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Entscheid vom 8. Juli 2009 Strafkammer - Bundesstrafgericht

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an die kriminellen Organisationen bezahlte, ermöglichte C. ein Geschäft, in welchem<br />

andere Abgaben an die kriminellen Organisationen bezahlten beziehungsweise bezahlen<br />

mussten, während er selbst in keiner Weise unter Druck stand.<br />

3.7.1 Nach Art. 17 StGB beziehungsweise Art. 34 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB handelt rechtmässig,<br />

wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder fremdes Rechts-<br />

gut aus einer unmittelbaren und nicht anders abwendbaren Gefahr zu retten und<br />

dabei höherwertige Interessen wahrt.<br />

3.7.2 Die Verteidigung bringt vor, die kriminellen Organisationen Sacra Corona Unita und<br />

Camorra hätten die Abgaben auf den umgesetzten Zigaretten unter Zwangs- und<br />

Gewaltandrohung erhoben; die Händler seien mit dem Tod bedroht gewesen für den<br />

Fall, dass sie die geforderten Gelder nicht an die Organisationen abgeführt hätten.<br />

Damit sei die Bezahlung von Abgaben an die kriminellen Organisationen durch Notstand<br />

gerechtfertigt.<br />

3.7.3 Wie ernsthaft die Bedrohung I.’s objektiv war, lässt sich nicht mit Sicherheit eruieren.<br />

Vor dem Hintergrund der notorischen Umstände in den süditalienischen krimi-<br />

nellen Milieus der 90er-Jahre und der notorischen Gewalttätigkeit der Sacra Corona<br />

Unita und der Camorra, musste I. mit einer Gefahr für Leib und Leben rechnen,<br />

wenn er nicht bezahlen würde. Dies bestätigt auch die Auskunftsperson VV. anläss-<br />

lich der Hauptverhandlung (TPF pag. 910.331 Z. 31). Insoweit wahrte er eindeutig<br />

höherwertige Interessen, indem er die kriminellen Organisationen mit seinen Abgaben<br />

finanziell unterstützte. Eine gesetzliche rechtfertigende Notstandssituation liegt<br />

gleichwohl nicht vor: Auch wenn man annimmt, die Gefahr sei unmittelbarer Art ge-<br />

wesen, fehlt es an der weiteren Voraussetzung, wonach die Gefahr nicht anders als<br />

durch die tatbestandsmässige Handlung – in casu die finanzielle Unterstützung der<br />

kriminellen Organisationen – abwendbar sein dürfe. Das ist offensichtlich nicht der<br />

Fall, zumal die Gefahr ja nur solange und insoweit bestand, als I. selbst an dem<br />

Schmuggelgeschäft teilnehmen wollte und auch teilnahm. Er hätte es nicht nur in<br />

der Hand gehabt, die Gefahr durch Verzicht auf den Handel sofort abzuwenden, der<br />

Verzicht wäre ihm auch ohne weiteres zuzumuten gewesen, zumal das Geschäft illegal<br />

war. Offen bleiben kann die Frage, ob auch derjenige sich strafbar macht oder<br />

sich auf Notstand berufen kann, der ein legales Geschäft betreibt und unter Gewalt-<br />

androhung kriminellen Organisationen Geld – in aller Regel fixe Beträge als Schutzgelder<br />

– abgibt. Jedenfalls ist die Annahme des Notstands für denjenigen ausge-<br />

schlossen, der ein illegales Geschäft betreibt, an welchem kriminelle Organisationen<br />

mittels erhobener Abgaben partizipieren. Alles andere widerspräche dem Prinzip der<br />

Einheit der Rechtsordnung, zumal I. damit ein geschütztes Recht zugestanden wür-<br />

de, ein rechtswidriges Geschäft zu betreiben und dabei gleichzeitig kriminelle Orga-<br />

nisationen zu unterstützen. I. hat demnach auch rechtswidrig gehandelt.

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