Entscheid vom 8. Juli 2009 Strafkammer - Bundesstrafgericht
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rettengeschäft involviert. Die Behauptung der Anklageschrift, diese beiden Or-<br />
ganisationen hätten den Zigarettenschwarzhandel kontrolliert und beherrscht,<br />
wird diesen Differenzen möglicherweise nicht gerecht beziehungsweise kann<br />
nur auf genereller Ebene gelten: Dass nämlich diese Organisationen sicher-<br />
stellten, selbst an dem Geschäft partizipieren zu können, ohne dass damit etwas<br />
über die Art und Weise dieser Partizipation gesagt wäre.<br />
• Dasselbe gilt für die einzelnen Clans der kriminellen Grossorganisationen, die<br />
in ganz unterschiedlicher Weise oder auch gar nicht in den Zigaretten-<br />
schwarzmarkt involviert gewesen sein können.<br />
• Schliesslich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die verschiedenen<br />
bestehenden kriminellen Organisationen in ganz Italien und im Verlauf der<br />
Zeit, wenn überhaupt, stets in derselben Weise in den Schwarzhandel mit Zigaretten<br />
involviert gewesen sind. Das ergibt sich unter anderem aus dem par-<br />
lamentarischen Untersuchungsbericht zum Phänomen des Zigaretten-<br />
schmuggels <strong>vom</strong> 6. März 2001 (VA BA Beilageordner 1 zur Anklageschrift,<br />
FN 1), vor allem aber auch aus der Aussage des Dirigente della Squadra Mo-<br />
bile von Neapel QQ.: Dieser führte als Zeuge in der Hauptverhandlung aus,<br />
dass die Camorra das Geschäft mit dem Tabakschmuggel aufgegeben habe,<br />
weil sie lukrativere Erwerbsquellen vor allem im Drogenhandel gefunden habe<br />
(TPF pag. 910.346 Z. 15 ff.). Erst in den 90er-Jahren, als man festgestellt ha-<br />
be, welch enorme Mengen an Zigaretten auf dem Schwarzmarkt umgesetzt<br />
würden, sei dieser <strong>Entscheid</strong> rückgängig gemacht worden und die Camorra<br />
habe sich des Geschäfts wieder angenommen (TPF pag. 910.347 Z. 21 ff.).<br />
• Schmugglerfamilien beziehungsweise Schmugglerclans sind grundsätzlich<br />
keine kriminellen Organisationen im Sinne der Camorra oder der Sacra Coro-<br />
na Unita. Die italienische Rechtsprechung subsumiert sie unter Art. 416 CPI<br />
(„associazione per delinquere“) und spricht von Personenzusammenschlüs-<br />
sen, die den Zweck haben, Straftaten („delitti“) zu begehen (auch der oben<br />
erwähnte parlamentarische Untersuchungsbericht spricht teilweise von kriminellen<br />
Organisationen, deren strafbare Handlung, ausschliesslich im Schmug-<br />
gelgeschäft liegt). Das Geschäft des Schmuggels an sich legaler Ware zum<br />
Zwecke der Steuer- und Zollumgehung wurde seit Langem von Clans und<br />
Familien betrieben, die sich in Italien fast ausnahmslos wegen organisierter<br />
beziehungsweise bandenmässiger Kriminalität strafbar gemacht haben, je-<br />
doch nicht beziehungsweise nur in Einzelfällen im Sinne des Mafiatatbestandes<br />
(Art. 416 bis CPI). Die auf die Schweiz übertragene Anwendung von<br />
Art. 416 CPI im Sinne von Art. 260 ter StGB ist zwar grundsätzlich möglich,<br />
würde aufgrund der Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit indes voraussetzen,<br />
dass das in Italien im Sinne des Organisationstatbestand began-