schaufenster / Kultur.Region / November 2012
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nicht nur eine Einführung in die Hausformen<br />
des Weinviertels sowie eine Vorstellung<br />
einiger der 80 Objekte im Museumsdorf,<br />
sondern auch einen Einblick in die musealen<br />
Aufgaben eines Freilichtmuseums wie Niedersulz<br />
– das Sammeln, Bewahren, Präsentieren<br />
und Vermitteln von historischer Weinviertler<br />
Architektur, Dorfstrukturen, Wohn-<br />
und Wirtschaftsformen, aber auch von Blumen,<br />
Obstbäumen, Kräutern und Gemüse in<br />
Gärten und auf landwirtschaftlichen Flächen.<br />
Fünf Arbeitsgruppen<br />
Grundsätzlich sollte der Inhalt der Lehrveranstaltung<br />
möglichst eng mit den im Museumsdorf<br />
vorhandenen Gebäuden und Objekten<br />
verknüpft werden. So bildeten die<br />
Studierenden fünf Arbeitsgruppen zu den<br />
Themen „Dorf als wirtschaftliches und soziales<br />
System“, „Hausgeschichte“ von ausgewählten<br />
Häusern im Museumsdorf – dem<br />
Streckhof aus Bad Pirawath, dem Zwerchhof<br />
aus Waidendorf und dem Kleinhäuslerhaus<br />
aus Wetzelsdorf –, „Grundherrschaft“ am<br />
Beispiel der Hofmühle aus Walterskirchen,<br />
„Kirche und Pfarrer im Dorf “ sowie „Weinbau“<br />
am Beispiel eines Presshauses aus Niedersulz<br />
im Museumsdorf. Zu diesen Themen<br />
forschten sie – tatkräftig unterstützt von den<br />
beiden Tutoren Mag. Martin Bauer und Mag.<br />
Rudolf Buchinger – im Niederösterreichischen<br />
Landesarchiv in St. Pölten und dessen<br />
Außenstelle in Bad Pirawath, im Diözesanarchiv<br />
Wien und in der Pfarre Sulz im Weinviertel.<br />
Angewandte Forschung<br />
Die Recherchen stellten eine direkte Verbindung<br />
zwischen wissenschaftlicher Analyse in<br />
der Theorie und angewandter Forschung an<br />
einem spezifischen musealen Objekt dar.<br />
Als Quellen wurden Katasterpläne mit den<br />
zugehörigen Besitzverzeichnissen, Beschreibungen<br />
der lokale Wirtschaftsweisen samt<br />
Kalkulation des Bodenertrags („Operate“),<br />
Personenstandslisten mit Angaben über die<br />
Angehörigen der Haushalte eines Dorfes<br />
(„Seelenbeschreibungen“), Verzeichnisse der<br />
Besitzstände an Vieh, Land, Gegenständen<br />
und Geld eines Verstorbenen („Inventare“),<br />
kirchliche Tauf-, Heirats- und Sterberegister,<br />
Pfarrchroniken und Pfarrakten sowie ältere,<br />
auf das Weinviertel Bezug nehmende oder<br />
Museumsdorf Niedersulz / 47<br />
Einblick für die Studierenden in das Weinviertler<br />
Dorfleben.<br />
aus dem Weinviertel stammende Literatur<br />
verwendet.<br />
Beispiel objekt nr. 54<br />
So konnte beispielsweise ein Stück der Weinbau-Geschichte<br />
von Niedersulz am Beispiel<br />
eines Presshauses (Objekt Nr. 54 im Museumsdorf)<br />
eruiert werden: Laut Bauparzellen-<br />
sowie Inventurprotokoll gehörte das Presshaus<br />
zum Haus Niedersulz Nr. 96. Dieses<br />
hatte Elisabeth Wagner gehört, die laut einem<br />
Inventurprotokoll am 26. 5. 1822 starb. Die<br />
Verstorbene hatte den Besitz mit Hilfe einer<br />
Magd und eines ortsansässigen Bauern, der<br />
die Zugarbeit gegen Bezahlung verrichtet<br />
hatte, bewirtschaftet. Allerdings wurden in<br />
Niedersulz – wie im Weinviertel üblich –<br />
auch Keller ohne Verbindung zu einem Presshaus<br />
angelegt, da sich nicht alle ein eigenes<br />
Presshaus leisten konnten. Das Bauparzellenprotokoll<br />
von Niedersulz weist 102 Wohnhäuser,<br />
aber nur 53 Presshäuser aus. Das<br />
bedeutet, dass nicht einmal alle Halblehner<br />
über ein eigenes Presshaus verfügten.<br />
In Inventuren ist auch von „Pressschüpfeln“,<br />
also von Holzbauten, in denen die Presse<br />
aufgestellt war, die Rede. Kleinere Landwirte<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Presshaus aus Niedersulz, Objekt Nr. 54.<br />
Ein weiteres Forschungsobjekt:<br />
der Waidendorfer Hof.<br />
pressten ihre Trauben in fremden Press-<br />
häusern gegen Abgabe eines Teiles der Ernte<br />
und transportierten anschließend den Most<br />
in Fässern in den eigenen Keller oder lagerten<br />
diesen in fremden Kellern ein. (Vgl. Josef<br />
Stöger, Die Landwirtschaft des Dorfes Niedersulz<br />
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.<br />
Seminararbeit im Rahmen des FPK Historische<br />
Grundlagenforschung für das Museumsdorf<br />
Niedersulz – Universität Wien, Sommersemester<br />
<strong>2012</strong>.)<br />
Die Studierenden hatten während der Forschungsarbeit<br />
Zugang zu den Objekten des<br />
Museumsdorfes und standen in engem Kontakt<br />
und Kooperation mit der wissenschaftlichen<br />
Leitung des Freilichtmuseums. Die<br />
Ergebnisse der Recherchen wurden in Form<br />
von Seminararbeiten dokumentiert und dienen<br />
dem Museumsdorf als Grundlage für<br />
zukünftige Beschriftungen, Folder oder Ausstellungen.<br />
So sollen die Synergieeffekte von<br />
universitärer Forschung und praktischer<br />
Museumsarbeit der Öffentlichkeit zugänglich<br />
gemacht werden. /<br />
Text: Veronika Plöckinger-Walenta<br />
Fotos: Museumsdorf Niedersulz