schaufenster / Kultur.Region / November 2012
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als Springschnüre aus Hanffasern „Für technische<br />
Anwendungen müssen die Seile geprüft<br />
sein. Das Prüfen ist eine teure Angelegenheit“,<br />
so der Seiler. Daneben wird, passend<br />
zum Grundmaterial des Seiles, Kleidung<br />
aus Hanffaser verkauft. In den rückwärtigen<br />
Trakten des Hauses liegt die Werkstätte.<br />
Wo beginnen?<br />
Dass die Werkstatt richtig schön alt ist und<br />
dass auf der dunklen, ölverschmierten<br />
Maschine, die das Seil zum Drehen bringt,<br />
Hanffasern wie Kükenflaum hängen? Dass<br />
die Transmissionsriemen schon x-mal geflickt<br />
sind und in all den vielen Werkstätten,<br />
die ich im Laufe meines Reporterinnendaseins<br />
besuchen konnte – überall das selbe<br />
Problem: Bitte, wo ist die Werkstatt, die für<br />
alte Werkstätten Transmissionsriemen aus<br />
Leder herstellt? Dass auf den Holztüren Zahlen<br />
mit Kreide notiert sind, Meterangaben,<br />
Mengenangaben etc., so wie es früher in allen<br />
Werkstätten zu sehen war? Dass unter dem<br />
Muttergottesbild ein Ölkännchen steht? Dass<br />
in einem Regal merkwürdige Kegel stehen,<br />
Mostviertel / 32<br />
Das Knäuel ist eindeutig eine Schnur (ein dünnes Seil) und kein Spagat. Für Interessierte: die Technik der Knoten.<br />
deren Zweck wir noch kennenlernen werden?<br />
Dass die Seilerbahn 30 Meter lang ist?<br />
Die Seilerbahn ist der Arbeitsraum der Seilerei.<br />
Die Länge braucht es, um die Litzen zu<br />
spannen, aus denen dann das Seil gedreht<br />
wird. Litzen sind die gesponnenen Hanffasern,<br />
die Eisserer als Halbfertigprodukt<br />
kauft. Das gesponnene Werksgarn wird am<br />
Haken der Maschine befestigt. Wenn der<br />
Seiler am Garn zieht, überträgt sich darauf<br />
die Drehbewegung des Motors. In die linke<br />
Hand nimmt er den Spinnfleck (ein befeuchteter<br />
Filzlappen) und mit der rechten Hand<br />
führt er ein weiteres vorbereitetes Werksgarn<br />
zu, das sich nun um das drehende Garn<br />
wickelt. So entstehen die so genannten<br />
Litzen.<br />
Um ein Seil in der Mitte dicker zu machen, so<br />
wie es für eine Springschur gebraucht wird,<br />
werden die Werkgarne, in der Länge verlaufend,<br />
zum drehenden Seil geführt, sodass in<br />
der Mitte mehr Garne zusammengedreht<br />
werden und das Seil hier dicker ist als dessen<br />
Enden.<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
„Meine Arbeit ist sauber und ich arbeite mit<br />
weichen und geschmeidigen Teilen. Daraus<br />
wird ein Produkt, das viel aushält.“ Klaus<br />
Eisserer ist begeistert. Und die Begeisterung<br />
vermittelt er auch in Kursen. „Leider war<br />
mein Vater schon tot, deshalb habe ich vieles<br />
als Autodidakt gelernt.“ Dass er den Kleinbetrieb<br />
weiterführt, war eine bewusste Entscheidung.<br />
„Wir haben uns entschlossen, ein<br />
Leben in einer altmodischen Bürgerlichkeit<br />
zu führen, mit einem eigenen Betrieb, dem<br />
Geschäft und der Familie unter einem Dach.“<br />
Eisserer ist einer von etwa einem Dutzend<br />
Menschen, die das Seilerhandwerk in Österreich<br />
noch ausüben.<br />
Zurück in die Werkstatt. Die Litzen sind vorbereitet.<br />
Seile können drei- oder vierlitzig<br />
sein. Wobei: So wie ein dreibeiniger Tisch<br />
nicht wackelt, so ist ein dreilitziges Seil am<br />
gleichmäßigsten gedreht. Die Hanffaser ist<br />
die reißfesteste Naturfaser. Das „38er“ ist das<br />
dickste Seil in Eisserers Geschäft – mit einer<br />
Zugkraft von 8.560 Dekanewton, das entspricht<br />
ungefähr 8.000 Kilogramm.