia<br />

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38 personalia scientia halensis 3/2013<br />

Unzählige Varianten des Fragebogens, der durch die Antworten von Marcel Proust so berühmt gewor<strong>den</strong> ist,<br />

sind in <strong>den</strong> Medien (FAZ, Forschung & Lehre, UNICUM etc.) zu fin<strong>den</strong>. scientia halensis spielt ebenfalls mit.<br />

Diesmal ist unser Match-Partner Dr. Jürgen Krätzer, Germanist und Herausgeber der Zeitschrift für Literatur,<br />

Kunst und Kritik „die horen“.<br />

Der Germanist Dr. Jürgen<br />

Krätzer<br />

(Foto Michael Deutsch)<br />

Jürgen Krätzer<br />

1 | Warum leben Sie in Halle und nicht<br />

anderswo? Halle hat wunderbare Ecken, die Uni<br />

sowieso. Arbeit ist ein wichtiger Teil des Lebens,<br />

insofern lebe ich auch in Halle; meine Wohnung<br />

liegt allerdings außerhalb.<br />

2 | Wenn nicht Germanist, was wären Sie dann<br />

gewor<strong>den</strong>? Naturwissenschaftler.<br />

3 | Was war an Ihrer Studienzeit am besten?<br />

Freundschaften, die sich entwickelten, intellektuelle<br />

Anregungen – und die Zeit zum Selbststudium.<br />

4 | Welchen Rat fürs Überleben wür<strong>den</strong> Sie<br />

Stu<strong>den</strong>ten geben? Ein ebenso genussvolles wie<br />

effektives Verhältnis zwischen Stu<strong>den</strong>tsein und<br />

Studieren zu fin<strong>den</strong>.<br />

5 | Wenn Sie Rektor einer Universität wären,<br />

was wür<strong>den</strong> Sie als erstes tun? Flache Hierarchien,<br />

die Bürokratie <strong>auf</strong> ein Minimum reduzieren.<br />

6 | Was ist für Sie die erste Aufgabe der Wissenschaft?<br />

Nicht zum Selbstzweck zu gerinnen.<br />

7 | Was haben Intelligenz und Menschlichkeit<br />

miteinander zu tun? Das eine bedingt leider<br />

nicht zwangsläufig das andere.<br />

8 | Worüber ärgern Sie sich am meisten?<br />

Über Dinge, die einem unnötig Lebenszeit stehlen.<br />

9 | Was bringt Sie zum Lachen? Schlagfertigkeit<br />

und Situationskomik.<br />

10 | Was schätzen Sie an Ihren Freun<strong>den</strong>? Mit<br />

dieser Bezeichnung bin ich sehr geizig … So sein<br />

zu können, wie man ist. Zuverlässigkeit.<br />

11 | Wo sehen Sie Ihre Stärken? Solcherart Fragen<br />

nicht zu beantworten.<br />

12 | Was erwarten Sie von der Zukunft?<br />

Wie weit gefasst und wor<strong>auf</strong> bezogen?<br />

13 | Woran glauben Sie? An die Voraussetzung<br />

der Theodizee: Der Mensch ist ein Mängelwesen.<br />

14 | Welchen bedeuten<strong>den</strong> Menschen unserer<br />

Zeit hätten Sie gern als Gesprächspartner?<br />

Im Literaturbetrieb ergaben sich bereits verschie-


<strong>den</strong>e Möglichkeiten. Ein singuläres Desiderat<br />

verspüre ich da nicht.<br />

15 | Wer war oder ist (bisher) für Sie der wichtigste<br />

Mensch in Ihrem Leben? Das geht nur<br />

mich an.<br />

16 | Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt<br />

kennen lernen? Nach dem Mauerfall<br />

habe ich die Sehnsuchtsorte im Wesentlichen<br />

abgearbeitet; allenfalls beim Tauchen Walen zu<br />

begegnen, ist noch eine Option.<br />

17 | Womit verbringen Sie Ihre Freizeit am<br />

liebsten? Wunderbarer Weise lassen sich Hobby<br />

und Beruf vereinbaren: die Literatur. In meiner<br />

Freizeit betreibe ich eine Literaturzeitschrift, „die<br />

horen“. Wenn dann noch Zeit bleibt und je nach<br />

Stimmung und Möglichkeit: Jazz- und Rockkonzerte,<br />

Reisen, Schwimmen oder Tauchen, Billard,<br />

Theater, Gespräche …<br />

18 | Was wären Ihre drei Bücher für die Insel?<br />

Da würde ich vermutlich doch meine bisherigen<br />

Lesegewohnheit über <strong>den</strong> H<strong>auf</strong>en werfen und<br />

zu nur einem Buch greifen: Zu einem E-Book mit<br />

einigen hundert Exemplaren.<br />

19 | Wenn Sie einen Wunsch frei hätten …?<br />

Dass Vernunft doch etwas bewirken könnte.<br />

20 | Ihr Motto? Keins zu haben – so etwas<br />

schränkt ein.<br />

scientia halensis 3/2013 personalia<br />

Aus der Vita<br />

Geboren 1959 in Leipzig<br />

Studium Lehramt Deutsch<br />

und Geschichte an der<br />

Universität Leipzig<br />

Promotion zu Franz<br />

Fühmanns Poetik<br />

2003 bis 2004:<br />

Gastprofessur am Deutschen<br />

Literaturinstitut,<br />

Universität Leipzig<br />

seit 2005:<br />

wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Germanistischen<br />

Institut der MLU,<br />

Fachdidaktik Deutsch /<br />

Deutsch als Fremdsprache<br />

seit 2012:<br />

Herausgeber von „die<br />

horen. Zeitschrift für Literatur,<br />

Kunst und Kritik“<br />

39


40 personalia scientia halensis 3/2013<br />

Prof. Dr. Stefan Pfeiffer<br />

Alte Geschichte<br />

Telefon: 0345 55 24014<br />

E-Mail: stefan.pfeiffer@<br />

altertum.uni-halle.de<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

(Foto: Michael Deutsch)<br />

Stefan Pfeiffer <strong>auf</strong> <strong>den</strong> Spuren antiker Gesellschaften<br />

Neue herrschaftspolitische Verhältnisse, ideologische<br />

Zusammenhänge und die Bedeutung von<br />

Religion – all das erforscht Prof. Dr. Stefan Pfeiffer<br />

anhand antiker Gesellschaften, besonders in der<br />

Epoche des Hellenismus. Der 38-Jährige ist seit April<br />

2013 Professor für Alte Geschichte an der MLU.<br />

Mit seiner Arbeit will er die bisherige Tradition des<br />

Faches an der MLU erhalten, aber auch die inneruniversitäre<br />

und internationale Vernetzung weiter<br />

pflegen und ausbauen.<br />

Zuletzt hatte der Altertumswissenschaftler eine W2-<br />

Professur für Antike und Europa an der Technischen<br />

Universität Chemnitz inne. „Aber die bedeuten<strong>den</strong><br />

Gründungsväter der Alten Geschichte haben in Halle<br />

gelehrt. Jetzt kann ich in ihre Fußstapfen treten.<br />

Darüber hinaus erwartet mich eine ausgezeichnete<br />

Bibliothek und eine forschungsstarke historische<br />

Abteilung.“ In Trier studierte Pfeiffer bis 2001 Geschichte,<br />

Ägyptologie und Klassische Archäologie<br />

mit dem Abschluss Magister artium. Parallel dazu<br />

Manuela Bank-Zillmann neue Pressesprecherin der MLU<br />

Zum 1. Juni 2013 hat Manuela Bank-Zillmann die<br />

Leitung der Pressestelle der <strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-Universität<br />

und damit die Funktion der Pressesprecherin<br />

übernommen. Sie war zuletzt als Redakteurin und<br />

stellvertretende Leiterin der Abteilung Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit der Nationalen Akademie der<br />

Wissenschaften Leopoldina in Halle tätig.<br />

Die 37-Jährige hat an der MLU Germanistische Literaturwissenschaft<br />

und Anglistik-Amerikanistik<br />

studiert und absolvierte im Anschluss an ihren<br />

Magister-Abschluss ein zweijähriges Redaktionsvolontariat<br />

bei der Mitteldeutschen Zeitung (MZ).<br />

Mehrere Jahre arbeitete sie als freie Journalistin<br />

für verschie<strong>den</strong>e Medien. Vor allem berichtete sie<br />

als feste Mitarbeiterin regelmäßig für die MZ über<br />

Themen aus Bildung, Wissenschaft und Politik, davon<br />

zwei Jahre lang aus dem Landesbüro der Zeitung<br />

in Magdeburg.<br />

machte er 2002 sein Staatsexamen für die Sekundarstufe<br />

II in <strong>den</strong> Fächern Geschichte und Katholische<br />

Theologie. Promoviert wurde er 2004 mit<br />

einer Arbeit zum Thema „Das Dekret von Kanopos<br />

(238 v.Chr.)“. Drei Jahre später schloss er seine Habilitation<br />

über <strong>den</strong> römischen Kaiserkult ab. Für seine<br />

wissenschaftliche Leistung erhielt Pfeiffer 2008 <strong>den</strong><br />

Kalkhof-Rose-Gedächtnispreis der Mainzer Akademie<br />

der Wissenschaften und Literatur.<br />

Neben der Arbeit mit Quellen und Literatur, beschäftigt<br />

er sich auch in seinen freien Stun<strong>den</strong> mit<br />

Büchern: Besonders schöne, seltene oder historisch<br />

wertvolle sammelt er für seine Privatbibliothek. Der<br />

gebürtige Aachner ist verheiratet und tanzt gerne.<br />

An Halle schätzt er die freundlichen und hilfsbereiten<br />

Bewohner. „Und die schöne alte Bausubstanz,<br />

auch wenn sie häufig noch der Renovierung bedarf“,<br />

erklärt der Professor für Altertumswissenschaften.<br />

„Es ist toll, dass die Uni im Herzen der Stadt zu fin<strong>den</strong><br />

ist.“ Sarah Huke<br />

„Ich freue mich <strong>auf</strong> die Aufgabe, die Belange der<br />

Universität transparent zu kommunizieren und in<br />

der Zusammenarbeit mit <strong>den</strong> Medien einen Beitrag<br />

zum Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit<br />

zu leisten“, so Manuela Bank-Zillmann. Sie folgt<br />

<strong>auf</strong> Carsten Heckmann, der Ende 2012 als Pressesprecher<br />

an die Universität Leipzig wechselte. In der<br />

Zwischenzeit hatte Ute Olbertz kommissarisch diese<br />

Funktionen wahrgenommen. Corinna Bertz<br />

Kontakt: Manuela Bank-Zillmann<br />

Pressestelle<br />

Telefon: 0345 55 21004<br />

E-Mail: manuela.bank@rektorat.uni-halle.de


Erik Redling will Beziehungen in die USA stärken<br />

Um Popkultur, Musik, Kognitionstheorien und vieles<br />

mehr ergänzt Prof. Dr. Erik Redling sein Fachgebiet<br />

der amerikanischen Literatur und Kultur. Reizvoll<br />

sind für <strong>den</strong> gebürtigen Amerikaner die unterschiedlichen<br />

interdisziplinären Fragestellungen und<br />

Ansätze, wie zum Beispiel die Darstellung und Funktion<br />

afro-amerikanischer Dialekte und Musik in der<br />

nordamerikanischen Literatur. Zum April nahm er<br />

seine Professur für „Amerikanische Literatur“ am<br />

Institut für Anglistik und Amerikanistik der MLU<br />

<strong>auf</strong>. Dort hatte er bereits seit 2010 verschie<strong>den</strong>e<br />

Vertretungsprofessuren inne. Einen Zwischenstopp<br />

legte er 2011/12 im National Humanities Center in<br />

North Carolina ein.<br />

Vernetzung spielt für <strong>den</strong> Amerikanisten auch außerhalb<br />

seiner Forschungsarbeit eine große Rolle.<br />

Als neuer Leiter des Zentrums für USA-Studien<br />

möchte er die Beziehungen zwischen der MLU<br />

und <strong>den</strong> USA ausbauen. „Neue Austauschplätze<br />

mit amerikanischen Universitäten sollen etabliert<br />

Die Analyse von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen<br />

von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung<br />

und hoher tagespolitischer Aktualität – das reizt<br />

Prof. Dr. Wolf-Heimo Grieben besonders an seinem<br />

Fachgebiet. Seit dem 1. April 2013 ist er Inhaber des<br />

W3-Lehrstuhls „Volkswirtschaftslehre, insbesondere<br />

Wachstum und Entwicklung“. Die Kompetenz,<br />

bei diesen Zusammenhängen mitzure<strong>den</strong>, will der<br />

42-Jährige auch <strong>den</strong> Studieren<strong>den</strong> mitgeben. Daneben<br />

möchte er sich für die erwünschte Internationalisierung<br />

der wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge<br />

einsetzen, „unter anderem durch verstärkten<br />

Einsatz der englischen Sprache im Unterricht und<br />

bei der Pflichtlektüre“. In seinem Forschungsbereich<br />

ist Grieben an einer stärkeren Kooperation des<br />

Fachbereichs mit dem IWH und mit Forschern aus<br />

<strong>den</strong> USA interessiert. Inhaltlich strebt er unter anderem<br />

die Verknüpfung von realen und monetären<br />

Ansätzen in der Makroökonomik an.<br />

und die transatlantische Kooperation im Bereich<br />

E-Learning verstärkt wer<strong>den</strong>“, erklärt Redling. Die<br />

Neustrukturierung des Zentrums sieht er als besonders<br />

reizvolle Aufgabe an. Neben seinem Master<br />

of Arts an der North Carolina State University<br />

im Fach Amerikanische Geschichte und Literatur<br />

machte der Deutsch-Amerikaner sein Staatsexamen<br />

für das Lehramt in Englisch, Sport und Geschichte<br />

an der Universität Augsburg. Dort wurde er 2003<br />

auch promoviert. Seine Habilitation folgte 2009<br />

mit einer Arbeit zu „Intermedial Translations in Jazz<br />

Poetry“. Dafür erhielt er <strong>den</strong> Habilitationspreis des<br />

Deutschen Anglistenverbands. Musik beschäftigt<br />

Redling auch außerhalb seines Forschungsschwerpunktes:<br />

Er ist nicht nur Spezialist für Jazz Musik, er<br />

spielt auch Tenorsaxophon. „Leider habe ich dafür<br />

nicht mehr so viel Zeit wie früher. Damals war ich<br />

auch noch häufiger klettern.“ An Halle schätzt der<br />

Amerikanistik-Professor die Kaffeehauskultur und<br />

<strong>den</strong> wunderschönen Altstadtcharme. Sarah Huke<br />

Wolf-Heimo Grieben will, dass Studierende mitre<strong>den</strong> können<br />

Der gebürtige Niedersachse hat Volkswirtschaftslehre<br />

von 1992 bis 1998 an der Universität des<br />

Saarlands studiert. 2002 wurde er an der Wissenschaftlichen<br />

Hochschule für Unternehmensführung<br />

(WHU) in Vallendar zum Thema „Trade and technology<br />

as competing explanations for rising inequality<br />

– an endogenous growth perspective“ promoviert.<br />

Zwischen 2005 und 2011 war der Vater von zwei Kindern<br />

im Alter von vier und sechs Jahren an der Universität<br />

Konstanz als Juniorprofessor tätig. Im Jahr<br />

2007 arbeitete er als Gastforscher an der Columbia<br />

University in New York. In Mannheim, Konstanz und<br />

Würzburg hatte er Vertretungsprofessuren inne.<br />

Privat sind ihm seine Familie, Fußball und Politik<br />

wichtig. Für ein erstes Fazit zu Halle sei es noch zu<br />

früh, so Grieben. „Aber die Hallenser, mit <strong>den</strong>en ich<br />

bisher zu tun hatte, machen durchweg einen sympathischen<br />

und offenen Eindruck.“ Maria Preußmann<br />

scientia halensis 3/2013 personalia<br />

Prof. Dr. Erik Karl Redling<br />

Amerikanistik / Literaturwissenschaft<br />

E-Mail: erik.redling@amerikanistik.uni-halle.de<br />

Telefon: 0345 55 23520<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

Prof. Dr. Wolf-Heimo<br />

Grieben<br />

Volkswirtschafslehre, insbes.<br />

Wachstum und Entwicklung<br />

E-Mail: wolf-heimo.grieben@wiwi.uni-halle.de<br />

Telefon: 0345 55 23331<br />

(Foto: Maike Glöckner)<br />

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42 zeitgeist scientia halensis 3/2013<br />

Der Zeitgeist, Jahrgang<br />

1760, tauchte zuerst bei<br />

Johann Gottfried Herder<br />

<strong>auf</strong>. Auch Johann Wolfgang<br />

von Goethe setzte<br />

ihm ein Denkmal, indem<br />

er Faust vom „Geist der<br />

Zeiten“ sprechen ließ.<br />

Inzwischen wirkt er -<br />

unübersetzt oder als „spirit<br />

of the times“ - längst auch<br />

in der englischsprachigen<br />

Welt.<br />

Es ist wieder soweit: Der Sommer ist da. Mal mehr,<br />

mal weniger. Wir träumen uns in <strong>den</strong> Urlaub. Fernab<br />

von staubigen Büchern, klackern<strong>den</strong> Tastaturen<br />

und unterkühlten Laboren. Über Berge wandern,<br />

Museen im Akkord erobern oder am Strand faulenzen.<br />

Hauptsache dem Alltag entfliehen. Gern auch<br />

zu zweit. Oder zu dritt. Man teilt Erlebtes ja gern.<br />

Doch treffen wir an diesem Punkt <strong>auf</strong> die Spezies<br />

der Unentschlossen, der Sich-alles-offen-Halter und<br />

Möglichkeitensezierer. Es könnte ja noch ein besseres<br />

Angebot kommen – mit interessanteren Leuten,<br />

an schöneren Orten.<br />

Es gibt doch so viele Möglichkeiten. Wie kann man<br />

sich da entschei<strong>den</strong>? Das Zelt in <strong>den</strong> Kofferraum<br />

werfen und los. Die Ostsee ruft. Nah, günstig und<br />

abenteuerlich. Je<strong>den</strong>falls der Stau <strong>auf</strong> der A9 und<br />

das wechselhafte Wetter. Ebenso günstig, aber<br />

weitaus wetterbeständiger: Mittelmeerinseln. Man<br />

müsste nur die anderen überzeugen, nicht in die<br />

Bettenburgen zu fahren. Dann doch lieber Individualurlaub<br />

in Kenia. Mit <strong>den</strong> Jeep durch die Steppe<br />

fahren, wilde Tiere beobachten, in einer Lodge<br />

übernachten und im Nebel des Moskitoschutzsprays<br />

ersticken. Trotz der schier endlosen Liste der<br />

Dr. Usus Zeitgeist<br />

die ohnmacht der möglichkeiten<br />

Zeichnung: Oliver Weiss<br />

Vor- und Nachteile, alles ist möglich. Kein Wunder<br />

also, wenn wir in <strong>den</strong> Unmengen der Möglichkeiten<br />

ertrinken, in eine Schockstarre verfallen oder davor<br />

davon l<strong>auf</strong>en. Je mehr Wege wir einschlagen<br />

können, desto unzufrie<strong>den</strong>er sind wir mit unserer<br />

Wahl. Wir wollen schließlich alles richtig machen<br />

und wissen nicht einmal was ‚richtig‘ eigentlich bedeutet.<br />

Den sichersten Weg gehen! Risiko mutiert<br />

zum Fremdwort, das wohl bald aus unserem Wortschatz<br />

gestrichen wird.<br />

Bleiben wir also am besten zu Hause. Balkonien soll<br />

auch ganz schön sein. Und weil wir nichts verpassen<br />

wollen, können wir uns Bildbände ausleihen,<br />

Dokumentationen schauen und die Welt bequem<br />

vom Campingstuhl kennenlernen. Sicher ist sicher.<br />

Hauptsache, wir müssen uns nicht entschei<strong>den</strong>.<br />

Wobei – Sollten wir uns unseren Privaturlaub mit<br />

Eis, Kuchen oder doch Schokolade versüßen? Diese<br />

Entscheidungen wollen einfach nicht <strong>auf</strong>hören.<br />

Und weil wir uns nicht entschei<strong>den</strong> können und<br />

nichts riskieren wollen, legen wir uns einfach nicht<br />

mehr fest, halten uns alles offen und nennen es Freiheit.<br />

Aber seit wann passen Freiheit und Sicherheit<br />

so perfekt zusammen?


scientia halensis 3/2013 anzeigen<br />

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44 forschen und publizieren scientia halensis 3/2013

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