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W*" - Biblioteca Digital de Obras Raras e Especiais - USP

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Ueber<br />

die Morphologie<br />

<strong>de</strong>r<br />

wirbellosen Thlcre.


Ueber<br />

die Morpholog<br />

und<br />

die Verwandtschaftsverhältnisse<br />

«l«>r<br />

wirbellosen Thiere.<br />

Ein Beitrag<br />

zur<br />

Charakteristik und Classification<br />

Von<br />

<strong>de</strong>r Ihierischen Formen.<br />

Dr. Rudolf Leuckari.<br />

Institute Oceanogräfico<br />

REG. N." «* &<br />

S. PAULO i •* %&<br />

Braunschweig,<br />

Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn.<br />

Instituto Ccear.cgräfico<br />

BIBLiOTECA<br />

18 48.


lieben Lehrer<br />

Meinem<br />

Rudolf Wagner<br />

gewidmet.


Die nachfolgen<strong>de</strong>n Blätter enthalten <strong>de</strong>n Versuch,<br />

auf das Gebiet <strong>de</strong>r Zoologie eine Auffassung und Darstellungsweise<br />

zu übertragen, die seit <strong>de</strong>n klassischen<br />

Arbeiten von H. Rathke und J. Müller einen be<strong>de</strong>utungsvollen<br />

Einfluss auf die Gestaltung unseres anatomischen<br />

Wissens geübt hat Je mehr das empirische<br />

Material an Masse gewinnt, <strong>de</strong>sto fühlbarer wird ein<br />

Mangel an Einheit, <strong>de</strong>sto dringen<strong>de</strong>r ein Bedürfniss <strong>de</strong>r<br />

Unterordnung unter allgemeinere Gesichtspunkte, die<br />

das Detail beherrschen. Die <strong>de</strong>scriptive Zoologie, die<br />

Lehre von <strong>de</strong>r Gestalt <strong>de</strong>r einzelnen Thiere, muss dieselbe<br />

vergleichen<strong>de</strong>, dieselbe morphologische Behandlung<br />

zulassen, wie die Anatomie, die Lehre von <strong>de</strong>n<br />

Formverhältnissen <strong>de</strong>r einzelnen Systeme.<br />

Dieses ist es gewesen, was mir seit Jahren in meinen<br />

zoologischen Studien vorschwebte, was bei <strong>de</strong>r<br />

Abfassung <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Schriftchens mich geleitet<br />

hat. Wohl kenne ich die manchfachen Schwierigkeiten<br />

und Gefahren einer solchen Auffassung. Wohl weiss<br />

ich, wie weit ich von <strong>de</strong>m Ziel meines Strebens<br />

entfernt geblieben bin. Trotz<strong>de</strong>m aber wage ich es,<br />

meine Arbeit <strong>de</strong>m Richterspruch <strong>de</strong>r öffentlichen Meinung<br />

zu übergeben. Mich ermuthigt die feste Ueberzeugung,<br />

dass <strong>de</strong>r von mir betretene Weg noch einst <strong>de</strong>n<br />

freiesten Blick eröffnen wer<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Zusammenhang<br />

<strong>de</strong>r thierischen Bildungen. —<br />

Und jetzt wen<strong>de</strong> ich mich an Sie, mein verehrter<br />

Lehrer. Ich bitte Sie um Verzeihung, dass ich Ihren


Namen <strong>de</strong>n nachfolgen<strong>de</strong>n Skizzen vorangestellt habe.<br />

Doch nichts ist mir angenehmer, als ein öffentliches Bekenntniss<br />

abzulegen von <strong>de</strong>m, was ich Ihnen verdanke.<br />

Sie sind es gewesen, <strong>de</strong>r mich eingeführt hat in <strong>de</strong>n heiligen<br />

Tempel einer Wissenschaft, vor <strong>de</strong>ssen Pforten<br />

bereits <strong>de</strong>r Knabe mit Sehnsucht <strong>de</strong>s Eintritts geharrt<br />

hatte, <strong>de</strong>r mich begeistert hat durch das lebendige Wort,<br />

das seinen Lippen entströmt ist. Ihr Rath, Ihr Beistand<br />

ist es gewesen, <strong>de</strong>r bestimmend und för<strong>de</strong>rnd überall<br />

mir zur Seite gestan<strong>de</strong>n. Dem Schüler haben Sie Freun<strong>de</strong>srechte<br />

verstattet. Sie haben ihn aufgenommen unter<br />

Ihr gastliches Dach, in <strong>de</strong>n Kreis Ihrer liebenswürdigen<br />

Familie.<br />

Dankbarkeit, Liebe und Verehrung, sie vereinigen<br />

sich bei mir in <strong>de</strong>m einen, <strong>de</strong>m heissesten Wunsche für<br />

Ihr Wohl. Mögen Sie erstarken, mögen Sie uns wie<strong>de</strong>rgeschenkt<br />

wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>rselben jugendlichen Kräftigkeit<br />

und Frische, mit <strong>de</strong>r Sie so lange und so segensreich<br />

eingewirkt haben auf die Bewegungen in <strong>de</strong>r<br />

Wissenschaft und im Leben.<br />

Rud. Leuckart.


„Der thicrischen Natur sind Schrauben gesetzt, in<br />

welchen sich die bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kraft auf die wun<strong>de</strong>rbarste<br />

und beinahe auf die willkürlichsle Weise zu bewegen<br />

scheint, ohne dass sie im Min<strong>de</strong>sten fähig wäre, <strong>de</strong>n<br />

Kreis zu durchbrechen o<strong>de</strong>r ihn zu überspringen."<br />

v, Göthe, zur Morphologie Th. I. S. 156.<br />

Lfie wissenschaftliche Aufgabe <strong>de</strong>r allgemeinen Zoologie<br />

besteht darin, theils durch <strong>de</strong>n Wechsel <strong>de</strong>r thierischen Gestalten<br />

hindurch <strong>de</strong>n gesetzmässigen Zusammenhang <strong>de</strong>rselben<br />

nachzuweisen, theils auch die Fülle <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nartigen<br />

hervorragen<strong>de</strong>n und untergeordneten Bildungen nach ihrem<br />

innern Gehalte zusammenzufassen. Sie entspricht einem gewissen<br />

ästhetischen Bedürfniss <strong>de</strong>s menschlichen Geistes, welches<br />

weniger in <strong>de</strong>m Aufsuchen etwaiger Unterschie<strong>de</strong>, als<br />

vielmehr in <strong>de</strong>r Reduction scheinbarer Differenzen seine Befriedigung<br />

fin<strong>de</strong>t. Nicht von Ungefähr ist die reiche Manchfaltigkeit<br />

<strong>de</strong>r organischen Formen, nicht zufällig und regellos,<br />

nicht ohne Grenzen. Ueberall ist Plan und Gesetz, überall<br />

ein innerer Zusammenhang.<br />

Was schon eine oberflächliche Naturbetrachtung erkennen<br />

lässt, dass die einzelnen thierischen Formen nicht alle<br />

von einan<strong>de</strong>r gleich verschie<strong>de</strong>n sind, dass sie vielmehr<br />

manchfach übereinstimmen, zeigt eine sorgfältige Vergleichung<br />

in noch höherm Gra<strong>de</strong>. Ueberall fin<strong>de</strong>n wir eine bestimmte,<br />

gesetzmässige Relation <strong>de</strong>r Gestalten, überall eine grössere<br />

o<strong>de</strong>r geringere Verwandtschaft <strong>de</strong>r Formen. Eine Reihe von<br />

Uebergängen verknüpft oft die differentesten Bildungen. Unter<br />

<strong>de</strong>n manchfaltigsten Variationen offenbart sich ein bestimmter<br />

durchgreifen<strong>de</strong>r Typus.<br />

Das zoologische System in seiner vollen<strong>de</strong>ten Form giebt<br />

uns <strong>de</strong>n vollständigen Ausdruck dieses innern verwandtschaftlichen<br />

Zusammenhangs <strong>de</strong>r thierischen Bildungen.<br />

l


2<br />

Zahlreich und manchfaltig sind die Versuche einer solchen<br />

Darstellung gewesen. Abhängig von <strong>de</strong>r je<strong>de</strong>smaligen<br />

Anschauungsweise, von <strong>de</strong>r Menge <strong>de</strong>s vorliegen<strong>de</strong>n Materials<br />

und <strong>de</strong>r Kenntniss <strong>de</strong>sselben, ist <strong>de</strong>r Werth dieser einzelnen<br />

Versuche natürlich sehr verschie<strong>de</strong>n. Ueberdiess ist in <strong>de</strong>n<br />

altern zoologischen Systemen jene eigenllich wissenschaftliche<br />

Aufgabe, wenn auch nicht gera<strong>de</strong>zu verkannt, doch meistens<br />

einem gewissen praktischen Interesse untergeordnet. Wie<br />

eine Art Wörterbuch, liefern dieselben wenig mehr, als ein<br />

Mittel zur Erkennung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Thiere.<br />

Der Name C u v i e r bezeichnet eine neue glänzen<strong>de</strong> Epoche<br />

in <strong>de</strong>r Geschichte unserer Wissenschaft. Mit <strong>de</strong>m sichern<br />

Blick <strong>de</strong>s Genies erkannte dieser berühmte Forscher die hohe<br />

Be<strong>de</strong>utung einer allgemeinern, ich möchte fast sagen, einer<br />

künstlerischen Auffassung <strong>de</strong>r organischen Bildungen. Was<br />

er durch das System erstrebte, war nicht eine möglichst<br />

grosse praktische Brauchbarkeit, war vielmehr eine Einsicht<br />

in <strong>de</strong>n Zusammenhang <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen thierischen Formen,<br />

war das gegenseitige Verständniss <strong>de</strong>r vereinzelten Manchfaltigkeit.<br />

Eine gleichmässige Beachtung <strong>de</strong>r gesammten äussern<br />

und innern Organisation eröffnete ihm einen Blick in die<br />

Verwandtschaftsverhältnisse <strong>de</strong>r Geschöpfe, <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r altern<br />

Untersuchungsweise und <strong>de</strong>r davon abhängigen Gruppirung<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Gestalten nach <strong>de</strong>m einem o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn,<br />

oft oberflächlichen und gleichgültigen Eintheilungsprincipe stets<br />

wür<strong>de</strong> verschlossen geblieben sein.<br />

Ein unmittelbarer Gewinn <strong>de</strong>r von Cuvier angewandten<br />

Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Untersuchung ist <strong>de</strong>r Nachweis, dass nicht in<br />

einer einzigen aufsteigen<strong>de</strong>n Richtung, nicht in <strong>de</strong>n Grenzen<br />

eines einzigen gemeinsamen Kreises die Entfaltung <strong>de</strong>r thierischen<br />

Gestalten sich bewegt. Wie in <strong>de</strong>n architektonischen<br />

Kunstwerken, so giebt es auch in <strong>de</strong>n organischen Bildungen<br />

verschie<strong>de</strong>ne typische Bauweisen, gewisse wechseln<strong>de</strong> Normen,<br />

die in einzelnen untergeordneten Verhältnissen die verschie<strong>de</strong>nartigsten<br />

und manchfaltigsten Modificationen zulassen, ohne<br />

dadurch ein bestimmtes charakteristisches Gepräge zu ver-


3<br />

lieren. Natürlich sind aber auch diese verschie<strong>de</strong>nen Typen<br />

selbst.nicht ohne allen Zusammenhang, alle Uebercinstimmung.<br />

Schon <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r thierischen Organisation, <strong>de</strong>m sie sich<br />

unterordnen, setzt bei ihnen eine gemeinsame Summe bestimmter<br />

Eigenthümlichkeiten voraus. Ueberdiess sind auch<br />

nach ihrem allgemeinsten Gehalte die Gesetze <strong>de</strong>r thierischen<br />

Gestallbildung in allen Fällen dieselben. Nur die Zahl und<br />

das Verhältniss <strong>de</strong>r Angriffspunkte, nur die Combination <strong>de</strong>r<br />

einzelnen morphogenelischen Processe, die das endliche Produet<br />

bedingen, ist das Wechseln<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>m einen Typus ist<br />

diese, in <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rn eine an<strong>de</strong>re Verwendung <strong>de</strong>r gestalten<strong>de</strong>n<br />

Kräfte vorherrschend. Von <strong>de</strong>m Wesen dieser Combination<br />

wie<strong>de</strong>rum nun abhängig ist die Modificationsfähigkeit<br />

<strong>de</strong>r resultiren<strong>de</strong>n Form. Schon die Zahl <strong>de</strong>r einzelnen in<br />

Anwendung gezogenen Factoren bedingt hier die grossesten<br />

Verschie<strong>de</strong>nheiten.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn - Seite fin<strong>de</strong>n wir aber auch innerhalb<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Typen manchfache Analogie in <strong>de</strong>r Gestaltung<br />

<strong>de</strong>r einzelnen Theile, manchfache Uebereinstimmung<br />

in <strong>de</strong>r Verwendung <strong>de</strong>r einzelnen Kräfte. Und gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Menge solcher Coinci<strong>de</strong>nzen und Kreuzungspunkte droht <strong>de</strong>r<br />

natürlichen Systematik eine gefährliche Klippe. Nur bei einer<br />

allseitigen Auffassung <strong>de</strong>r organischen Form an <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>r<br />

Entwicklungsgeschichte kann sie vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Nabe<br />

ist die Zeit, wo diese Wissenschaft auf die Zoologie einen<br />

gleichen höchst wichtigen Einfluss gewinnen wird, wie seit<br />

Guvier die vergleichen<strong>de</strong> Anatomie ihn ausübte. Niemals<br />

aber wird die letztere als ein unnützer Ballast über Bord<br />

geworfen wer<strong>de</strong>n dürfen —• wie man jüngst ihr prophezeit<br />

hat. Sie wird beständig die sicherste Stütze <strong>de</strong>r Zoologie<br />

bleiben; sie wird, unterstützt und durchdrungen von <strong>de</strong>r<br />

Entwicklungsgeschichte, einer wissenschaftlichen Auffassung<br />

<strong>de</strong>r thierischen Form, einer Morphologie, <strong>de</strong>n Weg bahnen.<br />

Gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>r äussern Form, die immerfort<br />

zunächst das Object <strong>de</strong>r zoologischen Untersuchung bil<strong>de</strong>t,<br />

zeigt sich die hohe Be<strong>de</strong>utung einer <strong>de</strong>rartigen morpho-<br />

i *


4<br />

logischen Auffassung. Sie allein belehrt uns von <strong>de</strong>m relativen<br />

Werth und <strong>de</strong>r Beziehung <strong>de</strong>r Gestalt zu <strong>de</strong>m allgemeinen<br />

Plane <strong>de</strong>r Organisation. Und eben nur hierdurch bekommen<br />

wir eine Einsicht in die verwandtschaftlichen Verhältnisse<br />

eines Geschöpfes. An sich berechtigt uns die<br />

Aehnlichkeit in <strong>de</strong>r äussern Erscheinung noch keineswegs zu<br />

<strong>de</strong>r Annahme einer wirklichen Uebereinstimmung. Eine gleiche<br />

Form kann eine sehr verschie<strong>de</strong>ne Be<strong>de</strong>utung haben und auf<br />

<strong>de</strong>m differentesten Wege entstan<strong>de</strong>n sein. Nur die Kenntniss<br />

<strong>de</strong>r Entwicklung darf hier uns leiten. Sie allein vermag<br />

mit Sicherheit <strong>de</strong>n Werth <strong>de</strong>r in Anwendung gezogenen morphogenetischen<br />

Processe und ihr Verhältniss zu <strong>de</strong>m i<strong>de</strong>alen<br />

Grundlypus zu entziffern.<br />

Die Modificationen <strong>de</strong>r Gestaltung, die wir innerhalb <strong>de</strong>r<br />

einzelnen typischen Grundformen <strong>de</strong>r animalischen Welt antreffen,<br />

beschränken sich überall nur auf die relative Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r construiren<strong>de</strong>n, nach einem bestimmten Plane<br />

vereinten Beslandtheile. Lage, Form und Grösse, Richtung,<br />

Werth und Numerus sind die wechseln<strong>de</strong>n Factoren. Ohne<br />

Grenze aber ist auch hier nicht <strong>de</strong>r Spielraum <strong>de</strong>r Variationen.<br />

Es giebt bestimmte Gesetze, <strong>de</strong>nen die Beweglichkeit<br />

<strong>de</strong>r thierischen Gestalten unterworfen ist.'<br />

Wir wissen, dass ein je<strong>de</strong>s Organ <strong>de</strong>s Körpers zu seiner<br />

völligen Entwicklung eine Reihe von Zustän<strong>de</strong>n durchlaufen<br />

muss, die unter sich nicht unbeträchtlich differiren. Wird nun<br />

die Entwicklung auf irgend eine Weise gehemmt, so persistirt<br />

an <strong>de</strong>m betroffen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong> die frühere embryonale Anordnung<br />

und Form. So ist es in pathologischen Fällen bei <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung <strong>de</strong>s Individuums. Desselben Gesetzes <strong>de</strong>r Bildungshemmung<br />

nun bedient sich auch die schöpferische Natur<br />

gar unendlich oft zur Production <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nartigen<br />

Gestaltungen eines bestimmten, <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Typus<br />

angehören<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong>s. In <strong>de</strong>m einen Geschöpfe bleibt eine<br />

Form, die in <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rn nur einen Durchgangspunkt bil<strong>de</strong>t,<br />

nothwendig zur Erreichung einer höhern Entwicklungsstufe.<br />

Nicht selten wer<strong>de</strong>n aber auch in etwas an<strong>de</strong>rer Weise bei


5<br />

<strong>de</strong>n' einzelnen Geschöpfen die Relationen eines bestimmten<br />

Theiles modificirt. Es erhebt dieser sich ebenfalls nur bis<br />

zu einer gewissen Stufe <strong>de</strong>r Entwicklung; dann aber bleibt<br />

er nicht einfach stehen, son<strong>de</strong>rn wird <strong>de</strong>r Schauplatz eines<br />

neuen Vorganges. Oft erlei<strong>de</strong>t er eine Rückbildung l ) — in<br />

an<strong>de</strong>rn Fällen wird er nach einem bestimmton mehr o<strong>de</strong>r<br />

min<strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n Plane weiter entwickelt.<br />

Einer spätem Zeit ist die vollständige Entzifferung jener<br />

manchfaltigen Rälhsel in <strong>de</strong>r organischen Gestaltbildung aufbewahrt.<br />

Für jetzt genügt es, die Aufgabe solcher Untersuchung<br />

zu kennen und im Auge zu behalten. Dass endlich<br />

unsere Bemühungen wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m Erfolge gekrönt<br />

wer<strong>de</strong>n, dafür bürgt uns die morphologische Wahrheit <strong>de</strong>s<br />

Inhaltes, die mit ewiger Gesetzmässigkeit in <strong>de</strong>m Zusammenhang<br />

<strong>de</strong>r einzelnen formellen Erscheinungen sich ausspricht.<br />

Möglich, dass es einst uns gelingt, die Gesetze <strong>de</strong>r organischen<br />

' Gestaltbildung nicht bloss vollständig zu erkennen,<br />

son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>ren Anwendung in <strong>de</strong>n einzelnen Fällen auf<br />

gewisse mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r einfache mathematische Verhältnisse<br />

zu reduciren. Bis jetzt ist hierzu allerdings kaum eine<br />

Aussicht. Unsere Kenntniss von <strong>de</strong>r Entwicklung und <strong>de</strong>r<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r thierischen Formen ist noch viel zu wenig<br />

umfassend und sicher. Noch viel zu wenig verstehen wir<br />

das Zufällige von <strong>de</strong>m Wesentlichen, das Bedingte von <strong>de</strong>m<br />

Bedingen<strong>de</strong>n zu unterschei<strong>de</strong>n.<br />

Von höchster Wichtigkeit für die morphologische Behandlung<br />

<strong>de</strong>r Zoologie ist es, die einzelnen Haupttypen, die<br />

architektonischen Stile in <strong>de</strong>r Welt <strong>de</strong>r thierischen Formen<br />

nachzuweisen.<br />

Schon sehr früh hat in <strong>de</strong>r systematischen Zoologie sich<br />

das Bedurfniss grösserer, die einzelnen Klassen überragen<strong>de</strong>r<br />

Abtheilungen geltend gemacht. Die Systeme von Aristoteles,<br />

Ray, Linne u. s. w. zeigen solches. In<strong>de</strong>ssen ist Cuvier<br />

1) Vergl. Rathke, über die rückschreiten<strong>de</strong> Metamorphose in <strong>de</strong>n Beiträgen zur<br />

vergl. Anat. und Physiolog. Danzig. 1612. S. 120.


Jrl<br />

doch <strong>de</strong>r Erste gewesen, <strong>de</strong>r mit Entschie<strong>de</strong>nheit dahin sich<br />

aussprach, dass solche grössere Abiheilungen je als die Repräsentanten<br />

einer bestimmten typischen Grundform in <strong>de</strong>r<br />

animalischen Welt dastehen müssten, während die Unterabtheilungen<br />

<strong>de</strong>rselben blosse Modificationen, nicht wesentliche<br />

Aen<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>s je<strong>de</strong>smaligen Grundplanes bieten dürften.<br />

Legen wir aber mit unsern jetzigen Kenntnissen von <strong>de</strong>m<br />

Bau und <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Thiere einen <strong>de</strong>rartigen Massstab<br />

an das System dieses Meisters, so können wir nicht in<br />

je<strong>de</strong>r Beziehung mehr dasselbe billigen. Die vier von Cuvier<br />

aufgestellten grossen Abtheilungen 1 ) <strong>de</strong>s Thierreichs, so sehr<br />

sie auch als ein für die damalige Zeit bewun<strong>de</strong>rungswürdiges<br />

Denkmal ihres Schöpfers dastehen, entsprechen heute nicht<br />

mehr <strong>de</strong>n Anfor<strong>de</strong>rungen einer natürlichen Systematik. Alle<br />

jene Abtheilungen, mit Ausnahme <strong>de</strong>r ersten, <strong>de</strong>r Abtheilung<br />

<strong>de</strong>r Wirbelthiere, bedürfen einer geringern o<strong>de</strong>r grössern<br />

Umformung.<br />

Sind wir gleich noch weit entfernt von <strong>de</strong>m völligen<br />

Versländniss <strong>de</strong>r einzelnen Relationen unter <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Thierformen, so möchte doch schon im Augenblick Manches<br />

als ein wohlbegrün<strong>de</strong>tes Resultat unserer neuern Untersuchungen<br />

über <strong>de</strong>n morphologischen Zusammenhang <strong>de</strong>rselben<br />

sich ergeben.<br />

Was zuvor noch die Methodik <strong>de</strong>r Classification betrifft<br />

so haben wir vor Allem an die einzelnen nach einem bestimmten<br />

Princip geschaffenen gleichstehen<strong>de</strong>n Gruppen die<br />

Anfor<strong>de</strong>rung zu stellen, dass sie auch wirklich gleichwerthig<br />

seien. Von diesem Gesichtspunkt aus müssen wir zuerst die<br />

gewöhnliche Eintheilung <strong>de</strong>r Thiere in Wirbelthiere und wirbellose<br />

Thiere, die ursprünglich von Cuvier 2 } herrührt<br />

und späterhin vielfach, namentlich von Lamarck, in Anwendung<br />

gezogen ist, als unnatürlich zurückweisen. Ganz<br />

1) Man vergleiche über diese die geistreichen Bemerkungen von v. Baer in <strong>de</strong>n Nov.<br />

Act. Ac. leopold. Vol. XIII, S. 476.<br />

2) Tabl. elem. d'hist. na«, <strong>de</strong>s anim. Paris. 1798.


7_<br />

offenbar haben diese bei<strong>de</strong>n Abtheilungen einen sehr ungleichen<br />

Werth. Während in <strong>de</strong>r erstem nur ein einziger bestimmter<br />

Bauplan sich ausspricht, fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r letztern sich<br />

<strong>de</strong>ren mehrere und verschie<strong>de</strong>ne, von <strong>de</strong>nen ein je<strong>de</strong>r es<br />

verdient, als gleichwertig mit <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Wirbelthiere<br />

zusammengestellt zu wer<strong>de</strong>n. Mit <strong>de</strong>mselben Recht, mit welchem<br />

man die Wirbelthiere <strong>de</strong>n wirbellosen als parallel gegenüber<br />

stellt, könnte man die gesammten thierischen Formen<br />

auch in radiäre und nicht radiäre zerfallen — wie Blain ville l )<br />

es in seinen Gruppen 2 ) <strong>de</strong>r Actinimorphes und Artiomorphes<br />

versuchte — in geglie<strong>de</strong>rte und nicht geglie<strong>de</strong>rte (Milne Edwards)<br />

o<strong>de</strong>r in kopftragen<strong>de</strong> und kopflose — wie Latreille 3 }<br />

mit <strong>de</strong>n wirbellosen Thieren es gethan hat, als er sie in Cephalidia<br />

(Mollusca und Articulata Cuv.) und in Acephala (Zoophyla<br />

Cuv.) trennte. In allen diesen Fällen beruft man sich auf<br />

die Existenz eines bestimmten, <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Typus<br />

zukommen<strong>de</strong>n Merkmals (das sogar nicht einmal überall dieselbe<br />

Be<strong>de</strong>utung hat) und schliesst die übrigen dieses Merkmals<br />

entbehren<strong>de</strong>n Formen davon aus — ein Verfahren,<br />

welches bei <strong>de</strong>r Feststellung natürlicher Gruppen, nicht blosser<br />

zusammenhangsloser, irrationaler Haufen, wohl kaum jemals<br />

darf in Anwendung gezogen wer<strong>de</strong>n. Will man trotz<strong>de</strong>m<br />

eine Abtheilung <strong>de</strong>r wirbellosen Thiere hinstellen, so darf<br />

man damit, wie ein sehr trefflicher Zoologe ganz richtig bemerkt,<br />

nichts weiter bezeichnen wollen, als »an<strong>de</strong>re Thiere<br />

als Wirbellhiere«, ohne im Geringsten dieselben als innerlich<br />

zusammenhängen<strong>de</strong> Formen zu betrachten. Sie bil<strong>de</strong>t dann<br />

nur einen unbestimmten Anhang zu einer bestimmten Gruppe<br />

und enthält keinen allgemeinen Begriff, <strong>de</strong>r einem an<strong>de</strong>rn<br />

allgemeinen Begriffe entgegenstän<strong>de</strong>*).<br />

1) Bullet, <strong>de</strong> la soc. phil. 1816 und Oken's Isis 1818. S. 1365.<br />

2) Eine dritte Gruppe bil<strong>de</strong>n bei BI a i n v i 11 e die Heteromorphes, wohin die Schwämme<br />

und Infusorien gerechnet wer<strong>de</strong>n.<br />

3) Natürliche Familien <strong>de</strong>s Thierreichs. Uebers. von Berlhold. Weimar 1827.<br />

4) Van <strong>de</strong>r Hoeven, Handbuch <strong>de</strong>r Zoologie. Ziveite Auß. Uebcrsctzt ..<br />

Molescholt. S. 44.


8<br />

Bei <strong>de</strong>r natürlichen Systematik hat man sich überhaupt<br />

vor <strong>de</strong>r Aufstellung aller durch blosse negative Charaktere<br />

zusammengehaltenen Abtheilungen wohl zu hüten. Gewöhnlich<br />

sind dieselben (wie z. B. die Cuvier sehe Abtheilung<br />

<strong>de</strong>r Zoophyta ») o<strong>de</strong>r die Burmeistersche Hauptgruppe <strong>de</strong>r<br />

Gastrozoa — CormozoaS treubel—, in welcher die Zoophyten,<br />

doch ohne die Entozoa, mit <strong>de</strong>n Mollusken verbun<strong>de</strong>n sind,<br />

u. s. w.), min<strong>de</strong>r natürlich und ihrem Werthe nach ganz verschie<strong>de</strong>n<br />

von <strong>de</strong>n übrigen Gruppen, mit <strong>de</strong>nen sie zusammengehalten<br />

wer<strong>de</strong>n. Aber auch sonst bei einer wirklich<br />

natürlichen Gruppe ist die Entscheidung über <strong>de</strong>n relativen<br />

Werth <strong>de</strong>rselben nicht in allen Fällen ganz leicht 2 ), beson<strong>de</strong>rs<br />

da wegen <strong>de</strong>r grössern o<strong>de</strong>r geringern Bildungsfähigkeit<br />

<strong>de</strong>s innewohnen<strong>de</strong>n Typus eine sehr verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeit<br />

<strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rung vorhan<strong>de</strong>n ist. Die morphologische Dignität<br />

<strong>de</strong>r charakteristischen Merkmale allein kann nach meiner<br />

Ansicht hier entschei<strong>de</strong>n — ohne Rücksicht auf die Zahl und<br />

die Manchfaltigkeit <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Gruppen vereinigten<br />

Formen.<br />

Gleich unzureichend und ebenfalls zu verwerfen bei <strong>de</strong>r<br />

Aufstellung <strong>de</strong>r kleinern o<strong>de</strong>r grössern Abtheilungen <strong>de</strong>s<br />

Thierreichs scheint mir ferner eine je<strong>de</strong> aprioristische Construetion,<br />

so wie die blosse einseitige Berücksichtigung <strong>de</strong>s<br />

einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn anatomischen Systemes. Die erstere führt<br />

uns häufig zu einem an<strong>de</strong>rn Resultat, als die empirische Erforschung<br />

<strong>de</strong>r formellen Erscheinungen — nicht etwa, weil<br />

die Welt <strong>de</strong>r letztern vielleicht keinen vernünftigen, <strong>de</strong>r Gesetzmässigkeit<br />

<strong>de</strong>s logischen Denkens entsprechen<strong>de</strong>n Zusammenhang<br />

darböte, son<strong>de</strong>rn weil bei einer <strong>de</strong>rartigen Operation<br />

unseres Geistes so leicht die verschie<strong>de</strong>nartigsten Vorurtheile<br />

sich geltend machen. Die anatomische Anordnung<br />

1) Vergl. über diese Abiheilung die Schrift meines Onkels Fr. S. Leuckart,<br />

Versuch einer naturgemässen Eintheilung <strong>de</strong>r Helminthen. Hei<strong>de</strong>lberg, 1827. S. 36.<br />

2) In <strong>de</strong>n einzelnen zoologischen Systemen fin<strong>de</strong>t man darum <strong>de</strong>nn auch so sehr<br />

häufig dieselbe Gruppe bald als Klasse, bald als Ordnung, bald sogar als eine<br />

blosse Familie aufgezählt


9<br />

eines einzelnen organischen Theils o<strong>de</strong>r Systemes aber muss<br />

<strong>de</strong>shalb bei <strong>de</strong>r Feststellung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Gruppen, beson<strong>de</strong>rs<br />

<strong>de</strong>r grössern typischen Hauptabtheilungen <strong>de</strong>s Thierreichs,<br />

von sehr trügerischem Werth sein, weil, wie schon<br />

angeführt, nach <strong>de</strong>r Combination <strong>de</strong>r einzelnen morphogenetischen<br />

Vorgänge in ihnen manchfache Durchkreuzungen und<br />

Coinci<strong>de</strong>nzpunkte sich vorfin<strong>de</strong>n, die an sich noch keineswegs<br />

auf eine wirkliche architektonische Verwandtschaft o<strong>de</strong>r Uebereinstimmung<br />

zurückschliessen lassen. Von solchen Gesichtspunkten<br />

aus müssen wir eben sowohl die Systeme <strong>de</strong>r sogenannten<br />

naturphilosophischen Schule als ungenügend bezeichnen<br />

(wonach z. B. die Thiere zerfallen in Protozoa, Gasterozoa,<br />

Thoracozoa und Cephalozoa), als auch diejenigen, in<br />

<strong>de</strong>nen ganz einseilig die Beschaffenheit entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r äussern<br />

Form (Dumeril,<strong>de</strong>BIainville) o<strong>de</strong>r eines bestimmten anatomischen<br />

Systemes, <strong>de</strong>r Nerven, (Rudolphi, Grant), <strong>de</strong>s<br />

Blutes (W i 1 b r a n d), <strong>de</strong>s Respirationssystems (S c h w e i g g e r),<br />

<strong>de</strong>r Haut und Muskeln (Oken) u. s. w., zu Grun<strong>de</strong> gelegt<br />

ist. Noch unpassen<strong>de</strong>r ist es, als Eintheilungsmoment bei<br />

<strong>de</strong>r systematischen Zoologie, die allein die formelle Erscheinung<br />

zu berücksichtigen hat, bestimmte physiologische Charaktere<br />

in Anwendung zu ziehen, wie Lamarck es that,<br />

als er in seiner Naturgeschichte <strong>de</strong>r wirbellosen Thiere die<br />

Typen <strong>de</strong>r Animaux apatiques, sensibles und intelligents aufstellte.<br />

Der Weg, welchen Cuvier uns gezeigt hat, dieser Weg<br />

allein verspricht zum Ziele zu führen. Nur eine gleichmässige<br />

Berücksichtigung sowohl <strong>de</strong>s äussern Habitus, als auch <strong>de</strong>s<br />

Baues und <strong>de</strong>s gegenseitigen Verhältnisses aller einzelnen<br />

anatomischen Systeme im ausgebil<strong>de</strong>ten Zustand und während<br />

<strong>de</strong>r frühern Stufen <strong>de</strong>r Entwicklung, kurz eine gleichmässige<br />

Berücksichtigung <strong>de</strong>s ganzen morphologischen Charakters kann<br />

uns zur Einsicht in <strong>de</strong>n Plan <strong>de</strong>r Organisation und damit<br />

-zur Kenntniss <strong>de</strong>r einzelnen natürlichen Abtheilungen führen.<br />

Verschie<strong>de</strong>ntlich hat die Natur bei <strong>de</strong>r Darstellung <strong>de</strong>r<br />

einzelnen Grundformen bald diesen, bald jenen Theil zum


10<br />

Hauptträger <strong>de</strong>s typischen Planes gemacht. In ihnen sind<br />

dann, wie in <strong>de</strong>m Brennpunkte die Strahlen <strong>de</strong>s Lichts, die<br />

einzelnen charakteristischen Züge <strong>de</strong>r Organisation zusammengefasst.<br />

Solche Theile nun sind es vorzugsweise, die <strong>de</strong>r<br />

Zoologe bei <strong>de</strong>r Aufstellung seiner Gruppen wird im Auge<br />

behalten müssen. Von ihnen aus kann er in zweifelhaften<br />

Fällen bei <strong>de</strong>r einheitlichen Wahrheit <strong>de</strong>s Inhalts in <strong>de</strong>n thierischen<br />

Formen (nach <strong>de</strong>m sogenannten Gesetz <strong>de</strong>r Coexistenz)<br />

gemäss <strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>nen Analogieen <strong>de</strong>n allgemeinern Umriss<br />

<strong>de</strong>r gesammten Organisation erschliessen. Da aber, wie gesagt,<br />

in <strong>de</strong>n einzelnen Typen diese Concentrationspunkte<br />

wechseln, so ist es auch ganz in Uebereinstimmung mit <strong>de</strong>r<br />

formellen Erscheinung, dass bald dieser, bald jener Theil in<br />

<strong>de</strong>r Feststellung und <strong>de</strong>r, Charakteristik <strong>de</strong>r einzelnen Abtheilungen<br />

vorzugsweise berücksichtigt wird. Welches nun<br />

aber diese hervorragen<strong>de</strong>n Merkmale seien, dieses zu bestimmen<br />

bleibt das Object <strong>de</strong>r empirischen Forschung.<br />

So weit wir bis jetzt die Fülle und Manchfaltigkeit <strong>de</strong>r<br />

thierischen Formen nach ihrem innern Gehalt und in ihrem<br />

Zusammenhang erkannt haben, möchten vielleicht die Abtheilungen<br />

<strong>de</strong>r Coelenteraten, <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen, Würmer,<br />

Arthropo<strong>de</strong>n, Mollusken und Wirbelthiere<br />

als die Repräsentanten <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen von <strong>de</strong>r Natur geschaffenen<br />

Haupttypen <strong>de</strong>s Thierreichs sich ergeben.<br />

Die Infusorien lassen wir hier ausser Betrachtung. Trotz<br />

<strong>de</strong>r classischen Arbeiten von Ehrenberg wissen wir von<br />

ihnen immer noch zu wenig, als dass wir zu einem nur<br />

einigermassen begrün<strong>de</strong>ten Urtheil über sie uns für berechtigt<br />

hallen sollten. Sehr wahrscheinlich aber scheint es mir, dass<br />

die ganze Abtheilung dieser räthselhaften Geschöpfe, wenigstens<br />

als eine beson<strong>de</strong>re zusammengehören<strong>de</strong> Gruppe »), spätor<br />

aus <strong>de</strong>m zoologischen System wird ausgeschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

1) Will man aber, wie es einstweilen immer noch nöthig scheint, die Infusorien<br />

(nach Ausscheidung <strong>de</strong>r dazu gerechneten Pllanzen u. s. w.) als eine eigene<br />

Gruppe betrachten, so muss diese gänzlich für sich bleiben, und darf beson<strong>de</strong>rs<br />

nicht mit <strong>de</strong>n Polypen u. s. w. zusammengestellt wer<strong>de</strong>n.


II<br />

Manche dahin gerechnete Formen sind gewiss bloss unausgebil<strong>de</strong>te<br />

o<strong>de</strong>r verkümmerte Individuen, an<strong>de</strong>re selbst niedrige<br />

pflanzliche Organismen l ) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Sporen 2 ). Auch<br />

ist schon verschie<strong>de</strong>ntlich, beson<strong>de</strong>rs früher, auf die Aehnlichkeit<br />

bestimmter Infusorien (abgesehen von <strong>de</strong>n Rotiferen,<br />

die unstreitig einen völlig abweichen<strong>de</strong>n Organisationsplan<br />

haben) mit an<strong>de</strong>rn höher entwickelten Thieren, beson<strong>de</strong>rs<br />

mit Polypen und Würmern hingewiesen wor<strong>de</strong>n. Bory <strong>de</strong><br />

St. Vincent, v. Baer, F. S. Leuckart u. A. haben solche<br />

vorzugsweise hervorgehoben, um dadurch ihren Vorschlag, die<br />

Gruppe <strong>de</strong>r Infusorien gänzlich aufzulösen, zu unterstützen.<br />

Die vorhin erwähnten Hauptabtheilungen (sog. Provinzen<br />

o<strong>de</strong>r Kreise) <strong>de</strong>r Thierweltnach <strong>de</strong>m Zustan<strong>de</strong> unserer jetzigen<br />

Kenntnisse als natürlich und begrün<strong>de</strong>t nachzuweisen, zu zeigen,<br />

wie dieselben gegen einan<strong>de</strong>r sich abgrenzen und nach ihren<br />

wesentlichern Verschie<strong>de</strong>nheiten in Klassen und Ordnungen sich<br />

glie<strong>de</strong>rn, ist <strong>de</strong>r Zweck <strong>de</strong>r nachfolgen<strong>de</strong>n Untersuchung. Die<br />

Wirbelthiere sind dabei übergangen. Sie sind nach ihren<br />

morphologischen Verhältnissen am genauesten bekannt und<br />

möchten wohl kaum noch einen Zweifel an <strong>de</strong>r vollen Berechtigung<br />

ihrer typischen Abtheilung zulassen.<br />

Zuvor noch einige Worte über die gegenseitige- Stellung<br />

dieser einzelnen Abtheilungen. An sich besitzen sie, als die<br />

je<strong>de</strong>smaligen Repräsentanten eines bestimmten Bauplanes,<br />

einen gleichen Werth. Sie bil<strong>de</strong>n eben so viele parallele<br />

Reihen. In<strong>de</strong>ssen lässt es sich nicht verkennen, dass in ihnen<br />

die am vollkommensten entwickelten Geschöpfe einen sehr<br />

I) Beson<strong>de</strong>rs entschei<strong>de</strong>nd für diese Natur ist, meiner Ansicht nach, die bei <strong>de</strong>n<br />

Closterien und neulich auch (von Thwaites in <strong>de</strong>n Ann. of nat. bist. 1847.<br />

Vol. XX) bei <strong>de</strong>n Bacillaricn beobachtete Copulation und Sporenbildung, die<br />

ganz in <strong>de</strong>rselben Art auch in <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Algen (bei <strong>de</strong>n sog. Conjugatae)<br />

vorkommt, sowie das Resultat <strong>de</strong>r von Wo hl er und Schmidt (Beiträge zur<br />

vergl. Physiologie <strong>de</strong>r wirbellosen Thiere. 1845. S. 65) über <strong>de</strong>n Stoffwechsel<br />

von Frustulia angestellten Untersuchungen.<br />

2) Vergl. ausser <strong>de</strong>n bekannten Beobachtungen von Mayer, Unger, Kützing,<br />

Thyretu. s. w. auch Fresenius, zur Controvcrse über die Verwandlung<br />

von Infusorien in Algen. Frankfurt. 1847. S. 16.


12<br />

ungleichen Rang haben. Dass z. B. <strong>de</strong>r Mensch eine unendlich<br />

grössere Vollendung darbiete, als ein Insect o<strong>de</strong>r eine<br />

Anneli<strong>de</strong>, bedarf kaum <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>rn Erwähnung. Ein An<strong>de</strong>res<br />

aber ist es, wenn wir in <strong>de</strong>n einzelnen Typen hinabsteigen<br />

zu <strong>de</strong>n niedrigsten Formen, wo nur noch die einfachsten,<br />

ich möchte sagen, rohesten Züge <strong>de</strong>s gemeinsamen<br />

morphologischen Planes dargeboten wer<strong>de</strong>n'). Wenn wir<br />

auch gera<strong>de</strong> nicht in Abre<strong>de</strong> stellen wollen, dass Amphioxus<br />

z. B., in <strong>de</strong>m die Umrisse eines Wirbelthiertypus am einfachsten<br />

skizzirt sind, relativ immer noch höher stehe, als<br />

z. B. ein Polyp, so möchte dasselbe doch wohl kaum bei<br />

einem Vergleich mit Sepia o<strong>de</strong>r Octopus sich behaupten lassen.<br />

Mit einer je<strong>de</strong>n Abtheilung beginnt in <strong>de</strong>r Natur gewissermassen<br />

eine neue Bildungsepoche, in welcher aber auch<br />

zugleich von Neuem die einzelnen Phasen <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

bis zur höchsten Blülhe <strong>de</strong>r Vervollkommnung, <strong>de</strong>ren die<br />

je<strong>de</strong>smalige Epoche fähig ist, müssen durchlaufen wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>de</strong>r Gesammtheit jener einzelnen Epochen ist aber ebenfalls<br />

ein bestimmter immer mehr sich vervollkommnen<strong>de</strong>r,<br />

künstlerisch sich vollen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Entwicklungsgang nicht zu<br />

leugnen. Immer neue, für ein bestimmtes i<strong>de</strong>ales Ziel zweckmässigere,<br />

edlere Combinationen <strong>de</strong>r gestaltbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Processe<br />

sind in ihnen von <strong>de</strong>r Natur versucht wor<strong>de</strong>n. — Die<br />

Reihenfolge, in <strong>de</strong>r ich oben die einzelnen Typen neben einan<strong>de</strong>r<br />

gestellt habe, scheint mir am meisten dieser allmähligen<br />

Vervollkommnung <strong>de</strong>r organischen Baustile zu entsprechen.<br />

Dass die meisten <strong>de</strong>utschen Zoologen <strong>de</strong>n Typus <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n<br />

für entwickelter halten, als <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Mollusken und<br />

<strong>de</strong>nn auch darum die letztern unter jene stellen, kann ich<br />

nicht billigen, wenn ich auch immerhin gern zugebe, dass<br />

ein Insect eine relativ grössere Vollkommenheit darbiete, als<br />

eine Tunicate. Nicht die Eleganz, die Präcision und die<br />

gleichmässige Vollendung <strong>de</strong>s äussern Baues darf aber hier<br />

1) Ueber das Verhältniss <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Entwicklungsstufen innerhalb <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Typen zu <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Typen selbst vergleiche man die schon oben<br />

angeführten Bemerkungen von v. Baer.


13<br />

entschei<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn vielmehr die Bildungsfähigkeit <strong>de</strong>s Typus.<br />

In letzterer Beziehung trage ich kein Be<strong>de</strong>nken, die Cephalopo<strong>de</strong>n,<br />

die <strong>de</strong>r Abtheilung <strong>de</strong>r Mollusken angehöi*en, für<br />

die entwickeltsten Formen aller wirbellosen Thiere zu erklären.<br />

Coclenterata.<br />

Mit diesem Namen bezeichne ich eine von mir vor einiger<br />

Zeit neu aufgestellte J ) grosse Abtheilung <strong>de</strong>s Thierreichs,<br />

die einen Theil <strong>de</strong>r Cuv i ersehen Polypen (Anthozoa Ehrenberg)<br />

mit <strong>de</strong>n Akalephen umfasst; eine Abtheilung, die<br />

wegen <strong>de</strong>r scharfen Begrenzung eines gemeinsamen Typus<br />

nach aussen, so wie <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>sselben nach innen<br />

gewiss mit Recht es verdient, <strong>de</strong>n übrigen Hauptgruppen<br />

<strong>de</strong>r thierischen Formen an die Seite gesetzt zu wer<strong>de</strong>n. Bekanntlich<br />

hat Cuvier, <strong>de</strong>r Schöpfer unserer mo<strong>de</strong>rnen Systematik,<br />

die Polypen und Akalephen, als zwei gleichwerthige<br />

Klassen 2 ), mit <strong>de</strong>n Infusorien, Eingewei<strong>de</strong>würmern und Echino<strong>de</strong>rmen<br />

in <strong>de</strong>m grossen Kreise <strong>de</strong>r Zoophyta o<strong>de</strong>r Animalia<br />

radiata^zusammengefasst, in <strong>de</strong>ren Organisationsverhältnissen<br />

er einen bestimmten gemeinsamen Typus zu erkennen<br />

glaubte. Trotz <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rspruchs, <strong>de</strong>m diese Vereinigung<br />

von einigen Seiten her ausgesetzt war, hat sie doch<br />

bis auf die neueste Zeit eine grosse Anerkennung und manchfache<br />

Nachahmung (die Animaux apathiques Lam., Acephala<br />

Latr., Asphycta Ehrbg. entsprechen ganz <strong>de</strong>n Cu vi ersehen<br />

Zoophyten) gefun<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>m aber, was wir jetzt<br />

1) Man vergl. meine hierauf bezüglichen Abhandlungen in <strong>de</strong>n Beiträgen zur Kennt-<br />

niss wirbelloser Thiere von Frey und Leuckart. Braunschweig. 1847. 4to.<br />

S. 1 und S. 32.<br />

2) Iiinne vertheilte dieselben unter verschie<strong>de</strong>ne Ordnungen seiner Klasse <strong>de</strong>r<br />

Vermes, in <strong>de</strong>r (mit Ausnahme <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n) überhaupt alle wirbellosen<br />

Thiere zusammengestellt waren. Die Akalephen und nackten Polypen (Aclinia,<br />

Hydra) gehören nach ihm zu <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Mollusca, während die Gehäuse­<br />

polypen zwei beson<strong>de</strong>re• Ordnungen (die Lithophyta und Zoophyta, welche 0.<br />

Fr. Müller als Cellulana vereinigte) bil<strong>de</strong>n.


14<br />

über diese Thiere wissen, kann die Abtheilung <strong>de</strong>r Zoophyta<br />

nicht länger bestehen, selbst wenn man davon, wie von<br />

mehreren Seiten vorgeschlagen ist, die Entozoa trennt. Immer<br />

noch bleiben in ihr mehrere von einan<strong>de</strong>r sehr verschie<strong>de</strong>ne<br />

typische Hauptgruppen vereinigt, von <strong>de</strong>nen wir, wie gesagt,<br />

die eine in <strong>de</strong>r Abtheilung unserer Coelenterata gefun<strong>de</strong>n zu<br />

haben glauben. Was sie beson<strong>de</strong>rs charakterisirt, ist theils<br />

die völlig radiäre Form <strong>de</strong>s Körpers, theils auch die eigenthümliche<br />

Anordnung <strong>de</strong>r Leibeshühle, die von <strong>de</strong>r Centralachse<br />

nach <strong>de</strong>r Peripherie zu hinstrahlt und durch eine weite<br />

Oeffnung im Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s einfachen Magenrohres, wenn ein<br />

solches überhaupt vorhan<strong>de</strong>n ist, mit <strong>de</strong>m Verdauungsapparat<br />

zusammenhängt. Nervensystem, Sinnesorgane und Genitalien<br />

zeigen dieselbe radiäre 1 ) Gruppirung, die in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s<br />

Körpers äusserlich sich ausspricht. Charakteristisch, wie es<br />

mir scheint, ist für die Coelenteraten auch die Lage <strong>de</strong>s Nervensystems<br />

in <strong>de</strong>m hintern Körperen<strong>de</strong>, am Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Leibeshöhle.<br />

Hier — in <strong>de</strong>r Sohle <strong>de</strong>s Fusses — liegt es bei <strong>de</strong>n<br />

Actinien (vergl. Lee. d'anat. comp, par Cuvier. II. Ed. T. 111.<br />

p. 376.), wo schon Spix es fand, hier bei <strong>de</strong>n Ctenophoren.<br />

Auch die Lage bei <strong>de</strong>n Discophoren (in <strong>de</strong>r Peripherie <strong>de</strong>s<br />

glockenförmigen Körpers) ist im Wesentlichen dieselbe. Ein<br />

Schlundring o<strong>de</strong>r Nackenganglion fehlt beständig 2 ).<br />

Wie wenig die innere Uebereinstimmung <strong>de</strong>r Anthozoen<br />

und Akalephen bisher berücksichtigt wor<strong>de</strong>n ist, zeigt <strong>de</strong>r<br />

- 1) Die Centralachse <strong>de</strong>s Körpers bei <strong>de</strong>n .Thieren mit radiärem Typus bietet offenbar<br />

ganz dieselben morphologischen Verhältnisse, wie die mittlere Längsachse bei <strong>de</strong>n<br />

Thieren mit lateralem Typus. Alle Theile, die in ihr entstehen, sind einfach, wäh­<br />

rend die Bildung eines Organs an je<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rn, peripherischen Punkte eine<br />

<strong>de</strong>m Typus entsprechen<strong>de</strong> Wie<strong>de</strong>rholung verlangt. Können <strong>de</strong>rgleichen Organe<br />

in ihrer Entfernung von <strong>de</strong>r mittlem Achse wechseln, so ist damit auch die<br />

Möglichkeit gegeben, dass sie einfach wer<strong>de</strong>n — sobald sie nämlich in die<br />

Centralachse selbst hineinfallen. Mit <strong>de</strong>r radiären Anordnung <strong>de</strong>s Nervensy-<br />

stemes steht daher <strong>de</strong>r einfache centrale Nervenknoten <strong>de</strong>r Rippenquallen eben<br />

so wenig im Wi<strong>de</strong>rspruch, als die mediane Verwachsung <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>m Extremitäten<br />

bei <strong>de</strong>n Cirripedien mit <strong>de</strong>m lateralen Typus.<br />

2) Die Angaben von Grant in <strong>de</strong>n Transact. of the Zoolog. Soc. T. I. p. 9. beruhen<br />

auf einem Irrthum.


15<br />

grosse Beifall, mit <strong>de</strong>m von <strong>de</strong>n neuern (<strong>de</strong>utschen) Zoologen<br />

die von Lamarck herrühren<strong>de</strong> Vereinigung <strong>de</strong>r Akalephen<br />

mit <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen (als Radiaires molasses und Radiaires<br />

echino<strong>de</strong>rmes) aufgenommen ist. Latreille und neuerdings<br />

auch Sars 1 ) sind meines Wissens die Einzigen, die über die<br />

nahe Verwandtschaft 2 ) <strong>de</strong>r Polypen und Akalephen (aus welchen<br />

bei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r erslere seine Klasse <strong>de</strong>r Phytodaceen schuf)<br />

sich ausgesprochen haben 3 ), doch ohne die Grenzen <strong>de</strong>s<br />

gemeinsamen Bildungstypus, <strong>de</strong>r ihnen bei<strong>de</strong>n zum Grun<strong>de</strong><br />

liegt, näher zu bezeichnen. Keineswegs ist es nämlich die<br />

ganze Gruppe <strong>de</strong>r Polypen, in <strong>de</strong>r gewöhnlichen Aus<strong>de</strong>hnung,<br />

welche eine Vereinigung mit <strong>de</strong>n Akalephen zulässt. Schon<br />

die Untersuchungen von Ehrenberg 4 ), so wie von Milne<br />

Edwards und Audouin 5 ) haben uns gezeigt, wie man früher<br />

unter <strong>de</strong>n Polypen zweierlei ganz verschie<strong>de</strong>ne Thierformen<br />

zusammengefasst hat, die beson<strong>de</strong>rs durch die Organisation<br />

<strong>de</strong>s Darmkanals, <strong>de</strong>r Leibeshöhle und Genitalapparate<br />

völlig von einan<strong>de</strong>r sich unterschei<strong>de</strong>n. Ehrenberg<br />

trennte bei<strong>de</strong> als Bryozoen und Anthozoen und vertheille 6 )<br />

sie unter zwei verschie<strong>de</strong>ne Gruppen seiner Asphycta, in<strong>de</strong>m<br />

er die ersten zu <strong>de</strong>n Schlauchthieren (mit unverästeltemDarm),<br />

die zweiten neben die Akalephen zu <strong>de</strong>n Traubenthieren<br />

(mit verästeltem Darm) stellte. Auch Milne Edwards 7 )<br />

schied die Bryozoen aus von <strong>de</strong>n eigentlichen Polypen und verband<br />

sie als Ascidioi<strong>de</strong>a (o<strong>de</strong>r Bryozoaires) mit <strong>de</strong>n Tunicaten.<br />

1) Fauna littoralis Norvegiae. Fase. I. 1846. p. 16.<br />

2) Schon Linne übrigens hat diese Verwandtschaft sehr wohl gekannt. Die ein­<br />

zelnen Individuen an <strong>de</strong>n Kolonieen mancher Polypen (Madrepora, Alcyonium)<br />

nennt er gera<strong>de</strong>zu Medusae. Vergl. Syst. nat.<br />

3) Auch Goldfuss (Grundriss <strong>de</strong>r Zoologie S. 75.) trennte die Polypen und Akalephen<br />

von <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen, verband mit <strong>de</strong>n erstem aber (zu einem Kreise <strong>de</strong>r Pro-<br />

tozoa) sowohl die Infusorien, als auch die Rotatorien und Eingewei<strong>de</strong>würmer.<br />

Ebenso Meckel (System <strong>de</strong>r vergl. Anat. Th. I. S. 82), <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Helminthen<br />

aber nur die Bandwürmer <strong>de</strong>n Protozoen zurechnete.<br />

4) Symbolae physicae. Dec. 1. Berol. 1828. p. 2.<br />

5) Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1828. T. XV. p. 12.<br />

6) Akalephen <strong>de</strong>s Rothen Meeres. Abhandlung <strong>de</strong>r Berl. Akad. vom Jahre 1835. S. 233.<br />

7) Elemens <strong>de</strong> Zoologie. Paris.


IG<br />

Ueber die natürliche Stellung <strong>de</strong>r Bryozoen haben wir<br />

später noch ein Mehreres zu erwähnen. Für <strong>de</strong>n Augenblick<br />

genügt es, ihre typische Verschie<strong>de</strong>nheit von <strong>de</strong>n Polypen<br />

hervorgehoben zu haben, von <strong>de</strong>nen sie mit <strong>de</strong>mselben Recht<br />

getrennt wer<strong>de</strong>n müssen, mit <strong>de</strong>m man die Tubulibranchiaten<br />

und Dentalien von <strong>de</strong>n Serpulaceen abschei<strong>de</strong>t.<br />

Ein Gleiches gilt von <strong>de</strong>n sogenannten Foraminiferen<br />

o<strong>de</strong>r Polythalamien, die man nach <strong>de</strong>r Angabe von Ehrenberg<br />

1 ), dass sie in ihrer Organisation mit <strong>de</strong>n Bryozoen<br />

sehr übereinstimmten, ebenfalls bisweilen mit <strong>de</strong>n Polypen<br />

verbin<strong>de</strong>t. Auch sie müssen ohne allen Zweifel davon getrennt<br />

wer<strong>de</strong>n. Ihre nächsten Verwandten fin<strong>de</strong>n sie, wie<br />

beson<strong>de</strong>rs Dujardin 2 ) so treffend nachgewiesen hat, nicht<br />

etwa unter <strong>de</strong>nCephalopo<strong>de</strong>n, wie d'Orbigny 3 ) meinte, o<strong>de</strong>r<br />

unter <strong>de</strong>n Capitibranchiaten, wohin sie Johnston*) stellte,<br />

son<strong>de</strong>rn unter <strong>de</strong>n Infusorien in <strong>de</strong>n Gruppen <strong>de</strong>r Amoebaeen<br />

und Arcellinen.<br />

Somit bleiben uns <strong>de</strong>nn von <strong>de</strong>n Polypen nur noch die<br />

sogenannten Anthozoen, doch auch diese nicht in <strong>de</strong>r ganzen,<br />

von Ehrenberg 5 ) ursprünglich ihnen gegebenen Aus<strong>de</strong>hnung.<br />

Es hat hier nämlich durch die interressanten Ent<strong>de</strong>ckungen<br />

über die Entwicklung <strong>de</strong>r Medusen sich ergeben,<br />

dass eine ganze Gruppe dieser Thiere, die Familie <strong>de</strong>r sogenannten<br />

Hydroi<strong>de</strong>n (Exoarii Rapp, Sertulariens M. Edw,,<br />

Anthozoa oligactinia Ehrbg.), dieselbe, die — mit Ausschluss<br />

von Hydra — wegen mancher eigenthümlichen Organisationsverhältnisse<br />

in einer spätem Schrift von Ehrenberg 6 ) als<br />

die Familie <strong>de</strong>r Dimorphaea von <strong>de</strong>n eigentlichen Anthozoen<br />

1) Ueber noch sehr zahlreich leben<strong>de</strong> Thierarten <strong>de</strong>r Krei<strong>de</strong>bildung. In <strong>de</strong>n Ab­<br />

handlungen <strong>de</strong>r Berl. Akad. von <strong>de</strong>m Jahre 1839. S. 106.<br />

2) Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1835. T. IV. p. 343. und Hist. nat. <strong>de</strong>s Zoophytes. Infus.<br />

Paris. 1841.<br />

3) Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1826. T. VH. p. 245.<br />

4) Annais and Magaz. of nat. hist. Vol. XVI. p. 450.<br />

5) Die Korallenthiere <strong>de</strong>s Rothen Meeres. In <strong>de</strong>n Abhandlungen <strong>de</strong>r Berl. Akad.<br />

von <strong>de</strong>m Jahre 1832. S. 225.<br />

6) Akalephen u. s. w.


17<br />

getrennt und <strong>de</strong>n Bryozoen näher gestellt war, überhaupt<br />

keine ausgebil<strong>de</strong>te Thiere umfasse, son<strong>de</strong>rn blosse vorberei^<br />

ten<strong>de</strong> Generationen von Medusen, sogenannte Ammenthiere ').<br />

Die von <strong>de</strong>n Polypen allein noch übrig bleiben<strong>de</strong>n echten<br />

Anthozoen bil<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Akalephen, von <strong>de</strong>nen übrigens,<br />

wie wir weiter unten sehen wer<strong>de</strong>n, ebenfalls einige bestimmte<br />

Formen, die blosse Ammenthiere sind, aus <strong>de</strong>r zoologischen<br />

Systematik schwin<strong>de</strong>n müssen, meine Abtheilung<br />

<strong>de</strong>r Coelenteraten.<br />

Was die weitere Eintheilung <strong>de</strong>rselben betrifft, so erscheinen<br />

in ihr die Polypen und Akalephen als zwei<br />

sehr natürliche Klassen. Der charakteristische Unterschied<br />

von bei<strong>de</strong>n beruht in einer differenten Entwicklung <strong>de</strong>r Leibeshöhle<br />

2 ). Bei <strong>de</strong>n erstem ist dieselbe sehr geräumig und<br />

nur von einigen lamellösen Längsschei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r äussern<br />

Be<strong>de</strong>ckungen durchsetzt, die von <strong>de</strong>r Peripherie nach <strong>de</strong>m<br />

Centrum hinstrahlen, während sie bei <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn viel weniger<br />

weit ist und in <strong>de</strong>r Form radialer Gefässe (als das<br />

sogenannte wasserführen<strong>de</strong> Gefässsystem) die parenchymatöse<br />

Leibesmasse durchsetzt. In <strong>de</strong>n Thieren <strong>de</strong>r ersten Klasse,<br />

so könnte man etwa sich ausdrücken, wächst die umhüllen<strong>de</strong><br />

Körperwand centripetal hinein in die Leibeshöhle, in <strong>de</strong>n<br />

Thieren <strong>de</strong>r zweiten die Leibeshöhle centrifugal hinein in die<br />

Körperwand. In bei<strong>de</strong>n Fällen ist die radiäre Anordnung<br />

unverkennbar, wenngleich die Zahlenverhältnisse, in <strong>de</strong>nen<br />

dieselbe sich ausprägt, ansehnlich wechseln. Sehr allgemein<br />

aber scheint die Vierzahl mit ihren Multiplis in <strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r<br />

Centralachse ausstrahlen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r doch strahlenförmig darum<br />

gruppirten Gebil<strong>de</strong>n vorherrschend zu sein.<br />

1) Ausser <strong>de</strong>r bekannten Schrift von Steenstrup über <strong>de</strong>n Generationswechsel<br />

vergl. man hier beson<strong>de</strong>rs die Abhandlungen von Dujardin in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s<br />

scienc. nat. 1845. T.IV. p. 257., von Sars 1. c. p. 13. und von mir in <strong>de</strong>n<br />

oben erwähnten Beiträgen S. 19.<br />

2) Vergl. hierüber, so wie überhaupt über die Organisationsverhältnisse <strong>de</strong>r Polypen<br />

und Akalephen meine bei<strong>de</strong>n oben schon erwähnten Abhandlungen in <strong>de</strong>n Beiträgen<br />

von Frey und Leuckart.<br />

2


18<br />

Eine sichere Bürgschaft für <strong>de</strong>n innern typischen Zusammenhang<br />

dieser bei<strong>de</strong>n Klassen, und somit <strong>de</strong>nn auch für<br />

die Berechtigung unserer Abtheilung <strong>de</strong>r Coelenteraten, bietet<br />

neben <strong>de</strong>r erwähnten morphologischen Uebereinstimmung<br />

auch die Entwicklung <strong>de</strong>r dahin gehören<strong>de</strong>n Thiere, die zum<br />

Theil noch später genauer berücksichtigt wer<strong>de</strong>n soll. Hier<br />

genüge die einfache Bemerkung, dass die Akalephen, so weit<br />

wir die Entwicklungsgeschichte <strong>de</strong>rselben kennen, überall<br />

in ihren Jugend- o<strong>de</strong>r Ammenzuslän<strong>de</strong>n eine vollkommne<br />

Polypenform darbieten. Es zeigt sich in diesem Verhältniss<br />

dasselbe wichtige Gesetz, von <strong>de</strong>m wir seit längerer Zeit<br />

bereits in an<strong>de</strong>rn natürlichen Abtheilungen — beson<strong>de</strong>rs bei<br />

<strong>de</strong>n Wirbelthieren — eine Kenntniss gehabt haben, nach<br />

<strong>de</strong>m nämlich von <strong>de</strong>n höher stehen<strong>de</strong>n Thieren einer Gruppe<br />

bei <strong>de</strong>r Entwicklung bestimmte Formen durchlaufen wer<strong>de</strong>n,<br />

die in <strong>de</strong>n nie<strong>de</strong>rn Thieren <strong>de</strong>rselben Gruppe zeitlebens persistiren<br />

'). Erkennen wir nun in <strong>de</strong>m erstem die höchste<br />

Entfaltung eines bestimmten i<strong>de</strong>alen Typus, so können wir<br />

unter solchen Verhältnissen die nie<strong>de</strong>rn Formen — in Bezug<br />

auf jene — als in ihrer Entwicklung gehemmte ansehen und<br />

<strong>de</strong>n ganzen morphogenetischen Process, <strong>de</strong>ssen in solchen<br />

Fällen die Natur sich bedient, als <strong>de</strong>n Process <strong>de</strong>r Bildungshemmung<br />

bezeichnen, wie es oben auch geschehen ist.<br />

Werfen wir vor <strong>de</strong>r speciellen Betrachtung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Klassen <strong>de</strong>r Coelenteraten noch einen Blick auf die äussern<br />

Formverhältnisse <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen ihnen zugehören<strong>de</strong>n Thiere,<br />

so können wir auch in diesen trotz <strong>de</strong>r manchfachen Modificationen<br />

eine bestimmte Uebereinstimmung nicht verkennen.<br />

Die Grundform <strong>de</strong>r Coelenteraten ist die Form einer<br />

Kugel o<strong>de</strong>r eines Eies, wie wir sie bei <strong>de</strong>n meisten Rippenquallen,<br />

auch noch bei <strong>de</strong>n Aclinien wahrnehmen. Streckt<br />

1) Nicht überall spricht mit gleicher Deutlichkeit in <strong>de</strong>m Zusammenhange <strong>de</strong>r nie­<br />

<strong>de</strong>rn und höhern Formen bei einer typischen Abtheilung <strong>de</strong>r Thiere dieses Bildungsgesetz<br />

sich aus. Bei näherer Untersuchung fin<strong>de</strong>n wir aber trotz<strong>de</strong>m die<br />

unverkennbaren Spuren <strong>de</strong>sselben — nur weniger gleichmässig in <strong>de</strong>m ganzen<br />

äussern Habitus und mehr auf einzelne Theile <strong>de</strong>s Körpers beschränkt.


19<br />

diese sich in die Länge, so wird daraus ein Cylin<strong>de</strong>r, wie<br />

bei <strong>de</strong>n meisten Polypen (eine Form, die allerdings durch<br />

die unvollkommne Knospenbildung dieser Thiere sehr häufig<br />

mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r verwischt ist), während durch <strong>de</strong>n entgegengesetzten<br />

Vorgang,' durch eine Abplattung von <strong>de</strong>n Polen<br />

her, sehr leicht die Scheibenform <strong>de</strong>r Discophoren i) sich ableiten<br />

lässt. Die Mundöffnung liegt beständig an <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>m<br />

(je nach <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>s Thiers <strong>de</strong>m obern o<strong>de</strong>r untern) En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Körpers in <strong>de</strong>r centralen Achse, die sich hier übrigens<br />

nicht selten, beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>m abgeplatteten Körper <strong>de</strong>r<br />

Scheibenquallen, in einen mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r entwickelten<br />

Stiel verlängert hat. Im Umkreis <strong>de</strong>r Mundöffnung (auf <strong>de</strong>m<br />

Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kopfscheibe, bei <strong>de</strong>n Scheibenquallen in <strong>de</strong>r<br />

Peripherie <strong>de</strong>s eigentlichen Körpers) stehen gewöhnlich ansehnlichere<br />

o<strong>de</strong>r kleinere cylindrische Fortsätze in sehr verschie<strong>de</strong>ner<br />

Zahl, die sogenannten Tentakel, <strong>de</strong>ren innere<br />

Höhlung in <strong>de</strong>r Regel mit <strong>de</strong>r gemeinschaftlichen Körperhöhle<br />

communicirt.<br />

Ganz eigenthümliche, morphologisch von diesen Tentakeln<br />

sehr abweichen<strong>de</strong> Gebil<strong>de</strong> sind die paarigen Fangfä<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Ctenophoren.<br />

So viel über die Coelenteraten im Allgemeinen. Was<br />

die erstere Klasse <strong>de</strong>rselben, die Polypen, betrifft, so liegt<br />

<strong>de</strong>ren Systematik trotz <strong>de</strong>r manchfachen Versuche unserer<br />

1) Auf solche Weise, glaube ich, lässt die Form <strong>de</strong>r Scheibenquallen viel eher aus<br />

<strong>de</strong>r Kugelgestalt <strong>de</strong>r Ctenophoren sich -ableiten, als umgekehrt die letztere aus<br />

<strong>de</strong>r erstem, wie man es wohl durch die Annahme versucht hat, dass die Peri­<br />

pherie <strong>de</strong>r Glocke bei einer Scheibenqualle nach vorn mit <strong>de</strong>m Mundstiel ver­<br />

wachsen müsse, um eine Rippen«rualle zu bil<strong>de</strong>n. Wie viel näher die erstere<br />

Annahme liege, geht sehr <strong>de</strong>utlich zum Beispiel aus <strong>de</strong>r Form einer Conis her­<br />

vor, wie sie Brandt (Ausführliche Beschreibung <strong>de</strong>r von Mertens beobachteten<br />

Schirmquallen. Petersburg. 1838. Tab. II.) so schön hat abbil<strong>de</strong>n lassen. Dass<br />

überdiess <strong>de</strong>r Mundstiel <strong>de</strong>r Discophoren nur von untergeordneter morphologi­<br />

scher Be<strong>de</strong>utung sei, beweist auch <strong>de</strong>r Mangel <strong>de</strong>sselben bei <strong>de</strong>n jungen unaus-<br />

gebil<strong>de</strong>ten Individuen, z. B. von Aurelia, die übrigens — wie wir hier anfüh­<br />

ren müssen — aus <strong>de</strong>r Polypenform <strong>de</strong>r Ammen in Wirklichkeit nicht etwa<br />

durch eine verticale Zusammendrückung, son<strong>de</strong>rn vielmehr durch eine Quer-<br />

Iheilung entstehen.<br />

2*


•20<br />

neueren Zoologen, beson<strong>de</strong>rs Ehrenberg's, Johnston's 1 )<br />

und Daua's 2 ), noch immer sehr im Argen. Ihre Organisation<br />

und die merkwürdigen Phänomene ihrer Vermehrung<br />

durch unvollkommne Theilung und Knospenbildung, dieselben<br />

Phänomene, auf <strong>de</strong>nen die Structur und <strong>de</strong>r Zusammenhang<br />

<strong>de</strong>r Polypenstöcke 3 ) beruht, sind im Augenblick noch zu<br />

wenig vollständig erkannt, als dass eine darauf basirte Classification<br />

bereits allen unsern Anfor<strong>de</strong>rungen Genüge leisten<br />

könnte. So viel aber scheint mir gewiss: die Polypen zerfallen<br />

nach ihrem Bau •) in zwei gleichwerthige Ordnungen 5 ),<br />

von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r einen, die bei Weiten die grösste Mehrzahl<br />

dieser Thiere enthält, <strong>de</strong>r Name Anthozoa bleiben mag,<br />

während ich die an<strong>de</strong>re, die allein bisjetzt das Gen. Lucernaria<br />

umfasst, als Becherpolypen, Cylicozoa 6 ), bezeichnen<br />

möchte. Wie unnatürlich es sei, diese letztem <strong>de</strong>n Anthozoen<br />

und beson<strong>de</strong>rs, wie es gewöhnlich geschieht, <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>r<br />

Actinien einzureihen, ist schon mehrfach gefühlt wor<strong>de</strong>n.<br />

Lamarck 7 ) und auch Cuvier 8 ) stellten sie (letzterer allerdings<br />

zusammen mit <strong>de</strong>n Actinien) unter die Akalephen, und<br />

wirklich haben sie, wie schon Sars bemerkt, mit diesen, beson<strong>de</strong>rs<br />

mit <strong>de</strong>n Schirmquallen, in mehrfacher Beziehung eine<br />

1) History of British Zoophytes. 2. Edit. London. 1846.<br />

2) Structure and Classification of Zoophytes. Phila<strong>de</strong>lphia. 1846.<br />

3) Sehr werthvolle Aufschlüsse hierüber verdanken wir neben <strong>de</strong>n Arbeiten von<br />

Ehrenberg, Corallenthiere u. s.w. und Milne Edwards, Annal. <strong>de</strong>s scienc.<br />

nat. 1845. T. IV. u. 1846. T. VI., vorzugsweise <strong>de</strong>n neuern Untersuchungen von<br />

Dana in Sillimans Journal 1847. Jan. (im A««szug inFroriep'sNotizen 1847. N. 48.).<br />

1) Ueber <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r Polypen, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Actinien und Lucernarien muss ich<br />

auf meine hierauf bezügliche Abhandlung in <strong>de</strong>n bereits mehrfach erwähnten<br />

Beiträgen S. 1. verweisen. Völlig übereinstimmend hiermit sind die Angaben von<br />

Sars über die Organisation <strong>de</strong>r Lucernarien in <strong>de</strong>r Fauna littoralis Norveg. S. 20.<br />

5) Sehr wenig natürlich ist es, wenn Blainville (Art. Zoophyt. in <strong>de</strong>n Dict. <strong>de</strong>s<br />

sc. nat. T. LX.) die Polypen nach <strong>de</strong>r Abwesenheit o<strong>de</strong>r Anwesenheit eines<br />

Polypenstocks in zwei <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen und Arachno<strong>de</strong>rmen (Akalephen) gleich­<br />

stehen<strong>de</strong> Klassen zerfällt, die er als Zoantharia und Polyparia bezeichnet.<br />

6) Von -*.v\i%, Becher und Cwov, Thier.<br />

7) Hist. nat. <strong>de</strong>s anim. Sans vertebr. 2. Ed. T. IIL p. 57.<br />

8) Regne anim. 1. Ed. T. IV. p. 50. (In <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Auflage stehen dieselben<br />

aber wie<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Polypen).


21<br />

grössere Aehnlichkeit. In<strong>de</strong>ssen müssen sie doch meines Erachtens<br />

bei <strong>de</strong>n Polypen verbleiben. Dass Verhältniss <strong>de</strong>r Körperwandungen<br />

zu <strong>de</strong>r sehr geräumigen Leibeshöhle ist dasselbe,<br />

wie bei <strong>de</strong>n übrigen Polypen, und gera<strong>de</strong> auf einer verschie<strong>de</strong>nen<br />

Relation dieser Theile beruht ja <strong>de</strong>r Unterschied <strong>de</strong>r<br />

dieser Klasse zugehören<strong>de</strong>n Coelenteraten von <strong>de</strong>n Akalephen.<br />

Die Actinien sind ebenfalls Polypen, und zwar Anthozoen,<br />

obgleich auch sie wohl mehrfach an<strong>de</strong>rn Gruppen beigesellt<br />

wor<strong>de</strong>n sind. So brachte Cuvier dieselben (wie die<br />

Zoanthinen und Lucernarien) Anfangs zu <strong>de</strong>n Akalephen •)<br />

(als A. fixes), Lamarck 2 ) dagegen, wie auch Oken 3 ) und<br />

Schweigger 4 ), zu <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen, wo ersterer aus ihnen<br />

und <strong>de</strong>n Sipunculi<strong>de</strong>n sogar eine gemeinsame Gruppe, die<br />

<strong>de</strong>r Fistuli<strong>de</strong>n, bil<strong>de</strong>te.<br />

Die bei<strong>de</strong>n Ordnungen <strong>de</strong>r Polypen, die wir eben aufgestellt<br />

haben, unterschei<strong>de</strong>n sich vorzugsweise durch ein<br />

verschie<strong>de</strong>nes Verhalten ihres Verdauungsapparates. Bei <strong>de</strong>n<br />

ersteren, <strong>de</strong>n Anthozoen, fin<strong>de</strong>t sich ein beson<strong>de</strong>rer Magenschlauch<br />

, ein kurzer Cylin<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Mundöffnung in<br />

<strong>de</strong>n cylindrischen Körper hineinragt und am Grun<strong>de</strong> durch<br />

eine weite Oeffnung mit <strong>de</strong>r geräumigen Leibeshöhle communicirt,<br />

die, wie bereits oben erwähnt ist, durch eine grössere<br />

o<strong>de</strong>r geringere Anzahl radialer, an <strong>de</strong>m Magensack befestigter<br />

Schei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong> in eine entsprechen<strong>de</strong> Menge peripherischer<br />

Taschen o<strong>de</strong>r Blindsäcke getheilt ist. Der freie Rand jener<br />

Schei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong> trägt die von mir als Mesenterialfilamente beschriebenen<br />

Gebil<strong>de</strong>, hinter <strong>de</strong>nen, ebenfalls an <strong>de</strong>n Schei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong>n,<br />

die Genitalapparate gelegen sind. Den Cylicozoen<br />

1) Die nahe Verwandtschaft <strong>de</strong>r Actinien mit Medusen kannten übrigens schon die<br />

altern Zoologen. Ron<strong>de</strong>let, Gesner, Aldrovand, Jonston u. A. bezeichneten<br />

dieselben vereinigt als Urticae, die sie höchstens als Urticae fixae<br />

und solutae unterschie<strong>de</strong>n. Auch Linne bil<strong>de</strong>te Anfangs aus bei<strong>de</strong>n ein gemeinschaftliches<br />

Genus Medusa, von <strong>de</strong>m er erst nachher die Actinien (zuerst<br />

unter <strong>de</strong>m Genusnamen Priapus) trennte.<br />

2) Hist. nat. <strong>de</strong>s anim. Sans vertebr. Herne Ed. T. V. p. 395.<br />

3) Lehrbuch <strong>de</strong>r Naturgesch. l. Ausgabe. Zoologie. Tb. I. S. 347.<br />

4) Handbuch <strong>de</strong>r Naturgesch, <strong>de</strong>r skeletlosen ungeglie<strong>de</strong>rten Thiere. S. 505.


•22<br />

dagegen fehlt ein solcher Magenschlauch. Die ganze Leibeshöhle,<br />

beson<strong>de</strong>rs vielleicht <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>re, aus <strong>de</strong>r Kopfscheibe<br />

<strong>de</strong>s becherförmigen, nach hinten mit einem stielartigen Fusse<br />

versehenen Körpers hervorragen<strong>de</strong> sogenannte Mundtheil bil<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>n Verdauungsapparat. Radiale Schei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Leibeshöhle<br />

fin<strong>de</strong>n sich aber auch hier, wenngleich in etwas<br />

verschie<strong>de</strong>ner Anordnung. Die Geschlechtsorgane liegen zu<br />

<strong>de</strong>n Seiten dieser Schei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong> in die Kopfscheibe eingebettet.<br />

Die Mesenlerialfilamente <strong>de</strong>r Anthozoen sind zu<br />

freien tentakelförmigen Fä<strong>de</strong>n gewor<strong>de</strong>n, die mit ihrer Basis<br />

sich <strong>de</strong>n Schei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r Uebergangsstelle <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>m<br />

Körperscheibe in <strong>de</strong>n stielförmigen Hinterleib inseriren.<br />

Die Bildung eines Skelets l ) beschränkt sich in <strong>de</strong>r Klasse<br />

<strong>de</strong>r Polypen und überhaupt in <strong>de</strong>r ganzen Abtheilung <strong>de</strong>r<br />

Coelenteraten auf die Anthozoen, fin<strong>de</strong>t sich hier aber in<br />

grössler Aus<strong>de</strong>hnung. Es beruhet die Möglichkeit dieser Bildung<br />

allein auf <strong>de</strong>r Menge <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m Körper dieser Thiere<br />

vorhan<strong>de</strong>nen Kalksalze. Meistens ist das Skelet ein äusseres,<br />

entstan<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>r Erhärtung o<strong>de</strong>r Verkalkung <strong>de</strong>r Körperbe<strong>de</strong>ckungen,<br />

an <strong>de</strong>r aber auch bisweilen (bei <strong>de</strong>n Madreporen)<br />

die innern muskulösen Schei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Leibeshöhle<br />

Antheil nehmen. Viel weniger verbreitet ist das Vorkommen<br />

eines innern sogenannten Kerngerüstes, das, wie es scheint,<br />

vorzugsweise nur bei <strong>de</strong>n kleinern colonieenbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Formen<br />

sich vorfin<strong>de</strong>t und hier zur Stutze <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen<br />

Thierstockes dient. Es verläuft dieses innere Skelet beständig<br />

in <strong>de</strong>r Achse dieser Stöcke und ist ohne eigentlichen Zusammenhang<br />

mit <strong>de</strong>n einzelnen Thieren, obgleich es doch<br />

unstreitig ebenfalls bloss als das Product <strong>de</strong>rselben angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n darf.<br />

Die zweite Klasse unserer Coelenteraten umfassl, wie<br />

erwähnt, die Akalephen. Doch auch diese können nicht<br />

1) Ueber das Skelet <strong>de</strong>r Anthozoen vergl. man ausser <strong>de</strong>n klassischen Untersuchuil-<br />

gen Ehrenberg's (Korallenthiere u. s. w.) auch die Bemerkungen von Frey<br />

(über die äussern Be<strong>de</strong>ckungen <strong>de</strong>r wiibellosen Thiere. Erste Abtheilung. Got­<br />

tingen. 1815. Beson<strong>de</strong>rs abgedruckt aus <strong>de</strong>n Göltinger Sludien).


•23<br />

in ihrem ganzen Umfang hier aufgenommen wer<strong>de</strong>n. Wie<br />

nämlich in neuester Zeit die höchst wichtigen Untersuchungen<br />

von Sars 1 ) uns gezeigt haben, enthält die eine Gruppe<br />

<strong>de</strong>rselben, die <strong>de</strong>r Siphonophoren, welche man bis dahin als<br />

ausgebil<strong>de</strong>te Thiere ansah, ganz wie die Gruppe <strong>de</strong>r Hydroi<strong>de</strong>n,<br />

nur sogenannte vorbereiten<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r aufammen<strong>de</strong> Generationen<br />

an<strong>de</strong>rer Akalephen. Für die Familie <strong>de</strong>r Velelli<strong>de</strong>n, welche<br />

Eschscholtz ebenfalls <strong>de</strong>n Siphonophoren zurechnet, ist<br />

allerdings ein solches Verhältniss noch zu erweisen, doch<br />

scheint es auch für sie nach <strong>de</strong>r Analogie mit <strong>de</strong>n übrigen<br />

Formen sehr wahrscheinlich.<br />

Schliessen wir nun die Siphonophoren, als unausgebil<strong>de</strong>te<br />

Formen, von <strong>de</strong>n Akalephen aus, so bleiben uns unter<br />

diesen Thieren nur noch die bei<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m trefflichen<br />

Eschscholtz 2 ) neben jenen aufgestellten Gruppen <strong>de</strong>r<br />

Ctenophoren und Discophoren, die meines Erachtens<br />

zwei sehr natürliche Ordnungen bil<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong> unterschei<strong>de</strong>n<br />

sich in ihrer Organisation auf eine ganz gleiche Weise, wie<br />

die bei<strong>de</strong>n oben von mir aufgestellten Ordnungen <strong>de</strong>r Polypen.<br />

Nur die Ctenophoren haben einen eigentlichen Magenschlauch<br />

(wenn man das bei einigen Scheibenquallen vorkommen<strong>de</strong><br />

Rudiment <strong>de</strong>sselben ausser Acht lässt), ganz von<br />

<strong>de</strong>mselben Bau, wie bei <strong>de</strong>n Anthozoen. Selbst in ihrer<br />

Gestalt möchten die Rippenquallen noch am ersten mit <strong>de</strong>n<br />

Anthozoen sich vergleichen lassen, während die Discophoren<br />

auch dadurch eher <strong>de</strong>n Lucernarien sich anreihen, mit <strong>de</strong>nen<br />

sie ebenfalls in <strong>de</strong>m Mangel eines beson<strong>de</strong>m Magens übereinkommen.<br />

Die ganze Leibeshöhle ist hier Sitz <strong>de</strong>r Chymification,<br />

wenngleich vorzugsweise vielleicht <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>re, zwischen<br />

<strong>de</strong>n Mundlappen gelegene Abschnitt. — Sogar die<br />

Lage <strong>de</strong>r Generalionswerkzeuge zeigt in <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Ordnungen <strong>de</strong>r Akalephen und Polypen eine grosse Analogie.<br />

Bei <strong>de</strong>n Ctenophoren, die übrigens Zwitter sind und nicht,<br />

1) A. a. o. S. 44.<br />

2) System <strong>de</strong>r Akalephen.


24<br />

wie die an<strong>de</strong>rn Coelenteraten, getrennten Geschlechts, liegen<br />

dieselben — gewissermassen <strong>de</strong>n lamellösen Längsschei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Anthozoen entsprechend — in <strong>de</strong>n Seitentheilen<br />

<strong>de</strong>s Leibes, bei <strong>de</strong>n Discophoren, wie bei Lucernaria, in <strong>de</strong>r<br />

vor<strong>de</strong>m Fläche <strong>de</strong>r Körperscheibe.<br />

Durch ihre Locomotionsfähigkeit sind übrigens die Akalephen<br />

von <strong>de</strong>n Polypen sehr verschie<strong>de</strong>n. Während diese<br />

nämlich entwe<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Hintertheil <strong>de</strong>s Leibes festsitzen<br />

o<strong>de</strong>r doch höchstens nur durch Hülfe <strong>de</strong>r hintern Körperscheibe<br />

(<strong>de</strong>s sogenannten Fusses <strong>de</strong>r Actinien) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Tentakel<br />

(Arachnitis Sars) langsam sich fortschieben können,<br />

zeigen die Akalephen im ausgebil<strong>de</strong>ten Zustand, wo sie beständig<br />

als isolirte Individuen erscheinen und niemals zusammenhängen<strong>de</strong><br />

Thierslöcke bil<strong>de</strong>n, eine sehr freie Beweglichkeit.<br />

Bei <strong>de</strong>n Discophoren wird solche durch die rhytmischen<br />

Contractionen <strong>de</strong>r schirm- o<strong>de</strong>r glockenförmigen Körperscheibe<br />

vermittelt. In <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Ctenophoren dagegen musste<br />

dieselbe wegen <strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n Kugelgestalt <strong>de</strong>s Leibes<br />

(die nur selten durch eine seitliche Compression — bei Cestum —<br />

etwas abgeän<strong>de</strong>rt ist) auf eine an<strong>de</strong>re Weise möglich gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n. Hier fin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>nn ein beson<strong>de</strong>rer, eigens zu<br />

diesem Zweck bestimmter Apparat von Cilien, die in mehreren<br />

(4 o<strong>de</strong>r 8) Längsreihen an <strong>de</strong>r Peripherie <strong>de</strong>s Leibes angebracht<br />

sind und durch ihre Schwingungen <strong>de</strong>n Körper<br />

fortbewegen.<br />

Ueber die Entwicklung <strong>de</strong>r Rippenquallen wissen wir<br />

bisjetzt lei<strong>de</strong>r noch gar Nichts — was um so mehr zu bedauern,<br />

als die auf diesen Vorgang bezüglichen merkwürdigen<br />

Erscheinungen bei <strong>de</strong>n Scheibenquallen vielleicht auf<br />

analoge Verhältnisse bei jenen schliessen lassen. Die Scheibenquallen<br />

entstehen aus einem polypenförmigen Ammenthier<br />

bald durch die Theilung <strong>de</strong>s ursprünglichen Körpers in mehrere<br />

über einan<strong>de</strong>r gelegene scheibenförmige Abschnitte, bald auch<br />

durch Knospen, die an <strong>de</strong>n Ammen hervorkeimen. In <strong>de</strong>m<br />

letztern Falle, wo die Körper <strong>de</strong>r Ammen nicht unmittelbar,<br />

wie im ersteren, durch <strong>de</strong>n Process <strong>de</strong>r Vermehrung zu


25<br />

Grun<strong>de</strong> gehen, überdauern die einzelnen (meistens zu sehr<br />

entwickelten Thierstöcken mit einan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>nen) vorbereiten<strong>de</strong>n<br />

Individuen in <strong>de</strong>r Regel mehrere Generationen und<br />

sind auffallen<strong>de</strong>r Weise sogar zu einer selbstständigen geschlechtlichen<br />

Fortpflanzung J ) befähigt.<br />

In solchen Fällen nun sind die Ammen <strong>de</strong>r Medusen<br />

von <strong>de</strong>n Zoologen bis auf die neueste Zeit als bestimmte<br />

eigene Thierformen in <strong>de</strong>m Systeme aufgeführt. Doch gewiss<br />

mit Unrecht. Bieten sie auch in ihren morphologischen Verhältnissen<br />

manchfache interessante und auffallen<strong>de</strong> Erscheinungen,<br />

so können sie doch in einem natürlichen Systeme<br />

<strong>de</strong>s Thierreichs eben so wenig eine beson<strong>de</strong>re Stelle fin<strong>de</strong>n,<br />

als die Larven <strong>de</strong>r Insecten, selbst wenn diese noch so sehr<br />

von <strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>r beireffen<strong>de</strong>n entwickelten Thieren sich<br />

unterschei<strong>de</strong>n.<br />

Am besten gekannt unter diesen Ammenformen sind die<br />

sogenannten Hydroi<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Beschaffenheit und <strong>de</strong>r<br />

Form <strong>de</strong>s Körpers gleichen sie, wie schon angeführt, <strong>de</strong>n<br />

Polypen. Darin aber unterschei<strong>de</strong>n sie sich von diesen, dass<br />

sie we<strong>de</strong>r einen geson<strong>de</strong>rten Magenschlauch besitzen, noch<br />

dass in die Leibeshöhle, die <strong>de</strong>n ganzen innern Raum <strong>de</strong>s<br />

Körpers einnimmt, jene lamellösen Längsschei<strong>de</strong>wän<strong>de</strong> vorspringen,<br />

die allen ausgebil<strong>de</strong>ten Coelenteraten zukommen.<br />

Auch Mesenterialfilamente und innere Geschlechtsorgane fehlen.<br />

Die Leibeshöhle bil<strong>de</strong>t einen länglichen Cylin<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Körper durchsetzt, nach oben, wie bei <strong>de</strong>n Discophoren,<br />

durch eine Mundöffnung ausmün<strong>de</strong>t und bei Hydra (doch,<br />

wie es scheint, nur hier) sich auch in die Arme hinein<br />

erstreckt.<br />

Dieser Typus, <strong>de</strong>n man bei Hydra 2 ) schon lange erkannt<br />

1) Vergleiche hierüber meinen Aufsatz über die Naturgeschichte <strong>de</strong>r Hydroi<strong>de</strong>n in<br />

<strong>de</strong>n Beiträgen von F r e y und L e u c k a r t S. 19., so wie meine Bemerkungen<br />

in <strong>de</strong>n Göttingischen Gelehrten Anzeigen. 1847 Nr. 190. (bei Gelegenheit <strong>de</strong>r<br />

Anzeige von Sars, Fauna littoralis Norvegiae).<br />

2) Wie man die Stellung <strong>de</strong>r Hydra zu <strong>de</strong>n Medusen produciren<strong>de</strong>n Hydroi<strong>de</strong>n<br />

rechtfertigen könne, habe ich (a. a. 0. Beiträge S. 19.) auseinan<strong>de</strong>r gesetzt.


2«<br />

hat, fin<strong>de</strong>t sich auch bei allen übrigen Hydroi<strong>de</strong>n. Die Leibeshöhle<br />

l ) bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Verdauungs- und zugleich <strong>de</strong>n Circulationsapparat,<br />

ohne Hülfe eines beson<strong>de</strong>rn anatomisch verschie<strong>de</strong>nen<br />

Organes. Dass ausser <strong>de</strong>rselben (bei Hydra) noch ein<br />

formlicher Magenschlauch vorkomme, wie v. Siebold 2 ) angiebt,<br />

o<strong>de</strong>r vielmehr, dass <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>re Abschnitt <strong>de</strong>r Leibeshöhle,<br />

so weit er in <strong>de</strong>m sogenannten Kopfe gelegen ist,<br />

auch anatomisch als Magen aufzufassen sei, davon habe ich<br />

mich nicht überzeugen können. Allerdings zeigt die Leibeshöhle<br />

eine beson<strong>de</strong>re, von <strong>de</strong>n äussern Be<strong>de</strong>ckungen verschie<strong>de</strong>ne<br />

Bekleidung (aus welchem Grun<strong>de</strong> ich die Zweifel<br />

v. Siebold's an <strong>de</strong>r Genauigkeit <strong>de</strong>r bekannten Röselschen<br />

Versuche, wonach ein, wie ein Handschuhfinger umgestülpter<br />

Polyp auch in diesem Zustand noch vollständig verdauen<br />

könne, theilen muss), aber solches berechtigt uns noch<br />

nicht zu <strong>de</strong>r Annahme, dass diese Auskleidung einem eignen<br />

Magensack angehöre. Im Gegentheil spricht <strong>de</strong>r Umstand,<br />

dass dieselbe unmittelbar, ohne einen Zwischenraum, <strong>de</strong>r<br />

innern Fläche <strong>de</strong>r Leibeswandungen aufliegt, und dass auch<br />

(bei Hydra) die Höhlung <strong>de</strong>r Arme mit <strong>de</strong>m umschlossenen<br />

Räume in directem Zusammenhang steht, für die ältere Ansicht.<br />

Das letztere Verhältniss wäre, wenn jener Raum wirklich<br />

einen beson<strong>de</strong>rn Magen vorstellte, in <strong>de</strong>r ganzen Abtheilung<br />

<strong>de</strong>r Coelenteraten ohne Analogie. Ueberall communicirl<br />

die Höhlung <strong>de</strong>r Tentakel nur mit <strong>de</strong>r Leibeshöhle. Die<br />

Oeffnung, durch welche nach Siebold <strong>de</strong>r Magen von Hydra<br />

in seinem Grun<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r dahinter gelegenen, engen und<br />

röhrenförmigen Höhle <strong>de</strong>s cylindrischen Fusses in Verbindung<br />

stehen soll, kann ich nur für eine sphincterartige Verengerung<br />

<strong>de</strong>r Leibeshöhle halten, die in an<strong>de</strong>rn Hydroi<strong>de</strong>n<br />

(z. B. bei <strong>de</strong>n Sertularien) noch stärker markirt ist und die<br />

1) Früher war ich-über die morphologische Be<strong>de</strong>utung dieser Höhle (auch bei Lu­<br />

cernaria und bei <strong>de</strong>n Scheibcnquallen) zweifelhaft (vergl. a. a. 0. S. 4. Anm. 1.<br />

u. S. 20.), doch glaube ich jetzt entschie<strong>de</strong>n mich für obige Ansicht aussprechen<br />

zu können.<br />

2) Vergleichen<strong>de</strong> Anatomie <strong>de</strong>r wirbellosen Thiere S. 37.


27<br />

<strong>de</strong>n ganzen Raum in zwei Abschnitte theilt, einen vor<strong>de</strong>m,<br />

<strong>de</strong>r vielleicht ausschliesslich verdauet, und einen hintern, <strong>de</strong>r<br />

vielleicht vorzugsweise Circulationsapparat ist. Sehr <strong>de</strong>utlich<br />

aber kann man beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Hydroi<strong>de</strong>ncolonieen wahrnehmen<br />

, dass bei<strong>de</strong> in keiner Weise von einan<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>n<br />

sind. — Allein an <strong>de</strong>m hintern dieser Abschnitle entwickeln<br />

sich die Knospen, durch welche die Hydroi<strong>de</strong>n sich<br />

ungeschlechtlich fortpflanzen und zu einer Colonie entwickeln,<br />

wenn die aus <strong>de</strong>n Knospen hervorgebil<strong>de</strong>ten Jungen, wie es<br />

meistens <strong>de</strong>r Fall ist, nicht vollständig von <strong>de</strong>m Mutterthier<br />

sich trennen.<br />

Dieselbe typische Anordnung zeigen die Siphonophoren,<br />

wenigstens die Physophori<strong>de</strong>n l ) und Diphyi<strong>de</strong>n, die im<br />

Wesentlichen vollkommen mit einan<strong>de</strong>r übereinstimmen und<br />

<strong>de</strong>sshalb <strong>de</strong>nn auch nur sehr mit Unrecht von <strong>de</strong>n Zoologen<br />

als zwei verschie<strong>de</strong>ne, <strong>de</strong>n Velelli<strong>de</strong>n gleichwerthige Familien<br />

2 ) angesehen wer<strong>de</strong>n. Auch bei ihnen fin<strong>de</strong>t sich eine<br />

einfache Leibeshöhle, die <strong>de</strong>n Körper durchzieht, nicht, wie<br />

man es wohl angenommen hat, ein beson<strong>de</strong>rer Magen und<br />

ein davon getrenntes Wassergefässsystem. Der Unterschied<br />

von <strong>de</strong>n Hydroi<strong>de</strong>n beruht darin, dass theils die Tentakel<br />

<strong>de</strong>s cylindrischen Leibes im Umkreis <strong>de</strong>r Mundöffnung geschwun<strong>de</strong>n<br />

sind, theils aber auch ein beson<strong>de</strong>res System von<br />

Fangfä<strong>de</strong>n (entsprechend <strong>de</strong>n Fangfä<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Rippenquallen) und<br />

— in Uebereinstimmung mit <strong>de</strong>r Lebensart — ein eigenthüm-<br />

1) Die Annahme von Blainville (Man. d'Aetinolog.p. 111.) dass die Physophori<strong>de</strong>n,<br />

aus <strong>de</strong>nen er seine Gruppe <strong>de</strong>r Physogra<strong>de</strong>s bil<strong>de</strong>t (wie auch die Rippenquallen)<br />

<strong>de</strong>n Mollusken zuzurechnen seien, bedarf jetzt wohl keiner beson<strong>de</strong>ren Wi<strong>de</strong>r­<br />

legung mehr.<br />

2) Sehr verkehrt ist es, wenn Streubel (Cuvier'« Thierreich I. S. 823.) zu<br />

<strong>de</strong>n Siphonophoren — <strong>de</strong>ren Organisation überdiess sehr abenteuerlich ge<strong>de</strong>u­<br />

tet wird — auch die Berenici<strong>de</strong>n hinzufügen will, <strong>de</strong>nen Eschscholtz ganz<br />

richtig eine Stelle unter <strong>de</strong>n Scheibenquallen angewiesen hat. Was dieselben<br />

von <strong>de</strong>n übrigen Thieren dieser Ordnung unterschei<strong>de</strong>t, ist bloss die Bildung <strong>de</strong>r<br />

Mundöffnung. Diese ist nicht eine einfache Oeffnung, wie sonst, son<strong>de</strong>rn in<br />

eine grössere Anzahl nehen einan<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>s Mundstiels gelegener<br />

Löcher umgebil<strong>de</strong>t. Von <strong>de</strong>n sogenannten Saugröhren <strong>de</strong>r Siphonophoren in<strong>de</strong>s­<br />

sen sind diese völlig verschie<strong>de</strong>n.


28<br />

licher, mächtig entwickelter Bewegungsapparat hinzugekommen<br />

ist. Der letztere besteht aus einer differiren<strong>de</strong>n Anzahl<br />

glockenförmiger Schwimmblasen mit knorpelartiger Hülle und<br />

einem innern contractilen Sack, <strong>de</strong>ssen Zusammenziehungen<br />

auf analoge Weise <strong>de</strong>n Körper fortbewegen, wie <strong>de</strong>r Scheiben-<br />

o<strong>de</strong>r schirmartige Leib die Discophoren. Dieser Apparat<br />

ist an <strong>de</strong>m hintern o<strong>de</strong>r — wenn wir die Stellung <strong>de</strong>s Thieres<br />

berücksichtigen — <strong>de</strong>m obern En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers angebracht,<br />

<strong>de</strong>r morphologisch <strong>de</strong>m festsitzen<strong>de</strong>n Fusse <strong>de</strong>r Hydroi<strong>de</strong>n<br />

und Anthozoen entspricht.<br />

Bei <strong>de</strong>n Diphyi<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>n sich solcher Schwimmglocken<br />

nur zwei, bei <strong>de</strong>n übrigen Physophori<strong>de</strong>n (mit Ausnahme<br />

von Physalia) eine grössere Anzahl. In <strong>de</strong>n erstem liegen<br />

dieselben meistens etwas hinter einan<strong>de</strong>r und nehmen <strong>de</strong>n<br />

eigentlichen Thierleib zwischen sich, doch so, dass <strong>de</strong>ssen<br />

letztes, blin<strong>de</strong>s En<strong>de</strong> (die Safthöhle nach Eschscholtz)<br />

sich eine Strecke weit in die knorpliche Hülle <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>m<br />

Schwimmglocke (<strong>de</strong>s sogenannten Saugröhrenstückes) hineinerstreckl.<br />

In <strong>de</strong>njenigen Diphyi<strong>de</strong>n, die wirklich nur einfache<br />

Thiere sind, in Ersaea z.B., bil<strong>de</strong>n die Schwimmstücke<br />

bei Weitem <strong>de</strong>n grössten Theil <strong>de</strong>s Körpers. Der eigentliche<br />

Leib ist nur sehr kurz und ragt kaum über <strong>de</strong>n Rand jener<br />

Gebil<strong>de</strong> hervor. Er besteht theils aus <strong>de</strong>m hintern eingebetteten<br />

Theile, theils aus <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>m freien, in <strong>de</strong>n jener sich<br />

fortsetzt, einem Theile, <strong>de</strong>r an seinem En<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Mundöffnung<br />

versehen ist und bei <strong>de</strong>n Zoologen <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>r<br />

Saugröhre trägt. An <strong>de</strong>r Uebergangsstelle bei<strong>de</strong>r Abschnitte,<br />

die auch hier, wie bei <strong>de</strong>n Hydroi<strong>de</strong>n, etwas verengt ist,<br />

sitzen die Fangfä<strong>de</strong>n.<br />

Bei vielen an<strong>de</strong>rn hieher gehören<strong>de</strong>n Thierformen, wie<br />

bei Diphyes, setzt sich <strong>de</strong>r hintere Theil <strong>de</strong>s Leibes über<br />

die Insertionsstelle <strong>de</strong>r ersten Saugröhre hinaus noch fort in<br />

einen längern Kanal (<strong>de</strong>n sogenannten Reproduotionskanal), auf<br />

<strong>de</strong>m nach vorn eine grössere Anzahl von Saugröhren, mit Fangfä<strong>de</strong>n<br />

an <strong>de</strong>r Basis und meist auch noch je mit einem beson<strong>de</strong>rn<br />

knorplichen Deckschil<strong>de</strong> (das bei Abyla und Cymba fehlt, also


29<br />

Unwesentlich ist) aufsitzt. Diese einzelnen Saugröhren entstehen<br />

erst allmählich durch eine fortgesetzte Knospenbildung.<br />

Sobald man durch eine unbefangene Untersuchung zu<br />

<strong>de</strong>m Resultate gelangt ist, dass jener Schwimmapparat <strong>de</strong>r<br />

Diphyi<strong>de</strong>n für die morphologische Auffassung dieser Thiere<br />

ohne wesentliche Be<strong>de</strong>utung sei, muss man unter <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Verhältnissen ein Geschöpf, wie Diphyes, für<br />

einen Thierstock erkennen, für eine Colonie von Individuen<br />

— obgleich diese Anschauungsweise <strong>de</strong>r gewöhnlichen Annahme<br />

wi<strong>de</strong>rspricht. Es hält ein solches Geschöpf in je<strong>de</strong>r<br />

Beziehung <strong>de</strong>m Vergleich mit einem Polypenstocke Stich. Ein<br />

je<strong>de</strong>s <strong>de</strong>r einzelnen Thiere (Saugröhren) hat seinen Körper<br />

und seine Leibeshöhle, ein je<strong>de</strong>s seine Fangfä<strong>de</strong>n und Deckschil<strong>de</strong>.<br />

Gemeinschaftlich ist ihnen allen ein Stamm (<strong>de</strong>r<br />

Reproductionskanal) — <strong>de</strong>ssen innere Höhle, wie bei <strong>de</strong>n<br />

Hydroi<strong>de</strong>n, die Leibeshöhlen <strong>de</strong>r einzelnen Thiere mit einan<strong>de</strong>r<br />

verbin<strong>de</strong>t — und am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>sselben jener eigenthümliche<br />

Locomotionsapparat, <strong>de</strong>n man vielleicht nicht ganz unpassend<br />

<strong>de</strong>m Stiel <strong>de</strong>r Halopteri<strong>de</strong>n vergleichen könnte.<br />

Sehr leicht nun lässt aus <strong>de</strong>r Form von Diphyes sich<br />

die <strong>de</strong>r übrigen Physophori<strong>de</strong>n ableiten. Auch bei Agalma,<br />

Agalmopsis u. A. ist <strong>de</strong>r obere Theil <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen<br />

Leibes (die Schwimmsäule) mit seiner Höhle, in <strong>de</strong>r die sogenannte<br />

Schwimmblase gewiss nur eine sehr untergeordnete<br />

Be<strong>de</strong>utung ') hat, von <strong>de</strong>n knorplichen Locomotionsorganen<br />

1) Ich kann hier überhaupt die Vermuthung nicht unterdrücken, dass die Anwesen­<br />

heit von Luft in <strong>de</strong>m Obern En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r gemeinschaftlichen Leibeshöhle, in <strong>de</strong>r<br />

sogenannten Luftblase, immer nur zufällig und ohne alle grössere Be<strong>de</strong>utung sei.<br />

Auch <strong>de</strong>r sogenannte Saftbehälter <strong>de</strong>r Diphyi<strong>de</strong>n, sowie die Leibeshöhle <strong>de</strong>r<br />

Scheibenquallen soll ja häufig Luft enthalten. Ueberdiess giebt z. B. Philippi<br />

(Müll er's Archiv. 1843.) an, dass er bei Physophora in <strong>de</strong>r Luftblase keine<br />

Luft gefun<strong>de</strong>n habe. Die grösste Schwierigkeit macht hierbei das Gen. Physalia,<br />

wo bekanntlich <strong>de</strong>r ganze gemeinschaftliche Leib als Luftblase ge<strong>de</strong>utet wird.<br />

In<strong>de</strong>ssen auch diese Deutung möchte ich als richtig in Abre<strong>de</strong> stellen. Ich sehe<br />

wenigstens ganz <strong>de</strong>utlich bei einem sehr wohl erhaltenen Spiritusexemplare von<br />

Ph. Aurelia in <strong>de</strong>r Sammlung <strong>de</strong>s hiesigen physiologischen Institutes, dass in<br />

eben diese Höhle (wie sonst in <strong>de</strong>n Reproductionskanal) die Saugröhren und<br />

auch die Tentakelkanäle einmün<strong>de</strong>n.


so<br />

besetzt, während <strong>de</strong>r untere freie Theil, wie dort ebenfalls,<br />

eine sehr beträchtliche Anzahl von Saugröhren mit Fangfä<strong>de</strong>n<br />

u. s. w. trägt. Bei Physophora verkürzt sich dieser<br />

untere freie Theil <strong>de</strong>s Leibes. Aus einem langen und engen<br />

Cylin<strong>de</strong>r wird er ein kurzer und weiter Sack 1 ), von <strong>de</strong>ssen<br />

unterer Fläche dann neben einan<strong>de</strong>r die zahlreichen Saugroben<br />

, Fangfä<strong>de</strong>n u. s. w. herabhängen — immer noch ein<br />

Zeichen, dass die betreffen<strong>de</strong> Form einen zusammengesetzten<br />

Thierstock 2 ) darstelle. In <strong>de</strong>m Gen. Physalia ist endlich<br />

<strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>re Theil <strong>de</strong>s gemeinschaftlichen Leibes, die Schwimmsäule<br />

mit ihren knorplichen Locomotionswerkzeugen vollkommen<br />

verloren 3 ) gegangen. Der ganze Körper ist (wie <strong>de</strong>r untere<br />

Theil bei Physophora) eine einfache grosse Blase, an<br />

welcher unten die einzelnen Thiere mit ihren Anhängen befestigt<br />

sind.<br />

Was die Velelli<strong>de</strong>n betrifft, so wissen wir über diese<br />

Thiere, in Bezug sowohl auf ihre Organisation, als auch auf<br />

ihre Entwicklung, noch viel zu wenig, als dass wir mit Sicherheit<br />

schon jetzt über ihre Stellung und ihre Verwandtschaften<br />

Etwas bestimmen könnten. Wenn die Angaben vonHoll ard 4 )<br />

über <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>rselben sich bestätigen sollten, so scheint es<br />

mir sogar zweifelhaft, dass sie — wenn sie wirklich ausgebil<strong>de</strong>te<br />

Thiere sind — <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Coelenteraten angehören,<br />

obgleich auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite wie<strong>de</strong>rum sehr vieles<br />

1) Vergl. Philippi a. a. 0. Tab. V. Fig. 10.<br />

2) Schon Lainarck (1. c. T. III. p. 24) nennt die Stephanomia, die am nächsten<br />

<strong>de</strong>m Gen. Physophora verwandt ist, einen Thierstock, <strong>de</strong>ssen einzelne Indivi­<br />

duen von <strong>de</strong>n Saugröhren mit ihren Anhängen gebil<strong>de</strong>t wür<strong>de</strong>n. Achnliehe An­<br />

sichten sind auch bereits von Delle Chiaje, Milne Edwards u. A. über<br />

einzelne Physophori<strong>de</strong>n ausgesprochen.<br />

3) Das Gen. Rhizophysa Per., wo ebenfalls die Schwimmglocken fehlen sollen,<br />

scheint mir sehr dubiös. Man braucht nur die von Eschsch oltz gegebene<br />

Abbildung <strong>de</strong>r Rh. Peronii (a. a. 0. Tab. XIII. Fig. 3.) zu vergleichen mit<br />

einem einfachen, von <strong>de</strong>m gemeinschaftlichen Stamm einer Stephanomia ge­<br />

trennten Thier (Milne Edwards in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1841. Vol.<br />

XVI. PI. IX. Fig. 2.), um die fast ganz vollkommne Uebereinstimmung zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n augenblicklich zu ei-kennen.<br />

4) Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1842. T. III. p. 248.


31<br />

für eine solche Annahme und beson<strong>de</strong>rs für eine Verwandt­<br />

schaft mit <strong>de</strong>n Physophori<strong>de</strong>n zu sprechen scheint. Spätere<br />

sorgfältige Untersuchungen müssen darüber entschei<strong>de</strong>n.<br />

Keliiuoilcriuata.<br />

Die Stachelhäuter o<strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen, die zuerst J ) von<br />

Cuvier in ihrem gegenseitigen Zusammenhang erkannt wur­<br />

<strong>de</strong>n und nach <strong>de</strong>r Meinung dieses grossen Zoologen in <strong>de</strong>r<br />

Abtheilung <strong>de</strong>r Strahlthiere eine <strong>de</strong>n Polypen, Akalephen und<br />

Helminthen gleichstehen<strong>de</strong> Klasse bil<strong>de</strong>n, sind ebenfalls, wie<br />

es mir scheint, die Repräsentanten eines eigenen bestimmten<br />

Typus in <strong>de</strong>r formenreichen Welt <strong>de</strong>r wirbellosen Thiere 2 ).<br />

Wie die Coelenteraten, die Würmer, Arthropo<strong>de</strong>n, Mollusken<br />

und Wirbelthiere müssen auch sie nach meiner Ansicht als<br />

eine zusammenhängen<strong>de</strong>, mehrfach geglie<strong>de</strong>rte Hauptabtei­<br />

lung unter <strong>de</strong>n animalischen Formen betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Mit <strong>de</strong>n Coelenteraten, <strong>de</strong>nen auf <strong>de</strong>r einen Seite sie<br />

angrenzen, theilen sie <strong>de</strong>n eigenthümlichen strahligen Bau<br />

<strong>de</strong>s Körpers, <strong>de</strong>r aber in ihnen theils durch das Vorherrschen<br />

<strong>de</strong>r Fünfzahl (statt <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Coelenteraten gewöhnlichen<br />

Vierzahl) sich auszeichnet, theils auch schon manchfache<br />

grössere Schwankungen zeigt, als jemals dort es <strong>de</strong>r Fall ist.<br />

In Uebereinstimmung mit <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>s Körpers liegt auch<br />

bei <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen <strong>de</strong>r Mund am vor<strong>de</strong>m Pole <strong>de</strong>r cen­<br />

tralen Längsachse. Was aber die hieher gehören<strong>de</strong>n Thiere<br />

1) Linne rechnete alle Echino<strong>de</strong>rmen zu <strong>de</strong>n Mollusken, während 0. Fr. Müller<br />

die zu <strong>de</strong>nselben gehören<strong>de</strong>n hartschaligen Thiere (die Echini<strong>de</strong>n) davon trennte<br />

und mit <strong>de</strong>n Conchylien in <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Testacea vereinigte. Bruguieres<br />

(in <strong>de</strong>r Encyclop. melhod.) bil<strong>de</strong>te zuerst in <strong>de</strong>r Linne sehen Klasse <strong>de</strong>r Wür­<br />

mer eine eigene Ordnung <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmes , doch ist dieselbe keineswegs von<br />

gleichem Umfang mit <strong>de</strong>r gleichnamigen Cuvier sehen Gruppe. Sie umfasst<br />

nur die Echini<strong>de</strong>n und Ästen<strong>de</strong>n.<br />

2) Als selbstständige Hauptabtheilung sind die Echino<strong>de</strong>rmen u. A. auch bereits<br />

von Goldfuss und Meckel betrachtet wor<strong>de</strong>n.


32<br />

slreng von <strong>de</strong>n Coelenteraten abschei<strong>de</strong>t, ist beson<strong>de</strong>rs die<br />

Anordnung <strong>de</strong>s Verdauungsapparates. Ueberall fin<strong>de</strong>t sich<br />

ein ansehnlicher, von <strong>de</strong>r Leibeshöhle isolirter Darmkanal,<br />

<strong>de</strong>r bald hinten blind geschlossen ist, bald aber auch durch<br />

einen beson<strong>de</strong>rn After nach aussen fuhrt. In <strong>de</strong>r Regel<br />

liegt dieser, gegenüber <strong>de</strong>r Mundöffnung, am hintern En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Centralachse <strong>de</strong>s Leibes. Nicht selten aber zeigt er<br />

auch eine geringere o<strong>de</strong>r grössere Excentricität in seiner<br />

Lagerung. Schwerlich übrigens ist diese Abweichung von<br />

<strong>de</strong>r eigentlichen Norm, die <strong>de</strong>n manchfachen Asymmetrieen<br />

<strong>de</strong>r Thiere mit lateralem Typus ganz analog ist, in einer<br />

ursprünglichen Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n radiären Typus be­<br />

dingen<strong>de</strong>n Bildungsgesetze begrün<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn vielmehr bloss<br />

in einer spätem Modification <strong>de</strong>rselben durch an<strong>de</strong>rweitige<br />

morphologische Vorgänge 1 ); die Lagenumän<strong>de</strong>rung ist ohne<br />

Zweifel eine secundäre. Neben <strong>de</strong>m Darmkanal, <strong>de</strong>r seiner<br />

Länge nach durch ein Mesenterium in <strong>de</strong>r geräumigen, unge-<br />

theilten Leibeshöhle befestigt ist, fin<strong>de</strong>t sich überall noch ein<br />

beson<strong>de</strong>res Blutgefässsystem, das ebenfalls <strong>de</strong>n Coelenteraten<br />

fehlt und hier von <strong>de</strong>r Leibeshöhle vertreten wird. Seine An­<br />

ordnung, wie auch die <strong>de</strong>s Nervensystems und <strong>de</strong>s Genital­<br />

apparates 2 ), ist, <strong>de</strong>m Typus gemäss, eine radiäre. Nur in<br />

<strong>de</strong>n langgestreckten Formen <strong>de</strong>r Holothurien, die beson<strong>de</strong>rs<br />

durch die Sipunculi<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Würmern sich annähern, wird<br />

dieselbe, zum Theil wenigstens, verwischt und mit bestimm­<br />

ten, sonst nur <strong>de</strong>n Thieren mit seitlich symmetrischem Typus<br />

1) Bei <strong>de</strong>n Crinoi<strong>de</strong>en rührt z. B. diese Excentricität <strong>de</strong>s Afters wahrscheinlich<br />

daher, dass diese Thiere entwe<strong>de</strong>r beständig, o<strong>de</strong>r doch sehr lange auf einem<br />

Stiel, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Centralachse <strong>de</strong>s Körpers, <strong>de</strong>r Mundöffnung gegenüber aus­<br />

geht, angeheftet sind. Wenn bei <strong>de</strong>n Echininen, wo ebenfalls im Jugendzusland<br />

eine analoge Anheftung vorkommt, trotz<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r After central ist, so kann solches<br />

nur dadurch möglich wer<strong>de</strong>n, dass jene Anheflung noch vor <strong>de</strong>r Bildung<br />

eines Afters wie<strong>de</strong>r schwin<strong>de</strong>t.<br />

2) Ueber die morphologische Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Asymmetrie <strong>de</strong>r Geschlechtsdrüse<br />

von Holothuria sich aussprechen<strong>de</strong>n Verhältnisse vergl. man meine oben<br />

schon citirte Abhandlung über die Anatomie und Morphologie <strong>de</strong>r Geschlechtsorgane.<br />

S. 34.


33<br />

zukommen<strong>de</strong>n Verhältnissen combinirt i). Dieselbe laterale<br />

Anordnung zeigt sich bei /Jen Holothurien auch in <strong>de</strong>m Bau<br />

<strong>de</strong>r innern Kiemen.<br />

Wie wir oben für <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>s Nervensystems bei <strong>de</strong>n<br />

Coelenteraten eine bestimmte typische Uebereinstimmung angegeben<br />

haben, ebenso fin<strong>de</strong>n wir es auch bei <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen.<br />

In ihnen bil<strong>de</strong>n die Centrallheile dieses Apparates<br />

einen pentagonalen Ring, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n obern Theil <strong>de</strong>s Darmkanales<br />

umfasst und von seinen einzelnen Ecken die Hauptnervenstämme<br />

entsen<strong>de</strong>t.<br />

Wenngleich hierin nun eine neue Grundverschie<strong>de</strong>nheit<br />

<strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen von <strong>de</strong>n Coelenteraten sich ausspricht,<br />

so zeigen sich doch auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite auch wie<strong>de</strong>rum<br />

mancherlei Analogieen und Uebereinstimmungen. Dahin gehört<br />

beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen mit <strong>de</strong>n Anthozoen<br />

gemeinschaftliche Reichthum von Kalksalzen in <strong>de</strong>n äussern<br />

Be<strong>de</strong>ckungen. Nicht selten sind diese Salze in <strong>de</strong>n son<strong>de</strong>rbarsten<br />

Formen 2 ) abgelagert. Auch erhärten sie die Hülle <strong>de</strong>s Körpers<br />

gewöhnlich zu einem sehr festen Skelet mit manchfachen<br />

haken- o<strong>de</strong>r stachelförmigen Forlsätzen. Selbst die innern<br />

1) Schon bei <strong>de</strong>n Coelenteraten fin<strong>de</strong>n sich einzelne Spuren einer solchen bila­<br />

teralen Entwicklungsweise, doch hier ohne alle Störung <strong>de</strong>s radiären Typus.<br />

Agassiz, <strong>de</strong>r (Compt. vend. 1847. Nr. 19.) zue«-st hierauf aufmerksam gemacht<br />

hat, verweist auf die bei<strong>de</strong>n ansehnlichen einan<strong>de</strong>r gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />

Cardiacalwülste- im Magenschlauch <strong>de</strong>r Actinien (die ich in <strong>de</strong>n von Frey und<br />

m i r herausgegebenen Beiträgen S. 3 genau beschrieben habe). Auch die An­<br />

ordnung <strong>de</strong>r Fangfä<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>n Ctenophoren gehört hieher. — In<strong>de</strong>ssen schei­<br />

nen mir diese Verhältnisse bei <strong>de</strong>n Coelenteraten ohne Wi<strong>de</strong>rspruch mit <strong>de</strong>r typi­<br />

schen Form <strong>de</strong>s Leibes. Schon oben ist angeführt, dass in <strong>de</strong>m radialen Bau<br />

<strong>de</strong>s Körpers bei diesen Thieren die Vierzahl sehr allgemein sich ausspricht.<br />

Es wür<strong>de</strong> völlig hiermit im Einklang sein, wenn zwischen jenen paarigen gegen­<br />

überliegen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong>n je in <strong>de</strong>r Mitte noch ein entsprechen<strong>de</strong>r Theil sich ent­<br />

wickelt hätte. Dass <strong>de</strong>m aber nicht so ist, scheint mir eher auf einer Modiri-<br />

cation <strong>de</strong>s strahligen Baues zu beruhen, als auf einem Hineingreifen <strong>de</strong>r bilate­<br />

ralen Entwicklungsweise. In<strong>de</strong>ssen ist auch die Berechtigung einer Annahme,<br />

wie die letztere, nicht zu verkennen. Je<strong>de</strong>nfalls sehen wir aber aus <strong>de</strong>rartigen<br />

Anordnungen, wie leicht die morphologischen Verhältnisse <strong>de</strong>s strahligen Typus<br />

in die <strong>de</strong>r seitlichen Symmetrie übergehen können.<br />

2) Vergl. darüber beson<strong>de</strong>rs Frey a. a. 0.<br />

3


31<br />

Theile verkalken bisweilen. Um aber trotz<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen<br />

die Locomotion möglich zu machen , fin<strong>de</strong>n sich daneben<br />

zahlreiche contractile, in Längsreihen an <strong>de</strong>r Peripherie <strong>de</strong>s Leibes<br />

gruppirte FUsschen (ambulacra), die zum Anheften dienen<br />

und bei einer Contraction <strong>de</strong>n Körper hinter sich herziehen.<br />

Die manchfachen Verschie<strong>de</strong>nheiten, in <strong>de</strong>nen die äussere<br />

Form <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen auftritt, lassen auf dieselbe Weise,<br />

wie bei <strong>de</strong>n Coelenteraten, aus einer centralen Verlängerung<br />

o<strong>de</strong>r Depression l ) <strong>de</strong>r ursprünglichen (bei <strong>de</strong>n Cysli<strong>de</strong>en<br />

und Echinen persistiren<strong>de</strong>n) Kugelgestalt sich erklären.<br />

Was aber dabei die Echino<strong>de</strong>rmen vor <strong>de</strong>n Coelenteraten<br />

auszeichnet, ist die Ten<strong>de</strong>nz zur Bildung manchfalliger<br />

strahliger Fortsätze <strong>de</strong>s peripherischen Körperran<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r sogenannten<br />

Arme, die von <strong>de</strong>n Tentakeln <strong>de</strong>r Coelenteraten<br />

morphologisch streng unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müssen. Ihre<br />

Ausbildung bei <strong>de</strong>n einzelnen Echino<strong>de</strong>rmen ist übrigens<br />

sehr verschie<strong>de</strong>n. Von <strong>de</strong>n längsverlaufen<strong>de</strong>n Eirsten am<br />

Körper mancher Holothurien (<strong>de</strong>r pentagonalen Formen <strong>de</strong>s<br />

Gen. Pentacta) zu <strong>de</strong>n stumpfen Ecken mancher Ästen<strong>de</strong>n<br />

(<strong>de</strong>r zu Schweigger's Abtheilung Corpore angulato gehören<strong>de</strong>n<br />

Arten) und <strong>de</strong>n hohlen Armen <strong>de</strong>r Asteracanthienu. s. w.,<br />

von diesen zu <strong>de</strong>n soli<strong>de</strong>n, geglie<strong>de</strong>rten, hie und da sogar<br />

verzweigten Armen <strong>de</strong>r Ophiuren und Crinoi<strong>de</strong>en ist ein<br />

allmähliger Uebergang. Es sind diese radienförmigen Arme<br />

unmittelbare Ausstrahlungen und Fortsetzungen <strong>de</strong>s Körpers<br />

(wie unter <strong>de</strong>n Scheibenquallen die lappenförmigen Forlsetzungen<br />

<strong>de</strong>s Leibes bei <strong>de</strong>m Gen. Ephyra), die aus jenem im<br />

Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung erst allmählig 2 ) hervorwachsen, nicht<br />

1) Auch hier hat man wohl — ganz wie bei <strong>de</strong>n Coelenteraten — umgekehrt die<br />

Kugelgestalt von Echinus aus <strong>de</strong>r platten Form <strong>de</strong>r Asteri<strong>de</strong>n durch die An­<br />

nahme ableiten wollen, dass die Arme <strong>de</strong>r letztern nach hinten umgebogen und<br />

zusammengewachsen wären. Was aber sollte hierbei aus <strong>de</strong>m umschlossenen<br />

hohlen Raum gewor<strong>de</strong>n sein? Ueberdiess zeigt uns die Entwicklungsgeschichte<br />

<strong>de</strong>r Asteri<strong>de</strong>n, in vielen Fällen wenigstens, wirklich eine allmählige Zusammen­<br />

drückung in <strong>de</strong>r Centralachse <strong>de</strong>s ursprünglich kugligen Körpers.<br />

2) Bei <strong>de</strong>n Ophiuren (auch <strong>de</strong>n Crinoi<strong>de</strong>en?) scheint nach <strong>de</strong>n Beobachtungen von<br />

Müller die Bildung dieser Arme viel früher vor sich zu gehen, als bei <strong>de</strong>n


35<br />

aber beson<strong>de</strong>re selbstständige Anhänge, wie die Tentakel <strong>de</strong>r<br />

Coelenteraten, die in analoger Weise auch bei <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen<br />

vorkommen und hier in <strong>de</strong>n sogenannten äussern<br />

Kiemen <strong>de</strong>r Echinen und Holothurien im Umkreis <strong>de</strong>r Mundöffnung<br />

sich wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n.<br />

Die Mehrzahl <strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r sogenannten Crinoi<strong>de</strong>en<br />

gehören<strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen ist mittelst eines kalkigen<br />

Stieles angeheftet, <strong>de</strong>r vom hintern Pole <strong>de</strong>s Körpers,<br />

<strong>de</strong>r Mundöffnung gegenüber, ausgeht. Die übrigen Echino<strong>de</strong>rmen<br />

sind frei, doch gewöhnlich nicht in allen Stadien<br />

ihres Lebens. In ihren Jugendzustän<strong>de</strong>n sind sie vielmehr<br />

meistens auf eine ganz analoge Weise befestigt. So die Comatulen<br />

(nach Thompson 1 ), <strong>de</strong>r anfänglich die unentwickelten<br />

Formen <strong>de</strong>r C. mediterranea als Pentacrinus europaeus beschrieb),<br />

so auch die Echinen (nach Dufosse 2 )). Das Rudiment<br />

<strong>de</strong>s zur Anheftung dienen<strong>de</strong>n Stiels ist bei <strong>de</strong>n Comatulen<br />

<strong>de</strong>r sogenannte Knopf, bei <strong>de</strong>n Echinen die Madreporenplatte.<br />

Da die letztere übrigens ebenfalls <strong>de</strong>n Asterien<br />

(so wie unter <strong>de</strong>n Ophiuren 3 ) <strong>de</strong>m Gen. Euryale) zukommt, so<br />

wird hierdurch schon von vorn herein wahrscheinlich, dass<br />

auch diese in ihrer Jugend angeheftet seien. Wirklich ist <strong>de</strong>m<br />

so, wie uns die Beobachtungen von Sars 4 ) gezeigt haben, die<br />

zusammen mit <strong>de</strong>n inlerressanten Ent<strong>de</strong>ckungen von J. Müller<br />

5 ) über die Entwicklung <strong>de</strong>r Ophiuren manche auffallen<strong>de</strong>n<br />

Resultate für die Morphologie dieser Thiere und ihre<br />

Relation zu <strong>de</strong>n vorhin betrachteten Formen ergeben.<br />

eigentlichen Asteri<strong>de</strong>n. In diesem Umstand liegt vielleicht <strong>de</strong>r Grund, dass in<br />

sie nicht, wie es sonst <strong>de</strong>r Fall ist, die Leibeshöhle sich hineinerstreckt, und<br />

dass in Folge hiervon auch eine abweichen<strong>de</strong> Entwicklung <strong>de</strong>rselben, beson<strong>de</strong>rs<br />

so weit solche die Bildung <strong>de</strong>s kalkigen Skelets betrifft, stattfin<strong>de</strong>n kann.<br />

1) New Edinb. Philos. Journ. 1836. p. 296.<br />

2) Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1847. T. Vtt p. 44.<br />

3) Dass übrigens, wie Müller und Troschel (System <strong>de</strong>r Asteri<strong>de</strong>n. S. 4.) «'er-<br />

muthen, <strong>de</strong>r sogenannte Umbo <strong>de</strong>r übrigen Ophiuren als Analogon <strong>de</strong>r Madre-<br />

porenplatte zu <strong>de</strong>uten sei, scheint nach <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Thiere<br />

sehr zweifelhaft.<br />

4) Wiegmann's Arch. 1844. I. S. 169. und Fauna littoral. p. 47.<br />

5) Müller's Archiv. 1847. S. 157.<br />

3*


3t<br />

Theile verkalken bisweilen. Um aber trotz<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen<br />

die Locomolion möglich zu machen , fin<strong>de</strong>n sich daneben<br />

zahlreiche contractile, in Längsreihen an <strong>de</strong>r Peripherie <strong>de</strong>s Leibes<br />

gruppirte Füsschen (ambulacra), die zum Anheften dienen<br />

und bei einer Contraction <strong>de</strong>n Körper hinler sich herziehen.<br />

Die manchfachen Verschie<strong>de</strong>nheiten, in <strong>de</strong>nen die äussere<br />

Form <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen auftritt, lassen auf dieselbe Weise,<br />

wie bei <strong>de</strong>n Coelenteraten, aus einer centralen Verlängerung<br />

o<strong>de</strong>r Depression ! ) <strong>de</strong>r ursprünglichen (bei <strong>de</strong>n Cysti<strong>de</strong>en<br />

und Echinen persistiren<strong>de</strong>n) Kugelgestalt sich erklären.<br />

Was aber dabei die Echino<strong>de</strong>rmen vor <strong>de</strong>n Coelenteraten<br />

auszeichnet, ist die Ten<strong>de</strong>nz zur Bildung manchfalliger<br />

strahliger Forlsätze <strong>de</strong>s peripherischen Körperran<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r sogenannten<br />

Arme, die von <strong>de</strong>n Tentakeln <strong>de</strong>r Coelenteraten<br />

morphologisch streng unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müssen. Ihre<br />

Ausbildung bei <strong>de</strong>n einzelnen Echino<strong>de</strong>rmen ist übrigens<br />

sehr verschie<strong>de</strong>n. Von <strong>de</strong>n längsverlaufen<strong>de</strong>n Firsten am<br />

Körper mancher Holothurien (<strong>de</strong>r pentagonalen Formen <strong>de</strong>s<br />

Gen. Pentacta) zu <strong>de</strong>n stumpfen Ecken mancher Asteri<strong>de</strong>n<br />

(<strong>de</strong>r zu Schweigger's Abtheilung Corpore angulato gehören<strong>de</strong>n<br />

Arten) und <strong>de</strong>n hohlen Armen <strong>de</strong>r Asleracanthienu. s.w.,<br />

von diesen zu <strong>de</strong>n soli<strong>de</strong>n, geglie<strong>de</strong>rten, hie und da sogar<br />

verzweigten Armen <strong>de</strong>r Ophiuren und Crinoi<strong>de</strong>en ist ein<br />

allmähliger Uebergang. Es sind diese radienförmigen Arme<br />

unmittelbare Ausstrahlungen und Fortsetzungen <strong>de</strong>s Körpers<br />

(wie unter <strong>de</strong>n Scheibenquallen die lappenförmigen Fortsetzungen<br />

<strong>de</strong>s Leibes bei <strong>de</strong>m Gen. Ephyra), die aus jenem im<br />

Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung erst allmählig 2 ) hervorwachsen, nicht<br />

1) Auch hier hat man wohl — ganz wie bei <strong>de</strong>n Coelenteraten — umgekehrt die<br />

Kugelgestalt von Echinus aus <strong>de</strong>r platten Form <strong>de</strong>r Asteri<strong>de</strong>n durch die An­<br />

nahme ableiten wollen, dass die Arme <strong>de</strong>r letztern nach hinten umgebogen und<br />

zusammengewachsen wären. Was aber sollte hierbei aus <strong>de</strong>m umschlossenen<br />

hohlen Raum gewor<strong>de</strong>n sein? Ueberdiess zeigt uns die Entwicklungsgeschichte<br />

<strong>de</strong>r Asteri<strong>de</strong>n, in vielen Fällen wenigstens, wirklich eine allmählige Zusammen­<br />

drückung in <strong>de</strong>r Centralachse <strong>de</strong>s ursprünglich kugligen Körpers.<br />

2) Bei <strong>de</strong>n Ophiuren (auch <strong>de</strong>n Crinoi<strong>de</strong>en?) scheint nach <strong>de</strong>n Beobachtungen von<br />

Müller die Bildung dieser Arme viel früher vor sich zu gehen, als bei <strong>de</strong>n


35<br />

aber beson<strong>de</strong>re selbstständige Anhänge, wie die Tentakel <strong>de</strong>r<br />

Coelenteraten, die in analoger Weise auch bei <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen<br />

vorkommen und hier in <strong>de</strong>n sogenannten äussern<br />

Kiemen <strong>de</strong>r Echinen und Holothurien im Umkreis <strong>de</strong>r Mundöffnung<br />

sich wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n.<br />

Die Mehrzahl <strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r sogenannten Crinoi<strong>de</strong>en<br />

gehören<strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen ist mittelst eines kalkigen<br />

Stieles angeheftet, <strong>de</strong>r vom hintern Pole <strong>de</strong>s Körpers,<br />

<strong>de</strong>r Mundöffnung gegenüber, ausgeht. Die übrigen Echino<strong>de</strong>rmen<br />

sind frei, doch gewöhnlich nicht in allen Stadien<br />

ihres Lebens. In ihren Jugendzustän<strong>de</strong>n sind sie vielmehr<br />

meistens auf eine ganz analoge Weise befestigt. So die Comatulen<br />

(nach Thompson 1 ), <strong>de</strong>r anfänglich die unentwickelten<br />

Formen <strong>de</strong>r C. mediterranea als Pentacrinus europaeus beschrieb),<br />

so auch die Echinen (nach Dufosse 2 )). Das Rudiment<br />

<strong>de</strong>s zur Anheftung dienen<strong>de</strong>n Stiels ist bei <strong>de</strong>n Comatulen<br />

<strong>de</strong>r sogenannte Knopf, bei <strong>de</strong>n Echinen die Madreporenplatte.<br />

Da die letztere übrigens ebenfalls <strong>de</strong>n Asterien<br />

(so wie unter <strong>de</strong>n Ophiuren 3 ) <strong>de</strong>m Gen. Euryale) zukommt, so<br />

wird hierdurch schon von vorn herein wahrscheinlich, dass<br />

auch diese in ihrer Jugend angeheftet seien. Wirklich ist <strong>de</strong>m<br />

so, wie uns die Beobachtungen von Sars*) gezeigt haben, die<br />

zusammen mit <strong>de</strong>n interressanten Ent<strong>de</strong>ckungen von J. Müller<br />

5 ) über die Entwicklung <strong>de</strong>r Ophiuren manche auffallen<strong>de</strong>n<br />

Resultate für die Morphologie dieser Thiere und ihre<br />

Relation zu <strong>de</strong>n vorhin betrachteten Formen ergeben.<br />

eigentlichen Asteri<strong>de</strong>n. In diesem Umstand liegt vielleicht <strong>de</strong>r Grund, dass in<br />

sie nicht, wie es sonst <strong>de</strong>r Fall ist, die Leibeshöhle sich hineinerstreckt, und<br />

dass in Folge hiervon auch eine abweichen<strong>de</strong> Entwicklung <strong>de</strong>rselben, beson<strong>de</strong>rs<br />

so weit solche die Bildung <strong>de</strong>s kalkigen Skelets betrifft, stattfin<strong>de</strong>n kann.<br />

I) New Edinb. Philos. Journ. 1836. p. 296.<br />

2) Anna!, <strong>de</strong>s scienc. nat. 1847. T. VII. p. 44.<br />

3) Dass übrigens, wie Müller und Troschel (System <strong>de</strong>r Asteri<strong>de</strong>n. S. 4.) vermuthen,<br />

<strong>de</strong>r sogenannte Umbo <strong>de</strong>r übrigen Ophiuren als Analogon <strong>de</strong>r Madreporenplatte<br />

zu <strong>de</strong>uten sei, scheint nach <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Thiere<br />

sehr zweifelhaft.<br />

4) Wiegmann's Arch. 1844. I. S. 169. und Fauna littoral. p. 47.<br />

5) Müller's Archiv. 1847. S. 157.<br />

3*


30<br />

Die Untersuchungen, welche <strong>de</strong>r Erstere an Asteracanthion<br />

Mülleri und Echinaster Sarsii (sanguinolentus S.) angestellt<br />

hat, zeigen nämlich, dass die Embryonen dieser Asterien,<br />

nach<strong>de</strong>m sie als infusorienartige Geschöpfe von ovaler Gestalt<br />

(ganz wie die Embryonen <strong>de</strong>r Coelenteraten, Echinen,<br />

aber auch <strong>de</strong>r Anneli<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>rer wirbelloser Thiere)<br />

eine Zeitlang durch die Hülfe eines äussern Flimmerüberzugs<br />

frei sich bewegt haben, an <strong>de</strong>m einen En<strong>de</strong> ihres Körpers<br />

allmählig vier von einer gemeinschaftlichen Stelle ausgeben<strong>de</strong><br />

warzenartige Fortsätze bekommen, mittelst <strong>de</strong>ren sie sich<br />

festsetzen, wie die Echini<strong>de</strong>n und die meisten Coelenteraten<br />

(schwerlich wohl alle, da die sogenannten Röhrenquallen<br />

wahrscheinlich slels frei bleiben). Unstreitig ist die <strong>de</strong>m<br />

Ansatzpunkte entsprechen<strong>de</strong> Stelle dieselbe, wie bei jenen<br />

Formen, <strong>de</strong>r hintere Körperpol also und die davon ausgehen<strong>de</strong><br />

senkrechte Achse die Längsachse <strong>de</strong>s Thieres, die mit<br />

<strong>de</strong>r Centralachse <strong>de</strong>r Echinen, Crinoi<strong>de</strong>en u. s. w. zusammenfällt.<br />

Nun aber beginnt die Abplattung <strong>de</strong>s Körpers bei <strong>de</strong>n<br />

Embryonen jener Asterien auffallen<strong>de</strong>r Weise nicht in dieser<br />

Längsachse, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>n Seiten, so dass die Centralachse<br />

<strong>de</strong>s ausgebil<strong>de</strong>ten Thiers nicht, wie sonst es <strong>de</strong>r Fall ist,<br />

mit <strong>de</strong>r eigentlichen Längsachse congruirt, son<strong>de</strong>rn dieselbe<br />

unter einem rechten Winkel schnei<strong>de</strong>t. Die Längsachse <strong>de</strong>s<br />

Körpers geht bei <strong>de</strong>n ausgebil<strong>de</strong>ten Asterien also in gera<strong>de</strong>r<br />

Richtung durch die Madreporenplatte, die, wie gesagt, <strong>de</strong>m<br />

ursprünglichen Anheftungspunkt entspricht, und <strong>de</strong>n Mittelpunkt<br />

<strong>de</strong>r Scheibe. Auf eine überraschen<strong>de</strong> Weise fin<strong>de</strong>t<br />

somit die scharfsinnige Vermuthung von Agassiz über die<br />

laterale Symmetrie <strong>de</strong>r Asteri<strong>de</strong>n, über das wirkliche Vorhan<strong>de</strong>nsein<br />

eines vor<strong>de</strong>m und hintern (von <strong>de</strong>r Centralachse<br />

abweichen<strong>de</strong>n) En<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r Entwicklungsgeschichte ihre Bestätigung.<br />

Von Neuem aber ist aus solchen Verhältnissen zu<br />

ersehen, wie ein bestimmter Plan in <strong>de</strong>r Organisation, selbst<br />

unter verän<strong>de</strong>rten Bedingungen, kann realisirt wer<strong>de</strong>n. Trotz<br />

<strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n Richtung entwickelt sich <strong>de</strong>r Körper <strong>de</strong>r<br />

Asterien vollkommen nach <strong>de</strong>n Gesetzen <strong>de</strong>s radiären Typus.


37<br />

Wenngleich nun die Beobachtungen von Sars eine solche<br />

merkwürdige Differenz zwischen <strong>de</strong>r Längs- und Centralachse<br />

<strong>de</strong>s Körpers in <strong>de</strong>r eben angegebenen Art bei <strong>de</strong>n Asterien<br />

mit Evi<strong>de</strong>nz nachweisen, so bedarf <strong>de</strong>nnoch dieses Verhalten<br />

<strong>de</strong>r nähern Beachtung und <strong>de</strong>s Verständnisses, um so mehr,<br />

als sich in <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen, wie es scheint,<br />

auch sonst noch manchfache sehr abweichen<strong>de</strong> Verhältnisse<br />

vorfin<strong>de</strong>n. So ent<strong>de</strong>ckte Müller, dass die Ophiuren und einige<br />

armlose stachelhäutige Echino<strong>de</strong>rmen, die er Anfangs für<br />

Echinen hielt, die aber wahrscheinlich — da bei diesen eine<br />

an<strong>de</strong>re Entwicklungsart beobachtet ist — als Spatangi<strong>de</strong>n<br />

sich erweisen möchten, nicht einfach durch eine allmählige<br />

Metamorphose aus <strong>de</strong>r Dottermasse <strong>de</strong>s Eies sich hervorbil<strong>de</strong>n,<br />

son<strong>de</strong>rn einem höchst auffallen<strong>de</strong>n Generationswechsel<br />

unterworfen sind. Die Embryonen <strong>de</strong>rselben wer<strong>de</strong>n nämlich<br />

wie eine Stickerei in einem Rahmen, eben so im Innern eines<br />

son<strong>de</strong>rbaren gestellartigen Ammenthieres (Pluteus paradoxus)<br />

gebil<strong>de</strong>t, das aus vier unter sich verbun<strong>de</strong>nen skeletarligen<br />

und mit einem hautartigen Ueberzug versehenen Längssläbchen<br />

besieht, einen Magen mit (excentrischer) Mundöffnung<br />

hat und äusserlich von einem Flimmerüberzug be<strong>de</strong>ckt ist,<br />

mit <strong>de</strong>ssen Hülfe es frei umherschwimmt. Die relative Lage<br />

<strong>de</strong>s Embryo zu diesem Ammenthiere ist ähnlich, wie die<br />

jener jungen Asteri<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n oben erwähnten Anheftungsgebil<strong>de</strong>n.<br />

Ueberhaupt scheint mir die Analogie dieser Theile<br />

mit jenem Ammenthiere so gross, dass ich die Vermulhung<br />

nicht unterdrücken kann, es möchten bei<strong>de</strong> nach ihrer morphologischen<br />

Be<strong>de</strong>utung übereinstimmen. Der Unterschied<br />

zwischen ihnen wür<strong>de</strong> dann allein in <strong>de</strong>r relativ sehr verschie<strong>de</strong>nen<br />

Entwicklung bestehen und sich darauf reduciren,<br />

dass bei <strong>de</strong>n Asteri<strong>de</strong>n jener Apparat zugleich mit <strong>de</strong>m<br />

Embryo, gewissermassen als ein blosser Anhang <strong>de</strong>sselben,<br />

aus <strong>de</strong>r Dottermasse gebil<strong>de</strong>t wird, während er im an<strong>de</strong>rn<br />

Fall allein aus <strong>de</strong>r Metamorphose <strong>de</strong>s Dotters hervorgeht und<br />

sich <strong>de</strong>nn auch darum zu einem selbstständigen, frei beweglichen<br />

Thier entwickeln kann. Dass übrigens auch sonst


38<br />

bisweilen jener Apparat nicht zum Anheften dient und auf<br />

abweichen<strong>de</strong> Weise eine beträchtliche Grösse erreichen kann,<br />

zeigt die neuerlich durch Koren und Danielssen bestätigte<br />

1 ) Ent<strong>de</strong>ckung 2 ) von Sars, dass das früher von<br />

ihm als Bipinnaria asterigera beschriebene Geschöpf nur ein<br />

sich entwickeln<strong>de</strong>r und mit einem grossen Schwimmapparat<br />

versehener Seestern sei.<br />

Sehr ist es zu bedauern, dass unsere <strong>de</strong>rmalige Kenntniss<br />

von <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen nicht umfassen<strong>de</strong>r<br />

ist, dass wir beson<strong>de</strong>rs über die Holothurien noch Nichts<br />

weiter wissen, als dass dieselben jung von <strong>de</strong>r Grösse eines<br />

Gerstenkorns und einer weisslichen Ma<strong>de</strong> ähnlich seien 3 ). Gewiss<br />

wird eine spätere Untersuchung hier noch mancherlei<br />

höchst wichtige Aufschlüsse über die Morphologie und <strong>de</strong>n<br />

Zusammenhang <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Gruppen uns liefern.<br />

Was die Systematik <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen betrifft, so theilte<br />

Cuvier dieselben bekanntlich nach <strong>de</strong>m Vorhan<strong>de</strong>nsein<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Mangel <strong>de</strong>r Ambulacra in Echino<strong>de</strong>rmata pedicellata<br />

(mit <strong>de</strong>n Familien <strong>de</strong>r Asteri<strong>de</strong>n, Echini<strong>de</strong>n und Holothurien)<br />

und in Echino<strong>de</strong>rmata apoda (mit <strong>de</strong>n Sipunculi<strong>de</strong>n).<br />

In<strong>de</strong>ssen haben die Gebil<strong>de</strong>, auf <strong>de</strong>ren Beschaffenheit diese<br />

Eintheilung sich stützt, offenbar eine viel zu geringe typische<br />

Be<strong>de</strong>utung, als dass sie <strong>de</strong>n übrigen durchgreifen<strong>de</strong>m und<br />

wichtigern Organisationsverhältnissen, die in <strong>de</strong>r anatomischen<br />

Anordnung <strong>de</strong>r Eingewei<strong>de</strong> und <strong>de</strong>s Skelets sich aussprechen,<br />

könnten vorgesetzt wer<strong>de</strong>n. Viel beachtenswerther ist in dieser<br />

Hinsicht die Anordnung von Latreille, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n eigentlichen<br />

Echino<strong>de</strong>rmen (<strong>de</strong>n Asterien, Echini<strong>de</strong>n und Crinoi<strong>de</strong>n)<br />

als beson<strong>de</strong>re Gruppe die Holothurien (Scuto<strong>de</strong>rma Schulz,<br />

Scyto<strong>de</strong>rmata Brmstr.) abtrennte und aus bei<strong>de</strong>n in Verbindung<br />

mit <strong>de</strong>n Tunicaten seine <strong>de</strong>n Phytodaceen gleichstehen<strong>de</strong><br />

Klasse <strong>de</strong>r Actinozoa schuf. Wie unnatürlich aber die Vereini-<br />

1) Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1847. T. VII. p. 348.<br />

2) A. a. 0. S. 176.<br />

3) Vergl. Dalyell in Froriep's N. N. Nr. 331. S. 2.


39<br />

gung <strong>de</strong>r Tunicaten mit <strong>de</strong>n Cuvierschen Echino<strong>de</strong>rmen sei,<br />

leuchtet leicht ein. Auch hat wohl niemals diese Vereinigung<br />

einigen Beifall gefun<strong>de</strong>n, während die erstem bei<strong>de</strong>n von L atreille<br />

aufgestellten Ordnungen sonst manchfach, wie beson<strong>de</strong>rs<br />

von Bur meist er 1 ), in <strong>de</strong>m gleichen Umfang angenommen<br />

sind. Lei<strong>de</strong>r aber wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>m letztem mit diesen bei<strong>de</strong>n<br />

Ordnungen noch die Akalephen (nach <strong>de</strong>m Vorgang von<br />

Lamarck) verbun<strong>de</strong>n, die unstreitig, wie ich glaube nachgewiesen<br />

zu haben, mit <strong>de</strong>m Polypen zusammengehören.<br />

Nach einem an<strong>de</strong>rn Eintheilungsprincip, nach <strong>de</strong>r Verschie<strong>de</strong>nheil<br />

<strong>de</strong>r äussern Form, bil<strong>de</strong>te Lamarck aus <strong>de</strong>r<br />

Abtheilung <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen die Ordnungen <strong>de</strong>r Stellen<strong>de</strong>n<br />

(Asteri<strong>de</strong>n), Echini<strong>de</strong>n und Fistuli<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>nen die letztere,<br />

wie schon oben erwähnt wur<strong>de</strong>, neben <strong>de</strong>n Holothurien<br />

und Sipunculi<strong>de</strong>n auch die Actinien enthielt. Die Crinoi<strong>de</strong>en,<br />

die von Cuvier unter die Asteri<strong>de</strong>n gestellt waren, trennte<br />

Lamarck völlig von <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen, um sie — mit Ausnahme<br />

von Comatula s. Alecto, die bei <strong>de</strong>n Asteri<strong>de</strong>n verblieb<br />

2 ) — <strong>de</strong>n Polypen, und zwar <strong>de</strong>n Halopteri<strong>de</strong>n, anzureihen;<br />

ein Verfahren, welches übrigens jetzt, wo wir durch<br />

Miller 3 ) und beson<strong>de</strong>rs durch J. Müller 4 ) die Organisation<br />

dieser Thiere näher kennen gelernt haben, kaum noch<br />

eine beson<strong>de</strong>re Wi<strong>de</strong>rlegung verdient. Eben dieselben Untersuchungen<br />

aber haben uns gezeigt, dass die Crinoi<strong>de</strong>en keineswegs<br />

mit <strong>de</strong>n Asteri<strong>de</strong>n vereinigt wer<strong>de</strong>n dürfen, dass<br />

sie vielmehr eine beson<strong>de</strong>re, u. a. durch fundamentale Unterschie<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>r Skeletbildung ausgezeichnete Gruppe bil<strong>de</strong>n.<br />

Somit wären <strong>de</strong>nn die Cuvierschen Echino<strong>de</strong>rmen in<br />

vier, o<strong>de</strong>r, wenn man, wie es beson<strong>de</strong>rs in neuerer Zeit<br />

mehrfach geschehen ist, noch die Ech. apoda (Sipunculacea<br />

1) Handbuch <strong>de</strong>r Naturgesch. S. 465.<br />

2) Linne hatte ganz auf dieselbe Weise die ungestielten Crinoi<strong>de</strong>en (als Aslcrias<br />

multiradiata und pectinata) zu <strong>de</strong>n Asterien, die gestielten (als Isis Asteria r=<br />

Pentacrinus Caput Medusae und Encrinitcs liliiformis) zu <strong>de</strong>n Polypen gestellt.<br />

3) Natural Hist. of the Crinoi<strong>de</strong>a Bristol. 1821.<br />

4) Ueber <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>s Pentacrinus Caput Medusae. Berlin. 1843.


40<br />

Brdt., Gephyrea <strong>de</strong> Quatref.) als eine beson<strong>de</strong>re Gruppe<br />

betrachtet, in fünf Ordnungen zerfällt, die von vielen Zoologen<br />

auch wirklich als natürlich und gleichwertbig neben einan<strong>de</strong>r<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n. Mögen diese Gruppen nun übrigens<br />

auch, was ich gern zugebe, natürlich sein, gl ei ch werth i g<br />

sind sie nach meiner Meinung schwerlich.<br />

Zuerst müssen, wie bereits Streubel es vorgeschlagen<br />

>) hat, die Asteri<strong>de</strong>n und Echini<strong>de</strong>n mit einan<strong>de</strong>r zu einer<br />

gemeinschaftlichen grössern Abtheilung vereinigt wer<strong>de</strong>n. Die<br />

sehr nahe Verwandtschaft <strong>de</strong>rselben beweist schon die Entwicklungsgeschichte.<br />

In ihren frühesten Stadien zeigen Asterien<br />

und Echinen, so wie beson<strong>de</strong>rs Ophiuren und Spatangi<strong>de</strong>n<br />

eine sehr auffallen<strong>de</strong> Analogie. Die erstem sind, wie erwähnt,<br />

mit Hülfe eines beson<strong>de</strong>rn stielförmigen Apparates angeheftet,<br />

während bei <strong>de</strong>n letztern die merkwürdigen Ammen und die<br />

ersten Embryonalformen <strong>de</strong>r bleiben<strong>de</strong>n Thiere vollkommen<br />

übereinstimmen. Die spätem in <strong>de</strong>r Entwicklung auftreten<strong>de</strong>n<br />

Differenzen gehören je in <strong>de</strong>n speciellen Plan <strong>de</strong>r einen<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Gruppe dieser Abtheilung. Selbst <strong>de</strong>r Umstand,<br />

dass, wie wir oben angeführt haben, bei <strong>de</strong>n Asterien eine<br />

Aen<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Richtung <strong>de</strong>r Centralachse vorkommt, die<br />

<strong>de</strong>m radiären Typus gewissermassen als Angriffspunkt dient,<br />

kann uns von einer nähern Vereinigung <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n<br />

Thiere nicht abhalten. MUssten wir doch sonst auch wahrscheinlich<br />

die Spatangen aus <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Echini<strong>de</strong>n entfernen.<br />

Ueberdiess rechtfertigt auch die wesentliche Uebereinstimmung<br />

in <strong>de</strong>m anatomischen Verhalten <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Organe die Vereinigung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Gruppen in eine gemeinschaftliche<br />

grössere Abtheilung. Wir brauchen <strong>de</strong>n Körper<br />

eines Echinus in <strong>de</strong>r Richtung seiner Centralachse nur stark<br />

abgeplattet uns zu <strong>de</strong>nken, um einen stumpfeckigen Seestern<br />

V.u bekommen, mit entgegenstehen<strong>de</strong>r centraler Mund- und<br />

Afteröffnung, mit einem nach <strong>de</strong>n fünf Ecken ausstrahlen<strong>de</strong>n<br />

Nerven- und Gefässring, mit eben so radial gruppirtem Ge-<br />

1) Encyclop. von Ersch und Gruber. Art. Pcntacta.


II<br />

schlechtssystem- und Locomotionsapparate. Dass bei <strong>de</strong>n<br />

Asteri<strong>de</strong>n diese tentakelartigen Ambulacra nur auf <strong>de</strong>r obern<br />

Mundfläche sich befin<strong>de</strong>n, wie<strong>de</strong>rholt in analoger Weise sich<br />

auch bei <strong>de</strong>n Spatangen, wo dieselben auf die Rückenseite<br />

sich beschränken. Ganz gleichmässig fin<strong>de</strong>n sich Uberdiess<br />

bei Echini<strong>de</strong>n und Spatangi<strong>de</strong>n, und zwar nur bei<br />

ihnen, jene merkwürdigen Greifwerkzeuge, die Pedicellariei.<br />

Ebenso beschränkt auf bei<strong>de</strong> Gruppen sich ebenfalls das Vorkommen<br />

einer Madreporenplatte. Die in <strong>de</strong>m Skeletbau sich<br />

aussprechen<strong>de</strong>n Differenzen sind nicht grösser, als in <strong>de</strong>n<br />

einzelnen Ordnungen und Gruppen an<strong>de</strong>rer Klassen, wie z. B.<br />

<strong>de</strong>r Polypen, wo ebenfalls bald ein bloss äusseres, bald auch<br />

zugleich ein inneres Skeletsystem auftritt.<br />

Unnatürlich scheint mir bei <strong>de</strong>r oben angeführten Eintheilung<br />

<strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen in fünf gleichstehen<strong>de</strong> Ordnungen»<br />

auch noch die völlige Trennung <strong>de</strong>r Sipunculi<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n<br />

Holothurien. Allerdings lässt es sich nicht verkennen, dass<br />

in <strong>de</strong>n erstem dieser Thiere die radiäre Anordnung, die<br />

sonst so auffallend hervortritt, noch weiter schwin<strong>de</strong>t, als in<br />

<strong>de</strong>n letztem — wie sich beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>s Nervensystems<br />

ausspricht, welches fast ganz wie bei <strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n<br />

und Arthropo<strong>de</strong>n gebauet ist —, doch dieses, glaube ich,<br />

allein berechtigt uns noch nicht, die Sipunculi<strong>de</strong>n vollkommen<br />

von <strong>de</strong>n Holothurien zu trennen und sie wohl gar, wie es<br />

in neuerer Zeit mehrfach vorgeschlagen wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Würmern<br />

einzureihen. Immer noch bleiben manchfache sehr wichtige<br />

Annäherungen an die Holothurien. Das Vorkommen innerer<br />

Kiemensäcke (bei Echiurus und Thalassema) und eines Mesenteriums,<br />

die Lage <strong>de</strong>r Genitalien im Vor<strong>de</strong>rtheil <strong>de</strong>s Leibes<br />

sind Verhältnisse, welche die Sipunculi<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n echten<br />

Plololhurien theilen und welche zum Theil <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r<br />

Würmer völlig fremd sind. Dass bei <strong>de</strong>n Sipunculi<strong>de</strong>n die<br />

Ambulacra fehlen, darf man nicht allzu hoch anschlagen;<br />

auch bei Synapta wer<strong>de</strong>n sie vermisst, obgleich diese doch<br />

ohne Zweifel <strong>de</strong>n Holothurien zugehört. Ueberhaupt wird ja<br />

das Vorkommen solcher Locomotionsorganc allein durch die


42<br />

starre Beschaffenheit <strong>de</strong>r äussern Be<strong>de</strong>ckungen nothwendig.<br />

Wo dieses aufgehört hat, als ein förmliches Skelet zu erscheinen,<br />

wo die Körperhüllen weich und biegsam sind (wie<br />

eben bei Synapta und <strong>de</strong>n Sipunculi<strong>de</strong>n), da haben sie ihre<br />

Be<strong>de</strong>utung verloren und können fehlen.<br />

Die nach einer <strong>de</strong>rartigen Vereinigung <strong>de</strong>r Echini<strong>de</strong>n und<br />

Asteri<strong>de</strong>n einerseits, sowie <strong>de</strong>r Holothurien und Sipunculi<strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>rerseits entstehen<strong>de</strong>n drei grössern Gruppen <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen,<br />

die in gleicher Weise bereits von St reu bei aufgestellt<br />

wor<strong>de</strong>n sind, können wir, wie ich glaube, nach ihrer<br />

systematischen Be<strong>de</strong>utung als eben so viele Klassen betrachten,<br />

die <strong>de</strong>n Polypen und Akalephen in <strong>de</strong>r Abtheilung <strong>de</strong>r<br />

Coelenteraten gleichstehen und je wie<strong>de</strong>rum in einzelne Ordnungen<br />

zerfallen.<br />

Die erste dieser drei Klassen, für welche ich die Bezeichnung<br />

Pelmalozoa 1 ) vorschlagen möchte, begreift eine grosse<br />

Reihe vorweltlicher Formen, <strong>de</strong>ren wenige noch leben<strong>de</strong> Repräsentanten,<br />

wie einer unserer grossesten Geologen bemerkt,<br />

nur einen sehr traurigen Ueberrest von <strong>de</strong>r Pracht und <strong>de</strong>r<br />

Ausbreitung dieser herrlichen Geschöpfe in <strong>de</strong>n Meeren <strong>de</strong>r<br />

Vorwelt bil<strong>de</strong>n. Charakteristisch für die hieher gehören<strong>de</strong>n<br />

Echino<strong>de</strong>rmen ist es, dass sie zeitlebens o<strong>de</strong>r doch längere<br />

Zeit hindurch in <strong>de</strong>r Jugend gestielt sind und festsitzen. Wo,<br />

wie bei Comatula, im Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Stiel verloren<br />

geht, bleibt, als Rudiment, auf <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s Kelches<br />

das sogenannte Knöpfchen 2 ). In <strong>de</strong>r einen Ordnung dieser<br />

Klasse, in <strong>de</strong>n Cysti<strong>de</strong>en 3 ), die alle in <strong>de</strong>n ältesten Formationen<br />

unserer Erdoberfläche, in <strong>de</strong>n silurischen Schichten,<br />

begraben liegen, ist <strong>de</strong>r gestielte Körper von einfacher rund-<br />

1) Von TtsXpa, Stiel, und ?OJOZ>, Thier.<br />

2) Sehr eigenthümlich aber ist es, dass Holopus, wie Müller angiebt, nicht mit­<br />

telst eines beson<strong>de</strong>m Stieles, son<strong>de</strong>rn nur mit Hülfe dieses Knöpfchens festsitzt.<br />

Wahrscheinlich ist solches Verhältniss dahin zu <strong>de</strong>uten, dass bei diesem Thier<br />

<strong>de</strong>r Stiel beständig nur sehr kurz bleibt und an Länge das Knöpfchen von Comatula<br />

nicht übertrifft.<br />

3) Vergl. L. v. Buch: Ueber Cysti<strong>de</strong>en, in <strong>de</strong>n Abhandlungen <strong>de</strong>r Berl. Akad. vom<br />

Jahre 1844.


43<br />

licher o<strong>de</strong>r ovaler Form, während in <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Ordnung,<br />

welche die eigentlichen Crinoi<strong>de</strong>en umfasst, an <strong>de</strong>m obern<br />

peripherischen Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Kelches noch beson<strong>de</strong>re zahlreich<br />

geglie<strong>de</strong>rte Arme sich vorfin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Skeletstücke immer<br />

<strong>de</strong>m Perisom angehören und stets von <strong>de</strong>m dorsalen Pole<br />

ihren Ursprung nehmen.<br />

Die zweite Klasse <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen, die ich mit <strong>de</strong>m<br />

La treil leschen Namen <strong>de</strong>r Actinozoa bezeichen möchte,<br />

wird von zwei ganz entsprechen<strong>de</strong>n Ordnungen, von <strong>de</strong>n<br />

Echini<strong>de</strong>n und Asteri<strong>de</strong>n, zusammengesetzt. Die ersteren,<br />

die durch ihre rundliche Gestalt die schalige Form <strong>de</strong>r<br />

Gysti<strong>de</strong>enköpfe wie<strong>de</strong>rholen, von ihnen aber durch die Madreporenplatte<br />

und das Vorkommen beweglicher Stacheln<br />

sich unterschei<strong>de</strong>n, haben ein einfaches, durch Näthe unbeweglich<br />

zusammengefügtes Hautskelet. Die Asteri<strong>de</strong>n dagegen,<br />

die mit Armen versehen sind, wie die Crinoi<strong>de</strong>en, und<br />

mit einem platten, scheibenförmigen Körper, haben ausser<br />

einem min<strong>de</strong>r entwickelten Hautskelet auch noch ein beson<strong>de</strong>res<br />

inneres Skelet, welches, <strong>de</strong>n Armen entsprechend, aus<br />

mehrern gelenkig verbun<strong>de</strong>nen Reihen von Glie<strong>de</strong>rn besteht,<br />

die aber nie <strong>de</strong>m Perisom angehören und stets von <strong>de</strong>r<br />

Bauchseite <strong>de</strong>r Scheibe, und zwar vom Mun<strong>de</strong>, ausgehen.<br />

Die dritte Klasse, die <strong>de</strong>r Scylo<strong>de</strong>rmata Brmstr.,<br />

<strong>de</strong>ren Glie<strong>de</strong>r vorzugsweise durch die Lage und Anordnung<br />

<strong>de</strong>r Geschlechtsorgane und innern Kiemen, so wie durch die<br />

gestreckte cylindrische Form <strong>de</strong>s le<strong>de</strong>rartigen Körpers und<br />

die ansehnliche Entwicklung <strong>de</strong>r tentakelartigen Kopfanhänge l)<br />

sich auszeichnen, umfasst als Ordnungen die Holothuriae<br />

und Sipunculida. Die letztem zeigen theils eine längere,<br />

wurmförmige Gestalt, theils auch eine abweichen<strong>de</strong> Anordnung<br />

<strong>de</strong>s Nervensystems, an <strong>de</strong>m man einen Schlundring<br />

und einen mittlem Bauchstrang 2 ) unterschei<strong>de</strong>t. Ein <strong>de</strong>ut-<br />

1) Auch bei Priapulus stehen die merkwürdigen traubenförmigen Anhänge am Kopfen<strong>de</strong>.<br />

Vergl. Frey und Leuckart, Beiträge S 40.<br />

2) Um die Relation zu erkennen, in welcher diese Anordnung <strong>de</strong>s Nervensystemes<br />

mit <strong>de</strong>m bei <strong>de</strong>n Holothurien vorkommen<strong>de</strong>n Bau stehet, müssen wir daran uns


44<br />

licheres Hervortreten <strong>de</strong>r seitlichen Symmetrie, die in <strong>de</strong>n<br />

folgen<strong>de</strong>n Abtheilungen ihre mächtigste Ausbildung erlangt,<br />

lässt nicht mehr sich verkennen.<br />

Vermes.<br />

Bekanntlich hat schon Li nne' (wie früher bereits A ristoteles)<br />

in <strong>de</strong>r Reihe <strong>de</strong>r Thiere eine beson<strong>de</strong>re Klasse <strong>de</strong>r<br />

Würmer aufgestellt. In<strong>de</strong>ssen entspricht diese nach ihrem<br />

Umfang keineswegs <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Vermes, wie wir diese<br />

hier als eine typische Hauptabtheilung <strong>de</strong>r animalischen Formen<br />

hinstellen. Die LinnAschen Würmer umfassen mit<br />

Ausnahme <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n (Insecta Lin.) alle wirbellosen<br />

Geschöpfe.<br />

Eine grössere Uebereinstimmung mit unserer Abtheilung<br />

erinnern, dass bei <strong>de</strong>n letzterwähnten Formen, ganz wie bei <strong>de</strong>n übrigen Echi­<br />

no<strong>de</strong>rmen, ein Schlundring mit fünf davon ausstrahlen<strong>de</strong>n Nervensträngen vor­<br />

kommt, die alle, wie die gleichmässige Entwicklung <strong>de</strong>r peripherischen Theile<br />

es verlangt, dieselbe Anordnung darbieten. Von diesen Nervenstämmen nun ist<br />

bei <strong>de</strong>n Sipunculi<strong>de</strong>n nur ein einziger, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Bauches ver­<br />

läuft, geblieben. Möglich, dass auch die übrigen noch sich vorfin<strong>de</strong>n, wenn­<br />

gleich sehr rudimentär, o<strong>de</strong>r dass sie doch, wenn sie im ausgebil<strong>de</strong>ten Zustand<br />

wirklich fehlen, bei <strong>de</strong>r ersten Bildung gleichmässig angelegt wer<strong>de</strong>n und dann<br />

erst später <strong>de</strong>m Process <strong>de</strong>r Rüchbildung unterliegen. Zu ergrün<strong>de</strong>n ist noch,<br />

ob <strong>de</strong>r mittlere Bauchstrang <strong>de</strong>r Sipunculi<strong>de</strong>n nur einem einzigen dieser radiä­<br />

ren Stämme entspricht, o<strong>de</strong>r vielleicht zweien anliegen<strong>de</strong>n, wie es bei <strong>de</strong>n Ar­<br />

thropo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Fall ist. Dass nur eine einzige Commissur in <strong>de</strong>mselben vor­<br />

kommt, kann allein hierüber nichts entschei<strong>de</strong>n. Treffen wir dasselbe doch auch<br />

bei manchen Insekten, wie <strong>de</strong>n Diptern a. A. Es können entwe<strong>de</strong>r im Lauf <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung zwei seitliche Stämme vollständig verschmolzen sein, o<strong>de</strong>r auch —<br />

was <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r lateralen Entwicklung ebenfalls nicht fremd ist — bei<strong>de</strong><br />

morphologische Elemente gleich Anfangs durch ein einfaches mittleres Element er­<br />

setzt sein. Am ersten möchte die Frage vielleicht noch durch die anatomische<br />

Untersuchung <strong>de</strong>rjenigen Holothurienarten erledigt wer<strong>de</strong>n können, bei <strong>de</strong>nen<br />

schon ein Unterschied zwischen Bauch und Rückenfläche vorkommt (z.B. Psolus,<br />

Cuvieria). Verläuft hier in die Mittellinie <strong>de</strong>s Bauches nur ein einziger mittlerer<br />

Stamm, wie es mir nach <strong>de</strong>r Anordnung <strong>de</strong>r Längsmuskeln (3, u.) sehr wahr­<br />

scheinlich ist, dann möchte dieser allein <strong>de</strong>m Bauchstrang <strong>de</strong>r Sipunculi<strong>de</strong>n ent­<br />

sprechen. Verlaufen daselbst aber von <strong>de</strong>n fünf radiären Stämmen vielleicht<br />

zwei, die seitlich einan<strong>de</strong>r anliegen, dann möchte wohl jener einfache Bauchsträng<br />

morphologisch diese bei<strong>de</strong>n Stämme ersetzen.


45<br />

zeigt die von Linne' in seiner Klasse <strong>de</strong>r Vermes aufgestellte<br />

Ordnung <strong>de</strong>r Intestina, doch enthält auch diese einzelne <strong>de</strong>m<br />

Typus <strong>de</strong>r Würmer frem<strong>de</strong> Formen (wie Myxine und Teredo),<br />

während an<strong>de</strong>re, die wir mit Recht <strong>de</strong>mselben glauben vindiciren<br />

zu müssen, getrennt davon theils <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r<br />

Testacea (Serpula), theils <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Mollusca (Nereis und Aphrodite)<br />

einverleibt sind. Wie isolirt übrigens hier diese letztern<br />

stehen, fühlte schon Pallas 1 ), <strong>de</strong>r zuerst bei einer genauen<br />

Untersuchung <strong>de</strong>s ganzen Baues <strong>de</strong>n innern Zusammenhang<br />

dieser Formen erkannte und <strong>de</strong>n Vorschlag machte, ihnen<br />

eine an<strong>de</strong>re Stelle anzuweisen. Mit <strong>de</strong>n Eingewei<strong>de</strong>würmern<br />

vereinigt sind sie von 0. Fr. Müller in <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r<br />

Helminthica, wo sie (immer aber noch ohne die Serpulaceen,<br />

die bei <strong>de</strong>n Testacea verblieben) mit <strong>de</strong>n Lumbricinen; die<br />

schon Linne' <strong>de</strong>n Intestina zugezählt hatte, eine eigene Unterordnung,<br />

die Setosa, bil<strong>de</strong>n, welche <strong>de</strong>n übrigen Würmern<br />

(von <strong>de</strong>nen aber Fasciola und Planaria, als <strong>de</strong>n Mollusken<br />

angehörig, ausgeschlossen wur<strong>de</strong>n) gegenüber stehen. Die letztern<br />

sind wegen <strong>de</strong>s Mangels <strong>de</strong>r Borsten als Mulica bezeichnet.<br />

In- <strong>de</strong>mselben Umfang treffen wir die Gruppe <strong>de</strong>r Würmer<br />

(Intestins) noch bei Brugieres 2 ). Cuvier war <strong>de</strong>r<br />

Erste 3 ), <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n hier vereinigten Geschöpfen einen zweifachen<br />

typischen Bau zu erkennen glaubte. Die einen <strong>de</strong>rselben,<br />

die Ringelwürmer, die theils durch eine rothe Färbung<br />

<strong>de</strong>s Blutes, theils durch eine Segmentirung <strong>de</strong>s Leibes<br />

und die Anwesenheit einer einfachen Bauchganglienketle sich<br />

auszeichneten, brachte er als die Repräsentanten einer eignen<br />

Klasse zu <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rthieren, während er die an<strong>de</strong>rn, die<br />

Entozoa (mit <strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>r Nemertinen, Turbellarien und<br />

auch <strong>de</strong>r Lernäa<strong>de</strong>n), <strong>de</strong>m Kreise <strong>de</strong>r Zoophyten zurechnete.<br />

An Beifall hat es dieser Anordnung nicht gefehlt. Lamarck,<br />

Latreille, Goldfuss u. A. haben sie adoptirt.<br />

1) Miscellanea Zoolog. La Haye. 1766.<br />

2) Diction. <strong>de</strong>s vers in <strong>de</strong>r Encyclop. method. Paris. 1792.<br />

3) Annal. du Mus. d'hist. nat. T. XIX.


4U<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite hat dieselbe aber auch manchen Wi<strong>de</strong>rspruch<br />

erfahren. In Deutschland waren es beson<strong>de</strong>rs v.<br />

Baer') und gleichzeitig mein Onkel Fr. S. Leuckart 2 ),<br />

die <strong>de</strong>n Nachweis versuchten, dass eine eigene Klasse <strong>de</strong>r<br />

Entozoa sehr unnatürlich sei, dass die Zusammenstellung N<strong>de</strong>r<br />

Helminthen nur als eine Fauna <strong>de</strong>s innern Thierkörpers angesehen<br />

wer<strong>de</strong>n könne, <strong>de</strong>ren Glie<strong>de</strong>r ihre Verwandten und<br />

Repräsentanten in verschie<strong>de</strong>nen an<strong>de</strong>rn Ordnungen und Klassen<br />

<strong>de</strong>s Thierreichs hätten. Man hob die grosse Uebereinstimmung<br />

<strong>de</strong>r Nematoi<strong>de</strong>en und Borstenwürmer, <strong>de</strong>r Tremato<strong>de</strong>n<br />

und Hirudineen hervor und suchte auch die übrigen<br />

Formen <strong>de</strong>r Helminthen an<strong>de</strong>rweitig zu vertheilen. So glaubte<br />

z. B. mein Onkel eine nahe Verwandtschaft <strong>de</strong>r Akanthocephalen<br />

mit <strong>de</strong>n Sipunculi<strong>de</strong>n zu erkennen, <strong>de</strong>r Cesto<strong>de</strong>n mit<br />

<strong>de</strong>n Polypen und Akalephen — worin auch Meckel 3 ) mit<br />

ihm übereinstimmte — und schlug <strong>de</strong>sshalb eine Vereinigung<br />

<strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Thierformen vor.<br />

Im Augenblick möchte die Anordnung von Cuvier<br />

vielleicht wenige Vertreter mehr fin<strong>de</strong>n 4 ). Wohl allgemein<br />

sind Helminthen und Anneli<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r in einer gemeinschaftlichen<br />

Abtheilung <strong>de</strong>r Würmer vereinigt. Nur über die Relation<br />

dieser Abtheilung zu <strong>de</strong>n übrigen Gruppen <strong>de</strong>r wirbellosen<br />

Thiere herrscht noch eine grosse Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r<br />

Ansichten. Die Einen betrachten die Würmer als eine beson<strong>de</strong>re<br />

typische Hauptabtheilung <strong>de</strong>s Thierreichs (Gravenhorst«),<br />

Berthol<strong>de</strong>), v. Siebold')), während die An<strong>de</strong>rn<br />

in <strong>de</strong>nselben eine <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rthiere unter-<br />

1) A. a. 0.<br />

2) A. a. 0.<br />

3) Syst. <strong>de</strong>r vergl. Anat. Th. I. S. 84.<br />

4) Lei<strong>de</strong>r, wie ich sehe, noch van <strong>de</strong>r Hoeven in <strong>de</strong>r neuen Auflage seiner<br />

Zoologie, iihers. v. Moleschott.<br />

5) Das Thierreich nach seinen Verwandtschaften und Uehergängen. Breslau. 1845<br />

S. 43. — Von <strong>de</strong>n eigentlichen Würmern sind aher hier die Tremato<strong>de</strong>n als<br />

die Glie<strong>de</strong>r einer heson<strong>de</strong>rn Klasse abgetrennt, was wohl kaum zu hilligen.<br />

6) Lehrbuch <strong>de</strong>r Zoolog. Güttingen. 1845. S. 440.<br />

7) Vergl. Anat. <strong>de</strong>r wirbellosen Thiere.


47<br />

geordnete Gruppe sehen und diese sogar meistens bloss <strong>de</strong>n<br />

übrigen einzelnen Klassen <strong>de</strong>rselben gleichsetzen. Das letzlere<br />

Verfahren ist sicherlich am wenigsten natürlich. Selbst wenn<br />

man die Würmer für Glie<strong>de</strong>rthiere halten will (obgleich hierdurch<br />

nach meiner Meinung das Charakteristische dieser<br />

Thiergruppe gänzlich wegfällt), müssen die Unterschie<strong>de</strong> zwischen<br />

ihnen und <strong>de</strong>n übrigen dahin gehörigen Formen streng<br />

im Auge behalten wer<strong>de</strong>n. Wir müssen dann, wie es beson<strong>de</strong>rs<br />

Milne Edwards gethan hat, in dieser grossen Abtheilung<br />

zwei Hauptgruppen annehmen, Würmer und Glie<strong>de</strong>rfussler,<br />

die bei<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>rum mehrfach in Klassen zerfallen.<br />

In<strong>de</strong>ssen muss ich gestehen, dass die Unterschie<strong>de</strong> zwischen<br />

Würmern und Glie<strong>de</strong>rfüsslern mir so beträchtlich zu<br />

sein scheinen, dass ich mich nicht entschliessen kann, bei<strong>de</strong><br />

zu vereinigen 1 ). Bei<strong>de</strong> scheinen mir vielmehr je nach einem<br />

beson<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>m Wesen nach verschie<strong>de</strong>nen Plane gebauet.<br />

Die Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Leibes, so wie die Anwesenheit einer<br />

Bauchganglienkette — die einzigen Verhältnisse, welche die<br />

höhern Würmer <strong>de</strong>n eigentlichen Glie<strong>de</strong>rthieren nähern —<br />

sind nach meiner Ansicht nicht mit Nothwendigkeit begrün<strong>de</strong>t<br />

in <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Würmer, wohl aber in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n.<br />

Sie sind dort bloss durch eine Weiterentwicklung<br />

<strong>de</strong>s Typus hervorgerufen und stets ohne jene bestimmte Be<strong>de</strong>utung,<br />

wie bei <strong>de</strong>n echten Glie<strong>de</strong>rthieren.<br />

Die meisten Würmer entbehren sowohl <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rung,<br />

als auch <strong>de</strong>r Bauchganglienkette. Durchgreifend dagegen und<br />

bedingt durch <strong>de</strong>n Typus <strong>de</strong>r Würmer ist die Anwesenheit<br />

eines Nackenganglions, von <strong>de</strong>m nach <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Seiten<br />

hin die Nerven ausstrahlen. In Uebereinstimmung mit <strong>de</strong>r<br />

gestreckten Leibesform und <strong>de</strong>r seitlichen Symmetrie <strong>de</strong>s Körpers<br />

ist es, dass gewöhnlich unter diesen Nerven sich zwei nach<br />

hinten bis in das sogenannte Schwanzen<strong>de</strong> hinabsteigen<strong>de</strong><br />

Längsstämme auszeichnen. Eben diese bei<strong>de</strong>n Seitennerven nun<br />

1) In diesem Fall wür<strong>de</strong> man auch consequenter Weise die Coelenteraten mit <strong>de</strong>n<br />

Echino<strong>de</strong>rmen in einer gemeinschaftlichen Abtheilung (etwa <strong>de</strong>r Radiata) zusammenfassen<br />

müssen, was mir aber eben so wenig natürlich scheint.


48<br />

sind es auch, die bei <strong>de</strong>n höher entwickelten Formen <strong>de</strong>r<br />

Würmer nach <strong>de</strong>m Gesetz <strong>de</strong>r mittlem Verschmelzung entsprechen<strong>de</strong>r<br />

lateraler Theile (einem Gesetz, welches so ausseror<strong>de</strong>ntlich<br />

häufig Lei <strong>de</strong>n Thieren mit seitlich symmetrischem<br />

Typus sich geltend macht) in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Bauches<br />

unterhalb <strong>de</strong>sDarmkanales zu einem einzigen unpaaren Stamm<br />

sich verbin<strong>de</strong>n. Dass im Verlauf dieses Bauchstranges, <strong>de</strong>n<br />

einzelnen Segmenten entsprechend, sich noch beson<strong>de</strong>re<br />

ganglionäre Anschwellungen zeigen, kann uns um so weniger<br />

überraschen, als schon in <strong>de</strong>n getrennten Seitennerven an<strong>de</strong>rer<br />

Würmer, bei Malacob<strong>de</strong>lla l ) und bei einigen grössern<br />

Planarienarten 2 ), ganz analoge Bildungen vorkommen.<br />

Was nun die Segmentirung betrifft, so kann auch diese,<br />

wie ich glaube, für sich uns noch nicht zu einer Vereininigung<br />

<strong>de</strong>r Würmer mit <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rthieren berechtigen. Auch<br />

in an<strong>de</strong>rn Thierkreisen fin<strong>de</strong>n wir sie in Anwendung gezogen.<br />

Die Arme <strong>de</strong>r Ophiuren, die Wirbelsäulen <strong>de</strong>r Knochenthiere<br />

zeigen ganz dieselbe Wie<strong>de</strong>rholung gleicher morphologischer<br />

Abschnitte in einfacher Reihe hinter einan<strong>de</strong>r. Ueberall<br />

scheint dieselbe da sehr leicht entstehen zu können, wo<br />

die Längendimension vorherrscht, beson<strong>de</strong>rs, wenn dabei<br />

die seitliche Symmetrie nicht auf irgend eine Weise gestört ist.<br />

Und dann, wie so sehr verschie<strong>de</strong>n ist die Segmentbildung<br />

bei <strong>de</strong>n Würmern von <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rfüsslern.<br />

Während bei <strong>de</strong>n letztern die einzelnen Körperringe wie<strong>de</strong>rum<br />

nach einer ganz bestimmten Norm sich zusammengruppiren,<br />

während dabei die Anhänge <strong>de</strong>rselben auf eine entsprechen<strong>de</strong><br />

Weise umgeformt wer<strong>de</strong>n, treffen wir bei <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rwürmern<br />

wesentlich eine ganz gleichmässige Entwicklung von<br />

Segmenten und <strong>de</strong>ren Anhängen. Dort herrscht in <strong>de</strong>r Anordnung<br />

<strong>de</strong>r Ringe eine Heteronomität, hier eine Homonomität.<br />

Ein Kopf beson<strong>de</strong>rs, mit Fresswerkzeugen versehen, die aus<br />

<strong>de</strong>r Metamorphose von Segmentanhängen hervorgegangen sind,<br />

1) Blanchard, in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. natur. 1845. T. V. p. 364.<br />

2) Blanchard, Ihid 1847. T. VHI. p. 107.


49<br />

fehlt allen Würmern. Was man bei diesen Thieren einen<br />

Kopf nennt, ist eben so wenig ein morphologisches Aequivalent<br />

vom Kopf <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n, als die sogenannten Mandibeln<br />

J ) ein Aequivalent <strong>de</strong>r eben erwähnten Fresswerkzeuge.<br />

Haben wir somit nun die gemeinsamen Eigenthümlichkeiten<br />

<strong>de</strong>r Würmer und Arthropo<strong>de</strong>n mehr als äussere Aehnlichkeiten<br />

erkannt, die an sich auf die innere Uebereinstimmung<br />

<strong>de</strong>s Baustils noch keineswegs zurückschliessen lassen,<br />

so müssen auch auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite die sonstigen Verschie<strong>de</strong>nheiten<br />

zwischen diesen bei<strong>de</strong>n Gruppen von Thieren an<br />

Gewicht noch gewinnen. Während die Arthropo<strong>de</strong>n überall<br />

ein mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r weit geschlossenes Gefässsyslem besitzen,<br />

überall Querstreifen an <strong>de</strong>n Muskelbün<strong>de</strong>ln (selbst da,<br />

wo z. B. bei <strong>de</strong>n Wirbelthieren glatte Fasern vorkommen,<br />

an <strong>de</strong>n Eingewei<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Drüsenschläuchen u. s. w.) und<br />

einen gänzlichen Mangel aller Flimmercilien, treffen wir dagegen<br />

bei <strong>de</strong>n Würmern einen völlig geschlossenen Circulationsapparat<br />

(wenigstens bei <strong>de</strong>n Ringelwürmern), glatte Muskellibrillen<br />

und ein Flimmerepithelium in grosser Aus<strong>de</strong>hnung<br />

2 ). Ueberdiess fehlt bei <strong>de</strong>n Würmern jener eigentümliche<br />

Stoff, das Chitin, welches durchgängig in <strong>de</strong>n Integumenten<br />

<strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n sich vorfin<strong>de</strong>t. In <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>ckungen wenigstens<br />

ist <strong>de</strong>rselbe nicht aufzufin<strong>de</strong>n 3 ).<br />

Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n, glaube ich, sind wir vollkommen<br />

zu <strong>de</strong>r Annahme berechtigt, dass die Würmer nach<br />

einem eigenen, von <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rfüssler abweichen<strong>de</strong>n<br />

Plane gebauet sind und darum <strong>de</strong>nn auch mit Recht als<br />

1) Ganz offenbar sind diese Gebil<strong>de</strong> blosse locale Entwicklungen <strong>de</strong>r innern Pha-<br />

ryngealaushleidung, wie die Borsten analoge Entwicklungen <strong>de</strong>r äussern Haut<br />

sind. Am meisten möchten sich die sog. Mandibeln <strong>de</strong>r Würmer <strong>de</strong>r Bewaffnung in<br />

<strong>de</strong>m Innern <strong>de</strong>s sogenannten Vormagens bei <strong>de</strong>n Insekten u.s. w. vergleichen lassen.<br />

2) Interessant ist es übrigens, dass einzelnen Gruppen unter <strong>de</strong>n Würmern solche<br />

Cilien, wie es scheint, ganz vollkommen, fehlen. So <strong>de</strong>n Nematoi<strong>de</strong>en, <strong>de</strong>n<br />

Akanthocephalen und Cesto<strong>de</strong>n.<br />

3) Nach <strong>de</strong>r Reaction gegen Kali könnten in<strong>de</strong>ssen doch wohl die Borsten <strong>de</strong>r<br />

Chätopo<strong>de</strong>n daraus bestehen.<br />

4


4^<br />

sind es auch, die bei <strong>de</strong>n höher entwickelten Formen <strong>de</strong>r<br />

Würmer nach <strong>de</strong>m Gesetz <strong>de</strong>r mittlem Verschmelzung entsprechen<strong>de</strong>r<br />

lateraler Theile (einem Gesetz, welches so ausseror<strong>de</strong>ntlich<br />

häufig Lei <strong>de</strong>n Thieren mit seitlich symmetrischem<br />

Typus sich geltend macht) in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Bauches<br />

unterhalb <strong>de</strong>sDarmkanales zu einem einzigen unpaaren Stamm<br />

sich verbin<strong>de</strong>n. Dass im Verlauf dieses Bauchstranges, <strong>de</strong>n<br />

einzelnen Segmenten entsprechend, sich noch beson<strong>de</strong>re<br />

ganglionäre Anschwellungen zeigen, kann uns um so weniger<br />

überraschen, als schon in <strong>de</strong>n getrennten Seitennerven an<strong>de</strong>rer<br />

Würmer, bei Malacob<strong>de</strong>lla J ) und bei einigen grössern<br />

Planarienarten 2 ), ganz analoge Bildungen vorkommen.<br />

Was nun die Segmentirung betrifft, so kann auch diese,<br />

wie ich glaube, für sich uns noch nicht zu einer Vereininigung<br />

<strong>de</strong>r Würmer mit <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rthieren berechtigen. Auch<br />

in an<strong>de</strong>rn Thierkreisen fin<strong>de</strong>n wir sie in Anwendung gezogen.<br />

Die Arme <strong>de</strong>r Ophiuren, die Wirbelsäulen <strong>de</strong>r Knochenthiere<br />

zeigen ganz dieselbe Wie<strong>de</strong>rholung gleicher morphologischer<br />

Abschnitte in einfacher Reihe hinter einan<strong>de</strong>r. Ueberall<br />

scheint dieselbe da sehr leicht entstehen zu können, wo<br />

die Längendimension vorherrscht, beson<strong>de</strong>rs, wenn dabei<br />

die seitliche Symmetrie nicht auf irgend eine Weise gestört ist.<br />

Und dann, wie so sehr verschie<strong>de</strong>n ist die Segmentbildung<br />

bei <strong>de</strong>n Würmern von <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rfüsslern.<br />

Während bei <strong>de</strong>n letztern die einzelnen Körperringe wie<strong>de</strong>rum<br />

nach einer ganz bestimmten Norm sich zusammengruppiren,<br />

während dabei die Anhänge <strong>de</strong>rselben auf eine entsprechen<strong>de</strong><br />

Weise umgeformt wer<strong>de</strong>n, treffen wir bei <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rwürmern<br />

wesentlich eine ganz gleichmässige Entwicklung von<br />

Segmenten und <strong>de</strong>ren Anhängen. Dort herrscht in <strong>de</strong>r Anordnung<br />

<strong>de</strong>r Ringe eine Heleronomität, hier eine Homonomität.<br />

Ein Kopf beson<strong>de</strong>rs, mit Fresswerkzeugen versehen, die aus<br />

<strong>de</strong>r Metamorphose von Segmentanhängen hervorgegangen sind,<br />

1) Blanchard, in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. nalur. 1845. T. V. p. 364.<br />

2) Blanchard, röid 1847. T. VIII. p. 107.


49<br />

fehlt allen Würmern. Was man bei diesen Thieren einen<br />

Kopf nennt, ist eben so wenig ein morphologisches Aequivalent<br />

vom Kopf <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n, als die sogenannten Mandibeln<br />

') ein Aequivalent <strong>de</strong>r eben erwähnten Fresswerkzeuge.<br />

Haben wir somit nun die gemeinsamen Eigenthümlichkeiten<br />

<strong>de</strong>r Würmer und Arthropo<strong>de</strong>n mehr als äussere Aehnlichkeiten<br />

arkannt, die an sich auf die innere Uebereinstimmung<br />

<strong>de</strong>s Baustils noch keineswegs zurückschliessen lassen,<br />

so müssen auch auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite die sonstigen Verschie<strong>de</strong>nheiten<br />

zwischen diesen bei<strong>de</strong>n Gruppen von Thieren an<br />

Gewicht noch gewinnen. W r ährend die Arthropo<strong>de</strong>n überall<br />

ein mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r weit geschlossenes Gefässsystem besitzen,<br />

überall Querstreifen an <strong>de</strong>n Muskelbün<strong>de</strong>ln (selbst da,<br />

wo z. B. bei <strong>de</strong>n Wirbelthieren glatte Fasern vorkommen,<br />

an <strong>de</strong>n Eingewei<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Drüsenschläuchen u. s. w.) und<br />

einen gänzlichen Mangel aller Flimmercilien, treffen wir dagegen<br />

bei <strong>de</strong>n Würmern einen völlig geschlossenen Circulationsapparat<br />

(wenigstens bei <strong>de</strong>n Ringelwürmern), glatte Muskelfibrillen<br />

und ein Flimmerepithelium in grosser Aus<strong>de</strong>hnung<br />

2 ). Ueberdiess fehlt bei <strong>de</strong>n Würmern jener eigenthümliche<br />

Stoff, das Chitin, welches durchgängig in <strong>de</strong>n Integumenten<br />

<strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n sich vorfin<strong>de</strong>t. In <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>ckungen wenigstens<br />

ist <strong>de</strong>rselbe nicht aufzufin<strong>de</strong>n 3 ).<br />

Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n, glaube ich, sind wir vollkommen<br />

zu <strong>de</strong>r Annahme berechtigt, dass die Würmer nach<br />

einem eigenen, von <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rfüssler abweichen<strong>de</strong>n<br />

Plane gebauet sind und darum <strong>de</strong>nn auch mit Recht als<br />

1) Ganz offenbar sind diese Gebil<strong>de</strong> blosse locale Entwicklungen <strong>de</strong>r innern Pha-<br />

ryngealauskleidung, wie die Borsten analoge Entwicklungen <strong>de</strong>r äussern Haut<br />

sind. Am meisten möchten sich die sog. Mandibeln <strong>de</strong>r Würmer <strong>de</strong>r Bewaffnung in<br />

<strong>de</strong>m Innern <strong>de</strong>s sogenannten Vormagens bei <strong>de</strong>n Insekten u. s. w. vergleichen lassen.<br />

2) Interessant ist es übrigens, dass einzelnen Gruppen unter <strong>de</strong>n Würmern solche<br />

Cilien, wie es scheint, ganz vollkommen, fehlen. So <strong>de</strong>n Nematoi<strong>de</strong>en, <strong>de</strong>n<br />

Akanthocephalen und Cesto<strong>de</strong>n.<br />

3) Nach <strong>de</strong>r Reaction gegen Kali könnten in<strong>de</strong>ssen doch wohl die Borsten <strong>de</strong>r<br />

Chätopo<strong>de</strong>n daraus bestehen.<br />

4


50<br />

eine selbstständige grosse Hauptabtheilung <strong>de</strong>s Thierreichs<br />

betrachtet wer<strong>de</strong>n.<br />

Zu dieser Abtheilung aber müssen wir, wie es mir scheint,<br />

ausser <strong>de</strong>n Cuvierschen Eingewei<strong>de</strong>würmern und <strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n<br />

noch einige an<strong>de</strong>re vereinzelte Gruppen hinzufügen,<br />

die an je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Stelle ohne allen Zusammenhang, alle<br />

Verbindung sein möchten. Ich meine die Rotiferen und<br />

Bryozoen.<br />

Die erstem wur<strong>de</strong>n bekanntlich von Ehrenberg (nach<br />

<strong>de</strong>m Beispiel von 0. Fr. Müller) <strong>de</strong>n Infusorien ') beigezählt,<br />

siud aber von an<strong>de</strong>rn Zoologen auf Grund ihrer ganzen Organisation,<br />

gewiss mit <strong>de</strong>m grössten Recht, davon getrennt.<br />

Burmeister glaubte in <strong>de</strong>nselben nie<strong>de</strong>re Crustaceen zu<br />

erblicken und rechnete sie zu seinen Entomostraken mit<br />

rückschreiten<strong>de</strong>r Metamorphose (?). Einer solchen Ansicht<br />

in<strong>de</strong>ssen kann ich nicht beitreten. Der Mangel eines Bauchmarks<br />

und quergestreifter Muskelfasern — Euchlanis triquetra<br />

macht allerdings in letzterer Beziehung eine Ausnahme, in<strong>de</strong>m<br />

hier wirkliche Querstreifen an <strong>de</strong>n Muskelprimitivbün<strong>de</strong>ln vorkommen,<br />

wie aber auch bei Pentastomum im Hautmuskelschlauch<br />

und bei Aphrodite im Pharynx —, die Abwesenheit<br />

<strong>de</strong>s Chitins in <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>ckungen, das Fehlen von eigentlichen<br />

Fresswerkzeugen und geglie<strong>de</strong>rten Beinen, so wie das<br />

weit verbreitete Vorkommen eines Flimmerepitheliums verbieten<br />

eine <strong>de</strong>rartige Gruppirung. Alle diese Verhältnisse sind dagegen<br />

in <strong>de</strong>r Abtheilung <strong>de</strong>r Würmer ganz gewöhnlich. Dazu kommt<br />

die Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Leibes, die bei vielen Rotatorien, ebenso<br />

wie bei <strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n, sich vorfin<strong>de</strong>t. Ohne weitere Be<strong>de</strong>n-<br />

V) Oersted (Entwurf einer systematischen Eintheilung und speciellen Beschreibung<br />

<strong>de</strong>r Plattwürmer. S. 36.) rechnet (ausser <strong>de</strong>n Sipunculi<strong>de</strong>n) auch die polygastri­<br />

schen Infusorien — von <strong>de</strong>nen übrigens die Bacillarien, als Pflanzen, ausgeschie<strong>de</strong>n<br />

wer<strong>de</strong>n — zu <strong>de</strong>n Würmern. Nach <strong>de</strong>m aber, was wir über die Organisation<br />

dieser Geschöpfe kennen, entbehrt solche Vereinigung <strong>de</strong>rmalen noch aller<br />

Begründung, wenn sich auch nicht verkennen lässt, dass manche Würmer, be­<br />

son<strong>de</strong>rs Trematodcn (wie Convoluta), .auf <strong>de</strong>n ersten Anblick ganz <strong>de</strong>n Eindruck<br />

eines colossalcn Infusuionsthierchens machen.


51<br />

ken theile ich <strong>de</strong>nn auch <strong>de</strong>sshalb die Annahme von Wiegmann,<br />

R. Wagner, Milne Edwards, Rymer Jones,<br />

Berthold, v. Siebold u. A., welche die Rotatorien zu <strong>de</strong>n<br />

Würmern rechnen.<br />

Was die Bryozoen betrifft, so wird, glaube ich, aus <strong>de</strong>m,<br />

was oben über die Organisation <strong>de</strong>r Coelenteraten angegeben<br />

ist, zur Genüge hervorgegangen sein, dass dieselben <strong>de</strong>n Polypen<br />

nicht länger beigesellt wer<strong>de</strong>n können. In<strong>de</strong>ssen scheint<br />

mir auch, wie ich schon an einem an<strong>de</strong>rn Orte •) angegeben<br />

habe, die Ansicht von Milne Edwards, dass die Bryozoen<br />

<strong>de</strong>n Tunikaten anzureihen seien, nicht annehmbar, weil die<br />

Abwesenheit eines Kiemensacks bei <strong>de</strong>n erstem einen fundamentalen<br />

Unterschied zwischen bei<strong>de</strong>n begrün<strong>de</strong>t. Dagegen<br />

zeigen die Bryozoen eine auffallen<strong>de</strong> Verwandtschaft mit <strong>de</strong>n<br />

Rotiferen, wie namentlich Arth. Farre 2 ) hervorhebt und<br />

selbst Ehrenberg nicht unbekannt war. Der Cilienkranz<br />

an <strong>de</strong>r Kopfscheibe <strong>de</strong>r Rotiferen (<strong>de</strong>r sogenannte Rä<strong>de</strong>rapparat)<br />

entspricht, was schon v. Baer 3 ) bemerkt, <strong>de</strong>n bewimperten<br />

Armen <strong>de</strong>r Bryozoen. Beson<strong>de</strong>rs beweisend für diese<br />

Uebereinstimmung ist das Gen. Stephanoceros, wo <strong>de</strong>r Rand<br />

<strong>de</strong>r Kopfscheibe, ganz wie bei <strong>de</strong>n Bryozoen*), in armförmige,<br />

mit Cilien be<strong>de</strong>ckte Fortsätze ausgezogen ist. Ich<br />

möchte hier an ein analoges Verhältniss bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n<br />

erinnern, an die Formation <strong>de</strong>r Kopfanhänge bei Nautilus,<br />

wo, wie wir (durch die Untersuchungen 5 ) von Valenciennes)<br />

wissen, die eigentlichen Arme geschwun<strong>de</strong>n sind, und nur<br />

die Anhänge <strong>de</strong>rselben als cylindrische Tentakel (entsprechend<br />

<strong>de</strong>n Saugnäpfen <strong>de</strong>r Acetabuliferen, wie namentlich das Gen.<br />

Cirrotheutis sehr <strong>de</strong>utlich erkennen lässt) persistiren. Ganz<br />

1) Beiträge u. s. w. S. 147.<br />

2) In <strong>de</strong>n Philosoph, transact. 1837. p. 400.<br />

.3) A. a. 0. S. 758.<br />

4) Sehr eigenthümlich ist die Umformung dieser Arme bei <strong>de</strong>n Alcyonellen; eine<br />

Umformung, mit welcher übrigens manche eigenthümliche Anordnungen in <strong>de</strong>r<br />

Bildung <strong>de</strong>s Rä<strong>de</strong>rapparates bei <strong>de</strong>n Botiferen — auf die wir hier nicht näher<br />

eingehen können — vollkommen parallel laufen.<br />

5) Archiv, du Mus. d'bist. nat. T. II. 1842. p. 257.<br />


52<br />

ebenso bei <strong>de</strong>n Rotiferen, bei <strong>de</strong>nen (mit Ausnahme jenes<br />

oben genannten Genus) die <strong>de</strong>n Armen <strong>de</strong>r Bryozoen analogen<br />

Verlängerungen fehlen und nur <strong>de</strong>ren lange Cilien geblieben<br />

sind. Dass manche Rotiferen, wie die Bryozoen, in<br />

Gehäusen leben, will ich hier nicht hervorheben, weil bei<br />

<strong>de</strong>n erstem dieses Gehäuse überall nur ein Secret <strong>de</strong>r äussern<br />

Be<strong>de</strong>ckungen zu sein scheint, nicht aber, wie bei <strong>de</strong>n Bryozoen<br />

es <strong>de</strong>r Fall*) ist, aus <strong>de</strong>n erhärteten und verkalkten Integumenten<br />

selbst besteht. Interessant aber ist es, dass bei <strong>de</strong>n<br />

Gehäusebewohnen<strong>de</strong>n Rotiferen <strong>de</strong>r Darmkanel ebenso, wie<br />

bei <strong>de</strong>n Bryozoen, eine ganz ansehnliche schlingenförmige<br />

Biegung macht, um weit nach oben, in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Kopfen<strong>de</strong>s,<br />

zu mün<strong>de</strong>n, statt in <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>s Hinterleibes.<br />

Die Bryozoen sind übrigens die einzigen Würmer, welche<br />

ein Skelet besitzen. Ganz allgemein sonst bleiben die äussern<br />

Be<strong>de</strong>ckungen weich und biegsam. Die kalkigen und le<strong>de</strong>rartigen,<br />

oft auch aus frem<strong>de</strong>n Körpern, aus Sand u. dgl.<br />

zusammengemauerten Röhren, in <strong>de</strong>nen manche Würmer,<br />

beson<strong>de</strong>rs aus <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r sogenannten Capitibranchiaten,<br />

leben, sind niemals integriren<strong>de</strong> Theile <strong>de</strong>s Körpers. Wie<br />

bei <strong>de</strong>n vorhin erwähnten Rotiferen entstehen dieselben auch<br />

hier durch das Erstarren eines eigenthümlichen, von <strong>de</strong>n<br />

Bewohnern selbst gelieferten Sekretes.<br />

Mit <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen ist in <strong>de</strong>r Reihe <strong>de</strong>r animalischen<br />

Formen die Entwickelung <strong>de</strong>s radiären Typus erloschen,<br />

In <strong>de</strong>r Abtheilung <strong>de</strong>r Wurmer beginnt eine an<strong>de</strong>re Bauweise,<br />

charakterisirt durch die seitliche Symmetrie in <strong>de</strong>r<br />

Form <strong>de</strong>s Leibes und <strong>de</strong>r Anordnung <strong>de</strong>r Eingewei<strong>de</strong>. Die<br />

centrale Längsachse, die dort ganz gleichmässig zu allen<br />

Theilen <strong>de</strong>r Peripherie sich verhielt und bestimmend auf die<br />

Beschaffenheit und die Gruppirung <strong>de</strong>r umliegen<strong>de</strong>n Theile<br />

einwirkte, hat hier ihre morphologische Be<strong>de</strong>utung einer i<strong>de</strong>alen<br />

Längsebene übertragen, die durch die Mitte <strong>de</strong>s Körpers sich<br />

heraberstreckt. Sie trennt <strong>de</strong>n Körper in zwei seitliche Hälften<br />

1) Vergl. Frey, a. a. 0.


53<br />

<strong>de</strong>ren eine das vollkommene Spiegelbild <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn ist. Wo<br />

sie die Peripherie <strong>de</strong>s Körpers schnei<strong>de</strong>t, in zwei einan<strong>de</strong>r<br />

gegenübergelegenen Längslinien (die natürlich gera<strong>de</strong> die<br />

Mitte halten müssen zwischen <strong>de</strong>n äussersten Grenzen <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n Seitenhälften), hat eine bestimmte gegensätzliche Verschie<strong>de</strong>nheit<br />

sich hervorgebil<strong>de</strong>t. Die durch die eine dieser<br />

Längslinien senkrecht hindurchgehen<strong>de</strong> Fläche ist zur Bauchfläche,<br />

die entgegengesetzte zur Rückenfläche gewor<strong>de</strong>n.<br />

Bauch und Rücken zeigen in Anordnung, Form und Beschaffenheit<br />

ihrer Theile manchfache geringere o<strong>de</strong>r grössere<br />

Differenzen. So sind z. B. an <strong>de</strong>m erstem die Bewegungswerkzeuge<br />

befestigt. Abhängig hiervon ist es, dass <strong>de</strong>r Bauch<br />

als die untere, <strong>de</strong>r Rücken als die obere Körperfläche erscheint,<br />

während, wie wir vorhin gesehen haben, bei <strong>de</strong>n Thieren<br />

mit radiärem Typus die obere und untere Fläche durch die<br />

Pole <strong>de</strong>r Centralachse bestimmt wer<strong>de</strong>n, und somit dann <strong>de</strong>njenigen<br />

Regionen entsprechen, die wir bei <strong>de</strong>n Würmern u: .s. w,<br />

als vor<strong>de</strong>res und hinteres Körperen<strong>de</strong> bezeichnen *).<br />

Ein anatomischer Unterschied zwischen Rücken und Bauch<br />

fehlt allen Thieren mit strahlenförmigem Körper, wenigstens<br />

allen, <strong>de</strong>nen eine solche Form in ihrer ganzen charakteristischen<br />

Eigenthümlichkeit zukommt. In<strong>de</strong>ssen lässt sich doch<br />

nach <strong>de</strong>n mitunter in Anwendung gezogenen Combinationen<br />

<strong>de</strong>s radiären Typus mit <strong>de</strong>m seitlich symmetrischen<br />

nicht verkennen, dass auch bei <strong>de</strong>n Radiaten schon ein analoger<br />

Gegensatz in <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r peripherischen Theile<br />

möglich ist. Es lässt sich bestimmen, welche Regionen bei<br />

<strong>de</strong>n Coelenteraten und Echino<strong>de</strong>rmen <strong>de</strong>m Bauch und Rücken<br />

<strong>de</strong>r übrigen Thiere entsprechen.<br />

1) Pie Bezeichnungen von Oben und Unten, von Vorn und Hinten sind nach <strong>de</strong>r<br />

gewöhnlichen Weise <strong>de</strong>s Gebrauches nicht von bestimmten morphologischen Verhältnissen<br />

abhängig, son<strong>de</strong>rn allein von <strong>de</strong>r Gruppirung und <strong>de</strong>r Wirkungsart<br />

<strong>de</strong>r Bewegungswerkzeuge. Das sogenannte vor<strong>de</strong>re o<strong>de</strong>r obere En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s einen<br />

Thieres entspricht daher <strong>de</strong>nn auch oft <strong>de</strong>m hintern o<strong>de</strong>r untern eines an<strong>de</strong>rn.<br />

Wie sehr ungenügend und verwirrend eine solche Bezeichnung sei, leuchtet ein.<br />

In<strong>de</strong>ssen ist unsere Terminologie gegenwärtig noch nicht so weit vorgeschritten,<br />

die betreffen<strong>de</strong>n Bezeichnungen überall entbehren zu können.


54<br />

Am <strong>de</strong>utlichsten ist solches unter <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen bei<br />

jenen merkwürdigen Formen |<strong>de</strong>r Holothurien, bei <strong>de</strong>nen bereits<br />

eine eigene, <strong>de</strong>m Fuss <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n vergleichbare<br />

Bauchscheibe sich entwickelt hat, bei <strong>de</strong>n Psolinen. Hier<br />

verläuft, wie ich bei einer Cuvieria <strong>de</strong>s hiesigen physiologischen<br />

Institutes sehe, in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>r Bauchfläche<br />

einer jener fünf von <strong>de</strong>m knöchernen Schlundring ausstrahlen<strong>de</strong>n<br />

Längsmuskeln, welche, wie z. B. Pentacta <strong>de</strong>utlich<br />

zeigt, unter <strong>de</strong>n stumpfen Längskanten <strong>de</strong>s Leibes sich hinerstrecken.<br />

— Diese letztern entsprechen in morphologischer<br />

Hinsicht <strong>de</strong>n fünf Armen <strong>de</strong>r Seesterne. Die Medianlinie <strong>de</strong>r<br />

Bauchfläche wür<strong>de</strong> danach <strong>de</strong>nn auch hier mit <strong>de</strong>m einen<br />

dieser fünf Arme coincidiren. Die vier an<strong>de</strong>rn Arme wür<strong>de</strong>n<br />

als paarige Elemente auf die bei<strong>de</strong>n seitlichen Hälften <strong>de</strong>s<br />

Körpers sich vertheilen, <strong>de</strong>rgestalt, dass die bei<strong>de</strong>n äusserslen<br />

<strong>de</strong>rselben, die <strong>de</strong>m unpaaren Arme am entferntesten liegen,<br />

<strong>de</strong>r Rückenfläche <strong>de</strong>s Leibes angehören.<br />

Die Bestimmung übrigens, welcher <strong>de</strong>r fünf peripherischen<br />

Strahlen <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen <strong>de</strong>r Bauchslrahl sei, ist<br />

nicht überall ganz leicht. Bei <strong>de</strong>n Holothurien wird man<br />

sich hierbei am besten nach <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r innern Kiemen<br />

zu richten haben. Sie sind wirkliche seitlich symmetrische<br />

Gebil<strong>de</strong>, wie ich bei Cuvieria sehe. Derjenige Strahl also,<br />

<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Mitte zwischen ihnen verläuft, ist <strong>de</strong>r unpaarige<br />

Bauchstrahl.<br />

Schwieriger ist diese Bestimmung bei <strong>de</strong>n Actinozoen<br />

und <strong>de</strong>n Pelmatozoen. Vielleicht, dass hier die nicht selten<br />

mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r excentrische Lage <strong>de</strong>s Afters Auskunft<br />

giebt, obgleich <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>nselben hindurchgehen<strong>de</strong> Radius<br />

häufig nicht unmittelbar einen Strahl berührt, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>m<br />

Zwischenraum zweier Strahlen entspricht. Die hierin sich<br />

aussprechen<strong>de</strong>n Verschie<strong>de</strong>nheiten <strong>de</strong>uten offenbar auf eine<br />

Störung <strong>de</strong>r lateralen Symmetrie, wie sie gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Lage<br />

<strong>de</strong>s Afters auch sonst so häufig sich ausspricht — ein Verhältniss,<br />

welches hier aber die Entscheidung <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Frage be<strong>de</strong>utend erschwert.


55<br />

So viel aber scheint gewiss, dass bei <strong>de</strong>n fünfstrahligen<br />

Echino<strong>de</strong>rmen beständig <strong>de</strong>r eine Strahl als Bauchstrahl anzusehen<br />

sei. Ob ein analoges Verhältniss auch bei <strong>de</strong>n<br />

Coelenteraten sich vorfin<strong>de</strong>, ist von vorn herein nicht zu bestimmen.<br />

Unmöglich ist es nicht, obgleich die Verschie<strong>de</strong>nheit<br />

in <strong>de</strong>r vorherrschen<strong>de</strong>n Zahl <strong>de</strong>r peripherischen Glie<strong>de</strong>rung<br />

uns zu einer vorsichtigen Prüfung auffor<strong>de</strong>rn muss.<br />

Fän<strong>de</strong>n wir übrigens auch hier, dass die Bauchfläche ebenfalls<br />

durch <strong>de</strong>n Verlauf eines einzigen Strahles bestimmt ist,<br />

so wür<strong>de</strong>n wir <strong>de</strong>n entgegenliegen<strong>de</strong>n Strahl als Rückenstrahl,<br />

die bei<strong>de</strong>n zwischenliegen<strong>de</strong>n als symmetrische Seitenstrahlen<br />

zu betrachten haben.<br />

Zur Entscheidung dieses Verhältnisses halten wir uns auch<br />

hier an diejenigen Fälle, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r strahlige Typus mit einer<br />

seitlich symmetrischen Anordnung combinirt ist. Wir betrachten<br />

die Rippenquallen. Bei diesen sehen wir, dass die Fangfä<strong>de</strong>n,<br />

die, wie schon oben angeführt wur<strong>de</strong>, als paarige Elemente<br />

erscheinen, in <strong>de</strong>n Zwischenräumen zwischen je zwei gegenüberliegen<strong>de</strong>n<br />

Paaren von Rippen angebracht sind. Schliessen<br />

wir nun nach <strong>de</strong>r Analogie, dass die Fangfä<strong>de</strong>n, ihrer symmetrischen<br />

Entwicklung wegen, <strong>de</strong>n Seitenflächen angehören,<br />

so fin<strong>de</strong>n wir ein Verhältniss, abweichend von <strong>de</strong>m Verhältniss<br />

bei <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen l ). Die vier Rippen <strong>de</strong>r Coelenteraten<br />

sind alle vier paarige Elemente, von <strong>de</strong>nen zwei die<br />

Bauchfläche, die zwei an<strong>de</strong>rn die Rückenfläche begrenzen.<br />

So viel über die Relation <strong>de</strong>s radiären Typus mit <strong>de</strong>m<br />

seitlich symmetrischen. Wen<strong>de</strong>n wir uns jetzt wie<strong>de</strong>rum zu<br />

<strong>de</strong>n Würmern. Zunächst von <strong>de</strong>r typischen Anordnung dieser<br />

Thiere.<br />

Dass für <strong>de</strong>n Augenblick eine genügen<strong>de</strong>, hinreichend weite<br />

und dabei doch scharfe Begrenzung <strong>de</strong>s Typus <strong>de</strong>r Würmer<br />

noch nicht möglich ist, geht schon daraus hervor, dass die<br />

Sipunculi<strong>de</strong>n so häufig <strong>de</strong>nselben zugesellt wer<strong>de</strong>n. Vielleicht<br />

<strong>de</strong>utet solches darauf hin, dass die Abtheilung <strong>de</strong>r Würmer<br />

1) Offenbar ein neuer Grund für die gänzliche Trennung <strong>de</strong>r Coelenteraten von <strong>de</strong>n<br />

Echino<strong>de</strong>rmen.


56<br />

in gegenwärtigem Umfang noch keineswegs eine ganz natürliche<br />

sei. Die morphologische Auffassung fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r Gleichförmigkeit<br />

<strong>de</strong>s Körperbaues, die trotz aller Manchfaltigkeit<br />

<strong>de</strong>r Formen bei <strong>de</strong>n Würmern vorherrscht, bis jetzt wenigstens<br />

noch nicht überall einen sichern Angriffspunkt.<br />

Was vielleicht als am meisten charakteristisch für die Würmer<br />

sich anführen lässt, ist das gewöhnlich sehr augenfällige<br />

Vorherrschen <strong>de</strong>r Längendimension bei einer fast überall ganz<br />

vollkommenen lateralen Symmetrie. In <strong>de</strong>r Richtung vom<br />

Rücken nach <strong>de</strong>m Rauch zu ist <strong>de</strong>r Körper <strong>de</strong>r Würmer<br />

fast beständig <strong>de</strong>primirt, doch in verschie<strong>de</strong>nem Gra<strong>de</strong> und<br />

gewöhnlich ohne dass die Bauchlläche vor <strong>de</strong>r Ruckenfläche<br />

äusserlich auf eine auffallen<strong>de</strong> Weise verschie<strong>de</strong>n sei. Geglie<strong>de</strong>rte<br />

Locomotionswerkzeuge fehlen beständig.<br />

Was die Anordnung <strong>de</strong>r innern Organe betrifft, so<br />

zeigt auch diese mit sehr wenigen Ausnahmen eine strenge<br />

seitliche Symmetrie, wie sie unter <strong>de</strong>n wirbellosen Thieren<br />

nur noch bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n gefun<strong>de</strong>n wird, von <strong>de</strong>nen<br />

die Würmer durch die bereits oben erwähnten Charaktere<br />

sich genugsam unterschei<strong>de</strong>n. Der Darmkanal, <strong>de</strong>r nur in<br />

einigen wenigen Gruppen, wie wir noch weiter unten anführen<br />

wollen, fehlt und dann von <strong>de</strong>r Leibeshöhle vertreten wird<br />

(wie bei vielen Coelenteraten), verläuft in <strong>de</strong>r Regel ganz<br />

gera<strong>de</strong> und stets ohne ein beson<strong>de</strong>res Mesenterium vom vor<strong>de</strong>m<br />

En<strong>de</strong> hinab bis zum hintern, wo er mün<strong>de</strong>t. Nur selten<br />

ist die Afteröflhung weiter nach vorn zu gerückt (wie auch<br />

unter <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen bei Sipunoulus, unter <strong>de</strong>n Crustaceen<br />

bei Lepas u. e. a.). Mitunter fehlt auch ein After. In<br />

letzterm Fall zeigt übrigens <strong>de</strong>r Darm gewöhnlich eine mehr<br />

o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r ansehnliche seitliche Verästelung, wie beson<strong>de</strong>rs<br />

bei <strong>de</strong>n Tremato<strong>de</strong>n. Eine parenchymatöse Leber fin<strong>de</strong>t<br />

sich bei keinem Wurm. Das Gefässsystem besteht entwe<strong>de</strong>r<br />

aus verschie<strong>de</strong>nen unter sich communiciren<strong>de</strong>n und geschlossenen<br />

Längsstämmen o<strong>de</strong>r wird auch wohl von <strong>de</strong>r Leibeshöhle<br />

vertreten. Als Respirationsorgane functioniren theils<br />

die äussere Haut, theils aber auch <strong>de</strong>ren verschie<strong>de</strong>nartige


57<br />

Anhänge a ). Der Genitalapparat zeigt eine grosse Manchfaltigkeit,<br />

ist aber, wo er vorkommt (in manchen Fällen nämlich<br />

fehlt er, und dann bil<strong>de</strong>n sich Spermatozoon, wie Eier frei 2 )<br />

in <strong>de</strong>r Leibeshöhle), beständig in gleicher Entwicklung auf<br />

bei<strong>de</strong> Seilenhälften <strong>de</strong>s Leibes vertheilt Ueber die Anwendung<br />

<strong>de</strong>s Nervensystems ist bereits oben das Nöthige beigebracht<br />

wor<strong>de</strong>n.<br />

Eine Folge <strong>de</strong>s meistens so sehr augenfälligen Vorherrschen<br />

<strong>de</strong>r Längendimension in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s Körpers bei<br />

<strong>de</strong>n Würmern ist, wie schon angeführt, die Ten<strong>de</strong>nz zur<br />

Bildung von mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r zahlreichen morphologisch<br />

einan<strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Abschnitten, die, als sogenannte<br />

Segmente, in einfacher Reihe hinter einan<strong>de</strong>r liegen und<br />

gewissermaassen <strong>de</strong>n ganzen Körper vielfach wie<strong>de</strong>rholen.<br />

Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich ausgesprochen ist eine solche Ten<strong>de</strong>nz<br />

bei <strong>de</strong>n höher entwickelten Würmern, bei <strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n,<br />

doch nicht allein auf diese beschränkt. Es zeigt sich übrigens<br />

dieses Verhalten nicht bloss in <strong>de</strong>r äussern Form. Sehr allgemein,<br />

oft sogar noch augenfälliger, spricht es sich auch in<br />

<strong>de</strong>n einzelnen Systemen und Organtheilen aus, während es<br />

hier bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n, die äusserlich eine analoge Glie<strong>de</strong>rung<br />

zeigen, fast vollkommen erloschen ist. Im innigsten<br />

Zusammenhang steht diese Erscheinung mit <strong>de</strong>m ganzen gegenseitigen<br />

Verhältniss <strong>de</strong>r Körpersegmente, welches bei <strong>de</strong>n<br />

Würmern und Arthropo<strong>de</strong>n so sehr verschie<strong>de</strong>n ist. In <strong>de</strong>n<br />

letztern zeigt sich unter <strong>de</strong>n einzelnen Segmenten ein ganz<br />

constantes, unabän<strong>de</strong>rliches Zahlen- und Abhängigkeits-Verhältniss,<br />

beherrscht von <strong>de</strong>m einheitlichenPrincip <strong>de</strong>s Körpers;<br />

in <strong>de</strong>n erstem dagegen fin<strong>de</strong>t sich bloss eine in schwanken<strong>de</strong>m<br />

Numerus sich wie<strong>de</strong>rholen<strong>de</strong> Menge von Abschnitten, die<br />

im Wesentlichen auch anatomisch eine gleiche Entwicklung<br />

darbieten und <strong>de</strong>sshalb <strong>de</strong>nn auch eine viel grössere Selbst-<br />

1) Die sogenannten innern Respirationsorgane sind, selbst hei <strong>de</strong>n Lumbricinen,<br />

wahrscheinlich blosse Abson<strong>de</strong>rungswerkzeuge.<br />

2) Vergl. hierüber meinen Aufsatz: Ueber die Geschlechtsveehältnisse <strong>de</strong>r Kiemenwürmer<br />

in <strong>de</strong>n mehrfach schon citirten Beiträgen. S. 86.


58<br />

ständigkeit und Unabhängigkeit besitzen. In einigen Fällen,<br />

bei <strong>de</strong>n Cesto<strong>de</strong>n, wächst diese letztere bis zu einem solchen<br />

Gra<strong>de</strong>, dass man sehr wohl berechtigt ist, die einzelnen Segmente<br />

als eben so viele selbstständige, zu einer gemeinschaftlichen<br />

Colonie unter einan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>ne Thiere aufzufassen.<br />

Wo nun unter solchen Verhältnissen bei <strong>de</strong>n Würmern<br />

sich äusserlich am Körper bestimmte Anhänge vorfin<strong>de</strong>n, wie<br />

es nicht selten <strong>de</strong>r Fall ist, sind auch diese über alle Segmente<br />

gleichförmig und völlig symmetrisch verbreitet. Derlei<br />

Anhänge übrigens sind von verschie<strong>de</strong>ner Art. Theils sind<br />

dieselben blosse Epi<strong>de</strong>rmoidalgebil<strong>de</strong>, locale Entwicklungen<br />

<strong>de</strong>r Integumente von haken- o<strong>de</strong>r borslenförmiger Gestalt,<br />

<strong>de</strong>ren Vorkommen allein durch die eigenthümliche Beschaffenheit<br />

<strong>de</strong>r letztern möglich wird, und die in ähnlicher Entwicklung<br />

auf <strong>de</strong>n Chitinmembranen <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n (<strong>de</strong>nen auch<br />

in <strong>de</strong>r Structur die äussern Be<strong>de</strong>ckungen <strong>de</strong>r Würmer ähneln)<br />

sich wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n. Theils auch sind jene Anhänge förmliche,<br />

verschie<strong>de</strong>n gestaltete Ausstülpungen <strong>de</strong>r Leibeshülle, in <strong>de</strong>ren<br />

Bildung ausser <strong>de</strong>n äussern Be<strong>de</strong>ckungen noch <strong>de</strong>r Muskelschlauch<br />

<strong>de</strong>s Körpers mit seinen excitatorischen und nutritiven<br />

Elementen, <strong>de</strong>n Nerven und Gefässen, eingeht. Schon<br />

bei <strong>de</strong>n Coelenteraten und ebenfalls, wenngleich weniger<br />

allgemein, bei <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen sind Anhänge, wie diese<br />

letztern, vielfach (als sogenannte Tentakel) verbreitet, beson<strong>de</strong>rs<br />

im Umkreis <strong>de</strong>r Mundöffnung. Auch bei <strong>de</strong>n Würmern<br />

fin<strong>de</strong>n sie sich vorzugsweise, bei einigen, wie <strong>de</strong>n Bryozoen<br />

und manchen Capitibranchiaten, sogar ausschliesslich an dieser<br />

Stelle, während sie sonst noch gewöhnlich an <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Leibesringen, und zwar vollkommen symmetrisch, sich wie<strong>de</strong>rholen.<br />

Nach Form und Anordnung zeigen diese Gebil<strong>de</strong> manchfache<br />

Verschie<strong>de</strong>nheiten. Im Umkreis <strong>de</strong>s Mun<strong>de</strong>s sind sie<br />

gewöhnlich einfache, lange Fä<strong>de</strong>n von cylindrischer Gestalt<br />

(cirri tentaculares), während sie an <strong>de</strong>n Segmenten als einzelne<br />

seitliche Anhänge (pinnae, Ru<strong>de</strong>r) erscheinen, und hier in <strong>de</strong>r


59<br />

Regel aus je zweien Theilen, aus einem fa<strong>de</strong>nförmigen Cirrus<br />

und einer daneben gelegenen stumpfen Hervorragung (einem<br />

sogenannten Fusshöcker) bestehen, welche letztere auf ihrer<br />

Spitze dann ein Bün<strong>de</strong>l von Epi<strong>de</strong>rmoidalborsten trägt. In<br />

manchen Fällen fehlen übrigens solche Fusshöcker, während<br />

in an<strong>de</strong>rn sich daneben noch beson<strong>de</strong>re lanzett- o<strong>de</strong>r blattförmige<br />

Ausstülpungen entwickelt haben. Diese letzteren<br />

functioniren gewöhnlich als Kiemen. Wo sie vermisst wer<strong>de</strong>n,<br />

ist das Athemgeschäft auf an<strong>de</strong>re Anhangsgebil<strong>de</strong> übertragen,<br />

bald auf die Cirren o<strong>de</strong>r Tentakel, bald auch noch auf beson<strong>de</strong>re<br />

morphologisch ganz selbstständige Theile, die in<br />

paariger Anordnung auf <strong>de</strong>r Rückenfläche, meistens in <strong>de</strong>r<br />

Nähe <strong>de</strong>s vor<strong>de</strong>m Körperran<strong>de</strong>s, stehen.<br />

Sehr interessant ist es aber, dass jene äussern Anhänge<br />

am Körper <strong>de</strong>r Würmer (mit Ausnahme <strong>de</strong>r letzterwähnten<br />

Kiemen) nicht, wie bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n, bloss in einfacher<br />

Anzahl je<strong>de</strong>rseits vorkommen, son<strong>de</strong>rn entwe<strong>de</strong>r, wie z, B.<br />

die Haken am vor<strong>de</strong>m Körperen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Cesto<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r die<br />

Tentakel <strong>de</strong>rBryozoen, gleichmässig und in Form eines Kranzes<br />

die ganze Peripherie besetzen, o<strong>de</strong>r doch in übereinstimmen<strong>de</strong>r<br />

Weise an Rücken und Bauch sich wie<strong>de</strong>rholen. So die Borstenbün<strong>de</strong>l<br />

und Ru<strong>de</strong>rplatten.<br />

Ganz offenbar erinnert dieser Umstand an die bei <strong>de</strong>n<br />

Thieren mit radiärem Typus vorkommen<strong>de</strong>n Verhältnisse.<br />

Bauch und Rückenfläche sind augenscheinlich noch nicht in<br />

jenen schroffen Gegensatz getreten, wie wir bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n<br />

und auch bei <strong>de</strong>n Mollusken ihn vorfin<strong>de</strong>n. Neben<br />

<strong>de</strong>r durch die Mittellinie <strong>de</strong>s Rückens und <strong>de</strong>s Bauches verlaufen<strong>de</strong>n<br />

Längsebene, die bestimmend und maassgebend auf<br />

die Bildung und Entwicklung <strong>de</strong>r einzelnen Körpertheile einwirkt,<br />

haben wir in letzterm Fall morphologisch noch eine<br />

zweite Längsebene zu beachten, die unter rechtem Winkel<br />

mit jener sich kreuzt und durch die äussersten Grenzen <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n Seitenhälften <strong>de</strong>s Körpers hindurchgelegt ist l ). Bei<strong>de</strong><br />

1) Ehen solche zwei Ebenen in gleicher relativer Lage sind es, die wir hei <strong>de</strong>n<br />

Coelenteraten zu unterschei<strong>de</strong>n haben. Vergl. die frühern Bemerkungen auf S. 55.


60<br />

Ebenen haben eine gleiche morphologische Beziehung zu <strong>de</strong>n<br />

constituiren<strong>de</strong>n Bestandtheilen <strong>de</strong>s Körpers. Die in ihnen selbst<br />

entstehen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong> sind einfach, die seitlich anliegen<strong>de</strong>n<br />

aber doppelt, doch können auch solche doppelten Gebil<strong>de</strong><br />

späterhin einan<strong>de</strong>r entgegenwachsen und verschmelzen 1 ). Von<br />

<strong>de</strong>r wirklichen Existenz eines solchen Verhaltens in <strong>de</strong>n Seitentheilen<br />

<strong>de</strong>s Körpers liefern die zahlreichen Verschie<strong>de</strong>nheiten<br />

in <strong>de</strong>r Anordnung <strong>de</strong>r Ru<strong>de</strong>rplatten <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlichsten Beweis.<br />

In<strong>de</strong>ssen lässt es sich nicht verkennen, dass für <strong>de</strong>n ganzen<br />

typischen Bau <strong>de</strong>r Würmer die zweite, durch die Seitenhälften<br />

senkrecht gelegte Längsebene lange nicht eine so<br />

durchgreifen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung habe, als die erstere.<br />

Eine grosse Anzahl von Würmern entbehrt <strong>de</strong>r manchfachen<br />

bisher erwähnten Anhänge. Dafür aber fin<strong>de</strong>t sich<br />

bisweilen, in <strong>de</strong>r Klasse <strong>de</strong>r Tremato<strong>de</strong>n, ein an<strong>de</strong>res, morphologisch<br />

ganz eigenthümliches Anhangsgebil<strong>de</strong>, eine Saugscheibe,<br />

die als Locomotionsorgan dient und in <strong>de</strong>r Mittellinie<br />

<strong>de</strong>s Bauches gewöhnlich am hintern En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers<br />

gelegen ist, von da aber auch mitunter eine geringere o<strong>de</strong>r<br />

grössere Strecke weit nach vorn rückt. Auf ihrer untern<br />

freien Fläche trägt dieselbe zur leichtern Anheftung eine verschie<strong>de</strong>ne<br />

Zahl von rundlichen Vertiefungen, sogenannten Sauggruben,<br />

bald, wie bei <strong>de</strong>n Blutegeln, nur eine einzige, bald<br />

auch eine grössere Menge, sechs (Polystomum), acht (Octobothrium)<br />

u. s. w. In letzterm Fall stehen die Sauggruben ge<br />

wohnlich im Umkreis <strong>de</strong>r Scheibe, die dann auch meistens<br />

ihre rundliche Gestalt verloren hat und zwischen <strong>de</strong>n Gruben<br />

an <strong>de</strong>r Peripherie mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r tief gekerbt ist.<br />

Ein ähnlicher, <strong>de</strong>r Saugscheibe vielleicht entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Anhang an <strong>de</strong>r Rückenfläche <strong>de</strong>s vor<strong>de</strong>m Leibesen<strong>de</strong>s oberhalb<br />

<strong>de</strong>r Mundöffnung ist <strong>de</strong>r sogenannte Kopf bei <strong>de</strong>n<br />

1) Ueber diese bei <strong>de</strong>n Thieren mit lateralem Typus ganz allgemein herrschen<strong>de</strong>n<br />

Bildungsgesetze vergl. man v. B a e r, Entwicklungsgeschichte <strong>de</strong>r Thiere, I. S.<br />

170 u. 244, sowie meine Untersuchungen zur Anatomie und Morphologie <strong>de</strong>r<br />

Geschlechtsorgane S. 24.


6!<br />

Borstenwürmern. Mit <strong>de</strong>m Kopf <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n ist <strong>de</strong>rselbe<br />

keineswegs i<strong>de</strong>ntisch. Der letztere ist beständig aus <strong>de</strong>r Verschmelzung<br />

und <strong>de</strong>r Metamorphose einer grössern Anzahl<br />

von Segmenten hervorgegangen. Schwerlich wird man solches<br />

aber für <strong>de</strong>n sogenannten Kopf jener Würmer nachweisen<br />

können, selbst da nicht •), wo <strong>de</strong>rselbe, wie in einigen<br />

hieher gehören<strong>de</strong>n Thieren es <strong>de</strong>r Fall ist, geringelt erscheint<br />

o<strong>de</strong>r mit eigenen fa<strong>de</strong>nförmigen Anhängen versehen ist. Bei<br />

<strong>de</strong>n Lumbricinen ist dieses Gebil<strong>de</strong> als sogenannter Rüssel<br />

o<strong>de</strong>r Oberlippe bekannt. Auch bei manchen Hirudineen fin<strong>de</strong>t<br />

sich eine An<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Kopfes 2 ) und gera<strong>de</strong> hier ist es auch,<br />

wo die Analogie <strong>de</strong>sselben mit einer Saugscheibe sehr augenfällig<br />

hervortritt.<br />

Von einer abweichen<strong>de</strong>n morphologischen Be<strong>de</strong>utung ist<br />

wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>r sogenannte Kopf <strong>de</strong>r Cesto<strong>de</strong>n und Akanthocephalen,<br />

<strong>de</strong>r, wie es mir scheint, ganz einfach aus einer<br />

Umwandlung <strong>de</strong>s vor<strong>de</strong>m Körperen<strong>de</strong>s hervorgegangen ist,<br />

wie wir solche auch schon unter <strong>de</strong>n Scyto<strong>de</strong>rmen bei Sipunculus<br />

und beson<strong>de</strong>rs bei Phascolosoma antreffen.<br />

Von Interesse ist es übrigens, dass auch schon bei einigen<br />

Glie<strong>de</strong>rwürmern, bei <strong>de</strong>nen, wie oben angeführt wor<strong>de</strong>n, im<br />

Allgemeinen die Entwicklung <strong>de</strong>r einzelnen Segmente (gegenüber<br />

<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n vorkommen<strong>de</strong>n Verhältnissen)<br />

gleichmässig ist, eine bestimmte, wenn auch für <strong>de</strong>n<br />

ganzen Typus nur wenig charakteristische und be<strong>de</strong>utungsvolle<br />

Heteronomität sich hervorbil<strong>de</strong>t. Auf zweierlei verschie<strong>de</strong>ne<br />

Weise scheint dieses geschehen zu können. Ein Mal sind<br />

bisweilen die vor<strong>de</strong>m Leibessegrnente mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r<br />

verkümmert und oft sogar bis auf ihre Anhänge völlig ge-<br />

1) Auch <strong>de</strong>r Umstand bezeichnet keine grössere Analogie, dass dieser Kopf, ebenso<br />

wie <strong>de</strong>r Kopf <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n, ein sogenanntes Hirnganglion enthält. Es ist<br />

dies bei <strong>de</strong>n Würmern das Nackenganglion, welches nur weiter nach vorn emporgerückt<br />

ist.<br />

2) Unrecht ist es, wenn man <strong>de</strong>n sogenannten Capitibranchiaten ganz allgemein<br />

einen Kopf abspricht. Manche <strong>de</strong>rselben besitzen offenbar ein solches Anhangsgebil<strong>de</strong>,<br />

einige selbst in ganz ansehnlicher Entwicklung.


02<br />

seh wun<strong>de</strong>n '), während in an<strong>de</strong>rn Fällen, mitunter selbst<br />

gleichzeitig, die hintern Segmente es sind, die eine Umwandlung<br />

erlei<strong>de</strong>n und in Form eines beson<strong>de</strong>rn Körperanhanges<br />

(<strong>de</strong>n ich bei Hermella u. a., wo er vorkommt, als Postabdomen<br />

bezeichnet 2 ) habe) auftreten. Sehr augenfällig- ist die<br />

letztere Art <strong>de</strong>r Umformung beson<strong>de</strong>rs bei manchen Rotiferen,<br />

bei <strong>de</strong>nen Bur meist er 3 ) zum Theil hierin einen Grund für<br />

seine Behauptung über die Stellung dieser Thiere zu fin<strong>de</strong>n<br />

glaubte. In<strong>de</strong>ssen steht dieser Fall, wie gesagt, nicht allein<br />

in <strong>de</strong>r grossen Abtheilung <strong>de</strong>r Würmer. Dass <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong><br />

schwanzförmige Anhang aber wirklich aus einer Metamorphose<br />

von Segmenten hervorgegangen sei, wird durch <strong>de</strong>n<br />

Umstand bewiesen, dass <strong>de</strong>rselbe in vielen Fällen theils noch<br />

<strong>de</strong>utlich geringelt ist, theils auch — da jenes allein nicht<br />

entschei<strong>de</strong>nd genug sein wür<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m bisweilen, wie bei<br />

<strong>de</strong>n Lumbricen, auch <strong>de</strong>r Kopfanhang geringelt erscheint —<br />

vom Darmkanal durchsetzt wird.<br />

Die Entwicklung <strong>de</strong>r Würmer ist noch eben so wenig<br />

vollständig gekannt, wie die <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen. Wissen wir<br />

davon auch vielleicht eine grössere Menge von Specialitäten,<br />

so fehlt uns doch immer noch das Verständniss von <strong>de</strong>m<br />

Zusammenhang dieser einzelnen Erscheinungen. Für Systematik,<br />

wie für Morphologie, erwächst bisjelzt daraus nur in<br />

wenigen Fällen ein sicherer Anhaltspunkt.<br />

Die ersten Verän<strong>de</strong>rungen, <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Dotter nach <strong>de</strong>r<br />

Befruchtung unterliegt, sind dieselben, welche überhaupt in<br />

<strong>de</strong>r ganzen animalischen Welt sich vorfin<strong>de</strong>n. Der Dotter<br />

zerklüftet sich und wird durch Hülfe dieses Processes allmählig<br />

in eine Menge zelliger Elemente verwan<strong>de</strong>lt, die zum<br />

Aufbau <strong>de</strong>s Embryo dienen. Aber schon hierbei zeigt sich<br />

einige Verschie<strong>de</strong>nheit. In <strong>de</strong>m einen Falle nämlich, wie es<br />

1) Den specicllen Nachweis eines solchen Verhältnisses wird man in <strong>de</strong>n späterhin<br />

von mir (in <strong>de</strong>r Zeitschrift für Zoologie u. s. w. von Burmeister u. d'Alton)<br />

zu publieiren<strong>de</strong>n Beschreibungen einiger neuer (beson<strong>de</strong>rs isländische«-) Würmer<br />

fin<strong>de</strong>n.<br />

2) S. Beiträge u. s. w. S. 152.<br />

3) A. a. 0. S. 518.


«3<br />

scheint, bei <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Würmer, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r<br />

hoch entwickelten, betheiligt sich von Anfang an hierbei die<br />

ganze Masse dieser Zellen auf eine gleichmässige Weise. Der<br />

Embryo entsteht unter solchen Umstän<strong>de</strong>n mit seiner ganzen<br />

Leibesoberfläche auf einem Male, wie es auch bei <strong>de</strong>n Coelenteraten<br />

und Echino<strong>de</strong>rmen sich fin<strong>de</strong>t. In <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rn<br />

Fall dagegen l ) bil<strong>de</strong>t sich anfangs nur ein sogenannter Primitivtheil,<br />

<strong>de</strong>r erst im Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung, während er an<br />

Grösse und Aus<strong>de</strong>hnung zunimmt, <strong>de</strong>n ganzen Dotter umwächst<br />

und somit <strong>de</strong>nn auch erst allmählig <strong>de</strong>m Embryo<br />

Entstehen und Form giebt. Es entspricht jene Uranlage <strong>de</strong>rjenigen<br />

Körperfläche, welche morphologisch die grösste Dignität<br />

hat, <strong>de</strong>m Bauche, ganz wie bei <strong>de</strong>n Insekten, wo eine<br />

völlig übereinstimmen<strong>de</strong> Bildung stalthat. Dass übrigens dieser<br />

Umstand (wie Kölliker meint) hinreichen sollte, diejenigen<br />

Würmer, in <strong>de</strong>nen ein solcher Process vorkommt (die Kiemenwürmer<br />

und Hirudineen, so viel wir bis jetzt wissen), von<br />

<strong>de</strong>n übrigen zu trennen und wie<strong>de</strong>rum mit <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n<br />

zu vereinigen, möchte ich um so mehr bezweifeln, als wir<br />

noch kaum ein Mal vermuthen können, in welcher Aus<strong>de</strong>hnung<br />

solch ein Vorgang bei <strong>de</strong>n Würmern sich fin<strong>de</strong>t. Ueberdiess<br />

sehen wir auch in an<strong>de</strong>rn typischen Hauptabtheilungen<br />

<strong>de</strong>s Thierreiches (bei <strong>de</strong>n Mollusken) ganz dieselbe Verschie<strong>de</strong>nheit;<br />

bald eine gleichmässige Umwandlung <strong>de</strong>s ganzen<br />

Dotters in <strong>de</strong>n Leib <strong>de</strong>s Embryo, bald die Bildung eines<br />

Primitivtheils.<br />

In vielen Fällen gleicht <strong>de</strong>r Embryo schon in seiner ersten<br />

Geslalt <strong>de</strong>m ausgebil<strong>de</strong>ten Thier fast ganz vollkommen (Ascari<strong>de</strong>n,<br />

Planarien u. s. w.). Wo aber eine Glie<strong>de</strong>rung vorkommt,<br />

fehlt diese im Anfang beständig. Ebenso die manchfachen<br />

Anhänge <strong>de</strong>r einzelnen Segmente. Der Körper ist<br />

ursprünglich nur kurz und plump gebauet und ohne Gegensatz<br />

<strong>de</strong>r Rücken- und Bauchfläche. Erst allmählig streckt<br />

er sich, je nach <strong>de</strong>r Länge <strong>de</strong>s vollen<strong>de</strong>ten Wurmes allerdings<br />

1) Vergl. K o ch, Einige Worte über die Entwicklungsgeschichte von Eunice, mit<br />

einem Nachwort von Kölliker. Neuenburg 1846. S. 19.


64<br />

in verschie<strong>de</strong>nem Maasse, und plattet sich ab. Die Glie<strong>de</strong>rung<br />

• tritt entwe<strong>de</strong>r gleichmässig in ihrem ganzen Umfang ein, o<strong>de</strong>r<br />

bil<strong>de</strong>t erst nach und nach sich hervor. Das erstere fin<strong>de</strong>t<br />

sich (ausser <strong>de</strong>n Rotatorien) vorzugsweise bei <strong>de</strong>nHirudineen 1 ).<br />

So ziemlich zu gleicher Zeit, doch erst dann, nach<strong>de</strong>m das<br />

Thier bereits seine Eihüllen verlassen hat, bil<strong>de</strong>n sich hier<br />

über die ganze Länge <strong>de</strong>s Leibes die einzelnen Segmente, je<br />

mit einem Nervenknoten und einem Blindsack <strong>de</strong>s Darmes,<br />

da ja auch, wie wir schon oben angeführt haben, gewöhnlich<br />

die anatomischen Systeme <strong>de</strong>s Körpers, wie die äussere Haut,<br />

auf gleiche Weise zur Bildung beson<strong>de</strong>rer morphologischer<br />

Abschnitte sich hinneigen. Wenn übrigens, wie es häufig<br />

(beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Hirudineen) geschieht, späterhin diese<br />

Theile nochmals durch Querfurchung in eine grössere Anzahl<br />

von Ringeln zerfallen, so ist solches morphologisch von keiner<br />

grossen Be<strong>de</strong>utung. Die dadurch entstan<strong>de</strong>nen Ringel sind<br />

<strong>de</strong>n Segmenten nicht gleichzustellen.<br />

Auf eine an<strong>de</strong>re Weise entsteht die Glie<strong>de</strong>rung bei <strong>de</strong>n<br />

Chätopo<strong>de</strong>n (wenigstens bei <strong>de</strong>n Kiemenwürmern, da die Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r Lumbricinen noch unbekannt ist) und Cesto<strong>de</strong>n.<br />

Bei bei<strong>de</strong>n erlangt <strong>de</strong>r Leib erst durch eine successiv erfolgen<strong>de</strong><br />

Anbildung von Glie<strong>de</strong>rn seine endliche Vollendung.<br />

Anfangs ist <strong>de</strong>ren Zahl nur gering, späterhin oft sehr beträchtlich.<br />

In bei<strong>de</strong>n Gruppen zeigt übrigens <strong>de</strong>r Ort, an <strong>de</strong>m<br />

die Bildung <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r geschieht, eine Verschie<strong>de</strong>nheit. Während<br />

bei <strong>de</strong>n erstem das Hinterleibsen<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sitz dieser<br />

Neubildung ist, erscheint als solcher bei <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rn das<br />

Vor<strong>de</strong>ren<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers. Bei <strong>de</strong>n Chätopo<strong>de</strong>n sind die hintern<br />

Segmente (mit Ausnahme <strong>de</strong>s Aftersegmentes) die jüngsten,<br />

bei <strong>de</strong>n Bandwürmern die vor<strong>de</strong>m. Entsprechend diesem<br />

Verhältniss entwickeln sich auch die Anhänge <strong>de</strong>s Leibes<br />

bei <strong>de</strong>n Kiemenwürmern von vorn nach hinten, zuerst <strong>de</strong>r<br />

Kopf mit <strong>de</strong>n anliegen<strong>de</strong>n Cirren und Augen (welche letztere<br />

1) Grube, Untersuchungen über die Entwicklung <strong>de</strong>r Clepsinen. Königsberg 1844<br />

2) Man vergl. beson<strong>de</strong>rs die schönen Untersuchungen von Milne Edwards in<br />

<strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. natur. 1848. T. III. p. 145.


65<br />

auch <strong>de</strong>n Capitibranchiaten, die im ausgebil<strong>de</strong>ten Zustan<strong>de</strong><br />

meist blind sind, in <strong>de</strong>n ersten Phasen <strong>de</strong>r Entwicklung ganz<br />

allgemein zukommen), später die Ru<strong>de</strong>rplatten, die erst allmählig<br />

in Fusshöcker und Gliedfä<strong>de</strong>n sich son<strong>de</strong>rn, zuletzt<br />

die Kiemen.<br />

Neben einer <strong>de</strong>rartigen Metamorphose fin<strong>de</strong>t sich in <strong>de</strong>r<br />

Abtheilung <strong>de</strong>r Würmer aber auch wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r merkwürdige<br />

Vorgang <strong>de</strong>s Generationswechsels, beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Tremato<strong>de</strong>n,<br />

wo er zuerst von Steenstrup erkannt wur<strong>de</strong>, doch<br />

auch, nach Miescher und van Bene<strong>de</strong>n 1 ), bei einigen<br />

Cesto<strong>de</strong>n. Die Ammen, die in erster Generation eine infusorienarlige,<br />

in <strong>de</strong>n spätem schon eine wurmförmige Gestalt<br />

besitzen, erzeugen durch eine Knospenbildung in ihrem Innern<br />

(bei Distomum) eine zahlreiche Brut sogenannter Cercarien,<br />

die sich förmlich einpuppen und erst nach Verlust <strong>de</strong>s<br />

hintern, schwanzartigen Anhanges <strong>de</strong>n Multerthieren gleich<br />

wer<strong>de</strong>n. Auch <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Bryozoen scheint eine solche<br />

Fortpflanzung durch wechseln<strong>de</strong> Generationen nicht fremd zu<br />

sein. Hierauf <strong>de</strong>uten wenigstens die Angaben von M e y e n 2 ) und<br />

v. S i e b o 1 d 3 ), dass bei Alcyonella und Cristatella im Innern<br />

<strong>de</strong>r infusorienartigen Embryonen, noch bevor diese die Ei-.<br />

schale verlassen haben, je zwei <strong>de</strong>n elterlichen Individuen<br />

gleiche Thiere sich bil<strong>de</strong>n, die aber auffallen<strong>de</strong>r Weise beständig<br />

von <strong>de</strong>r Haut ihres Ammenthieres umhüllt bleiben,<br />

in<strong>de</strong>m diese in die Bildung <strong>de</strong>r äussern Schale mit eingeht.<br />

Uebrigens ist es mir sehr zweifelhaft, dass dieser Generationswechsel<br />

über alle Bryozoen sich erstreckt. Bei <strong>de</strong>n Embryonen<br />

einer Tubulipora wenigstens, welche ich auf Helgoland<br />

beobachtet habe, fand ich davon keine Spur. Es hatten<br />

diese eine kurze, cylindrische Gestalt. In <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>r abgeflachten<br />

Kopfscheibe zeigten sie eine rundliche Oeffnung,<br />

in <strong>de</strong>ren Umkreis einzelne höckerförmige Hervorragungen (die<br />

1) Bullet, <strong>de</strong> l'acad. roy. <strong>de</strong> Belg. T. XIV. Un mot sur le mo<strong>de</strong> <strong>de</strong> reproduct. <strong>de</strong>s<br />

anim. infer. p. 18.<br />

2) Oken's Isis. 1828. S. 1228.<br />

3) A. a. 0, S. 54.<br />

5


66<br />

ersten Spuren <strong>de</strong>r Arme?) sich vorfan<strong>de</strong>n. Aeusscrlich wur<strong>de</strong>n<br />

sie, wie die Embryonen <strong>de</strong>r meisten Würmer, von einem<br />

Flimmerepithelium beklei<strong>de</strong>t').<br />

Nach diesen Bemerkungen über die <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r<br />

Würmer im Allgemeinen zukommen<strong>de</strong>n morphologischen Verhältnisse<br />

wen<strong>de</strong>n wir uns zu <strong>de</strong>r Betrachtung <strong>de</strong>r hauptsächlichsten<br />

Modificalionen, <strong>de</strong>ren diese fähig sind, vorzugsweise<br />

um dadurch die einzelnen grössern und kleinern<br />

natürlichen Gruppen <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Abtheilung festzustellen<br />

und nach ihrem gegenseitigen Werthe abzuschätzen.<br />

Die bei<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Bryozoen und Rotiferen in <strong>de</strong>m Kreise<br />

<strong>de</strong>r Würmer von mir vereinigten Cuvier sehen Klassen <strong>de</strong>r Entozoa<br />

und Anneli<strong>de</strong>s sind, wie schon oben erwähnt ist, nichts weniger<br />

als natürlich. Sie sind keineswegs gegen einan<strong>de</strong>r streng<br />

und völlig abgegrenzt. Ich kann <strong>de</strong>nn auch <strong>de</strong>sshalb <strong>de</strong>r<br />

Ansicht <strong>de</strong>rjenigen Zoologen nicht beistimmen, welche die<br />

Würmer ganz einfach in diese bei<strong>de</strong>n Gruppen abtheilen<br />

und <strong>de</strong>nselben höchstens als eine dritte gleichwerthige Gruppe<br />

die Klasse <strong>de</strong>r Rotiferen hinzufügen (Grant, Milne Edwards<br />

2 ) u. A.).<br />

Wenn auch letztere immerhin, wie ich glaube, zusammen<br />

mit <strong>de</strong>n Bryozoen eine beson<strong>de</strong>re Klasse darstellen, so können<br />

doch auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite Anneli<strong>de</strong>n und Entozoen nicht<br />

vollkommen aus einan<strong>de</strong>r gehalten wer<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong> zeigen in<br />

manchen Formen eine so innige Verwandtschaft, dass die<br />

natürliche Systematik dieselbe nicht vernachlässigen darf.<br />

Die von Cuvier stammen<strong>de</strong> Eintheilung <strong>de</strong>r Entozoa<br />

in Nematoi<strong>de</strong>a und Parenchymotosa ist gewiss eine sehr unglückliche<br />

und wohl gänzlich aufzugeben. Viel beachtungs-<br />

1) Ganz von ähnlicher Form und Beschaffenheil sind die Embryonen von Alcyoni-<br />

dium gelatinosum (Halodactylus diaphanus A. F.) nach <strong>de</strong>n Beobachtungen von<br />

A. Farre (1. c.)<br />

2) Neuerlich (Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1846. T. IV p. 295) hat Milne Edwards<br />

abweichend hiervon die Rotiferen mit <strong>de</strong>n Cuvierschen Rothwürmern in einer<br />

Klasse <strong>de</strong>r Anneli<strong>de</strong>s vereinigt, dabei aber das merkwürdige Gen. Peripatus von<br />

<strong>de</strong>n Chätopo<strong>de</strong>n getrennt und mit <strong>de</strong>n Entozoen in einer Klasse <strong>de</strong>r Plcuroneres<br />

zusammengestellt.


67<br />

werther ') ist die Classification von (Ze<strong>de</strong>r und) Rudolphi,<br />

nach welcher die Helminthen in die Ordnungen <strong>de</strong>r Nemato<strong>de</strong>s,<br />

Acanthocephali, Tremato<strong>de</strong>s, Cesto<strong>de</strong>s und Cystici zerfallen.<br />

Sämmtliche Gruppen, mit Ausnahme <strong>de</strong>r Cystici, die<br />

von <strong>de</strong>n Cesto<strong>de</strong>n nicht verschie<strong>de</strong>n sind und sicherlich blosse<br />

<strong>de</strong>generirte und verkümmerte Formen letzterer Würmer 2 )<br />

enthalten, sind alle sehr natürlich, obgleich dieselben- zum<br />

Theil unter sich wie<strong>de</strong>rum zu einer gemeinsamen grössern<br />

Abtheilung zusammengehören, zum Theil aber auch mit verschie<strong>de</strong>nen<br />

von Cuvier zu <strong>de</strong>n Rothwürmern gestellten Formen<br />

vereinigt wer<strong>de</strong>n müssen. Was die letztem betrifft, so<br />

hat zuerst Savigny darauf aufmerksam gemacht, wie unpassend<br />

von Cuvier die Hirudineen mit <strong>de</strong>n Lumbricinen<br />

(aus welchen bei<strong>de</strong>n Cuvier die gemeinschaftliche Ordnung<br />

<strong>de</strong>r Abranchia gemacht hatte) und <strong>de</strong>n übrigen Anneli<strong>de</strong>n<br />

zusammengestellt seien. Später hat Blainville 3 ) dieselben<br />

davon gänzlich getrennt und mit verschie<strong>de</strong>nen Helminthen<br />

in einer Klasse <strong>de</strong>r Apo<strong>de</strong>s vereinigt, die er <strong>de</strong>n übrigen<br />

Rothwürmern (<strong>de</strong>n Chetopo<strong>de</strong>s) entgegenstellte, während er<br />

aus <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>r Entozoen eine dritte gleichwerthige Klasse<br />

<strong>de</strong>r. Subannelidaires bil<strong>de</strong>te. Wenn nun auch die in einem<br />

solchen Verfahren ausgesprochene Ten<strong>de</strong>nz vollkommen gebilligt<br />

wer<strong>de</strong>n muss, so können doch die Klassen <strong>de</strong>r Apo<strong>de</strong>s<br />

und Subannelidaires nicht länger als natürliche Gruppen bestehen.<br />

In <strong>de</strong>r erstem treffen wir neben <strong>de</strong>n Hirudineen<br />

und einigen Tremato<strong>de</strong>n auch die Nemato<strong>de</strong>n und Akanthocephalen<br />

(mit <strong>de</strong>n Sipunculi<strong>de</strong>n), in <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn die Turbellarien,<br />

Cesto<strong>de</strong>n und Tremato<strong>de</strong>n — Formen, <strong>de</strong>ren Verschie-<br />

1) Für sehr verfehlt halte ich ebenfalls die neuerlich von B1 a n ch a r d (Annal. <strong>de</strong>s scienc.<br />

nat. 1847. T. vn. p. 105) vorgeschlagene Classification <strong>de</strong>r Cuvierschen En­<br />

tozoen. Die Vereinigung <strong>de</strong>r Nemato<strong>de</strong>n und Akanthocephalen einer Seits, die<br />

Trennung <strong>de</strong>r Nemertinen von <strong>de</strong>n Turbellarien und Tremato<strong>de</strong>n, sowie <strong>de</strong>r<br />

Akanthothecen von <strong>de</strong>n Nemato<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rer Seits kann ich nicht billigen.<br />

2) Vergl. meine Beobachtungen und Reflexionen über die Naturgesch. <strong>de</strong>r Blasen­<br />

würmer in Wiegmann's Arch. 1848. Th. I. S. 7.<br />

3) De l'organisat. <strong>de</strong>s anim. etc. T. I. — L. c.<br />

5*


6g<br />

<strong>de</strong>nheit gewiss bei einer je<strong>de</strong>n nähern Betrachtung leicht<br />

auffallen wird.<br />

Von allen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Versuchen, Entozoen und<br />

Anneli<strong>de</strong>n in ihre natürlichen Abtheilungen zu zerlegen, halte<br />

ich <strong>de</strong>n Versuch von Burmeister 1 ) bei Weitem für <strong>de</strong>n<br />

glücklichsten. Die von diesem sehr trefflichen Zoologen bei<br />

<strong>de</strong>n Würmern unterschie<strong>de</strong>nen Gruppen <strong>de</strong>r Helminlhes, Tremato<strong>de</strong>s<br />

und Annulati, die nach ihrer systematischen Be<strong>de</strong>utung<br />

als eben so viele Klassen erscheinen möchten, sind nach<br />

meiner Ansicht im Wesentlichen ganz richtig und durch bestimmte,<br />

sehr beachtenswerthe Charaktere in Form und Bau<br />

zusammengehalten. Nur in einzelnen untergeordneten Verhältnissen<br />

schien es hie und da mir nöthig, von <strong>de</strong>n Ansichten<br />

Burmeister's abzuweichen. Die Bryozoen uud Rotiferen<br />

sind übrigens in <strong>de</strong>m Systeme <strong>de</strong>s Letztern von <strong>de</strong>n<br />

Würmern ausgeschlossen. In <strong>de</strong>m Vorherbemerkten in<strong>de</strong>ssen<br />

wird man es gerechtfertigt fin<strong>de</strong>n, wenn ich nicht bloss dieselben<br />

<strong>de</strong>m Typus dieser Thiere zurechne, son<strong>de</strong>rn sie auch<br />

in einer gemeinschaftlichen Klasse, als Ciliati (von <strong>de</strong>r sehr<br />

entwickelten Flimmerbekleidung <strong>de</strong>s Tentakelapparates und<br />

<strong>de</strong>m entsprechen<strong>de</strong>n Rä<strong>de</strong>rorgan), zusammenfasse.<br />

Die erste dieser Klassen, für die ich hier <strong>de</strong>n Namen<br />

<strong>de</strong>r Anenterati 2 ) vorschlage, da die von Burmeister<br />

gewählte Bezeichnung <strong>de</strong>r Helminthes gewöhnlich für die ganze<br />

Gruppe <strong>de</strong>r Entozoen gebraucht wird, umfasst die bei<strong>de</strong>n<br />

Ordnungen <strong>de</strong>r C e s t o d e s und Acanthocephali, In <strong>de</strong>m Bau<br />

<strong>de</strong>s Nervensystems 3 ) und <strong>de</strong>s Nutrilionsapparates zeigen bei<strong>de</strong><br />

im Allgemeinen eine völlige Uebereinstimmung. Selbst <strong>de</strong>r<br />

Körperbau ist in bei<strong>de</strong>n Gruppen ganz ähnlich. Ueberall ist<br />

<strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>re Theil <strong>de</strong>s Leibes auf eine gleichmässige Weise<br />

zu einem eigenthümlichen Abschnitte, zu <strong>de</strong>m sogenannten<br />

Kopfe, umgestaltet und mit Ha/twerkzeugen versehen, bald<br />

mit Sauggruben, bald mit Haken, bald auch mit bei<strong>de</strong>rlei<br />

1) A. .. 0. S. 524.<br />

2) Von liva, ohne, J. eVrfpo'j, Darm.<br />

3) Vergl. Blanchard 1. c.


69<br />

Gebil<strong>de</strong>n zugleich. Allerdings fehlt <strong>de</strong>n Akanthocephalen die<br />

platte Form <strong>de</strong>s Leibes und eine Glie<strong>de</strong>rung, wie sie <strong>de</strong>n<br />

Bandwürmern zukommt, doch kann solches um so weniger<br />

einen fundamentalen Unterschied bedingen, als eine cylindrische<br />

Form <strong>de</strong>s Leibes bei gleichzeitiger Abwesenheit einer Glie<strong>de</strong>rung<br />

mitunter schon unter <strong>de</strong>n Cesto<strong>de</strong>n (bei Tetrarhynchus)<br />

sich fin<strong>de</strong>t. Auch zeigt sich die Verwandtschaft dieser bei<strong>de</strong>n<br />

Ordnungen in <strong>de</strong>r sehr übereinstimmen<strong>de</strong>n Form <strong>de</strong>r Embryonen<br />

z. B. von Echinorhynchus l ) und Taenia 2 ). Ein Darmkanal<br />

fehlt in <strong>de</strong>r ganzen Klasse <strong>de</strong>r Anenteraten. Statt<br />

<strong>de</strong>ssen fin<strong>de</strong>t man bei <strong>de</strong>n Bandwürmern ein doppeltes System<br />

von Gefässen, die im Körper sich verbreiten, eines tief im<br />

Parenchym <strong>de</strong>s Leibes eingebettet, mit weiten Längskanälen<br />

je<strong>de</strong>rseits, die unter einan<strong>de</strong>r anastomosiren, das an<strong>de</strong>re unter<br />

<strong>de</strong>rHautgelegen, ein zartes Maschennetz 3 ). Die Stelle <strong>de</strong>s Darmes<br />

bei <strong>de</strong>n Akanthocephalen dagegen, so vermuthet man, vertritt<br />

nur ein einziges subcutanes Gefässnetz (ohne beson<strong>de</strong>re Wandungen).<br />

In diesem nun möchte ich ein Analogon <strong>de</strong>s eben<br />

erwähnten zweiten Gefässnetzes <strong>de</strong>r Cesto<strong>de</strong>n erblicken.<br />

Eine Differenz zwischen bei<strong>de</strong>n Ordnungen aber beruht<br />

nach <strong>de</strong>r gegenwärtig ganz allgemein üblichen Anschauungsweise<br />

in <strong>de</strong>m Umstän<strong>de</strong>, dass die Hakenwürmer eine sehr<br />

geräumige Leibeshöhle besitzen, die <strong>de</strong>n Bandwürmern fehlt.<br />

In<strong>de</strong>ssen sind wir zu <strong>de</strong>r letztern Annahme so ganz unbedingt<br />

berechtigt? Wäre es unmöglich, dass das centrale<br />

Gefässsystem <strong>de</strong>r Cesto<strong>de</strong>n die morphologische Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>r Leibeshöhle besässe? Könnte diese nicht durch eine<br />

übermässige Entwicklung <strong>de</strong>s Körperparenchyms auf analoge<br />

1) So nach v. Sicbold, a. a. 0. S. 156.<br />

2) Nach einer brieflichen Mittheilung von Dr. Stein in Berlin wer<strong>de</strong>n die bei <strong>de</strong>n<br />

Embryonen <strong>de</strong>r Tänien sich vorfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Haken nicht unmittelbar in <strong>de</strong>n be­<br />

kannten Hakenkranz <strong>de</strong>r erwachsenen Thiere umgewan<strong>de</strong>lt. Der letztere ent­<br />

steht vielmehr durch eine Neubildung, durch welche die entsprechen<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Form<br />

nach in<strong>de</strong>ssen abweichen<strong>de</strong> embryonale Bewaffnung <strong>de</strong>s vor<strong>de</strong>m Körperen<strong>de</strong>s er­<br />

setzt wird.<br />

3) So nach <strong>de</strong>n Untersuchungen von E s ch r i ch t bei Bothriocephalus und von mir<br />

(Wagner's Zootomie. Th. II. S. 625) bei Caryophyllaeus.


70<br />

Weise, wie bei <strong>de</strong>n ausgebil<strong>de</strong>ten Akalephen, bis auf einen<br />

innern gefässartigen Apparat zurückgedrängt sein? Ich muss<br />

offen gestehen, eine <strong>de</strong>rartige Deutung scheint mir sehr natürlich.<br />

Es steht <strong>de</strong>rselben wenigstens nach meinem Erachten<br />

kein wesentliches Hin<strong>de</strong>rniss entgegen. Die Auskleidung<br />

<strong>de</strong>r Leibeshöhle könnte dann immerhin bei <strong>de</strong>n Cesto<strong>de</strong>n<br />

eine grössereEntwicklung und Selbstständigkeit erreicht haben,<br />

so dass sie sogar zu eigenen Contractionen befähigt wür<strong>de</strong>,<br />

um die Bewegung <strong>de</strong>r in ihr enthaltenen Ernährungsflüssigkeit<br />

zu vermitteln. Zugleich wür<strong>de</strong> dadurch <strong>de</strong>r Genitalapparat,<br />

wie es ja auch schon bei <strong>de</strong>n Akalephen <strong>de</strong>r Fall<br />

ist, seine Lage im Innern <strong>de</strong>r Leibeshöhle verloren haben<br />

und von <strong>de</strong>m Körperparenchym umschlossen wer<strong>de</strong>n können.<br />

Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n bliebe dann zwichen <strong>de</strong>n Akanthocephalen<br />

und <strong>de</strong>n Cesto<strong>de</strong>n, wenn wir von <strong>de</strong>r ungleichmassigen<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Leibeshöhle absehen, nur noch eine<br />

Verschie<strong>de</strong>nheit in <strong>de</strong>r Anordnung <strong>de</strong>r Generationswerkzeuge.<br />

An einer Vereinigung <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Geschöpfe in einer<br />

gemeinschaftlichen Klasse kann aber dieses uns nicht hin<strong>de</strong>rn.<br />

Sehen wir <strong>de</strong>rartige Unterschie<strong>de</strong> doch auch sonst nicht selten<br />

unter ganz nahe verwandten Gruppen in <strong>de</strong>r Thierreihe.<br />

Eine zweite Klasse <strong>de</strong>r Würmer umfasst die Ordnungen<br />

<strong>de</strong>r. Nemertini, Turbellarii 1 ), Tremato<strong>de</strong>s und Hirudinei.<br />

Ich will dieselbe als die Klasse <strong>de</strong>r Apo<strong>de</strong>s<br />

bezeichnen, mit einem Namen also, <strong>de</strong>r von Blainville bereits<br />

einer grössern, <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Klasse allerdings nicht<br />

ganz conformen Abtheilung unter <strong>de</strong>n Würmern gegeben ist<br />

und nach <strong>de</strong>m Vorgang von Milne Edwards 2 ) mehrfach<br />

auf die von <strong>de</strong>n eigentlichen Anneli<strong>de</strong>n abgeschie<strong>de</strong>ne Gruppe<br />

1) Nach <strong>de</strong>m Beispiel v. Siebold's sind unter dieser Bezeichnung nur die eigent­<br />

lichen Planarien verstan<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>m Sinne, in welchem ursprünglich Ehren -<br />

berg (Symbol, phys. Dec. 1. Berol.) diese Ordnung aufstellte, kann dieselbe<br />

nicht gehalten wer<strong>de</strong>n. Auf keine Weise möchte es gerechtfertigt wer<strong>de</strong>n kön­<br />

nen, noch heute in einer solchen Gruppe mit <strong>de</strong>n Planarien und Nemerlinen die<br />

Gordiaeeen und Naidincn (von <strong>de</strong>nen die erstem <strong>de</strong>n Nemato<strong>de</strong>n, die an<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>n Lumbricinen zugehören) vereinigen zu wollen.<br />

2) In Lainarck's Hist. nat. <strong>de</strong>s anim. Sans vertebr. II. Ed. T. V. p. 514.


71<br />

<strong>de</strong>r Hirudineen übertragen wird. Wie nahe die Verwandtschaft<br />

<strong>de</strong>r in dieser Klasse vereinigten Formen sei, hat man<br />

schon seit lange gefühlt und häufig auch mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r<br />

bestimmt ausgesprochen. So stellte bereits Linne' das Gen.<br />

Fasciola (in welchem er — wie ebenfalls 0. Fr. Müller<br />

— ausser eigentlichen Tremato<strong>de</strong>n auch einzelne Plattwürmer,<br />

wie Planaria lactea, die er mit Distomum hepaticum für<br />

i<strong>de</strong>ntisch hielt, vereinigte) dicht neben Hirudo. Nach<strong>de</strong>m aber<br />

später durch die Cu vi ersehe Classification diese Thiere so<br />

weit von einan<strong>de</strong>r geschie<strong>de</strong>n waren, machten zuerst wie<strong>de</strong>rum<br />

mein Onkel Leuckart 1 ), v. Baer 2 ), Dujes 3 ) u. A.<br />

auf die nahe Verwandtschaft <strong>de</strong>r Egel und Tremato<strong>de</strong>n<br />

(zu <strong>de</strong>nen Cuvier auch die Plattwürmer und Nemertinen<br />

gestellt hatte) aufmerksam. Ebenso Burmeister, <strong>de</strong>r in<br />

seiner Klasse <strong>de</strong>r Tremato<strong>de</strong>s die Planarien, die Rudolphischen<br />

Tremalo<strong>de</strong>n und die Hirudineen zusammenfasste. Gewiss<br />

mit <strong>de</strong>m grossesten Recht, wie die typische Uebereinstimmung<br />

in Form und Bau beweist. Die Nemertinen sind<br />

übrigens von Burmeister von <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Klasse<br />

ausgeschlossen. Sie stehen, mit <strong>de</strong>n Nemato<strong>de</strong>n zu einer<br />

gemeinschaftlichen Gruppe (Gymno<strong>de</strong>rmi) vereinigt, in <strong>de</strong>r<br />

Klasse <strong>de</strong>r Annulati. In<strong>de</strong>ssen kann ich hierin nicht mit Burmeister<br />

übereinstimmen. Die Nemertinen sind mit <strong>de</strong>n<br />

Planarien trotz mancher Differenzen immer noch viel näher<br />

verwandt, als mit <strong>de</strong>n Nemato<strong>de</strong>n. Die Anordnung <strong>de</strong>r äussern<br />

Be<strong>de</strong>ckungen und <strong>de</strong>s Nervensystems, die Verästelung <strong>de</strong>s<br />

Darmes und selbst die eigenthümliche, sehr abweichen<strong>de</strong><br />

Entwicklung <strong>de</strong>s Rüssels') sichern ihnen eine Stelle in <strong>de</strong>r<br />

Nähe dieser Würmer. Für sehr verkehrt jedoch muss ich es<br />

halten, wenn Oersted 5 ) mit <strong>de</strong>n Tremato<strong>de</strong>n und Hirudineen<br />

noch die Gordiaceen und Sipunculi<strong>de</strong>n vereinigen will,<br />

1) A. a. 0. S. 22.<br />

2) A. a. 0. S. 725.<br />

3) Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. Scr. II. Vol. XV. p. 180.<br />

4) Ueber <strong>de</strong>n vielfach verkannten Bau <strong>de</strong>r Nemertinen vergl. man meine Alihand­<br />

lung in <strong>de</strong>n Beiträgen von Frey und mir. S. 71.<br />

5) A. a. 0. S. 33.


72<br />

dafür aber nicht bloss die Nemertinen (Cestoi<strong>de</strong>i OerSt.),<br />

son<strong>de</strong>rn auch die Planarien von <strong>de</strong>nselben abtrennt l).<br />

Die vier oben angeführten Ordnungen <strong>de</strong>r Apo<strong>de</strong>s scheinen<br />

mir sehr natürlich 2 ) zu sein und eben so bestimmt gegen<br />

einan<strong>de</strong>r abgegrenzt, als durch gemeinsame allgemeinere Charaktere<br />

unter sich verbun<strong>de</strong>n. Meistens sind die zu ihnen gehören<strong>de</strong>n<br />

Thiere längliche, von oben nach unten stark <strong>de</strong>primirte<br />

Würmer, <strong>de</strong>nen, wie <strong>de</strong>n Anenteraten, eigentliche fussartige<br />

Bewegungsorgane vollkommen fehlen, wenn man wenigstens<br />

von <strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>n Tremato<strong>de</strong>n und Hirudineen ziemlich allgemein<br />

verbreiteten Saugscheiben absieht. Die Turbellarien<br />

zeichnen sich gewöhnlich durch eine sehr platte, oft völlig<br />

blattförmige, die Nemertinen durch eine sehr lange, fast bandwurmartige<br />

Körpergestalt aus. Bei bei<strong>de</strong>n sind die äussern<br />

Be<strong>de</strong>ckungen zeitlebens von einem Flimmerepithelium besetzt,<br />

welches sonst nur während <strong>de</strong>r frühern Embryonalperio<strong>de</strong>n<br />

vorhan<strong>de</strong>n ist. Eine Glie<strong>de</strong>rung fehlt entwe<strong>de</strong>r, o<strong>de</strong>r ist doch,<br />

wenn sie sich, wie bei <strong>de</strong>n Hirudineen und einigen Nemertinen,<br />

fin<strong>de</strong>t, überall nur wenig <strong>de</strong>utlich und auch unregelmässiger,<br />

als bei <strong>de</strong>n sogenannten Ringelwürmern. Fast noch<br />

1) Von Einlluss auf eine <strong>de</strong>rartige Gruppirung scheint die Classification von <strong>de</strong><br />

Blainvillc gewesen zu sein, <strong>de</strong>r (1. c.) in seiner Gruppe <strong>de</strong>r Entomozoaires<br />

apo<strong>de</strong>s die Hirudineen ebenfalls mit <strong>de</strong>n Akanthocephalen, Sipunculi<strong>de</strong>n und Ne-<br />

matoi<strong>de</strong>en zusammengestellt hatte.<br />

2) Zu <strong>de</strong>n Tremato<strong>de</strong>n rechnete mein Onkel auch das merkwürdige von ihm ent­<br />

<strong>de</strong>ckte Gen. Myzostomum (Vergl. Zoolog. Bruchstücke. Heft 3. Freibg. 1813.<br />

S. 7.). Wie übrigens J. Müller wohl mit Recht bemei-kt (Wiegmann's Arch.<br />

1841. I. S. 147.) fin<strong>de</strong>t dasselbe seine nächsten Verwandten unter <strong>de</strong>n soge­<br />

nannten Tardigra<strong>de</strong>n. Wohin aber diese zu rechnen, ist sehr zweifelhaft. Du-<br />

jardin (Hist. nat. <strong>de</strong>s Zoophyt. Infus.) stellt dieselben unter die Rä<strong>de</strong>rthierc,<br />

während van <strong>de</strong>r Hoeven vorgeschlagen hat, sie <strong>de</strong>n Arachni<strong>de</strong>n anzu-<br />

schlicssen. Ob sie hier aber wirklich stehen können, müssen fernere Untersu­<br />

chungen lehren. Die Anwesenheit eines Flimmerepitheliums bei Myzostomum,<br />

<strong>de</strong>r Mangel quergestreifter Muskelbün<strong>de</strong>l u. s. w. lässt solche Stellung allerdings<br />

kaum zulässig erscheinen. — Sehr problematisch ist auch die Einreihung <strong>de</strong>s<br />

paradoxen Genus Peltogaster (s. Rathke, Beiträge zur Fauna Norwegens in<br />

d. Nov. Act. Ac. Caes. Leopold. Vol. XX. S, 244.) unter die Tremato<strong>de</strong>n. Auf­<br />

fallend hat mich dasselbe stets an die parasitischen Weibchen gewisser nie<strong>de</strong>rer<br />

Crustaccen erinnert


73<br />

grösser, als in <strong>de</strong>r äussern Form <strong>de</strong>s Körpers, ist die Uebereinstimmung<br />

zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ordnungen <strong>de</strong>r Apo<strong>de</strong>n<br />

in <strong>de</strong>m innern Bau. So besteht das Nervensystem bei <strong>de</strong>nselben<br />

ganz durchgehends aus einem grossen, oberhalb <strong>de</strong>r<br />

Mundöffnung gelegenen (paarigen) Nackenganglion und zweien<br />

starken Seitennerven, die nur bei <strong>de</strong>n Hirudineen in <strong>de</strong>r Medianlinie<br />

<strong>de</strong>s Bauches mit einan<strong>de</strong>r verschmelzen und, <strong>de</strong>n<br />

einzelnen Segmenten entsprechend, eine kettenförmige Reihe<br />

ganglionärer Anschwellungen bil<strong>de</strong>n, wie bei <strong>de</strong>n meisten<br />

Anneli<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n. Derartige Ganglien aber<br />

fin<strong>de</strong>n sich auch schon (wie oben erwähnt) bei einigen an<strong>de</strong>rn<br />

Apo<strong>de</strong>n mit getrennten Seitennerven. Was ausser<strong>de</strong>m<br />

die Klasse <strong>de</strong>r Apo<strong>de</strong>n noch auszeichnet, ist die auffallen<strong>de</strong><br />

Ten<strong>de</strong>nz zur Bildung von zahlreichen seitlichen Ausstülpungen<br />

<strong>de</strong>s Darmkanales, die meistens wie<strong>de</strong>rum sich verästeln<br />

und bei manchen Turbellarien und Tremato<strong>de</strong>n baumartig<br />

durch <strong>de</strong>n ganzen Korper sich verzweigen. Bemerkenswerth<br />

ist es dabei, dass in <strong>de</strong>n letztem Gruppen <strong>de</strong>r eigentliche Stamm<br />

<strong>de</strong>s Darmkanales nicht, wie gewöhnlich, in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>r<br />

Leibeshöhle hinabsteigt, son<strong>de</strong>rn meistens durch eine mittlere<br />

Längsspalte in zwei seitliche Schenkel zerfallen ist, die nur<br />

in ihrem vor<strong>de</strong>m Theile mit einan<strong>de</strong>r communiciren. Offenbar<br />

zeigt sich hierin schon dieselbe Ten<strong>de</strong>nz zur Bildung<br />

seitlicher Verästelungen am Darme; ein Verhalten, welches<br />

auch mit <strong>de</strong>m Mangel einer beson<strong>de</strong>rn Afteröffnung 1 ) bei<br />

<strong>de</strong>n Turbellarien und Tremato<strong>de</strong>n in einem gewissen Zusammenhange<br />

zu stehen scheint. Bei <strong>de</strong>n Hirudineen sind übrigens<br />

diese Verästelungen ganz augenscheinlich unter <strong>de</strong>m<br />

Einflüsse <strong>de</strong>r Segmentbildung. Doch sind dieselben gera<strong>de</strong><br />

hier verhältnissmässig am meisten ansehnlich, obgleich sie in<br />

manchen Fällen (z. B. bei Clepsine), beson<strong>de</strong>rs nach <strong>de</strong>m<br />

1) Die Abwesenheit <strong>de</strong>s Afters bei <strong>de</strong>n Anenteraten beruht, wie wir gesehen haben,<br />

auf einem völlig abweichen<strong>de</strong>n Verhältnisse. Sehr unnatürlich scheint es mir<br />

a\is diesem Grun<strong>de</strong>, die afterlosen Apo<strong>de</strong>n, wie es Strcubel (A. a. 0. Th. I.<br />

S. 821) vorschlägt, mit diesen Würmern in einer gemeinschaftlichen Gruppe<br />

(Aprocti) zusammenzufassen.


74<br />

Hinterleibsen<strong>de</strong> zu, noch immer eine sehr mächtige Entwicklung<br />

erreichen. Im Innern <strong>de</strong>r Mundhöhle fin<strong>de</strong>t sich häufig<br />

bei <strong>de</strong>n Apo<strong>de</strong>n noch ein muskulöses vorstreckbares Rohr,<br />

ein Rüssel, welcher bei <strong>de</strong>n meisten Turbellarien eine ansehnliche<br />

Entwicklung zeigt und bei <strong>de</strong>n Nemertinen sogar<br />

als ein völlig selbstständiges, sehr mächtiges Gebil<strong>de</strong> oberhalb<br />

<strong>de</strong>s Darmkanals gelegen ist, das vor <strong>de</strong>r Mundöffnung an <strong>de</strong>r<br />

Spitze <strong>de</strong>s Kopfen<strong>de</strong>s mün<strong>de</strong>t, Das Gefässsystem besteht,<br />

wenn es vorkommt, durchgängig aus weiten, nur wenig verästelten<br />

Längsstämmen, von <strong>de</strong>nen (abweichend von <strong>de</strong>r Anordnung<br />

<strong>de</strong>s Circulationsapparates bei <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rwürmern)<br />

beson<strong>de</strong>rs die seillichen Stämme eine starke Entwicklung<br />

darbieten. In <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>s Generalionsapparates unterschei<strong>de</strong>n<br />

sich die Nemertinen von <strong>de</strong>n übrigen Apo<strong>de</strong>n. Männliche<br />

und weibliche Organe sind bei ihnen auf verschie<strong>de</strong>ne<br />

Individuen vertheilt und bestehen in einer einfachen, je<strong>de</strong>rseits<br />

neben <strong>de</strong>m Darmkanal gelegenen Reihe ovaler Säckchen.<br />

Die übrigen Apo<strong>de</strong>n sind Hermaphroditen, <strong>de</strong>ren Genitalsystem<br />

durch die Anwesenheit und die Entwicklung <strong>de</strong>r keimabführen<strong>de</strong>n<br />

Canäle sich auszeichnet und in allen drei Ordnungen<br />

sehr <strong>de</strong>utlich einen gleichen typischen Bau erkennen<br />

lässt J ).<br />

Nach <strong>de</strong>n Apo<strong>de</strong>n nun möchte ich die vorhin aufgestellte<br />

Klasse <strong>de</strong>r Ciliati, welche die Ordnungen <strong>de</strong>r Bryozoa<br />

und Roti feri umfasst, einschalten. Die Analogieen und Differenzen,<br />

welche zwischen bei<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Form und <strong>de</strong>m Bau<br />

<strong>de</strong>s äussern Körpers sich fin<strong>de</strong>n, sind schon angeführt. Ausser<strong>de</strong>m<br />

aber möge noch erwähnt sein, dass ebenfalls das Nervensystem,<br />

so wie <strong>de</strong>r Genitalapparat und <strong>de</strong>r Darmkanal im<br />

Wesentlichen bei bei<strong>de</strong>n eine gleiche Anordnung und Gruppirung<br />

darbietet, obgleich auch hierin einzelne Verschie<strong>de</strong>nheiten<br />

vorkommen, die in<strong>de</strong>ss wohl kaum beträchtlich genug<br />

sein möchten, um eine Vereinigung <strong>de</strong>rselben in einer ge-<br />

1) Vergl. meine Untersuchungen über die Morphologie und Anatomie <strong>de</strong>r Geschlechtsorgane.<br />

S. 123.


75<br />

meinsamen Klasse zu verhin<strong>de</strong>rn. So besteht das Nervensystem<br />

in bei<strong>de</strong>n Gruppen vorzugsweise nur aus einem Nackenganglion<br />

mit verschie<strong>de</strong>nen davon ausstrahlen<strong>de</strong>n grossem<br />

und kleinern Stämmen. Ebenso entbehrt auch bei bei<strong>de</strong>n<br />

(ob durchgängig in <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Rotiferen ?) <strong>de</strong>r Genitalapparat<br />

beson<strong>de</strong>rer ausführen<strong>de</strong>r Kanäle. Ho<strong>de</strong>n und Eierstöcke<br />

sind auf ein Häufchen kleiner Zellen im Innern <strong>de</strong>r<br />

Leibeshöhle reducirt, so dass man vielleicht nicht ein Mal<br />

von <strong>de</strong>r Existenz beson<strong>de</strong>rer keimbereiten<strong>de</strong>r Organe sprechen<br />

kann, ganz wie es bei <strong>de</strong>n Kiemenwürmern <strong>de</strong>r Fall ist.<br />

Ueberhaupt nähern sich auch sonst die Ciliaten beson<strong>de</strong>rs<br />

durch die Bryozoen diesen letztern auf eine Weise, dass eine<br />

Vereinigung <strong>de</strong>rselben, wie ich früherhin J ) sie vorgeschlagen<br />

habe, sehr natürlich erscheinen wür<strong>de</strong>, wenn auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn<br />

Seite nicht auch die Nemato<strong>de</strong>n und Lumbricinen zu jenen<br />

Würmern einen sehr passen<strong>de</strong>n Uebergang bil<strong>de</strong>ten. Es<br />

scheint fasst, als habe die typische Form <strong>de</strong>r Branchiaten<br />

auf diesen bei<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Wegen sich hervorgebil<strong>de</strong>t.<br />

Wie die Lumbricinen vorzugsweise an die sogenannten Dorsibranchiaten<br />

sich anschliessen, so die Ciliaten beson<strong>de</strong>rs an<br />

die sogenannten Capitibranchiaten. Manche dieser letztern<br />

gleichen sogar in <strong>de</strong>n frühem Stadien ihrer Entwicklung 2 ),<br />

wenn man von <strong>de</strong>n Borsten absieht, völlig einem Bryozoon.<br />

Möglich daher, dass in <strong>de</strong>r Folge auch wirklich die Ciliaten<br />

mit <strong>de</strong>n Kiemenwürmern zusammengestellt wer<strong>de</strong>n können,<br />

obgleich dann, wie es mir scheinen möchte, wohl schwerlich<br />

die Lumbricinen und Nemato<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>nselben vereinigt bleiben<br />

dürften.<br />

Für jetzt aber, glaube ich, kann die Klasse <strong>de</strong>r Burmeister<br />

sehen Annulati o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Anneli<strong>de</strong>s, wie ich dieselbe<br />

benennen möchte (natürlich mit Ausschluss <strong>de</strong>r Nemertini)<br />

noch aufrecht erhalten wer<strong>de</strong>n. Habitus und Bau <strong>de</strong>r<br />

dahin gerechneten Würmer rechtfertigen solches meinem Er-<br />

1) Beiträge u, s. w. S. 147.<br />

2) Man vergl. z. B. die von Milne Edwards (I.e.) gegebenen Abbildungen <strong>de</strong>r<br />

Embryonen von Terebella.


76<br />

achten nach vollkommen. Allerdings dürfen wir hierbei we<strong>de</strong>r<br />

die Anwesenheit von Segmenten und äusseren Körperanhängen<br />

(von Borsten, Fusshöckern, Cirren u. s. w.), noch die<br />

einer mittlem Bauchganglienkette als <strong>de</strong>n Charakter unserer<br />

Klasse ansehen. Zeigt doch auch das Vorkommen dieser<br />

Gebil<strong>de</strong> selbst innerhalb <strong>de</strong>r einzelnen Ordnungen <strong>de</strong>rselben<br />

manchfache Verschie<strong>de</strong>nheiten. So fehlen unter <strong>de</strong>n Kiemenwürmern<br />

z. B. die Tentakel und Kopfcirren <strong>de</strong>n Arenicolen,<br />

die Fusshöcker und Cirren <strong>de</strong>r Segmente vielen sogenannten<br />

Capitibranchiaten, die Borsten <strong>de</strong>m merkwürdigen Gen. Peripatus.<br />

Ebenso wird die Segmentirung <strong>de</strong>s Körpers bei Sagitta<br />

vermisst, einem Thiere, das nach seinem Bau i) in die<br />

Ordnung <strong>de</strong>r Lumbricinen gestellt wer<strong>de</strong>n muss und nicht<br />

unter die Mollusken, wie, nach <strong>de</strong>m Vorgang von Milne<br />

Edwards, v, Siebold und ich selbst 2 ) früher annahm.<br />

Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite dagegen fin<strong>de</strong>n sich förmliche<br />

in die Haut eingepflanzte Borsten unter <strong>de</strong>n Nemato<strong>de</strong>n bei<br />

Hemipsilus 3 ), wenngleich nur am Vor<strong>de</strong>ren<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Leibes und<br />

auch hier nicht einmal in einer so regelmässigen Anordnung,<br />

wie bei <strong>de</strong>n sogenannten Chätopo<strong>de</strong>n — ein Verhältniss,<br />

welches übrigens in <strong>de</strong>r Abwesenheit einer Segmentirung<br />

leicht seine Erklärung fin<strong>de</strong>t. Aber auch die letztere fehlt<br />

<strong>de</strong>n Nemato<strong>de</strong>n nicht gänzlich. Sehr charakteristisch ist dieselbe<br />

bei Pentastoma, einem Genus, welches wohl kaum aus<br />

dieser Ordnung völlig entfernt wer<strong>de</strong>n darf.<br />

Was die Klasse <strong>de</strong>r Anneli<strong>de</strong>s zusammenhält, ist die<br />

morphologische Uebereinslimmung in <strong>de</strong>r äussern Form <strong>de</strong>s<br />

Körpers, in <strong>de</strong>r Anordnung <strong>de</strong>s Darmkanals und <strong>de</strong>s Blutgefässsystems<br />

(das übrigens bei <strong>de</strong>n Nemato<strong>de</strong>n vielleicht grösstenteils<br />

1 ») fehlt), wie überhaupt in <strong>de</strong>m gegenseitigen Ver-<br />

1) Vergl. bes. Wilms, <strong>de</strong> Sagitta mare Germ, incol. Dissert. Berol. 1847.<br />

2) Wagner's Zoolomie. Th. II. S. 403.<br />

3) Vergl, die Beschreibung von H. tricho<strong>de</strong>s n. sp. in meiner oben erwähnten noch<br />

nicht publicirten Abhandlung.<br />

4) Wo es vorhan<strong>de</strong>n i.V. bei Filaria attenuala (vergl. Ecker in Müllers Arch.<br />

1845. S. 506.), erscheint es auch hier voi-zogsweise in <strong>de</strong>r Gestalt von mittlem<br />

(nicht seitlichen) Längsstänunen.


77<br />

hältniss <strong>de</strong>r einzelnen anatomischen Systeme. Nach <strong>de</strong>n Verschie<strong>de</strong>nheiten,<br />

die vorzugsweise theils in <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>s Nervensystems<br />

und <strong>de</strong>s Genitalapparates, theils auch in <strong>de</strong>m<br />

Vorkommen <strong>de</strong>r äussern Körperanhänge sich kundgeben, zerfallen<br />

dieselben in die Ordnungen <strong>de</strong>r Nemato<strong>de</strong>s, Lumbricini<br />

(s. Terricolae) und Branchiati. Eine Trennung<br />

<strong>de</strong>r letztern in zwei <strong>de</strong>n Lumbricinen u. s. w. gleichwerthige<br />

Gruppen, die Capitibranchiati und Dorsibranchiali, wie sie<br />

nach Cuvier bis auf <strong>de</strong>n heutigen Tag fast überall angenommen<br />

wird — nur Milne Edwards 1 ) vereinigt dieselben<br />

(als Anneli<strong>de</strong>s) gegenüber <strong>de</strong>n Lumbricinen (Scoleidis M. Ed w.)<br />

in eine gemeinsame Ordnung —, ist wohl schwerlich zulässig.<br />

Nicht einmal als Unterordnungen möchten diese bei<strong>de</strong>n<br />

Gruppen sich empfehlen, weil <strong>de</strong>r Uebergänge zwischen<br />

ihnen so viele und so manchfaltige. — Die Zusammenstellung<br />

<strong>de</strong>r Nemato<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Chetopo<strong>de</strong>s Blainv. bedarf<br />

nach <strong>de</strong>m oben Gesagten wohl nicht mehr einer speciellen<br />

Begründung. So wenig die Abwesenheit <strong>de</strong>r fleischigen Körperfortsätze<br />

uns hin<strong>de</strong>rt, die Lumbricinen (Abranches seligeres<br />

Cuv.) mit <strong>de</strong>n Branchiaten zu vereinigen 2 ), eben so wenig<br />

berechtigt uns die Abwesenheit <strong>de</strong>r borstenförmigen Epi<strong>de</strong>rmoidalanhänge<br />

zu einer Abtrennung <strong>de</strong>r Nemato<strong>de</strong>n.<br />

Arthropoda.<br />

Die grosse Abtheilung <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rfüssler<br />

(Condylop(od)a Latr. Loricata Nitzsch) entspricht<br />

nach ihrem wesentlichen Inhalt ganz vollkommen <strong>de</strong>r von<br />

Linne aufgestellten Klasse <strong>de</strong>r Insecta. Mit Scharfsinn hat<br />

bereits dieser grosse Naturforscher die zahlreichen und so<br />

1) Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. T. VI. p. 295.<br />

2) Nicht zu billigen übrigens ist es, wenn Blainville (I.e.) die Lumbricinen mit<br />

verschie<strong>de</strong>nen Arten <strong>de</strong>r Kiemenwürmer in •<strong>de</strong>nselben Familien zusammenwirft.<br />

Die Lumbricinen bil<strong>de</strong>n sicherlich eine eigene scharf abgegrenzte Ordnung unter<br />

<strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n. Vergl. Hoffmeister, die bis jetzt bekannten Arten aus <strong>de</strong>r<br />

Familie <strong>de</strong>r Regenwürmer. Brschwg. 1845.


78<br />

sehr manchfaltigen Formen dieses Kreises in ihrem innern<br />

Zusammenhang erkannt. Getrennt von <strong>de</strong>n übrigen wirbellosen<br />

Thieren (die in einer einzigen, zuerst von Cuvier aufgelösten<br />

Klasse <strong>de</strong>r Vermes zusammengefasst wur<strong>de</strong>n), bil<strong>de</strong>n<br />

sie in <strong>de</strong>m Systema naturae, gewiss mit bestem Recht, eine<br />

ganz selbstständige Abtheilung. Dass einzelne wenige Gruppen,<br />

wie die Leruäa<strong>de</strong>n und Cirripedien, fälschlich von <strong>de</strong>n<br />

Insekten ausgeschlossen blieben und in verschie<strong>de</strong>nen Ordnungen<br />

<strong>de</strong>r Vermes (die erstem bei <strong>de</strong>n Mollusca, die letztern<br />

neben Chiton bei <strong>de</strong>n Testacea) eine Stelle fan<strong>de</strong>n, wird man<br />

um so leichter entschuldigen können, als die paradoxe Form<br />

dieser Geschöpfe ohne Kenntniss <strong>de</strong>r Entwicklungsgeschichte<br />

völlig unverständlich bleiben musste und darum <strong>de</strong>nn auch,<br />

wie die Erfahrung gezeigt hat, bis auf unsere Zeit zu <strong>de</strong>n<br />

irrthümlichsten l ) Meinungen Veranlassung gegeben hat.<br />

Was gegen die Zusammenstellung <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n mit<br />

<strong>de</strong>n Würmern in einem gemeinschaftlichen grossen Kreise <strong>de</strong>r<br />

Animalia arliculata o<strong>de</strong>r Arthrozoa (Polymeria) sich einwen<strong>de</strong>n<br />

lässt, ist schon oben einer Prüfung unterworfen. In <strong>de</strong>m<br />

Folgen<strong>de</strong>n wird immer mehr sich herausstellen, wie sehr die<br />

Arthropo<strong>de</strong>n es verdienen, als eine selbstständige Abtheilung<br />

betrachtet und <strong>de</strong>n Würmern, so wie <strong>de</strong>n übrigen Hauptgruppen<br />

<strong>de</strong>r animalischen Bildungen, an die Seite gestellt zu<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Aehnlichkeit <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n und Würmer ist,<br />

nach meiner Ansicht, ohne allen liefern Zusammenhang. Sie<br />

beruht auf einer blossen Durchkreuzung <strong>de</strong>r formbestimmen<strong>de</strong>n<br />

Gesetze und zeigt allein, dass hier und da schon vor<br />

<strong>de</strong>m Entstehen eines bestimmten typischen Planes auch an<strong>de</strong>rweitig<br />

wohl ein einzelner diesem Plan entsprechen<strong>de</strong>r Bildungsprocess<br />

— fast möchte ich sagen, versuchsweise —<br />

1) Die Lcrnäa<strong>de</strong>n rechnete Cuvier zu <strong>de</strong>n Entozoa, die Cirripedien, als eine be­<br />

son<strong>de</strong>re Ordnung, zu <strong>de</strong>n Mollusken. An<strong>de</strong>re Zoologen verban<strong>de</strong>n die letztern<br />

mit <strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n. So beson<strong>de</strong>rs Latreille, <strong>de</strong>r aus bei<strong>de</strong>n Gruppen seine<br />

Klasse <strong>de</strong>r Helminthoida schuf. Erst die Ent<strong>de</strong>ckungen von v. Nordm a nn (Mikrograph.<br />

Beiträge. II.) für die Lernäa<strong>de</strong>n, so wie die von Burmeister (Bei­<br />

träge zur Naturgesch. <strong>de</strong>r Rankenfüsser) für die Cirripedien, haben uns die wirkliche<br />

Natur dieser merkwürdigen Geschöpfe enthüllt.


79<br />

von <strong>de</strong>r Natur in Anwendung gezogen wird, doch ohne dann<br />

eine gleiche durchgreifen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung und Herrschaft zu<br />

besitzen.<br />

Immerhin aber beruht die Vereinigung <strong>de</strong>r Würmer und<br />

Glie<strong>de</strong>rfüssler auf einer bestimmten Aehnlichkeit in <strong>de</strong>r äussern<br />

Form, auf einer Aehnlichkeit, welche durch die — nach <strong>de</strong>r<br />

typischen Be<strong>de</strong>utung allerdings etwas differiren<strong>de</strong> — Verwendung<br />

eines gleichen morphogenetischen Vorganges bedingt<br />

ist. Aus diesem Grun<strong>de</strong> mag <strong>de</strong>nn auch jenes Verfahren<br />

bis zu einem gewissen Punkte immer noch vertheidigt wer<strong>de</strong>n<br />

können. Wenn aber Lamarck, Latreille und Carus<br />

<strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n und Anneli<strong>de</strong>n noch die Mollusken hinzufügen<br />

und aus diesen drei Gruppen eine einzige gemeinschaftliche<br />

Abtheilung (Animaux sensibles Lam., Cephalidia<br />

Latr., Corpozoa Car.) bil<strong>de</strong>n, so wird daraus ein blosser<br />

irrationaler Haufen von Formen, <strong>de</strong>ssen innere Gehaltlosigkeit<br />

zu offen am Tage liegt, als dass noch ein Wort darüber zu<br />

verlieren wäre. —<br />

Die Aehnlichkeit <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n,<br />

beson<strong>de</strong>rs mit <strong>de</strong>n Kiemenwürmern, beruht vorzugsweise in<br />

<strong>de</strong>r gleichen langgestreckten und symmetrischen Form, so<br />

wie in <strong>de</strong>r Segmentirung <strong>de</strong>s Leibes. Was aber schon in<br />

letzterer Beziehung die Glie<strong>de</strong>rfüssler auszeichnet, ist eine<br />

auffallen<strong>de</strong>, höchst charakteristische Heteronomilät <strong>de</strong>r Segmente,<br />

mit einer eigenthümlichen (<strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Würmer völlig<br />

frem<strong>de</strong>n) Entwicklung <strong>de</strong>r paarigen Anhänge an <strong>de</strong>n Segmenten.<br />

Diese Anhänge sind nicht bloss überall beweglich neben<br />

<strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Bauches — nicht, wie bei <strong>de</strong>n Kiemenwürmern,<br />

an <strong>de</strong>n Seitenflächen <strong>de</strong>s Körpers o<strong>de</strong>r gleichzeitig<br />

an Bauch und Rücken — befestigt und geglie<strong>de</strong>rt, wenn sie<br />

als Bewegungswerkzeuge auftreten, son<strong>de</strong>rn participiren auch<br />

eben so vollständig, wie die einzelnen Segmente, an <strong>de</strong>r<br />

Heteronomität <strong>de</strong>s Körpers.<br />

Schon aus <strong>de</strong>r Anordnung dieser Anhänge lässt sich erschliessen,<br />

wie bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gegensatz zwischen<br />

Bauch und Rücken so sehr viel stärker ausgeprägt ist, als


80<br />

bei <strong>de</strong>n Würmern, wie <strong>de</strong>r erstere hier vor <strong>de</strong>m letztem<br />

eine sehr ausgezeichnete morphologische Dignität besitzt. In<br />

Uebereinstimmung hiermit ist <strong>de</strong>nn auch <strong>de</strong>r Bau <strong>de</strong>s Ner-<br />

vensystemes bei <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rfüsslern in morphologischer Beziehung<br />

ein an<strong>de</strong>rer, als bei <strong>de</strong>n Würmern. Ein Nacken­<br />

ganglion, wie die letztern Thiere es besitzen, fehlt <strong>de</strong>n Arthro­<br />

po<strong>de</strong>n. Die Centraltheile <strong>de</strong>s Nervensystems, die, <strong>de</strong>n Seg­<br />

menten entsprechend, als eine Reihe kettenartig verbun<strong>de</strong>ner,<br />

oft auch mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r unter sich verschmolzener Ganglien<br />

erscheinen, gehören allein <strong>de</strong>r Bauchfläche <strong>de</strong>s Leibes an.<br />

Selbst das sogenannte Gehirn <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n, welches nur<br />

durch seine Lage vor <strong>de</strong>r Mundöffnung von <strong>de</strong>n übrigen<br />

Ganglien sich unterschei<strong>de</strong>t. Mit <strong>de</strong>m Nackenganglion <strong>de</strong>r<br />

Würmer kann es nicht zusammengehalten wer<strong>de</strong>n, da dieses<br />

stets <strong>de</strong>r Ruckenfläche zukommt. Dass übrigens auch bei<br />

<strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n sehr häufig das sogenannte Gehirn eine<br />

ähnliche Lage hat, kann bei <strong>de</strong>r geringen Räumlichkeit <strong>de</strong>s<br />

Kopfes uns nicht wun<strong>de</strong>rn. Leicht kann dasselbe von vorn<br />

und unten nach hinten und oben bis auf <strong>de</strong>n Anfangstheil<br />

<strong>de</strong>s Oesophagus emporgeschoben sein. Der Schlundring <strong>de</strong>r Ar­<br />

thropo<strong>de</strong>n ist unter solchen Umstän<strong>de</strong>n ohne alle morphologische<br />

Be<strong>de</strong>utung. Er wird allein durch die Anordnung <strong>de</strong>s Darms<br />

und die Lage <strong>de</strong>r Mundöffnung im hintern Theile <strong>de</strong>s Kopfes<br />

nothwendig. Wie <strong>de</strong>r Oesophagus, ganz eben so wer<strong>de</strong>n<br />

mitunter auch an<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Bauches zwischen<br />

zweien Ganglien gelegene Gebil<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n seitlichen<br />

Commissuren umfasst. So z. B. bei manchen Heuschrecken<br />

in <strong>de</strong>r Brusthöhle eigene starke nach innen gerichtete Fort­<br />

sätze <strong>de</strong>s äussern Skelets, bei manchen Raupen die Inser-<br />

tionspunkte von Muskeln u. s. w. In diesem Verhältniss<br />

fin<strong>de</strong>t es seine Erklärung, warum in manchen Fällen die<br />

Commissuren <strong>de</strong>s Schlundhalsban<strong>de</strong>s so ganz ausseror<strong>de</strong>ntlich<br />

stark sich verkürzen können. Auch die wirklich<br />

mitunter (bei Acanthocercus 1 ), Dichelestium 2 )) beobachtete<br />

1) Nach Schödler in Wiegmann's Arch. 1846. T. I. S. 357.<br />

2) Nach Rathke. A. „. 0, Vol. XIX. S. 150.


»I<br />

Abwesenheit eines eigentlichen Hirnes möchte bei einer <strong>de</strong>rartigen.<br />

Anordnung viel leichter begreiflich sein, als wenn<br />

das betreffen<strong>de</strong> Ganglion, ein Gebil<strong>de</strong> selbstständiger Art,<br />

zu <strong>de</strong>n übrigen Theilen <strong>de</strong>s centralen Nervensystems in einem<br />

gewissen Gegensatze stän<strong>de</strong>, wie man es dort annehmen<br />

muss, wo man dasselbe <strong>de</strong>m Nackenganglion <strong>de</strong>r Würmer<br />

vergleicht.<br />

Ausser diesen, wie es mir scheint, ganz fundamentalen<br />

Differenzen <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n und Würmer fin<strong>de</strong>n sich zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n Abtheilungen auch noch manche an<strong>de</strong>re anatomische<br />

Verschie<strong>de</strong>nheiten. So ist das Circulationssystem <strong>de</strong>r erstem<br />

überall in grösserer o<strong>de</strong>r geringerer Aus<strong>de</strong>hnung unvollständig,<br />

nie vollkommen geschlossen, wie bei <strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n.<br />

Den Motor <strong>de</strong>r Blutbewegung bil<strong>de</strong>t ein gefässartiger Schlauch,<br />

<strong>de</strong>r, stets unpaar, in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Rückens oberhalb<br />

<strong>de</strong>s Darmes gelegen ist und nur in wenigen Fällen zu einem<br />

herzförmigen Sacke sich verkürzt. Die Generationsorgane<br />

beschränken sich in ihrer Lage überall auf einen ganz bestimmten<br />

Abschnitt <strong>de</strong>s Leibes, auf <strong>de</strong>n sogenannten Bauch.<br />

Niemals erstrecken sie sich gleichmässig, wie bei <strong>de</strong>n Würmern,<br />

durch die ganze Länge <strong>de</strong>s Körpers.— Statt <strong>de</strong>r glatten<br />

Muskelfasern fin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>r ganzen Abtheilung <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n<br />

durchgehends quergestreifte Fasern, selbst an<br />

<strong>de</strong>n Eingewei<strong>de</strong>n. Charakteristisch für die Glie<strong>de</strong>rfüssler<br />

ist auch noch <strong>de</strong>r Umstand, dass Flimmercilien, selbst in<br />

<strong>de</strong>n Embryonalperio<strong>de</strong>n, beständig fehlen. Unstreitig stehet<br />

solche Erscheinung in einem ganz bestimmten Verhältniss zu<br />

<strong>de</strong>r Beschaffenheit <strong>de</strong>r äussern Be<strong>de</strong>ckungen und <strong>de</strong>r Epithelialauskleidung<br />

<strong>de</strong>r innern Organe. Es bestehen diese<br />

in <strong>de</strong>r Abtheilung <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n aus einem sehr eigenthümlichen<br />

Stoffe, aus Chitin, welches ausseror<strong>de</strong>ntlich leicht<br />

sich verdickt und an <strong>de</strong>r Oberfläche <strong>de</strong>s Leibes einen<br />

schützen<strong>de</strong>n Panzer, ein äusseres Skelet, darstellt, <strong>de</strong>ssen<br />

Festigkeit durch eine Menge eingelagerter Kalksalze noch verstärkt<br />

wird.<br />

Um nun aber trotz dieser Anordnung <strong>de</strong>m Körper <strong>de</strong>r<br />

6


8*2<br />

Arthropo<strong>de</strong>n einen gewissen Grad von Beweglichkeit zu<br />

sichern, <strong>de</strong>r um so nölhiger war, als die betreffen<strong>de</strong>n. Thiere,<br />

wenigstens die am höchsten entwickelten Formen, zu einem<br />

Leben auf <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> bestimmt sind, musste eine ganz beson<strong>de</strong>re<br />

Vorrichtung getroffen wer<strong>de</strong>n. Die äussern Be<strong>de</strong>ckungen<br />

durften nicht in einer continuirlichen Schicht, wie ein<br />

starrer Panzer o<strong>de</strong>r ein Gehäuse, <strong>de</strong>n ganzen Körper be<strong>de</strong>cken.<br />

Sie mussten in eine Anzahl hinter einan<strong>de</strong>r gelegener fester<br />

Hornringe zerfallen, die durch eine zartere Haut mit einan<strong>de</strong>r<br />

verbun<strong>de</strong>n sind und dadurch befähigt wer<strong>de</strong>n, ihre gegenseitige<br />

Lage zu verän<strong>de</strong>rn.<br />

Allein in diesem Umstand scheint mir die teleologische<br />

Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Segmentirung begrün<strong>de</strong>t zu sein. Bei <strong>de</strong>n<br />

Anneli<strong>de</strong>n ist sie <strong>de</strong>nn auch <strong>de</strong>sshalb mehr von untergeordneter<br />

Dignität sowohl für die gesammte Oekonomie, als auch<br />

in morphologischer Hinsicht. Sie bietet hier <strong>de</strong>n Anfang<br />

einer Bildung, die erst späterhin, unter an<strong>de</strong>rn Verhältnissen,<br />

eine durchgreifen<strong>de</strong> typische Be<strong>de</strong>utsamkeit erlangt und <strong>de</strong>m<br />

Spiel <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kräfte zur Hervorbringung <strong>de</strong>r manchfaltigslen<br />

Formen überlassen wird.<br />

Das Mittel, <strong>de</strong>ssen hierbei die Schöpferkraft <strong>de</strong>r Natur<br />

vorzugsweise sich bedient, ist eine bestimmte, sehr eigentümliche<br />

heteronome Entwicklung <strong>de</strong>r einzelnen Ringe. Bei<br />

<strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n zeigten diese im Wesentlichen an allen Theilen<br />

<strong>de</strong>s Körpers eine gleiche Bildung. An<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n.<br />

Hier bieten dieselben in Form und Verbindung<br />

manchfache Verschie<strong>de</strong>nheiten und gruppiren sich überall bei<br />

<strong>de</strong>n ausgebil<strong>de</strong>ten Individuen ') in eine Anzahl grösserer Abschnitte<br />

zusammen, die man nach Lage und Anordnung als<br />

Kopf, Brust, Bauch (abdomen) und Hinterleib (postabdomen)<br />

zu bezeichnen pflegt. Zu diesen vier morphologischen<br />

Abschnitten in<strong>de</strong>ssen muss man, wie ich glaube, noch<br />

1) Bei <strong>de</strong>n Larven mancher Insekten (beson<strong>de</strong>rs bei Dipteren) sind übrigens diese<br />

Abschnitte anatomisch noch nicht von einan<strong>de</strong>r geschie<strong>de</strong>n. Kopf, Brust und<br />

Bauch zeigen dann in je<strong>de</strong>r Hinsicht eine fast vollkommne Conformität ihrer<br />

Segmente.


S3<br />

einen fünften, <strong>de</strong>n ich fernerhin als Vor<strong>de</strong>rkopf erwähnen<br />

wer<strong>de</strong>, hinzufügen. — Nurin seltenen Fällen sind aber alle diese<br />

Abschnitte vollständig neben einan<strong>de</strong>r entwickelt. Bald ver­<br />

schmelzen sie in grösserer o<strong>de</strong>r geringerer Aus<strong>de</strong>hnung, bald<br />

auch fehlt davon <strong>de</strong>r eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re, wie beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Hinterleib,<br />

<strong>de</strong>r überhaupt von allen jenen Theilen die beschränkteste<br />

Verbreitung hat und ausserhalb <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Cru-<br />

staceen nur noch bei <strong>de</strong>n Scorpioni<strong>de</strong>n i) vorgefun<strong>de</strong>n wird.<br />

Alle einzelnen Segmente dieser Abschnitte sind, wenn<br />

auch bei <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Gruppen nicht in gleichem Maasse,<br />

zur Entwicklung von seitlichen Anhängen befähigt, wie bei<br />

<strong>de</strong>n Kiemenwürmern. In<strong>de</strong>ssen unterschei<strong>de</strong>n sich diese Ex­<br />

tremitäten von <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r letztern<br />

Geschöpfe theils durch ihre anatomische Anordnung, theils<br />

auch dadurch, dass sie Theil nehmen an <strong>de</strong>r Heteronomität<br />

<strong>de</strong>s Leibes. So erscheinen dieselben, obgleich morphologisch<br />

völlig unter sich übereinstimmend 2 ), bald als Antennen (am<br />

Vor<strong>de</strong>rkopf), bald als Fresswerkzeuge (am Kopf), bald als<br />

Locomotionsapparate o<strong>de</strong>r Haftorgane (an Brust und Bauch),<br />

bald als sogenannte Afterbeine — die oftmals wie<strong>de</strong>rum zu<br />

Kiemen, accessorischen Geschlechtstheilen u. s. w. umgebil<strong>de</strong>t<br />

sind — (am Postabdornen). Constant sind solche Anhänge<br />

aber nur am Vor<strong>de</strong>rkörper <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n vorhan<strong>de</strong>n, am<br />

Vor<strong>de</strong>rkopf, Kopf und Brust. Nur bei <strong>de</strong>n Crustaceen und<br />

Myriapo<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>n sie sich gleichmässig auch an <strong>de</strong>n dahinter<br />

liegen<strong>de</strong>n Abschnitten.<br />

Bei <strong>de</strong>n sehr verwickelten morphologischen Verhältnissen<br />

<strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n ist es erklärlich, wenn man über die Deu-<br />

1) Die Coexistenz von Bauch und Postabdomen bei diesen Arthropo<strong>de</strong>n, so wie die<br />

unverkennbare Verschie<strong>de</strong>nheit von bei<strong>de</strong>n Abschnitten ist ein unumstösslicher<br />

Beweis gegen die ältere Ansicht, dass <strong>de</strong>r Bauch <strong>de</strong>r Insekten <strong>de</strong>m Hinterleib<br />

<strong>de</strong>r Krebse entspräche.<br />

2) Oken (Naturphilosophie §. 3085, so wie Isis 1818. S. 477.) ist <strong>de</strong>r Erste ge­<br />

wesen, <strong>de</strong>r die morphologische I<strong>de</strong>ntität dieser Theile, wenigstens <strong>de</strong>r Fress­<br />

werkzeuge und Füsse erkannte. Spätere Untersuchungen von S a v i gn y in­<br />

<strong>de</strong>ssen waren es erst, die von diesem Verhältniss <strong>de</strong>n unmittelharen Nachweis<br />

lieferten.<br />

6*


84<br />

tung und <strong>de</strong>n Zusammenhang <strong>de</strong>s Skelets bei diesen Thieren<br />

noch heute <strong>de</strong>r abweichendsten Ansicht ist. Hat es doch<br />

lange gedauert, bevor man überhaupt die morphologische<br />

Uebereinstimmung <strong>de</strong>r einzelnen Körpersegmente und <strong>de</strong>ren<br />

Anhänge erkannte. Von unvergänglichem Werth in dieser Beziehung<br />

sind die sorgsamen Untersuchungen von Savigny i)<br />

über die Fresswerkzeuge <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rfüssler und <strong>de</strong>ren Verhältniss<br />

zu <strong>de</strong>n Beinen in <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n, Arachni<strong>de</strong>n, Crustaceen<br />

und Myriapo<strong>de</strong>n; Untersuchungen, welche späterhin<br />

von Duges 2 ) für die Arachni<strong>de</strong>n, so wie von Brandt 3 ) für<br />

die Krebse in mehrfacher Hinsicht weiter ausgeführt sind,<br />

und welche ihrem wesentlichsten Inhalt nach vollkommen<br />

sich bestätigt haben. Gleich be<strong>de</strong>utungsvoll für die morphologische<br />

Auffassung <strong>de</strong>s Baues bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n ist <strong>de</strong>r<br />

umfassen<strong>de</strong> geistreiche Versuch von Erichson 4 ). Lei<strong>de</strong>r ist<br />

4iier ebenfalls bloss, wie bei Savigny, ganz einfach <strong>de</strong>r<br />

vergleichend anatomische Standpunkt hervorgehoben, und die<br />

Entwicklungsgeschichte, trotz <strong>de</strong>r zahlreichen glänzen<strong>de</strong>n Ent<strong>de</strong>ckungen<br />

Rathke's 5 ) auf diesem Fel<strong>de</strong>, völlig unbeachtet<br />

geblieben. Gewiss aber ist es eine sichere Bürgschaft für<br />

die Richtigkeit <strong>de</strong>r Annahmen Erichson's, dass dieselben,<br />

wie es mir scheint, in allen wesentlichen Punkten eben in<br />

<strong>de</strong>r Entwicklungsgeschichte ihre Bestätigung fin<strong>de</strong>n. Allerdings<br />

ist Z a d d a ch 6), <strong>de</strong>r zuerst die Resultate <strong>de</strong>r letztern in<br />

<strong>de</strong>n Bereich dieser Untersuchungen gezogen hat, mehrfach<br />

zu abweichen<strong>de</strong>n Resultaten gelangt, doch kann ich <strong>de</strong>mselben,<br />

wie sogleich näher angegeben und motivirt wer<strong>de</strong>n<br />

soll, nicht überall beistimmen, so überraschend und annehm-<br />

1) In <strong>de</strong>n Mem. sur les anim. sens vertebres T. I.<br />

2) Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1834. T. I. p. 1.<br />

3) Medicin. Zoolog. Th. BL S. 56.<br />

4) Ueber zoologische Charaktere <strong>de</strong>r Insekten, Arachni<strong>de</strong>n und Krebse. In <strong>de</strong>n<br />

Entomographieen. Hft. I. S. 1. Berlin. 1840.<br />

5) Man vergl. beson<strong>de</strong>rs: Ueber die Bildung und Entwicklung <strong>de</strong>s Flusskrebses 1829.<br />

Zur Morphologie. Reisebemerkungen aus Taurien. 1837. S. 58. und Beiträge zur<br />

vergl. Anat. und Physiolog. Reisebemerkungen aus Skandinavien. 1842. S. 46.<br />

6) Ueber die Eintheilung <strong>de</strong>s Thierreichs in Kreise und Klassen. 1847. S. 10.


85<br />

bar auch auf <strong>de</strong>n ersten Blick manche seiner Angaben erscheinen.<br />

Die Entwicklung <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n geht, wie die <strong>de</strong>r<br />

Branchiaten und Hirudineen, von einem Primitivtheil aus,<br />

welcher <strong>de</strong>r spätem Baucbfläche entspricht. Dadurch aber<br />

unterschei<strong>de</strong>n sich die Glie<strong>de</strong>rfüssler bereits in diesem ersten<br />

Stadium <strong>de</strong>r Entwicklung von jenen Würmern, dass<br />

die Spuren <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rung viel früher auftreten, meistens<br />

schon zu einer Zeit, in welcher <strong>de</strong>r Dotter noch keineswegs<br />

von <strong>de</strong>r Keimhaut (entsprechend <strong>de</strong>m serösen Blatt bei <strong>de</strong>n<br />

Wirbelthieren) umwachsen ist. Nur wenige Gruppen (die<br />

Arthrostraken i) und Entomostraken) sind es, bei <strong>de</strong>nen die<br />

Glie<strong>de</strong>rung erst später, nach<strong>de</strong>m die erwähnte Umwachsung<br />

bereits vollständig erfolgt ist, sich kund giebt. Aber auch<br />

hier entsteht diese nicht, wie bei <strong>de</strong>n Anneli<strong>de</strong>n, gleich von<br />

vorn herein durch die Bildung vollständiger Segmente, an<br />

<strong>de</strong>nen erst nachher die Anhänge hervorkeimen, son<strong>de</strong>rn dadurch,<br />

dass unmittelbar neben <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Primitivstreifes<br />

eine Reihe von paarigen warzenförmigen Erhabenheiten<br />

sich bil<strong>de</strong>t, welche allmählig zu <strong>de</strong>n Extremitäten auswachsen,<br />

während die Ringelung vom Bauch aus nach <strong>de</strong>m<br />

Rücken fortschreitet und erst hierdurch die Entstehung beson<strong>de</strong>rer<br />

Segmente bedingt. In dieser frühzeitigen Bildungsweise<br />

<strong>de</strong>r Extremitäten ist <strong>de</strong>nn auch unstreitig <strong>de</strong>r Grund<br />

1) Noch vor <strong>de</strong>r Anlage <strong>de</strong>s Primitivstreifs schlägt die Keimhaut bei <strong>de</strong>n Arlhro-<br />

straken eine quere Falte, welche tief in <strong>de</strong>n Dotter eindringt und <strong>de</strong>nselben in<br />

zwei an <strong>de</strong>r entgegengesetzten Fläche zusammenhängen<strong>de</strong> Abschnitte theilt, so<br />

dass dadurch die im Anfang ganz kugelförmige Masse zu einem bogenförmig zu­<br />

sammengekrümmten Schlauche wird, <strong>de</strong>ssen bei<strong>de</strong> Schenkel dicht einan<strong>de</strong>r an­<br />

liegen. Bei <strong>de</strong>n Amphipodcn bil<strong>de</strong>t sich diese Falte an <strong>de</strong>r spätem Bauch-flache.<br />

Ebenso auch bei einigen Isopo<strong>de</strong>n (Bopyrus), während an<strong>de</strong>re Isopo<strong>de</strong>n ent­<br />

we<strong>de</strong>r dieser Falte gänzlich entbehren (Oniscus, Armadillo) o<strong>de</strong>r dieselbe auf<br />

<strong>de</strong>r spätem Rückenfläche tragen (Asellus, Ligia, Janira, Idotea). Es stehet die<br />

ses Verhältniss übrigens keineswegs allein in <strong>de</strong>r Ahlheilung <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n.<br />

Nach <strong>de</strong>n Beobachtungen von Kölliker (<strong>de</strong> prima insect. genesi Dissert.) fin<strong>de</strong>t<br />

sich ©ine solche Rückenfalte auch bei einigen Insekten (Chironomus und Simulia),<br />

während nach <strong>de</strong>n Untersuchungen von Newport (Todd's Cyclop. of anat.<br />

and physiol. Art. Myriapoda. T. in, p. 5530 bei Iulus sich am Bauche eine<br />

Dollei'falte entwickelt.


66<br />

zu suchen, warum dieselben bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n nicht an<br />

<strong>de</strong>n Seitenflächen <strong>de</strong>r Körpersegmente gelegen sind, son<strong>de</strong>rn<br />

am Bauche, dicht neben <strong>de</strong>r Medianlinie.<br />

Sehr <strong>de</strong>utlich lässt aus diesem Verhältniss sich abnehmen,<br />

dass bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n die Extremitäten eine<br />

viel grössere morphologische Dignität besitzen, als bei <strong>de</strong>n<br />

Branchiaten. Während sie bei <strong>de</strong>n letztern als blosse Anhänge<br />

<strong>de</strong>r Segmenle entstehen, gehen sie bei <strong>de</strong>n erstem<br />

<strong>de</strong>r Conformation dieser Abschnitte voraus. Sie haben, <strong>de</strong>n<br />

Segmenten gegenüber, an Selbstständigkeit gewonnen.<br />

Nicht überall aber ist dieses Verhältniss mit gleicher<br />

Schärfe ausgeprägt. In einigen Fällen entstehen selbst die<br />

Segmente zuerst, wie bei <strong>de</strong>n Branchiaten, während die Extremitäten,<br />

wenn auch vielleicht nicht alle, erst später daran<br />

hervorkeimen. So namentlich bei vielen Hexapo<strong>de</strong>n (z. B.<br />

<strong>de</strong>n Dipteren, wo die Beine <strong>de</strong>s Thorax erst im Lauf <strong>de</strong>r<br />

Metamorphose sich bil<strong>de</strong>n, nach<strong>de</strong>m die Ringelung bereits<br />

vollständig vorhan<strong>de</strong>n ist), bei <strong>de</strong>n Milben, die anfänglich<br />

<strong>de</strong>s letzten Beinpaares entbehren u. s. w. Die auffallendste<br />

Ausnahme macht in dieser Hinsicht das Postabdomen, welches<br />

nur bei <strong>de</strong>n Arthrostraken l ) nach <strong>de</strong>m gewöhnlichen<br />

Schema sich entwickelt. In allen übrigen Fällen entsteht<br />

dasselbe als ein selbslständiger Anhang am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Primilivstreifs,<br />

anfangs als eine warzenartige Hervorragung, die<br />

erst allmählich zu einem schlauchartigen, cylindrischen Gebil<strong>de</strong><br />

sich auszieht 2 ). Erst nach <strong>de</strong>r Ausbildung <strong>de</strong>r Segmenle<br />

I) Vielleicht, dass dieses Verhältniss in Zusammenhang steht mit <strong>de</strong>r oben erwähn­<br />

ten Bildung einer Querfalte an <strong>de</strong>r Dottermasse. Offenbar bezweckt solches nur<br />

eine Vergrösserung <strong>de</strong>r Längendimension <strong>de</strong>s Körpers, die dadurch bei <strong>de</strong>r Be­<br />

schränktheit <strong>de</strong>s Raumes am besten erzielt wer<strong>de</strong>n konnte, und passen<strong>de</strong>r, als<br />

wenn <strong>de</strong>r Körper nach bei<strong>de</strong>n, o<strong>de</strong>r auch nur nach einer Seite hin spin<strong>de</strong>lförmig<br />

sich ausgezogen hätte — ein Vorgang, auf <strong>de</strong>n die gewöhnliche Entwicklungs­<br />

weise <strong>de</strong>s Postabdomen sich reducirt.<br />

2) Am auffallendsten ist diese Bildung <strong>de</strong>s Postahdomen bei <strong>de</strong>n Dccapo<strong>de</strong>n und<br />

Scorpionen, wo dieselbe schon vor sich geht, noch bevor die Keimhaut <strong>de</strong>n gan­<br />

zen Dotter umwachsen hat. Weniger aurfallend bei <strong>de</strong>n Enlomostrakcn, bei<br />

<strong>de</strong>nen vorher bereits die ganze Dottermasse von <strong>de</strong>r Keimhaut umschlossen ist.<br />

Bei <strong>de</strong>n letztem erscheint <strong>de</strong>nn auch <strong>de</strong>sshalb die Entwicklung <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n


87<br />

versieht sich das Postabdomen mit seinen Extremitäten. Ob<br />

übrigens auch hier die Glie<strong>de</strong>rung von <strong>de</strong>r Bauchfläche allmählich<br />

zum Rücken emporsteigt, ist noch ungewiss, jedoch<br />

nach <strong>de</strong>r Analogie nicht unwahrscheinlich. Sonst wenigstens<br />

treffen wir überall diese .Bildungsweise, selbst da, wo die<br />

Segmente <strong>de</strong>r Extremitäten ermangeln, wie an <strong>de</strong>m Abdomen<br />

<strong>de</strong>r Spinnen J ) und Hexapo<strong>de</strong>n.<br />

Nicht immer aber erhebt sich die Glie<strong>de</strong>rung bis zur<br />

Production vollständiger Segmente. In manchen Fällen, wie<br />

an <strong>de</strong>m Thorax und Abdomen vieler Crustaceen (z. B. <strong>de</strong>r<br />

Decapo<strong>de</strong>n), wie beson<strong>de</strong>rs überall am Kopfe, sind die einzelnen<br />

Segmente nicht als isolirte Bildungen nachzuweisen,<br />

wenngleich die entsprechen<strong>de</strong>n Extremitäten vollkommen entwickelt<br />

sind. An Rücken und Seiten sind dieselben dann zu<br />

einer ungeglie<strong>de</strong>rten Masse mit einan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n. Ein<br />

solches Verhältniss aber berechtigt uns nicht elwa, wie<br />

Erich so n für <strong>de</strong>n Kopf es will, zu <strong>de</strong>r Annahme, dass nun<br />

auch diese Masse nur ein einziges Segment darstelle. Schon<br />

Rathke 2 ) hat sehr treffend <strong>de</strong>n Nachweis geliefert, dass<br />

die Zahl <strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen Extremitätenpaare überall auf die<br />

Existenz einer gleichen Anzahl von Segmenten zurückschliessen<br />

lasse, selbst da, wo diese anatomisch nicht nachgewiesen wer<strong>de</strong>n<br />

können. In die Bildung <strong>de</strong>s Kopfes sind also hiernach auch<br />

eben so viele Ringe eingegangen, als paarige Anhänge sich<br />

vorfin<strong>de</strong>n.<br />

Die erste Anlage aller an <strong>de</strong>r Ventralfläche <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Segmente vorhan<strong>de</strong>nen paarigen Anhänge, sie mögen anatomisch<br />

und functionell noch so sehr von einan<strong>de</strong>r differiren,<br />

ist dieselbe. Erst allmählig bil<strong>de</strong>n sich durch manchfache<br />

Verschie<strong>de</strong>nheiten in <strong>de</strong>r Entwicklung dieser Theile alle jene<br />

zahlreichen Formen hervor, die wir bei <strong>de</strong>n ausgebil<strong>de</strong>ten<br />

Körpertheils viel weniger abnorm. Sie ist viel einfacher und kaum etwas an­<br />

<strong>de</strong>res, als eine spin<strong>de</strong>lförmige Verlängerung <strong>de</strong>s hintern Körperen<strong>de</strong>s.<br />

1) Vergl. die Beobachtungen von Rathke am Scorpion. Zur Morphologie u. s. w.<br />

S. 24.<br />

2) A. a. 0. S. 117.


68<br />

Arthropo<strong>de</strong>n wahrnehmen. Die einen, wie die Fresswerkzeuge<br />

und Afterfüsse, bleiben einfach in ihrer Entwicklung<br />

zurück, während an<strong>de</strong>re, wie die Thoracalfüsse <strong>de</strong>r meisten<br />

Decapo<strong>de</strong>n und Entomostraken, durch <strong>de</strong>n Process <strong>de</strong>r Rückbildung<br />

ihre endliche Gestalt erlangen. In manchfalliger<br />

Verwendung erscheinen hier alle die oben erwähnten morphogenetischen<br />

Vorgänge <strong>de</strong>r Bildungshemmung und Fortbildung<br />

im embryonalen Sinne, <strong>de</strong>r vorschreiten<strong>de</strong>n und retrogra<strong>de</strong>n<br />

Metamorphose. Den speciellern Nachweis überlassen<br />

wir <strong>de</strong>r Entwicklungsgeschichte. Hier wür<strong>de</strong> er von<br />

unserm Zwecke uns zu weit entfernen. Als Eigentümlichkeit<br />

<strong>de</strong>s Crustaceentypus möge nur noch die <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Extremitäten innewohnen<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nz erwähnt sein, sich <strong>de</strong>r<br />

Länge nach zu spalten — eine Ten<strong>de</strong>nz, die wir in analoger<br />

Weise bei <strong>de</strong>n Branchiaten angetroffen haben. Auch<br />

bei <strong>de</strong>n Crustaceen weichen die bei<strong>de</strong>n dadurch entstan<strong>de</strong>nen<br />

Theile in ihrer spätem Entwicklung gewöhnlich sehr auffallend<br />

aus einan<strong>de</strong>r. Bei<strong>de</strong> befolgen, unabhängig von einan<strong>de</strong>r,<br />

die erwähnten Gesetze <strong>de</strong>r Gestaltbildung je auf verschie<strong>de</strong>ne<br />

Weise.<br />

Wie schon angeführt, sind aber nicht alle Ringe <strong>de</strong>s<br />

Körpers gleichmässig zur Production von Extremitäten geschickt.<br />

Rei <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n und Spinnen beschränkt sich<br />

dieselbe allein auf die Gürtel <strong>de</strong>s vor<strong>de</strong>m Leibes, auf Kopf<br />

und Brust. Wo in diesen Arthropo<strong>de</strong>n noch ausser<strong>de</strong>m bewegliche<br />

Anhangsgebil<strong>de</strong> vorkommen, wie beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n<br />

sechsfüssigen Insekten an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>s Bauches, sind solche<br />

überall aus einer Metamorphose <strong>de</strong>r einzelnen Segmente selbst<br />

hervorgegangen und <strong>de</strong>n eigentlichen Extremitäten niemals<br />

zu vergleichen'). An<strong>de</strong>rs aber ist das Verhältniss bei <strong>de</strong>n<br />

1) Hierher gehören namentlich die sogenannten äussern Begattungsorgane <strong>de</strong>r In­<br />

sekten, <strong>de</strong>ren Reduction bei <strong>de</strong>n weiblichen Käfern Stein (vergl. Anatom, u.<br />

Physiolog. <strong>de</strong>r Insekten. Erste Monographie. Ueber die Geschlechtsorgane u.<br />

<strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>s Hinterleibsskelets bei <strong>de</strong>n weiblichen Käfern. Berlin 1847. S. 12.)<br />

auf höchst glückliche und scharfsinnige Weise durchgeführt hat. Dass auch die<br />

männlichen Begattungswerkzeuge <strong>de</strong>r Hexapo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Segmenten angehören,<br />

habe ich nachgewiesen (Morphologie <strong>de</strong>r Geschlechtsoi-ganc, S. 59).


89<br />

Myriapo<strong>de</strong>n und Crustaceen, bei <strong>de</strong>nen, in <strong>de</strong>r Norm wenigstens,<br />

alle Segmente <strong>de</strong>s Leibes, auch die <strong>de</strong>s Bauches und<br />

Hinterleibes, an <strong>de</strong>rBildung von Extremitäten sich beiheiligen 1 ).<br />

Ausser <strong>de</strong>n bisher erwähnten Gebil<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>n sich übrigens<br />

bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n noch mancherlei an<strong>de</strong>re Anhänge<br />

an <strong>de</strong>n einzelnen Segmenten, wenngleich lange nicht so allgemein<br />

verbreitet, wie die Extremitäten <strong>de</strong>r Bauchfläche.<br />

Bekannt vor allen sind die Flügel <strong>de</strong>r Hexapo<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>m<br />

zweiten und dritten Thoracalringe angehören und in Form<br />

und Entwicklung nicht selten sehr beträchliche Differenzen<br />

darbieten. Sie sind an <strong>de</strong>r Rückenfläche eingelenkt, wie die<br />

Beine an <strong>de</strong>r Ventralfläche. Mit <strong>de</strong>n letztern zeigen sie überhaupt<br />

so manchfache Analogieen 2 ), selbst in ihrer Entwicklung<br />

(die mit <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Afterfüsse im Wesentlichen<br />

völlig übereinstimmt), dass <strong>de</strong>r Ausspruch mir nicht<br />

zu gewagt scheint, es seien die Flügel die morphologischen<br />

Aequivalente <strong>de</strong>r Beine und blosse Wie<strong>de</strong>rholungen dieser Gebil<strong>de</strong><br />

ßuf <strong>de</strong>r Rückenfläche. Dass die Flügel überall sehr<br />

viel später sich hervorbil<strong>de</strong>n, als die Extremitäten <strong>de</strong>r Bauchfläche,<br />

dass sie sich nie, wie diese, an <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>r Segmente<br />

betheiligen, kann keinen wesentlichen Unterschied bedingen.<br />

Fin<strong>de</strong>n wir dasselbe Verhältniss doch auch bei <strong>de</strong>n<br />

Gliedmassen <strong>de</strong>s Poslabdomen und in einigen Fällen (s. oben)<br />

selbst bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>s Thorax, die <strong>de</strong>nnoch mit <strong>de</strong>n Fresswerkzeugen<br />

u. s. w. einer gleichen Organengruppe angehören.<br />

Jene Differenz in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Flügel und<br />

Beine ist nun allerdings um so auffallen<strong>de</strong>r, als sie zwei entsprechen<strong>de</strong><br />

Theile eines gemeinschaftlichen Segmentes betrifft.<br />

1) Ein analoges Verhältniss scheint übrigens auch schon bei <strong>de</strong>n Larven vieler<br />

sechsfüssigen Insekten vorzukommen. Die warzenförmigen Auswüchse <strong>de</strong>r Ab­<br />

dominalsegmente, die sogenannten Nachschieber o<strong>de</strong>r Afterbeine, erinnern we­<br />

nigstens zu auffallend (auch in ihrer Entwicklung) an die Extremitäten <strong>de</strong>s<br />

Poslabdomen bei <strong>de</strong>n Crustaceen, als dass man die Vermuthung einer morpho­<br />

logischen Uebereinstimmung zwischen ihnen unterdrücken könnte.<br />

2) Schon Rathke (Entwicklungsgesch. <strong>de</strong>r Menschen u. <strong>de</strong>r Thiere. Th. II. S. 92)<br />

hat die Formähnlichkeit hervorgehoben, welche die Bauchglicdmassen mancher<br />

Entomostrakcn mit <strong>de</strong>n Flügeln einiger Insekten darbieten.


90<br />

In<strong>de</strong>ssen verliert auch dieser Umstand an Gewicht, wenn wir<br />

be<strong>de</strong>nken, wie die Entwicklung <strong>de</strong>r einzelnen Segmente<br />

von <strong>de</strong>r Bauchfläche ausgeht, und daher <strong>de</strong>nn auch die Bildung<br />

<strong>de</strong>r Bauchanhänge viel eher möglich wird. Wo die<br />

Segmente ohne solche Extremitäten entstehen, wo die letztern,<br />

wie z. B. bei <strong>de</strong>n Diptern, erst nachgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, fällt<br />

dieser Vorgang <strong>de</strong>r Zeit nach mit <strong>de</strong>m Hervorsprossen <strong>de</strong>r<br />

Flügel zusammen.<br />

Das gleichzeitige Auftreten von Rücken- und Bauchgliedmassen<br />

bei <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n ist eine Wie<strong>de</strong>rholung jener Anordnung,<br />

die wir oben als charakteristisch für dieBranchiaten nachgewiesen<br />

haben. Offenbar aber hat dieselbe für <strong>de</strong>n Typus<br />

<strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n lange nicht eine so durchgreifen<strong>de</strong>, so wichtige<br />

Be<strong>de</strong>utung. Die gegensätzliche Verschie<strong>de</strong>nheit von Bauch<br />

und Rucken ist hier viel zu gross, als dass eine bestimmte<br />

Richtung in <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Thätigkeit auf <strong>de</strong>r einen Fläche<br />

einen entsprechen<strong>de</strong>n Vorgang auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn mit Nothwendigkeit<br />

hervorrufen müsste. Die Entwicklung <strong>de</strong>r Bauchfläche<br />

ist bei Weitem die vorherrschen<strong>de</strong>. An ihr fehlen die Extremitäten<br />

niemals vollkommen, während die Bildung solcher Anhänge<br />

auf <strong>de</strong>m Rücken als Ausnahme zu betrachten ist. Daher<br />

das beschränkte und schwanken<strong>de</strong> Vorkommen dieser Gebil<strong>de</strong>.<br />

Interessant ist es übrigens, dass in manchen Fällen schon<br />

bei <strong>de</strong>n Branchiaten (bei <strong>de</strong>n Phyllodoceen und Aphroditeen)<br />

die Cirren <strong>de</strong>r Rückenfläche in ihrer Entwicklung sich von<br />

<strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Bauches unterschei<strong>de</strong>n und<br />

dann <strong>de</strong>r Gestalt nach an die Flügel <strong>de</strong>r Hexapo<strong>de</strong>n erinnern.<br />

Bereits vor längerer Zeit hat Oken 1 ), <strong>de</strong>m die Morphologie<br />

überhaupt so manche sehr schätzbare und scharfsinnige<br />

Aufschlüsse verdankt, die Flügel <strong>de</strong>r Hexapo<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n<br />

Kiemen <strong>de</strong>r Krebse parallelisirt. Natürlich können bei einem<br />

solchen Vergleich von <strong>de</strong>n einzelnen morphologisch verschie<strong>de</strong>nen<br />

Anhängen <strong>de</strong>s Crustaceenkörpers, die als Respirationsorgane<br />

funetioniren, nur diejenigen Gebil<strong>de</strong> angezogen<br />

1) A. a. O


91<br />

wer<strong>de</strong>n, die nicht in <strong>de</strong>n Typus <strong>de</strong>r gewöhnlichen Extremitätenbildung<br />

hineingehören, namentlich also die Kiemen <strong>de</strong>r<br />

Decapo<strong>de</strong>n. Bei <strong>de</strong>r Anordnung dieser Theile, die, gleich<br />

<strong>de</strong>n Flügeln <strong>de</strong>r Insekten, paarweise an <strong>de</strong>n (Abdominal-) Segmenten<br />

und zwar meistens oberhalb <strong>de</strong>r einzelnen Bauchgliedmassen<br />

angebracht sind, gewinnt solche Vermuthung die<br />

grosseste Wahrscheinlichkeit. Auch darin bekommt dieselbe<br />

eine neue Stütze, dass wir sehen, wie bei <strong>de</strong>n Krebsen die Umbildung<br />

<strong>de</strong>r Extremitäten in Kiemen so ausseror<strong>de</strong>ntlich häufig<br />

ist. Selbst <strong>de</strong>r Umstand scheint keinen überzeugen<strong>de</strong>n Gegenbeweis<br />

zu liefern, dass diese Kiemen bei vielen Decapo<strong>de</strong>n<br />

ihre anatomische Selbstständigkeit aufgeben, dass sie an <strong>de</strong>n<br />

Seitentheilen <strong>de</strong>s Körpers hinabrücken, bis sie auf <strong>de</strong>n Basalglie<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>r anliegen<strong>de</strong>n Beine ihren Insertionspunkt fin<strong>de</strong>n.<br />

Wür<strong>de</strong> doch dieses eine blosse Modification jenes Vorganges<br />

sein, <strong>de</strong>n wir ebenfalls bei <strong>de</strong>n Branchiaten vorgefun<strong>de</strong>n<br />

haben. Auch hier verschmelzen ja nicht selten die obern<br />

und untern (<strong>de</strong>m Rücken und Bauch angehören<strong>de</strong>n) Extremitäten<br />

an <strong>de</strong>n Seitenflächen <strong>de</strong>r einzelnen Segmente. Noch<br />

unwesentlicher ist es, dass die Kiemen <strong>de</strong>r Decapo<strong>de</strong>n von<br />

<strong>de</strong>n lateralen Verlängerungen <strong>de</strong>s Ruckenschil<strong>de</strong>s über<strong>de</strong>ckt<br />

sind und in <strong>de</strong>n dadurch gebil<strong>de</strong>ten Höhlen verborgen liegen.<br />

Nach ihrer Entwicklung sind die Kiemen äussere Anhänge <strong>de</strong>s<br />

Körpers.<br />

Mit gleichem Recht, wie die Kiemen <strong>de</strong>r Decapo<strong>de</strong>n,<br />

lassen sich auch die von Rathke 1 ) bei <strong>de</strong>n Embryonen von<br />

Asellus aquaticus an <strong>de</strong>r Rückenfläche eines mittlem Leibesringes<br />

aufgefun<strong>de</strong>nen blattartigen Anhänge als die morphologischen<br />

Aequivalente <strong>de</strong>r Flügel bei <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n beanspruchen.<br />

Die oben erörterte Okensche Ansicht, dass die Kiemen<br />

<strong>de</strong>r Decapo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Flügeln <strong>de</strong>r sechsfüssigen Insekten entsprächen,<br />

also, gleich diesen letztern, auf <strong>de</strong>n Typus <strong>de</strong>r<br />

Extremitätenbildung zurückzuführen seien, hat übrigens keinen<br />

D A. a. o. i. s. 72.


92<br />

allgemeinen Beifall gefun<strong>de</strong>n. Es haben vielmehr an<strong>de</strong>re<br />

sehr gewichtige Autoritäten dahin sich ausgesprochen, dass<br />

die morphologischen Aequivalente <strong>de</strong>r Flügel in <strong>de</strong>m sogenannten<br />

Ruckenschil<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Krebse zu suchen seien. So<br />

glaubte namentlich Rathke J ) in <strong>de</strong>n zusammengewachsenen<br />

Flügeln mancher Coleoptern schon eine An<strong>de</strong>utung zu <strong>de</strong>r<br />

Bildung <strong>de</strong>s Ruckenschil<strong>de</strong>s zu sehen. Auch Zaddach 2 )<br />

spricht für die Analogie <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Theile sich aus.<br />

In<strong>de</strong>ssen lässt sich nach meiner Ansicht eine solche Annahme<br />

wohl schwerlich halten. Um die Bildung <strong>de</strong>s Rückenschil<strong>de</strong>s<br />

zu verstehen, muss man daran sich erinnern, dass die einzelnen<br />

Segmente an <strong>de</strong>m Körper <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n nicht etwa<br />

blosse soli<strong>de</strong> Ringe sind, son<strong>de</strong>rn selbst wie<strong>de</strong>rum (in <strong>de</strong>n<br />

meisten Fällen wenigstens) aus mehreren Elementen zusammengesetzt<br />

wer<strong>de</strong>n, die theils <strong>de</strong>m Rücken und Bauche, theils<br />

aber auch <strong>de</strong>n Seitenflächen angehören. Die letztem sind<br />

unter <strong>de</strong>n Bezeichnungen <strong>de</strong>r Epimera und Episterna bekannt.<br />

Von ihnen liegen die erstem zu <strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r Rückenschiene,<br />

die an<strong>de</strong>rn zu <strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r Bauchschiene. Solche<br />

seitlichen Elemente lassen sowohl bei <strong>de</strong>n Crustaceen, als<br />

auch bei <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n (wo Stein dieselben neuerlich 3 )<br />

als Parapleurae und Pleurae bezeichnet hat) sich nachweisen.<br />

Während übrigens bei <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n von diesen<br />

Stücken beson<strong>de</strong>rs die letztern durch ihre Entwicklung sich auszeichnen,<br />

sind es bei <strong>de</strong>n Crustaceen gera<strong>de</strong> die erstem.<br />

Sie bil<strong>de</strong>n hier gewöhnlich, z. B. bei <strong>de</strong>n Arthrostraken, sehr<br />

ansehnliche, mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r weit an <strong>de</strong>n Seilen vorspringen<strong>de</strong><br />

Platten, die nicht selten sogar nach <strong>de</strong>r Bauchfläche<br />

sich zukrümmen. In analoger Anordnung treten diese Stücke<br />

1) Zur Morpholog. S. 128.<br />

2) A. «. 0. S. 16.<br />

3) A. a. O. S. 4. Auf sehr überzeugen<strong>de</strong> Weise ist hier zugleich dargethan, wie<br />

dieselben Stücke es sind, die auch in die Bildung <strong>de</strong>r flügeltragen<strong>de</strong>n Thora-<br />

calsegmente — wenn auch mehrfach modificirt — eingehen. Die altern Unter­<br />

suchungen von Audouin, Burmoister U.A. haben diese wesentliche Ueber­<br />

einstimmung zwischen <strong>de</strong>r Formation <strong>de</strong>r Thoracalsegmente und <strong>de</strong>r übrigen<br />

Körperringe zu wenig hervorgehoben.


93<br />

bisweilen auch da auf, wo sie mit <strong>de</strong>n zwischenliegen<strong>de</strong>n<br />

Rückenschienen continuirlich zusammenhängen, wo sie nicht<br />

als isolirte, selbstständige Skelettheile erscheinen. Sind dann<br />

nun zugleich die Segmente an irgend einer Region <strong>de</strong>s Körpers<br />

nicht vollständig getrennt, sind die Rückenschienen daselbst<br />

unter einan<strong>de</strong>r verschmolzen, so muss eine schildförmige<br />

Be<strong>de</strong>ckung entstehen, <strong>de</strong>ren seitliche Rän<strong>de</strong>r in grösserer<br />

o<strong>de</strong>r geringerer Aus<strong>de</strong>hnung vorspringen und die anliegen<strong>de</strong>n<br />

Theile be<strong>de</strong>cken, sobald sie nach unten sich umbiegen. Ein<br />

solches Schild nun ist das Rückenschild <strong>de</strong>r Decapo<strong>de</strong>n.<br />

Dass dasselbe auf die eben angeführte Weise aus <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r obem Seitenstücke und <strong>de</strong>r damit verbun<strong>de</strong>nen<br />

Ruckenschienen <strong>de</strong>r Segmente entstan<strong>de</strong>n, ist bei Hippolyte,<br />

Peneus, Palaemon u. a. sehr <strong>de</strong>utlich. Hier zeigen<br />

auch die Segmente <strong>de</strong>s Postabdomen eine gleiche Conformation.<br />

Nur dadurch unterschei<strong>de</strong>n sie sich, dass die einzelnen<br />

Dorsalstücke <strong>de</strong>rselben nicht continuirlich unter sich<br />

zusammenhän gen.<br />

In einigen Fällen erlangt das Rückenschild <strong>de</strong>r Crustaceen<br />

noch eine beträchtlichere Selbstständigkeit. Es hebt in<br />

grösserer Aus<strong>de</strong>hnung von <strong>de</strong>m unterliegen<strong>de</strong>n Segmente sich<br />

ab und wächst selbst bis zu einem Gra<strong>de</strong>, dass es <strong>de</strong>n ganzen<br />

Körper einschliesst. In <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Rückens glie<strong>de</strong>rt<br />

es sich durch eine Längsfalte. So bil<strong>de</strong>t es die zweiklappige<br />

Schale <strong>de</strong>r Daphnien, Cyprinen, Cirripedien. Bei Pandarus,<br />

wo eine ähnliche Umformung <strong>de</strong>r DorsalstUcke eintritt, bleiben<br />

die betreffen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n einzelnen Segmenten<br />

beständig von einan<strong>de</strong>r getrennt. Sie sind nicht zu einem<br />

zusammenhängen<strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong> verwachsen, wie sonst so häufig<br />

es <strong>de</strong>r Fall ist. Beson<strong>de</strong>rs hier ist es, wo <strong>de</strong>r äussere Anschein<br />

leicht zu <strong>de</strong>r Vermuthung veranlassen kann, dass die<br />

betreffen<strong>de</strong>n Anhänge <strong>de</strong>n Flügeln <strong>de</strong>r Hexapo<strong>de</strong>n entsprächen.<br />

Die Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Körpers bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n, sowie<br />

die Hervorbildung <strong>de</strong>r Extremitäten geschieht, wie bei <strong>de</strong>n<br />

Anneli<strong>de</strong>n, im Allgemeinen allmählig fortschreitend von vorn<br />

nach hinten. In<strong>de</strong>ssen gilt diese Norm doch weniger für


91<br />

<strong>de</strong>n ganzen Leib, als vielmehr eigentlich nur für die einzelnen<br />

Abschnitte <strong>de</strong>sselben, die bis zu einem gewissen Gra<strong>de</strong>,<br />

wie wir schon oben für das Postabdomen es angeführt haben,<br />

selbstständig und unabhängig von einan<strong>de</strong>r sich bil<strong>de</strong>n. Nur<br />

da, wo die Entwicklung dieser Abschnitte rasch nach einan<strong>de</strong>r<br />

geschieht, ohne wahrnehmbaren Absatz, ohne Pause<br />

und gleich von vorn herein mit <strong>de</strong>r gesetzmässigen Zahl <strong>de</strong>r<br />

Segmente, nur da hat es <strong>de</strong>n Anschein, dass die Ringe <strong>de</strong>s<br />

ganzen Körpers in continuirlichem Zusammenhang und gleichmassig<br />

von vorn nach hinten sich hervorbil<strong>de</strong>n. In diesem<br />

Fall bietet <strong>de</strong>nn auch <strong>de</strong>r Embryo gleich Anfangs in seiner<br />

Conformalion eine grosse Aehnlichkeit mit <strong>de</strong>m ausgebil<strong>de</strong>ten<br />

Thier, wenn auch die Anhänge <strong>de</strong>sselben vielleicht noch<br />

nicht ihre Entwicklung erreicht haben. Solches fin<strong>de</strong>t sich,<br />

wie es scheint, vorzüglich bei <strong>de</strong>n sechsfüssigen Insekten l)<br />

und Arachni<strong>de</strong>n, aber auch bei manchen Crustaceen (wie<br />

namentlich bei <strong>de</strong>n Amphipo<strong>de</strong>n).<br />

In an<strong>de</strong>rn Fällen aber hat <strong>de</strong>r Embryo, wenn er die<br />

Eihüllen verlässt — auch abgesehen von <strong>de</strong>r Beschaffenheit<br />

<strong>de</strong>r Extremitäten — noch lange nicht die Gestalt, wie sie<br />

bei <strong>de</strong>n entwickelten Individuen sich vorfin<strong>de</strong>t. Die Zahl<br />

seiner Leibessegmente ist häufig geringer, als im ausgebil<strong>de</strong>ten<br />

Zustand. In <strong>de</strong>r Regel fehlen unter solchen Umstän<strong>de</strong>n<br />

die letzten Segmenle <strong>de</strong>s Abdomen (wie z. B. bei <strong>de</strong>n Isopo<strong>de</strong>n),<br />

o<strong>de</strong>r sogar <strong>de</strong>r ganze betreffen<strong>de</strong> Leibesabschnitt (wie<br />

bei manchen Decapo<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>n Entomostraken und Myriapo<strong>de</strong>n),<br />

so dass ausser Vor<strong>de</strong>rkopf und Hinterleib dann bloss<br />

Kopf und Brust <strong>de</strong>n Körper zusammensetzen.<br />

Das letztere Verhältniss ist um so auffallen<strong>de</strong>r, als es<br />

uns zeigt, dass nicht ein Mal die einzelnen Abschnitte <strong>de</strong>s<br />

Leibes in continuirlicher, <strong>de</strong>r Lagerung entsprechen<strong>de</strong>r Reihenfolge<br />

zu entstehen brauchen. Der Endtheil <strong>de</strong>s Körpers,<br />

das Postabdomen, wird hier früher gebil<strong>de</strong>t, als <strong>de</strong>r davor<br />

gelegene Bauch. In<strong>de</strong>ssen ist solches doch nur als Ausnahme<br />

1) Vergl. Kölliker, <strong>de</strong> prima insectorum genesi dissert.


95<br />

anzusehen. Sie fin<strong>de</strong>t darin ihre Erklärung, dass das Postabdomen<br />

eben durch seine eigenthümliche Entwicklungsweise<br />

befähigt wird, ganz selbstständig schon zu einer Zeit zu erscheinen,<br />

in <strong>de</strong>r kaum die Rudimente <strong>de</strong>s übrigen Körpers<br />

angelegt sind. Die vorhergehen<strong>de</strong>n Abschnitte (wenn wir<br />

wenigstens einstweilen vom Vor<strong>de</strong>rkopf absehen) wer<strong>de</strong>n<br />

stets in <strong>de</strong>r Reihe nach einan<strong>de</strong>r angelegt, zuerst <strong>de</strong>r Kopf,<br />

zuletzt <strong>de</strong>r Bauch, und, unabhängig von einan<strong>de</strong>r, einzeln von<br />

vorn nach hinten zu allmählig ausgebil<strong>de</strong>t. Die hintern Segmente<br />

eines je<strong>de</strong>n Abschnittes erscheinen stets vor <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>sselben Abschnittes. Ebenso die Extremitäten. Die<br />

Mandibeln gehen in ihrer Bildung <strong>de</strong>n Maxillen voraus, die<br />

vor<strong>de</strong>m Füsse <strong>de</strong>r Brust <strong>de</strong>n hintern, wenn auch die letztern<br />

wie<strong>de</strong>rum in manchen Fällen (bei vielen Insekten z. B.) früher<br />

sich bil<strong>de</strong>n, als die hintern Extremitäten <strong>de</strong>s Kopfes.<br />

Eine an<strong>de</strong>re doch nur scheinbare Ausnahme in dieser Beziehung<br />

machen die Antennen, die sehr häufig nicht vor, son<strong>de</strong>rn<br />

nach <strong>de</strong>n Mandibeln angelegt wer<strong>de</strong>n, nicht bloss bei<br />

<strong>de</strong>n Krebsen (sehr augenfällig z. B. bei <strong>de</strong>n Lernäa<strong>de</strong>n), son<strong>de</strong>rn<br />

auch bei <strong>de</strong>n Insekten, bei <strong>de</strong>nen sie nicht selten sogar<br />

noch während <strong>de</strong>s ganzen Larvenzustan<strong>de</strong>s (bei <strong>de</strong>n Diptern)<br />

fehlen. Es möchte dieses in<strong>de</strong>ssen wohl dahin zu <strong>de</strong>uten<br />

sein, dass die Antennen nicht etwa, wie man es bisher nach<br />

<strong>de</strong>r anatomischen Anordnung ganz allgemein angenommen<br />

hat, mit <strong>de</strong>n Fresswerkzeugen zu <strong>de</strong>mselben Körperabschnitt<br />

gehören, son<strong>de</strong>rn ein eignes davon verschie<strong>de</strong>nes System von<br />

Segmenten bil<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ssen schon oben unter <strong>de</strong>r Bezeichnung<br />

<strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rkopfes Erwähnung geschehen ist. Eine Bestätigung<br />

dieser Vermuthung fin<strong>de</strong> ich darin, dass bei <strong>de</strong>n Stomatopo<strong>de</strong>n<br />

auch wirklich ein solcher Abschnitt als ein selbstständiger,<br />

aus mehreren Segmenten bestehen<strong>de</strong>r Theil sich<br />

vorfin<strong>de</strong>t. In allen übrigen Fällen dagegen ist <strong>de</strong>rselbe ohne<br />

nachweisbare Glie<strong>de</strong>rung und auch stets mit <strong>de</strong>m eigentlichen<br />

Kopf, <strong>de</strong>r die Mundöffnung trägt, verschmolzen; ein Verhältniss,<br />

welches wir in analoger Weise so sehr häufig auch<br />

bei <strong>de</strong>n übrigen Abschnitten antreffen.


96<br />

In seiner höchsten Entwicklung, bei <strong>de</strong>n sogenannten<br />

Podophthalmen, besteht <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rkopf aus dreien Gürteln,<br />

die dann stets, auch da, wo dieselbe nicht als geson<strong>de</strong>rte<br />

Segmente vorhan<strong>de</strong>n sind, durch drei entsprechen<strong>de</strong> Paare<br />

von Anhängen nachgewiesen wer<strong>de</strong>n können. Das erste<br />

Paar <strong>de</strong>rselben trägt unter solchen Umstän<strong>de</strong>n an seiner<br />

Spitze die Gesichtswerkzeuge, während die bei<strong>de</strong>n hintern,<br />

die (gemäss <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Extremitätenbildung bei <strong>de</strong>n<br />

Crustaceen) gespalten und in ihren einzelnen dadurch entstan<strong>de</strong>nen<br />

Theilen auf eine verschie<strong>de</strong>ne Weise entwickelt<br />

sind, als Antennen erscheinen. Die Verbindung <strong>de</strong>r Augen<br />

mit <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>rsten Paare dieser drei Extremitäten kann ich<br />

nur für eine zufällige halten, nicht aber für wesentlich. Der<br />

sogenannte Augenstiel ist nach meiner Meinung ein ganz<br />

gleiches Gebil<strong>de</strong>, wie die dahinter liegen<strong>de</strong>n Antennen, nur<br />

rudimentärer als diese — ein Umstand, <strong>de</strong>r vielleicht eben<br />

gera<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r eigenthümlichen Verwendung <strong>de</strong>sselben und<br />

<strong>de</strong>r Verbindung mit jenen Sinnesorganen abhängt. Dass dieselben<br />

niemals in an<strong>de</strong>rer Gestalt auftreten, als in <strong>de</strong>r von<br />

Augenstielen, möchte wohl kaum gegen diese Ansicht sprechen<br />

und noch viel weniger beweisen (wie Z ad dach i) ver- .<br />

muthet), dass die Entstehung <strong>de</strong>r Gesichtswerkzeuge auf eine<br />

Gliedmassenbildung zurückzuführen sei. Wie z. B. wäre es<br />

möglich, <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r Arachni<strong>de</strong>n ein beson<strong>de</strong>res Segment<br />

zu vindiciren? Mit <strong>de</strong>r oben ausgesprochenen Ansicht dagegen,<br />

dass jene Verbindung mit <strong>de</strong>m ersten Paare <strong>de</strong>r am<br />

Vor<strong>de</strong>rkopf befestigten Gliedmassen nur eine zufällige sei,<br />

lässt je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re Lage dieser Sinneswerkzeuge sich leicht<br />

vereinigen. Ueberall wo jene Extremitäten nicht gebil<strong>de</strong>t sind,<br />

unter <strong>de</strong>n Crustaceen bei <strong>de</strong>n sogenannten Edriophthalmen,<br />

sowie bei <strong>de</strong>n Insekten, behalten dieselben ihre ursprüngliche<br />

Lage am Vor<strong>de</strong>rkopf o<strong>de</strong>r auch, wenn dieser vollkommen<br />

fehlt, und <strong>de</strong>r Kopf mit <strong>de</strong>m Thorax verschmolzen ist, auf<br />

<strong>de</strong>m sogenannten Cephalothorax. Ein solches Verhältniss fin<strong>de</strong>t<br />

D A. a. o. s. 11.


97<br />

eine sehr passen<strong>de</strong> Analogie in <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Lagerung<br />

<strong>de</strong>s muthmasslichen, von v. Siebold 1 ) ent<strong>de</strong>ckten Gehörorganes<br />

bei <strong>de</strong>n Orthoptern. Auch solches wird, wie wir<br />

durch diesen ausgezeichneten Anatomen erfahren haben, mitunter<br />

(bei <strong>de</strong>n Locustinen) von <strong>de</strong>n Extremitäten <strong>de</strong>s Thorax<br />

an sich gerissen, während es bei <strong>de</strong>n Acridiern eine abweichen<strong>de</strong><br />

Lage am Vor<strong>de</strong>rtheil <strong>de</strong>s Abdomen darbietet.<br />

Ueberdies spricht endlich die Entwicklung <strong>de</strong>r Augenstiele,<br />

wie sie Rathke z. B. beim Flusskrebs gefun<strong>de</strong>n hat, vollkommen<br />

zu Gunsten unserer Meinung. Im Anfang <strong>de</strong>r Entwicklung,<br />

vor <strong>de</strong>m Erscheinen <strong>de</strong>r Augen, gleichen die stielförmigen<br />

Träger dieser Organe ganz <strong>de</strong>n ersten Rudimenten<br />

<strong>de</strong>r Antennen.<br />

Nach <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r gesammten drei Fühlerpaare<br />

bei <strong>de</strong>m eben genannten Glie<strong>de</strong>rfüssler zu urtheilen, bil<strong>de</strong>n<br />

sich übrigens die Segmente <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rkopfes mit ihren resp.<br />

Gliedmaassen in continuirlicher Reihenfolge nicht von vorn<br />

nach hinten, wie die Gürtel <strong>de</strong>r eigentlichen Leibesabschnitte,<br />

son<strong>de</strong>rn von hinten nach vorn. Der gesammte Vor<strong>de</strong>rkopf<br />

erscheint somit, ganz wie das Postabdomen, weit eher als<br />

ein Anhang <strong>de</strong>s Körpers o<strong>de</strong>r vielmehr <strong>de</strong>s Primitivtheils,<br />

<strong>de</strong>nn als ein integriren<strong>de</strong>r Abschnitt <strong>de</strong>sselben. Nur für diese<br />

gilt das oben angeführte Gesetz <strong>de</strong>r Entwicklung von vorn<br />

nach hinten. In Uebereinstimmung mit diesem Verhalten<br />

ist es, dass <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rkopf, wenn er anfängt rudimentär zu<br />

wer<strong>de</strong>n, nicht seine hintern, son<strong>de</strong>rn seine vor<strong>de</strong>m Glie<strong>de</strong>r<br />

verliert. Bei <strong>de</strong>n Arthrostraken besteht <strong>de</strong>rselbe je<strong>de</strong>rseits nur<br />

noch aus zwei Segmenten, die durch die anhängen<strong>de</strong>n Antennen<br />

(die offenbar <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n. Fühlerpaaren <strong>de</strong>r Podophthalmen<br />

entsprechen) repräsentirt sind, bei <strong>de</strong>n sechsfüssigen<br />

Insekten und <strong>de</strong>n Myriapo<strong>de</strong>n sogar nur aus einem einzigen<br />

Ringe, <strong>de</strong>ssen Anhänge man gewiss mit Recht <strong>de</strong>m letzten<br />

Antennenpaar jener erstgenannten Krebse parallelisiren darf.<br />

Bei <strong>de</strong>n meisten Entomostraken endlich (mit Ausnahme <strong>de</strong>r<br />

1) Wiegmann's Arch. 1844. I. S. 53.<br />

7


98<br />

Siphonostomen und Lernäa<strong>de</strong>n»)), sowie bei <strong>de</strong>n Spinnen ist<br />

eine je<strong>de</strong> Spur <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rkopfes verschwun<strong>de</strong>n. Die Antennen<br />

fehlen diesen Arthropo<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn das, was man bei<br />

<strong>de</strong>n Entomostraken als solche \yohl ansieht, hat in <strong>de</strong>r Mehrzahl<br />

<strong>de</strong>r Fälle (bei Daphnia z. B.), wie wir sogleich sehen<br />

wer<strong>de</strong>n, eine ganz an<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung.<br />

Mit Ausnahme <strong>de</strong>r Stomatopo<strong>de</strong>n hat übrigens, wie schon<br />

erwähnt ist, <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rkopf überall seine anatomische Selbstständigkeit<br />

aufgegeben. In allen an<strong>de</strong>rn Arthropo<strong>de</strong>n ist<br />

<strong>de</strong>rselbe mit <strong>de</strong>m folgen<strong>de</strong>n Abschnitt, mit <strong>de</strong>m eigentlichen<br />

Kopf verschmolzen. Dieser nun besteht, wo er vollständig<br />

entwickelt ist, aus vier Gliedmaassenpaaren mit <strong>de</strong>ren resp.<br />

Gürteln, welche letztere freilich stets mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r vollkommen<br />

zu einem gemeinschaftlichen kapselartigen Gebil<strong>de</strong><br />

unter einan<strong>de</strong>r zusammenhängen. Die Gliedmaassen <strong>de</strong>s Kopfes<br />

sind die Oberlippe, die bei<strong>de</strong>n Mandibeln und zwei Paare<br />

sogenannter Maxillen, von <strong>de</strong>nen die hintern bei <strong>de</strong>n sechsfüssigen<br />

Insekten in <strong>de</strong>r Medianlinie mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r zu<br />

einem unpaaren Theil, <strong>de</strong>r Unterlippe, mit einan<strong>de</strong>r verschmolzen<br />

sind.<br />

Die Oberlippe muss man nach ihrer ganzen Entstehung<br />

zu <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Ventralanhängen <strong>de</strong>r Körpersegmente gebil<strong>de</strong>ten<br />

Organengruppe hinzurechnen. Dass sie beständig<br />

unpaar 2 ) ist, kann wohl kaum die Inconsequenz rechtfertigen,<br />

<strong>de</strong>ren man im Gegentheil sich schuldig macht. Fin<strong>de</strong>n<br />

wir doch so häufig, dass bestimmte seitlich symmetrische<br />

Gebil<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n Thieren mit lateralem Typus durch ein unpaares<br />

mittleres Element ersetzt wer<strong>de</strong>n. So auch hier. Statt<br />

zweier seitlichen Anhänge entwickelt sich nur ein einziger<br />

in <strong>de</strong>r Medianlinie. Dass solches aber hier <strong>de</strong>r Fall ist, scheint<br />

auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite wie<strong>de</strong>rum für die Unabhängigkeit <strong>de</strong>s<br />

1) Bei einigen Lernäa<strong>de</strong>n, wie bei Penella und Lernaeocera gehen übrigens diese<br />

Fühler im Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung wie<strong>de</strong>rum verloren. Vrgl. v. Nord man n's Mikrographische<br />

Beiträge. Th. IL<br />

2) Bei manchen Käfern scheint dieselbe wirklich noch die An<strong>de</strong>utungen zweier<br />

seitlichen Stücke zu enthalten. Vergl. Brülle in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. natur.<br />

1844. T. I. p. 271.


99<br />

Kopfes von <strong>de</strong>m Vor<strong>de</strong>rkopf zu sprechen. Bei Weitem in<br />

<strong>de</strong>r grössern Mehrzahl <strong>de</strong>r Fälle fin<strong>de</strong>n wir ein <strong>de</strong>rartiges<br />

Verhältniss nicht inmitten einer fortlaufen<strong>de</strong>n Reihe homologer<br />

paariger Gebil<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn an <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>rselben. — Von allen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Anhängen <strong>de</strong>r<br />

Segmente scheint (auch bei <strong>de</strong>n Insekten?) die Oberlippe<br />

zuerst zu entstehen. Sie erscheint als eine warzenförmige<br />

Hervorragung am vor<strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Primitivstreifs, die meistens<br />

zu einer queren Platte sich ausbil<strong>de</strong>t, in an<strong>de</strong>rn Fällen<br />

(bei <strong>de</strong>n Entomostraken und auch <strong>de</strong>n Pycnogoni<strong>de</strong>n) aber zu<br />

einem kurzen Rohre, welches dann auf <strong>de</strong>r Spitze die Mundöffnung<br />

trägt und als Saugröhre functionirt. In dieser Form<br />

persistirt sie nicht selten (bei <strong>de</strong>n Siphonostomen und Pycnogoni<strong>de</strong>n<br />

i)), während sie sonst (z. B. bei Cyclops 2 ), bei <strong>de</strong>n<br />

Lernäa<strong>de</strong>n u. s. w.) späterhin ebenfalls, in<strong>de</strong>m die hintere<br />

Wand allmählig schwin<strong>de</strong>t, zu einem plattenförmigen Gebil<strong>de</strong><br />

wird. Dahinter nun entstehen die übrigen Anhänge <strong>de</strong>s Kopfes,<br />

zuerst die Mandibeln, später die Maxillen, die vor<strong>de</strong>m<br />

und hintern, bald (bei <strong>de</strong>n höhern Krebsen, sowie <strong>de</strong>n meisten<br />

Insekten) in rascher Reihenfolge nach einan<strong>de</strong>r, bald<br />

aber auch erst nach einem geraumen Zeitabschnitt, nach<strong>de</strong>m<br />

bereits die Beine <strong>de</strong>s Thorax, wenigstens die vor<strong>de</strong>m, angelegt<br />

sind. Letzteres ist beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n mit einem Saugrüssel<br />

versehenen Entomostraken <strong>de</strong>r Fall (wo durch diese<br />

späte Entstehung <strong>de</strong>r Kiefer Uberdiess noch manche an<strong>de</strong>re<br />

inseressante Metamorphosen möglich wer<strong>de</strong>n), aber auch, nach<br />

<strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung von Kroger 3 ), bei <strong>de</strong>n Pycnogoni<strong>de</strong>n und<br />

selbst bei manchen Insekten (beson<strong>de</strong>rs Diptern), wo dann die<br />

Maxillen, und zwar meist bloss die untern, während <strong>de</strong>s<br />

ganzen Larvenzustan<strong>de</strong>s fehlen.<br />

1) Erichson (a. a. 0. S. 10.) hält die Oberlippe bei <strong>de</strong>n Pycnogoni<strong>de</strong>n für die<br />

Zunge, doch nach <strong>de</strong>r von Kroger beobachteten Entwicklung dieses Theiles<br />

gewiss mit Unrecht. Vergl. Naturhist. Tidssk. N. R. I. p. 30, o<strong>de</strong>r Oken's<br />

Isis. 1841. S. 717.<br />

2) VergL Rathke, Entwicklungsgesch. <strong>de</strong>s Mensehen u. <strong>de</strong>r Thiere. II. S. 93.<br />

3) L. c.<br />

7*


100<br />

Das eben angeführte Verhältniss in <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Fresswerkzeuge scheint mir bei <strong>de</strong>r Beurtheilung <strong>de</strong>r Frage<br />

nach <strong>de</strong>r Relation dieser Gebil<strong>de</strong> wohl zu berücksichtigen.<br />

Manchfach ist nämlich die Behauptung aufgestellt wor<strong>de</strong>n,<br />

wie namentlich von Burmeister und auch neuerlich wie<strong>de</strong>r<br />

von Z ad dach i), dass die Fresswerkzeuge, wenigstens die<br />

bei<strong>de</strong>n Unterkieferpaare, nicht <strong>de</strong>m Kopf, son<strong>de</strong>rn eigentlich<br />

<strong>de</strong>r Brust angehörten. Ihre Verbindung mit <strong>de</strong>m erstem<br />

wür<strong>de</strong> hiernach nicht wesentlich sein und keineswegs in <strong>de</strong>r<br />

typischen Anordnung <strong>de</strong>s Kopfes seine Begründung haben.<br />

A priore lässt sich diese Behauptung um so weniger zurückweisen,<br />

als wir sehen, dass bei einer Verschmelzung <strong>de</strong>s<br />

Kopfes mit <strong>de</strong>m dahinter liegen<strong>de</strong>n Thorax bald (bei <strong>de</strong>n<br />

Spinnen) wirklich diese Anhänge — vollkommen aber nur<br />

das hintere Maxillenpaar — <strong>de</strong>n eigentlichen Beinen ganz<br />

conform wer<strong>de</strong>n und als Gehwerkzeuge functioniren, bald<br />

auch (bei <strong>de</strong>n höhern Krebsen) die eigentlichen Thoracalanhänge<br />

alle (Stomatopo<strong>de</strong>n und Decapo<strong>de</strong>n, mit Ausnahme <strong>de</strong>r<br />

sogenannten Schizopo<strong>de</strong>n, von Hippolyte u. a. m.) o<strong>de</strong>r nur<br />

mit ihrem vor<strong>de</strong>m Paare (Arthrostraken) zu Hülfskiefer sich<br />

umbil<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Fresswerkzeugen sich anschliessen.<br />

In<strong>de</strong>ssen scheint es mir, als sei eine <strong>de</strong>rartige Annahme<br />

bloss durch eine zu einseitige Betrachtung solcher bei <strong>de</strong>n Spinnen<br />

und höhern Krebsen vorkommen<strong>de</strong>n Entwicklungsweise<br />

entstan<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong> bei diesen Arthropo<strong>de</strong>n aber sind wegen<br />

<strong>de</strong>s eigenthümlichen Zusammenhangs von Kopf und Brust die<br />

Verhältnisse min<strong>de</strong>r klar. Leicht kann hier eine Auffassung,<br />

wie die von Burmeister, eine grosse Wahrscheinlichkeit<br />

gewinnen, wenn man sieht, wie die hintern Kiefer und die<br />

Beine <strong>de</strong>r Brust nicht nur in continuirlicher Folge hinter ein-<br />

]) Z ad dach, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rkopf nicht als einen beson<strong>de</strong>rn Abschnitt <strong>de</strong>s Kör­<br />

pers unterschei<strong>de</strong>t, zählt am Kopf — da, wo er am vollständigsten entwickelt<br />

ist — drei o<strong>de</strong>r vier Anhänge, die (?) Augenstiele, Antennen und Mandibeln.<br />

Die Maxillen gehören mit <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n drei Segmenten (die ich mit Erich son<br />

allein als Theile <strong>de</strong>s Thorax ansehen kann) zu <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Abtheilung <strong>de</strong>s<br />

Leibes, zu <strong>de</strong>r Brust.


101<br />

an<strong>de</strong>r entstehen, son<strong>de</strong>rn auch eine gleichmässige Form darbieten<br />

(letzleres jedoch, wie wir noch sehen wer<strong>de</strong>n, mit<br />

einigen Ausnahmen, die sehr augenfällig für die Ansicht von<br />

Erichson sprechen). Bei <strong>de</strong>n Entomostraken jedoch und<br />

<strong>de</strong>n Insekten sind die Verhältnisse an<strong>de</strong>rs. Wenn wir nun<br />

auch die erstem hier nicht als beweisend anfuhren wollen,<br />

weil bei ihnen die morphologische Anordnung vielleicht manchfache<br />

Zweifel und verschie<strong>de</strong>nartige Deutungen zulassen möchte,<br />

so scheinen doch die Insekten die Richtigkeit <strong>de</strong>r gewöhnlichen<br />

Annahme zu erweisen. Bei ihnen bil<strong>de</strong>n sich Maxillen und<br />

Beine unabhängig von einan<strong>de</strong>r und so wenig allgemein in<br />

continuirlicher Reihenfolge, dass die letztern nicht selten in<br />

<strong>de</strong>r Zeit ihrer Entstehung <strong>de</strong>n erstem vorausgehen. Es wäre<br />

aber eine sehr auffallen<strong>de</strong> Verletzung <strong>de</strong>s schon oben erörterten<br />

Gesetzes, wenn in diesen Fällen die hintern Anhänge<br />

<strong>de</strong>r Brust eher hervorkeimen sollten, als die vor<strong>de</strong>m. Wo<br />

sonst ein <strong>de</strong>rartiges Verhältniss stattfin<strong>de</strong>t, am Vor<strong>de</strong>rkopf,<br />

so \vie vielleicht am Postabdomen, lassen stets bestimmte,<br />

mit <strong>de</strong>r ganzen Entwicklungsart <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Abschnitte<br />

in Uebereinstimmung stehen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> dafür sich angeben<br />

— was aber hier kaum möglich sein möchte.<br />

Ausser<strong>de</strong>m sehen wir, wo <strong>de</strong>r Kopf vom Thorax abgeson<strong>de</strong>rt<br />

ist, überall an jenem erstem die angeführten drei Kieferpaare.<br />

Selbst bei Galeo<strong>de</strong>s, wo nur noch eine Spur<br />

dieser Son<strong>de</strong>rung auftritt, und die Taster <strong>de</strong>r Maxillen l ) beson<strong>de</strong>rs<br />

<strong>de</strong>r hintern, schon fast ganz <strong>de</strong>n Gehfüssen gleichen,<br />

selbst hier fin<strong>de</strong>n dieselben noch ihre Insertion am Kopfe,<br />

nicht am Thorax.<br />

Was ebenfalls noch zu Gunsten <strong>de</strong>r gewöhnlichen Annahme<br />

zu sprechen scheint, ist die bei <strong>de</strong>n Insekten ganz<br />

constante Verwachsung <strong>de</strong>s hintern Maxillenpaares zu <strong>de</strong>r<br />

sogenannten Unterlippe. Wie schon oben erwähnt, ist solche<br />

1) Die vergleichen<strong>de</strong> Anatomie liefert <strong>de</strong>n Nachweis, dass die Körper o<strong>de</strong>r Grund-<br />

theile <strong>de</strong>r Kiefer <strong>de</strong>n Coxen <strong>de</strong>r Beine, die Taster <strong>de</strong>rselben <strong>de</strong>n dahinter lie­<br />

gen<strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rn entsprechen. Vergl. Erichson a. a. 0., sowie Duges in <strong>de</strong>n<br />

Annal. <strong>de</strong>s scienc. natur. II, Scr. T. I. p. 7.


102<br />

Verwachsung vorzugsweise nur an <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>m und hintern<br />

En<strong>de</strong> einer fortlaufen<strong>de</strong>n Reihe homologer paariger Gebil<strong>de</strong><br />

anzutreffen. Ein an<strong>de</strong>res Verhalten ist immer als Ausnahme<br />

anzusehen und sehr selten. Im Fall nun wirklich die Maxillen<br />

<strong>de</strong>m Thorax zuzurechnen wären, hätten wir hier eine<br />

solche Ausnahme, da dann nicht das erste Paar <strong>de</strong>r Thoracalanhänge,<br />

son<strong>de</strong>rn das zweite eine Verschmelzung in <strong>de</strong>r<br />

Mittellinie darböte.<br />

Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n nun glaube ich für die Maxillen<br />

ohne grosses Be<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>r Meinung von Erichson<br />

beipflichten zu können, wonach die betreffen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong> als<br />

Extremitäten <strong>de</strong>s Kopfes betrachtet wer<strong>de</strong>n und nur — wenn<br />

ich so sagen soll — ausnahmsweise, bei <strong>de</strong>n Spinnen, zu<br />

Gehwerkzeugen, übereinstimmend mit <strong>de</strong>n Beinen <strong>de</strong>s Thorax,<br />

umgewan<strong>de</strong>lt sind.<br />

Die Variationen in <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Anhänge am<br />

Kopfe sind manchfach. Bei manchen Entomostraken, z. B.<br />

bei Acanthocerus ') und bei verschie<strong>de</strong>nen Parasiten 2 ) scheint<br />

das hintere Paar <strong>de</strong>r Maxillen zu fehlen, ebenso bei <strong>de</strong>n<br />

Spinnen die Oberlippe. Was das erstere dieser Verhältnisse<br />

betrifft, so reducirt sich dasselbe wohl ganz einfach darauf,<br />

dass hier das hintere Maxillenpaar, welches auch sonst am<br />

spätesten sich entwickelt, überhaupt gar nicht gebil<strong>de</strong>t 3 ) ist,<br />

1) Nach Schödler a. a. 0.<br />

2) Ich kann Rathke (Zur Morphologie u. s. w. S. 122.) nicht beistimmen, weun<br />

er die Fresswerkzeuge dieser Entomostraken nicht zu <strong>de</strong>n Gliedmaassen <strong>de</strong>s<br />

Leibes rechnet, und als accessorischc Entwicklungen auf <strong>de</strong>r Chitinhaut <strong>de</strong>s<br />

Darmkanales ansieht.<br />

3) Nicht in allen Fällen ist übrigens ein <strong>de</strong>rartiges Fehlen von Fresswerkzeugen<br />

auf eine ursprüngliche Hemmung <strong>de</strong>r Entwicklung zurückzuführen. So wissen<br />

wir z. B. durch Kröger's Ent<strong>de</strong>ckung, dass Pycnogonum Anfangs mit einem<br />

Mandibularpaar versehen ist, welches späterhin wie<strong>de</strong>r verloren geht. Lei<strong>de</strong>r<br />

ist über die Entwicklung <strong>de</strong>r Maxillen Nichts bekannt gewor<strong>de</strong>n. Um so mehr<br />

ist dieses zu bedauern, als bekanntlich die Stellung dieser Geschöpfe unter <strong>de</strong>n<br />

Abtheilungen <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n noch immer sehr schwankend ist, und die Mei­<br />

nung von Latrcille, Erichson u. A., dass sie <strong>de</strong>n Arachni<strong>de</strong>n zugehörten<br />

(die auf die Deutung <strong>de</strong>s ersten Beinpaares als zweiten Maxillcnpaares sich<br />

stützt), in <strong>de</strong>n Angaben von Krüger eben keine Bestätigung fin<strong>de</strong>t. Es ent­<br />

wickelt sich das betreffen<strong>de</strong> Gebil<strong>de</strong> wenigstens auf ganz dieselbe Weise, wie


103<br />

während im zweiten Fall das Fehlen <strong>de</strong>r Oberlippe mit <strong>de</strong>r<br />

gleichzeitigen Abwesenheit <strong>de</strong>s ganzen Vor<strong>de</strong>rkopfes in einigem<br />

Zusammenhang zu stehen scheint. Die Anlage <strong>de</strong>r Oberlippe<br />

nämlich geschieht, nach <strong>de</strong>n Ra ihkeschen Beobachtungen<br />

zu urlheilen, mit <strong>de</strong>n hintern Antennen so ziemlich in<br />

gleicher Höhe — eine Anordnung, die übrigens auch sonst<br />

wohl in <strong>de</strong>r Gruppirung <strong>de</strong>r Anhänge zweier anliegen<strong>de</strong>n,<br />

unvollständig abgegrenzten und verschmolzenen Segmente beobachtet<br />

wird. Erst später, so scheint es, rücken Oberlippe<br />

und Antennen weiter aus einan<strong>de</strong>r, so dass letztere ganz<br />

<strong>de</strong>utlich vor <strong>de</strong>n erstem zu liegen kommen. Unter solchen<br />

Verhältnissen nun kann die Abwesenheit <strong>de</strong>r Antennen, wie<br />

wir bei <strong>de</strong>n Spinnen sie antreffen, gewiss auch leicht <strong>de</strong>n<br />

Mangel <strong>de</strong>r Oberlippe herbeiführen.<br />

Was nun übrigens die bei <strong>de</strong>n Spinnen J ) vorkommen<strong>de</strong><br />

Umwandlung <strong>de</strong>r hintern Kiefer in Gehwerkzeuge betrifft, so<br />

kann uns diese bei <strong>de</strong>r morphologischen I<strong>de</strong>ntität 2 ) <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Leibesringe und <strong>de</strong>ren Anhänge nicht auffallen, um<br />

so weniger, als wir gleichzeitig wahrnehmen, wie dabei <strong>de</strong>r<br />

Kopf aufhört, als ein beson<strong>de</strong>rer, anatomisch abgegrenzter<br />

Körperlheil zu erscheinen, und mit <strong>de</strong>m dahinter liegen<strong>de</strong>n<br />

Thorax in eine gemeinschaftliche Masse verschmilzt. Auf<br />

<strong>de</strong>rselben morphologischen I<strong>de</strong>ntität beruht auch die Möglichkeit<br />

<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n höhern Krebsen, bei <strong>de</strong>n Malacostraken, vorkommen<strong>de</strong>n<br />

Umwandlung <strong>de</strong>rThoracalanhänge in sogenannte<br />

Beikiefer, in Gebil<strong>de</strong>, die nach ihrer anatomischen Struclur<br />

viel eher <strong>de</strong>n Maxillen, als <strong>de</strong>n Beinen gleichen, obgleich sie,<br />

nicht die dahinter gelegenen Gehwerkzeuge (welche als An-<br />

die übrigen Beine. Ausser<strong>de</strong>m, glaube ich, muss man auch das eiertragen<strong>de</strong><br />

Fusspaar <strong>de</strong>r Weibchen bei <strong>de</strong>r Deutung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Leibesanhänge wohl<br />

berücksichtigen und eben diesem, wie es mir scheint, die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s dritten<br />

Kieferpaares vindiciren.<br />

1) Ein ähnliches Verhältniss fin<strong>de</strong>t sich auch, wie noch unten Specteller nachge­<br />

wiesen wer<strong>de</strong>n soll, bei <strong>de</strong>n Myriapo<strong>de</strong>n, obgleich für diese Thiere die gewöhn­<br />

liche Angabe ganz an<strong>de</strong>rs lautet.<br />

2) Am auffallendsten ist diese I<strong>de</strong>ntität schon anatomisch in <strong>de</strong>r Gestalt und Anord­<br />

nung <strong>de</strong>r Fresswerkzeuge und Thoracalbeine bei Limulus ausgesprochen.


104<br />

hänge <strong>de</strong>s Abdomen ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n müssen) <strong>de</strong>n eigentlichen<br />

Beinen <strong>de</strong>r Insekten entsprechen, wie schon Savigny<br />

auf das Ueberzeugendste dargethan hat. In Uebereinstimmung<br />

hiermit steht es <strong>de</strong>nn auch, dass bei diesen Krebsen die<br />

Segmente <strong>de</strong>r Brust (alle, o<strong>de</strong>r nur zum Theil) mit <strong>de</strong>m Kopfe<br />

verschmolzen sind, nicht, wie bei <strong>de</strong>n Spinnen, <strong>de</strong>r Kopf mit<br />

<strong>de</strong>m Thorax.<br />

Der Thorax selbst besteht, wie es scheint, überall aus<br />

drei Segmenten und aus einer entsprechen<strong>de</strong>n Anzahl von<br />

paarigen Anhängen. Bei <strong>de</strong>n sechsfüssigen Insekten bil<strong>de</strong>n<br />

diese letztern die drei Paare von Gehwerkzeugen bei <strong>de</strong>n<br />

Arachni<strong>de</strong>n nur die drei hintern Paare, in<strong>de</strong>m, wie angeführt,<br />

das bei <strong>de</strong>nselben vorkommen<strong>de</strong> vor<strong>de</strong>re Paar aus einer Metamorphose<br />

<strong>de</strong>r hintern Kiefer hervorgegangen ist. Bei <strong>de</strong>n<br />

Malacostraken dagegen treten diese Thoracalfüsse, als Beikiefer<br />

an <strong>de</strong>n Kopf, bald (bei <strong>de</strong>n Podophthalmen) alle,<br />

bald auch nur (bei <strong>de</strong>n Arthrostraken, mit Ausnahme <strong>de</strong>r<br />

Pranizi<strong>de</strong>n, wo dieselben Verhältnisse wie<strong>de</strong>rkehren, wie bei<br />

<strong>de</strong>n Podophthalmen, so wie <strong>de</strong>r Lämodipo<strong>de</strong>n, wo zwei Thoracalfüsse<br />

verwan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, wenn auch bei<strong>de</strong> nicht gleich<br />

vollkommen) mit ihrem vor<strong>de</strong>m Paare. Im letztern Fall bleiben<br />

also nur zwei Thoracalbeine, die, wie bei <strong>de</strong>n Myriapo<strong>de</strong>n,<br />

nach hinten an die Anhänge <strong>de</strong>s Abdomen sich anschliessen<br />

und mit diesen auch in ihrer Form übereinstimmen.<br />

Uebrigens fin<strong>de</strong>t ein solches Verhältniss schon bei einigen<br />

Decapo<strong>de</strong>n eine An<strong>de</strong>utung. Auch hier erstreckt sich manchmal<br />

(bei <strong>de</strong>n Schizopo<strong>de</strong>n, Hippolyle u. s. w.) jene Metamorphose<br />

nur auf die bei<strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>m Anhänge, so dass dann<br />

das hintere Paar in seiner eigentlichen Form persistirt und<br />

als Gehwerkzeug verwen<strong>de</strong>t ist.<br />

Die Entwicklung <strong>de</strong>r Anhänge <strong>de</strong>s Thorax geschieht,<br />

ganz wie es oben auch von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>s Kopfes angeführt ist,<br />

von vorn nach hinten, und ebenfalls so, dass die letzten <strong>de</strong>rselben<br />

mitunter, wie beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Milben , aber auch<br />

bei einigen Entomostraken, erst viel später angelegt wer<strong>de</strong>n,<br />

als die vor<strong>de</strong>m, erst zu einer Zeit, wo die Jungen schon


105<br />

längst die Eihüllen verlassen haben. Von <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>r<br />

Fresswerkzeuge ist übrigens die <strong>de</strong>r Thoracalanhänge ganz<br />

unabhängig, wie die Entomostraken, aber auch manche Insekten<br />

ganz <strong>de</strong>utlich beweisen, wo dieselben, wenn auch nur<br />

in ihren vor<strong>de</strong>m Paaren, bereits zu einer Zeit entstehen, in<br />

<strong>de</strong>r die Kiefer noch keineswegs in gesetzmässiger Anzahl<br />

vorhan<strong>de</strong>n sind.. Dass aber in an<strong>de</strong>rn Fällen die Anhänge<br />

<strong>de</strong>s Kopfes und Thorax, wie die eines gemeinschaftlichen<br />

Abschnittes, in continuirlicher Reihe schnell hinter einan<strong>de</strong>r<br />

hervorkommen, ist ganz natürlich, wenn wir nur be<strong>de</strong>nken,<br />

dass solches eben nur da <strong>de</strong>r Fall ist, wo Kopf und Thorax<br />

mit einan<strong>de</strong>r verschmolzen sind und die betreffen<strong>de</strong>n Anhänge<br />

bei<strong>de</strong>r Theile auf eine gleiche Weise gestaltet wer<strong>de</strong>n.<br />

Von <strong>de</strong>m höchsten Interesse übrigens ist es, dass auch<br />

unter solchen Verhältnissen bei einigen Decapo<strong>de</strong>n die Metamorphose<br />

<strong>de</strong>r Thoracalbeine in Beikiefer wirklich eine actuelle<br />

ist. Bei <strong>de</strong>n unausgebil<strong>de</strong>ten Individuen von Hyas, Galathea,<br />

Pagurus l ), von Caridina 2 ), Palaemon und sicherlich noch bei<br />

einer grössern Anzahl 3 ) verwandter Krebse zeichnen sich,<br />

wenn das Abdomen mit seinen Anhängen noch wenig entwickelt<br />

ist, die drei Paar Thoracalfüsse vor <strong>de</strong>n Kiefern <strong>de</strong>s<br />

Kopfes durch eine gänzlich abweichen<strong>de</strong> Gestalt aus. Sie<br />

sind von einer sehr ansehnlichen Länge, von ähnlicher Form,<br />

wie anfänglich die Abdominalbeine von Astacus marinus, und<br />

dienen, gleich diesen, als Locomotionswerkzeuge, als Schwimmfüsse.<br />

Hier also treten die betreffen<strong>de</strong>n Anhänge unter Verhältnissen<br />

auf, welche zu auffallend an die bei <strong>de</strong>n Insekten<br />

und Spinnen vorkommen<strong>de</strong> Anordnung erinnern, als<br />

dass man die völlige Analogie mit <strong>de</strong>n Thoracalbeinen dieser<br />

Arthropo<strong>de</strong>n verkennen könnte. Wie aber nun hierdurch<br />

auf <strong>de</strong>r einen Seite die Meinung von Burmeister,<br />

1) So nach <strong>de</strong>n Beobachtungen von Rathke (in <strong>de</strong>n Beiträgen zur vergleichen<strong>de</strong>n<br />

Anatomie und Physiologie).<br />

2) Vergl. Joly in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1843. T. XII. p. 57.<br />

3) So z. B., nach <strong>de</strong>n Beobachtungen von De Cane (Ann. of nat. hist, 1840. und<br />

Froriep's N. Not. 1840. N. 265,), wahrscheinlich auch bei Carcinus Macnas.


106<br />

Milne Edwards u. A. wi<strong>de</strong>rlegt wird, dass die Abdominalfüsse<br />

<strong>de</strong>r Decapo<strong>de</strong>n u. a. Krebse <strong>de</strong>n Thoracalfüssen <strong>de</strong>r<br />

Insekten zu parallelisiren seien, und die grössere Anzahl <strong>de</strong>r<br />

Kiefer bei <strong>de</strong>n Krebsen einfach aus einer Vermehrung <strong>de</strong>r<br />

schon bei <strong>de</strong>n Insekten vorkommen<strong>de</strong>n Anhänge <strong>de</strong>s Kopfes<br />

hervorginge, so liefert das vorliegen<strong>de</strong> Verhältniss auch auf<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite, meiner Ansicht nach, einen neuen Beweis,<br />

dass die drei hintern Beikiefer <strong>de</strong>r Podophthalmen einem<br />

eigenen, von <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>m entsprechen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen<br />

Abschnitte angehören, dass also nicht, wie Burmeister<br />

und Zaddach will, ebenfalls die <strong>de</strong>n letztern entsprechen<strong>de</strong>n<br />

zwei Unterkieferpaare <strong>de</strong>r Insekten <strong>de</strong>m Thorax zu<br />

vindiciren seien.<br />

Bei Astacus marinus ist während <strong>de</strong>r Fötalperio<strong>de</strong> die<br />

Gestalt und Function <strong>de</strong>r Thoracalfüsse, wenigstens <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

hintern Paare ganz ähnlich. Das vor<strong>de</strong>re Paar dagegen<br />

ist vollkommen <strong>de</strong>n davorliegen<strong>de</strong>n Unterkiefern gleich. Seinen<br />

Grund möchte übrigens dieser letztere Umstand vielleicht<br />

in <strong>de</strong>r verhältnissmässig schon früh auftreten<strong>de</strong>n Bildung <strong>de</strong>r<br />

Abdominalgiie<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n, die eine <strong>de</strong>rartige Vertretung durch<br />

die eigentlichen Thoracalbeine, wenigstens in <strong>de</strong>r ganzen Aus<strong>de</strong>hnung,<br />

unnöthig macht. Wo das Abdomen noch frühzeitiger<br />

mit seinen Extremitäten sich entwickelt, bei A. fluviatilis,<br />

treten gleich von Anfang an alle drei Thoracalbeine in einer<br />

<strong>de</strong>n Maxillen ganz analogen Gestalt auf.<br />

Bei <strong>de</strong>n Entomostraken erscheinen die paarigen Anhänge<br />

<strong>de</strong>s Thorax im Anfang ebenfalls als mächtige Schwimmfüsse.<br />

Nur die Daphnii<strong>de</strong>n machen eine Ausnahme, die aber wahrscheinlich<br />

dahin sich reduciren möchte, dass dieselben viel<br />

später ausschlüpfen, als die übrigen verwandten Crustaceen,<br />

und die frühern Stadien <strong>de</strong>r Entwicklung, gera<strong>de</strong> diejenigen,<br />

in welchen sonst die Thoracalanhänge jene Form darbieten,<br />

noch im Innern <strong>de</strong>r EihUllen durchlaufen. Nach <strong>de</strong>n Beobachtungen<br />

von Juri n e l ) scheinen wenigstens im Allgemeinen<br />

1) Hist. nat. <strong>de</strong>s Monoclcs Gen. 1820.


107<br />

die Vorgänge <strong>de</strong>r Entwicklung nur unbeträchtlich zu <strong>de</strong>fferiren.<br />

Die Thoracalbeine entstehen übrigens bei <strong>de</strong>n Entomostraken<br />

viel früher, als sonst gewöhnlich. Zur Zeit ihrer<br />

Bildung ist von <strong>de</strong>n Anhängen <strong>de</strong>s Kopfes allein erst die<br />

röhrenförmige Oberlippe angelegt. Hierin hat es <strong>de</strong>nn auch<br />

wohl seinen Grund, dass die Thoracalfüsse meistens entwe<strong>de</strong>r<br />

dicht hinter jener Oberlippe hervorkeimen (z. B. bei Lernaeopoda,<br />

Balanus), o<strong>de</strong>r selbst (bei Cyclops l )) zu <strong>de</strong>n Seiten 2 )<br />

<strong>de</strong>rselben. Nur in seltenen Fällen sind Oberlippe und vor<strong>de</strong>re<br />

Brustanhänge durch einen grössern Zwischenraum von<br />

einan<strong>de</strong>r getrennt. So schien es mir z. B. bei <strong>de</strong>n Embryonen<br />

von Caligus.<br />

Wenn nun aber später dicht hinter <strong>de</strong>r Oberlippe die<br />

Fresswerkzeuge entstehen, so rücken die bei<strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>m<br />

Paare <strong>de</strong>r Thoracalbeine bis vor die Mundöffhung o<strong>de</strong>r doch<br />

bis zu <strong>de</strong>ren Höhe empor, wenn sie nicht schon gleich Anfangs<br />

diese Lage innehatten, während das letzte Paar immer<br />

mehr nach hinten davon sich entfernt. So wird es möglich,<br />

dass die Kiefer — ein Verhältniss, welches beim ersten Blick<br />

so sehr paradox scheint — hinter <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>m Anhängen<br />

<strong>de</strong>s Thorax ihre Lagerung haben. Manche Entomostraken<br />

besitzen übrigens im Anfang nur die bei<strong>de</strong>n ersten Thoracalbeinpaare,<br />

wie viele Milben. So z. B. Achtheres, Tracheliastes,<br />

Anchorella. In<strong>de</strong>ssen ist es noch zweifelhaft, ob in solchen<br />

Fällen das letzte Paar auch wirklich nachgebil<strong>de</strong>t wird, und<br />

nicht vielmehr beständig fehlt.<br />

Sehr abweichend von <strong>de</strong>r eben gegebenen Deutung <strong>de</strong>r<br />

Schwimmfüsse bei <strong>de</strong>n Embryonen <strong>de</strong>r Entomostraken, die<br />

mit allen ihren Consequenzen zuerst von Erichson aufgestellt<br />

wor<strong>de</strong>n ist, hat neuerdings Zaddach die betreffen<strong>de</strong>n<br />

Gebil<strong>de</strong> für die Anhänge <strong>de</strong>s Kopfes erklärt. Er parallelisirt<br />

sie — gemäss seiner Ansicht von <strong>de</strong>m Bau dieses Abschnit-<br />

l) Vergl. Rathke, Enlwicklungsgesch. Th. II. S. 93.<br />

2) Ganz analog ist die primäre Lagerung <strong>de</strong>r Antennen zu <strong>de</strong>r Oberlippe bei Astacus<br />

(nach Rathke a. a. 0.); nur sind es hier natürlich nicht die vor<strong>de</strong>m Paare<br />

dieser Anhänge, die zu <strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r letztem liegen, son<strong>de</strong>rn die hintern.


108<br />

tes — <strong>de</strong>n zwei Antennenpaaren und <strong>de</strong>n Mandibeln <strong>de</strong>r<br />

Malacostraken. So wenig ich in<strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>r Anschauungsweise<br />

dieses Zoologen von <strong>de</strong>r Zusammensetzung <strong>de</strong>s Kopfes beistimmen<br />

kann, eben so wenig scheint mir auch diese Deutung<br />

<strong>de</strong>r Schwimmfüsse in Uebereinstimmung mit <strong>de</strong>r morphologischen<br />

Anordnung zu sein. Gera<strong>de</strong> die Entwicklungsgeschichte,<br />

auf welche Zaddach verweist, verhin<strong>de</strong>rt nach<br />

meiner Ansicht eine <strong>de</strong>rartige Auffassung und rechtfertigt<br />

die ältere Annahme. Niemals wer<strong>de</strong>n, so viel wir bis jetzt<br />

wissen, die hintern Paare <strong>de</strong>r Ru<strong>de</strong>rfüsse zu <strong>de</strong>n Mandibeln.<br />

Im Gegentheil bil<strong>de</strong>n sich diese, wie Rathke für Cyclops<br />

nachgewiesen, ganz selbstständig mit <strong>de</strong>n dahinter liegen<strong>de</strong>n<br />

Maxillen in <strong>de</strong>r Lücke zwischen <strong>de</strong>r Mundöffnung und <strong>de</strong>m<br />

letzten Thoracalbeinpaar, welches durch seine Lage, wie es<br />

scheint, beständig, auch im ausgebil<strong>de</strong>ten Zustand, als ein<br />

Gliedmassenpaar <strong>de</strong>r Brust sich kund giebt. Das aber die<br />

vor<strong>de</strong>m Ru<strong>de</strong>rfüsse <strong>de</strong>r Entomostraken mit diesem letztern zu<br />

<strong>de</strong>mselben Abschnitt gehören, möchte wohl kaum in Zweifel<br />

gezogen wer<strong>de</strong>n können. Auch unterschei<strong>de</strong>n sie sich, selbst<br />

nach <strong>de</strong>r spätem Metamorphose, von <strong>de</strong>n Antennen <strong>de</strong>r Malacostraken<br />

in mehrfacher Beziehung so auffallend, dass schon<br />

Straus-DUrckheim und Rathke sie davon trennen zu<br />

müssen glaubten und sie als umgeän<strong>de</strong>rte Fusspaare betrachteten<br />

— eine Deutung, die vollkommen mit <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

im Einklang steht. Dass die betreffen<strong>de</strong>n Anhänge bei ihrer<br />

Entstehung mit <strong>de</strong>n Kopfgliedmaassen mancher Malacostraken<br />

in Gestalt übereinstimmen, was Zaddach hervorhebt, kann<br />

nur zeigen, dass bei<strong>de</strong>rlei Gebil<strong>de</strong> morphologisch einem gleichen<br />

Plan und Typus angehören, nicht aber, dass sie auch<br />

in ihrer Relation zu <strong>de</strong>n Abschnitten <strong>de</strong>s Körpers zu parallelisiren<br />

seien. Als nothwendig für die Annahme von Erichson<br />

bezeichnet Zadd a ch <strong>de</strong>n Nachweis, dass die sogenannten<br />

Antennen zu irgend einer Lebenszeit hinter <strong>de</strong>n Mandibeln<br />

liegen. Allerdings wür<strong>de</strong> hierdurch <strong>de</strong>r Streit leicht<br />

geschlichtet wer<strong>de</strong>n können. Lei<strong>de</strong>r aber ist ein solcher<br />

Nachweis nicht zu liefern — doch nur aus <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong>,


109<br />

weil, so viel wir bis jetzt wissen, die Mandibeln immer erst<br />

zu einer Zeit erscheinen, in <strong>de</strong>r bereits die vor<strong>de</strong>m Thoracalanhänge<br />

ihre Lage vor <strong>de</strong>r Mundöffnung o<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>ren Seiten<br />

eingenommen haben.<br />

Wie übrigens die Brustgliedmaassen <strong>de</strong>r Decapo<strong>de</strong>n,<br />

welche Anfangs als SchwimmfUsse functioniren, später eine<br />

Aen<strong>de</strong>rung ihrer ursprünglichen Form erlei<strong>de</strong>n, so auch die<br />

<strong>de</strong>r Entomostraken. Die Metamorphosen <strong>de</strong>rselben sind bei<br />

<strong>de</strong>n letztern Crustaceen sogar noch viel auffallen<strong>de</strong>r und<br />

manchfacher. Sie wechseln nicht bloss in <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Gruppen und Arten, son<strong>de</strong>rn hier und da, bei <strong>de</strong>n Lernäa<strong>de</strong>n<br />

i), selbst in <strong>de</strong>n einzelnen Geschlechtern. Niemals, wie<br />

es scheint, bleiben alle drei Paare, was sie Anfangs waren,<br />

SchwimmfUsse. Bald behält nur (wie bei Daphnia, Lynceus<br />

u. s. w.) das mittlere, bald nur (bei Apus) das hintere Paar<br />

diese Be<strong>de</strong>utung. Es zeigt dann, im entwickelten Zustand,<br />

eine Verästelung und ansehnliche Grösse. Das vor<strong>de</strong>re Paar,<br />

mitunter auch (bei <strong>de</strong>n Cyclopi<strong>de</strong>n) zugleich das mittlere, verwan<strong>de</strong>lt<br />

sich bei <strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Entomostraken in ein einfaches<br />

antennenförmiges Gebil<strong>de</strong>, während das letzte in seiner<br />

Gestalt zwischen <strong>de</strong>n Kiefern und <strong>de</strong>n Abdominalanhängen<br />

gewöhnlich die Mitte hält, o<strong>de</strong>r auch wohl vollkommen <strong>de</strong>n<br />

Bauchfüssen gleicht, wie bei <strong>de</strong>n Cirripedien, Lophyropo<strong>de</strong>n<br />

und manchen Copepo<strong>de</strong>n (z. B. Pontia) 2 ). In <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r<br />

Siphonostomen und Lernäa<strong>de</strong>n wird das erste Beinpaar <strong>de</strong>s<br />

Thorax zu Klammerfüssen, ebenso meistens die übrigen Paare,<br />

wenngleich dieselben häufig eine etwas verschie<strong>de</strong>ne Gestalt<br />

darbieten. Bei <strong>de</strong>n weiblichen Lernäa<strong>de</strong>n verwächst später<br />

das dritte Krallenfusspaar in <strong>de</strong>r Medianlinie entwe<strong>de</strong>r bloss<br />

an <strong>de</strong>r Spitze o<strong>de</strong>r auch bis zur Basis zu einem ganz eigenthümlichen<br />

Haftapparate. Ebenso die vor<strong>de</strong>m Thoracalbeine<br />

I) Ueber die Entwicklung dieser interessanten Formen vergleiche man die schon<br />

oben erwähnten sehr schönen Untersuchungen von v. Nordmann.<br />

2) Will man in diesen Fällen nicht das vor<strong>de</strong>re Paar <strong>de</strong>r Blattfüsse für das dritte<br />

Paar <strong>de</strong>r Thoracalbeine halten, so muss man annehmen, dass dasselbe völlig geschwun<strong>de</strong>n<br />

sei.


110<br />

bei <strong>de</strong>n Cirripedien zu <strong>de</strong>m sogenannten Stiel (Lepas) o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>m Gehäuse (Baianus). In manchen Fällen schwin<strong>de</strong>n auch<br />

wohl die Thoracalfüsse im Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung. So bei<br />

Apus!) das mittlere Paar, bei <strong>de</strong>n Männchen mancher Lernäa<strong>de</strong>n<br />

das vor<strong>de</strong>re, bei Ergasilus das hintere. Bei Chondracanthus,<br />

Epachthes, Penella, Lernaeocera gehen selbst alle<br />

drei Paar durch eine rückschreiten<strong>de</strong> Metamorphose wie<strong>de</strong>rum<br />

verloren 2 ).<br />

Derselbe anatomische Zusammenhang, welcher in <strong>de</strong>r<br />

Abtheilung <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n so häufig zwischen Vor<strong>de</strong>rkopf<br />

und Kopf, zwischen Kopf und Thorax angetroffen wird, fin<strong>de</strong>t<br />

sich mitunter selbst zwischen <strong>de</strong>m Thorax und <strong>de</strong>m nachfolgen<strong>de</strong>n<br />

Abdomen. Auch diese bei<strong>de</strong>n Abschnitte sind<br />

nicht immer von einan<strong>de</strong>r getrennt und nach <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

ihrer Segmente und Extremitäten unterschie<strong>de</strong>n. Häufig<br />

verschmelzen sie mit einan<strong>de</strong>r, entwe<strong>de</strong>r in ganzer Aus<strong>de</strong>hnung<br />

3 ), o<strong>de</strong>r nur zum Theil, wenn nämlich <strong>de</strong>r Thorax, wie<br />

z. B. bei <strong>de</strong>n Arthrostraken, in seiner vor<strong>de</strong>m und hintern<br />

Hälfte eine verschie<strong>de</strong>ne Entwicklung darbietet. In solchen<br />

Fällen zeigen <strong>de</strong>nn auch die Anhänge <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Abtheilungen<br />

eine gleiche Gestalt und Entwicklung, wenn an<strong>de</strong>rs<br />

die Ringe <strong>de</strong>s Abdomen überhaupt damit versehen sind. Wie<br />

schon erwähnt, fehlen dieselben bei <strong>de</strong>n sechsfüssigen Insekten<br />

und Spinnen.<br />

Die Zahl <strong>de</strong>r Segmenle am Abdomen ist nicht in allen<br />

1) Vergl. Zaddach, <strong>de</strong> apodis cancriformis anatome et historia evolutionis. —<br />

Mit Unrecht hält Erichson (a. a. 0. S. 22.) die oben erwähnten Schwimm­<br />

fUsse für die mittlem Thoracalbeine, so wie die ersten Abdominalfüsse für die<br />

letzten Anhänge <strong>de</strong>r Brust.<br />

2) Die verschie<strong>de</strong>n geformten ungeglie<strong>de</strong>rten und unbeweglichen Anhänge am Vor­<br />

<strong>de</strong>rkörper dieser Entomostraken sind nicht etwa aus einer Metamorphose von<br />

Beinen entstan<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn sclbstständige Bildungen.<br />

3) Wo in solchen Fällen schon <strong>de</strong>r Kopf mit <strong>de</strong>m Thorax zu einem sogenannten<br />

Cephalothorax zusammenhängt, bil<strong>de</strong>n dann alle drei Abschnitte anatomisch nur<br />

eine einzige grosse Abtheilung. So bei <strong>de</strong>n Podophthalmen, bei <strong>de</strong>nen sogar<br />

mitunter (Squilla) das vor<strong>de</strong>re Gliedmaassenpaar <strong>de</strong>s Abdomen noch zu einem<br />

Hülfskieferpaar wird, in<strong>de</strong>m es dieselbe Metamorphose eingeht, wie die Anhänge<br />

<strong>de</strong>s Thorax.


III<br />

Gruppen <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n dieselbe. Sie ist vielmehr manchen<br />

Schwankungen unterworfen, und grössern, als die Zahl<br />

<strong>de</strong>r Segmente an <strong>de</strong>n vorhergehen<strong>de</strong>n Abschnitten <strong>de</strong>s Leibes.<br />

Bei <strong>de</strong>n Malacostraken ist dieselbe im Allgemeinen fünf,<br />

bei <strong>de</strong>n sechsfüssigen Insekten zwei mal fünf. Schon hier<br />

aber treten manchfache Abweichungen ein. Während bei<br />

<strong>de</strong>n Malacostraken nur selten (z. B. bei Bopyrus) <strong>de</strong>r letzte<br />

Gürtel unentwickelt bleibt, fin<strong>de</strong>n sich bei <strong>de</strong>n Insekten in<br />

<strong>de</strong>r Mehrzahl (doch nicht J ) überall) nur neun Abdominalsegmente,<br />

hie und da selbst (z. B. bei <strong>de</strong>n Hydrocanthari<strong>de</strong>n)<br />

nur acht, von <strong>de</strong>nen dann noch dazu die letzten im ausgebil<strong>de</strong>ten<br />

Zustand auf eine merkwürdige Weise zu <strong>de</strong>n Begattungsorganen<br />

metamorphosirt wor<strong>de</strong>n sind. Zwischen fünf<br />

und zehn scheint auch die Zahl <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Ringe bei<br />

<strong>de</strong>n Arachni<strong>de</strong>n zu schwanken. Vier Abdominalsegmente,<br />

wie bei Bopyrus, fin<strong>de</strong>n sich ebenfalls bei einer grossen Menge<br />

von Entomostraken, doch fehlt es auch hier nicht an Ausnahmen.<br />

Am auffallendsten sind diejenigen Fälle, in <strong>de</strong>nen<br />

die Zahl um ein sehr Be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>s sich vermehrt hat. So<br />

beson<strong>de</strong>rs bei Apus, so auch bei <strong>de</strong>n Myriapo<strong>de</strong>n.<br />

Wo Gliedmaasen an <strong>de</strong>m Abdomen vorkommen, sind<br />

dieselben vorzugsweise Bewegungsorgane, bald (bei <strong>de</strong>n Podophthalmen,<br />

mit Ausnahme <strong>de</strong>r Schizopo<strong>de</strong>n u. e. a.) allein,<br />

bald auch in Gemeinschaft mit einigen (Arthrostraken, manche<br />

Entomostraken) o<strong>de</strong>r allen (Myriapo<strong>de</strong>n) Anhängen <strong>de</strong>s Thorax<br />

2 ). So wenigstens ist das Verhältniss bei <strong>de</strong>n völlig aus-<br />

1) Vergl. meine Untersuchungen über die Anatomie und Morphologie <strong>de</strong>r Geschlechts­<br />

organe S. 58. Aus diesem Grund kann ich auch Stein (a. a. 0. S. 23) nicht<br />

beistimmen, weil dieser das 10. Audominalsegment mancher Insektenlarven nicht<br />

für ein Segment, son<strong>de</strong>rn für die nach aussen vorgestülpte innere Auskleidung<br />

<strong>de</strong>s Rectum erklärt. Ueberdiess wäre es hierbei auffallend, dass, wie doch nicht<br />

selten <strong>de</strong>r Fall, das betreffen<strong>de</strong> Gebil<strong>de</strong> eben so wie die vorliegen<strong>de</strong>n Segmente<br />

im Stan<strong>de</strong> ist, förmliche accessorische Bewegungsorgane, sogenannte Nachschie­<br />

ber, zu produciren<br />

2) Hierin ist <strong>de</strong>r Grund 2U suchen, wesshalb man so lange, hier und da seihst noch<br />

jetzt, das Abdomen mit <strong>de</strong>m Thorax <strong>de</strong>r sechsfüssigen Insekten und Spinnen<br />

zusammengeworfen hat, ohne die morphologische Differenz zwischen diesen Ge­<br />

bil<strong>de</strong>n anzuerkennen.


112<br />

gebil<strong>de</strong>ten Thieren, während, wie wir gesehen haben, in <strong>de</strong>n<br />

frühern Stadien <strong>de</strong>r Entwicklung nicht selten auch die Beine<br />

<strong>de</strong>s Thorax auf analoge Weise verwen<strong>de</strong>t sind. Die Zahl<br />

<strong>de</strong>r Abdominalfüsse stimmt überall mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n<br />

Segmente Uberein, obgleich diese lelztern nicht immer<br />

ganz vollständig von einan<strong>de</strong>r getrennt sind und hie und da<br />

auch wohl Abdominalsegmente vorkommen, die <strong>de</strong>r Gliedmaassen<br />

entbehren, selbst bei <strong>de</strong>n Krebsen, bei <strong>de</strong>nen doch<br />

sonst eigentlich ganz constant solche Bauchgliedmaassen angetroffen<br />

wer<strong>de</strong>n. Das interessanteste Beispiel von <strong>de</strong>m erstem<br />

Verhalten geben uns die Juli<strong>de</strong>n, bei <strong>de</strong>nen bekanntlich an<br />

einem je<strong>de</strong>n ausgebil<strong>de</strong>ten Abdominalring zwei Paare von<br />

Gangbeinen sich fin<strong>de</strong>n — ein Verhältniss, welches auf eine<br />

sehr früh erfolgte Verschmelzung je zweier Segmente hin<strong>de</strong>utet,<br />

von <strong>de</strong>r man Anfangs <strong>de</strong>nn auch wirklich noch einige<br />

Spuren antrifft J ). Bei manchen Lämodipo<strong>de</strong>n fehlen die bei<strong>de</strong>n<br />

ersten Fusspaare <strong>de</strong>s Abdomen, obgleich die betreffen<strong>de</strong>n<br />

Gürtel ganz vollkommen entwickelt sind. Wahrscheinlich<br />

aber waren auch hier Anfangs die Beine entwickelt,<br />

nur erreichten sie nicht ihre völlige Ausbildung und gingen<br />

wie<strong>de</strong>r verloren 2 ). Hierfür spricht wenigstens <strong>de</strong>r Umstand,<br />

dass mitunter noch ein <strong>de</strong>utliches Rudiment davon vorkommt<br />

und auch die an <strong>de</strong>nselben Segmenten vorhan<strong>de</strong>nen Kiemen<br />

wohl nur aus <strong>de</strong>r Metamorphose <strong>de</strong>s einen Blattes <strong>de</strong>r Extremitäten<br />

hervorgegangen sind. Ueberdiess wissen wir durch<br />

v. Nordmann's schöne Untersuchungen, dass auch die<br />

Lernäa<strong>de</strong>n, welche im ausgebil<strong>de</strong>ten Zustand <strong>de</strong>r Bauchgliedmaassen<br />

meist vollkommen (nur bei Penella, Peniculus u. e. a.<br />

fin<strong>de</strong>n sich davon noch einige Ueberbleibsel) ermangeln, anfänglich<br />

solche Anhänge in Wirklichkeit besitzen.<br />

Der Bauch entwickelt sich von allen Abschnitten am<br />

1) Vergl. N e w'p 0 r t 1. c.<br />

2) Dasselbe gilt auch für Phryxns, wo bei <strong>de</strong>n ausgebil<strong>de</strong>ten Weibchen, die eine<br />

merkwürdige asymmetrische Gestalt besitzen, an <strong>de</strong>r einen convexen Seite die<br />

Abdominalbeine (mit <strong>de</strong>m hintern Thoracalbein) vollkommen fehlen. Vergl.<br />

Rathke, Beiträge zur Fauna Norvegens a. a. 0. S. 40.


113<br />

Körper <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n am spätesten, selbst später, als das<br />

Postabdomen. Nur die Arthrostraken sind in letzterer Beziehung<br />

ausgenommen. Bei ihnen geht die Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Leibestheile gleichmässig von vorn nach hinten. In manchen<br />

Fällen ist <strong>de</strong>r Bauch selbst dann noch vollkommen unentwickelt,<br />

wenn die Embryonen bereits die Eihüllen verlassen<br />

haben. So bei <strong>de</strong>n Decapo<strong>de</strong>n (mit Ausnahme <strong>de</strong>r Astacinen)<br />

Entomostraken (mit Ausnahme <strong>de</strong>r Daphnii<strong>de</strong>n) und Myriopo<strong>de</strong>n,<br />

bei <strong>de</strong>nen die Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Abdomen erst später, in gesetzmässiger<br />

Reihenfolge nach einan<strong>de</strong>r i), hervorgebil<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

In an<strong>de</strong>rn Fällen, bei <strong>de</strong>n Isopo<strong>de</strong>n, fehlt bei <strong>de</strong>m<br />

Ausschlüpfen <strong>de</strong>r Embryonen bloss das hintere Glied <strong>de</strong>s<br />

Bauches (wie bei vielen Entomostraken beständig). Die <strong>de</strong>n<br />

Isopo<strong>de</strong>n zugehören<strong>de</strong> kleine Gruppe <strong>de</strong>r Bopyri<strong>de</strong>n besitzt<br />

anfänglich sogar nur drei Abdominalgliedmaasen. Späterhin<br />

wird bloss noch ein viertes angebil<strong>de</strong>t.<br />

Ueber das Vorkommen und die Entwicklung <strong>de</strong>s Postabdomen,<br />

<strong>de</strong>s letzten Abschnittes am Körper <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n,<br />

ist schon oben das Nöthige angeführt wor<strong>de</strong>n. Ueberall<br />

entsteht dasselbe schon sehr früh, mit Ausnahme <strong>de</strong>r Arthrostraken<br />

schon zu einer Zeit, wo <strong>de</strong>r Bauchtheil noch nicht<br />

einmal angelegt ist. Seine völlige Ausbildung erhält dasselbe<br />

erst später. Mitunter bleibt es sogar zeitlebens ganz<br />

rudimentär, wie beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Lämodipo<strong>de</strong>n (und Pycnogoni<strong>de</strong>n<br />

?). Ohne Glie<strong>de</strong>rung ist auch das Postabdomen bei<br />

<strong>de</strong>n Xiphosuren, wo es in Gestalt eines langen, gera<strong>de</strong>n<br />

Stachels erscheint. Sonst aber fin<strong>de</strong>t man fast immer eine<br />

Abtheilung in Segmente, <strong>de</strong>ren Menge allerdings be<strong>de</strong>utend<br />

wechselt und von sehr wenigen (bei manchen Entomostraken)<br />

1) Da, wo das Abdomen <strong>de</strong>n letzten Abschnitt <strong>de</strong>s Körpers bil<strong>de</strong>t, wie bei <strong>de</strong>n<br />

Myriapo<strong>de</strong>n, entstehen übrigens die neu gebil<strong>de</strong>ten Binge stets nur vor <strong>de</strong>m<br />

Aftersegmente, so dass dieses von <strong>de</strong>r erwähnten Reihenfolge dann eine Aus­<br />

nahme macht. Den Grund dieses Verhältnisses (welches auch schon bei <strong>de</strong>n<br />

Branchiaten vorkommt) bietet offenbar bloss die Lage <strong>de</strong>s Afters in <strong>de</strong>m letzten<br />

Segmente , das nicht beständig, bei <strong>de</strong>r Anbildung eines je<strong>de</strong>n neuen Körper­<br />

ringes, wechseln konnte.<br />

8


114<br />

bis auf sehr viele (z. B. bei <strong>de</strong>n Cirripedien) steigen kann.<br />

Nach <strong>de</strong>r Entwicklungsweise <strong>de</strong>s Postabdomen sollte man fast<br />

vermuthen, dass hier die Anbildung <strong>de</strong>r Segmente, nicht, wie<br />

gewöhnlich, am hintern, son<strong>de</strong>rn am vor<strong>de</strong>m En<strong>de</strong> geschähe,<br />

dass also die <strong>de</strong>m Abiiomen zunächst angrenzen<strong>de</strong>n Segmente<br />

die jüngsten seien. Directe Beobachtungen liegen bis<br />

jetzt aber noch nicht hierfür vor. Nur so viel möchte wohl<br />

gewiss sein, dass das letzte Segment <strong>de</strong>s Postabdomen sehr<br />

früh sich bil<strong>de</strong>t und in <strong>de</strong>r Zeit seiner Entstehung <strong>de</strong>n übrigen<br />

Ringen vorausgeht — unstreitig aus <strong>de</strong>mselben Grun<strong>de</strong>,<br />

<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Abwesenheit <strong>de</strong>s Hinterleibes am Bauche ein<br />

Gleiches für das letzte Abdominalsegment nothwendig macht.<br />

In <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>rGliedmaassen bleibt das Postabdomen<br />

übrigens beständig hinter <strong>de</strong>n vorhergehen<strong>de</strong>n Abschnitten<br />

<strong>de</strong>s Leibes zurück. Sehr häufig wer<strong>de</strong>n dieselben gar nicht<br />

angelegt, wie bei <strong>de</strong>n Scorpionen und einer grossen Anzahl<br />

von Entomostraken. In an<strong>de</strong>rn Entomostraken bleiben sie<br />

beständig nur sehr rudimentär. Bei <strong>de</strong>n langschwänzigen<br />

Decapo<strong>de</strong>n ist ihre Entwicklung verhältnissmässig noch am<br />

grossesten, obgleich auch hier viel einfacher, als am Abdomen<br />

o<strong>de</strong>r Thorax. Nirgends dienen im ausgebil<strong>de</strong>ten Zustand die<br />

Gliedmaassen <strong>de</strong>s Postabdomen zur Locomotion, wenigstens<br />

nirgends ausschliesslich. Nur bei <strong>de</strong>n Larven von Bopyrus<br />

und Phryxus erscheinen sie anfänglich (nach <strong>de</strong>r interessanten<br />

Ent<strong>de</strong>ckung von Rathke) als Schwimmorgane, und zwar sie<br />

allein x ), in<strong>de</strong>m die Gliedmaassen <strong>de</strong>s Thorax und Abdomen<br />

schon früh ihre bleiben<strong>de</strong> Gestalt erhalten. Später wer<strong>de</strong>n<br />

sie zu Kiemen, <strong>de</strong>ren Bau und Function sie auch sonst so<br />

sehr häufig besitzen.<br />

So viel von <strong>de</strong>n morphologischen Verhältnissen <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n,<br />

von <strong>de</strong>r Anordnung <strong>de</strong>r Abschnitte und Anhänge<br />

<strong>de</strong>s Leibes im Allgemeinen. Schon aus <strong>de</strong>r Menge <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Körper zusammensetzen<strong>de</strong>n Elemente, dieser Träger <strong>de</strong>r ver-<br />

1) Es bietet solches Verhältniss, wie es mir scheint, von Neuem einen wichtigen<br />

Grund für die Selbstständigkeit <strong>de</strong>s Postabdomen und <strong>de</strong>ssen morphologische<br />

Verschie<strong>de</strong>nheit von <strong>de</strong>m vorhergehen<strong>de</strong>n Bauchtheil.


115<br />

schie<strong>de</strong>nartigsten formbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Processe, lässt <strong>de</strong>r Reichtlium<br />

<strong>de</strong>r Gestalten sich erschliessen, welche <strong>de</strong>n manchfaltigen<br />

Combinationen dieser einzelnen Factoren ihren Ursprung<br />

verdanken. Keine an<strong>de</strong>re Abtheilung <strong>de</strong>s Thierreichs bietet<br />

eine so unendliche Fülle <strong>de</strong>r differenteslen Formen.<br />

Vielfach hat die Systematik versucht, Ordnung und Zusammenhang<br />

zu bringen in diese Masse. Linn


116<br />

po<strong>de</strong>n. In<strong>de</strong>ssen hat die Vereinigung solcher differenten Formen<br />

gewiss mit Recht niemals einen allgemeinen Beifall gefun<strong>de</strong>n,<br />

obgleich Oken, Goldfuss, Nitzsch und neuerdings<br />

wie<strong>de</strong>rum Streu bei sie als natürlich empfohlen und<br />

angenommen haben. Fast überall dagegen ist man <strong>de</strong>r<br />

Cuvierschen Classification gefolgt, jedoch meistens mit einigen<br />

Modificationen, welche vorzugsweise die Gruppe <strong>de</strong>r Myriapo<strong>de</strong>n<br />

betreffen. Während Lamarck (Anfangs), Wiegmann<br />

u. A. dieselbe mit Cuvier als eine beson<strong>de</strong>re Ordnung<br />

<strong>de</strong>r Klasse <strong>de</strong>r Insekten zurechnen, Schweigger,<br />

Burmeister, Stein u. A. <strong>de</strong>n Arachni<strong>de</strong>n, Erichson<br />

<strong>de</strong>n Crustaceen, bil<strong>de</strong>n endlich Leach, Latreille, Grant,<br />

Rymer Jones u. s. w. daraus eine eigene <strong>de</strong>n Crustaceen,<br />

Arachni<strong>de</strong>n und Hexapo<strong>de</strong>n gleichstehen<strong>de</strong> Klasse.<br />

Erichson hat das grosse Verdienst, die <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n<br />

zugehören<strong>de</strong>n Cuvierschen Klassen zuerst in ihrem<br />

innern Zusammenhang erkannt und nach bestimmten morphologischen<br />

Charakteren auf sehr geistreiche Weise von einan<strong>de</strong>r<br />

unterschie<strong>de</strong>n zu haben. Bei <strong>de</strong>n sechsfüssigen Insekten,<br />

so hat <strong>de</strong>rselbe nachgewiesen, sind Kopf, Brust und<br />

Bauch stets <strong>de</strong>utlich von einan<strong>de</strong>r geschie<strong>de</strong>n, und die bei<strong>de</strong>n<br />

erstem Abschnitte je mit drei Paaren von Extremitäten versehen,<br />

<strong>de</strong>r Kopf mit <strong>de</strong>n Fresswerkzeugen, <strong>de</strong>r Thorax mit<br />

<strong>de</strong>n Beinen. Wie hier, so ist auch bei <strong>de</strong>n Arachni<strong>de</strong>n das<br />

Abdomen ohne Anhänge. Kopf und Brust aber sind mit einan<strong>de</strong>r<br />

verschmolzen, wobei zugleich das hintere Paar <strong>de</strong>r<br />

Fresswerkzeuge in das vor<strong>de</strong>re Beinpaar umgewan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n.<br />

Daher statt drei Paaren von Locomotionsorganen <strong>de</strong>ren<br />

vier. Bei <strong>de</strong>n Crustaceen dagegen ist das Vorkommen <strong>de</strong>r<br />

Gliedmaassen nicht bloss auf <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rleib beschränkt. Auch<br />

das Abdomen trägt geglie<strong>de</strong>rte Anhänge und diese beson<strong>de</strong>rs<br />

sind es, die hier als Bewegungswerkzeuge ausgebil<strong>de</strong>t sind.<br />

Die Thoracalbeine dagegen sind als accessorische Mundtheile<br />

an <strong>de</strong>n Kopf getreten, entwe<strong>de</strong>r alle — und in diesem Fall<br />

sind Kopf und Thorax vollständig verschmolzen — o<strong>de</strong>r nur<br />

zum Theil. So wenigstens bei <strong>de</strong>n höhern Krebsen, <strong>de</strong>n


117<br />

Malacostraken, während bei <strong>de</strong>n Entomostraken eine <strong>de</strong>rartige<br />

Umwandlung nicht eingetreten ist. Ueberhaupt, so meint<br />

Erichson 1 ), könnte man diese Arthropo<strong>de</strong>n fast mit <strong>de</strong>mselben<br />

Recht von <strong>de</strong>n Crustaceen trennen, wie die Arachni<strong>de</strong>n<br />

von <strong>de</strong>n Insekten. Die Charaktere <strong>de</strong>r Entomostraken sind<br />

eigentlich die <strong>de</strong>r übrigen drei Klassen zusammengenommen:<br />

es enthält nämlich <strong>de</strong>r Mund gera<strong>de</strong> drei Kieferpaare, wie<br />

bei <strong>de</strong>n Insekten (wenigstens kann man diese Zahl als die<br />

Normalzahl betrachten), es ist <strong>de</strong>r Kopf mit <strong>de</strong>m Thorax verschmolzen,<br />

wie bei <strong>de</strong>n Arachni<strong>de</strong>n, es hat <strong>de</strong>r Hinterleib<br />

<strong>de</strong>n Beinen entsprechen<strong>de</strong> Organe, wie bei <strong>de</strong>n Crustaceen.<br />

Dazu kommt noch ein beson<strong>de</strong>rer, <strong>de</strong>n Entomostraken gemeinsamer<br />

Charakter dadurch, dass das erste Fusspaar <strong>de</strong>s<br />

Thorax (meistens auch das zweite) vor <strong>de</strong>r Mundöffnung sich<br />

befin<strong>de</strong>t.<br />

Solches ist nach <strong>de</strong>r Ansicht Erichson's das morphologische<br />

Verhältniss <strong>de</strong>r drei Cuvierschen Klassen <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n.<br />

Im Wesentlichen muss ich Erichson vollkommen<br />

beistimmen, kann aber trotz<strong>de</strong>m nicht billigen, dass er<br />

theils die anatomischen Charaktere als Eintheilungsprincip<br />

verwirft, theils auch einzelne, meiner Meinung nach, nicht so<br />

sehr gewichtige Momente über Gebühr hervorhebt. Dahin<br />

rechne ich vor Allem <strong>de</strong>n Umstand, dass er als ein ausschliessliches<br />

Merkmal <strong>de</strong>r Crustaceen die Anwesenheit <strong>de</strong>r Beine<br />

an <strong>de</strong>m Abdomen hinstellt und <strong>de</strong>nn danach die Myriapo<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>n Crustaceen zugesellt, obgleich sie in ihrem ganzen anatomischen<br />

Bau viel mehr mit <strong>de</strong>n Insekten und Spinnen übereinstimmen<br />

und auch, wie wir gleich sehen wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r<br />

Anordnung <strong>de</strong>r Fresswerkzeuge von <strong>de</strong>n Krebsen sich entfernen.<br />

Allerdings ist die Anwesenheit von Abdominalbeinen<br />

eine Eigenthümlichkeit <strong>de</strong>s Crustaceentypus, doch braucht<br />

dieselbe ja trotz<strong>de</strong>m eben so wenig auf die Gruppe dieser<br />

Thiere beschränkt zu sein, als z. B. das Vorkommen eines<br />

Postabdomen, welches wir ebenfalls ganz allgemein in <strong>de</strong>n<br />

1) A a. 0. S. 20.


118<br />

Crustaceen fin<strong>de</strong>n. Wollten wir dieses letztere Verhältniss<br />

als maassgebend für die Klasse <strong>de</strong>r Crustaceen annehmen —<br />

und wir können es gewiss mit <strong>de</strong>mselben Recht, mit welchem<br />

Erichson die Anwesenheit <strong>de</strong>r Abdominalbeine dafür hält —<br />

so müssten wir auch die Scorpionen <strong>de</strong>n Krebsen zurechnen.<br />

Wir dürfen aber nie vergessen, wie schon oben erwähnt<br />

ist, dass gewisse morphologische Verhältnisse, die<br />

etwa für die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Gruppe eine typische Be<strong>de</strong>utung<br />

haben, mitunter auch in an<strong>de</strong>rn Gruppen, wenngleich<br />

vielleicht ohne so unmittelbar von <strong>de</strong>m Organisationsplan<br />

verlangt zu wer<strong>de</strong>n, sich wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n. Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n<br />

nun sehen wir keinen einzigen zwingen<strong>de</strong>n Grund,<br />

die Myriapo<strong>de</strong>n unter die Krebse einzureihen, wenngleich wir<br />

gern zugeben, dass dieselben eben so wenig <strong>de</strong>n Arachni<strong>de</strong>n,<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n sich verbin<strong>de</strong>n lassen und von bei<strong>de</strong>n,<br />

wie noch weiter erörtert wer<strong>de</strong>n soll, durch bestimmte morphologische<br />

Charaktere sich unterschei<strong>de</strong>n. Wir betrachten<br />

dieselben als eine geson<strong>de</strong>rte, <strong>de</strong>n übrigen Klassen gleichstehen<strong>de</strong><br />

Gruppe.<br />

Somit hätten wir dann in <strong>de</strong>r Abtheilung <strong>de</strong>r Arthropopen<br />

vier, o<strong>de</strong>r, wenn man, wie es ganz consequent mir<br />

scheint, noch die Entomostraken von <strong>de</strong>n übrigen Crustaceen<br />

abschei<strong>de</strong>t, fünf einzelne, von einan<strong>de</strong>r scharf geson<strong>de</strong>rte<br />

grosse Gruppen, die man nach <strong>de</strong>r gewöhnlichen Anschauungsweise<br />

als eben so viele Klassen ansehen könnte. Fassen wir<br />

aber das Verhältniss, in welchem dieselben zu einan<strong>de</strong>r<br />

stehen, näher in's Auge, so wer<strong>de</strong>n wir alsbald bemerken,<br />

dass dieselben keineswegs ganz gleichwerthig sind, dass vielmehr<br />

die einen näher unter sich verwandt sind, als mit <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>rn Die sechsfüssigen Insekten (unter welche sich, wie<br />

Nitzsch 1 ) so scharfsinnig gezeigt hat, die Aptera hexapoda,<br />

die noch heute bisweilen, wie z. B. von Walkenaer 2 ) als<br />

eine beson<strong>de</strong>re — mit <strong>de</strong>n Spinnen und Myriapo<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />

1) Darstellung <strong>de</strong>r Familien und Galtungen <strong>de</strong>r Thierinsekten. Aus <strong>de</strong>m dritten<br />

Ban<strong>de</strong> von Germar's und Zincken's Magazin für die Entomologie. Halle. 1818.<br />

2) Hist. nat. <strong>de</strong>s Insects apteres. Paris. 1840—48.


119<br />

Klasse <strong>de</strong>r Aptera zusammenstehen<strong>de</strong> — Gruppe betrachtet<br />

wer<strong>de</strong>n, sehr gut vertheilen lassen), die Arachni<strong>de</strong>n und Myriapo<strong>de</strong>n<br />

bieten unter sich eine grössere Uebereinstimmung,<br />

als die höhern Crustaceen (Malacostraken) und Entomostraken,<br />

die wie<strong>de</strong>rum ihrerseits viel inniger zusammenhängen. Bei<br />

<strong>de</strong>n ersteren behalten stets die Thoracalbeine ihre Be<strong>de</strong>utung<br />

als Gehwerkzeuge (auch bei <strong>de</strong>n Myriapo<strong>de</strong>n) und ihre Lage<br />

hinter <strong>de</strong>m Kopfe. Die Athmungswerkzeuge sind hier überall<br />

Tracheen, die (mit Ausnahme von Pteranarcys i), einer Neuroptere)<br />

im ausgebil<strong>de</strong>ten Zustand beständig nach aussen<br />

mün<strong>de</strong>n und in manchfacher Form bald bloss blättrige Säcke 2 ),<br />

bald auch röhrenförmige, verästelte o<strong>de</strong>r unverästelte Canäle<br />

bil<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen die atmosphärische Luft enthalten ist. Dass<br />

<strong>de</strong>rartige Organe, wie man behauptet hat, bei einigen kleinern<br />

hieher gehören<strong>de</strong>n Arten, beson<strong>de</strong>rs bei Milben und<br />

flügellosen Insekten fehlen, bedarf noch sehr <strong>de</strong>r Bestätigung<br />

und möchte bis dahin wohl mit Recht bezweifelt wer<strong>de</strong>n<br />

dürfen.<br />

An<strong>de</strong>rs dagegen ist das Verhältniss bei <strong>de</strong>n Entomostraken<br />

und Malacostraken. Niemals fin<strong>de</strong>n sich bei ihnen Tracheen 3 ).<br />

Sie athmen durch Hülfe beson<strong>de</strong>rer Kiemen, o<strong>de</strong>r, wo diese<br />

fehlen, durch Hülfe <strong>de</strong>r eigens dazu umgebil<strong>de</strong>ten Anhänge<br />

<strong>de</strong>s Postabdomen. Mitunter vertreten auch wohl ganz einfach<br />

die äussern Be<strong>de</strong>ckungen die Stelle <strong>de</strong>r Athmungsorgane.<br />

Dabei ist zugleich das Verhältniss <strong>de</strong>r Thoracalbeine ein sehr<br />

abweichen<strong>de</strong>s. Niemals persistiren dieselben in ihrer geselz-<br />

1) Vergl. Newport, in <strong>de</strong>n Annal. of nat. hist Vol. XIII. p. 21.<br />

2) Dass wirklich die Lungensäcke <strong>de</strong>r Spinnen bloss modificirte Tracheen seien,<br />

geht theils daraus hervor, dass letztere in manchen Fällen die erstem vertreten<br />

(vergl. Duges in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1836. T. VI., Grube in Mül­<br />

ler's Archiv 1842. und Menge in <strong>de</strong>n neuesten Schriften <strong>de</strong>r naturf. Ges. in<br />

Danzig 18431, theils auch daraus, dass sie aus <strong>de</strong>mselben eigenthümlichen Stoff<br />

bestehen, <strong>de</strong>m Chitin, und sehr wohl auf <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>s Trachcensystemes sich<br />

reduciren lassen, wie ich an einem an<strong>de</strong>rn Orte weiter auseinan<strong>de</strong>rsetzen wer<strong>de</strong>.<br />

3) Dass die sogenannten Lungen mancher Onisci<strong>de</strong>n (s. Milne Edwards in <strong>de</strong>m<br />

Instit. 1839, p. 152. und Duvernoy et Lereboullet in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc.<br />

nat. T. XV. p. 177.) morphologisch von diesen Tracheen verschie<strong>de</strong>n seien, kann<br />

wohl kaum bezweifelt wer<strong>de</strong>n.


120<br />

massigen Zahl als Locomotionswerkzeuge. Sie sind vielmehr,<br />

wenn sie ihre ursprüngliche Lage behalten, entwe<strong>de</strong>r alle<br />

o<strong>de</strong>r zum Theil in accessorische Fresswerkzeuge verwan<strong>de</strong>lt.<br />

Als Bewegungsorgane functioniren vorzugsweise die Anhänge<br />

<strong>de</strong>s Abdomen, die beständig vorhan<strong>de</strong>n sind, wenngleich sie<br />

hie und da zum Theil im Laufe <strong>de</strong>r Metamorphose wie<strong>de</strong>rum<br />

verloren gehen. Daneben fin<strong>de</strong>t sich auch ganz constant in<br />

<strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Gruppen ein Postabdomen 1 ), in <strong>de</strong>r<br />

Regel ebenfalls mit fussartigen Anhängen versehen.<br />

Unter solchen Verhältnissen nun, glaube ich, zerfällt man<br />

am besten und natürlichsten die Abtheilung <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n<br />

in die bei<strong>de</strong>n Klassen <strong>de</strong>r Crustacea und Insecta, dieselben,<br />

die auch DumtSril, sowie Anfangs Cuvier aufgestellt<br />

hat. Zu <strong>de</strong>r erstem gehören als Hauptordnungen die<br />

Entomostraca 2 ) Latr. (Neusticopoda Car.) und Malacostraca<br />

Leach, zu <strong>de</strong>r letztern die Myriapoda Latr,<br />

Arachnida Leach (Acera Latr.) und Hexapoda Sav.<br />

Ueber die morphologische Charakteristik dieser Gruppen habe<br />

ich nur Weniges hinzuzufügen. Sie ergiebt sich ganz einfach<br />

aus einer Zusammenstellung <strong>de</strong>r oben erwähnten allgemeinem<br />

Verhältnisse. Kaum scheint es mir nöthig, nochmals hier zu<br />

erwähnen, wie das Verhältniss <strong>de</strong>r Entomostraken zu <strong>de</strong>n<br />

Malacostraken, <strong>de</strong>r Arachni<strong>de</strong>n 3 ) zu <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n sei, dass<br />

1) In <strong>de</strong>m Fehlen dieses Abschnittes bei <strong>de</strong>n Myriapo<strong>de</strong>n sehe ich einen neuen<br />

Grund zur Trennung dieser Arthropo<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Crustaceen.<br />

2) Der sehr innige Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Formen <strong>de</strong>r Ento­<br />

mostraken geht sehr überzeugend auch aus <strong>de</strong>r fast ganz vollkommnen Ueber­<br />

einstimmung hervor, welche die erstem Larvenzustän<strong>de</strong> dieser Crustaceen darbieten.<br />

3) Von vielen Zoologen wer<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n Arachni<strong>de</strong>n auch die Pycnogoni<strong>de</strong>n gestellt.<br />

Doch, wie mir scheint, mit Unrecht. Der Rüssel dieser merkwürdigen Arthro­<br />

po<strong>de</strong>n erinnert zu sehr an die Oberlippe <strong>de</strong>r Crustaceen, <strong>de</strong>r hintere conische<br />

Fortsatz <strong>de</strong>s Leibes zu sehr an das Postabdomen <strong>de</strong>r Lämodipo<strong>de</strong>n, als dass<br />

man umhin könnte, sie an<strong>de</strong>rs zu <strong>de</strong>uten. Bei<strong>de</strong>s aber sind Gebil<strong>de</strong>, die <strong>de</strong>n<br />

Arachni<strong>de</strong>n vollkommen fremd sind, wohl aber <strong>de</strong>n Crustaceen ganz allgemein<br />

zukommen. Ueberdiess fehlen Tracheen und Stigmata vollkommen. Die vier<br />

beintragen<strong>de</strong>n Segmente möchte ich für die Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Abdomen halten, <strong>de</strong>ren<br />

Zahl auch bei <strong>de</strong>n Bopyri<strong>de</strong>n nicht grösser ist. Dann allerdings wür<strong>de</strong>n alle<br />

etwa einem Thorax angehören<strong>de</strong>n Theile fehlen, doch kann uns, meine ich, die-


121<br />

die Malacostraken durch die verbältnissmässig mächtige Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rkopfes >) sich auszeichnen, die Arachni<strong>de</strong>n<br />

durch die völlige Abwesenheit dieses Abschnittes u. s. \v.<br />

Nur über die Gruppe <strong>de</strong>r Myriapo<strong>de</strong>n muss ich noch Einiges<br />

hinzufügen, um so mehr, als Savigny 2 ) und nach ihm<br />

Erichson 3 ) hier das Verhältniss <strong>de</strong>s Kopfes zum Thorax,<br />

nach meiner Meinung, nicht ganz richtig aufgefasst haben<br />

und <strong>de</strong>nn dadurch auch zu falschen Ansichten über die Stellung<br />

dieser Thiere verleitet sind. Nach <strong>de</strong>r Deutung dieser<br />

bei<strong>de</strong>n Zoologen besteht nämlich die auf die Mandibeln zunächst<br />

nach hinten folgen<strong>de</strong> sogenannte Unterlippe aus <strong>de</strong>n<br />

bei<strong>de</strong>n Paaren Maxillen. die in einer Reihe neben einan<strong>de</strong>r<br />

stehen und unter sich verschmolzen sein sollen. Einer solchen<br />

Deutung in<strong>de</strong>ssen kann ich nicht beistimmen. Ich sehe<br />

vielmehr darin nur ein einziges Maxillenpaar 4 ), und zwar<br />

scs in unserer Deutung um so weniger irre machen, als wir überhaupt ja sehen,<br />

wie rudimentär und wenig entwickelt <strong>de</strong>r ganze Vor<strong>de</strong>rkörper dieser Thiere ist.<br />

Vielleicht Masse selbst <strong>de</strong>r erste gliedmaassentragen<strong>de</strong> Ring <strong>de</strong>s Leibes als letz­<br />

tes Thoracalsegment sich in Anspruch nehmen, wobei dann allerdings die Zahl <strong>de</strong>r<br />

Abdominalsegmente noch um eins verringert wür<strong>de</strong>. Sehen wir doch auch schon<br />

bei <strong>de</strong>n Lämodipo<strong>de</strong>n die bei<strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>m Brustringe sehr verkümmert. Lei<strong>de</strong>r<br />

hat die Entwicklungsgeschichte trotz <strong>de</strong>n schätzbaren Angaben von Kröyer noch<br />

wenig zur Deutung <strong>de</strong>s Körperbaues bei diesen Thieren beigetragen. Dass die<br />

ersten Larvenzusfän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Pycnogoni<strong>de</strong>n einige Aehnlichkeit mit Milben dar­<br />

bieten, hat man nach meiner Meinung zu hoch angeschlagen, wenn man dadurch<br />

in <strong>de</strong>r Gruppirung dieser Thiere (die, wie Milne Edwards sagen wür<strong>de</strong>, wirk­<br />

liche animaux <strong>de</strong>gra<strong>de</strong>s sind) sich allein wollte leiten lassen. Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn<br />

Seite fin<strong>de</strong>t sich auch einige Analogie mit <strong>de</strong>n Larven <strong>de</strong>r Entomostraken, wenn<br />

wir die Schwimmbeine <strong>de</strong>rselben in Geh- und Klammerbeine verwan<strong>de</strong>lt uns<br />

<strong>de</strong>nken. Ob <strong>de</strong>sshalb die Pycnogoni<strong>de</strong>n etwa <strong>de</strong>n Entomostraken zuzurechnen<br />

seien, und nicht <strong>de</strong>n Malacostraken, obgleich sie im ausgewachsenen Zustand<br />

<strong>de</strong>n letztern durch die interessante Gruppe <strong>de</strong>r Lämodipo<strong>de</strong>n sich anzuschliessen<br />

scheinen?<br />

1) Bei allen Malacostraken fin<strong>de</strong>n sich zwei Paare Antennen, bei <strong>de</strong>n Podophthal­<br />

men sogar <strong>de</strong>ren drei, von <strong>de</strong>nen das vor<strong>de</strong>re die Augen trägt. Nur die Myria­<br />

po<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n hiervon eine Ausnahme machen, wenn man sie <strong>de</strong>n Crustaceen<br />

verbin<strong>de</strong>n wollte.<br />

2) L c. p. 43.<br />

3) A. *. 0. S. 13.<br />

4) Eben so Burmeister (Gesch. <strong>de</strong>r Schöpfung. S. 371.) und Rymer Jones<br />

(Tod d's Cyclop. 1. c.)


12*2<br />

das vor<strong>de</strong>re, welches ganz, wie bei <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n das zweite<br />

Maxillenpaar, in <strong>de</strong>r Medianlinie zu einer gemeinschaftlichen<br />

Masse zusammenhängt. Die innern Lappen sind nach meiner<br />

Meinung l ) die Coxen, die äussern die Taster. Das folgen<strong>de</strong><br />

Fusspaar gehört dann nicht zum Thorax, son<strong>de</strong>rn ist unteres<br />

Maxillenpaar, welches hier also — ganz eben so, wie bei<br />

<strong>de</strong>n Arachni<strong>de</strong>n, nur nicht überall so vollkommen, in<strong>de</strong>m oft<br />

noch die Klaue fehlt — in ein Paar mit <strong>de</strong>n übrigen Beinen<br />

wesentlich übereinstimmen<strong>de</strong>r Locomotionsorgane verwan<strong>de</strong>lt<br />

ist. Dass diese meine Deutung richtig sei, ergiebt sich be­<br />

son<strong>de</strong>rs überzeugend bei <strong>de</strong>n Chilognathen, theils aus <strong>de</strong>r<br />

anatomischen Anordnung, theils auch aus <strong>de</strong>r Entwicklung.<br />

Wenn letzlere die Eihüllen verlassen, sind sie (Julus), wie<br />

schon Degeer wusste, wie neuerlich aber durch die sehr<br />

genauen Untersuchungen von Newport 2 ) bestätigt wor<strong>de</strong>n<br />

ist, mit drei Fusspaaren versehen, welche über die vier vor­<br />

<strong>de</strong>m Segmente <strong>de</strong>rgestalt verbreitet sind, dass das dritte<br />

aller Anhänge entbehrt. An diesem Segmente aber befin<strong>de</strong>n<br />

sich die Ausführungsöffnungen <strong>de</strong>r Genitalien, die nach <strong>de</strong>r<br />

Ent<strong>de</strong>ckung von v. Siebold 3 ) mit einer kleinen Schuppe<br />

über<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r sich die Analoga <strong>de</strong>r Extremitäten<br />

nicht verkennen lassen. Rechnen wir diese zu jenen drei<br />

Beinpaaren, so bekommen wir eine Anzahl von Locomotions-<br />

werkzeugen ganz übereinstimmend mit <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Arachni<strong>de</strong>n<br />

und auch unstreitig von <strong>de</strong>rselben morphologischen Be<strong>de</strong>utung,<br />

wie sowohl aus <strong>de</strong>r gesammten Entwicklung hervor­<br />

geht, als auch daraus, dass die nachwachsen<strong>de</strong>n Segmenle<br />

<strong>de</strong>s Leibes (weil sie sehr früh schon je zu zwei mit einan<strong>de</strong>r<br />

1) Dasselbe Versehen wie<strong>de</strong>rholt sich bei <strong>de</strong>n Lämodipo<strong>de</strong>n, wo ebenfalls von<br />

Savigny und Erichson als zweites und drittes in einer Querreihe dicht neben<br />

einan<strong>de</strong>r stehen<strong>de</strong>s Kieferpaar ein Gebil<strong>de</strong> ge<strong>de</strong>utet wird, welches offenbar nur<br />

allein das dritte Kieferpaar ist, während das vorhergehen<strong>de</strong> zweite verhannt<br />

und als Zunge angesprochen wird, auch von Erichson, obgleich schon vor<br />

längerer Zeit Roussel <strong>de</strong> Vauzemc (in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1834.<br />

T. I p. 239.) die letztere ganz richtig ge<strong>de</strong>utet hat.<br />

2) Vergl. Rymcr Jones in <strong>de</strong>r Cyclop. of anal. Tom. III. Art. Myriapoda p. 557.<br />

3) Kuller'« Archiv. 1843. S. X


123<br />

verwuchsen) durch die Anwesenheit von je zwei Fusspaaren<br />

sich auszeichnen und somit ihren innern Zusammenhang beweisen.<br />

Sie sind die Segmente <strong>de</strong>s Abdomen. Von <strong>de</strong>n<br />

Anhängen <strong>de</strong>r vorhergehen<strong>de</strong>n Körperringe aber liegt das<br />

vor<strong>de</strong>re unter <strong>de</strong>r oben erwähnten Unterlippe, es ist also,<br />

da die Zahl <strong>de</strong>r Thoracalsegmente bei <strong>de</strong>n Insekten nie mehr<br />

beträgt als drei, das metamorphosirte dritte Kieferpaar, wofür<br />

ich es auch vorhin ausgegeben habe. Bei <strong>de</strong>n Chilopo<strong>de</strong>n<br />

sind die Verhältnisse <strong>de</strong>r Anhänge an Kopf und Thorax ganz<br />

ähnlich J ). Auch hier verwan<strong>de</strong>lt sich das dritte Kieferpaar<br />

in das vor<strong>de</strong>re Fusspaar, doch functionirt es wohl schwerlich<br />

jemals als solches, da es nach unten von <strong>de</strong>m eigenthümlich<br />

metamorphosirten vor<strong>de</strong>m (nicht mittlem, wie Erichson<br />

will) Beinpaar <strong>de</strong>s Thorax, wie von einer starken Lippe be<strong>de</strong>ckt<br />

wird. Die Metamorphose dieser Anhänge in einen<br />

kräftigen Greifapparat ist übrigens nur von geringer morphologischer<br />

Dignilät. Ich möchte sie nicht <strong>de</strong>r Umwandlung<br />

<strong>de</strong>r Thoraealanhänge in accessorische Fresswerkzeuge, wie<br />

solche bei <strong>de</strong>n Crustaceen vorkommt, vergleichen. Sie wird<br />

vielmehr, wie es mir scheint, ganz einfach durch die in diesen<br />

Füssen gelegene Ausmündungsstelle <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Chilopo<strong>de</strong>n<br />

vorkommen<strong>de</strong>n Giftdrüse bedingt und lässt sehr passend<br />

sich <strong>de</strong>r Umwandlung <strong>de</strong>s letzten Postabdominalglie<strong>de</strong>s bei<br />

<strong>de</strong>n Scorpionen vergleichen, nur dass hier nicht die paarigen<br />

Anhänge, son<strong>de</strong>rn unmittelbar das entsprechen<strong>de</strong> Segment <strong>de</strong>r<br />

Sitz <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Umwandlung ist.<br />

Mollusca.<br />

Cuvier war <strong>de</strong>r Erste, welcher die zu dieser grossen<br />

Abtheilung <strong>de</strong>s Thierreiches gehören<strong>de</strong>n Formen in ihrem<br />

Zusammenhang erkannte und unter <strong>de</strong>m vorstehen<strong>de</strong>n Namen<br />

I) Weniger wesentlich ist es, dass bei <strong>de</strong>n Chilopo<strong>de</strong>n das Segment <strong>de</strong>s dritten<br />

Kieferpaares fehlt und auch <strong>de</strong>r erste Ring <strong>de</strong>s Thorax nur sehr gering entwickelt<br />

ist.


124<br />

zusammenfasste. L i n n &, und mit ihm seine Zeitgenossen<br />

und Nachfolger hatten dieselben unter die verschie<strong>de</strong>nen Ordnungen<br />

<strong>de</strong>r Würmer vertheilt. Die beschälten Mollusken<br />

bil<strong>de</strong>ten (mit <strong>de</strong>n übrigen schalentragen<strong>de</strong>n Thieren) die Ordnung<br />

<strong>de</strong>r Testacea, während die nackten hieher gehören<strong>de</strong>n<br />

Geschöpfe, vereinigt mit einem grossen Theil <strong>de</strong>r Würmer,<br />

mit <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen und gehäuselosen Polypen dieLinnesche<br />

Ordnung <strong>de</strong>r Mollusca zusammensetzten. Einzelne,<br />

scheinbar sehr abweichen<strong>de</strong> Formen hatten noch eine an<strong>de</strong>re<br />

Stellung. Teredo wur<strong>de</strong> von Linne <strong>de</strong>n Würmern zugerechnet,<br />

die zusammengesetzten Ascidien <strong>de</strong>m vielumfassen<strong>de</strong>n<br />

Gen. Alcyonium. Das erstere Thier stand in <strong>de</strong>r Ordnung<br />

<strong>de</strong>r Intestina, die letztere unter <strong>de</strong>n Zoophyten. — In<strong>de</strong>ssen hat<br />

auch die Cuviersche Abtheilung <strong>de</strong>r Mollusken einige Aen<strong>de</strong>rung<br />

erfahren, in<strong>de</strong>m die Cirripedien, welche bei Cuvier<br />

neben <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n, Pteropo<strong>de</strong>n, Gasteropo<strong>de</strong>n, Acepba-^<br />

len und Brachiopo<strong>de</strong>n eine eigene sechste Klasse <strong>de</strong>r Mollusken<br />

bil<strong>de</strong>n, davon ausgeschie<strong>de</strong>n und als Crustaceen erkannt<br />

sind. Auch die Gruppe <strong>de</strong>r Tunikaten, <strong>de</strong>ren nähere Kenntniss<br />

wir beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>n schönen Untersuchungen von Savigny<br />

1 ) verdanken, hat man mehrfach aus <strong>de</strong>r Abtheilung<br />

<strong>de</strong>r Mollusken entfernen wollen. Lamark erhob dieselben<br />

zu einer beson<strong>de</strong>rn Klasse, welche er zwischen die Radialen<br />

und Weisswürmer (Entozoa Cuv.) stellte. Ebenso verband<br />

Latreille dieselben mit <strong>de</strong>n Hololhurida 2 ) und Echino<strong>de</strong>rma<br />

zu <strong>de</strong>r Abtheilung seiner Actinozoa. Allerdings, glaube ich,<br />

bietet die gesammte Organisation <strong>de</strong>r Tunikaten .uns Grund<br />

genug, sie als eine beson<strong>de</strong>re Gruppe zu betrachten, wie es<br />

auch schon von Goldfuss, Grant, Burmeister u. A.<br />

geschehen ist, und sie von <strong>de</strong>n Acephalen zu trennen, <strong>de</strong>nen<br />

sie bei Cuvier (als Ac«$phales sans coquilles im Gegensatz<br />

zu <strong>de</strong>n Ac^phales testacös, <strong>de</strong>n Conchiferes Lam.) zugehören.<br />

1) Mem. sur les anim. sans vertebres. T. II.<br />

2) Zu <strong>de</strong>m Gen. Holothuria rechnete schon Cuvier einige dieser Tunikaten<br />

lieh die Salpen (H. Thalia).


125<br />

Dass sie in<strong>de</strong>ssen gänzlich von <strong>de</strong>n Mollusken abzuson<strong>de</strong>rn<br />

seien, scheint mir zweifelhaft, obwohl man nicht verkennen<br />

kann, dass sie vor <strong>de</strong>n übrigen Gruppen dieser Thiere in<br />

mehrfacher Beziehung sehr auffallend sich auszeichnen. Will<br />

man sie übrigens wirklich von <strong>de</strong>n Mollusken entfernen, so<br />

müssen sie, nach meiner Meinung, eine eigene Abtheilung in<br />

<strong>de</strong>r Thierreihe bil<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r dann auch vielleicht die Bryozoa<br />

einzuverleiben sind. Am natürlichsten möchte dann solche<br />

zwischen <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen und Würmern ihren Platz fin<strong>de</strong>n.<br />

Als Klasse o<strong>de</strong>r Ordnung lassen sich die Tunikaten<br />

nirgends an<strong>de</strong>rs einreihen, als bei <strong>de</strong>n Mollusken.<br />

Wenn wir nun aber die Tunikaten (Perigymna Burmstr.)<br />

einstweilen bei Seite setzen, so bleibt uns in <strong>de</strong>r Abtheilung<br />

<strong>de</strong>r Mollusken (Palliata Nitzsch) noch eine Reihe von Thierformen,<br />

die durch einen gemeinsamen, sehr bestimmten architektonischen<br />

Plan vor allen übrigen sich auszeichnen. Von<br />

<strong>de</strong>r typischen Anordnung <strong>de</strong>r Arthropo<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Würmer, wie<br />

von <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Echino<strong>de</strong>rmen o<strong>de</strong>r Coelenteraten ist dieselbe<br />

sehr auffallend verschie<strong>de</strong>n. Verfehlt scheint es mir <strong>de</strong>sshalb,<br />

die Mollusken; mit <strong>de</strong>m einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn dieser Kreise<br />

zu verbin<strong>de</strong>n, wie es mehrfach versucht wor<strong>de</strong>n. Die Carussche<br />

Abtheilung <strong>de</strong>r Corpozoa (Oken's Hautthiere), welche<br />

neben <strong>de</strong>n Mollusken auch die Glie<strong>de</strong>rfüssler und Würmer<br />

umfasst, wie die Burmeistersche Abtheilung <strong>de</strong>r Gastrozoa<br />

(Cormozoa Streub.), welche (i<strong>de</strong>ntisch <strong>de</strong>n Ganglioneura<br />

Rud.) die Mollusken mit <strong>de</strong>n Radiaten vereinigt, sind keine<br />

natürliche Gruppen, sind nicht zusammengehalten durch eine<br />

innere Verwandtschaft, durch einen gemeinschaftlichen und<br />

übereinstimmen<strong>de</strong>n Baustil.<br />

Statt <strong>de</strong>r radiären Bildungsweise treffen wir ganz unverkennbar<br />

(trotz manchfacher Störungen) einen seitlich symmetrischen<br />

Typus, statt <strong>de</strong>r gestreckten Form <strong>de</strong>s Leibes<br />

einen kurzen gedrungenen Körper, ohne Wie<strong>de</strong>rholung von<br />

Segmenten und paarigen Seitenanhängen. An<strong>de</strong>re morphologische<br />

Elemente sind es, die, <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Mollusken<br />

ganz eigenthümlich, die Gestaltung bedingen und


126<br />

<strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kräften zum hauptsächlichsten Angriffspunkte<br />

dienen.<br />

Nirgends umhüllt die weiche äussere Be<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>n<br />

Körper in Form eines einfachen Sackes o<strong>de</strong>r Schlauches. Auf<br />

<strong>de</strong>m Rücken bil<strong>de</strong>t sie überall einen sogenannten Mantel,<br />

eine schildförmige Verdickung o<strong>de</strong>r Duplicatur, <strong>de</strong>ren Form<br />

und Anordnung mannichfach wechselt. Eben so ist die<br />

Bauchfläche mit einem eigenen Anhang von muskulöser Textur<br />

versehen, mit <strong>de</strong>m sogenannten Fuss, während endlich<br />

bei <strong>de</strong>n höher entwickelten Formen sich zugleich das vor<strong>de</strong>re<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Leibes als beson<strong>de</strong>rer Abschnitt, als Kopf,<br />

zu erkennen giebt, <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m dahinter gelegenen Rumpf<br />

in mehrfacher Beziehung sich auszeichnet. Die Bildung dieses<br />

Theils ist sehr merkwürdig und abweichend von <strong>de</strong>r<br />

Entwicklungsweise <strong>de</strong>s Kopfes bei <strong>de</strong>n Würmern, Arthropo<strong>de</strong>n<br />

und Wirbelthieren, wie wir weiter unten sehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Wo ein Kopf vorhan<strong>de</strong>n ist, trägt er <strong>de</strong>n Eingang in<br />

<strong>de</strong>n Verdauungskanal, <strong>de</strong>r sonst ganz einfach am vor<strong>de</strong>m<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers gelegen ist. In ihm concentriren sich auch<br />

die Centraltheile <strong>de</strong>s Nervensystemes. Bei <strong>de</strong>n kopflosen<br />

Mollusken sind diese im Körper an verschie<strong>de</strong>nen Stellen<br />

zerstreuet, zu <strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r Speiseröhre, in <strong>de</strong>r Basis <strong>de</strong>s<br />

Fusses und zwischen <strong>de</strong>n Kiemen. Sie erscheinen als paarige<br />

Ganglien, durch Commissuren zu einem gemeinschaftlichen<br />

Systeme unter sich verbun<strong>de</strong>n. Am constantesten in<br />

Lage und Vorkommen sind die Schlundganglien. Sie liegen<br />

am vor<strong>de</strong>m Abschnitt <strong>de</strong>s Verdauungskanales, am Oesophagus<br />

und zwar symmetrisch zu <strong>de</strong>ssen Seilen. Oberhalb <strong>de</strong>r<br />

Speiseröhre sind sie durch eine Quercommissur verbun<strong>de</strong>n.<br />

Nicht selten verschmelzen sie auch in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s<br />

Rückens. Ein eigentlicher Schlundring, wie er bei <strong>de</strong>n höher<br />

entwickelten Formen dieser Abtheilung vorkommt, ist nicht<br />

ursprünglich in <strong>de</strong>m typischen Organisationsplan <strong>de</strong>r Mollusken<br />

begrün<strong>de</strong>t >), son<strong>de</strong>rn vielmehr durch eine blosse Modifica-<br />

1) Die Anordnung <strong>de</strong>s Nervensystems scheint mir für die verschie<strong>de</strong>nen natüi-liche»<br />

Abtheilungen <strong>de</strong>s Thierreichs sehr charakteristisch zu sein. So fin<strong>de</strong>n sich bei


127<br />

tion in <strong>de</strong>r Entwicklung dieses Systemes hervorgerufen.<br />

Die untere Oesophagealcommissur fin<strong>de</strong>t sich nämlich (wie<br />

man sehr <strong>de</strong>utlich in <strong>de</strong>r Anordnung <strong>de</strong>s Nervensystems bei<br />

<strong>de</strong>n Heteropo<strong>de</strong>ni) sehen kann) nur dann, wenn die Fussganglien<br />

— die, wie gesagt, unter sich und mit <strong>de</strong>n seitlilichen<br />

Schlundganglien in Verbindung stehen — nach vorn<br />

emporrücken bis unter <strong>de</strong>n Oesophagus. Wo dieselben, wie<br />

bei <strong>de</strong>n Conchiferen, eine an<strong>de</strong>re Lage haben o<strong>de</strong>r ganz<br />

fehlen (bei <strong>de</strong>n Tunicaten), kommt niemals ein vollständiger<br />

Schlundring zu Stan<strong>de</strong>. Mitunter sind aber auch Fuss- und<br />

Sehlundganglien einan<strong>de</strong>r so sehr genähert, dass sie unler<br />

sich zusammenhängen. Wenn nun in solchen Fällen die Fussganglien<br />

unterhalb <strong>de</strong>s Oesophagus nach <strong>de</strong>m Gesetz <strong>de</strong>r<br />

medianen Symphyse verschmolzen sind, dann bil<strong>de</strong>n (bei <strong>de</strong>n<br />

Gymnobranchiaten) alle diese Ganglien zusammen eine einzige<br />

Masse, die nur mit einer obern, je<strong>de</strong>r Anschwellung<br />

entbehren<strong>de</strong>n Commissur <strong>de</strong>n Speisekanal umfasst 2 ).<br />

Die Verdauungswerkzeuge <strong>de</strong>r Mollusken zeigen eine<br />

sehr mächtige Entwicklung. Ebenso die Geschlechtsorgane,<br />

welche übrigens, gleich jenen, sehr häufig (beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n<br />

Gasleropo<strong>de</strong>n) in ihrer symmetrischen Entwicklung gar auffallend<br />

gestört sind. Nur selten, ganz allgemein nur bei<br />

<strong>de</strong>n Conchiferen, ist <strong>de</strong>r After 3 ) am hintern Leibesen<strong>de</strong> in<br />

<strong>de</strong>r Mittellinie gelegen, niemals vielleicht die Geschlechtsöff-<br />

<strong>de</strong>n Coelenteraten (S 14) die Centraltheile <strong>de</strong>sselben am Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Leibeshöhle<br />

im hintern Theile <strong>de</strong>r äusseren Be<strong>de</strong>ckungen. Bei <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rnen (S. 33.)<br />

bil<strong>de</strong>n sie einen strahligen Schlundring; bei <strong>de</strong>n Würmern (S. 47.) ein unpaares<br />

Nackenganglion; bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n CS. 80.) eine Bauchganglienkette; bei <strong>de</strong>n<br />

Molusken endlich wie<strong>de</strong>rum ein abweichen<strong>de</strong>s System von Nervenknoten.<br />

I) Vergl. Milne Edwards in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. II. Ser. T.XVUI. p. 326.<br />

2) Gera<strong>de</strong> dieses Wechseln in <strong>de</strong>r Lage <strong>de</strong>r sogenannten Hirnganglien, bald ober­<br />

halb, bald auch unterhalb <strong>de</strong>r Speiseröhre, bestimmt mich zu <strong>de</strong>r Annahme,<br />

dass die Existenz symmetrischer lateraler Oesophagealganglien für die Abtheilung<br />

<strong>de</strong>r Mollusken die typische sei. Auch steht eine <strong>de</strong>rartige Anwendung voll­<br />

kommen im Einklang mit <strong>de</strong>r gedrungenen, verhältnissmässig breiten Form <strong>de</strong>s<br />

Körpers, eben so wie das unpaare Nackenganglion bei <strong>de</strong>n Würmern mit <strong>de</strong>r<br />

vorherrschen<strong>de</strong>n Längendimension,<br />

3) Niemals fehlt eine Afteröffnung hei <strong>de</strong>n Mollusken, auch nicht in <strong>de</strong>r Gruppe<br />

<strong>de</strong>r Fhlebenteraten.


123<br />

nung, die vielmehr immer (auch bei Dentalium?) seitlich am<br />

Körper ausmün<strong>de</strong>t, gewöhnlich (mit Ausnahme <strong>de</strong>r Conchiferen)<br />

asymmetrisch nur an einer Seite. Die speciellere Anordnung<br />

dieser Theile, oft für eine einzelne Gruppe sehr<br />

charakteristisch, bietet eine grosse Manchfaltigkeit i) und kann<br />

hier nicht näher betrachtet wer<strong>de</strong>n. Nur so viel sei noch<br />

erwähnt, dass <strong>de</strong>r Darm beständig <strong>de</strong>n Körper an Länge,<br />

wenn auch oft nur wenig, übertrifft, dass er, in Uebereinstimmung<br />

mit <strong>de</strong>r kurzen, gedrungenen Form <strong>de</strong>s Körpers,<br />

einen sackförmigen, einfachen o<strong>de</strong>r auch zusammengesetzten<br />

Magen bil<strong>de</strong>t und überall mit einem beson<strong>de</strong>rn gallenbereiten<strong>de</strong>n<br />

Apparat von ansehnlicher Grösse, mit einer Leber,<br />

versehen ist.<br />

Die Circulation <strong>de</strong>r Mollusken geht nach <strong>de</strong>r wichtigen<br />

Ent<strong>de</strong>ckung von Milne Edwards nirgends in einem vollständig<br />

geschlossenen Gefässsystem vor sich, wie bei <strong>de</strong>n<br />

Echino<strong>de</strong>rmen und Ringel Würmern. Eine geringere o<strong>de</strong>r<br />

grössere Strecke <strong>de</strong>sselben ist beständig Iacunös. So bil<strong>de</strong>t<br />

namentlich die Leibeshöhle einen weiten venösen Blutbehälter.<br />

Ueberhaupt ist es vorzugsweise das Venensystem,<br />

welches mangelhaft erscheint. In manchen Fällen schwin<strong>de</strong>n<br />

aber selbst alle Gefässe, mit Ausnahme <strong>de</strong>s Herzens, wie es<br />

bekanntlich ebenfalls bei <strong>de</strong>n Hexapo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Fall ist, doch<br />

bil<strong>de</strong>t dieses niemals, wie hier und auch sonst bei fast allen<br />

Arthropo<strong>de</strong>n, einen schlauchartigen, in eine Reihe hinter einan<strong>de</strong>r<br />

liegen<strong>de</strong>r Kammern getheilten Kanal, son<strong>de</strong>rn stets<br />

(mit Ausnahme <strong>de</strong>rTunicaten) einen kurzen muskulösen Sack 2 ),<br />

einen Ventrickel 3 ) mit einfachem und doppeltem Vorhof.<br />

1) Ueber die morphologischen Verhältnisse <strong>de</strong>s Genitalapparates bei <strong>de</strong>n Mollusken<br />

vergl. man meine mehrmals schon citirte Abhandlung über die Anatomie und<br />

Morphologie <strong>de</strong>r Geschlechtsorgane S. 125.<br />

2) Dass diese Form <strong>de</strong>s Herzens zum Theil ebenfalls, wie die Bildung eines sack­<br />

förmigen Magens, abhänge von <strong>de</strong>r Körpergestalt <strong>de</strong>r Mollusken, ist daraus zu<br />

ersehen, dass bei <strong>de</strong>n Salpen, die durch eine verhältnissmässig sehr gestreckte<br />

Leibesgestalt sich auszeichnen, das Herz eine Schlauchform darbietet.<br />

3) Bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n ist selbst dieser Ventrikel, wenngleich unvollkommen,<br />

durch ein Septum in eine rechte und linke Kammer zerfallen.


129<br />

Die Respirationsorgane <strong>de</strong>r Mollusken sind fast überall<br />

beson<strong>de</strong>re, zu diesem Zwecke eigens entwickelte Anhänge<br />

<strong>de</strong>r äusseren Be<strong>de</strong>ckungen, die bald frei liegen, bald aber<br />

auch in höhlenförmigen Räumen eingebettet und verborgen<br />

sind. Nicht alle Mollusken aber athmen mittelst solcher Kiemen.<br />

Eine Anzahl <strong>de</strong>rselben ist durch <strong>de</strong>n Aufenthalt auf<br />

<strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong> zur directen Luftathmung angewiesen. Zu solcher<br />

Bestimmung dienen die sogenannten Lungensäcke (bei<br />

<strong>de</strong>n Pulmonaten), welche übrigens, wie es sich nachweisen<br />

lässt, durch <strong>de</strong>n Plan ihrer Bildung nicht völlig isolirt stehen,<br />

son<strong>de</strong>rn morphogehetisch sich unmittelbar an die zur<br />

Vermittlung <strong>de</strong>r indirecten Luftathmung (<strong>de</strong>r sogenannten<br />

Wasserrespiralion) bestimmten Organe anschliessen. Noch<br />

an<strong>de</strong>re Mollusken entbehren ebenfalls beson<strong>de</strong>rer respiratorischen<br />

Gebil<strong>de</strong>. Sie athmen dann entwe<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r gesammten<br />

Hautoberfläche <strong>de</strong>s Leibes (wie unter <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten<br />

die Phlebenterata Quatref. — Apneusta Köllik.—)<br />

o<strong>de</strong>r durch Vermittlung <strong>de</strong>r Lamellen <strong>de</strong>s Mantels (wie die<br />

Brachiopo<strong>de</strong>n).<br />

Für die zoologische Betrachtung <strong>de</strong>r Mollusken ist die<br />

Anordnung <strong>de</strong>r Kiemen von <strong>de</strong>m grössten Interesse, beson<strong>de</strong>rs<br />

seit<strong>de</strong>m dieselbe von Cuvier als vorzüglichster Charakter<br />

<strong>de</strong>r grössern und kleinern von ihm geschaffenen Gruppen<br />

hingestellt wor<strong>de</strong>n. Hierbei aber müssen wir vor Allem<br />

die Frage uns vorlegen, ob <strong>de</strong>nn die sogenannten Kiemen<br />

auch wirklich in einem je<strong>de</strong>n Fall dieselbe morphologische<br />

Be<strong>de</strong>utung haben, ob nicht darunter vielleicht trotz <strong>de</strong>r übereinstimmen<strong>de</strong>n<br />

Fuuction manchfache verschie<strong>de</strong>nartige Gebil<strong>de</strong><br />

zusammengefasst wor<strong>de</strong>n? Sehen wir doch auch in<br />

an<strong>de</strong>rn Abtheilungen, bei <strong>de</strong>n Kiemenwürmern und Crustaceen,<br />

ein gleiches Verhalten. Auch bei ihnen sind es Anhänge<br />

sehr differenter Art, welche als Kiemen functioniren.<br />

Was die Gruppirung <strong>de</strong>r unter <strong>de</strong>m gemeinschaftlichen<br />

Namen <strong>de</strong>r Kiemen mit einan<strong>de</strong>r parallelisirten Anhangsgebil<strong>de</strong><br />

am Körper <strong>de</strong>r Mollusken betrifft, so befolgt solche im Allgemeinen<br />

ganz gleichmässig die Gesetze <strong>de</strong>r seitlichen Sym-<br />

9


130<br />

metrie. Wie wir in<strong>de</strong>ssen sonst schon in <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Abtheilung mehrfache Störungen einer solchen Anordnung<br />

gesehen haben, so beson<strong>de</strong>rs hier. In vielen Gasteropo<strong>de</strong>n<br />

fin<strong>de</strong>n sich die Kiemen nur auf <strong>de</strong>r einen Körperseite, <strong>de</strong>r<br />

rechten o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r linken. Die entsprechen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rn Seite fehlen dann entwe<strong>de</strong>r vollkommen (Aplysia,<br />

Pleurobranchus, Doridium u. s. w.), o<strong>de</strong>r sind ebenfalls auf<br />

die entgegengesetzte Seite hinübergerückt (z. B. bei Halyotis,<br />

Cassis, Buccinum, Murex), so dass hier dann die Anzahl<br />

<strong>de</strong>r Kiemen verdoppelt 1 ) ist.<br />

Alle diese Verschie<strong>de</strong>nheiten in<strong>de</strong>ssen können uns noch<br />

nicht zu einem Urtheil über die Natur und das morphologische<br />

Verhältniss <strong>de</strong>r Kiemen berechtigen. Weit wichtiger<br />

ist es in dieser Beziehung, dass wir in <strong>de</strong>r Relation <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n<br />

Gebil<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n einzejnen Abschnitten <strong>de</strong>s Körpers<br />

auf eine an<strong>de</strong>re ganz bestimmte Differenz stossen. Die sogenannten<br />

Gymnobranchialen — dieselben, zu <strong>de</strong>nen die<br />

obenerwähnten kiemenlosen Phlebenleraten gehören — sind<br />

es, welche hier vor allen übrigen Mollusken sich auszeichnen.<br />

Die »Gebil<strong>de</strong>, die man bei ihnen als Kiemen bezeichnet, sind<br />

ganz augenscheinlich blosse Fortsätze und Anhänge <strong>de</strong>s Mantels,<br />

von <strong>de</strong>ssen äusserer Oberfläche sie sich erheben. In<br />

allen übrigen Fällen dagegen erscheinen die Kiemen nicht<br />

als Anhangsgebil<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Mantels, son<strong>de</strong>rn als selbstständige<br />

Productionen <strong>de</strong>r äusseren Körperhülle, die in <strong>de</strong>r furchenförmigen<br />

Vertiefung im Umkreis <strong>de</strong>s Mantels angeheftet sind,<br />

und von <strong>de</strong>m freien Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>sselben mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r<br />

weit be<strong>de</strong>ckt und überragt wer<strong>de</strong>n. Sehr <strong>de</strong>utlich ist diese<br />

Anordnung da, wo die Kiemen noch frei zu Tage liegen, bei<br />

<strong>de</strong>n Cyclobranchiaten, Hypobranchiaten und Heteropo<strong>de</strong>n, so<br />

wie auch bei <strong>de</strong>nLamellibranchiaten. In an<strong>de</strong>ren Fällen verlieft<br />

sich jene Furche an <strong>de</strong>r Insertionsstelle <strong>de</strong>r Kiemen zu<br />

einer förmlichen, von <strong>de</strong>m Mantel vollkommen über<strong>de</strong>ckten<br />

1) Ganz analoge morphogenetische Vorgänge bedingen auch zum Theil die eigenthiimlichc<br />

Anordnung <strong>de</strong>r zwitterhaften Genitalien bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n.


131<br />

Höhle, die dann in ihrem Innern die Kiemen enthält, und<br />

unterhalb <strong>de</strong>s Mantelran<strong>de</strong>s durch eine schlitzförmige Ocffnung<br />

nach aussen führt. So bei <strong>de</strong>n Ctenobranchiaten und<br />

vielen Pteropo<strong>de</strong>n, so auch bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n 1 ). Nach<br />

Lage und Aus<strong>de</strong>hnung zeigt übrigens sowohl die Kiemenhöhle,<br />

als auch die Athemöfraung manchfache Differenzen.<br />

Von grösster Geräumigkeit, fast <strong>de</strong>n ganzen Eingewei<strong>de</strong>sack<br />

umgebend ist dieselbe bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n und einigen<br />

beschälten Pteropo<strong>de</strong>n (z. B. Hyalaea), sehr eng dagegen<br />

z. B. bei Halyotis. In <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Ctenobranchiaten<br />

verlängert sich die obere, von <strong>de</strong>m Mantelrand gebil<strong>de</strong>te<br />

Lippe <strong>de</strong>r Athemöfmung sehr häufig in einen canalförmigen,<br />

mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r langen Fortsatz, in das sogenannte Athemrohr.<br />

Die Pomatobranchiaten zeigen im Wesentlichen eine<br />

ganz analoge Anordnung <strong>de</strong>r Kiemenhöhle, nur coincidirt<br />

bei ihnen die Alhemöffnung nicht mit <strong>de</strong>r Mantelfurche. Sie<br />

entsteht vielmehr dadurch, dass die Kiemenhöhle, die sich<br />

unterhalb <strong>de</strong>s Mantels hinerslreckt, ihrer Länge nach in grösserer<br />

o<strong>de</strong>r geringerer Aus<strong>de</strong>hnung geschlitzt wird. Bei Bullaea,<br />

wo dieser Schlitz nur kurz ist, fliesst das äussere En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>sselben noch mit <strong>de</strong>r Mantelfurche zusammen. Aplysia<br />

entbehrt schon dieses Zusammenhanges zwischen Athemüffnung<br />

und Mantelfurche. Bei<strong>de</strong> sind völlig von einan<strong>de</strong>r getrennt.<br />

Ganz augenscheinlich hat hier die Athemöffnung<br />

sich mehr nach innen zu, in <strong>de</strong>n Mantel hinein, verlängert.<br />

Die ganze Kiemenhöhle ist offen und wird allein durch die<br />

seitlichen, <strong>de</strong>m Mantel angehören<strong>de</strong>n Lippen <strong>de</strong>r Athemöffnung,<br />

welche über einan<strong>de</strong>r greifen, be<strong>de</strong>ckt und geschlossen.<br />

Was wir aus <strong>de</strong>r eben erwähnten Uebereinstimmung in<br />

1) Sehr schön lehrt die Entwicklungsgeschichte <strong>de</strong>r Cephalopo<strong>de</strong>n, wie eine solche<br />

Lage <strong>de</strong>r Kiemen wirklich bloss aus einer Weiterentwicklung <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Hy-<br />

pobranchiaten u. s. w. persistiren<strong>de</strong>n Anordnung hervorgeht.. Im Anfang liegen<br />

auch bei Sepia etc. die Kiemen an <strong>de</strong>r Oberfläche <strong>de</strong>s Leibes im Umkreis <strong>de</strong>s<br />

Mantels, ganz wie ... B. bei Pleurobranchus. Erst später, wenn die Rän<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Mantels sich aus<strong>de</strong>hnen und wachsen , wer<strong>de</strong>n die Kiemen überwölbt und<br />

in die dadurch gebil<strong>de</strong>te Höhle eingeschlossen. Vergl. Kölliker, Entwick­<br />

lungsgeschichte <strong>de</strong>r Cephalopo<strong>de</strong>n. Zürich 1845.<br />

9*


132<br />

Lage und Anordnung <strong>de</strong>r Kiemen bei <strong>de</strong>r grössten Mehrzahl<br />

<strong>de</strong>r Mollusken im Gegensatz zu <strong>de</strong>m Verhalten <strong>de</strong>r gleichnamigen<br />

Theile bei <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten bereits abnehmen<br />

können, dass nämlich die Kiemen <strong>de</strong>r letztern an<strong>de</strong>re, morphologisch<br />

differiren<strong>de</strong> Gebil<strong>de</strong> seien, wird zur Gewissheit,<br />

wenn -wir sehen, wie bei <strong>de</strong>n erstem die manchfachen Variationen<br />

in <strong>de</strong>r Gestallung <strong>de</strong>r Respirationsorgane aus einer<br />

gemeinschaftlichen Urform, aus <strong>de</strong>r Form einer Fe<strong>de</strong>r mit<br />

mittlerem Schaft und zweizeiliger Fahne, sich ableiten lassen.<br />

Vergebens aber ist <strong>de</strong>r Versuch, die Kiemen <strong>de</strong>r Gymnobranchiaten<br />

in <strong>de</strong>n Bereich dieses Schema hineinzuziehen.<br />

Sie sind von einer regellosen Manchfaltigkeit, wie alle die<br />

zahlreichen accessorischen Bildungen am thierischen Körper,<br />

welche einer planmässigen, typischen Begründung ermangeln.<br />

In <strong>de</strong>r Form von einfachen Blättern o<strong>de</strong>r Cylin<strong>de</strong>rn, von<br />

verzweigten Bäumen u. s. w. stehen sie gewöhnlich in ansehnlicher<br />

Menge und in verschie<strong>de</strong>ner Gruppirung über die<br />

Oberfläche <strong>de</strong>s Mantels verbreitet.<br />

An<strong>de</strong>rs aber ist es mit <strong>de</strong>n Kiemen <strong>de</strong>r übrigen Mollusken.<br />

Unbescha<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r schon oben erwähnten Störungen einer<br />

lateralen Symmetrie fin<strong>de</strong>t sich hier in <strong>de</strong>r Norm je<strong>de</strong>rseits<br />

am Körper nur eine einzige Kieme. Nautilus allein<br />

besitzt <strong>de</strong>ren zwei. Jene Form übrigens, welche ich als-die<br />

Grundform ansehen möchte, ist in völliger Integrität nur selten<br />

erhalten. So z. B. bei Pleurobranchus, Valvata u. A.<br />

Am häufigsten ist sie dadurch modificirt, dass <strong>de</strong>r Schaft<br />

<strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>r in seiner ganzen Länge mit <strong>de</strong>n äusseren Be<strong>de</strong>ckungen<br />

verschmolzen ist, Dann erscheinen die Kiemen<br />

je<strong>de</strong>rseits in doppelt kammförmiger Gestalt, als zwei neben<br />

einan<strong>de</strong>r gelegene Längsreihen von Blättchen (z. B. Diphyllidia,<br />

Turbo u. s. w.), noch öfter als einfach kammförmige<br />

Bildungen, wenn nämlich die eine Reihe dieser Blättchen geschwun<strong>de</strong>n<br />

ist 1 ). Wo die Kiemen in solchen Fällen die<br />

1) Nicht selten ist es bei einer unsymmetrischen Lage bei<strong>de</strong>r Kiemen auf <strong>de</strong>rselben<br />

Seite, dass bei<strong>de</strong> auf eine verschie<strong>de</strong>ne Weise entwickelt sind, (z. B. bei <strong>de</strong>n


133<br />

Symmetrie ihrer Anordnung auf bei<strong>de</strong>n Seiten bewahrt haben,<br />

fliessen sie mitunter (wie bei Hyalea, bei Patella u.s. w.)<br />

an ihrem En<strong>de</strong> bogenförmig zusammen. In an<strong>de</strong>rn Fällen<br />

wird die ursprüngliche fe<strong>de</strong>rförmige Gestalt <strong>de</strong>r Kiemen<br />

auch wohl dadurch complicirter, dass die Blältchen <strong>de</strong>r<br />

Fahne wie<strong>de</strong>rum mit Nebenblättchen zweiter u. s. w. Ordnung<br />

sich versehen. So beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n,<br />

aber auch schon bei Aplysia u. s. w. Interessant ist es<br />

übrigens, dass die bei<strong>de</strong>n eben angeführten Modificationsmomente<br />

auch combinirt vorkommen können. So bei Chiton<br />

, wo die bei Patella noch ganz einfachen Kiemenblätter<br />

durch die Entwicklung seitlicher Nebenblättchen in die Form<br />

von einzelnen kleinen Fe<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r gefie<strong>de</strong>rten Pyrami<strong>de</strong>n sich<br />

umgewan<strong>de</strong>lt haben. Dass ebenfalls aus einer blossen Variation<br />

jener Grundform <strong>de</strong>r Kiemen die scheinbar so sehr<br />

abweichen<strong>de</strong> Gestalt dieser Organe bei <strong>de</strong>n Conchiferen herrühre,<br />

beweist beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich das Gen. Solemya J ), in<br />

welchem die primäre Fe<strong>de</strong>rform mit Schaft und zweizeiliger<br />

Fahne noch völlig erhalten ist. Sehr einfach lässt hieraus<br />

die gewöhnliche Anordnung <strong>de</strong>r Kiemen bei <strong>de</strong>n Conchiferen<br />

sich ableiten. Die einzelnen cylindrischen Blättchen o<strong>de</strong>r<br />

Strahlen <strong>de</strong>r Fahne nämlich wachsen sehr be<strong>de</strong>utend und<br />

erscheinen dann je<strong>de</strong>rseits entwe<strong>de</strong>r als zwei nebeneinan<strong>de</strong>r<br />

stehen<strong>de</strong> Längsreihen dünner und freier Fä<strong>de</strong>n (z. B. Pectunculus,<br />

Area) o<strong>de</strong>r noch häufiger, wenn nämlich die Fä<strong>de</strong>n<br />

einer je<strong>de</strong>n Reihe unter einan<strong>de</strong>r sich verbin<strong>de</strong>n, als zwei<br />

ganz ansehnlich entwickelte häutige Blätter, die. entsprechend<br />

<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Seitenreihen <strong>de</strong>r Fahne, je<strong>de</strong>rseits in <strong>de</strong>r<br />

Mantelfalte gelegen sind, und <strong>de</strong>n Körper zwischen sich nehmen.<br />

Je nach<strong>de</strong>m nun <strong>de</strong>r Schaft, von welchem die Blätter<br />

ausgehen, mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r weit mit <strong>de</strong>m Körper seiner<br />

Länge nach zusammenhängt, ist auch <strong>de</strong>r innere Rand<br />

<strong>de</strong>r Kiemen in verschie<strong>de</strong>ner Aus<strong>de</strong>hnung frei. In einigen<br />

Ctenobranchiaten), <strong>de</strong>r Art, dass die eine doppelt, die an<strong>de</strong>re nur einfach<br />

gekämmt ist.<br />

1) Vergl. Philippi in Wiegmann's Arch. 1835. I. S. 271.


131<br />

Fällen, z.B. bei Ostrea, sind dieselben in ganzer Länge (wie<br />

die Kiemenblätter vieler Gasteropo<strong>de</strong>n) auf <strong>de</strong>m Körper befestigt.<br />

Nicht selten sind auch wohl die Kiemenlamellen bei<strong>de</strong>r<br />

Seiten an ihrem hintern En<strong>de</strong>, wo sie über <strong>de</strong>n Körper<br />

hervorragen, in <strong>de</strong>r Medianlinie (Unio, Mactra u. s. w.) verschmolzen.<br />

Bei Teredo erstreckt diese Vereinigung sich sogar<br />

über die ganze Länge <strong>de</strong>r Kiemen; ein Verhältniss, welches<br />

übrigens nur dadurch möglich wird, dass dieselben<br />

erst hinter <strong>de</strong>m Eingewei<strong>de</strong>sack ihren Anfang nehmen.<br />

Durch eine eigenthümliche Metamorphose <strong>de</strong>s Mantels,<br />

die weiter unten noch einer näheren Erörterung bedarf, wer<strong>de</strong>n<br />

die Kiemen bei <strong>de</strong>n Conchiferen bisweilen in eine Athemhöhle<br />

eingeschlossen, welche trotz <strong>de</strong>r differenten Entstehungsweise<br />

mit <strong>de</strong>r Kiemenhöhle <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n und Cephalopo<strong>de</strong>n<br />

manche Analogien darbietet. Der Mantel nämlich,<br />

welcher durch die mächtige lamellenförmige Entwicklung<br />

seiner seitlichen Randlappen sich auszeichnet, verschmilzt<br />

nicht selten in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Bauches und bil<strong>de</strong>t dann,<br />

wenn diese Verwachsung möglichst vollständig erfolgt ist,<br />

eine äussere sackförmige Hülle um <strong>de</strong>n Körper, die aber<br />

meistens nicht unmittelbar <strong>de</strong>m letztern aufliegt (nur bei<br />

Teredo i), wo die Kiemenhöhle erst hinter <strong>de</strong>m eigentlichen<br />

Körper beginnt, ist dieses <strong>de</strong>r Fall), son<strong>de</strong>rn davon absteht<br />

und somit <strong>de</strong>nn eine eigene, <strong>de</strong>n Körper bis auf <strong>de</strong>n Rücken<br />

vollständig umgeben<strong>de</strong> Höhle bil<strong>de</strong>t. Diese letztere Höhle<br />

nun ist die Kiemenhöhle, in welcher die Athmungsorgane<br />

gelegen sind. Nach hinten bleibt dieselbe übrigens beständig<br />

eine Strecke weit in <strong>de</strong>r Medianlinie geöffnet.<br />

Die bei<strong>de</strong>n seitlichen Kiemenlamellen, die auf erwähnte<br />

Weise aus einer Umwandlung <strong>de</strong>r Fahne am Schaft einer<br />

fe<strong>de</strong>rförmigen Kieme hervorgehen, können auch ihrerseits<br />

wie<strong>de</strong>rum manchfache Formverän<strong>de</strong>rungen eingehen. Von<br />

diesen will ich hier nur hervorheben, dass mitunter (bei<br />

einigen Tallinaarten) je<strong>de</strong>rseits die äussere Lamelle fehlt, und<br />

1) Vergl. über die morphologischen und anatomischen Verhältnisse von Teredo<br />

meinen Aufsatz in <strong>de</strong>n Beiträgen von Frey und Leuckart S. 45.


135<br />

dann die Zahl <strong>de</strong>r Kiemenblätter einfach l ) ist, wie bei <strong>de</strong>n<br />

einfach gekämmten Kiemen vieler Ctenobranchiaten.<br />

Eben so einfach ist die Zahl <strong>de</strong>r seitlichen Kiemenlamellen<br />

bei <strong>de</strong>n Tunicaten. In<strong>de</strong>ssen erscheinen dieselben hier<br />

in einer gänzlich verschie<strong>de</strong>nen Anordnung, so dass auf <strong>de</strong>n<br />

ersten Blick eine Reduction <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Theile auf die<br />

Kiemen <strong>de</strong>r Acephalen kaum möglich ist.<br />

Bei <strong>de</strong>n Ascidien stellen sie einen einfachen Sack dar,<br />

welcher im Vor<strong>de</strong>rtheil <strong>de</strong>s Leibes gelegen ist. Wie die<br />

Mantellappen <strong>de</strong>r Conchiferen zu Bildung <strong>de</strong>r Kiemenhöhle,<br />

ganz eben so scheinen hier auch die Kiemenlamellen in <strong>de</strong>r<br />

Medianlinie <strong>de</strong>s Leibes unter einan<strong>de</strong>r verschmolzen zu sein.<br />

Dass sie eine abweichen<strong>de</strong> Lage darbieten, ist wenig wesentlich.<br />

Wie die Kiemen bei Teredo von <strong>de</strong>n Seitentheilen<br />

<strong>de</strong>s Leibes bis an das hintere En<strong>de</strong> <strong>de</strong>sselben zurückweichen<br />

konnten, ganz eben so möglich ist die entgegengesetzte<br />

Lagerumän<strong>de</strong>rung bei <strong>de</strong>n Ascidien. Abhängig von dieser<br />

Lage und dieser Anordnung <strong>de</strong>r Kiemen bei <strong>de</strong>n letzterwähnten<br />

Thieren ist es übrigens, dass <strong>de</strong>r Darmkanal mit seinem<br />

vor<strong>de</strong>m Abschnitt nicht unmittelbar nach aussen mün<strong>de</strong>t,<br />

son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n hintern Theile <strong>de</strong>s Kiemensackes sich<br />

inserirt. Der Respirationsapparat hat zwischen Mundöffnung<br />

und Oesophagus sich eingeschoben 2 ).<br />

Ganz dieselbe Lage besitzt <strong>de</strong>r Kiemenapparat bei <strong>de</strong>n<br />

Salpen. Dadurch aber wird bei diesen das Verhältniss an<strong>de</strong>rs,<br />

dass die Kiemen nicht, wie bei <strong>de</strong>n Ascidien, einen<br />

1) In an<strong>de</strong>rn Fällen (Ciavagella) fin<strong>de</strong>n sich aber auch je<strong>de</strong>rseits drei Kiemenla­<br />

mellen statt <strong>de</strong>r gewöhnlichen zwei. Eben so kommt auch unter <strong>de</strong>n Gastero­<br />

po<strong>de</strong>n bei Paludina eine dreifach gekämmte Kieme vor.<br />

2) Milne Edwards (Observat. sur les ascid. compos. <strong>de</strong>s cötes <strong>de</strong> la Manche.<br />

Par. 1845.) <strong>de</strong>utet das Yerhältniss auf eine an<strong>de</strong>re Weise. Ausgehend von<br />

<strong>de</strong>r Verwandtschaft <strong>de</strong>r Ascidien mit <strong>de</strong>n Bryozoen, betrachtet er <strong>de</strong>n Kie-<br />

mensack <strong>de</strong>r ersteren als hervorgegangen aus einer weitern Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

hei <strong>de</strong>n letztem vorkommen<strong>de</strong>n Pharynx. Ebenso A. Farre (1. c.) , während<br />

dagegen Van Bene<strong>de</strong>n (Nouv.Mem. <strong>de</strong> l'acad. roy. <strong>de</strong>Brux. T.XVIII. Rech, sur<br />

les Bryoz. p. 22. — Ibid. T. XX. Rech, sur les Ascid. p. 56.) darin ein morpho­<br />

logisches Aequivalent für <strong>de</strong>n Tentakelkranz zu erkennen glaubt, <strong>de</strong>ssen Strahlen<br />

nach innen, in die Leibeshöhle, eingezogen und unter sich verwachsen seien.


13C<br />

geschlossenen Sack bil<strong>de</strong>n. Nur in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Rückens<br />

sind die bei<strong>de</strong>n Kiemenblätter ihrer ganzen Länge<br />

nach verschmolzen, nie aber zugleich in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s<br />

Bauches. Sie sind in <strong>de</strong>r Breite nur wenig entwickelt und<br />

bil<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> •) zusammen nur einen einzigen schmalen Körper<br />

von bandartiger Gestalt, <strong>de</strong>ssen seitliche Rän<strong>de</strong>r höchstens<br />

etwas röhrenartig umgerollt sind. Erklärlich wird es<br />

unter solchen Verhältnissen, dass <strong>de</strong>r Oesophagus seine eigene<br />

Oeffnung und zwar vor <strong>de</strong>m Kiemenapparat besitzt.<br />

In<strong>de</strong>ssen fällt solche auch hier nicht unmittelbar mit <strong>de</strong>r<br />

äussern Mund- (o<strong>de</strong>r Einführungs-) Oeffnung zusammen, weil<br />

die sogenannte Athemhühle, in <strong>de</strong>r die Kieme ausgespannt<br />

ist, eine sehr excessive Entwicklung darbietet und <strong>de</strong>n ganzen<br />

ansehnlichen Raum zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n äussern Oeffnungen<br />

<strong>de</strong>s Körpers einnimmt. Ganz ähnlich, nur min<strong>de</strong>r<br />

ansehnlich, ist die Athemhöhle auch schon bei <strong>de</strong>n Ascidien.<br />

Die geringere Räumlichkeit bei <strong>de</strong>n letzteren wird durch die<br />

verschie<strong>de</strong>ne Lage <strong>de</strong>r Mund- und Kloaköffnung hervorgebracht.<br />

Bei<strong>de</strong> liegen nämlich ziemlich dicht neben einan<strong>de</strong>r,<br />

während sie bei <strong>de</strong>n Salpen diametral einan<strong>de</strong>r gegenüber<br />

stehen, doch nicht so, dass dieselben etwa oben und<br />

unten am Körper sich vorfän<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn vorn und hinten<br />

(am Bauch und Rücken). Ganz offenbar entspricht <strong>de</strong>r Längendurchmesser<br />

<strong>de</strong>r Salpen <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Ascidien durch die<br />

bei<strong>de</strong>n Körperöffnungen gezogenen Linie, welche mit <strong>de</strong>m<br />

senkrechten Durchmesser durch Gehirn und Eingewei<strong>de</strong>sack<br />

sich kreuzt. Die Kernfläche 2 ) <strong>de</strong>r Salpen ist morphologisch<br />

<strong>de</strong>m untern festgewachsenen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ascidien gleichzusetzen,<br />

die Gehirnfläche <strong>de</strong>m obern. Mit einer <strong>de</strong>rartigen<br />

Ansicht völlig übereinstimmend ist die Lage <strong>de</strong>s Kiemenapparates,<br />

die paradox und unerklärlich wird, sobald man<br />

<strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>r Salpen auf eine an<strong>de</strong>re Weise <strong>de</strong>utet. Bei<br />

1) Nach seiner morphologischen Be<strong>de</strong>utung darf also <strong>de</strong>r Respiraliousapparat <strong>de</strong>r Sal­<br />

pen eben so wenig, wie <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Ascidien, als eine einzige unpaare Kieme ange­<br />

sehen wer<strong>de</strong>n. Er entspricht vielmehr offenbar zweien seitlichen Kiemenlamellen.<br />

2) Eschricht, Sars u. A. halten gewiss mit Unrecht die Kernfläche <strong>de</strong>r Salpen<br />

für die Rückenflächc, die hintere Oeffnung <strong>de</strong>s Leibesen<strong>de</strong>s für die vor<strong>de</strong>re.


137<br />

<strong>de</strong>n Ascidien erstreckt sich <strong>de</strong>r Kiemensack von oben nach<br />

unten, von <strong>de</strong>r Hirnfläche zur Kernfläche. Dieselbe Lage<br />

fin<strong>de</strong>t sich auch bei <strong>de</strong>n Salpen. Auch hier ist <strong>de</strong>r eine Insertionspunkt<br />

<strong>de</strong>s bandförmigen Kiemenapparates an <strong>de</strong>r<br />

Hirnfläche, <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re an <strong>de</strong>r Kernfläche. Die Kieme ist<br />

schräg von oben nach unten in <strong>de</strong>r Athemhöhle ausgespannt.<br />

Nach<strong>de</strong>m wir nun <strong>de</strong>n einzelnen Modificationen, welche<br />

die Kiemen <strong>de</strong>r Mollusken in Anordnung, Form und Lage<br />

bei <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Gruppen darbieten, gefolgt sind, bleibt<br />

noch die Betrachtung <strong>de</strong>r sogenannten Lungensäcke uns übrig<br />

, die bei <strong>de</strong>n Pulmonaten sich vorfin<strong>de</strong>n und mit ihrem<br />

respiratorischen Gefässnetz als Athmungswerkzeuge functioniren.<br />

Fragen wir nach <strong>de</strong>r morphologischen Be<strong>de</strong>utung dieser<br />

Theile, vergleichen wir sie mit <strong>de</strong>m Respirationsapparat<br />

<strong>de</strong>r verwandten Mollusken, so muss, nach meinem Erachten,<br />

die Antwort dahin ausfallen, dass sie <strong>de</strong>n Kiemenhöhlen<br />

<strong>de</strong>r übrigen Gasteropo<strong>de</strong>n zu parallelisiren seien. Von<br />

diesen unterschei<strong>de</strong>n sie sich nur dadurch, dass im Innern<br />

keine beson<strong>de</strong>rn Respirationsorgane eingeschlossen sind').<br />

Sonst stimmen sie damit in je<strong>de</strong>r Hinsicht überein 2 ). Was<br />

auf <strong>de</strong>n ersten Blick vielleicht gegen die Annahme einer solchen<br />

morphologischen I<strong>de</strong>ntität streiten möchte, ist nur <strong>de</strong>r<br />

Umstand, dass in einigen, wenngleich seltenen Fällen, ein<br />

Lungensack zugleich, neben einem Kiemenapparat vorkommt.<br />

Bei Onchidium, wo Ehrenberg zuerst ein solches Verhalten<br />

ent<strong>de</strong>ckte, lässt dasselbe noch am leichtesten sich erklären.<br />

Die Kiemen dieses Thieres sind, wie bei <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten,<br />

blosse Wucherungen o<strong>de</strong>r Verlängerungen <strong>de</strong>s<br />

1) Nach <strong>de</strong>n Untersuchungen von Van Bene<strong>de</strong>n (Mem. <strong>de</strong> l'Acad. <strong>de</strong> Brux.<br />

T. XI.) wür<strong>de</strong>n auch bei Limaciua in <strong>de</strong>r Kiemenhöhle keine beson<strong>de</strong>rn Respi­<br />

rationsorgane angetroffen.<br />

2) Die-wechseln<strong>de</strong> Lage <strong>de</strong>r Athemölfnung bei <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Ai-ten <strong>de</strong>r Pul­<br />

monaten beweist sehr augenfällig, dass <strong>de</strong>r darin ausgesprochene Unterschied<br />

bei <strong>de</strong>n Pomatohranchiaten und Ctenobranchiaten u. s. w. nur sehr untergeord­<br />

neter Art sei. Auch bei <strong>de</strong>n Pulmonalen fällt jene Oeffnung bald mit <strong>de</strong>r<br />

Manteirurche zusammen, bald auch (Limax) nicht. Im letztern Fall ist sie un­<br />

mittelbar am Mantel, nahe <strong>de</strong>m Ran<strong>de</strong> gelegen.


I3S<br />

Mantels, neben <strong>de</strong>nen immerhin noch eine beson<strong>de</strong>re Lun­<br />

genhöhle sich bil<strong>de</strong>n kann. An<strong>de</strong>rs aber ist es bei <strong>de</strong>n Am­<br />

pullarien , die i) ausser <strong>de</strong>r letztern noch eine vollständige<br />

Kiemenhöhle mit Kiemen besitzen. Bei diesen aber erscheint<br />

nach <strong>de</strong>m anatomischen Verhältniss <strong>de</strong>r Lungensack als ein<br />

Anhang <strong>de</strong>r Kiemenhöhle, als eine Nebenhöhle, durch eine<br />

Ausstülpung aus letzterer entstan<strong>de</strong>n. Weit entfernt also, in<br />

dieser Vereinigung von Lungensack und Kiemenhöhle bei<br />

<strong>de</strong>mselben Thier einen Grund für <strong>de</strong>n morphologischen Un­<br />

terschied zwischen bei<strong>de</strong>n zu sehen, möchte ich daraus un­<br />

ter <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n Verhältnissen weit eher einen Beweis<br />

für die Richtigkeit <strong>de</strong>r entgegengesetzten Ansicht entnehmen.<br />

Aus allen diesen manchfach wechseln<strong>de</strong>n Verhältnissen<br />

mag man die Wichtigkeit <strong>de</strong>s Kiemenapparates für die Ar­<br />

chitektonik <strong>de</strong>s Molluskenkörpers erkennen. Dennoch aber<br />

zeigt eine nähere Betrachtung sehr bald, dass jene Be<strong>de</strong>u­<br />

tung mehr eine untergeordnete sei, dass an<strong>de</strong>re Factoren als<br />

die Hauptträger <strong>de</strong>s charakteristischen Baues erscheinen und<br />

durch ihre Modificationsfähigkeit die Grenzen bestimmen, in<br />

<strong>de</strong>nen die Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Gestaltbildung sich bewegt.<br />

Für die morphologische Auffassung <strong>de</strong>s Körperbaues bei<br />

<strong>de</strong>n Mollusken ist bisher nur wenig geschehen. Ein Ver­<br />

such zur Reduction aller jener manchfaltigen Gestalten fehlt<br />

noch heute, obgleich unsere Kenntniss von <strong>de</strong>r äussern Form<br />

und <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Mollusken wohl immerhin eine <strong>de</strong>r­<br />

artige Darstellung schon möglich machen möchte.<br />

Die einfachsten und regelmässigsten Verhältnisse in <strong>de</strong>r<br />

typischen Abtheilung <strong>de</strong>r Mollusken bieten uns die nackten<br />

Gasteropo<strong>de</strong>n. Sie bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Ausgangspunkt unserer Un­<br />

tersuchungen. Die Gestalt <strong>de</strong>s Leibes erinnert hier an die<br />

Tremato<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n Würmern o<strong>de</strong>r an jene eigentüm­<br />

lichen, kriechen<strong>de</strong>n Holothurien. wie Psolus, Cuvieria u. s. w.<br />

Die untere Fläche <strong>de</strong>s Körpers ist abgeplattet und bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n<br />

Fuss. Sie erscheint als eine stark muskulöse, scharfkantige<br />

1) Vergl. Troschel in Wicgmann's Archiv 1845. Bd. I. S. 197.


139<br />

Scheibe, die vom vor<strong>de</strong>m Leibesen<strong>de</strong> bis an die hinlere<br />

Körperspitze reicht und <strong>de</strong>n eiförmigen o<strong>de</strong>r cylindrischen<br />

Rumpf mit <strong>de</strong>r Eingewei<strong>de</strong>masse trägt. Der vor<strong>de</strong>re Abschnitt<br />

dieses Rumpfes, <strong>de</strong>r Kopf, ist ein kleines kugliches<br />

Gebil<strong>de</strong>, welches nach hinten durch eine seichte ringförmige<br />

Einschnürung sich abgrenzt und am untern En<strong>de</strong>, dicht vor<br />

<strong>de</strong>m Fusse, mit <strong>de</strong>r spaltförmigen, längsgestellten Mundöffnung<br />

versehen ist. Die seitlichen Begrenzungen <strong>de</strong>s Mun<strong>de</strong>s<br />

bil<strong>de</strong>n zwei wulstförmige Hervorragungen, die Lippen, die<br />

sehr häufig (bei <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten) in einen kleinen zipfelförmigen<br />

Fortsatz, in <strong>de</strong>n Lippenfühler, sich ausziehen.<br />

Oberhalb <strong>de</strong>s Mun<strong>de</strong>s, auf <strong>de</strong>m Scheitel, stehen die Antennen,<br />

zwei i) symmetrische Forlsätze von cylindrischer Gestalt.<br />

Die Rückenfläche <strong>de</strong>s Körpers ist von <strong>de</strong>m Mantel be<strong>de</strong>ckt,<br />

von einer schildförmigen Duplicatur <strong>de</strong>r äussern Be<strong>de</strong>ckungen,<br />

welche von <strong>de</strong>m Nacken sich verschie<strong>de</strong>n weit<br />

nach hinten erstreckt, bei Limax etwa nur bis an das mittlere<br />

Drittheil <strong>de</strong>s Rumpfes, bei <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten bis an<br />

das hintere En<strong>de</strong> <strong>de</strong>sselben. Von <strong>de</strong>n Hautbe<strong>de</strong>ckungen <strong>de</strong>s<br />

Rumpfes ist <strong>de</strong>r Mantel durch eine ringförmige Furche, durch<br />

die sogenannte Mantelfurche, geschie<strong>de</strong>n. Da, wo Mantel<br />

und Fuss durch Grösse und Entwicklung sich auszeichnen,<br />

liegt diese Falte in <strong>de</strong>r Circumferenz <strong>de</strong>s Leibes. Die Rän<strong>de</strong>r<br />

von Fuss und Mantel stossen in diesem Fall unmittelbar<br />

auf einan<strong>de</strong>r, so dass die eigentlichen einfachen Hautbe<strong>de</strong>ckungen<br />

nur im Grun<strong>de</strong> jener Falte sichtbar wer<strong>de</strong>n. ., Der<br />

ganze Rumpf ist dann, gewissermassen wie bei <strong>de</strong>n Schildkröten<br />

von <strong>de</strong>m Rücken- und Bauchschil<strong>de</strong>, so hier von <strong>de</strong>m<br />

1) Bei <strong>de</strong>n Landschnecken ist die Zahl <strong>de</strong>r Antennen verdoppelt. Die hintern<br />

tragen die Augen, wie bei <strong>de</strong>n Podophthalmen. In<strong>de</strong>ssen hat man, wie es mir<br />

scheint, nicht diese grössere Zahl <strong>de</strong>r Antennen als die Normalzahl bei <strong>de</strong>n<br />

Mollusken anzusehen. Sie erscheint vielmehr als eine individuelle Abweichung,<br />

bedingt durch die selbstständige Entwicklung <strong>de</strong>s Ommotophorum, eines Gebil­<br />

<strong>de</strong>s , welches sonst mit <strong>de</strong>n Fühlern mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r innig verschmolzen ist,<br />

und nur in seltenen Fällen vollkommen fehlt, wie hei Doris, Aplysia u. s. w.<br />

Man vergl. hierüber die interessanten Angaben von Loven in Oken's Isis. 1842.<br />

S. 363. *•


140<br />

Mantel und <strong>de</strong>m Fuss umschlossen, zwischen <strong>de</strong>nen in <strong>de</strong>r<br />

Mittellinie <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rleibes nur <strong>de</strong>r Kopf nach aussen vorragt.<br />

Ueber das morphologische Verhältniss und die Be<strong>de</strong>utung<br />

<strong>de</strong>r erwähnten Theile giebt die Entwicklungsgeschichte<br />

uns Aufschluss. Wo die Bildungsvorgänge <strong>de</strong>s Embryo in<br />

<strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n, wie es scheint, am einfachsten<br />

sind und auch am genauesten beobachtet wer<strong>de</strong>n konnten,<br />

bei <strong>de</strong>n Pulmonaten z.B. bei Limax 1 ), entstehen auf <strong>de</strong>r<br />

Dotterkugel, nach<strong>de</strong>m dieselbe durch <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Zerklüftung<br />

zur Ausscheidung <strong>de</strong>r ersten embryonalen Gebil<strong>de</strong><br />

befähigt ist, im Anfang zwei neben o<strong>de</strong>r vielmehr über einan<strong>de</strong>r<br />

gelegene Wülste, von <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r untere, <strong>de</strong>r Bauchwulst,<br />

sich allmählig zu einem ganz ansehnlichen zungenförmigen<br />

Anhang <strong>de</strong>r Dotterblase auszieht und in <strong>de</strong>n Fuss<br />

metamorphosirt 2 ), Noch ehe die weitere Entwicklung dieses<br />

Bauchwulstes eingetreten ist, erheben sich an <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>m<br />

Grenze <strong>de</strong>sselben, wo er <strong>de</strong>r untern Fläche <strong>de</strong>r Dotterkugel<br />

anliegt, die bei<strong>de</strong>n Lippenwülste, zwei seitliche Hervorra-<br />

- gungen, welche bei <strong>de</strong>n Limacinen an Grösse sehr weit hinter<br />

<strong>de</strong>m Fuss zurückbleiben. Vor ihnen, mehr <strong>de</strong>r Scheitelfläche<br />

zugewandt, sprossen später die bei<strong>de</strong>n Antennenpaare<br />

hervor 5 ), während die Lippenwülste selbst allmählig immer<br />

mehr in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Bauches einan<strong>de</strong>r entgegenwachsen.<br />

Der oberhalb <strong>de</strong>s Fusses gelegene Rückenwulst<br />

1) Van Bene<strong>de</strong>n et Windischmann in Müller's Arch. 1841. S. 176.<br />

2) Das hintere En<strong>de</strong> dieses Anhanges wird bei <strong>de</strong>n Limacinen zu einem eigen-<br />

thümlichen conlractilen Gebil<strong>de</strong>, zu <strong>de</strong>r sogenannten Schwanzblase, die übri­<br />

gens im Laufe <strong>de</strong>r Entwicklung allmählig wie<strong>de</strong>rum schwin<strong>de</strong>t, und auch, wie<br />

es scheint, nirgends an<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n Mollusken weiter vorkommt. Ihre morpho­<br />

logische Be<strong>de</strong>utung ist daher gewiss nur sehr untergeordneter Art — ein Ver­<br />

hältniss, welches mich auch bestimmt hat, das betreffen<strong>de</strong> Gebil<strong>de</strong> in obiger<br />

Darstellung <strong>de</strong>r Entwicklung ausser Acht zu lassen.<br />

3) Nach <strong>de</strong>r Darstellung von Van Bene<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n diese mit <strong>de</strong>n spätem Lippen<br />

aus einer Theilung <strong>de</strong>r primitiven Lippenwülste ihren Ursprung nehmen. Dass<br />

<strong>de</strong>m aber wirklich so sei, möchte ich <strong>de</strong>sshalb bezweifeln, weil hei <strong>de</strong>n übri­<br />

gen Mollusken die Bildung <strong>de</strong>r Antennen offenbar eine selbstsländigc ist. Bei<br />

<strong>de</strong>n Limacinen möchte wegen <strong>de</strong>r geringen Grösse <strong>de</strong>r Lippenwülste eine <strong>de</strong>rartige<br />

Täuschung in <strong>de</strong>r Beobachtung leicht möglich sein.


141<br />

überwölbt allmählig nach <strong>de</strong>m Kopfe zu die Dotterkugel und<br />

wird zum Mantel. Noch eine Zeit lang ragt <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r<br />

Dotlerkugel, von <strong>de</strong>n Hautbe<strong>de</strong>ckungen <strong>de</strong>s Embryo umschlossen,<br />

wie ein Bruchsack zwischen Kopf und Rückenschild<br />

hervor. Erst allmählig wird <strong>de</strong>rselbe durch die weitere<br />

Entwicklung jener Decken nach innen in die Leibeshöhle<br />

zurückgedrängt•)', wo er dann zur Bildung <strong>de</strong>r Eingewei<strong>de</strong>,<br />

beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Leber, verbraucht wird.<br />

Die Gymnobranchiaten, so wie die Pomalobranchiaten<br />

u. s. w. zeigen in ihrer Entwicklung einzelne Abweichungen<br />

von <strong>de</strong>n eben geschil<strong>de</strong>rten Vorgängen. In<strong>de</strong>ssen beruhen<br />

solche nicht etwa auf einer wirklichen Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r<br />

in Anwendung gezogenen morphogenetischen Prozesse, son<strong>de</strong>rn<br />

vielmehr bloss auf einem differenten Verhältniss in <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung und Ausbildung <strong>de</strong>r gestallbedingen<strong>de</strong>n Elemente.<br />

Lippenwülste, Fuss und Mantel sind auch bei ihnen, ganz<br />

wie bei <strong>de</strong>n Limacinen, die wichtigsten morphologischen<br />

Factoren, die hauptsächlichsten Träger <strong>de</strong>r Entwicklung und<br />

<strong>de</strong>r Form. Dass aber dieselben in ihrer ersten Gestaltung<br />

so auffallend von <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Theilen jener Pulmonaten<br />

sich unterschei<strong>de</strong>n, möchte wohl kaum aus <strong>de</strong>r spätem<br />

Uebereinstimmung <strong>de</strong>rselben zu erschliessen sein. Nur<br />

die manchfachen grösseren Schwankungen in <strong>de</strong>r formellen<br />

Erscheinung dieser Theile bei <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten u. s. w.<br />

könnten vielleicht schon a priore uns einen <strong>de</strong>rartigen Unterschied<br />

vermuthen lassen, wenn an<strong>de</strong>rs wir von vorn herein<br />

zu <strong>de</strong>r Annahme berechtigt wären, dass diese Verschie<strong>de</strong>nheiten<br />

unmittelbar nach <strong>de</strong>n Gesetzen <strong>de</strong>r Bildungshemmung<br />

u. s. w. aus einer cyclischen Reihe embryonaler Entwicklungsvorgänge<br />

resultirten. Die Beobachtung hat nun<br />

allerdings die Statthaftigkeit einer solchen Vermuthung nachgewiesen.<br />

Wir wissen, dass die vollen<strong>de</strong>te Form <strong>de</strong>r be-<br />

1) Bei <strong>de</strong>n beschälten Pulmonaten wird dieser Bruchsack nicht zurückgedrängt.<br />

Er wächst sogar noch weiter, wird von <strong>de</strong>m Mantel überwölbt, und bil<strong>de</strong>t<br />

dann grösstentheils <strong>de</strong>n ansehnlichen, im Innern <strong>de</strong>r Schale gelegenen Theil <strong>de</strong>s<br />

Rumpfes mit <strong>de</strong>r Eingewei<strong>de</strong>masse.


142<br />

treffen<strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n nicht unmittelbar und auf gera<strong>de</strong>m<br />

Wege sich entwickelt, son<strong>de</strong>rn das Product einer Metamorphose<br />

ist.<br />

An <strong>de</strong>r Bauchfläche <strong>de</strong>r zur Ausscheidung <strong>de</strong>s Embryo<br />

nach <strong>de</strong>r Durchsuchung befähigten Dotterkugel bil<strong>de</strong>n sich<br />

auch bei <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten i) die Lippenwulste und <strong>de</strong>r<br />

Fuss, ganz eben so zu einan<strong>de</strong>r gelagert, wie es bei Limax<br />

<strong>de</strong>r Fall ist. Dadurch aber unterschei<strong>de</strong>n sie sich von <strong>de</strong>n<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Theilen dieser letztern Gasteropo<strong>de</strong>, dass<br />

nicht <strong>de</strong>r Fuss durch Wachsthum und Entwicklung sich auszeichnet,<br />

während die Lippenwülste nur rudimentär 2 ) bleiben,<br />

son<strong>de</strong>rn umgekehrt die letztern zu einer sehr mächtigen<br />

Grösse gelangen, und <strong>de</strong>r Fuss beträchtlich hinter ihnen<br />

zurücksteht 3 ). Die Lippenwülste nämlich entwickeln sich zu<br />

zweien grossen flügelförmigen Lappen (zu <strong>de</strong>m sogenannten<br />

Segel), an <strong>de</strong>ren freiem, abgerun<strong>de</strong>tem Ran<strong>de</strong> eine Reihe<br />

langer und kräftiger Cilien hervorwächst. So lange diese<br />

Lippen- o<strong>de</strong>r Kopfwülsle ihre anfängliche Grösse und Entwicklung<br />

behalten, bleibt <strong>de</strong>r Fuss ein kurzer, zungenförmiger<br />

Anhang an <strong>de</strong>r Bauchfläche <strong>de</strong>s Dotters, <strong>de</strong>r inzwischen<br />

1) Vergl. beson<strong>de</strong>rs v. Nordmann, Versuch einer Monographie <strong>de</strong>s Tergipes Ed-<br />

wardsii. St. Petersburg 1843. S. 82 ff , und Vogt in <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s sciens.<br />

nat, 1846. T. VI. Sur l'embryologie <strong>de</strong>s Mollus. gasterop.<br />

2) Dass die Lippenwülste <strong>de</strong>r Pulmonaten morphologisch <strong>de</strong>n Segellappen <strong>de</strong>r übri­<br />

gen Gasteropo<strong>de</strong>n entsprechen, scheint mir beson<strong>de</strong>rs durch das übereinstimmen<strong>de</strong><br />

Verhältniss, in welchem dieselben zum Fusse stehen, erwiesen. Auch braucht<br />

man z. B. nur die Abbildungen dieser Gebil<strong>de</strong> von Limax bei Van Bene<strong>de</strong>n<br />

(I. c Tab. VII. Fig. 28. 31.) zusammenzuhalten mit <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Zeich­<br />

nungen von Tergipes bei Nordmann (1. c. Tab. IV. Fig. 26. 27.), um sogleich<br />

allen etwaigen Zweifel darüber zu verlieren.<br />

3) Auch fin<strong>de</strong>t sich vielleicht in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Entstehung ein Unterschied, in<strong>de</strong>m,<br />

wie es scheint, — abweichend von Limax — öfter die Lippenwülste früher, als<br />

<strong>de</strong>r Fuss sich bil<strong>de</strong>n, und auch früher als <strong>de</strong>r Mantel. Wie es mir scheint,<br />

reichen übrigens im Augenblick die vorliegen<strong>de</strong>n Beobachtungen noch nicht voll­<br />

kommen zur Entscheidung dieses Verhältnisses hin. In<strong>de</strong>ssen ist jener Unterschied,<br />

wenn er auch wirklich sich bestätigen sollte, schwerlich von grosser Be<strong>de</strong>u­<br />

tung. Sehen wir doch auch z. B. bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Bildungszeit ver­<br />

schie<strong>de</strong>ner morphologischer Elemente manche nicht unbeträchtliche Differenzen<br />

bei <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Arten.


143<br />

mit einem schalentragen<strong>de</strong>n l ) Mantel sich versehen hat und<br />

dadurch zum Rumpfe gewor<strong>de</strong>n ist. Dieser letztere bil<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>n beträchtlichem Theil <strong>de</strong>s Leibes, die ganze obere und<br />

hintere Masse <strong>de</strong>s Körpers. Er be<strong>de</strong>ckt nicht bloss, wie bei<br />

<strong>de</strong>n Limacinen und <strong>de</strong>n übrigen Pulmonaten, welche nach<br />

<strong>de</strong>mselben Schema sich entwickeln, die Rückseite <strong>de</strong>s Fusses,<br />

son<strong>de</strong>rn ragt auch nach hinten darüber hervor und hilft<br />

somit <strong>de</strong>nn zugleich die Bauchfläche <strong>de</strong>s Körpers bil<strong>de</strong>n.<br />

Im Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung aber än<strong>de</strong>rt sich dieses Verhältniss.<br />

Die zarte Conchylie geht bei <strong>de</strong>n Nacktschnecken<br />

verloren. Die Lappen <strong>de</strong>r Lippenwülste schwin<strong>de</strong>n allmählig,<br />

und <strong>de</strong>r Fuss nimmt an Grösse zu. Er wächst nach<br />

hinten und nach <strong>de</strong>n Seiten, und wird zu einer ansehnlichen<br />

muskulösen Scheibe. In gleichem Verhältniss wird <strong>de</strong>r Rumpf<br />

allmählig von <strong>de</strong>r Bauchfläche nach <strong>de</strong>m Rücken zu emporgehoben.<br />

Er hört auf, an <strong>de</strong>r Bildung jenes Abschnittes<br />

ferner Theil zu nehmen und bekommt eine Lage, wie bei<br />

Limax u. s. w. Die ganze Bauchfläche <strong>de</strong>s Körpers ist jetzt<br />

vom Fusse gebil<strong>de</strong>t, während <strong>de</strong>r vom Mantel über<strong>de</strong>ckte<br />

Rumpf die Rückenfläche <strong>de</strong>s Körpers darstellt.<br />

Auf ganz analoge Weise geht die Entwicklung und allmählige<br />

Ausbildung <strong>de</strong>s Körpers bei <strong>de</strong>n Ctenobranchiaten<br />

und überhaupt, wie es scheint, bei <strong>de</strong>n meisten übrigen<br />

Gasteropo<strong>de</strong>n (auch bei <strong>de</strong>n Cyclobranchialen?) vor sich.<br />

Auch diese zeichnen sich während <strong>de</strong>r frühem Embryonalzustän<strong>de</strong><br />

durch die Existenz zweier ansehnlicher Kopflappen<br />

(<strong>de</strong>s Segels) aus. Darin aber unterschei<strong>de</strong>n sie sich von <strong>de</strong>n<br />

Nacktschnecken, dass bei ihnen theils <strong>de</strong>r Fuss zu <strong>de</strong>m<br />

Rumpfe beständig eine Relation hat, wie bei <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten<br />

nur in <strong>de</strong>n frühem Stadien <strong>de</strong>r Entwicklung,<br />

theils auch die Conchylie nicht verloren geht, son<strong>de</strong>rn bleibt<br />

und an Festigkeit und Grösse zunimmt.<br />

1) Auch hei Limax trägt bekanntlich <strong>de</strong>r Mantel eine Schale, nur ist dieselbe hier<br />

nicht äusserlich gelegen, son<strong>de</strong>rn eingebettet in die Substanz <strong>de</strong>s Mantels. Helix,<br />

Limnaeus u. s. w. besitzen dagegen eine äussere Schale, die, wie bei <strong>de</strong>n<br />

Gymnobranchiaten, schon frühe sich entwickelt.


144<br />

Der Mutterbo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Conchylie ist <strong>de</strong>r Mantel. Wie<br />

dieselbe Anfangs dadurch entsteht, dass die äussere Schicht<br />

<strong>de</strong>r Embryonalzellen auf <strong>de</strong>m Rumpfe eine eigenthümliche,<br />

selbstständige Entwicklung durchläuft, so wächst dieselbe<br />

späterhin durch Apposition eines von <strong>de</strong>m Mantel gelieferten<br />

kalkreichen Secretes. Wo diese Apposition, wie in <strong>de</strong>n meisten<br />

Fällen, nicht an allen Stellen gleichförmig geschieht,<br />

son<strong>de</strong>rn vorzugsweise an <strong>de</strong>r einen Seite, da muss allmählig<br />

jene eigenthümliche, spiralig gewun<strong>de</strong>ne Form entstehen,<br />

die das Gehäuse <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n bekanntlich darbietet.<br />

Natürlich hat solcher Wachsthum <strong>de</strong>n grössten Einfluss auf<br />

die Bildung <strong>de</strong>s im Innern <strong>de</strong>r Schale von <strong>de</strong>m Mantel umschlossenen<br />

Rumpfes. In<strong>de</strong>ssen haben diese Verhältnisse für<br />

unsere Betrachtungsweise eine geringere Be<strong>de</strong>utung. Selbst<br />

in <strong>de</strong>r zoologischen Systematik verdienen dieselben gewiss<br />

lange nicht jene ausschliessliche o<strong>de</strong>r vorzugsweise Beachtung,<br />

die man ihnen so vielfach beigelegt hat.<br />

Als ein Gesetz von ziemlich allgemeiner Gellung scheint<br />

sich herauszustellen, dass <strong>de</strong>r Mantel am Körper <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n<br />

um so beträchtlicher entwickelt ist und einen um<br />

so grössern Theil <strong>de</strong>s Rumpfes be<strong>de</strong>ckt, als Fuss und Lippenwülste<br />

an Be<strong>de</strong>utung und Ausbildung zurücktreten. Schon<br />

hierin ist ein bestimmter Gegensatz zwischen <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n<br />

Gebil<strong>de</strong>n unverkennbar ausgesprochen. Auf <strong>de</strong>r einen<br />

Seite steht <strong>de</strong>r Rumpf mit seiner Be<strong>de</strong>ckung, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn<br />

Fuss und Lippenwülste. Diese letztern Theile bil<strong>de</strong>n ein zusammengehören<strong>de</strong>s,<br />

bis zu einem gewissen Punkte selbstständiges<br />

System, welches zu <strong>de</strong>m Rumpfe, auf <strong>de</strong>ssen Kosten<br />

es an Ausbildung zunimmt, nach seiner allgemeinsten<br />

Be<strong>de</strong>utung in <strong>de</strong>mselben Verhältniss steht, wie ein A.nhangsgebil<strong>de</strong><br />

zu seinem Hauptorgane. Fuss und Lippenwülste bil<strong>de</strong>n<br />

in ihrem Zusammenhange <strong>de</strong>n Vo r<strong>de</strong>rk ürper <strong>de</strong>r<br />

Mollusken, <strong>de</strong>r Rumpf mit <strong>de</strong>m Mantel <strong>de</strong>n Hinterkörper.<br />

Dass Fuss und Segel wirklich zusammengehören, ergiebt<br />

sich theils aus <strong>de</strong>m anatomischen Verhältniss, in welchem<br />

sie zu einan<strong>de</strong>r stehen (wie wir weiter unten sehen wer<strong>de</strong>n,


145<br />

verwachsen sie sogar mitunter), theils auch aus <strong>de</strong>r Art ihrer<br />

Entwicklung. Sie gehen von einem gemeinschaftlichen Centralpunkte<br />

aus, <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bauchfläche<br />

<strong>de</strong>s Rumpfes gelegen ist. Von hier wachsen die Segel nach<br />

aussen und oben, während <strong>de</strong>r Fuss nach hinten sich verlängert.<br />

*)<br />

Mit dieser Entwicklungsweise steht es im Einklang, dass<br />

<strong>de</strong>r Fuss überall, wo er eine nur geringere Länge erreicht,<br />

in seinem hintern Theile, niemals in seinem vor<strong>de</strong>m, rudimentär<br />

wird und fehlt. In <strong>de</strong>mselben Maass aber, wie <strong>de</strong>r<br />

Fuss nach vorn zurückweicht, wird die Bauchfläche <strong>de</strong>s Hinterleibes<br />

frei und von <strong>de</strong>m Mantel umwölbt, wie es während<br />

<strong>de</strong>r Embryonalperio<strong>de</strong> auch bei <strong>de</strong>n Nacktkiemern sich vorfin<strong>de</strong>t.<br />

Sehr <strong>de</strong>utlich ist dieses Verhältniss z. B. bei Bullaea.<br />

Der Mantel überzieht hier, wie eine glockenförmige Hülle,<br />

die ganze hintere Körperhälfte, in<strong>de</strong>m er von <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>s<br />

Hinterleibes an allen Seiten sich nach vorn erstreckt, wenngleich<br />

auf <strong>de</strong>r Rückenfläche weiter, als am Bauche. Ueberhaupt<br />

liegt auch sonst fast überall <strong>de</strong>r Mantel weit mehr<br />

am hintern Leibesen<strong>de</strong>, als am vor<strong>de</strong>m. Bei Limax ist das<br />

Verhältniss allerdings ein an<strong>de</strong>res, doch vielleicht nur <strong>de</strong>sshalb,<br />

weil nirgends sonst die Bildung <strong>de</strong>r hintern Leibeshälfte<br />

so sehr durch die übermässige Entwicklung <strong>de</strong>s Fusses<br />

hervorgerufen wird, als hier. Auch dadurch zeichnet<br />

sich Limax aus, dass bei ihr nicht, wie gewöhnlich, <strong>de</strong>r<br />

ganze Rumpf vom Mantel be<strong>de</strong>ckt wird, son<strong>de</strong>rn nur ein verhältnissmäsig<br />

kleiner Abschnitt <strong>de</strong>sselben (was auch bei Firola<br />

u. s. w. <strong>de</strong>r Fall ist).<br />

An Bullaea schliessen sich durch die Anordnung <strong>de</strong>s<br />

Mantels Clio, Pneumo<strong>de</strong>rmon u. a. nackte Pteropo<strong>de</strong>n. Bei<br />

diesen aber überzieht <strong>de</strong>r Mantel einen noch weit grös-<br />

1) Nach dieser eigenthümlichen Entwicklungsweise <strong>de</strong>s Fusses bei <strong>de</strong>n Mollusken<br />

muss ich dieAnsicht von v. Baer (Nov. Act. AcacL Leopold. Vol. XIII. p. 546.)<br />

als unrichtig bezeichnen, dass <strong>de</strong>r Fuss <strong>de</strong>r Schnecken <strong>de</strong>r Saugscheibe <strong>de</strong>r<br />

Tremato<strong>de</strong>n entspräche, obgleich in einzelnen Fällen die anatomische Anordnung<br />

eine grosse Aehnlichkeit zwischen bei<strong>de</strong>n darbietet.<br />

10


146<br />

sern J ) Theil <strong>de</strong>s Leibes. Die einfachen Hautbe<strong>de</strong>ckungen <strong>de</strong>s<br />

Rumpfes sind nirgends mehr sichtbar. Mantel, Fuss und Segel<br />

umhüllen <strong>de</strong>n ganzen Körper. In <strong>de</strong>r Regel bleibt übrigens<br />

zwischen Mantel und Fuss noch ein Theil jener einfachen<br />

Haut<strong>de</strong>cke übrig. So beson<strong>de</strong>rs am Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ringförmigen<br />

Furche im Umkreis <strong>de</strong>s Mantelran<strong>de</strong>s, in <strong>de</strong>r sogenannten<br />

Mantelfurche.<br />

Schon oben ist gezeigt wor<strong>de</strong>n, wie die Bildung <strong>de</strong>r<br />

Kiemenhöhle bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n auf einer blossen Weiterentwicklung<br />

dieser Furche zu einer Höhle beruhe, die zwischen<br />

<strong>de</strong>m Mantel und <strong>de</strong>m Eingewei<strong>de</strong>sack sich hinerstreckt.<br />

Sie entsteht, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Rand <strong>de</strong>s Mantels 2 ) durch seinen<br />

excessiven Wachsthum die ursprünglichen Hüllen <strong>de</strong>s Leibes<br />

überwölbt, ohne damit zu einer gemeinschaftlichen Masse<br />

zu verschmelzen. Im Zusammenhang mit <strong>de</strong>r gewöhnlichen<br />

Lage <strong>de</strong>s Mantels am hintern Körperen<strong>de</strong> und <strong>de</strong>m allmähligen<br />

Wachsthum <strong>de</strong>sselben nach <strong>de</strong>r Peripherie, beson<strong>de</strong>rs<br />

aber nach vorn, scheint es zu stehen, dass die Kiemenhöhle<br />

meistens unter <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>m Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>sselben, auf <strong>de</strong>m Nacken,<br />

sich vorfin<strong>de</strong>t.<br />

Trotz aller Verschie<strong>de</strong>nheiten in <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

Mantels aber müssen wir überall die Ruckenfläche <strong>de</strong>s Rumpfes<br />

als die Mutterstätte dieses Gebil<strong>de</strong>s ansehen. Niemals<br />

liegt <strong>de</strong>rselbe allein auf <strong>de</strong>r Bauchseite, wohl aber häufig<br />

allein auf <strong>de</strong>m Rücken, wenngleich vorzugsweise, wie gesagt,<br />

<strong>de</strong>m hintern Leibesen<strong>de</strong> zugewandt.<br />

An<strong>de</strong>rs dagegen ist es mit <strong>de</strong>m Fusse. Nicht bloss, dass<br />

<strong>de</strong>rselbe beständig an <strong>de</strong>r Bauchfläche 3 ) gelegen; er erstrekt<br />

1) Mit Unrecht behauptet Cuvier bei Clio die Abwesenheit eines Mantels. Die<br />

Analogie mit <strong>de</strong>n verwandten Thieren zeigt ganz <strong>de</strong>utlich, dass wir die ganze<br />

Umhüllung <strong>de</strong>s Hinterleibes als solchen <strong>de</strong>uten müssen.<br />

2) Wo <strong>de</strong>r Mantel von einer Conchylie über<strong>de</strong>ckt ist, erscheint er unter dieser<br />

überall nur sehr zarthäutig und durchscheinend; ein Verhältniss, das auch da<br />

an <strong>de</strong>n äussern Leibeshüllen sich wie<strong>de</strong>rholt, wo diese, wie in <strong>de</strong>r Kiemenhöhle,<br />

von einer Verlängerung <strong>de</strong>s Mantelran<strong>de</strong>s überlagert sind.<br />

3) Aus diesem Grun<strong>de</strong>, glaube ich, ist für die vorliegen<strong>de</strong> Abtheilung <strong>de</strong>r Mollusken<br />

<strong>de</strong>r Cuviersche Name Gasteropoda immer noch bezeichnend genug, selbst


147<br />

sich auch niemals über die Seitentheile <strong>de</strong>s Leibes empor<br />

bis auf <strong>de</strong>n Rücken, mag seine Grösse noch so be<strong>de</strong>utend,<br />

seine Anordnung noch so verschie<strong>de</strong>n sein. Es kann übrigens<br />

hier nicht in unserm Zwecke liegen, alle die zahlreichen<br />

Modificatiorien in <strong>de</strong>r Form dieses Gebil<strong>de</strong>s namhaft zu<br />

machen. Es genüge die Bemerkung, dass es bald breit und<br />

scheibenförmig, bald schmal und cylindrisch, bald lang, bald<br />

kurz sein könne, dass es bald seiner ganzen Länge nach<br />

<strong>de</strong>r Bauchfläche <strong>de</strong>s Hinterleibes verschmolzen, bald nur mit<br />

seiner vor<strong>de</strong>m Basis dicht hinter <strong>de</strong>m Kopfe angeheftet sei<br />

(wie z.B. bei <strong>de</strong>n Ctenobranchiaten). —Einer beson<strong>de</strong>rn Betrachtung<br />

bedarf übrigens <strong>de</strong>r Fuss noch in <strong>de</strong>njenigen Fällen,<br />

wo er durch eine sehr ungewöhnliche Entwicklung sich<br />

auszeichnet und zum Kriechen untauglich gewor<strong>de</strong>n ist. So<br />

bei <strong>de</strong>n Heteropo<strong>de</strong>n. Hier ist er durch seitliche Compression<br />

in eine kielförmige Flosse verwan<strong>de</strong>lt, die in <strong>de</strong>r Medianlinie<br />

<strong>de</strong>s Bauches hinter <strong>de</strong>m Kopfen<strong>de</strong> sich befestigt.<br />

So wenigstens in seinem vor<strong>de</strong>m grössern Theile. An <strong>de</strong>m<br />

hintern Ran<strong>de</strong> dagegen hat ein kleiner Theil <strong>de</strong>s Fusses durch<br />

eine Querfurche sich abgeschie<strong>de</strong>n und selbstständig sich in<br />

einen förmlichen Saugnapf metamorphosirt. Einigermaassen<br />

eine ähnliche Anordnung besitzt <strong>de</strong>r Fuss schon bei Dentalium,<br />

wo er einen kurzen, unterhalb <strong>de</strong>s Kopfes nach vorn hervorragen<strong>de</strong>n,<br />

cylindrischen o<strong>de</strong>r rüsselförmigen Fortsatz bil<strong>de</strong>t.<br />

Völlig verschie<strong>de</strong>n von dieser Form ist die Anordnung<br />

<strong>de</strong>s Fusses bei <strong>de</strong>n Pteropo<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong> die Entwicklung<br />

nach <strong>de</strong>n Seiten hin ist es hier, die ihn auszeichnet<br />

und in zwei lappenartige Flossen verwan<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>ren morphologische<br />

Be<strong>de</strong>utung zuerst von Blainville richtig erkannt 1 )<br />

ist. Die Umbildung <strong>de</strong>s Fusses in vorstehen<strong>de</strong>r Weise be-<br />

wenn man, wie es geschehen muss, die Heleropoda und Pteropoda damit vereinigt.<br />

Mit <strong>de</strong>r Bezeichnung novg wird hier, ganz abgesehen von <strong>de</strong>r etwai­<br />

gen Form, überall ein gleicher und ganz bestimmter morphologischer Abschnitt<br />

hervorgehoben und benannt.<br />

1) Cuvier hielt die Flossen <strong>de</strong>r Pteropo<strong>de</strong>n (wenigstens bei Clio u. s. w.) für<br />

Respirationsorgane.<br />

10*


148<br />

ginnt übrigens schon bei <strong>de</strong>n Pomatobranchiaten, die überhaupt<br />

in ihrem ganzen Bau <strong>de</strong>n Pteropo<strong>de</strong>n so nahe stehen,<br />

dass es schwer ist, in manchen Fällen die Grenze zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n festzustellen. Schon bei Bullaea sehen wir, wie die<br />

hintere Hälfte <strong>de</strong>s Fusses seitlich sich ausbreitet und nach<br />

aussen über <strong>de</strong>n Mantel in einer schmalen flossenförmigen<br />

Falte hervorragt. Bei Gasteropteron geht diese Anordnung<br />

noch weiter. Der Fuss metamorphosirt sich in eine rundliche,<br />

palte Scheibe, die nur am vor<strong>de</strong>m En<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Medianlinie,<br />

wo sie die Mundöffnung trägt, mit <strong>de</strong>m Körper<br />

zusammenhängt, sonst aber völlig frei ist und beson<strong>de</strong>rs seitlich<br />

<strong>de</strong>n Rumpf weit überragt. Ganz ähnlich erscheint die<br />

Anordnung <strong>de</strong>s Fusses bei Tie<strong>de</strong>mannia, so wie auch bei<br />

Cymbulia, nur dass bei letzterer <strong>de</strong>r Eingewei<strong>de</strong>sack in seiner<br />

ganzen Länge auf <strong>de</strong>r Fussscheibe befestigt ist, und dieser<br />

<strong>de</strong>nn somit unter <strong>de</strong>r Gestalt zweier breiter Längsflossen<br />

auftritt, die in <strong>de</strong>r Mittellinie <strong>de</strong>s Bauches unter sich und<br />

mit <strong>de</strong>m eigentlichen Körper zusammenhängen. In an<strong>de</strong>rn<br />

Pteropo<strong>de</strong>n verkümmert allmählig von hinten an <strong>de</strong>r mittlere<br />

Theil <strong>de</strong>s Fusses, so dass vorzugsweise nur noch die bei<strong>de</strong>n<br />

seitlichen Flossen übrig bleiben, zwischen <strong>de</strong>nen dann <strong>de</strong>r<br />

Leib hervorragt. Schon bei Bullaea ist ein <strong>de</strong>rartiges Verhältniss<br />

ange<strong>de</strong>utet. Noch auffallen<strong>de</strong>r wird es bei Hyalaea,<br />

wo <strong>de</strong>r hintere Rand <strong>de</strong>s Fusses in <strong>de</strong>r Mittellinie weit ausgeschnitten<br />

ist, während die seitlichen Theile, wie ein Paar<br />

Flügel, neben <strong>de</strong>r Mundüffnung liegen. Immer aber lässt<br />

auch hier noch hinter <strong>de</strong>r Mundöffnung sich eine freilich nur<br />

schmale Platte unterschei<strong>de</strong>n, die eine mittlere Commissur<br />

zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Seitenlappen bil<strong>de</strong>t und an ihrem hintern<br />

freien Ran<strong>de</strong> nach vorn umgebogen ist. Ganz ähnlich<br />

bei Limacina, nur haben hier die seitlichen Flügel sowohl,<br />

als auch <strong>de</strong>r ßauchtheil <strong>de</strong>s Fusses eine abweichen<strong>de</strong> Form.<br />

Dieselben drei Theile ') bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Fuss bei Clio. Den milt-<br />

1) Mit Unrecht glaubte ich früher (Wagner's Zootomic II. S. 406.) nur <strong>de</strong>n Halskragen<br />

von Clio als Analogon <strong>de</strong>s Fusses ansehen zu dürfen.


149<br />

leren uupaaren Theil, <strong>de</strong>r hier allerdings eine mehr selbstständige<br />

Entwicklung besitzt, hat Eseh rieht 1 ) bei diesem<br />

Thier als ein isolirtes Gebil<strong>de</strong>, als Halskragen, beschrieben.<br />

Durch seine Lage aber, so wie durch seine Verbindung mit<br />

<strong>de</strong>n Flossen erweist er sich ganz offenbar als mittlem Fusslappen.<br />

Die eigenthümliche Form und Entwicklung <strong>de</strong>r seitlichen<br />

Flossen liesse übrigens in allen diesen Fällen vielleicht noch<br />

eine an<strong>de</strong>re Deutung zu. Vielleicht — so könnte man vermuthen<br />

— sind sie nicht wirkliche Theile <strong>de</strong>s Fusses, durch<br />

eine seitliche Ausbreitung dieses Gebil<strong>de</strong>s entstan<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />

die persistiren<strong>de</strong>n Kopfsegel <strong>de</strong>r Embryonen, zumal sie<br />

solchen hie und da, wie beson<strong>de</strong>rs bei Limacina und Hyalaea,<br />

ganz auffallend gleichen. Dann wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Fuss bei<br />

<strong>de</strong>n Pteropo<strong>de</strong>n nur sehr rudimentär sein und allein in <strong>de</strong>m<br />

mittleren Anhang zwischen jenen bei<strong>de</strong>n Flossen bestehen.<br />

Dass dieser bei Hyalaea u. s. w. mit <strong>de</strong>n Flossen zusammenhängt,<br />

möchte solcher Ansicht nicht wi<strong>de</strong>rsprechen. Immerhin<br />

könnte ja eine <strong>de</strong>rartige Verbindung, welche durch Lage<br />

und Relation <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Theile schon an sich sehr<br />

leicht möglich wird, durch die Persistenz <strong>de</strong>r Segel bedingt<br />

und hervorgerufen sein.<br />

Eine völlige Entscheidung dieser Frage wird allein auf<br />

directem Wege, durch eine Beobachtung <strong>de</strong>r Entwicklung,<br />

beigebracht wer<strong>de</strong>n können. So lange aber solche fehlt,<br />

glaube ich unbedingt gegen die Deutung <strong>de</strong>r Flossen als<br />

Kopflappen mich erklären zu müssen. Theils scheinen mir<br />

die manchfachen Uebergänge von <strong>de</strong>r gewöhnlichen Form<br />

<strong>de</strong>s Fusses bis zu dieser extremen Bildung dagegen zu sprechen,<br />

theils auch die Lagerungsverhältnisse <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n<br />

Theile bei Clio. Hier möchte die Deutung <strong>de</strong>r Flossen als<br />

Kopflappen kaum möglich sein, da dieselben nicht, wie sonst,<br />

die Mundöffnung zwischen sich nehmen, son<strong>de</strong>rn nach hinten<br />

ziemlich weit davon entfernt gelegen sind. Ueberdiess<br />

1) Anatomische Untersuchung über Clione borealis. Kopenhagen 1838. S. 3.


150<br />

glaube ich endlich noch ein an<strong>de</strong>res von <strong>de</strong>n Flossen verschie<strong>de</strong>nes<br />

Gebil<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Pteropo<strong>de</strong>n und einiger verwandten<br />

Pomatobranchiaten als Rudiment <strong>de</strong>s Segels in Anspruch nehmen<br />

zu müssen.<br />

Bei Gasteropteron erscheint dasselbe als ein freier<br />

zipfelförmiger Fortsatz (velum capitis) von dreieckiger Gestalt,<br />

<strong>de</strong>r oberhalb <strong>de</strong>r Mundöffnung vor <strong>de</strong>m Eingewei<strong>de</strong>sack (Hinterleib)<br />

gelegen ist und mit <strong>de</strong>n Seitentheilen seiner Basis<br />

die Lippen bil<strong>de</strong>t. Ich wüsste nicht, wie man an<strong>de</strong>rs diesen<br />

Anhang <strong>de</strong>uten wollte. Höchstens könnte <strong>de</strong>rselbe noch<br />

aus <strong>de</strong>r Verwachsung <strong>de</strong>r Tentakel hervorgegangen sein, die<br />

sonst unserm Thiere "•) fehlen, allein die Anordnung und<br />

beson<strong>de</strong>rs das Verhalten <strong>de</strong>rselben in an<strong>de</strong>rn Arten, namentlich<br />

bei Cymbulia, wo ausser<strong>de</strong>m ganz <strong>de</strong>utlich noch<br />

zwei Fühler vorkommen, möchte eine solche Annahme als<br />

unhaltbar erscheinen lassen. — Dass das betreffen<strong>de</strong> Gebil<strong>de</strong><br />

unpaar ist, macht in keinerlei Beziehung grosse Schwierigkeiten,<br />

Entwe<strong>de</strong>r kann es erst im Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

aus <strong>de</strong>r Verschmelzung zweier seitlichen Theile zu einem<br />

unpaaren gewor<strong>de</strong>n sein, o<strong>de</strong>r auch von Anfang an unter<br />

dieser Gestalt existirt haben. Sehen wir doch bei <strong>de</strong>n Thieren<br />

mit symmetrischem Typus gar häufig statt zwei entsprechen<strong>de</strong>r<br />

lateraler Elemente nur ein unpaares mittleres. 2 )<br />

Offenbar dasselbe Gebil<strong>de</strong> ist es, welches bei Bullaea<br />

und <strong>de</strong>n übrigen Akeraten durch seine Verwachsung mit <strong>de</strong>n<br />

äussern Haut<strong>de</strong>cken die sogenannte Nackenplatte (bouclier)<br />

bil<strong>de</strong>t. Cuvier hat bekanntlich die Entstehung dieses Ge-<br />

I) Eben so <strong>de</strong>n meisten übrigen hier in Betracht gezogenen Thieren.<br />

2) Für unsern Fall aber möchte ich eher das erstere Verhältniss supponiren. Wir<br />

sehen, dass sonst überall die Segel an <strong>de</strong>r Bauchfläche ihren Ursprung neh­<br />

men. Von da können sie erst später im Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung nach <strong>de</strong>m Rü­<br />

cken emporrücken. Wahrscheinlich wür<strong>de</strong> also ein unpaares mittleres Element,<br />

wo es die bei<strong>de</strong>n lateralen Theile ersetzt, eine gleiche Lage an <strong>de</strong>r Bauchfläche<br />

haben. In<strong>de</strong>ssen ist es noch die Frage, ob die Lage <strong>de</strong>s Segels oberhalb <strong>de</strong>s Mun­<br />

<strong>de</strong>s uns zu <strong>de</strong>r Annahme berechtigt, dass dasselbe nun auch wirklich <strong>de</strong>r Rücken­<br />

fläche angehöre? — Sahen wir doch auch schon oben bei <strong>de</strong>n Arthropo<strong>de</strong>n an<br />

<strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>rsten Ganglion <strong>de</strong>s Bauchmarkes eine analoge Collision <strong>de</strong>r morphologischen<br />

Deutung mit <strong>de</strong>r anatomischen Anordnung.


151<br />

bil<strong>de</strong>s aus einer Verwachsung von vier Tentakeln hergeleitet.<br />

In<strong>de</strong>ssen scheinen mir die vier bei Bulla ampulla vorkommen<strong>de</strong>n<br />

Randlappen dieser Platte um so weniger zur gehörigen<br />

Begründung dieser Deutung passend und hinreichend,<br />

als die Vierzahl <strong>de</strong>r Tentakel bei <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Thieren<br />

gegen alle Analogie wäre. Viel wahrscheinlicher dagegen<br />

ist mir die eben ausgesprochene Vermuthung. Eine ganz<br />

analoge Nackenplatte, nur kleiner und weniger markirt, sehe<br />

ich auch bei Hyalaea. BeiLimacina dagegen möchte ich die<br />

bei<strong>de</strong>n lippenförmigen Falten, die von <strong>de</strong>m Scheitel an <strong>de</strong>n<br />

Seitentheilen <strong>de</strong>r Mundöffnung bis zu <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>m Basis <strong>de</strong>s<br />

mittlem zungenförmigen Fusslappens hinablaufen, für entsprechen<strong>de</strong><br />

Bildungen hallen. Wie<strong>de</strong>rum abweichend ist die<br />

Anordnung dieses Theiles bei Cymbulia. Am meisten gleicht<br />

<strong>de</strong>rselbe hier noch <strong>de</strong>m entsprechen<strong>de</strong>n Kopflappen von Gasteropteron,<br />

doch ist er theils eine grössere Strecke auf <strong>de</strong>m<br />

Nacken mit <strong>de</strong>m Mantel verwachsen, theils hängt er auch<br />

seitlich mit <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>m Rän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Flossen zusammen und<br />

hilft so die Scheibe <strong>de</strong>s Fusses vervollständigen. Hierdurch<br />

wird es möglich, dass diese sich nach vorn bis über die<br />

Mundöffnung hinaus erstreckt und die letztere einschliesst.<br />

Die Grenze zwischen Kopflappen und Fuss ist aber immer<br />

noch sehr <strong>de</strong>utlich durch eine Falte bezeichnet, die von <strong>de</strong>n<br />

Mundwinkeln in einem Bogen nach oben und aussen sich<br />

hinzieht. Dicht oberhalb <strong>de</strong>r Mundöffn'ung auf <strong>de</strong>r Fläche<br />

<strong>de</strong>s Kopflappens stehen zwei kleine pfriemenförmige Hervorragungen,<br />

die Fühler. Bei Clio kann ich die bei<strong>de</strong>n kappenförmigen<br />

Falten <strong>de</strong>s Kopfes, welche seitlich zwischen <strong>de</strong>n<br />

Flossen und <strong>de</strong>r Mundöffnung liegen und die Kopfkegel<br />

umschliessen, ebenfalls nur für die metamorphosirten Lappen<br />

<strong>de</strong>s Segels halten. In Form und Anordnung gewähren<br />

sie einer solchen Deutung hinreichen<strong>de</strong> Anhaltspunkte.<br />

Die Metamorphosen <strong>de</strong>r Kopflappen bei <strong>de</strong>n übrigen Gasteropo<strong>de</strong>n<br />

hat LoviSn 1 ) zum Gegenstand einer sehr sorgfäl-<br />

1) In Oken's Isis. A. «. 0.


152<br />

ligen Untersuchung gemacht. In <strong>de</strong>n meisten Fällen, bei <strong>de</strong>n<br />

Ctenobranchiaten l ), scheinen sie im Lauf <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

vollständig verloren zu gehen. Am häufigsten fin<strong>de</strong>n sich<br />

<strong>de</strong>ren Rudimente noch bei <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten, wo dieselben<br />

unter <strong>de</strong>r Bezeichnung <strong>de</strong>s Segels bekannt sind (<strong>de</strong>ssen<br />

Theile z. B. bei Eolidia die vor<strong>de</strong>m sogenannten Tentakel<br />

bil<strong>de</strong>n). Am auffallendsten erscheinen sie bei Thetys, in <strong>de</strong>r<br />

Gestalt eines mächtigen halbkreisförmigen Schleiers, welcher<br />

<strong>de</strong>n Mund be<strong>de</strong>ckt und umgiebt und in colossaler Form <strong>de</strong>n<br />

unpaaren Kopflappen von Gasteropteron wie<strong>de</strong>rholt.<br />

Seine vollen<strong>de</strong>tste Ausbildung erreicht <strong>de</strong>r typische Bau <strong>de</strong>r<br />

Gasteropo<strong>de</strong>n bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n. Alle die einzelnen<br />

morphologischen Elemente, die bei jenen in die Bildung <strong>de</strong>s<br />

Leibes eingehen und die verschie<strong>de</strong>nen Gestaltungen <strong>de</strong>sselben<br />

bedingen, fin<strong>de</strong>n wir, wenngleich in mehrfach abweichen<strong>de</strong>r<br />

Anordnung und Entwicklung, auch hier. Die Reduction<br />

<strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Theile ist Übrigens wegen dieser<br />

Abweichungen manchen Schwierigkeiten unterworfen, obgleich<br />

durch Köllikers meisterhafte Darstellung <strong>de</strong>r Entwicklungsgeschichte<br />

dieser Thiere ein reichliches Material für<br />

ein <strong>de</strong>rartiges Unternehmen uns vorliegt. Wie wenig aber<br />

erst die morphologische Auffassung dieser so sehr interessanten<br />

Geschöpfe zu einem Abschluss gekommen sei, ergiebt<br />

sich daraus, dass selbst Kölliker 2 ) noch im Ungewissen<br />

bleiben konnte, welcher Theil bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n als<br />

Rücken, welcher als Bauch zu <strong>de</strong>uten sei.<br />

Bei einer äusserlichen Betrachtung unterschei<strong>de</strong>t man am<br />

Körper <strong>de</strong>r Cephalopo<strong>de</strong>n vornämlich zwei sehr scharf von<br />

einan<strong>de</strong>r abgesetzte Theile, einen vor<strong>de</strong>m, verhältnissmässig<br />

sehr ansehnlichen Kopf und einen dahinter gelegenen<br />

Rumpf. Der letztere wird von einem glockenförmigen, stark<br />

gewölbten Mantel beklei<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r in je<strong>de</strong>r Hinsicht, selbst<br />

durch sein Verhältniss zur Kiemenhöhle, wie oben schon er-<br />

1) Die seitlichen Lippentaster bei Murex, Harpa, so wie auch bei Eolidia hält<br />

Loven für Verlängerungen <strong>de</strong>s Fusses.<br />

2) A. a. 0, S. 170.


153<br />

wähnt ist, <strong>de</strong>m gleichnamigen Gebil<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n entspricht.<br />

Nicht in <strong>de</strong>mselben Maasse ist solches mit <strong>de</strong>m Kopfe<br />

<strong>de</strong>r Fall. Der sogenannte Kopf <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n ist eigentlich<br />

kaum mehr, als <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>re Theil <strong>de</strong>s Rumpfes, ausgezeichnet<br />

durch die an ihm befindlichen Anhänge <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rleibes.<br />

Höchstens möchte Clio in dieser Beziehung unter <strong>de</strong>n<br />

Gasteropo<strong>de</strong>n durch die Entwicklung eines förmlichen Kopfes<br />

— welcher vorzugsweise durch die Persistenz und die<br />

eigenthümliche Bildung <strong>de</strong>r Kopflappen bedingt zu sein scheint<br />

— eine Ausnahme machen. Ueberhaupt schliesst sich dieses<br />

Geschöpf durch seihe äussere Gestaltung mehr, als irgend<br />

eine an<strong>de</strong>re Schnecke, an die Cephalopo<strong>de</strong>n. Selbst die<br />

Arme <strong>de</strong>rselben fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Kopfkegeln ganz offenbar ihre<br />

morphologischen Aequivalente. Eben so zeigt <strong>de</strong>r Mantel eine<br />

gleiche mächtige Entwicklung. Nur die seitlichen Ausbreitungen<br />

<strong>de</strong>s Fusses scheinen bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n zu fehlen.<br />

Die sogenannten Flossen <strong>de</strong>r letztern, die einen ähnlichen<br />

Bau haben, erweisen sich bei näherer Untersuchung als völlig<br />

verschie<strong>de</strong>n. Sie sind blosse Ausstrahlungen o<strong>de</strong>r Duplicaturen<br />

<strong>de</strong>s Mantels, die je<strong>de</strong>r typischen Be<strong>de</strong>utung ermangeln<br />

und <strong>de</strong>nn darum auch sehr häufig, wie bei <strong>de</strong>n Octopo<strong>de</strong>n,<br />

fehlen können. Dagegen erinnert <strong>de</strong>r sogenannte Halskragen<br />

von Clio, <strong>de</strong>n ich oben als <strong>de</strong>n mittleren Lappen <strong>de</strong>s<br />

Fusses ge<strong>de</strong>utet habe, in seinen allgemeinern Verhältnissen<br />

durch Lage und selbst durch Gestalt so auffallend an <strong>de</strong>n<br />

Trichter <strong>de</strong>r Cephalopo<strong>de</strong>n, dass wir schon von vorn herein<br />

die Möglichkeit einer morphologischen Uebereinstimmung zwischen<br />

bei<strong>de</strong>n gern einräumen.<br />

Weit grössere und sicherere Anhaltspunkte und Aufschlüsse<br />

für die morphologische Deutung <strong>de</strong>s Cephalopo<strong>de</strong>nkörpers<br />

i) giebt uns die Entwicklungsgeschichte.<br />

1) Völlig haltlos und ungewiss bleibt aller immer noch die Deutung <strong>de</strong>s Körpers<br />

bei <strong>de</strong>n merkwürdigen Hectacotylusformen, welche durch die Untersuchungen von<br />

Kölliker und v. Siebold als die Männchen einiger Octopo<strong>de</strong>n erkannt sind.<br />

Der Dimorphismus ist höchst auffallend und noch abweichen<strong>de</strong>r als bei <strong>de</strong>n<br />

parasitischen Krebsen. Auch <strong>de</strong>r Umstand ist außergewöhnlich, dass bei die-


154<br />

Was bereits in <strong>de</strong>n frühesten Stadien <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

die Cephalopo<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n, wenigstens von<br />

<strong>de</strong>n bisher beobachteten Arten (ob wirklich von allen — z. B.<br />

von Clio — möchte ich fast bezweifeln) unterschei<strong>de</strong>t, ist das<br />

Verhältniss, in welchem die Embryonen zu <strong>de</strong>m Dotter stehen.<br />

Niemals umschliessen diese nämlich die ganze Dotterkugel,<br />

sie schnüren sich vielmehr im Laufe <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

davon ab, so dass <strong>de</strong>r Rest einen förmlichen äussern Anhang<br />

bil<strong>de</strong>t (wie eine Nabelblase), <strong>de</strong>r erst späterhin verloren<br />

geht. Morphologisch ist übrigens dieser Unterschied von<br />

geringem Interesse. Eben so <strong>de</strong>r Umstand, dass die Zerklüftung<br />

sich nur über einen kleinen Theil <strong>de</strong>s Dotters aus<strong>de</strong>hnt,<br />

über <strong>de</strong>njenigen nämlich, welcher zunächst <strong>de</strong>r Bildung<br />

<strong>de</strong>s Embryo bestimmt ist.<br />

Darin aber stimmen diese bei<strong>de</strong>n Gruppen <strong>de</strong>r Mollusken<br />

mit einan<strong>de</strong>r überein, dass keineswegs die ganze Oberfläche<br />

<strong>de</strong>s Leibes zu gleicher Zeit entsteht. Zuerst bil<strong>de</strong>t<br />

sich bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Mantel, anfangs ein flaches<br />

schildförmiges Gebil<strong>de</strong>, wie bei Limax. Es bezeichnet durch<br />

die Stelle seines Ursprungs <strong>de</strong>n Rücken o<strong>de</strong>r Hinterleib. Im<br />

Umfang <strong>de</strong>s Schil<strong>de</strong>s entstehen die übrigen morphologischen<br />

Elemente <strong>de</strong>s Körpers, alle gepaart, <strong>de</strong>m Mantel zunächst<br />

(wenn wir die Kiemen ausser Acht lassen) die seitlichen<br />

Schenkel <strong>de</strong>s Trichters, nach aussen davon die Kopflappen,<br />

je<strong>de</strong>rseits ein vor<strong>de</strong>rer und ein hinterer. Alle diese Gebil<strong>de</strong><br />

sind Anfangs flächenartig ausgebreitet, so dass die vor<strong>de</strong>m<br />

Kopflappen die tiefste, <strong>de</strong>r Rückenschild die höchste Stelle<br />

einnehmen. Vergleichen wir in diesem Zustan<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Embryo<br />

eines Cephalopo<strong>de</strong>n, z. B. von Sepia, wie ihn Kölliker<br />

Tab. I. Fig. XIX. o<strong>de</strong>r XX. (von oben) Fig. XXV. (von <strong>de</strong>r<br />

Seite) abgebil<strong>de</strong>t hat, mit Cymbulia o<strong>de</strong>r Hyalaea, so kann<br />

sen Cephalopo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Unterschied <strong>de</strong>s Körperbaues in bei<strong>de</strong>n Geschlechtern<br />

schon während <strong>de</strong>s Fölallebens sich hervorbil<strong>de</strong>t (nach Maravigno in <strong>de</strong>n<br />

Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1837. T. VII. p. 173.); ein Umstand, <strong>de</strong>r meines Wissens<br />

ausser<strong>de</strong>m nur noch beiNicothoe (Vergl. Rathke, Fauna Norwegens ... d. 0.<br />

S. 111.) beobachtet ist.


155<br />

eine sehr auffallen<strong>de</strong> Analogie in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s Körpers uns<br />

unmöglich entgehen. Die <strong>de</strong>m Dotter aufliegen<strong>de</strong> Fläche, die<br />

aus <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Paar Kopflappen 1 ) besteht, gleicht fast ganz<br />

vollkommen <strong>de</strong>m eigenthümlich metamorphosirtenFusse dieser<br />

Gasteropo<strong>de</strong>n. Die vor<strong>de</strong>m Kopflappen, welche äusserlich<br />

die Augen tragen und in <strong>de</strong>r Medianlinie ihres Vor<strong>de</strong>rran<strong>de</strong>s<br />

mit <strong>de</strong>m Eingang in <strong>de</strong>n Verdauungskanal, mit <strong>de</strong>r Mundöffnung,<br />

versehen sind, entsprechen in je<strong>de</strong>r Hinsicht <strong>de</strong>n<br />

Mundwülsten o<strong>de</strong>r Segelhälften, die dahinterliegen<strong>de</strong>n Kopflappen<br />

<strong>de</strong>n Seitenflossen <strong>de</strong>s Fusses. Wie bei Cymbulia sind<br />

hier bei<strong>de</strong> zu einer gemeinschaftlichen Scheibe verschmolzen,<br />

doch so, dass ihre Grenze noch eine geraume Zeit <strong>de</strong>utlich<br />

bleibt. Diese Scheibe bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rleib. In <strong>de</strong>r Furche<br />

zwischen Mantel und ihm sind die seitlichen Trichterschenkel<br />

gelegen, welche in <strong>de</strong>r Mittellinie <strong>de</strong>s Körpers oberhalb <strong>de</strong>r<br />

Mundöffnung unter sich und mit <strong>de</strong>m Schil<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rleibes<br />

verwachsen sind, die Basis <strong>de</strong>s Hinterleibes o<strong>de</strong>r Rückens<br />

(<strong>de</strong>s Mantels) ringförmig umfassen und nach hinten,<br />

wo sie die Afteröffnung zwischen sich nehmen, bis über die<br />

hintern Kopflappen hervorragen. Entsprechen nun, wie die<br />

Anordnung ganz <strong>de</strong>utlich beweist, diese letztern <strong>de</strong>n seitlichenFlossen<br />

<strong>de</strong>s Fusses bei Hyalaea, so können die Trichterschenkel<br />

nur noch <strong>de</strong>m mittleren Fusslappen analog sein, <strong>de</strong>r<br />

bei Clio <strong>de</strong>n Halskragen bil<strong>de</strong>t. Lage und Anordnung, so<br />

wie <strong>de</strong>r Zusammenhang mit <strong>de</strong>m Vor<strong>de</strong>rleibe sind dieser<br />

Deutung vollkommen gemäss. Dass sie paarig sind, spricht<br />

nicht dagegen; wir haben in diesem Verhalten nur einen<br />

neuen Beleg jenes morphogenetischen Gesetzes, wonach ein<br />

unpaares mittleres Element durch zwei entsprechen<strong>de</strong> seitliche<br />

ersetzt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

In diesem Stadium ist <strong>de</strong>r Embryo <strong>de</strong>r Cephalopo<strong>de</strong>n<br />

also vollkommen nach <strong>de</strong>m Typus <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n gebauet.<br />

Die Abweichungen davon sind kaum grösser, als sie auch<br />

sonst in <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen einzelnen Arten dieser Gruppe<br />

1) Gemäss dieser Anordnung ist auch späterhin <strong>de</strong>r Doltersack am Kopfen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

ausgebil<strong>de</strong>ten Thieres befestigt.


156<br />

vorkommen. Mantel, Fuss und Segel sind ganz <strong>de</strong>utlich vorhan<strong>de</strong>n<br />

und ohne alle wesentlichen Differenzen von <strong>de</strong>m gewöhnlichen<br />

Verhalten. Die Kopflappen (Segel und Seitentheile<br />

<strong>de</strong>s Fusses) bil<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rleib, welcher die Bauchfläche<br />

<strong>de</strong>s Körpers einnimmt. Der Hinterleib, vom Mantel<br />

be<strong>de</strong>kt, ist oberhalb <strong>de</strong>sselben auf <strong>de</strong>r Rückenfläche gelegen.<br />

Die Anwesenheit <strong>de</strong>s Mun<strong>de</strong>s bezeichnet das vor<strong>de</strong>re En<strong>de</strong>,<br />

die <strong>de</strong>s Afters das hintere En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers. Ueber die<br />

morphologische Deutung kann kaum ein Zweifel sein.<br />

Allmählig aber än<strong>de</strong>rt sich das Verhältniss. Vor<strong>de</strong>rleib<br />

und Hinterleib wachsen sehr beträchtlich, doch nicht <strong>de</strong>r<br />

Länge nach, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>m Höhendurchmesser. Die seitlichen<br />

Lappen <strong>de</strong>s Segels und Fusses, anfänglich flächenartig<br />

ausgebreitet, verwan<strong>de</strong>ln sich in <strong>de</strong>n kugligen Kopf, in <strong>de</strong>ssen<br />

unterm Pole dann <strong>de</strong>r Mund gelegen ist; <strong>de</strong>r Mantel, anfänglich<br />

nur ein flacher Schild, wird zu einer hohen Glocke,<br />

<strong>de</strong>ren untere Rän<strong>de</strong>r durch ihren übermässigen Wachsthum<br />

allmählig die seitlichen Trichterschenkel über<strong>de</strong>cken. Diese<br />

letztern endlich verwachsen mit ihren hintern En<strong>de</strong>n oberhalb<br />

<strong>de</strong>s Afters zu einem unpaaren cylindrischen Gebil<strong>de</strong>,<br />

welches späterhin allein aus <strong>de</strong>m Mantelschlitz (<strong>de</strong>r Athemöffnung)<br />

hervorragt.<br />

Bei <strong>de</strong>r morphologischen Auffassung <strong>de</strong>s Cephalopo<strong>de</strong>nkörpers<br />

können übrigens <strong>de</strong>rartige Umwandlungen die Deutung<br />

<strong>de</strong>r einzelnen Elemente nicht beeinträchtigen. Was wir<br />

im ausgebil<strong>de</strong>ten Zustan<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Kopf<br />

nennen, dieses eigenthümliche Gebil<strong>de</strong>, entsteht also aus<br />

einer Verwachsung und Metamorphose <strong>de</strong>s Segels und <strong>de</strong>r<br />

Seitentheile <strong>de</strong>s Fusses. Der Trichter entspricht <strong>de</strong>m Mittellappen<br />

<strong>de</strong>s Fusses bei <strong>de</strong>n Pteropo<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r glockenförmige<br />

Mantel <strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>ckungen <strong>de</strong>s Hinterleibes. Das eigentliche<br />

Leibesen<strong>de</strong> fällt mit <strong>de</strong>r Afteröffnung zusammen, nicht<br />

mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hinterleibes, <strong>de</strong>r morphologisch als die<br />

höchste Spitze <strong>de</strong>s Bückens zu <strong>de</strong>uten ist. Die sogenannte<br />

Rückenfläche <strong>de</strong>s Hinterleibes ergiebt sich hiernach als die<br />

vor<strong>de</strong>re aufsteigen<strong>de</strong> Fläche <strong>de</strong>s Rückens, die sogenannte


157<br />

Bauchfläche als die hintere absteigen<strong>de</strong> Fläche. Der Kopf<br />

bezeichnet das untere Leibesen<strong>de</strong>.<br />

Der sogenannte Längsdurchmesser <strong>de</strong>r Cephalopo<strong>de</strong>n von<br />

<strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>s Kopfes bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hinterleibes ist daher<br />

nicht, wie man gewöhnlich annimmt, congruent mit <strong>de</strong>m<br />

Längendurchmesser <strong>de</strong>r übrigen Thiere mit lateralem Typus.<br />

Er schnei<strong>de</strong>t vielmehr <strong>de</strong>nselben unter einem rechten Winkel;<br />

er ist <strong>de</strong>r Höhendurchmesser. Der eigentliche Längendurchmesser<br />

dagegen verläuft in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Körpers<br />

vom sogenannten Rücken nach <strong>de</strong>m sogenannten Bauch, die<br />

übrigens, wie gesagt, nur fälschlich diese Bezeichnung haben.<br />

Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n können wir <strong>de</strong>nn auch in <strong>de</strong>r<br />

Lage <strong>de</strong>s Herzens, so wie <strong>de</strong>s Genitalapparates bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n<br />

keine Abweichung von <strong>de</strong>r gewöhnlichen Anordnung<br />

bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n sehen. Sie liegen nicht, wie<br />

man bisher annahm, an <strong>de</strong>r Bauchfläche <strong>de</strong>s Körpers, son<strong>de</strong>rn,<br />

wie überall, am Rücken, nur an <strong>de</strong>r hintern absteigen<strong>de</strong>n<br />

Fläche <strong>de</strong>sselben. Selbst <strong>de</strong>r After bietet keine differente<br />

Gruppirung. Er fin<strong>de</strong>t sich, wie überhaupt bei <strong>de</strong>n<br />

meisten Geschöpfen, am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Längendurchmessers. Die<br />

Mundöffnung.befand sich anfänglich <strong>de</strong>mselben gera<strong>de</strong> gegenüber.<br />

Dass sie diese Stellung verlassen und in <strong>de</strong>r Medianlinie<br />

<strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rleibes weiter nach hinten zu gerückt ist,<br />

bis in die Mitte (in <strong>de</strong>m Mittelpunkt <strong>de</strong>s sogenannten Kopfes)<br />

fin<strong>de</strong>t in <strong>de</strong>r eigenthümlichen Umformung <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>m<br />

Kopflappen (<strong>de</strong>r Segelhälften) seine Erklärung. Schon bei<br />

Cymbulia sehen wir durch eine ähnliche Verschmelzung <strong>de</strong>r<br />

bei<strong>de</strong>n Segellappen eine analoge Lagenumän<strong>de</strong>rung. Schon<br />

hier ist <strong>de</strong>r Eingang in <strong>de</strong>n Darmkanal nach hinten gerückt,<br />

wenngleich viel weniger weit, als bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n.<br />

Die morphologischen Verhältnisse <strong>de</strong>r Cephalopo<strong>de</strong>n sind<br />

ihrerseits sehr geeignet, unsere Einsicht in <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n<br />

zu för<strong>de</strong>rn. Vor Allem bieten sie unserer Annahme<br />

von <strong>de</strong>r Relation <strong>de</strong>s Segels und Fusses einen gewichtigen<br />

Anhaltspunkt. Sie zeigen auf das <strong>de</strong>utlichste, wie<br />

diese einem gemeinschaftlichen System angehören, wie sie


158<br />

zusammen <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rkörper <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n bil<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ssen<br />

mittlere Längslinie mit <strong>de</strong>m Längendurchmesser <strong>de</strong>s Leibes<br />

zusammenfällt. Das hintere En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Fusses ist es also,<br />

welches zugleich das hintere En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers bestimmt.—<br />

Fast überall zeichnet sich übrigens, wie bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n,<br />

so auch bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Höhendurchmesser<br />

<strong>de</strong>s Leibes vor <strong>de</strong>m Längendurchmesser aus. Der höchste<br />

Punkt <strong>de</strong>s Rückens ist die Spitze <strong>de</strong>s Hinterleibes l), die bei<br />

<strong>de</strong>n gehäusetragen<strong>de</strong>n Arten in <strong>de</strong>n innersten Windungen<br />

<strong>de</strong>r Schale versteckt liegt. In <strong>de</strong>n meisten Fällen ist solches<br />

leicht ersichtlich. Da aber, wo <strong>de</strong>r Längendurchmesser <strong>de</strong>s<br />

Vor<strong>de</strong>rkörpes durch seine Kürze sich auszeichnet, ist es min<strong>de</strong>r<br />

klar. Hier (z. B. bei Bullaea, Clio u. s. w.), scheint nämlich<br />

die Spitze <strong>de</strong>s Hinterleibes mit <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Längendurchmessers<br />

zu kongruiren. In <strong>de</strong>mselben Verhältniss nämlich,<br />

in welchem <strong>de</strong>r Fuss nach vorn zurückweicht, senkt<br />

sich <strong>de</strong>r Hinterkörper, bis endlich die hintere absteigen<strong>de</strong><br />

Fläche <strong>de</strong>sselben mit <strong>de</strong>m Vor<strong>de</strong>rkörper in einer gemeinschaftlichen<br />

Ebene zu liegen kommt, und so <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r eigentliche<br />

Höhendurchmesser <strong>de</strong>sselben als eine unmittelbare Fortsetzung<br />

<strong>de</strong>s Längendurchmessers am Vor<strong>de</strong>rkörper erscheint.<br />

Die Lage <strong>de</strong>s Afters, wie <strong>de</strong>r Genitalöffnung, ist übrigens<br />

bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n keineswegs so regelmässig, wie<br />

bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n, am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Längendurchmessers.<br />

Sie fin<strong>de</strong>t sich fast immer weiter nach vorn und bietet dadurch<br />

eine Abweichung von <strong>de</strong>r gewöhnlichen Anordnung,<br />

wie sie auch bei an<strong>de</strong>rn Geschöpfen nicht selten wahrge-<br />

1) Die spiralige Anordnung <strong>de</strong>s Hinterleibes bei vielen Gasteropo<strong>de</strong>n ist sicherlich<br />

nicht unmittelbar in <strong>de</strong>n morphologischen Verhältnissen dieser Thiere begrün<strong>de</strong>t,<br />

son<strong>de</strong>rn ein Phänomen von untergeordneter Be<strong>de</strong>utung, abhängig von <strong>de</strong>m eigen-<br />

thümlichen ungleichen Wachsthum <strong>de</strong>r Schale. Schwerlich wird man daher mit<br />

..Baer (Entwicklungsgesch.I. S.2I9.) in diesem Umstand <strong>de</strong>n Typus einer eigen-<br />

thümlichen Art <strong>de</strong>r Entwicklung (evolutio contorta) sehen können. Uebrigens<br />

scheint mir auch die von Kölliker (a. a. 0. S. 174.) für die Entwicklung <strong>de</strong>r<br />

Mollusken vorgeschlagene Bezeichnung einer Evol. radiata nicht ganz passend.<br />

Sie ist aus einer einseitigen Betrachtung <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n vorkommen­<br />

<strong>de</strong>n Bildungsvorgänge entnommen. Richtiger vielleicht könnte man die Ent­<br />

wicklung dieser Geschöpfe als eine Evol. peripherica bezeichnen.


159<br />

nommen wird. Dass dieselbe übrigens unter solchen Verhältnissen<br />

nicht in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>r Bauchfläche verharren<br />

konnte, ist bei <strong>de</strong>r Anordnung <strong>de</strong>s Fusses ganz erklärlich.<br />

Die Entwicklung <strong>de</strong>s letztern musste sie von da nach <strong>de</strong>n<br />

Seitenflächen <strong>de</strong>s Körpers hindrängen.<br />

In unserer Darstellung von <strong>de</strong>r Entwicklung und <strong>de</strong>n<br />

morphologischen Verhältnissen <strong>de</strong>r Cephalopo<strong>de</strong>n ist bisher<br />

<strong>de</strong>r Arme nicht gedacht wor<strong>de</strong>n. Es sind diese Gebil<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />

betreffen<strong>de</strong>n Mollusken ganz eigenthümlich. Bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n<br />

fehlen sie mit Ausnahme von Clio vollkommen. Und<br />

auch bei <strong>de</strong>r letztern sind sie nur sehr rudimentär. Die Zeit<br />

ihrer Bildung bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n fällt in jene Perio<strong>de</strong>, in<br />

welcher <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rkörper noch flächenartig ausgebreitet ist.<br />

Sie entstehen ganz selbstständig in <strong>de</strong>r Peripherie <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rleibes<br />

auf <strong>de</strong>r Oberfläche <strong>de</strong>s Dotters. Anfangs erscheinen<br />

sie als ovale Wülste, die erst späterhin sich strecken und<br />

dann mit <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>m Kopflappen, mit <strong>de</strong>n Theilen <strong>de</strong>s Segels<br />

L ) also, in Verbindung treten.<br />

Die manchfachen Verschie<strong>de</strong>nheiten in <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

<strong>de</strong>r an diesen Armen befestigten Saugnäpfe 2 ) übergehe ich.<br />

Nur so viel sei noch erwähnt, dass mir aus morphologischen<br />

Grün<strong>de</strong>n die von Valenciennes 3 ) gegen Owen vertheidigte<br />

Deutung <strong>de</strong>r zahlreichen am Kopf von Nautilus befindlichen<br />

Tentakel, wonach diese nicht als Arme, son<strong>de</strong>rn als<br />

Gebil<strong>de</strong>, analog jenen Saugnäpfen, angesehen wer<strong>de</strong>n, sehr<br />

annehmbar erscheint. Die eigentlichen Arme sind hier geschwun<strong>de</strong>n<br />

o<strong>de</strong>r doch sehr rudimenlär; nicht mehr freie<br />

cylindrische Anhänge, son<strong>de</strong>rn blosse faltenförmige Lappen<br />

zwischen <strong>de</strong>m Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Tentakel. Das ganze Verhältniss<br />

erinnert in mehrfacher Beziehung an jene Umwandlungen <strong>de</strong>r<br />

1) Die von Laven (a. a. 0.) ausgesprochene Vermuthung, dass dieselben unmit­<br />

telbar aus <strong>de</strong>r Metamorphose <strong>de</strong>s Segels hervorgegangen seien, bedarf unter<br />

solchen Umstän<strong>de</strong>n einiger Berichtigung. Sie sind nicht etwa die morphologi­<br />

schen Aequivalente dieser Theile, son<strong>de</strong>rn blosse Anhänge <strong>de</strong>rselben.<br />

2) Ueber die morphologische Relation dieser Verschie<strong>de</strong>nheiten, vergleiche man<br />

meine Bemerkungen in Wagner's Zootomie. Th. n. S. 362.<br />

3) Archiv, du Mus. d'hist. nat. 1842. T. II. p. 257.


160<br />

Kiemenfe<strong>de</strong>r, bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Schaft geschwun<strong>de</strong>n ist, während<br />

die Blätter <strong>de</strong>r Fahne persistiren.<br />

Eine neue sehr eigenthümliche Modification in <strong>de</strong>r Entwicklung<br />

<strong>de</strong>s Molluskentypus treffen wir bei <strong>de</strong>n Acephalen<br />

(mit Ausschluss <strong>de</strong>r Tunicaten). Hier hat <strong>de</strong>r Körper<br />

im Allgemeinen eine cylindrische, mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r gestreckte<br />

!) Gestalt mit <strong>de</strong>r Mundöffnung an <strong>de</strong>m einen, mit<br />

<strong>de</strong>m After an <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rn En<strong>de</strong>. So wenigstens bei <strong>de</strong>n<br />

Lamellibranchiaten. In <strong>de</strong>r Regel ist dabei <strong>de</strong>r Körper von<br />

<strong>de</strong>n Seiten zusammengedrückt, wenngleich in verschie<strong>de</strong>nem<br />

Gra<strong>de</strong>. Ein eigentlicher Kopf fehlt überall, unstreitig <strong>de</strong>sshalb,<br />

weil bei <strong>de</strong>n Acephalen niemals die Elemente <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rleibes<br />

eine so selbstständige Entwicklung darbieten, wie<br />

bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n und selbst nur bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n.<br />

Der Fuss ist überall mit seiner ganzen Länge in <strong>de</strong>r Medianlinie<br />

<strong>de</strong>s Bauches am Rumpfe befestigt. Er beginnt am vor<strong>de</strong>m<br />

Körperen<strong>de</strong>, wie bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n, bil<strong>de</strong>t aber<br />

nie, wie hier gewöhnlich, eine Sohle o<strong>de</strong>r Scheibe, die zum<br />

Kriechen geschickt ist. Seine Anordnung erinnert noch am<br />

meisten an die Form <strong>de</strong>s entsprechen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong>s bei <strong>de</strong>n<br />

Heteropo<strong>de</strong>n und Dentalien. Bald ist er beilförmig von <strong>de</strong>n<br />

Seiten zusammengedrückt, bald zungenförmig, bald keulenförmig.<br />

In manchen Arten erscheint er sehr rudimentär, wie<br />

bei Teredo, wo er einem Saugnapf gleicht, in an<strong>de</strong>rn (bei<br />

<strong>de</strong>n sogenannten Apo<strong>de</strong>n) fehlt er sogar gänzlich.<br />

Am vor<strong>de</strong>m Körperen<strong>de</strong>, seitlich von <strong>de</strong>r Mundüffnung<br />

liegen die Labialpalpen, zwei Paar blatt- o<strong>de</strong>r tentakelförmiger<br />

Gebil<strong>de</strong> 2 ), die ich als die morphologischen Aequivalente<br />

<strong>de</strong>r Lippenwülste o<strong>de</strong>r Segelhälften betrachten möchte; eine<br />

Deutung, die auch, wie wir sehen wer<strong>de</strong>n, durch die Ent-<br />

1) Nirgends übertrifft bei <strong>de</strong>n Acephalen <strong>de</strong>r Höhendurchmesser <strong>de</strong>s Körpers <strong>de</strong>n<br />

Längendurchmesser in einem solchen Gra<strong>de</strong>, wie es bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n so<br />

häufig <strong>de</strong>r Fall ist. Die RUckenfläche ist vielmehr in <strong>de</strong>r Regel abgeplattet und<br />

beson<strong>de</strong>rs niemals in eine thurmartige Spitze ausgezogen.<br />

2) Ueber die Formverschie<strong>de</strong>nheiten dieser Anhänge vergleiche man die Bemerkungen<br />

von Troschel in Wiegmann's Archiv 1847. I, S. 257.


161<br />

Wicklung <strong>de</strong>rselben gerechtfertigt 1 ) zu wer<strong>de</strong>n scheint. Der<br />

Rumpf <strong>de</strong>r Acephalen ist von <strong>de</strong>m Mantel be<strong>de</strong>ckt; jedoch<br />

ist dieser hier nicht, wie bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n, in seiner<br />

ganzen Aus<strong>de</strong>hnung damit verwachsen, son<strong>de</strong>rn grösstentheils<br />

frei. Nur in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s Rückens ist er angeheftet.<br />

Von da hängt er an <strong>de</strong>n Seiten unter <strong>de</strong>r Gestalt von zweien<br />

ansehnlichen Hautlappen herab, die <strong>de</strong>n Körper zwischen<br />

sich nehmen, wie <strong>de</strong>r Umschlag ein Buch. An <strong>de</strong>r Verbindungsstelle<br />

dieser Lappen mit <strong>de</strong>m Körper, zwischen bei<strong>de</strong>r«,<br />

in <strong>de</strong>r Mantelfurche, liegen 2 ) die Kiemen, <strong>de</strong>ren eigenthümliche<br />

Form schon oben erläutert wur<strong>de</strong>. Auch ist eben dort<br />

schon auf die <strong>de</strong>n Mantel nicht selten betreffen<strong>de</strong> eigenthümliche<br />

Umwandlung hinge<strong>de</strong>utet wor<strong>de</strong>n. Nicht überall nämlich<br />

bleiben die zwei seitlichen Blätter <strong>de</strong>sselben freie lappenförmige<br />

Anhänge. Sehr häufig vielmehr beginnt eine Verschmelzung<br />

an <strong>de</strong>m hintern En<strong>de</strong> ihrer Rän<strong>de</strong>r, welche bei<br />

<strong>de</strong>n einzelnen Arten verschie<strong>de</strong>n weit in <strong>de</strong>r Medianlinie<br />

<strong>de</strong>s Bauches nach vorn vorschreitet. Wo diese Verschmelzung<br />

in grosser Aus<strong>de</strong>hnung staltfin<strong>de</strong>t, bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Mantel<br />

eine förmliche sackartige Umhüllung <strong>de</strong>s Körpers, die aber<br />

nur in sehr seltenen Fällen (Teredo) mit <strong>de</strong>r äussern Be<strong>de</strong>-<br />

l) Dass die Zahl <strong>de</strong>r Labialpalpen bei <strong>de</strong>n Acephalen grösser ist, als die <strong>de</strong>r Kopf­<br />

lappen bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n, kann uns bei dieser Deutung nicht im Wege<br />

stehen. Es ist solches nicht eine primäre Anordnung, son<strong>de</strong>rn es ist das Pro-<br />

duct einer spätem Metamorphose. Anfänglich bil<strong>de</strong>n die Labialpalpen, wie es<br />

scheint, eine gemeinschaftliche schirmförmige Ueberdachung <strong>de</strong>r Mundöffnung.<br />

Erst später tritt eine Weiterbildung ein, in<strong>de</strong>m theils die untern seitlichen En­<br />

<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rselben, theils auch die Obern zipfelförmig sich ausziehen, während die<br />

dazwischen liegen<strong>de</strong>n Falten allmählig verkümmern.<br />

2) Offenbar ist gera<strong>de</strong> diese tiefe Lage und die laterale Duplicität <strong>de</strong>r Kiemen<br />

Schuld an <strong>de</strong>r eigenthümlichen Anordnung <strong>de</strong>s Mantels. Der Raum nämlich zwi­<br />

schen <strong>de</strong>mselben und <strong>de</strong>m Körper ist offenbar eine Athemhöhle, wie bei <strong>de</strong>n<br />

Gasteropo<strong>de</strong>n. Die Mantellappen entsprechen <strong>de</strong>m Obern Deckel dieser Höhle,<br />

<strong>de</strong>r auch dort von <strong>de</strong>m Mantel gebil<strong>de</strong>t ist. Die einzige Verschie<strong>de</strong>nheit beruht<br />

darin, dass bei <strong>de</strong>n Lamellibranchiaten, bei <strong>de</strong>nen überhaupt in je<strong>de</strong>r Beziehung<br />

die Symmetrie <strong>de</strong>s Korpers viel weniger gestört ist, als bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n,<br />

die Kiemenhöhle nicht einfach erscheint, son<strong>de</strong>rn als ein paariges Gebil<strong>de</strong> rechts,<br />

wie links an <strong>de</strong>n Seitentheilen <strong>de</strong>s Körpers liegt. Dass hierdurch <strong>de</strong>r Zusam­<br />

menhang von Mantel und Körper allein auf die Medianlinie <strong>de</strong>s Rückens be­<br />

schränkt wer<strong>de</strong>n musste, liegt am Tage,<br />

11


164<br />

chungen von Quatrefages 1 ) über die Bildungsgeschichte<br />

<strong>de</strong>r Naja<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r einzigen Acephalen, welche bisher zum<br />

Gegenstand einer <strong>de</strong>rartigen Untersuchung gemacht sind,<br />

mancherlei irrthümliche Ansichten verbreitet haben. Nach<br />

<strong>de</strong>r Zerklüftung <strong>de</strong>s Dotters bil<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Embryo Anfangs, wie<br />

bei <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n, eine unregelmässige, kuglige Masse 2 ).<br />

Bald aber bemerkt man an <strong>de</strong>r einen Stelle, da, wo späterhin<br />

die Mundöffnung gelegen ist, am vor<strong>de</strong>m En<strong>de</strong> also, eine<br />

kurze und stumpfe Hervorragung, die durch eine Bekleidung<br />

von sehr langen, zarten Flimmerhaaren sich auszeichnet und<br />

späterhin wahrscheinlich durch eine Theilung in die bei<strong>de</strong>n<br />

Lippentasterpaare sich metamorphosirt. Das gegenüberliegen<strong>de</strong><br />

hintere En<strong>de</strong> zeigt bereits jetzt in <strong>de</strong>r Mittellinie <strong>de</strong>s<br />

Bauches eine kleine Einkerbung, während an <strong>de</strong>r Rückenfläche<br />

die spätem äussern Be<strong>de</strong>ckungen durch eine beträchtlichere<br />

Dicke sich auszuzeichnen scheinen. Auf <strong>de</strong>r Oberfläche<br />

<strong>de</strong>s Leibes, welche ebenfalls, wie jene vor<strong>de</strong>re Hervorragung,<br />

von Cilien, doch nur von sehr kurzen, beklei<strong>de</strong>t<br />

ist, stehen, beson<strong>de</strong>rs an <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>m Hälfte, zu <strong>de</strong>n Seiten<br />

<strong>de</strong>s Lippenwulstes, einige glashelle, lange, borstenartige Spitzen.<br />

Späterhin beginnt die Bildung <strong>de</strong>r Schalen 3 ) auf <strong>de</strong>r<br />

Rückenfläche. Nicht immer aber entstehen bei<strong>de</strong> seitliche<br />

Schalen zu gleicher Zeit. Oft sieht man, dass die eine <strong>de</strong>rselben<br />

schon eine sehr ansehnliche Grösse besitzt, während<br />

die an<strong>de</strong>re noch sehr klein ist o<strong>de</strong>r auch wohl noch gänzlich<br />

fehlt. Allmählig übrigens wird dieser Unterschied ausgeglichen,<br />

wenngleich nicht selten schon bei weit vorgeschrittener<br />

Entwicklung noch immer die eine Schale etwas kleiner<br />

erscheint, als die an<strong>de</strong>re. Bei<strong>de</strong> Schalen umwölben nun<br />

durch ihren allmähligen Wachsthum die Seitenflächen <strong>de</strong>s<br />

1) In <strong>de</strong>n Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1836. T. V. p. 321. — Daneben vergl. die An­<br />

gaben von Carus in <strong>de</strong>n Nov. Act. Acad. Leopold. 1832. Vol. XVII. S. 1.<br />

2) Das Folgen<strong>de</strong> nach Untersuchungen an Anodonta intermedia.<br />

3) Dass übrigens diese, wie v. Siebold (Vergl. Anat. <strong>de</strong>r wirbellosen Thiere<br />

S. 293.) angiebt, nur von zweien an <strong>de</strong>r Oberfläche liegen<strong>de</strong>n Dotterzellen aus­<br />

gehe, die schon frühe i-on <strong>de</strong>r weiter fortschreiten<strong>de</strong>n Furchung sich ausgeschlossen<br />

hätten, kann ich nicht bestätigen.


165<br />

Embryo. Sie bestehen schon frühe aus zweien Theilen, aus<br />

einem <strong>de</strong>m Rücken anliegen<strong>de</strong>n grössern Basalslücke von<br />

dreieckiger Gestalt, und aus einem Endstücke, welches die<br />

Form einer Lanzenspitze hat, an <strong>de</strong>r äussernFläche mit zahnartigen<br />

Dornen besetzt ist und unter einem Winkel auf <strong>de</strong>r<br />

ventralen Endspitze <strong>de</strong>s Basalslückes sich einlenkt. Bloss die<br />

erstem Stücke bil<strong>de</strong>n die Schalen <strong>de</strong>s ausgewachsenen Thieres,<br />

die Endstücke gehen im Lauf <strong>de</strong>r spätem Entwicklung<br />

verloren 1 ). Wenn nun allmählig die Spitzen dieser Endstücke<br />

auf einan<strong>de</strong>r stossen, dann beginnt in <strong>de</strong>r Medianlinie <strong>de</strong>s<br />

Bauches eine förmliche Spaltung <strong>de</strong>s embryonalen Leibes, als<br />

<strong>de</strong>ren erste An<strong>de</strong>utung vielleicht die oben erwähnte Einkerbung<br />

an <strong>de</strong>m hintern En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Embryo anzusehen ist. Je<br />

mehr dieselbe nach innen fortschreitet, <strong>de</strong>sto weiter weichen<br />

allmählig die bei<strong>de</strong>n seitlichen Schalen mit <strong>de</strong>n von ihrer<br />

Wölbung umschlossenen embryonalen Leibesmassen aus einan<strong>de</strong>r.<br />

Am En<strong>de</strong> sind bei<strong>de</strong> flach neben einan<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>rselben<br />

Ebene gelegen. Die steifen, borstenförmigen Stacheln,<br />

welche Anfangs auf <strong>de</strong>r Oberfläche <strong>de</strong>s Körpers sich vorfan<strong>de</strong>n,<br />

sind inzwischen durch <strong>de</strong>n Wachsthum <strong>de</strong>r Schalen<br />

verdrängt wor<strong>de</strong>n und verloren gegangen. Dagegen bil<strong>de</strong>n<br />

späterhin sich neue und zwar an <strong>de</strong>n innern Spaltflächen<br />

<strong>de</strong>s Leibes. Je tiefer die Spaltung greift, <strong>de</strong>sto tiefer rückt<br />

auch die Bildungsstätte dieser Borsten 2 ).<br />

Ganz vollständig übrigens wird die Theilung <strong>de</strong>s Embryo<br />

in zwei seitliche Hälften niemals. Immer noch bleiben<br />

in <strong>de</strong>r Mitte zwischen bei<strong>de</strong>n, als die Ueberreste <strong>de</strong>s ursprünglichen<br />

Zusammenhanges, einzelne Massen, welche die<br />

Verbindung <strong>de</strong>rselben vermitteln. In <strong>de</strong>r hintern Hälfte <strong>de</strong>s<br />

Körpers haben sich diese während <strong>de</strong>s allmähligen Fortschrittes<br />

<strong>de</strong>r Spaltung in einen starken Muskel verwan<strong>de</strong>lt,<br />

1) Mit Unrecht vermuthet Carus (Nov. Act. Acad. Leopold. Vol.XVII. P.I. S.50.)<br />

von diesen Gebil<strong>de</strong>n, dass sie späterhin in <strong>de</strong>n hintern, mit Fimbrien besetzten<br />

Mantelrand <strong>de</strong>s Thieres sich verwan<strong>de</strong>lten.<br />

2) In diesen Borsten glaubt Carus (a. a. 0. S, 55.) die ersten Anlagen <strong>de</strong>r Kiemenblätter<br />

und Mundtenlakcl erkannt zu haben — ebenfalls irrthümlicher Weise.


166<br />

<strong>de</strong>ssen quer verlaufen<strong>de</strong> Fasern an die Innenfläche <strong>de</strong>r klaffen<strong>de</strong>n<br />

Schalen sich ansetzen und solche, wenn sie sich contrahiren,<br />

wie es von Zeit zu Zeit geschieht, vollständig schliessen.<br />

Vor diesem Muskel, <strong>de</strong>r nach vorn bis in die Mitte<br />

<strong>de</strong>s Körpers reicht, liegt eine an<strong>de</strong>re wulstige Dottermasse,<br />

welche ich für die erste Anlage <strong>de</strong>s eigentlichen Rumpfes<br />

mit <strong>de</strong>m Fusse ansehen möchte. Sie bil<strong>de</strong>t einen queren<br />

Körper von walzenförmiger o<strong>de</strong>r vielmehr von kurzer und<br />

breiter, herzförmiger Gestalt. Ihre vor<strong>de</strong>m seitlichen En<strong>de</strong>n<br />

bieten ein eigenthümliches Ausehen. Sie scheinen im Innern<br />

eine ziemlich grosse ovale Höhlung zu enthalten. Quatrefages,<br />

welcher die mittlere Körpermasse übersehen 1 ) hat,<br />

in <strong>de</strong>ren vor<strong>de</strong>m En<strong>de</strong>n diese Excavationen gelegen sind,<br />

hielt die letzlern für zwei seitliche Mägen und beschrieb sogar<br />

an einem je<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rselben einen eigenen, bogenförmig<br />

nach hinten verlaufen<strong>de</strong>n Darm. Eine je<strong>de</strong> Hälfte sollte hiernach,<br />

wie ein selbstständiges Thier, mit einem geson<strong>de</strong>rten<br />

Verdauungsapparate (und Herzen) versehen sein, und die<br />

spätere völlig abweichen<strong>de</strong> Anordnung aus einer secundären<br />

Verwachsung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Leibeshälften hervorgehen. Einer<br />

solchen Annahme in<strong>de</strong>ssen muss ich, als einer gänzlich verkehrten<br />

und irrthümlichen, gera<strong>de</strong>zu wi<strong>de</strong>rsprechen. Allerdings<br />

ist es auch mir nicht gelungen, <strong>de</strong>n merkwürdigen<br />

embryonalen Bau mit vollständiger Sicherheit zu erkennen.<br />

So viel aber glaube ich bestimmt behaupten zu können, dass<br />

eine Organisation, wie sie Quatrefages <strong>de</strong>n seitlichen<br />

Embryonalhälften zuschreibt, in Wirklichkeit nicht existirt.<br />

Was er für einen Magen gehalten, hat sicherlich diese Be<strong>de</strong>utung<br />

eben so wenig, als <strong>de</strong>r von ihm als Darm beschriebene<br />

bogenförmige Längswulst. Was übrigens diese Theile<br />

in Wirklichkeit be<strong>de</strong>uten, weiss ich nicht zu sagen, da die<br />

spätem Phasen <strong>de</strong>r Entwicklung mir eben so unbekannt geblieben<br />

sind, wie <strong>de</strong>n frühem Untersuchern. Nicht völlig<br />

1) Einen Theil <strong>de</strong>rselben bil<strong>de</strong>n übrigens wohl die von Quatrefages für die<br />

Herzen <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Embryonalhälftcn gehaltenen Massen.


167<br />

unwahrscheinlich aber ist mir die Vermuthung, dass die sogenannten<br />

Magenhöhlen in <strong>de</strong>n hervorragen<strong>de</strong>n seitlichen Ecken<br />

<strong>de</strong>s Rumpfes die Gehörbläschen seien, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Otolith<br />

sich noch nicht entwickelt habe. In <strong>de</strong>r Regel (bei <strong>de</strong>n<br />

Gasteropo<strong>de</strong>n 1 ), auch, nach v. Siebold 2 ), bei Cyclas) fin<strong>de</strong>t<br />

freilich die Bildung dieser Concremente schon in früher<br />

Zeit Statt, bald nach<strong>de</strong>m die Anlage <strong>de</strong>s Gehörbläschens selbst<br />

erfolgt ist, doch ist solches allein wohl noch nicht hinreichend,<br />

eine Vermuthung zu wi<strong>de</strong>rlegen, die mit <strong>de</strong>r spätem<br />

Anordnung dieser Theile völlig übereinzustimmen scheint.<br />

An <strong>de</strong>m hintern En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Fusswulstes in <strong>de</strong>r Medianlinie<br />

hat sich inzwischen ein äusserst langer Byssusfa<strong>de</strong>n entwickelt,<br />

<strong>de</strong>r unverästelt ist und ausserhalb <strong>de</strong>s Leibes sich<br />

meistens eine sehr ansehnliche Strecke weit verfolgen lässt.<br />

Seine grösste Dicke hat dieser Fa<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m untern Theile,<br />

mit <strong>de</strong>m er einer kurzen cylindrischen Erhabenheit, <strong>de</strong>m<br />

sogenannten Byssusorgane 3 ), aufsitzt. Ob solches übrigens<br />

wirklich eine Drüse enthält, wie das Byssusorgan von Mytilus,<br />

Pinna u. s. w., ob es überhaupt diesem Gebil<strong>de</strong> gleichzusetzen<br />

sei, scheint mir noch keineswegs entschie<strong>de</strong>n. Ich<br />

glaube wenigstens, allerdings nur ein einziges Mal, doch hier<br />

sehr <strong>de</strong>utlich, wahrgenommen zu haben, dass <strong>de</strong>r Byssusfa<strong>de</strong>n<br />

nur aus <strong>de</strong>r immensen Verlängerung einer jener oben<br />

erwähnten glashellen Stacheln seinen Ursprung nimmt. Auch<br />

spricht Aussehen und Beschaffenheit <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Gebil<strong>de</strong><br />

vollkommen zu Gunsten dieser Beobachtung. Der Rumpf ist<br />

übrigens <strong>de</strong>rjenige Theil <strong>de</strong>s Leibes, <strong>de</strong>r mit solchen Stacheln<br />

am längsten versehen ist. Zwei <strong>de</strong>rselben stehen zu<br />

<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s Byssusfa<strong>de</strong>ns, zwei an<strong>de</strong>re weiter nach vorn.<br />

Die von <strong>de</strong>n seitlichen Schalen <strong>de</strong>r jungen Muscheln<br />

1) Vergl. Frey in Wiegmann's Arch. 1845. T. I. S. 217.<br />

2) A. a. O. S. 261.<br />

3) Quatrefages giebt— wie schon v. Siebold (a.a.O. S. 294.) bemerkt, mit<br />

Unrecht — einem je<strong>de</strong>n Embryo zwei in <strong>de</strong>r Mittellinie hinter einan<strong>de</strong>r gelegene<br />

Byssusorgane, aus <strong>de</strong>nen immer ein doppelter Fa<strong>de</strong>n (in <strong>de</strong>nen Quatrefages<br />

— mit Rapail — Nabelgefässe sieht) hervorragen soll.


168<br />

selbst umhüllten Dottertheile, die durch die Spaltung <strong>de</strong>s ursprünglichen<br />

Leibes von einan<strong>de</strong>r getrennt sind, vereinigen<br />

sich wohl schwerlich jemals wie<strong>de</strong>r, wie es Quatrefages<br />

vermuthet. Die mittlere unpaare Körpermasse entsteht vielmehr,<br />

wie ich vermuthen möchte, nur durch <strong>de</strong>n allmähligen<br />

Wachsthum <strong>de</strong>s Rumpfes, in <strong>de</strong>ssen Innerm sich erst<br />

späterhin <strong>de</strong>r Verdauungs- und Generationsapparat entwickelt.<br />

Möglich ist es allerdings, dass hierzu auch noch ein Theil<br />

<strong>de</strong>r seitlichen Dottermassen, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>utlich eine Menge<br />

sehr charakteristischer embryonaler Zellen sich vorfin<strong>de</strong>t, verbraucht<br />

wird. Einen Anhaltspunkt für diese Vermuthung<br />

gewährt wenigstens <strong>de</strong>r Umstand, dass in einigen Lamellibranchiaten<br />

die Eingewei<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Leibes (die Eierstöcke) sich<br />

seitlich bis in die Blätter <strong>de</strong>s Mantels hineinerstrecken (so bei<br />

Mytilus u. s. w.). Vielleicht entsteht dieses Verhältniss nur<br />

aus <strong>de</strong>r Persistenz und weitern Entwicklung einer im Anfang<br />

allen Lamellibranchiaten gemeinschaftlichen Anordnung. Bei<br />

<strong>de</strong>n übrigen Arten wür<strong>de</strong> dieselbe dann nur einen transitorischen<br />

Zustand bil<strong>de</strong>n. Der Hauptsache nach aber gehen<br />

wahrscheinlich aus diesen seitlichen Embryonalhälften nur die<br />

Mantellappen und Kiemenblätter hervor. Wie ich vermuthe,<br />

ist <strong>de</strong>r wulstige Rand <strong>de</strong>r erstem von Quatrefages für<br />

die seitlichen Aorten gehalten wor<strong>de</strong>n, die äussere Begrenzung<br />

<strong>de</strong>r, wie es scheint, je<strong>de</strong>rseits noch ungetheilten Kiemehmassen<br />

aber für die Darmröhren. Was <strong>de</strong>rselbe als venöse Gefässe,<br />

so wie als Arteriae meseraicae ge<strong>de</strong>utet hat, kann ich<br />

nur für Zwischenräume zwischen <strong>de</strong>n Embryonalzellen <strong>de</strong>r<br />

seitlichen Doltermassen halten.<br />

Unmittelbar am Vor<strong>de</strong>ren<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers vor <strong>de</strong>m Fusse<br />

sieht man unter günstigen Verhältnissen dieselben langen und<br />

zarten Wimpern, <strong>de</strong>ren frühes Entslehen ich oben erwähnt<br />

habe. Unstreitig be<strong>de</strong>cken sie die Labialpalpon, <strong>de</strong>ren Metamorphose<br />

aus jener höckerförmigen, unpaaren Hervorragung<br />

jetzt bereits mag begonnen haben.<br />

So weit von <strong>de</strong>n morphologischen Verhältnissen und <strong>de</strong>r<br />

Entwicklung <strong>de</strong>r Acephalen, welche trotz manchfaober Ab-


169<br />

weichung <strong>de</strong>nnoch im Wesentlichen eine gleiche typische Anordnung<br />

mit <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n zeigen. Nicht in <strong>de</strong>mselben<br />

Maasse lässt sich solches aber von <strong>de</strong>n Tunicaten sagen.<br />

Der hauptsächlichste Unterschied dieser letztem beruht<br />

darin, dass eine je<strong>de</strong> Spur <strong>de</strong>s Vor<strong>de</strong>rleibes fehlt, dass die<br />

morphologischen Elemente <strong>de</strong>sselben, Lippenwülste und<br />

Fuss, vollkommen vermisst wer<strong>de</strong>n. Der Körper dieser Thiere<br />

ist allein <strong>de</strong>m Hinterleib <strong>de</strong>r übrigen Mollusken zu vergleichen.<br />

Die äussern Be<strong>de</strong>ckungen sind ansehnlich entwickelt,<br />

knorplich o<strong>de</strong>r le<strong>de</strong>rartig und bieten chemisch wie histologisch<br />

ganz eigenthümliche, nirgends an<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r Thierwelt<br />

sonst vorkommen<strong>de</strong> Verhältnisse. Nach <strong>de</strong>r Ent<strong>de</strong>ckung von<br />

C. Schmidt 1 ), die späterhin von Kölliker und Löwig 2 )<br />

erweitert und bestätigt ist, bestehen dieselben aus Cellulose.<br />

Eine äussere Schale fehlt <strong>de</strong>n Tunicaten. Dafür aber zeigen<br />

mitunter die Be<strong>de</strong>ckungen selbst einen ansehnlichen Reichthüm<br />

an Kalksalzen. In einzelnen Fällen, wie ich es beson<strong>de</strong>rs<br />

bei einer neuen Ascidie <strong>de</strong>s hiesigen physiologischen Institutes<br />

aus Chili sehe, erstarren diese dadurch sogar zu<br />

einem förmlichen äussern Skelet, wie bei <strong>de</strong>n Echino<strong>de</strong>rmen.<br />

Eine interessante Eigenthümlichkeit <strong>de</strong>r Tunicaten ist es<br />

auch, dass sie sehr häufig, wie Polypen und Bryozoen, in<br />

Colonien mit einan<strong>de</strong>r vereinigt sind.<br />

Trotz dieser Verhältnisse entbehren aber die Tunicaten<br />

nicht aller verwandtschaftlichen Beziehungen zu <strong>de</strong>n übrigen<br />

Mollusken. Die Acephalen sind es beson<strong>de</strong>rs, <strong>de</strong>nen sie sich<br />

anschliessen, mit <strong>de</strong>nen sie anatomisch und auch morphologisch<br />

am meisten übereinstimmen. Eine Gemeinschaft <strong>de</strong>s<br />

architektonischen Planes ist nicht zu verkennen, wenngleich<br />

<strong>de</strong>rselbe bei bei<strong>de</strong>n auf eine mehrfach abweichen<strong>de</strong> Weise<br />

realisirt ist.<br />

Der Mantel <strong>de</strong>r Tunicaten erscheint nirgends mehr unter<br />

<strong>de</strong>r Form eines freien, glockenförmigen o<strong>de</strong>r lappigen Anhanges<br />

am Körper. Wie bei manchen Lamellibranchiaten,<br />

1) Zur vergl. Physiolog. <strong>de</strong>r wirbellosen Thiere. Braunsch'v. 1845.<br />

2) Annal, <strong>de</strong>s scienc. nat. 1846. T. V. p. 193.


170<br />

bil<strong>de</strong>t er freilich eine sackartige Hülle, doch ist diese nirgends<br />

mehr durch einen Zwischenraum von <strong>de</strong>m eigentlichen<br />

Rumpfe getrennt, son<strong>de</strong>rn in ganzer Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>mselben<br />

unmittelbar verwachsen, wie bei Teredo. Hierin fin<strong>de</strong>t es<br />

seine Erklärung, dass die Körperhöhle mit <strong>de</strong>n Eingewei<strong>de</strong>n<br />

dicht unter <strong>de</strong>n Mantel<strong>de</strong>cken gelegen ist.<br />

Am <strong>de</strong>utlichsten ist die Analogie dieser Anordnung mit<br />

<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>n Lamellibranchiaten gewöhnlichen Bildung <strong>de</strong>r<br />

äussern Mantelhülle in <strong>de</strong>r Ordnung <strong>de</strong>r Ascidien, die durch<br />

die Form ihres Körpers überhaupt noch am nächsten <strong>de</strong>n<br />

Acephalen sich anschliessen. Die actuelle Entwicklung <strong>de</strong>s<br />

Mantels ist in<strong>de</strong>ssen verschie<strong>de</strong>n. Die sackförmige Hülle <strong>de</strong>sselben<br />

bil<strong>de</strong>t sich bei <strong>de</strong>n Ascidien nicht, wie bei <strong>de</strong>n Acephalen,<br />

durch die Verschmelzung zweier seitlichen Lappen,<br />

son<strong>de</strong>rn dadurch, dass die äussere Zellenschicht am Körper<br />

<strong>de</strong>r Embryonen im ganzen Umfang sich von <strong>de</strong>n unterliegen<strong>de</strong>n<br />

Massen abhebt. Wir fin<strong>de</strong>n hier einen Vorgang, <strong>de</strong>r,<br />

wie es scheint, auch sonst wohl bei <strong>de</strong>r Morphogenese in<br />

Anwendung gezogen wird. Nach<strong>de</strong>m bei einer typischen<br />

Gruppe von Thieren einmal auf einem bestimmten Wege eine<br />

Gestaltung erzielt ist, wer<strong>de</strong>n plötzlich zu <strong>de</strong>mselben Zwecke<br />

ganz an<strong>de</strong>re Mittel und Kräfte in Bewegung gesetzt. Gewöhnlich<br />

übrigens ist hiermit auch zugleich eine Aen<strong>de</strong>rung<br />

in <strong>de</strong>m relativen Werth <strong>de</strong>s Erfolges verbun<strong>de</strong>n. Während<br />

dieser früherhin mehr beiläufig erzielt wur<strong>de</strong>, wird er jetzt<br />

Hauptzweck. Während früher die betreffen<strong>de</strong> Gestallung <strong>de</strong>n<br />

übrigen morphogenetischen Erscheinungen untergeordnet war,<br />

tritt sie jetzt in <strong>de</strong>n Mittelpunkt <strong>de</strong>r gesammten Organisation.<br />

Sie wirkt bestimmend und modificirend auf <strong>de</strong>n ganzen Körper<br />

und erscheint sogar selbst als Sitz und Schauplatz einer<br />

neuen Reihe gestalten<strong>de</strong>r Processe.<br />

Gera<strong>de</strong> so nun verhält sich <strong>de</strong>r Mantel <strong>de</strong>r Tunicaten.<br />

In vielen Fällen bietet er eine Anordnung ganz eigentümlicher<br />

Art und völlig abweichend von <strong>de</strong>m Verhalten <strong>de</strong>s<br />

Mantels bei <strong>de</strong>n Acephalen. In an<strong>de</strong>rn Fällen dagegen, und<br />

so namentlich bei <strong>de</strong>n Ascidien, ist die Analogie ganz un-


171<br />

verkennbar. Der Mantel bil<strong>de</strong>t hier, wie gesagt, eine einfache<br />

sackartige Hülle, gleich <strong>de</strong>m Mantel von Mya, Pholas<br />

und an<strong>de</strong>rn Lamellibranchiaten mit geschlossener Kiemenhöhle.<br />

An <strong>de</strong>m einen En<strong>de</strong> ist dieser Sack befestigt auf<br />

Steinen, Pflanzen u. s. w. An <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>rn En<strong>de</strong> sind neben<br />

einan<strong>de</strong>r zwei Oeffnungen befindlich, nicht selten auf <strong>de</strong>n<br />

Spitzen einer kurzen kegelförmigen Hervorragung. Eine durch<br />

bei<strong>de</strong> Oeffnungen gelegte Längsebene theilt <strong>de</strong>n Körper in<br />

eine gleiche rechte und linke Hälfte.<br />

Die Kiemen <strong>de</strong>r Ascidien bil<strong>de</strong>n, wie schon oben angeführt<br />

wur<strong>de</strong>, einen sackartigen Behälter, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m äussersten<br />

freien En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers gelegen ist und durch die eine<br />

<strong>de</strong>r daselbst befindlichen Oeffnungen nach aussen führt. Die<br />

an<strong>de</strong>re Oeffnung ist die Kloaköffnung. Im Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Kiemensacks<br />

nimmt <strong>de</strong>r Darmkanal seinen Ursprung, <strong>de</strong>ssen<br />

Windungen <strong>de</strong>n hintern Theil <strong>de</strong>s Körpers erfüllen.<br />

Vergleicht man die Organisation <strong>de</strong>r Ascidien mit <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Acephalen, so muss vor Allem die Frage nach <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung<br />

jener bei<strong>de</strong>n Körperöffnungen entstehen. Die eine<br />

<strong>de</strong>rselben, so viel lässt sogleich sich sagen, ist die Kloaköffnung.<br />

Doch die an<strong>de</strong>re? Entspricht sie <strong>de</strong>r Athemöffnung<br />

<strong>de</strong>r Lamellibranchiaten, wie die benachbarte Lage <strong>de</strong>r<br />

Kloaköffnung vermuthen lässt, o<strong>de</strong>r etwa <strong>de</strong>r Mundöffnung?<br />

Ist — darum dreht sich die Entscheidung — das freie Körperen<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Ascidien das hintere o<strong>de</strong>r das vor<strong>de</strong>re? Bei<br />

<strong>de</strong>m ersten Anblick scheint die Beantwortung dieser Fragen<br />

nicht schwer. Schon Cuvier erklärte die fragliche Oeffnung<br />

für die Athemöffnung, das freie Körperen<strong>de</strong> für das<br />

hintere. Die Analogie mit <strong>de</strong>n Lamellibranchiaten war es,<br />

die solches rechtfertigen sollte. In bei<strong>de</strong>n Ordnungen wür<strong>de</strong><br />

dann die Lage <strong>de</strong>r Kloak- und Athemöffnungen, so wie auch<br />

die <strong>de</strong>r Kiemen ganz gleichmässig sein. Die letztern wären<br />

dann nicht nach vorn bis vor <strong>de</strong>n Eingewei<strong>de</strong>sack gerückt,<br />

son<strong>de</strong>rn, wie bei Teredo, hinter <strong>de</strong>mselben gelegen. Nur<br />

<strong>de</strong>r Mund hätte dann eine abweichen<strong>de</strong> Anordnung, für die<br />

sich <strong>de</strong>r Grund vielleicht in <strong>de</strong>r eigenthümlichen Art <strong>de</strong>r


172<br />

Anheftung auffin<strong>de</strong>n liesse. Das zwischen Kloak- und Alhem-<br />

Öffnung gelegene Ganglion muss hierbei natürlich als Kiemenganglion<br />

ge<strong>de</strong>utet wer<strong>de</strong>n, nicht aber als Oesophagealganglion,<br />

wie wir oben es angenommen haben.<br />

In<strong>de</strong>ssen fragt es sich sehr, ob solche Deutung richtig<br />

sei, ob sie beson<strong>de</strong>rs mit <strong>de</strong>r Entwicklungsgeschichte im<br />

Einklang stehe. Davon weiter unten. Es genügt hier die<br />

Bemerkung, dass die oben erwähnte Auffassung <strong>de</strong>s Baues<br />

bei <strong>de</strong>n Ascidien nicht die einzig mögliche ist. Es lässt das<br />

freie En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers auch als das vor<strong>de</strong>re sich <strong>de</strong>uten,<br />

die Athemöffnung als Mund. Die Kiemen sind dann, so muss<br />

man annehmen, vor <strong>de</strong>m Eingewei<strong>de</strong>sack gelegen. Eben so<br />

ist die Kloaköffnung — vielleicht wegen <strong>de</strong>r Befestigung <strong>de</strong>s<br />

Körpers am Wintern Theile — auf <strong>de</strong>r Rückseite <strong>de</strong>s Körpers<br />

nach vorn bis in die Nähe <strong>de</strong>s Mun<strong>de</strong>s emporgerückt. Eine<br />

eigene Athemöffnung wür<strong>de</strong> hiernach fehlen und auch, bei<br />

<strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n Gruppirung <strong>de</strong>r Kiemen, eben so unnöthig<br />

sein, wie die Oeffnung zum Durchtritt <strong>de</strong>s Fusses bei<br />

<strong>de</strong>r Abwesenheit <strong>de</strong>s letztem.<br />

Bevor wir jetzt in<strong>de</strong>ssen diese Verhältnisse näher prüfen,<br />

wollen wir noch einige Worte über <strong>de</strong>n Bau <strong>de</strong>r Salpen<br />

hinzufügen, <strong>de</strong>ren Organisation in mehrfacher Beziehung<br />

eine abweichen<strong>de</strong> ist. Der Hintertheil <strong>de</strong>s Leibes ist bei<br />

diesen frei und bil<strong>de</strong>t eine kleine kuglige Hervorragung (nucleus)<br />

an <strong>de</strong>r untern Fläche einer weiten, <strong>de</strong>r Länge nach<br />

darüber hingelegten cylindrischen Röhre mit vor<strong>de</strong>rer Athemund<br />

hinterer Kloaköffnung. Diese bei<strong>de</strong>n Oeffnungen entsprechen,<br />

wie schon oben erwähnt wur<strong>de</strong>, ganz offenbar<br />

<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n neben einan<strong>de</strong>r gelegenen Körperöffnungen <strong>de</strong>r<br />

Ascidien, die hier nur diametral einan<strong>de</strong>r gegenüberstehen,<br />

die vor<strong>de</strong>re an <strong>de</strong>r Ventralfläche, die hintere an <strong>de</strong>r Dorsalfläche<br />

<strong>de</strong>s Leibes. Die Kernfläche <strong>de</strong>s Cylin<strong>de</strong>rs ist die untere<br />

und entspricht <strong>de</strong>m festsitzen<strong>de</strong>n En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ascidien. Die<br />

entgegengesetzte Hirnfläche ist die obere.<br />

Was wir von <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>r Tunicaten wissen,<br />

zeigt mancherlei sehr eigenthümliche Verhältnisse. Die Eni-


173<br />

wicklung <strong>de</strong>r Salpen, wenigstens <strong>de</strong>r solitären Formen, die<br />

allein auf geschlechtlichem Wege, aus einem befruchleten Ei,<br />

entstehen (aber nie selbst Geschlechtsorgane bekommen und<br />

darum <strong>de</strong>nn auch nur als die Ammen <strong>de</strong>r in ihrem Innern<br />

durch Knospenbildung producirlen zusammengeketteten Formen<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n müssen), ist fast noch völlig unbekannt.<br />

Um so mehr ist solches zu bedauern, als wir durch<br />

die Untersuchungen von Krohn 1 ) und Sars 2 ) zu <strong>de</strong>r Annahme<br />

berechtigt sind, dass dieselbe von <strong>de</strong>r Bildung <strong>de</strong>r<br />

Ascidien beträchtlich sich entfernt. Wie bei <strong>de</strong>n Cephalopo<strong>de</strong>n,<br />

wird nämlich bei ihnen nicht <strong>de</strong>r ganze Dotter in<br />

<strong>de</strong>n Embryo verwan<strong>de</strong>lt, <strong>de</strong>r übrigens schon von Anfang an<br />

<strong>de</strong>n elterlichen Thieren zu ähneln scheint. Der Rest <strong>de</strong>s Dotters<br />

bleibt beständig ausserhalb <strong>de</strong>s Leibes (an <strong>de</strong>r Hirnfläche<br />

<strong>de</strong>r Athemröhre) gelegen und soll sogar, wie eine förmliche<br />

Placenta, <strong>de</strong>n Fötus mit seinem Mutterthier verbin<strong>de</strong>n.<br />

Bei <strong>de</strong>n Ascidien dagegen entsteht <strong>de</strong>r Embryo unmittelbar<br />

aus einer Umwandlung <strong>de</strong>r gesammten Dotterkugel und<br />

in einer Gestalt, die von <strong>de</strong>r seiner Eltern sehr verschie<strong>de</strong>n<br />

ist. Er gleicht einer Cercarie mit kugligem Körper und einem<br />

langgestreckten cylindrischen Schwänze, durch <strong>de</strong>ssen kräftige<br />

Bewegungen er frei umherschwimmt. Die äussere Haut ist<br />

schon jetzt eine pelluci<strong>de</strong> Hülle von mächtiger Dicke, obgleich<br />

im Innern noch keinerlei Structur sich unterschei<strong>de</strong>n lässt.<br />

Nach einiger Zeit setzt die Larve mit <strong>de</strong>m freien En<strong>de</strong> ihres<br />

Körpers sich fest und verliert <strong>de</strong>n Schwanz. Der übrig bleiben<strong>de</strong><br />

kuglige Körper verwan<strong>de</strong>lt sich dann in die Form<br />

einer entwickelten Ascidie. Die Mundöffnung bil<strong>de</strong>t sich an<br />

<strong>de</strong>mselben Orte, wo früherhin <strong>de</strong>r Schwanz angeheftet war.<br />

Nun aber ist es die Frage, ob dieser Ort das vor<strong>de</strong>re<br />

o<strong>de</strong>r hintere En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Körpers bestimme. Dass <strong>de</strong>r kuglige<br />

Körpertheil bei <strong>de</strong>r Bewegung nach vorn getragen wird, kann<br />

noch nicht beweisen, dass er in Wirklichkeit <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>re<br />

sei. Eben so wenig <strong>de</strong>r spätere Anheftungspunkt. Wir fin-<br />

1) In <strong>de</strong>n Anna], <strong>de</strong>s scienc. nat. 1846. T. VI. p. 115.<br />

2} Fauna littor. Norveg. S. 74.


174<br />

<strong>de</strong>n im Gegentheil wohl immer, dass eine Larve mit <strong>de</strong>m<br />

Hinterlheil <strong>de</strong>s Körpers sich festsetzt (Polypen, Acalephen,<br />

Echino<strong>de</strong>rmen), nicht mit <strong>de</strong>m Vor<strong>de</strong>rtheil. Die Möglichkeit <strong>de</strong>r<br />

letztern Anheftungsweise lässt sich allerdings nicht leugnen.<br />

In<strong>de</strong>ssen fehlt ihr noch ein je<strong>de</strong>r empirischer Nachweis.<br />

Die Cirripedien, die einzigen Thiere, welche dahin zu gehören<br />

scheinen, setzen nicht eigentlich mit <strong>de</strong>m Kopfen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Körpers sich fest, son<strong>de</strong>rn bloss mit Hülfe <strong>de</strong>r zu einem gemeinschaftlichen<br />

Stiel verschmolzenen vor<strong>de</strong>m Thoracalbeine.<br />

Ueberdiess steht <strong>de</strong>r Annahme, dass <strong>de</strong>r sogenannte<br />

Schwanz <strong>de</strong>r Ascidienlarven <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>m Körperen<strong>de</strong> angehöre,<br />

um so weniger entgegen, als auch sonst bei <strong>de</strong>n Mollusken<br />

die Anhänge <strong>de</strong>s Körpers (Fuss und Segel) ausschliesslich<br />

an <strong>de</strong>m Vor<strong>de</strong>rleibe befestigt sind.<br />

Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n möchte man dann vielleicht<br />

dahin sich entschei<strong>de</strong>n müssen, dass das freie Körperen<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Ascidien nicht als das hintere, son<strong>de</strong>rn als das vor<strong>de</strong>re<br />

Kopfen<strong>de</strong> aufzufassen sei, dass die Athemöffnung also <strong>de</strong>m<br />

Mund <strong>de</strong>r Lamellibranchiaten entspreche. Was aber die Verhältnisse<br />

noch verwickelter macht, ist die Beobachtung von<br />

Milne Edwards 1 ), dass nach <strong>de</strong>m Anheften <strong>de</strong>r Embryonen<br />

und <strong>de</strong>m Verlust <strong>de</strong>s Schwanzes sich die ganze innere<br />

Dottermasse <strong>de</strong>r Larve allmählig um ihren Mittelpunkt dreht,<br />

bis <strong>de</strong>r früherhin <strong>de</strong>m Anheftungspunkt anliegen<strong>de</strong> Theil die<br />

entgegengesetzte Lage unter <strong>de</strong>m anfänglichen Insertionspunkte<br />

<strong>de</strong>s Schwanzes eingenommen hat. Dann erst beginnt die<br />

Bildung <strong>de</strong>r einzelnen Organe, <strong>de</strong>s Kiemensacks, <strong>de</strong>s Darmes<br />

und auch <strong>de</strong>r äussern Oeffnungen. Möglich nun, dass unter<br />

solchen Verhältnissen die richtige Auffassung <strong>de</strong>s Baues bei<br />

<strong>de</strong>n Ascidien zwischen jenen bei<strong>de</strong>n oben erwähnten Ansichten<br />

in <strong>de</strong>r Mitte liegt. Das freie Körperen<strong>de</strong> ist allerdings<br />

wahrscheinlich das vor<strong>de</strong>re, wie schon angeführt. Doch <strong>de</strong>r<br />

Kiemensack, so muss man vielleicht vermuthen, verdankt seine<br />

Lage in <strong>de</strong>m vor<strong>de</strong>m Abschnitt <strong>de</strong>r Leibeshöhle erst einer<br />

1) Observat. sur les accid. comp. Paris 1811. p. 32.


175<br />

secundären Lagenumän<strong>de</strong>rung. Ursprünglich ist er in <strong>de</strong>m<br />

hintern Abschnitt <strong>de</strong>s Körpers gelegen.<br />

So weit von <strong>de</strong>r morphologischen Deutung <strong>de</strong>r Ascidien.<br />

Was die zusammengesetzten Formen dieser Thiere betrifft,<br />

so verdient hier noch <strong>de</strong>r Umstand einer beson<strong>de</strong>rn Erwähnung,<br />

dass dieselben da, wo sie sich durch eine sehr regelmässige<br />

Gruppirung auszeichnen (z. B. bei Botryllus), nicht<br />

etwa bloss, wie Milne Edwards behauptete, durch allmählige<br />

Knospenbildung bil<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn vielmehr aus einer<br />

einzigen Larve durch die Theilung <strong>de</strong>r innern Dottermasse f )<br />

(also durch Vermittlung eines Generationswechsels). Noch<br />

bevor nämlich die Larve sich festsetzt, beginnt am vor<strong>de</strong>m<br />

En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r innern Dottermasse eine Spaltung, die nach hinten<br />

allmählig fortschreitet und dieselbe (bei Botryllus) in acht<br />

Theile zerfällt, welche kranzförmig um eine mittlere cylindrische<br />

Hervorragung gruppirt sind und je zu einem selbstständigen<br />

Thiere sich entwickeln, während die centrale Hervorragung<br />

zu <strong>de</strong>r gemeinschaftlichen Cloake wird. Die äussere<br />

glashelle Hülle, die von vorn herein wie ein gemeinschaftlicher<br />

Sack die Thiere einer solchen Colonie umschliesst,<br />

wächst späterhin auch nach innen, in die Zwischenräume,<br />

zwischen die einzelnen Individuen, hinein. Interessant ist es<br />

übrigens, dass bei manchen Bryozoen, wie bereits oben erwähnt<br />

wur<strong>de</strong>, ein ganz analoges Verhältniss sich vorfin<strong>de</strong>t.<br />

Um so mehr muss solcher Umstand hier beachtet wer<strong>de</strong>n,<br />

als <strong>de</strong>rselbe vielleicht einen neuen Grund für die Verwandtschaft<br />

dieser Thiere mit <strong>de</strong>n Tunicaten darbietet.<br />

In <strong>de</strong>r Klassifikation <strong>de</strong>r Mollusken herrscht eine grosse<br />

Verwirrung und Unsicherheit, beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>r Aufstellung<br />

und Gruppirung <strong>de</strong>r obersten Abtheilungen. Je mehr die<br />

äussere und innere Organisation dieser Geschöpfe ein Gegenstand<br />

<strong>de</strong>r Untersuchung wird, <strong>de</strong>sto <strong>de</strong>utlicher stellt sich solches<br />

heraus, <strong>de</strong>sto dringen<strong>de</strong>r wird das Bedürfniss einer<br />

1) Dass in Wirklichkeit diese Theilung vorkomme, wie schon früher Sars (Beskrivelser<br />

over nogle maerkelige Dyr. p. 69.) vermuthete, haben die Beobachtungen<br />

von Löwig und Kölliker (1. c. p. 220.) neuerlich ausser Zweifel gesetzt.


176<br />

neuen und rationellen Eintheilung. Was die von Cuvier<br />

aufgestellten Klassen <strong>de</strong>r Mollusken (von <strong>de</strong>nen natürlich die<br />

Cirripedien ausgeschlossen sind) betrifft, so bedürfen diese<br />

insofern einer Verän<strong>de</strong>rung, als die Tunicaten zu einer eigenen<br />

Klasse erhoben und von <strong>de</strong>n Acephalen abgetrennt wer<strong>de</strong>n<br />

müssen, während die Brachiopo<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n Lamellibranchiaten,<br />

so wie die Heteropo<strong>de</strong>n und Pteropo<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n<br />

Gasteropo<strong>de</strong>n zu vereinigen sind. Die auf solche .Weise entstan<strong>de</strong>nen<br />

vier Klassen sind morphologisch und anatomisch<br />

streng von einan<strong>de</strong>r geschie<strong>de</strong>n. Nach untergeordneten Charakteren<br />

glie<strong>de</strong>rn sie sich in eine verschie<strong>de</strong>ne Anzahl von<br />

Ordnungen.<br />

Die Tunicata, die als eine eigene Klasse bereits von<br />

Lamarck, <strong>de</strong> Savigny, Latreille, Goldfuss, Carus,<br />

Grant u. s. w. anerkannt wur<strong>de</strong>n, während viele an<strong>de</strong>re<br />

Zoologen dieselben nach <strong>de</strong>m Vorgang von Cuvier mit <strong>de</strong>n<br />

Acephalen vereinigen, zerfallen nach <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Art<br />

<strong>de</strong>r Entwicklung und <strong>de</strong>n Differenzen <strong>de</strong>r Kürpergestalt 1 ) in<br />

die bei<strong>de</strong>n Ordnungen <strong>de</strong>r Ascidiae (Tethy<strong>de</strong>s Sav.) und<br />

Salpae (Thali<strong>de</strong>s Sav.).<br />

In <strong>de</strong>r Klasse <strong>de</strong>r Acephala unterschei<strong>de</strong>n wir ebenfalls<br />

zwei Ordnungen, die Lamellibranchiata (Cormopoda<br />

Nitzsch, Pelecypoda Car.) und die Brachiopoda,<br />

welche durch ihre morphologischen Verhältnisse als zwei sehr<br />

natürliche gleichstehen<strong>de</strong> Gruppen erscheinen. Die Anordnung<br />

<strong>de</strong>s Mantels und <strong>de</strong>r Schalen, so wie <strong>de</strong>r innere Bau zeigt<br />

in ihnen so viel Uebereinstimmen<strong>de</strong>s, dass sie sicherlich nicht<br />

völlig von einan<strong>de</strong>r getrennt wer<strong>de</strong>n dürfen (wie ausser<br />

Cuvier u. A. Blainville und Burmeister thaten), obgleich<br />

man auch Lamarck nicht wird Recht geben können,<br />

wenn dieser die Brachiopo<strong>de</strong>n ohne Weiteres <strong>de</strong>n Conchiferen<br />

einreiht.<br />

Weit grössere Schwierigkeiten macht die fernere Eintheilung<br />

<strong>de</strong>r Klasse <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>m Umfang<br />

1) Vergl. bes. Savigny 1. c. p. 163.


177<br />

nach, in welchem wir dieselbe hier betrachten, fast vollkommen<br />

(nur die Gattung Chilon i) ist ausgeschlossen)<br />

<strong>de</strong>n Paracephalophora von <strong>de</strong> Blainville 2 ) (Cephalophora<br />

Meckl.) übereinstimmt. Lamarck vereinigte die durch<br />

Cuvier von einan<strong>de</strong>r getrennten Gasteropo<strong>de</strong>n, Pteropo<strong>de</strong>n<br />

und Heteropo<strong>de</strong>n, fügt ihnen aber auch zugleich noch die<br />

Cephalopo<strong>de</strong>n hinzu s ). Noch immer aber behalten hier jene<br />

Gruppen ihren Werth als selbstständige Ordnungen. Die<br />

Cuvierschen Gasteropo<strong>de</strong>n sind zugleich in dieTrachelipoda<br />

und die eigentlichen Gasleropoda zerfällt. In <strong>de</strong>r erstem<br />

Gruppe wer<strong>de</strong>n — ohne beson<strong>de</strong>re Rücksicht auf <strong>de</strong>n Bau —<br />

die Gehäuseschnecken mit spiraliger Schale zusammengestellt,<br />

in <strong>de</strong>r letztern die übrigen.<br />

Aehnlich treffen wir neuerdings auch bei v. Siebold<br />

die Gasteropo<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Cephalophoren, wie dieselben mit<br />

Meckel genannt wer<strong>de</strong>n, abgetheilt. Die Pteropoda, Heteropoda<br />

und Gasteropoda bil<strong>de</strong>n die drei Ordnungen 4 ) <strong>de</strong>rselben,<br />

obgleich bereits Blainville die sehr nahe Verwandtschaft<br />

<strong>de</strong>r erstem mit <strong>de</strong>n Pomatobranchiala hervorgehoben<br />

hat, und auch die Cuvierschen Gasteropo<strong>de</strong>n mehrere gewiss<br />

eben so hoch stehen<strong>de</strong> Gruppen umfassen, als die Heteropo<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>ren eine bil<strong>de</strong>n. Damit soll aber nicht gesagt<br />

wer<strong>de</strong>n, dass ich die Cuvierschen Ordnungen <strong>de</strong>r Gasteropo<strong>de</strong>n<br />

in ihrem ursprünglichen Umfang als Ordnungen will<br />

beibehalten wissen. Im Gegentheil lässt es sich nicht verkennen,<br />

dass hier die Beschaffenheit <strong>de</strong>r Kiemen als einziges<br />

Eintheilungsprincip nicht hinreicht, und dass manche <strong>de</strong>r von<br />

1) Das Genus Chiton bil<strong>de</strong>t bei Lamarck <strong>de</strong>n Repräsentant einer eigenen Klasse<br />

(<strong>de</strong>r Polyplaxiphora), die mit <strong>de</strong>n Cirripedien in einer beson<strong>de</strong>rn,' allen übri­<br />

gen Mollusken entgegen stehen<strong>de</strong>n Unterabtheilung -vereinigt ist.<br />

2) Dict. <strong>de</strong>s scienc. nat. T. XXXII.<br />

3) Die dadurch gebil<strong>de</strong>te Klasse bezeichnet Lamarck als die <strong>de</strong>r Mollusca. Die<br />

Acephalen bil<strong>de</strong>n als Conchifera eine eigene davon getrennte Klasse.<br />

4) Eben so bei Goldfuss, welcher als vierte Ordnung die Cephalopoda hinzu­<br />

setzt. Bei Burmeister sind die Heteropo<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n einge­<br />

reiht, während die Pteropoda neben <strong>de</strong>n Gasteropoda und Cephalopoda als eine<br />

beson<strong>de</strong>re Ordnung dastehen.<br />

12


178<br />

Cuvier aufgestellten Ordnungen kaumeinen grösseren Werth,<br />

als <strong>de</strong>n von Familien, haben.<br />

So müssen nach meiner Ansicht die Hypobranchiaten,<br />

Pomatobranchiaten und Pteropo<strong>de</strong>n in eine einzige gemeinschaftliche<br />

Ordnung, die ich vorläufig als die Ordnung <strong>de</strong>r<br />

Heterobranchiata bezeichnen möchte, vereinigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Sehr auffallend zeichnen sich dieselben durch eine eigenthümliche<br />

Anordnung <strong>de</strong>r Geschlechtsorgane vor allen übrigen<br />

Gasteropo<strong>de</strong>n aus. Auch in <strong>de</strong>r Structur <strong>de</strong>s Nervensystems<br />

und <strong>de</strong>r Verdauungsorgane zeigen sie manchfache<br />

Uebereinstimmungen. Durch die Hypobranchiaten näherl sich<br />

diese Gruppe <strong>de</strong>n Gymnobranchiaten, die mit <strong>de</strong>n Phlebenteren<br />

(Aphneusta Köllik.) eine zweite Ordnung bil<strong>de</strong>n. Aeusserlich<br />

sind die hierher gehören<strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n durch die<br />

Abwesenheit von eigentlichen Kiemen charakterisirt. Sehr<br />

passend möchte daher vielleicht für sie die Dumerilsche<br />

Bezeichnung <strong>de</strong>r Der m a tobranchia ta sein. In <strong>de</strong>r Anordnung<br />

<strong>de</strong>r Geschlechtstheile, so wie <strong>de</strong>s Nervensystems<br />

besitzen dieselben ebenfalls mancherlei Abweichungen von'.<br />

<strong>de</strong>n übrigen Gruppen. Die Cuvierschen Pulmonata 1 ),<br />

Heteropoda und C tenobranchiata scheinen mir sehr<br />

natürliche Ordnungen, durch manchfache anatomische Verhältnisse<br />

ausgezeichnet. Eben so die Cy clob ran chiata,<br />

die beson<strong>de</strong>rs durch die eigenthümliche Structur ihrer Geschlechtsorgane<br />

als eine selbstständige Ordnung 2 ) sich zuerkennen<br />

geben.<br />

Dagegen, glaube ich, müssen die Aspidobranchiata aufgelöst<br />

wer<strong>de</strong>n. Halyotis gehört offenbar zu <strong>de</strong>n Ctenobranchiaten,<br />

Fissurella und Emarginula vielleicht zu <strong>de</strong>n Pomatobranchiaten.<br />

Die CuyiersehenCirribranchiata zeigenmanch-<br />

1) Die zweigeschlechtlichen Lungenschnecken stehen vielleicht am besten bei <strong>de</strong>n<br />

Ctenobranchiaten, wohin sie auch von Blainville u. A. gerechnet sind.<br />

2) Das Gen. Chiton ist nach seiner ganzen Structur mit Patella so nahe verwandt,<br />

dass eine Trennung bei<strong>de</strong>r und eine beson<strong>de</strong>re Ordnung <strong>de</strong>r Polyplaxiphora<br />

Latr. o<strong>de</strong>r Crepidopoda Car., in welcher Chiton etwa eine Stelle fän<strong>de</strong>, mir<br />

sehr unnatürlich scheint.


179<br />

fache Anärogie mit <strong>de</strong>n Heteropo<strong>de</strong>n, wie Des Hayes 1 ) beson<strong>de</strong>rs<br />

hervorgehoben hat, während endlich die Tubulibranchiaten<br />

entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Pectinibranchiaten o<strong>de</strong>r vielleicht auch<br />

<strong>de</strong>n Heterobranchiaten möchten beizuzählen sein.<br />

Die Gruppen also, die ich einstweilen als Ordnungen<br />

<strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n zurechnen möchte, sind die Cyclobranchiata,<br />

Heterobranchiata, Dermatobranchiata, Pulmonata, Heteropoda<br />

und Ctenobranchiata.<br />

Als vierte und letzte Klasse <strong>de</strong>r Mollusken erscheinen) die<br />

Cephalopoda, die gewiss mit Recht eine eigene Klasse<br />

bil<strong>de</strong>n und nicht etwa, wie Lamarck, Nitzscb, Goldfuss,<br />

Burmeister u. A. es gethan haben, mit-<strong>de</strong>n Gasteropo<strong>de</strong>n<br />

(als Cephalica Nitzsch) vereinigt wer<strong>de</strong>n dürfen 2 ).<br />

Als Ordnungen <strong>de</strong>rselben möchten vielleicht die Dibranchiata<br />

und Tetrabranchiata 3 ) anzusehen sein, obgleich es nicht zu<br />

verkennen ist, dass die unterschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Charaktere dieser<br />

bei<strong>de</strong>n Gruppen kaum beträchtlicher sind, als diejenigen,<br />

welche sonst als Merkmale zweier verwandter Familien hingestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Möglich ist es daher, dass bei<strong>de</strong> Gruppen<br />

auch hier nur als eben so viele Familien angesehen wer<strong>de</strong>n<br />

mtlssen. Vielleicht wür<strong>de</strong> man dann unter <strong>de</strong>n zahlreichen<br />

ausgestorbenen Arten dieser Klasse (etwa in <strong>de</strong>n Belemniten)<br />

die Repräsentanten einer an<strong>de</strong>rn Ordnung zu suchen haben.<br />

1) Mem. <strong>de</strong> l'Acad. <strong>de</strong> la scienc. d'hist. nat. <strong>de</strong> Paris. T. IL p. 321.<br />

2) Nach<strong>de</strong>m oben die morphologische Uebereinstimmung in <strong>de</strong>m Bau <strong>de</strong>r Cephalo­<br />

po<strong>de</strong>n und Gasteropo<strong>de</strong>n nachgewiesen wor<strong>de</strong>n, bedarf wohl die Annahme von<br />

Meckel (a. a. O. S. 148.), dass die Cephalopo<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n übrigen Mollusken<br />

gänzlich zu trennen seien und eine selbstständige hoch organisirte Abtheilung<br />

unter <strong>de</strong>n wirbellosen Thieren bil<strong>de</strong>ten, nicht mehr einer beson<strong>de</strong>rn Wi<strong>de</strong>rlegung.<br />

3) Eine Ordnung (o<strong>de</strong>r Familie) <strong>de</strong>r Siphonifera s. Polythalamia, in welcher nach<br />

<strong>de</strong>r Beschaffenheit <strong>de</strong>r äussern Schale die differentesten Arten (Nautilus und<br />

Spirula) zusammengestellt wer<strong>de</strong>n, scheint mir sehr unnatürlich.


180<br />

Zusatz zu S. 35<br />

Während <strong>de</strong>s Druckes <strong>de</strong>r vorstehen<strong>de</strong>.. Schrift ist mir<br />

das Augustheft <strong>de</strong>r Annal. <strong>de</strong>s scienc. nat. 1847. mit einer<br />

Abhandlung von Derbes über die Entwicklung <strong>de</strong>r Seeigel<br />

in die Hän<strong>de</strong> gekommen. Die frühem Untersuchungen von<br />

DuEosse" ergeben sich hiernach als falsch. Der Embryo <strong>de</strong>r<br />

Echinen verwan<strong>de</strong>lt sich, ohne vorher sich festgesetzt zu<br />

haben, aus einem Anfangs sphärischen Körper in einen<br />

Pluteus. Die spätem Entwicklungsphasen kennen wir durch<br />

J. Müller, <strong>de</strong>ssen Untersuchungen „über die Larven und<br />

die Metamorphose <strong>de</strong>r Ophiuren und Seeigel" so eben ausführlicher<br />

erschienen sind. Die von mir ausgesprochene Vermuthung,<br />

dass die von Müller beobachteten Larven jener<br />

echinusartigen Echino<strong>de</strong>rmen Spatangi<strong>de</strong>n gewesen seien, fällt<br />

hiernach zusammen. Eben so die Angabe von Sars, dass<br />

die Madreporenplatte <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>s frühem .Stiels sei. Dieselbe<br />

ist vielmehr, wie Müller (a. a. 0. S."30.) nachweist,<br />

als Nabel zu betrachten und bezeichnet die Stelle, an welcher<br />

<strong>de</strong>r Schlund <strong>de</strong>s Pluteus mit <strong>de</strong>m späterhin in <strong>de</strong>n<br />

Darm <strong>de</strong>s ausgebil<strong>de</strong>ten Echino<strong>de</strong>rm verwan<strong>de</strong>lten Magen<br />

zusammenhing. — Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rn Seite giebt übrigens die<br />

hierdurch über allen Zweifel erhobene Uebereinstimmung in<br />

<strong>de</strong>r Entwicklungsweise <strong>de</strong>r Echini<strong>de</strong>n und Asteri<strong>de</strong>n — die<br />

altern Beobachtungen von Sars bedürfen unstreitig einer<br />

Revision — einen neuen Grund für die Vereinigung dieser<br />

Formen in einer gemeinschaftlichen Klasse, wie ich es oben<br />

(S. 43.) vorgeschlagen habe.<br />

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