Entscheid vom 8. Juli 2009 Strafkammer - Bundesstrafgericht
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c) Die Deutung des historisch gewachsenen und ab 1996 monopolistisch gefes-<br />
tigten Handelssystems als Markt, mit persönlichen Interessen und in eigener<br />
Verantwortung tätiger Teilnehmer schliesst aus, dass es sich dabei um eine<br />
Organisation handelt, sie schliesst jedoch nicht aus, dass sich bestehende<br />
kriminelle Organisationen des Handelssystems bemächtigt haben könnten.<br />
Dazu nachfolgend mehr.<br />
d) Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass es sich beim inkriminierten<br />
Handelssystem mit unversteuerten Zigaretten als Ganzem nicht um eine Or-<br />
ganisation im Sinne des Gesetzes handelt.<br />
e) Damit erübrigt sich die weitere Prüfung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale.<br />
Der Vollständigkeit halber sei Folgendes hinzugefügt: Könnte und wollte<br />
man diesem Handelssystem die Eigenschaft einer Organisation zuschreiben,<br />
fehlte es jedenfalls an deren krimineller Zwecksetzung, hätte diese Organisa-<br />
tion doch keinen anderen Zweck gehabt, als sich mit dem zwar illegalen, nicht<br />
aber verbrecherischen Schmuggel und Handel mit unversteuerten Zigaretten<br />
zu bereichern. Daran vermöchte auch der Umstand nichts zu ändern, dass es<br />
im Umfeld des Handels, insbesondere des Transports der Ware in Italien zu<br />
Gewalttaten gekommen ist, liessen sich diese Taten doch kaum auf systematische<br />
Planung der hypothetischen Organisation zurückführen, sondern bloss<br />
den einzelnen Akteuren zurechnen, die ihre Ware gegen staatlichen Zugriff<br />
schützen wollten. Flächendeckende Gewaltanwendungen in Zusammenhang<br />
mit dem Zigarettengeschäft sind nicht erwiesen. Die hierorts Angeklagten,<br />
ausser I., hatten im Übrigen gar kein direktes Interesse am Schutz der illega-<br />
len Ware vor dem Zugriff der italienischen Behörden, da sie den Kaufpreis für<br />
die Ware, die in Italien transportiert und gelagert wurde, zu diesem Zeitpunkt<br />
jeweils schon lange erhalten hatten und das Geschäftsrisiko ausschliesslich<br />
von den italienischen Schmugglern und Schwarzhändlern getragen wurde.<br />
Zu keinem anderen Ergebnis führt schliesslich die lediglich pro memoria<br />
durchzuführende Prüfung der Geheimhaltung und Verschleierung der Geschäfte<br />
und der darin involvierten Personen. Das Phänomen als solches ist of-<br />
fensichtlich und bewiesen. Es handelt sich dabei zwar um gesetzlich notwen-<br />
dige Kriterien einer tatbestandsmässigen kriminellen Organisation, nicht jedoch<br />
um hinreichende Bedingungen, aus deren Vorliegen auf die Tatbe-<br />
standsmässigkeit geschlossen werden könnte; dies gilt umso mehr, als für die<br />
verschleiernden Umtriebe anderweitige plausible Gründe vorliegen, zumal das<br />
Geschäft als solches auch ohne Bezug zum organisierten Verbrechen wenigs-<br />
tens in Italien strafrechtlich verfolgt werden konnte und die Beteiligten damit<br />
ein unmittelbares eigenes Interesse an dessen Verschleierung hatten.