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Referate - GastroSuisse

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Bern, 30. Juni 2009<br />

Rückblick<br />

Magdalena Bertone, Vizepräsidentin Syna<br />

(Es gilt das gesprochene Wort.)<br />

Oberstes Ziel der sechs SozialpartnerInnen war, einen wirklich neuen und innovativen<br />

Gesamtarbeitsvertrag auszuarbeiten, der das Image des Gastgewerbes insgesamt<br />

aufwertet. Mit rund 200’000 Angestellten – wovon rund 120’000 Frauen sind – und 30’000<br />

Betrieben ist das Gastgewerbe eine der grössten und bedeutendsten Branchen in der<br />

Schweizer Wirtschaft. Nach zwei Jahre dauernden Verhandlungen war es soweit. Im<br />

Dezember 2008 haben sich alle Verhandlungsparteien auf den vorliegenden Gesamt-<br />

arbeitsvertrag geeinigt.<br />

Die wichtigsten Erneuerungen im Vertrag zur Verbesserung des Images sind:<br />

– die verstärkte Förderung der Aus- und Weiterbildung für alle Angestellten;<br />

– klare Regelungen, die Sicherheit schaffen und das Vertrauen zwischen Arbeitnehmenden<br />

und -gebenden fördern;<br />

– striktere Sanktionen, um die Angestellten besser vor prekären und willkürlichen<br />

Anstellungsbedingungen zu schützen;<br />

– bessere Kontrollen, insbesondere der Arbeitszeiten, um die Entstehung von Gratisarbeit<br />

weitgehend einzudämmen.<br />

Aufgrund der momentan schwierigen Wirtschaftslage sind wir Verhandlungspartnerinnen<br />

und -partner übereingekommen, dass die Einführung des neuen Lohnsystems erst auf<br />

Januar 2012 in Kraft tritt. Dies ist ein deutliches Zeichen der guten Zusammenarbeit<br />

zwischen den SozialpartnerInnen im Schweizer Gastgewerbe.<br />

Anfang Jahr wurde der neue Gesamtarbeitsvertrag in das Ratifizierungsverfahren der<br />

einzelnen Verbände geschickt. Heute können wir Ihnen erfreut mitteilen, dass alle sechs<br />

Verbände den neuen Gesamtarbeitsvertrag im Schweizer Gastgewerbe ratifiziert haben und<br />

dieser auf den 1. Januar 2010 in Kraft tritt. Wir sind stolz, dass es uns trotz der schwierigen<br />

wirtschaftlichen Lage gelungen ist, alle Verbände von den vielen Vorteilen des Vertrages für<br />

alle Beteiligten zu überzeugen.


Bern, 30. Juni 2009<br />

Neuer sozialer Dialog – die Bewährungsprobe ist bestanden<br />

Peter Hohl, Vorstandsmitglied Swiss Catering Association (SCA)<br />

(Es gilt das gesprochene Wort.)<br />

Wann ist für die Arbeitgeber die Zeit gut für Verhandlungen mit dem Sozialpartner?<br />

«Eigentlich nie», werden die sagen, die sich eher kurzfristig orientieren; «fast immer»,<br />

werden die antworten, denen die längerfristige Entwicklung der Branche am Herzen liegt.<br />

«Aber jetzt, gerade jetzt ist es wirklich der falsche Zeitpunkt!»<br />

Wie Sie aus der Grafik von KOF und <strong>GastroSuisse</strong> entnehmen, war die wirtschaftliche<br />

Situation beim Start unserer Gespräche sehr positiv – niemand ahnte, was kommen würde!<br />

Wir haben unsere Gespräche Ende des letzten Jahres abgeschlossen im Gedanken «Es<br />

wird wohl nicht so schlimm sein, wie es aussieht».<br />

Leider wird es wohl noch schwieriger werden, als wir es uns heute vorstellen, zumindest<br />

wenn wir den inzwischen zu Pessimisten mutierten Wirtschaftsweisen Glauben schenken.<br />

Und somit kam unsere neu entdeckte Sozialpartnerschaft schon viel früher als gedacht zu<br />

einem Härtetest. «The proof of the pudding is the eating», wie die Engländer zu sagen<br />

pflegen.<br />

Start der Gespräche<br />

Was meine ich mit der neuen Sozialpartnerschaft? Ich bin seit 1985 an Verhandlungen über<br />

Gesamtarbeitsverträge im Gastgewerbe beteiligt und hatte somit ausreichend Gelegenheit,<br />

Heute


die angewendeten taktischen Finessen zu bewundern. – Zu bewundern gab’s eigentlich bis<br />

vor kurzem nichts! Verhandlungen der Sozialpartner im Gastgewerbe liefen immer nach dem<br />

gleichen Muster ab, die einzige Veränderung bestand in den Darstellern, die sie angewendet<br />

haben: Die Gewerkschaft, lange Zeit nur eine, erfand aus Arbeitgebersicht unsinnige<br />

Forderungen, von denen sie nur eines sicher wusste, nämlich, dass sie sie nie realisieren<br />

würde! Um das Ganze etwas interessanter zu gestalten, ging sie regelmässig vor den<br />

Verhandlungen damit in die Presse, zumindest in die eigene Verbandszeitung, und setzte<br />

sich dadurch selber unter Druck.<br />

Die Arbeitgeber auf der anderen Seite hatten in der Regel keine eigenen Forderungen. Sie<br />

bereiteten sich auf eine Abwehrschlacht vor und verwendeten dafür eine ebenso einfache<br />

wie wirkungslose Taktik: Wir geben nichts!<br />

Solchermassen vorbereitet, wurden dann Kompromisse geboren, wie zum Beispiel die<br />

Ausrichtung von 25% eines 13. Lohnes ab dem siebten Beschäftigungsmonat beim<br />

gleichen Arbeitgeber, für Saisonbetriebe waren die Monate aus verschiedenen Saisons zu<br />

kumulieren, etc. – die Probleme bei den Lohnabrechnungen hatten wir damit<br />

vorprogrammiert!<br />

Und dann kam vor zwei Jahren plötzlich allseits die Erleuchtung, es einmal auf andere Art zu<br />

versuchen: nämlich in einem kleinen Kreis den bestehenden Gesamtarbeitsvertrag zu<br />

besprechen, ohne vorherige Forderungen und ohne protokollierte Statements, nur mit dem<br />

Ziel der Verbesserung und Vereinfachung der Regelungen zum Wohl des schweizerischen<br />

Gastgewerbes. Und siehe da, man begann einander zuzuhören und versuchte, die<br />

Probleme und Schwierigkeiten des Sozialpartners zu verstehen – es entstand ein wirklicher<br />

Dialog und es wurden Lösungen geboren, die ich nie für möglich gehalten hatte, das Ganze<br />

unter tatkräftiger Mithilfe unseres Moderators, Herr Peter Roos vom Büro a & o in Bern.<br />

Als Ergebnis wurde ein neuer Gesamtarbeitsvertrag für das Schweizer Gastgewerbe<br />

erarbeitet, der bei allen Sozialpartnern eine mittlere Unzufriedenheit auslöst, also ein<br />

ausgewogenes Ergebnis. Es wird Ihnen gleich im Anschluss aus der Sicht von beiden Seiten<br />

dargestellt werden.<br />

Die so neu entdeckte Sozialpartnerschaft wurde in diesem Frühling durch die veränderte<br />

Wirtschaftslage auf die Probe gestellt. Die Arbeitgeber sahen in ihren kantonalen Untergrup-<br />

pen einen steigenden Unmut zum neuen Gesamtarbeitsvertrag heranwachsen, der in der<br />

Aussage zusammengefasst werden kann: ein vernünftiger Vertrag, aber zum falschen<br />

Zeitpunkt.<br />

Die eilig zusammengerufenen Verhandlungspartner suchten gemeinsam eine Lösung und<br />

einigten sich auf eine etappenweise Einführung, indem das «Lohnpaket» erst in zwei Jahren<br />

in Kraft treten wird. Damit war der Vertrag gerettet, ohne dass ein ausbalanciertes Paket<br />

aufgeschnürt werden musste, und die Partnerschaft hatte die erste Probe bestanden.


Bern, 30. Juni 2009<br />

Der neue Gesamtarbeitsvertrag bringt wichtige Verbesserungen für die<br />

Arbeitnehmenden – auch den vollen 13. Monatslohn für alle<br />

Andreas Rieger, Co-Präsident Unia<br />

(Es gilt das gesprochene Wort.)<br />

Der neue Gesamtarbeitsvertrag im Gastgewerbe bringt zahlreiche Verbesserungen für die<br />

Mitarbeitenden und ist ein grosser Fortschritt für die ganze Branche. Die Verbesserungen<br />

setzen insbesondere bei den vier Themenbereichen Arbeitszeit, Lohn, Anwendung sowie<br />

Aus- und Weiterbildung (vgl. separater Beitrag) an.<br />

Im Gastgewerbe arbeiten über 200’000 Personen als Angestellte. Eine knappe Mehrheit<br />

davon sind Frauen, und dasselbe gilt für MigrantInnen. Die in dieser Branche bisher<br />

bezahlten Löhne gehören zu den unteren in der gesellschaftlichen Lohnhierarchie.<br />

Angesichts dieser Ausgangsbedingungen ist es um so wichtiger, dass die<br />

Arbeitsverhältnisse durch einen Gesamtarbeitsvertrag abgesichert sind und dass dieser via<br />

Allgemeinverbindlicherklärung für alle Betriebe und 200’000 Angestellten gilt.<br />

Massnahmen für die korrekte Erfassung der Arbeitszeit<br />

Ein grosses Problem der Branche – nämlich die in vielen Betrieben fehlende Erfassung der<br />

effektiv geleisteten Arbeitsstunden – wird resolut angepackt. Jeder Arbeitgeber muss die<br />

Erfassung der Arbeitszeit sicherstellen und den Mitarbeitenden den Überstundensaldo<br />

monatlich schriftlich mitteilen. Damit dies in Zukunft besser funktioniert, gibt es auf der<br />

einen Seite mehr Beratung für die Betriebe. Auf der anderen Seite müssen jene Betriebe mit<br />

mehr Kontrollen und schärferen Sanktionen rechnen, die sich nicht an diese Auflagen<br />

halten.<br />

Beim Themenbereich Arbeitszeit gibt es zwei weitere bedeutende Neuerungen. Die<br />

Ferienregelung wird vereinfacht und vereinheitlicht: Alle Mitarbeitenden haben ab 2010 fünf<br />

Wochen Ferien. Dies bedeutet insbesondere für die vielen Angestellten im Stundenlohn<br />

einen Fortschritt. Väter kommen bei der Geburt ihres Kindes in den Genuss von drei Tagen<br />

Urlaub statt bisher nur einem.<br />

13. Monatslohn für alle und neues Lohnsystem<br />

Beim Thema Lohn gibt es zahlreiche Verbesserungen. Diese treten Anfang 2012 in Kraft.<br />

Sehr erfreulich ist die Einführung des vollen 13. Monatslohnes für alle Mitarbeitenden, wenn<br />

sie die Probezeit bestanden haben. Dieses Begehren steht bei den gastgewerblichen<br />

Angestellten schon seit vielen Jahren zuoberst auf der Liste der zu verbessernden Punkte.<br />

Das beharrliche Einfordern des 13. Monatslohnes hat sich nun ausgezahlt.<br />

Bei den Mindestlöhnen steht ein Systemwechsel an. Die Aus- und Weiterbildung wird<br />

konsequent berücksichtigt und aufgewertet. Die Aus- und Weiterbildung lohnt sich in


mehrfacher Hinsicht. So gibt es beispielsweise eine neue Kategorie für Mitarbeitende ohne<br />

Berufslehre, welche die fünfwöchige Weiterbildung «Progresso» absolviert haben (CHF<br />

3’600.–). Der Mindestlohn bei abgeschlossener dreijähriger Lehre im Gastgewerbe steigt<br />

von CHF 3’823.– auf CHF 4’100.–.<br />

Die jetzt für 2012 ausgehandelten neuen Mindestlöhne werden vor der In-Kraft-Setzung<br />

noch angepasst, wenn die in der Zwischenzeit aufgelaufene Teuerung 2% übersteigen<br />

sollte.<br />

In den Regionen, die früher dem Bundesgesetz über Investitionshilfe für Berggebiete (IHG)<br />

unterstanden – darunter fallen Berggebiete und wirtschaftlich schwache Regionen – kann<br />

heute der Mindestlohn für Ungelernte um 10% unterschritten werden. Diese zeitlich<br />

unbefristete Abzugsmöglichkeit entfällt ab 2012.<br />

Um die Mehrkosten der Lohnverbesserungen teilweise zu kompensieren, wird 2012 ein<br />

Einarbeitungsabzug bei der Lohnkategorie für Ungelernte während der ersten sechs<br />

Anstellungsmonate eingeführt. Dieser Abzug beträgt 2012 10% und ab 2013 8%.<br />

Anwendung des neuen Gesamtarbeitsvertrages gestärkt<br />

Eine weitere Absicht der Gesamtarbeitsvertrags-Erneuerung war, mit einer Vereinfachung zu<br />

mehr Sicherheit sowohl bei den Arbeitgebern als auch bei den Mitarbeitenden beizutragen<br />

und so eine bessere Selbstkontrolle und Anwendung des Gesamtarbeitsvertrages zu<br />

erreichen. Indem zahlreiche Bestimmungen in den Bereichen Arbeitszeit, Ferien,<br />

13. Monatslohn, Lohnabzüge vereinfacht oder aufgehoben wurden, haben wir dieses Ziel<br />

mehrheitlich erreicht.


Bern, 30. Juni 2009<br />

Der neue Gesamtarbeitsvertrag: Verbesserungen aus Arbeitgebersicht<br />

Claudio E. Casanova, Präsident Arbeitsrechtskommission hotelleriesuisse<br />

(Es gilt das gesprochene Wort.)<br />

Vor knapp zwei Jahren starteten die Verhandlungen für den neuen Gesamtarbeitsvertrag<br />

des Gastgewerbes. Bereits im Vorfeld hatten die Arbeitgeber eine Mitgliederumfrage<br />

durchgeführt, um die Ansprüche an einen neuen Gesamtarbeitsvertrag zu erheben. Dabei<br />

betonten die befragten Unternehmer die Bedeutung einer stabilen Sozialpartnerschaft und<br />

legten vor allem Wert auf mehr Flexibilität sowie auf eine Verbesserung der Produktivität.<br />

Heute steht fest: Diesen Vorgaben wird der neue Gesamtarbeitsvertrag gerecht. Es handelt<br />

sich um ein ausgewogenes Paket, das die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit unserer<br />

Branche im Fokus hat.<br />

Welches sind nun die konkreten Verbesserungen aus Arbeitgebersicht? Zuallererst sind hier<br />

die neuen unternehmerischen Freiräume zu nennen. Dazu gehören etwa die flexiblere<br />

Handhabung von Überstunden oder die Neuregelungen für Saisonbetriebe. Ebenso wichtig<br />

sind die zahlreichen Vereinfachungen (z.B. die einheitliche Feriendauer von fünf Wochen), da<br />

diese für mehr Klarheit und Transparenz sorgen. Mit dem neuen Lohnsystem schaffen die<br />

Sozialpartner marktgerechtere Verhältnisse und beweisen damit Mut und Weitsicht: In den<br />

oberen Lohnklassen spielt der Markt, während sich die übrigen Minimallöhne konsequent an<br />

der Qualifikation der Mitarbeitenden orientieren. Wir sind überzeugt, dass sich die massive<br />

Unterstützung von Aus- und Weiterbildungen auch für die Unternehmer lohnt und zu mehr<br />

Professionalität und höherer Qualität in der Branche führen wird. Gleichzeitig wird der neue<br />

Gesamtarbeitsvertrag die Produktivität erhöhen. So sieht das Arbeitszeitmodell zum Beispiel<br />

für Saisonbetriebe neu die 43,5-Stunden-Woche vor.<br />

Dem einzelnen Unternehmer verlangt dieser Systemwechsel einiges ab. Der Mehrwert des<br />

neuen Vertrags lässt sich kaum in Franken und Rappen bemessen. Vielmehr stärkt dieser<br />

mittel- und längerfristig das Schweizer Gastgewerbe und sorgt für eine bessere Ausgangs-<br />

lage im internationalen Konkurrenzumfeld. Die attraktiveren Rahmenbedingungen werden<br />

die Umsteigerquote bei den Mitarbeitenden senken und den Unternehmern eine bessere<br />

Ausgangslage bei der Rekrutierung von Mitarbeitenden im In- und Ausland bringen. Wichtig<br />

ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Gesamtarbeitsvertrag gleich lange Spiesse für<br />

alle bedeutet und wettbewerbsverzerrendes Lohndumping verhindert.<br />

Die grosse Herausforderung für den einzelnen Arbeitgeber besteht nun darin, sich profunde<br />

Kenntnisse über sämtliche Vertragsinhalte zu verschaffen, damit der neue Spielraum optimal<br />

für den eigenen Betrieb genutzt werden kann. Vor dem Hintergrund der aktuellen<br />

wirtschaftlichen Probleme ist die etappenweise Einführung des Gesamtarbeitsvertrages –<br />

das heisst die Inkrafttretung des neuen Lohnsystems per 2012 – unumgänglich. Wir gehen


davon aus, dass sich dann die Wirtschaftslage erholt und die Situation in den Betrieben<br />

entspannt hat. Darüber hinaus gibt dieses Vorgehen unseren Mitgliedern Zeit, eine<br />

möglichst reibungslose Umstellung vorzubereiten.<br />

Ich komme zum Schluss und damit zu einer weiteren, entscheidenden Verbesserung in<br />

Zusammenhang mit dem Gesamtarbeitsvertrag: Heute dürfen wir mit grosser Genugtuung<br />

festhalten, dass die Sozialpartnerschaft auf einer neuen, konstruktiven Basis steht, die sich<br />

nicht mehr nur nach den eigenen Interessen orientiert. Arbeitnehmer und Arbeitgeber wollen<br />

gemeinsam die Branche stärken. Der Slogan trifft somit ins Schwarze – der neue<br />

Gesamtarbeitsvertrag ist wirklich «Gut für alle».


Bern, 30. Juni 2009<br />

Das Aus- und Weiterbildungskonzept des neuen Gesamtarbeitsvertrages im<br />

Schweizer Gastgewerbe aus Arbeitnehmersicht<br />

Stefan Unternährer, stellvertretender Geschäftsleiter Hotel & Gastro Union,<br />

Verhandlungsleiter der Arbeitnehmer für den neuen Gesamtarbeitsvertrag im<br />

Schweizer Gastgewerbe<br />

(Es gilt das gesprochene Wort.)<br />

Im Schweizer Gastgewerbe wird seit zehn Jahren eine kostenlose, fünfwöchige<br />

Weiterbildung für Mitarbeitende angeboten, die keinen gastgewerblichen Berufsabschluss<br />

haben. Das Projekt heisst Progresso und wird in den Bereichen Küche, Restauration und<br />

Hauswirtschaft angeboten. Voraussetzung für die Teilnahme an diesen Lehrgängen ist eine<br />

Anstellung im gewählten Fachbereich in einem dem Gesamtarbeitsvertrag des<br />

Gastgewerbes unterstellten Betrieb. Die Ausbildung wird aus Vollzugskostenbeiträgen<br />

finanziert. Der Unterricht ist für den Kursteilnehmer kostenlos und dem Arbeitgeber wird<br />

während der Abwesenheit des Mitarbeiters eine Arbeitsausfallentschädigung entrichtet.<br />

Der Finanzierungsansatz dieser Progresso-Kurse wird im neuen Gesamtarbeitsvertrag auf<br />

weitere Lehrgänge ausgedehnt:<br />

– Eidgenössisches Berufsattest, Modul-Nachholbildung, berufsbegleitend<br />

– Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis, Nachholbildung, berufsbegleitend<br />

– Berufsmaturität, berufsbegleitend<br />

– Berufsprüfung<br />

– Höhere Fachprüfung<br />

Auch für diese Ausbildungen werden neu die Kurs- und Prüfungskosten übernommen und<br />

die Arbeitgeber nach den Ansätzen der Erwerbsersatzordnung (EO) für den Lohnausfall<br />

während der Abwesenheit ihrer Mitarbeitenden entschädigt. Mit der Ausweitung der<br />

finanziellen Unterstützung auf die genannten Aus- und Weiterbildungen wird der neue<br />

Gesamtarbeitsvertrag im Gastgewerbe zum «Bildungs-Gesamtarbeitsvertrag».<br />

Das Konzept ermöglicht lernwilligen Berufsleuten die Ausbildung ohne finanzielle Sorgen bis<br />

zur höheren Fachprüfung, der höchsten Stufe der beruflichen Weiterbildung nach<br />

Berufsbildungsgesetz. Das Konzept ist zudem durchlässig. Lernwillige Mitarbeitende<br />

können als Ungelernte oder als Gelernte in dieses Konzept einsteigen und die<br />

verschiedenen Bildungsstufen durchlaufen.<br />

Für die Arbeitnehmer ist das Aus- und Weiterbildungskonzept des neuen Gesamtarbeits-<br />

vertrages ein wichtiger Durchbruch. Sie erreichen damit ein lange verfolgtes Ziel: dass<br />

Berufsleute, die sich auf ihrem Beruf weiterbilden wollen, finanziell gleichgestellt werden mit


Studenten an den Universitäten, die für ihr Studium nichts zahlen müssen. Die attraktiven<br />

Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten werden das Ansehen der gastgewerblichen<br />

Berufsbilder heben und auch jenen jungen Menschen eine gute berufliche Perspektive für<br />

die Zukunft bieten, deren Start ins Berufsleben vielleicht etwas schwieriger verläuft.<br />

Das neue, attraktive Aus- und Weiterbildungskonzept positioniert das Schweizer<br />

Gastgewerbe auch für den bevorstehenden «Kampf um Talente» bei den Schulabgängern.<br />

Ein Kampf, der, bedingt durch die demografische Entwicklung, unweigerlich vor der Türe<br />

steht.<br />

Gute Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden, Produktivitätszu-<br />

gewinne für die Betriebe und mehr Dienstleistungsqualität für die Gäste. Das neue Aus- und<br />

Weiterbildungskonzept des Gesamtarbeitsvertrages im Gastgewerbe ist wahrlich «Gut für<br />

alle».


Bern, 30. Juni 2009<br />

Aus- und Weiterbildung aus Arbeitgebersicht<br />

Ernst Bachmann, Vizepräsident <strong>GastroSuisse</strong><br />

(Es gilt das gesprochene Wort.)<br />

Der neue Gesamtarbeitsvertrag setzt einen Meilenstein für die Aus- und Weiterbildung im<br />

Gastgewerbe!<br />

Eine verstärkte Aus- und Weiterbildung ist nötig, nachhaltig und zukunftsgerichtet. Nur mit<br />

einer zeitgemässen Aus- und Weiterbildung sichern wir dem Gastgewerbe für die Zukunft<br />

einen genügend grossen Stamm an qualifizierten Berufsleuten.<br />

Wir kämpfen heute mit einer der höchsten Fluktuationsraten (d.h. Abgänge aus der Branche,<br />

nicht in andere gastgewerbliche Betriebe). Zudem sprechen die demografischen Tendenzen<br />

eine deutliche Sprache: Der Anteil der Jugendlichen unter 20 Jahren nimmt in den nächsten<br />

Jahrzehnten ganz erheblich ab (von 2010 bis 2050 werden ca. 200’000 Jugendliche fehlen),<br />

und gleichzeitig steigt die Tendenz zur Ergreifung einer akademischen Ausbildung. Die<br />

Folge dürfte also ein Manko an Jugendlichen sein, welche für eine berufliche Grundbildung<br />

überhaupt zur Verfügung stehen. Wir stehen vor der Herausforderung, dass von diesen<br />

«wenigen» Jugendlichen auch in Zukunft eine genügende Anzahl ihren Weg ins Gast-<br />

gewerbe findet. Um dies zu erreichen, müssen für ausgebildete Berufsleute nach der Lehre<br />

interessante Perspektiven geschaffen werden.<br />

Ein weiteres Charakteristikum des Gastgewerbes ist, dass rund 40% aller Mitarbeitenden<br />

sogenannt ungelernte Mitarbeitende sind. Sei es, dass sie überhaupt keine berufliche<br />

Bildung haben, sei es, dass sie aus völlig anderen Berufen kommen. Diese Mitarbeitenden<br />

sind sehr wertvoll und ohne sie hätten wir im Gastgewerbe ein enormes Problem. Nur: Der<br />

Gast wird immer anspruchsvoller und will immer besser und professioneller umsorgt<br />

werden. Gleichzeitig sind die Betriebe aus Kostengründen darauf angewiesen, über<br />

Mitarbeitende mit einer hohen Produktivität zu verfügen. Es ist daher absehbar, dass in<br />

Zukunft die gastgewerblichen Leistungen mit tendenziell besser ausgebildeten Leuten<br />

erbracht werden müssen und damit die Anzahl ungelernter Mitarbeitender eher sinken wird.<br />

Ebenso müssen wir erkennen, dass die Erbringung von gastgewerblichen Dienstleistungen –<br />

ebenso wie die Leistungserbringung in anderen Berufen – je länger je mehr nach fundiertem<br />

Wissen verlangt.<br />

Kurz: Das Gastgewerbe muss sich in Zukunft als Branche etablieren können, welche erstens<br />

über interessante Berufe verfügt und zweitens in diesen Berufen attraktive Weiterbildungs-<br />

möglichkeiten mit entsprechenden Salärperspektiven anbieten kann. Dabei gilt es, die<br />

Entwicklungsmöglichkeiten für gelernte Berufsleute ebenso im Auge zu behalten wie dieje-


nigen für ungelernte Mitarbeitende. Beides scheint uns mit der Förderung spezifischer<br />

Ausbildungsgänge optimal gelungen zu sein.<br />

Für ungelernte Mitarbeitende mit bestehender Berufserfahrung im Gastgewerbe dient die<br />

sogenannte Progresso-Ausbildung. Dieser fünfwöchige Kurs existiert bereits heute und soll<br />

nun flächendeckend gefördert werden. Durch die Deckung von 80% der Lohnkosten<br />

während der Ausbildungszeit aus Mitteln der Vollzugskostenbeiträge steigt der Anreiz für die<br />

Arbeitgeber ganz wesentlich, ihr Personal schulen zu lassen.<br />

Im Weiteren sollen Mitarbeitende gefördert werden, welche sich ausserhalb der ordentlichen<br />

Ausbildungsgänge (d.h. der Absolvierung einer EBA- oder EFZ-Lehre im Anschluss an die<br />

obligatorische Schulzeit) im Sinne einer Nachholbildung um eine genügende berufliche<br />

Qualifikation bemühen.<br />

Für bestandene Berufsleute wirkt sich die Förderung der Absolvierung einer Berufsprüfung<br />

oder einer höheren Fachprüfung motivierend aus und eröffnet Personen mit einem gast-<br />

gewerblichen Lehrabschluss entsprechende Perspektiven.<br />

Bei alledem gilt: Wer sich der Belastung und den Einschränkungen einer berufsbegleitenden<br />

Weiterqualifizierung unterzieht und wer seinen Mitarbeitenden eine entsprechende<br />

Weiterbildung ermöglicht, soll zukünftig zumindest nicht auch noch finanziell erheblich<br />

belastet werden.<br />

Eine derartige Aus- und Weiterbildungsinitiative hat es im Gastgewerbe bis anhin noch nie<br />

gegeben. Wir sind überzeugt, dass sich das Gastgewerbe damit für die Erbringung<br />

hochwertiger Dienstleistungen gegenüber seinen Kunden und im Wettbewerb um gute<br />

Mitarbeitende zukünftig sehr vorteilhaft positionieren kann. Eben: «Gut für alle»! Und das<br />

Schönste daran: die gesamte Bildungsoffensive inkl. Lohnersatz für die Arbeitgeber lässt<br />

sich mit einem im Branchenvergleich einmalig tiefen Vollzugskostenbeitrag von CHF 89.–<br />

finanzieren.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


Bern, 30. Juni 2009<br />

Ausblick<br />

Magdalena Bertone, Vizepräsidentin Syna<br />

(Es gilt das gesprochene Wort.)<br />

Nachdem alle Verbände dem neuen Gesamtarbeitsvertrag zugestimmt haben, geht es nun<br />

an seine Einführung und Umsetzung. Alle Mitglieder der SozialpartnerInnen werden einen<br />

gedruckten Gesamtarbeitsvertrag vor dessen Inkraftsetzung erhalten.<br />

Ganz wichtig ist uns dabei, allen im Gastgewerbe Beschäftigten den neuen «Spirit» dieses<br />

Gesamtarbeitsvertrages von Anfang an nahezubringen: nämlich, dass wir künftig das<br />

Miteinander grossschreiben. In echter, respektvoller Partnerschaft zwischen Arbeit-<br />

nehmenden und Arbeitgebenden wollen wir das Image des Schweizer Gastgewerbes<br />

gemeinsam verbessern, und mit den richtigen Massnahmen können wir dies auch erreichen.<br />

Neben besseren Arbeitsbedingungen ist die bedeutendste Massnahme hierfür die Aus- und<br />

Weiterbildung. Wir wissen alle aus eigener Erfahrung: Im Zeitalter des schnellen Wandels ist<br />

stetige Weiterbildung unablässig für eine professionelle Berufsausübung.<br />

Mit der markant verstärkten Förderung der Aus- und Weiterbildung im neuen<br />

Gesamtarbeitsvertrag gewinnen rundum alle:<br />

– die Arbeitnehmenden, deren Löhne und Wertschätzung als gute Fachkräfte steigt;<br />

– die Arbeitgebenden, die dank besser ausgebildeten Mitarbeitenden eine bessere Dienst-<br />

leistung anbieten können;<br />

– sowie das breite Publikum, das als Gäste im Restaurant oder im Hotel in den Genuss<br />

eines guten Service kommt.<br />

Die vom Seco erteilte Allgemeingültigkeitserklärung stellt sicher, dass der neue Gesamt-<br />

arbeitsvertrag für alle gut 200’000 Arbeitnehmenden und 30’000 Arbeitgebenden im<br />

Gastgewerbe verbindlich anzuwenden ist.<br />

Die Verankerung des Gesamtarbeitsvertrages bietet dank seinen innovativen Schwerpunkt-<br />

setzungen die Chance, das Schweizer Gastgewerbe nach innen und aussen positiv zu<br />

positionieren. Zusammen mit dem sozialpartnerschaftlichen Dialog zwischen<br />

Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden sind wir überzeugt, dass uns die Aufwertung des<br />

Branchen-Images gelingen wird. Damit wird nicht zuletzt auch die internationale<br />

Konkurrenzfähigkeit des Schweizer Gastgewerbes gestärkt, ein ebenfalls wichtiger Aspekt<br />

im Zeitalter der Globalisierung.

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