schaufenster / Kultur.Region / November 2012
schaufenster / Kultur.Region / November 2012
schaufenster / Kultur.Region / November 2012
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P.b.b. · Vertragsnummer 11Z038847 M · Erscheinungsort: 3452 Atzenbrugg · Verlagspostamt: 3451 Michelhausen · DVR: 0933 295<br />
Nachrichten aus der <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> Niederösterreich . <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
<strong>schaufenster</strong><br />
<strong>Kultur</strong>.region<br />
Wir sind Bühne<br />
<strong>Kultur</strong>preise <strong>2012</strong> / Volkskultur und <strong>Kultur</strong>initiativen<br />
Handwerk / Seilerei . Brauchkultur / Rund um Allerheiligen
Tanz. Musik.<br />
TanzMusik.<br />
Mehr BrauchTuM und VolkskulTur<br />
für niederösTerreich.<br />
wir schaffen<br />
das.<br />
www.noevers.at Wir schaffen das.<br />
WIEN NORD
Brücken haben in vielerlei Hinsicht Bedeutung.<br />
Zunächst einmal dienen sie als Bauwerke<br />
dem Überqueren von Flüssen, Schluchten,<br />
Straßenzügen oder ganzen Tälern. Gerne<br />
wird der Begriff Brücke auch als Metapher<br />
verwendet, um auf diese Weise verbindende<br />
Elemente oder Eigenschaften bildhaft zu<br />
erklären. Man spricht daher von Brückenbauern,<br />
die Gegensätze überwinden und<br />
Konflikte bereinigen, von tragfähigen Brücken,<br />
die auch bei argen Belastungsproben<br />
sicher standhalten, von Brücken in die Vergangenheit<br />
oder in die Zukunft, um das<br />
gegenwärtige Handeln zu behaupten, zu<br />
erklären und in den Lauf der Geschichte einzubinden,<br />
oder aber im negativen Sinn vom<br />
Abbruch von Brücken, wenn freundschaftliche<br />
Beziehungen beendet werden.<br />
Gerade die laufende Staffel der Kremser<br />
Kamingespräche zum Thema „Donau.Visionen“<br />
gibt Einblicke in die verschiedensten<br />
Aspekte, die mit Brücken einhergehen. Jede<br />
Editorial / 3<br />
Brücken bauen<br />
EINBLICK<br />
Konstruktive <strong>Kultur</strong>arbeit.<br />
neue Brücke fördert die Intensivierung von<br />
Beziehungen zwischen den Menschen beiderseits<br />
des Stromes, ob nun die neue Sankt-<br />
Georgs-Brücke den Zentralraum Niederösterreichs<br />
besser erschließt oder ob rund<br />
1.200 Kilometer flussabwärts die bald fertige<br />
Donaubrücke zwischen der bulgarischen<br />
Stadt Vidin und dem rumänischen Calafat<br />
enorme Verbesserungen für die Menschen<br />
beider Länder bringt. Nicht zuletzt versteht<br />
sich diese Brücke als weiterer Meilenstein im<br />
europäischen Integrationsprozess. Übrigens:<br />
Über diese und verschiedene andere Brücken<br />
macht sich Mella Waldstein ihre Gedanken,<br />
nachzulesen auf Seite 30.<br />
Die schönsten, funktionellsten und tragfähigsten<br />
Brücken helfen allerdings dann<br />
nicht weiter, wenn sie nicht beschritten oder<br />
befahren werden, wenn sie also im über-<br />
tragenen Sinn nicht als konstruktives Bindeglied<br />
verstanden werden. Bildungsresistenz<br />
gilt hier wohl als ein fundamentales Hinder-<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
nis, den Wert von solchen Brücken zu erkennen,<br />
mögen diese nun zu bisher nicht<br />
bekannten <strong>Region</strong>en, Menschen, <strong>Kultur</strong>en<br />
oder Wissensgebieten führen. Doch auch der<br />
entsprechende Wille und ein Quäntchen Mut<br />
gehören dazu, um sich auf das Gegenüber<br />
einzulassen. In besonderen Fällen kann es<br />
helfen, goldene Brücken zu bauen. Wer es<br />
allerdings ablehnt, selbst so einen Brückenschlag<br />
anzulehnen, sieht wahrscheinlich tiefe<br />
Gräben vor sich liegen.<br />
Konstruktive <strong>Kultur</strong>arbeit bedeutet jedenfalls,<br />
sowohl Brücken zu bauen als auch für<br />
ihre feste Verankerung an den Ufern zu sorgen.<br />
Allen Brückenbauern wünschen wir<br />
daher viel Kraft und Ausdauer, denn der Weg<br />
in eine erfolgreiche Zukunft führt über eine<br />
Vielzahl verschiedener Brücken.<br />
Dorli Draxler, Edgar Niemeczek<br />
MusiksCHuL<br />
management<br />
KULTUR . REGION<br />
NIEDERÖSTERREICH
ORgELKONZERT<br />
PRIMa La MusICa<br />
——————————————————<br />
Di, 20. 11. <strong>2012</strong>, 18.00 Uhr<br />
Konservatorium für Kirchenmusik der<br />
Diözese St. Pölten, Festsaal<br />
3100 St. Pölten, Klostergasse 10<br />
——————————————————<br />
Erstmals kommt es am 20. <strong>November</strong><br />
<strong>2012</strong> am Konservatorium für Kirchenmusik<br />
der Diözese St. Pölten zu einem<br />
gemeinsamen Konzert der niederösterreichischen<br />
Preisträger des Landeswettbewerbs<br />
prima la musica in der Wertungskategorie<br />
Orgel.<br />
In seiner langen Tradition wurde der<br />
niederösterreichische Landeswettbewerb<br />
heuer bereits zum 18. Mal ausgetragen<br />
und stellte mit über 1.000 Musikschülern<br />
bundesweit die größte Teilnehmeranzahl.<br />
Höchste Zeit, einmal jene in den Vordergrund<br />
zu rücken, die in der Regel aufgrund<br />
der Wahl ihres Instruments zwar<br />
hörbar, jedoch im Hintergrund weniger<br />
sichtbar sind: die Organisten.<br />
——————<br />
Information:<br />
Musikschulmanagement Niederösterreich<br />
Tel. 02742 90666 6100<br />
www.musikschulmanagement.at<br />
Top-Termine / 4<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
TOP-TERMINE<br />
Cd-PRäsENTaTION<br />
auF NaCh BEThLEhEM!<br />
——————————————————<br />
Do, 29.11.<strong>2012</strong>, 19.00 Uhr<br />
Trachten Tostmann, Bandlkramerladen<br />
1010 Wien, Schottengasse 3a<br />
——————————————————<br />
Rechtzeitig vor dem ersten Adventwochenende<br />
präsentiert die Volkskultur<br />
Niederösterreich ihre neue CD „Auf<br />
nach Bethlehem!“ Dem mehr als zwei<br />
Jahrtausende alten Ruf der einfachen<br />
Hirten, nach Bethlehem zu pilgern, um<br />
die Geburt Christi zu feiern, folgten<br />
auch Instrumental- und Vokalensembles:<br />
D’Schlofhaumbuam, der Familiendreigesang<br />
Knöpfl, Rohrblatt und Salterina<br />
sowie die Harfenistin Andrea Hampl<br />
machten sich auf die Suche nach volksmusikalischen<br />
Raritäten rund um den<br />
Weihnachtsfestkreis. Der musikalische<br />
Bogen spannt sich von der Herbergssuche<br />
über Verkündigungslieder und<br />
Gesänge der Hirten bis zu Liedern zum<br />
Neuen Jahr und Dreikönig. Mitwirkende<br />
Ensembles umrahmen die Veranstaltung.<br />
——————<br />
Information und Anmeldung:<br />
Volkskultur Niederösterreich<br />
Tel. 02275 4660, office@volkskulturnoe.at<br />
www.volkskulturnoe.at<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
NIEdERösTERREIChIsChEs<br />
advENTsINgEN BEIM<br />
gRaFENEggER advENT<br />
——————————————————<br />
Do, 6., und Fr, 7. 12. <strong>2012</strong>, 19.00 Uhr<br />
Auditorium Schloss Grafenegg<br />
——————————————————<br />
Herausragende Gesangs- und Instrumentalensembles<br />
aus Niederösterreich<br />
stimmen mit traditionellen Liedern und<br />
Weisen auf Weihnachten ein.<br />
Chor Haag, Mostviertler BlechMusikanten,<br />
der Familiendreisang Knöpfl und<br />
NiglHoga Stubnmusi<br />
Lesung: Adi Hirschal<br />
Moderation & Konzept: Dorli Draxler und<br />
Edgar Niemeczek<br />
Karten: EUR 14,00 bis 24,00<br />
Mit der Eintrittskarte erhält jeder<br />
Besucher einmalig freien Eintritt zum<br />
Grafenegger Advent!<br />
——————<br />
Information und Karten:<br />
Auditorium Grafenegg:<br />
Tel. 02735 5500<br />
Tonkünstler-Kartenbüro:<br />
Tel. 01 586 8383<br />
www.grafenegg.at
Volkskultur & <strong>Kultur</strong>initiativen<br />
6 / <strong>Kultur</strong>preise <strong>2012</strong><br />
iMPreSSuM<br />
——————<br />
Haus der <strong>Region</strong>en<br />
8 / südtirol – Eine<br />
Erfolgsgeschichte<br />
——————<br />
Haus der <strong>Region</strong>en<br />
11 / sizilien<br />
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Brauchkultur<br />
14 / Rund um allerheiligen<br />
——————<br />
Gala-Abend<br />
16 / Botschafter der Tracht<br />
——————<br />
Musikschulen<br />
18 / annie – das Musical<br />
——————<br />
Musikschulen<br />
21 / Musiktheater<br />
——————<br />
Industrieviertel<br />
23 / Leopoldi<br />
——————<br />
Inhalt / 5<br />
<strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
INhaLT<br />
Weinviertel<br />
24 / Mundart<br />
——————<br />
Weinviertel<br />
27 / Literarisches<br />
am Brandlhof<br />
——————<br />
Forschung<br />
28 / streng geheim!<br />
——————<br />
Donau.Visionen<br />
30 / Brücke Nummer zwei<br />
——————<br />
Mostviertel<br />
31 / altes handwerk<br />
——————<br />
Chorszene Niederöstererich<br />
34 / Chorleiter „on tour“<br />
——————<br />
Auslage<br />
36 / Bücher, Cds & feine Ware<br />
——————<br />
<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong><br />
38 / Fortbildung<br />
——————<br />
Herausgeber: Dr. Edgar Niemeczek, Dorothea Draxler. Chefredakteurin: Mella Waldstein. Redaktionsteam: Karin Graf, MA, Mag. Günter Fuhrmann, Mag. Michaela Hahn, Dr. Lejla<br />
Halilovic, Mag. Katharina Heger, Mag. Marion Helmhart, Otto Kurt Knoll, DI Claudia Lueger, Dr. Freya Martin, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Michaela<br />
Weiss, Mag. Anita Winterer, Mag. Eva Zeindl, Mag. Michaela Zettl. MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Gabriele Burian, Mag. Thomas Hofmann, Josef Schick, Elisabeth Schiller,<br />
Dr. Elsbeth Wallnöfer, Mag. Karin Weber-Rektorik, Dr. Helga Maria Wolf. Produktionsleitung, Marketing, Anzeigen und Beilagen: Mag. Marion Helmhart. Eigentümer/Medieninhaber:<br />
Volkskultur Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg, Schlossplatz 1, FN 308711m, LG St. Pölten. Tel. 02275 4660, office@volkskulturnoe.at, www.volkskulturnoe.at.<br />
Geschäftsführung: Dorothea Draxler, Dr. Edgar Niemeczek. Sekretariat: Petra Hofstätter, Tina Schmid. Grafik/Layout: Atelier Olschinsky Grafik und Design GmbH, 1060 Wien.<br />
Druck: good friends Druck- und Werbeagentur GmbH. Verlagspostamt: 3451 Michelhausen. Versandpostamt: Verteilerzentrum BZW 1000. ISSN 1680-3434<br />
Copyrights: <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong>.Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg. Artikelübernahme nur nach Vereinbarung mit dem Herausgeber. Fotos: wenn nicht anders angegeben, Bildarchiv<br />
der Volkskultur Niederösterreich GmbH. Ziel der Zeitung: Information und Berichterstattung über Kunst und <strong>Kultur</strong> und ihre gesellschaftlichen Bedingtheiten mit besonderer<br />
Berücksichtigung der <strong>Region</strong>alkultur im Bundesland Niederösterreich, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, Ankündigungen und Hinweise.<br />
Alle in der Zeitschrift verwendeten Begriffe, Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form selbstverständlich in gleicher Weise<br />
auf Frauen und Männer.<br />
Cover: Bei den Proben der Musikschülerinnen für das Musical Annie, Foto: Nikolaus Korab.<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Stadtmuseum Traiskirchen<br />
40 / der Ferntöner<br />
——————<br />
Österreichische Bernsteinstraße<br />
42 / Museumsnetzwerk<br />
——————<br />
Amethyst Welt Maissau<br />
44 / voll violett<br />
——————<br />
Museumsdorf Niedersulz<br />
46 / university goes<br />
Museumsdorf<br />
——————<br />
Museumsdorf Niedersulz<br />
48 / Taten, nicht Worte<br />
——————<br />
<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong><br />
49 / Intern<br />
——————<br />
50 / die letzte seite<br />
——————
Würdigungspreis Volkskultur<br />
<strong>Kultur</strong>preise <strong>2012</strong> / 6<br />
EIN<br />
vERBaNdLER<br />
Rudi Pietsch – Musiker, Forscher, Lehrer.<br />
Rudi Pietsch mit „seinen“ Tanzgeigern. V. l. n. r.: Rudi Pietsch, Walter Burian, Dieter Schickbichler,<br />
Marie-Theres Stickler, Claus Huber, Michi Gmasz, Hannes Martschin.<br />
Eine schillerndere Persönlichkeit lässt sich<br />
schwer finden: ein bewegter und bewegender<br />
Mensch, der stets mit unvorhersehbaren, gar<br />
unglaublichen Reaktionen sein Gegenüber<br />
überrascht, wendig und pointiert formuliert,<br />
musikalisch wie verbal, mit unverwechselbarem<br />
charakterlichen wie physiognomischen<br />
Profil – das und vieles mehr ist Rudi<br />
Pietsch.<br />
Wenngleich er tief verwurzelt ist in seiner<br />
Heimat Niederösterreich, gleich einem 60<br />
Jahre alten Rebstock, ist sein Zuhause eigentlich<br />
die Welt. Ein Grenzgänger ist er, ein<br />
Grenzüberschreiter. Und er denkt grenzenlos.<br />
Sein freidenkerischer Geist, umspielt<br />
vom Ostinato der heimatlichen Verbundenheit,<br />
prägt sein Leben und Schaffen in vielfältigen<br />
Wirkungskreisen.<br />
Der geiger<br />
Seine geigerischen Qualitäten hat er in frühen<br />
Jahren in der Familienmusik entwickelt,<br />
während weiterer musikalischer Allianzen<br />
in seiner Sturm-und-Drang-Zeit ausgebaut<br />
und preziös geschliffen als Primas der<br />
„Tanzgeiger“, die er ins Leben gerufen hat. In<br />
inzwischen mehr als drei Jahrzehnten<br />
Lebens- und Musikgeschichte der „Tanzgeiger“<br />
haben sich die Instrumentierung,<br />
das Repertoire und Besetzung gewandelt.<br />
Konstant geblieben sind die Vertrautheit mit<br />
den eigenen musikalischen Wurzeln und die<br />
Hellhörigkeit für das Fremde. Auf unzähligen<br />
Reisen durch die ganze Welt hat sich<br />
ihre Musik aus Österreich als unmissverständliche<br />
Sprache bewährt. Sie präsentieren<br />
sich kraftvoll, virtuos, mitreißend, feu-<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
rig, verrückt, stets authentisch und mit einer<br />
gehörigen Portion Selbstironie.<br />
Der Wissenschaftler<br />
In Wien hat er Schulmusik studiert und ist<br />
später als lehrender Wissenschaftler am Institut<br />
für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie<br />
der Universität für Musik und darstellende<br />
Kunst ebendort tätig geworden. Als<br />
Überbringer von Volkskulturpaketen, die er<br />
im Rahmen von leidenschaftlich begangenen<br />
Feldforschungen und Exkursionen in diversen<br />
<strong>Region</strong>en Niederösterreichs, Österreichs<br />
und Ländern der Welt bunt befüllt hat mit<br />
gesammelten Tänzen, Bräuchen, Melodien<br />
für jeden Anlass im Leben, steht bei ihm die<br />
Anwendbarkeit dieser Inhalte stets im Vordergrund.<br />
Er hat sie bis heute an ca. 4.000<br />
Studenten – ihrerseits Multiplikatoren – weitergereicht<br />
mit dem Auftrag, nie nur Teilaspekte<br />
dieser Inhalte zu betrachten, sondern<br />
sie als Ganzes im großen Zusammenhang zu<br />
sehen und durch Innenansicht zu verstehen.<br />
Das musikalische Vorbild<br />
Ein Motor, ein Macher, ein Anreger, ein Verbandler<br />
ist er. Viele Musiker hat er zu Ensembles<br />
zusammengeführt und gecoacht, die<br />
heute aus der österreichischen <strong>Kultur</strong>szene<br />
nicht mehr wegzudenken sind. Er ist mitverantwortlich<br />
für die Entstehung des Weltmusikfestivals<br />
„glatt & verkehrt“ in Krems. Für<br />
Radio NÖ hat er Sendungen programmiert<br />
und verfasst und so für die Verbreitung von<br />
Volksmusik aus Niederösterreich gesorgt. Für<br />
den Konzertzyklus „Musikanten“ im Wiener<br />
Konzerthaus ist er Kurator. Sein Urteil als<br />
Juror wird bei Volksmusikwettbewerben<br />
landauf landab hoch geschätzt. Als Herausgeber<br />
etlicher Notenhefte und wissenschaftlicher<br />
Publikationen hat er unzählige Tanzmusikstücke<br />
vor allem niederösterreichischer<br />
Abkunft ins Leben zurückgeholt. Abertausende<br />
Zuhörer seiner Konzerte hat er als<br />
Meister der Stegreifmoderation begeistert<br />
durch die geniale Verquickung von ethnologischem<br />
Wissen und bester Unterhaltung.<br />
Rudi Pietsch ist ein Phänomen. Er ist der<br />
Brennstoff, der sich selbst verzehrt und dabei<br />
stets erneuert. Möge das zeit seines Lebens so<br />
bleiben. /<br />
Text: Gabriele Burian<br />
Foto: Die Tanzgeiger
Anerkennungspreis<br />
<strong>Kultur</strong>initiativen<br />
KEINE aNgsT<br />
vOR „quOTENgIFT“<br />
Der <strong>Kultur</strong>hof Amstetten und sein<br />
ungewöhnliches Programm.<br />
Wer Visionen hat, braucht einen Arzt, meinte angeblich einst Helmut<br />
Schmidt. Es ist wohl eher umgekehrt: Wenn man für die Planung eines<br />
<strong>Kultur</strong>vereines ein wenig durchgeknallt ist, kann das kein Nachteil<br />
sein. In Amstetten hat man sich an dieses Motto gehalten und mit einer<br />
gehörigen Portion Unerschrockenheit eine <strong>Kultur</strong>initiative gegründet,<br />
die einzigartig war im Land und vermutlich darüber hinaus. Das war<br />
im Jahr 1992. Die Idee: Eine Plattform für Gedankenaustausch zu verschiedenen<br />
gesellschaftlich relevanten Themen gründen; eine Vereinigung,<br />
die sich einem emanzipatorischen Politik-, Geschichts- und<br />
<strong>Kultur</strong>verständnis verpflichtet fühlt und den Zusammenhang zwischen<br />
<strong>Kultur</strong> und Politik nicht unterschlägt. Man wollte ein Publikum<br />
gewinnen, das Interesse am Diskurs und am intellektuellen Austausch<br />
hat sowie Freude an hochwertigen Inputs. Bis heute wird folgerichtig<br />
ein Veranstaltungsmix umgesetzt, der weit weg von den üblichen<br />
Aktivitäten von <strong>Kultur</strong>initiativen ist. Den Großteil des Programms<br />
bilden Angebote mit Wortanteil: Lesungen und Vorträge, hochwertig,<br />
ohne Angst vor großen Namen und thematisch immer am Puls der<br />
Zeit. Abgerundet werden diese Aktivitäten durch die „philosophischen<br />
Cafés“, freie Diskussionsabende zu vorgegebenen Themen. Man<br />
bewegt sich also weitgehend in einem Bereich, der gemeinhin als Quotengift<br />
gilt. Geradezu märchenhaft mutet es daher an, dass dieses so<br />
ungewöhnliche Konzept seit 20 Jahren funktioniert. Gründungsmitglied<br />
Fritz Rafetseder: „Wir sehen die Wirkung unserer Aktivitäten auf<br />
das Geschehen zwar als sehr begrenzt, aber andererseits haben wir eine<br />
gefühlte wichtige Funktion als gesellschaftlicher Sauerteig.“ Na bitte. /<br />
www.kulturhof.at<br />
Text: Josef Schick, Foto: Helmut Lackinger<br />
<strong>Kultur</strong>preise <strong>2012</strong> / 7<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Anerkennungspreis<br />
<strong>Kultur</strong>initiativen<br />
EINE BaLaNCE<br />
dEs MaChBaREN<br />
Über das feine Literaturmagazin<br />
DUM.<br />
V. l. n. r.: Andreas Frühwald, Ernst Gassner, Franz Helm und Fritz Rafetseder Wolfgang Kühn.<br />
DUM wurde von Reinhard Paschinger und Wolfgang Kühn im Oktober<br />
1992 erfunden und gemeinsam mit Erich Engelbrecht ins Leben<br />
gebracht. Die erste Ausgabe erschien am 24. Dezember desselben Jahres<br />
und wurde in wenigen kopierten Ausgaben an die Besucher der<br />
Christmette verschenkt. Die Frage, ob das jetzt täglich komme, zeugte<br />
immerhin von Interesse, und so ging man weiter ans Werk.<br />
Poetische Qualität<br />
DUM ist auf ungewöhnliche Art erfolgreich: Es bleibt klein, ohne<br />
dadurch an Bedeutung zu verlieren oder daran zugrunde zu gehen. Es<br />
braucht kein Wachstum, um für die Leserschaft spannend und frisch<br />
und für die Herausgeber erfüllend zu bleiben. Es schafft gekonnt eine<br />
Balance des Machbaren. Den Hauptteil des Heftes bilden Prosatexte,<br />
Textauszüge und Lyrik von Autoren aus dem gesamten deutschsprachigen<br />
Raum, vervollständigt durch Interviews und Rezensionen.<br />
Auffallend viele Junge und Autorinnen finden hier ihre Öffentlichkeit,<br />
von auffallender poetischer Qualität sind die Texte.<br />
Die Geschichte von DUM ist aber auch eine Geschichte von Wolfgang<br />
Kühn, dem einzigen noch aktiven Gründungsmitglied. Gemeinsam<br />
mit Kathrin Kuna und Markus Köhle gibt er die Zeitschrift heraus.<br />
Ausgestattet mit einer soliden Gelassenheit und stets auf der Suche<br />
nach neuen Ansätzen, treibt ihn die Freude an jeder neuen Ausgabe<br />
voran. Er sagt, jede sei wie ein Kind für ihn. /<br />
www.dum.at<br />
Text: Josef Schick, Foto: Helmut Lackinger
Haus der <strong>Region</strong>en / 8<br />
Südtirol<br />
ERFOLgsgEsChIChTE<br />
Vor 20 Jahren erklärte die italienische Regierung dem Staat Österreich als Schutzmacht der Südtiroler,<br />
sie hätte die Vertragspunkte ratifiziert. Dies führte zur „Streitbeilegungserklärung“ von Seiten Österreichs.<br />
Die hochmittelalterliche Haderburg/Castello di Salorno oberhalb von Salurn markiert seit alters her die Grenze zwischen dem deutschen und italienischen Sprachraum.<br />
Kriegsende 1918. Die Welt liegt in Trümmern.<br />
Hunger, Not und Seuchen regieren.<br />
Vier Jahre waren seit Ausbruch des Krieges<br />
vergangen. Am Ende sollten annähernd 40<br />
Staaten am ersten großen geopolitischen<br />
Machtgerangel beteiligt sein. Das Ergebnis<br />
war eine Unzahl Toter und Verletzter und ein<br />
Chaos, das der politischen Neuordnung<br />
bedurfte. Im Jänner 1919 tritt in Paris die<br />
Friedenskonferenz zusammen. Die Verhandlungen<br />
sollten in einem Friedensvertrag<br />
enden, der am 7. Mai 1919 als Vertragsentwurf<br />
des so genannten Versailler Vertrag den<br />
Verlierern vorgelegt wurde. Die teilweise sehr<br />
rigiden Vertragspunkte (Reparationszah-<br />
lungen, Bündnisverbote) sollten, so sind sich<br />
Fachleute heute einig, Folgen bis heute zeitigen.<br />
Als Ergebnis dieses Versailler Vertrages<br />
nun wurde auch die territoriale Neuregelung<br />
der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie<br />
geregelt. Am 10. September 1919<br />
unterzeichneten die alliierten Mächte mit<br />
Österreich in der Person des Staatskanzlers<br />
Dr. Karl Renner in der Nähe von Paris den<br />
381 Artikel umfassenden Vertrag von St. Germain<br />
en Laye. Österreich sollte fortan Südtirol,<br />
Welschtirol, das Friaul und Triest an Italien<br />
abtreten. Weitere Gebietsabtretungen<br />
waren bereits erfolgt. Das Original des Vertrages,<br />
das in Paris aufbewahrt wurde, ist<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
nunmehr verschollen. Man vermutet, dass<br />
dieser während der Kriegsjahre des Zweiten<br />
Weltkrieges in Berlin, wohin Nazi-Deutschland<br />
den Vertrag bringen ließ, den Verwüstungen<br />
zum Opfer fiel.<br />
Österreich jedenfalls war in seiner territorialen<br />
Neuordnung zu einem Rumpfstaat<br />
geworden, der sich politisch und kulturell<br />
neu zu formieren hatte. Der Wegfall Südtirols<br />
sollte in den ersten Tagen nicht das vordringlichste<br />
Problem des neuen Österreichs sein.<br />
Hingegen für Südtirol war der Pariser Vertrag<br />
eine vollendete Tatsache, die das Land bis auf<br />
den heutigen Tag beschäftigt.
Filmszenen aus „Verkaufte Heimat“ …<br />
… aus den Jahren 1989 bis 1994 …<br />
Am Tag des Waffenstillstands, dem 3. <strong>November</strong><br />
1918, besetzten italienische Truppen<br />
das deutschsprachige Territorium des heutigen<br />
Südtirol. Die deutschsprachigen kaisertreuen<br />
Tiroler sahen sich ab diesem Zeitpunkt<br />
einer neuen, fremdsprachigen nationalen<br />
Herrschaft ausgesetzt, die sich sehr<br />
bald – vor allem ab dem Zeitpunkt, ab dem<br />
die Faschisten zu regieren begannen – als<br />
wenig pfleglich im Umgang entwickelte.<br />
Herrschaft und Symbol<br />
Mit Mussolinis Marsch auf Rom im Jahre<br />
1922 und der damit verbundenen Entmachtung<br />
des italienischen Königs brach über die<br />
sich als österreichisch fühlenden Südtiroler<br />
eine Welle der Unterdrückung herein. Den<br />
Tirolern wurde verboten, die eigene Muttersprache<br />
zu sprechen, ihre Trachten zu tragen<br />
und ihre Feiertage so zu gestalten, wie sie es<br />
gewohnt waren. Deutsche Bücher zu besitzen<br />
war in den Augen der neuen Herrschaft<br />
ebenso ungern gesehen, wie deutsche Namen<br />
zu tragen.<br />
Haus der <strong>Region</strong>en / 9<br />
… von den Regisseuren Karin Brandauer und Gernot Friedel. Fotos: ORF.<br />
Bozen, schon seit dem ausgehenden Mittelalter<br />
als wichtige Handelsstadt bekannt,<br />
wurde in Windeseile italianisiert. Faschistische<br />
Herrschaftsarchitektur überzog das<br />
beschauliche Städtchen und eine beträchtliche<br />
Anzahl von Süditalienern wurde in<br />
Südtirol angesiedelt. Die Assimilierungspolitik<br />
gipfelte im so genannten Siegesdenkmal,<br />
das die Faschisten auf dem Siegesplatz errichteten<br />
und das den Einheimischen vermitteln<br />
sollte, sie würden nunmehr von ihrer barbarisch<br />
germanischen Unterlegenheit zur<br />
römisch zivilisierten Vollkommenheit geführt<br />
werden. Noch heute geben rechte italienische<br />
Politiker sich an diesem Platz ein<br />
Stelldichein.<br />
Während sich also nördlich des Brenners eine<br />
Erstarkung des Deutschen ihren Weg bahnte,<br />
durfte man in Südtirol nicht einmal mehr in<br />
Tracht zur Prozession gehen. Nicht ohne Einfluss<br />
und Hoffnung blickte man daher nach<br />
Hitlerdeutschland, ganz besonders, nachdem<br />
die Annexion Österreichs so reibungslos von-<br />
stattenging.<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Doch alle Hoffnungen sollten sich recht<br />
schnell zerschlagen, denn Hitler und Mussolini<br />
unterzeichneten im Jahr 1939 einen Pakt,<br />
der das Territorium Südtirols unangetastet<br />
lassen sollte – es den Südtirolern jedoch möglich<br />
machte, nach Nazideutschland auszuwandern.<br />
Als so genannte „Option“ ging das<br />
Projekt in die Geschichte ein. Es hat bei<br />
nüchterner Betrachtung keinem der Beteiligten<br />
Erfolg beschert. Südtirols Gesellschaft<br />
spaltete sich in Dableiber und Optanten, je<br />
nach Blickwinkel war man ein Verräter: entweder<br />
an der deutschen Sache oder am eigenen<br />
Land. Bis auf heutige Tage überzieht<br />
dieses Thema Südtirol wie ein Schleier, der<br />
nur ab und an gelüftet wird und so manchen<br />
Historiker noch zu beschäftigen weiß.<br />
<strong>Kultur</strong> & Politik als rechtsform<br />
Die kulturelle Vielfalt und Selbstsicherheit<br />
Südtirols jedenfalls wurde zu allen Zeiten<br />
ganz bewusst zu einem Instrumentarium des<br />
Widerstandes genutzt. Die Hoffnung, nach<br />
einer erneuten Neustrukturierung Europas
im Zuge der Aufteilung während des Jahres<br />
1945, hatte sich für die Südtiroler recht<br />
schnell zerschlagen. Erneut verhandelte man<br />
in Paris, wiederum verblieb Südtirol bei Italien.<br />
Österreichs Außenminister Karl Gruber<br />
und Italiens Ministerpräsident Alcide De<br />
Gaspari unterzeichneten schließlich den nach<br />
ihnen benannten Vertrag (Gruber-De-Gaspari-Abkommen),<br />
der allerdings diesmal den<br />
besonderen Schutz der deutschsprachigen<br />
Bevölkerung berücksichtigte. Dieser Vertrag<br />
sicherte u. a. den Südtirolern das Recht auf<br />
Schulunterricht in der Muttersprache, den<br />
Schutz der kulturellen Vielfalt, die Gleichstellung<br />
mit den Italienern vor öffentlichen<br />
Ämtern (Gericht), die Eigennamen in der<br />
Muttersprache führen zu dürfen und Ortsbezeichnungen<br />
in deutsch führen zu können.<br />
Obwohl der Vertrag umfangreich war, ging<br />
die Ratifizierung recht schleppend voran.<br />
Nicht zuletzt durch die Zusammenlegung der<br />
Provinzen Trentino und Südtirol und den<br />
Fortgang der Zuzugspolitik durch die Italiener.<br />
Dies führte zur Radikalisierung einer<br />
Gruppe von Südtirolern, die sich im BAS<br />
(Befreiungsausschuss Südtirol) zusammenfanden<br />
und im Juni 1961 in einer in die<br />
Annalen als Feuernacht eingegangenen Bombennacht<br />
ganz Europa aufschreckten. In der<br />
Folge gab es auf beiden Seiten Tote – auch<br />
dieser Teil der Geschichte Südtirols wird heftig<br />
debattiert, sorgt noch immer für Unruhe<br />
unter Historikern, Politikern und den Südtirolern.<br />
Noch vor diesen Ereignissen sah sich Österreich<br />
aufgrund der schleppenden Umsetzung<br />
der Vertragspunkte des Gruber-De-Gaspari-<br />
Abkommens gezwungen, das Problem zu<br />
internationalisieren. Der damals noch junge<br />
Außenminister und Sozialdemokrat Bruno<br />
Kreisky nahm sich der von den Südtirolern<br />
vorgebrachten Probleme an und brachte das<br />
Völkerrechtsproblem vor die UNO. Damit<br />
fand eine kleine Gruppe selbstbewusster<br />
Menschen in den abgeschiedenen Tälern der<br />
Alpen international Gehör. Hand in Hand<br />
fanden laufend Verhandlungen zwischen<br />
Österreich unter Einbeziehung von Vertretern<br />
Südtirols und Italien statt.<br />
Dieses beispiellose Vertragswerk zum Schutz<br />
einer Minderheit ist nunmehr nahezu vollendet.<br />
Im Jahr 1992, als Europa in einem fortgeschrittenen<br />
Stadium der Vergemeinschaftung<br />
Haus der <strong>Region</strong>en / 10<br />
Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll überreicht dem Südtiroler Landeshauptmann Dr. Luis Durnwalder das<br />
„Goldene Komturkreuz mit dem Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich“.<br />
Bei ihrem Arbeitstreffen sprachen sie über die Stärkung der <strong>Region</strong>en in der EU, innovative Projekte für<br />
Tourismus und Handwerk sowie alternative Energien. Foto: NLK/Filzwieser.<br />
vorangeschritten war, teilte die italienische<br />
Regierung dem Staat Österreich als Schutzmacht<br />
der Südtiroler mit, sie hätte die Vertragspunkte<br />
ratifiziert. Dies führte zur so<br />
genannten Streitbeilegungserklärung von<br />
Seiten Österreichs, dernach man einen bereits<br />
im Jahr 1919 getroffenen Vertrag zum<br />
Schutze einer kleinen Gruppe über viele<br />
wechselvolle Jahre zum Erfolg geführt hatte.<br />
„geheimnisse“ des erfolgs<br />
Zwischen diesen politisch-völkerrechtlichen<br />
Jurisdiktionen fand parallel eine ungebrochene<br />
Pflege kultureller Verwandtschaft zwischen<br />
Österreich und Südtirol statt. Der<br />
überwiegende Teil der Südtiroler besuchte<br />
Österreichs Universitäten – sie bildeten Südtirols<br />
zukünftige Eliten aus.<br />
Die kulturelle Förderung Südtirols fand nicht<br />
zuletzt mit Hilfe finanzieller Unterstützung<br />
Österreichs statt. Lebenslange Freundschaften<br />
und Partnerschaften, darunter die zwischen<br />
den derzeitigen Landeshauptleuten<br />
Niederösterreichs und Südtirols, wurden<br />
noch während Studententagen geknüpft.<br />
Daran hat sich bis heute nicht viel geändert,<br />
mit dem kleinen Unterschied, dass Südtirol<br />
und seine Bewohner durch ihre mehrsprachliche<br />
Kompetenz (dt.-ital.) im Ausland beein-<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
drucken, diese ein gelungenes Beispiel für<br />
eine formvollendete Minderheitenpolitik<br />
darstellen. /<br />
Text: Elsbeth Wallnöfer<br />
südTIROL<br />
IM haus dER REgIONEN<br />
———————————————————<br />
Do, 8. 11. <strong>2012</strong><br />
Teil 1: 17.00 Uhr, Teil 2: 20.15 Uhr<br />
Verkaufte Heimat<br />
Regie: Karin Brandauer; beide Filme<br />
werden einleitend vom Drehbuchautor<br />
Felix Mitterer kommentiert.<br />
Eintritt frei!<br />
Sa, 10. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />
Südtiroler Huangart<br />
Als Huangart werden in Südtirol<br />
Musikantenstammtische bezeichnet.<br />
Im Haus der <strong>Region</strong>en zu Gast:<br />
Teiser Tanzlmusig, Latzfonser Viergesang<br />
Kat. I: VVK: EUR 14,00, AK: EUR 16,00<br />
Kat. II: VVK: EUR 12,00, AK: EUR 14,00<br />
Haus der <strong>Region</strong>en<br />
3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />
Tel. 02732 85015<br />
www.volkskultureuropa.org
Haus der <strong>Region</strong>en / 11<br />
Cefalu liegt an der Nordküste Siziliens am Fuß der Rocca di Cefalù, eines 270 Meter hohen Kalkfelsens zwischen Palermo und dem Capo d’Orlando.<br />
Foto: Makowitsch.<br />
Seufzend ruderten wir hinein in die schreckliche<br />
Enge. So näherte sich Odysseus der Insel<br />
Sizilien. Auf der einen Seite droht Skylla und<br />
auf der anderen die wilde Charybdis. Die<br />
Meerenge von Messina ist eines der vielen<br />
Abenteuer, die Homers Held Odysseus zu<br />
bestehen hat:<br />
Dort ist ein Feigenbaum mit großen laubigen<br />
Ästen; / Drunter lauert Charybdis, die wasserstrudelnde<br />
Göttin. / Dreimal gurgelt sie täglich<br />
es aus, und schlurfet es dreimal / Schrecklich<br />
hinein. Weh dir, wofern du der Schlurfenden<br />
nahest! / Selbst Poseidaon könnte dich nicht<br />
dem Verderben entreißen: / Darum steure du<br />
Sizilien<br />
sPaZIERgaNg<br />
NaCh syRaKus<br />
Große Dichter und Denker unterwegs in Sizilien. Wir folgen ihnen.<br />
dicht an Skyllas Felsen, und rudre / Schnell mit<br />
dem Schiffe davon.<br />
Die Strudel bei Cariddi (Charybdis) sind das<br />
Ergebnis unterschiedlichen Gezeiten im<br />
Ionischen und Tyrrhenischen Meer und<br />
Skyllas drohender Fels liegt am Festland<br />
gegenüber. Glücklich auf Sizilien gelandet,<br />
erkannte Goethe: Hier erst ist der Schlüssel zu<br />
allem!<br />
Wer Italien kennen und die Antike begreifen<br />
will, muss Sizilien bereisen. Sizilien war der<br />
südlichste Punkt seiner Italienreise, die er<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
zwischen 1786 und 1788 unternahm. Die<br />
Antike, deren Spuren in den zahlreichen<br />
Tempelanlagen der größten Mittelmeerinseln<br />
allgegenwärtig sind, war das Reiseziel der<br />
aufgeklärten Bürgerschicht, und als Reiseführer<br />
diente Johann Wolfgang von Goethe:<br />
Nun ich all diese Küsten und Vorgebirge, Golfe<br />
und Buchten, Inseln und Erdzungen, Felsen<br />
und Sandstreifen, buschige Hügel, sanfte Weiden,<br />
fruchtbare Felder, geschmückte Gärten,<br />
hängende Reben, Wolkenberge und immer<br />
heitere Ebenen, Klippen und Bänke und das<br />
alles umgebende Meer mit so vielen Abwechslungen<br />
und Mannigfaltigkeiten im Geiste
Taormina, Isola Bella. Foto: Angelo Giampiccolo.<br />
gegenwärtig habe, nun ist mir erst die Odyssee<br />
ein lebendiges Wort.<br />
Es ist nicht nur das Erbe der griechischen<br />
Kolonien, die die Reisenden begeistern, auch<br />
die Einflüsse der arabischen Welt und der<br />
Normannen gehen auf Sizilien eine Mesalliance<br />
ein, die bis heute in der Küche, in den<br />
Bauten und in der Musik zu finden ist.<br />
Palermo sehen und sterben<br />
Für Sizilianer sind wird falsch gepolt. Nordländer<br />
wollen immer das Meer sehen. So<br />
wurden die historischen Häuser aber nicht<br />
gebaut. Die Balkone der Palazzi wenden sich<br />
vom Meer ab. Roberto Alajmo porträtiert in<br />
„Palermo sehen und sterben“ seine Heimatstadt:<br />
Die Einwohner der Stadt pfeifen auf das<br />
Meer. In der Überzeugung, von den Göttern<br />
abzustammen, verzichten sie mit der gleichen<br />
Arroganz auf das Meer, mit der sich ein Reicher<br />
seine Zigarette an einem Geldschein<br />
anzündet.<br />
Der morbide Charme Palermos nährt sich<br />
von den – jetzt immer weniger – bröckelnden<br />
Fassaden des üppigen Barock, der Aura der<br />
Mafia und der Totenwelt des Kapuziner-<br />
klosters. In seinen Katakomben wurden die<br />
verstorbenen Brüder mumifiziert und viele<br />
Reiche Palermiter folgten dieser Totenverwahrung.<br />
Das beschreibt der österreichische<br />
Autor Josef Winkler in „Friedhof der bitteren<br />
Orangen“: Die Mauernischen, in denen die<br />
Toten lagen, waren von Glas geschützt, da sich<br />
die männlichen Besucher an den Frauen-<br />
leichen vergingen.<br />
Haus der <strong>Region</strong>en / 12<br />
Der Pate<br />
Die blutige Hauptstadt der Mafia war die im<br />
Westen gelegene unscheinbare Provinzstadt<br />
Corleone. Hier bekämpften sich zwei Clans,<br />
deren blutige Grausamkeiten aber letztendlich<br />
ein Umdenken in Gesellschaft, Politik<br />
und Justiz einleiteten. Für viele Schriftsteller,<br />
die sich dem Thema organsiertes Verbrechen<br />
angenommen haben, steht allen voran Mario<br />
Puzos Roman „Der Pate“. Es ist die Geschichte<br />
eines amerikanischen Mafiabosses, der den<br />
Namen seiner Heimatstadt trägt: Don Vito<br />
Corleone.<br />
Der Fürst<br />
Sizilien ohne Giuseppe Tomasi di Lampedusa<br />
ist nicht denkbar. Der Roman „Gattopardo“<br />
beschreibt das Feudalsystem des Adels und<br />
des Klerus und ist der Abgesang auf eine<br />
untergehende Gesellschaft. Die Biografie seiner<br />
Familie schrieb der Fürst Lampedusa im<br />
kleinen Caffe Mazzara in Palermo. So lange<br />
man noch sterben kann, ist noch Hoffnung.<br />
Das ist einer der berühmten Sätze über die<br />
sizilianische Lethargie.<br />
Die glühenden Sommer verbrachte der Palermiter<br />
Adel auf weitläufigen Landsitzen. So<br />
auch bei Lampedusa, dessen Schloss im<br />
Roman Donnafugata heißt, dessen Vorbild<br />
aber der Familiensitz in Santa Margherita di<br />
Belíce ist. Davon stehen nur mehr Ruinen.<br />
Ein Erdbeben zerstörte das Schloss 1968: Es<br />
umfasste etwa hundert große und kleine Zimmer.<br />
Es machte den Eindruck eines in sich<br />
geschlossenen, sich selbst genügenden Komplexes<br />
– sozusagen eine Art Vatikan; es enthielt<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Straße in Noto. Foto: Dalibor Kastratovic.<br />
Repräsentationsräume, Wohnräume, Quartiere<br />
für dreißig Gäste, Zimmer für Dienerschaft,<br />
drei riesige Höfe, Stallungen und Remisen, ein<br />
privates Theater und eine private Kirche, einen<br />
ausgedehnten wunderschönen Garten und ein<br />
großes Stück Gemüse- und Obstland.<br />
landschaft, die alles vereint<br />
Im Dezember 1801 brach ein Mann im sächsischen<br />
Grimma auf und ging neun Monate<br />
zu Fuß durch Europa mit dem Ziel Sizilien<br />
vor Augen. Das ist der „Spaziergang nach<br />
Syrakus“ von Johann Gottfried Seume. Dies<br />
ist also das Ziel meines Spaziergangs, und nun<br />
gehe ich mit einigen kleinen Umschweifen<br />
wieder nach Hause. So lapidar Seumes Resümee<br />
klingt, natürlich hatte er sich in der<br />
ostsizilianischen Hafenstadt das griechische<br />
Theater angesehen und ist Platons Spuren<br />
gefolgt, der in Syrakus einen Idealstaat errichten<br />
wollte, oder ist über die Tempelstufen<br />
gegangen, die vielleicht auch schon der große<br />
griechische Mathematiker Archimedes beschritt.<br />
Seume hatte viel Zeit zum Reisen. Das ist<br />
nicht allen gegönnt. Guy de Maupassant gibt<br />
einen Reisetipp für Eilige ab. Wenn jemand<br />
nur einen einzigen Tag Zeit hätte für Sizilien<br />
und mich fragte: „Was muss man unbedingt<br />
gesehen haben?“, würde ich ihm ohne zu<br />
zögern antworten: „Taormina“. Es ist eigentlich<br />
nur eine Landschaft, aber eben eine Landschaft,<br />
die alles vereint, was auf Erden nur<br />
geschaffen sein mag, um Auge, Geist und<br />
Phantasie zu verzaubern. /<br />
Zusammengestellt von Mella Waldstein
Sizilien<br />
TaRaNTELLa<br />
sICILIaNa<br />
In Sizilien wird Volksmusik großgeschrieben. Einblicke in die<br />
fröhliche sowie melancholische Musik geben Konzerte im<br />
Haus der <strong>Region</strong>en.<br />
irene Coticchio<br />
Die gebürtige Sizilianerin Irene Coticchio<br />
widmet sich in ihrer Musik den sizilianischen<br />
Volksgesängen, die zum Großteil aus Liedern<br />
armer und unterdrückter Bevölkerungsschichten<br />
besteht. Gemeinsam mit dem<br />
Gitarristen Daniel Zdrahal Serrano und dem<br />
Oud-Spieler Karim Othman Hassan erforscht<br />
sie die musikalischen Wurzeln ihrer Heimat,<br />
die stark durch die <strong>Kultur</strong>en des Mittelmeerraums<br />
genährt und beeinflusst wurde: So<br />
finden sich orientalische, arabische sowie<br />
mediterrane Wurzeln in der sizilianischen<br />
Musik.<br />
Irene Coticchio Trio. Foto: z.V.g.<br />
Haus der <strong>Region</strong>en / 13<br />
i Beddi<br />
I Beddi – fünf Vollblutmusikanten aus<br />
Sizilien – reisten durch das ländliche Gebiet<br />
der Insel, um nahezu in Vergessenheit geratene<br />
Volkslieder zu entdecken, zu adaptieren<br />
und so lebendig zu erhalten.<br />
Von Aufgeschlossenheit zeugt aber nicht<br />
nur der musikalische Stil der Gruppe, sondern<br />
auch das Instrumentarium: So finden<br />
sich neben Gitarre, Flöte, Harmonika und<br />
Kontrabass auch typisch sizilianische Instrumente<br />
wie Maultrommel und Dudelsack auf<br />
der Bühne. Das Programm verspricht eine<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
atemberaubende Mischung aus melancholischer<br />
Wehmut und schwungvollen Tanzrhythmen.<br />
insel der Sonne<br />
Das von Homer als „Insel der Sonne“<br />
bezeichnete Sizilien lockt jährlich viele Touristen<br />
mit dem milden Klima, den herrlichen<br />
Küsten und dem zauberhaften Meer<br />
an. Landschaftlich, aber auch kulturell gibt<br />
es hier viel zu sehen: Zahlreiche Völker<br />
haben auf Sizilien ihre unauslöschlichen<br />
Spuren hinterlassen und machen Sizilien zu<br />
einer Perle des Mittelmeeres. /<br />
I Beddi. Foto: z.V.g.<br />
ITaLIEN / sIZILIEN<br />
IM haus dER REgIONEN<br />
———————————————————<br />
Do, 22. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />
Amuri e Suduri – Liebe und Schweiß<br />
Irene Coticchio Trio<br />
Kat. I: VVK: EUR 14,00, AK: EUR 16,00<br />
Kat. II: VVK: EUR 12,00, AK: EUR 14,00<br />
Di, 27. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />
Diashow Sizilien – Insel der Sonne<br />
VVK: EUR 7,00, AK: EUR 9,00<br />
Fr, 30. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />
Tarantella Siciliana<br />
I Beddi<br />
Kat. I: VVK: EUR 14,00, AK: EUR 16,00<br />
Kat. II: VVK: EUR 12,00, AK: EUR 14,00<br />
Kombi-Karte für beide Konzerte und die<br />
Diashow der Reihe Sizilien:<br />
Kat. I: EUR 32,00, Kat. II: EUR 28,00<br />
Haus der <strong>Region</strong>en<br />
3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />
Tel. 02732 85015<br />
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Rund um Allerheiligen / 14<br />
Brauchkultur<br />
RuNd uM aLLERhEILIgEN<br />
Der <strong>November</strong> beginnt mit dem Doppelfest Allerheiligen und Allerseelen,<br />
das zu unterschiedlichen Bräuchen Anlass gab und gibt.<br />
Das Fegefeuer – eine tröstliche Einrichtung. Wider aller Behauptungen: Halloween ist kein keltisch-irisches Totenfest.<br />
Nach antiker Vorstellung beginnt ein Fest am<br />
Vorabend. Der Heilige Abend vor dem<br />
Christtag oder die Geburtstagsfeier am<br />
Abend vor dem Fest sind bekannte Beispiele.<br />
Vor dem 1. <strong>November</strong> galt der 31. Oktober<br />
als „All Hallows evening“. Geschnitzte,<br />
beleuchtete Kürbisse zu Halloween sind mit<br />
der Sage von Jack O’Lantern verknüpft: Jack,<br />
ein trunksüchtiger irischer Schmied, überlistete<br />
den Teufel, der ihm versprechen musste,<br />
dessen Seele für alle Zeiten in Ruhe zu lassen.<br />
Wegen seines Lebenswandels blieb Jack nach<br />
seinem Tod aber auch der Himmel versagt.<br />
Daher ist die arme Seele bis zum Jüngsten Tag<br />
dazu verdammt, unstet durch die Gegend zu<br />
irren. Ihr einziger Lichtblick ist die Laterne<br />
aus einem Kürbis, in dem ein Stück Kohle<br />
aus dem Höllenfeuer brennt. Die Sage zeigt<br />
auffallende Verwandtschaft mit Erzählungen,<br />
die im Zusammenhang mit der kirchlichen<br />
Lehre vom Fegefeuer standen. Der deutsche<br />
Volkskundler Alois Döring, der sich mit dem<br />
Phänomen eingehend beschäftigt hat,<br />
schreibt: „Allen populären Erklärungen zum<br />
Trotz: Halloween ist seiner Herkunft nach<br />
kein keltisch-heidnisches Totenfest. Vielmehr<br />
verweisen die Überlieferungen auf die im<br />
geschichtlich-kulturellen Ausbreitungsprozess<br />
säkularisierten Bezüge zum christlichen<br />
Totengedenkfest Allerheiligen.“<br />
Leopold Schmidt (1912–1981) nannte im<br />
Standardwerk „Volkskunde von Niederösterreich“<br />
Allerheiligen und Allerseelen „das<br />
große Doppelfest der Toten, nämlich der<br />
toten Heiligen und der toten Weltkinder“. Seit<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
dem 9. Jahrhundert feiert die Kirche das<br />
Allerheiligenfest am 1. <strong>November</strong>, an das sie<br />
seit dem 10. Jahrhundert das allgemeine<br />
Totenfest am 2. <strong>November</strong> anschloss. Das<br />
Allerseelenfest war eng mit dem Fegefeuerglauben<br />
verbunden. Das Fegefeuer (Purgatorium)<br />
war eine tröstliche Konstruktion. Im<br />
Gegensatz zur Vorstellung von Himmel und<br />
Hölle, die für Sünder ewige Verdammnis<br />
vorsah, stand den Geläuterten der Weg ins<br />
Paradies offen. Zuwendungen wie Gebet,<br />
Kerzenspenden oder gute Taten sollten die<br />
Qual der armen Seelen verkürzen. Die Erlösten<br />
wiederum konnten zu Fürsprechern<br />
der Lebenden werden. So entstand ein Modell<br />
des ständigen geistigen Austauschs zwischen<br />
Lebenden und Toten, in dem die christliche<br />
Nächstenliebe (Caritas) einen wichtigen Platz
hatte. Im Allerseelen-Spendebrauch von<br />
Naturalien nahmen Kinder und arme Leute<br />
die Stelle der armen Seelen ein.<br />
geburt des Fegefeuers<br />
Das Fegefeuer als „Verdammnis auf Zeit“<br />
kommt weder in antiken Kulten noch in der<br />
Bibel vor. Jacques le Goff, einer der führenden<br />
Historiker Europas, setzt „die Geburt des<br />
Fegefeuers“ im 13. Jahrhundert an. Unter<br />
bestimmten Voraussetzungen konnte ein<br />
Ablassgebet den armen Seelen im Fegefeuer<br />
zugewendet werden. 1858 nannte ein Dekret<br />
Pius IX. als eine Bedingung für einen „vollkommenen<br />
Ablass“ das Gebet vor einem<br />
Kruzifix. Noch im 20. Jahrhundert findet<br />
man auf Sterbebildchen Stoßgebete wie<br />
„Süßes Herz Maria! Sei meine Rettung!“ mit<br />
dem Hinweis „300 Tage Ablass“ oder „Mein<br />
Jesus Barmherzigkeit“ (100 Tage Ablass).<br />
Ablass (lat. indulgentia) bezeichnet einen von<br />
der römisch-katholischen Kirche geregelten<br />
Gnadenakt, durch den zeitliche Sünden-<br />
strafen erlassen werden. Der Ablasshandel<br />
war ein Grund für Martin Luthers Kritik am<br />
Katholizismus, die zur Reformation führte.<br />
„Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele<br />
aus dem Feuer springt“, spotteten seine<br />
Anhänger.<br />
In der Barockzeit erhielt der Arme-Seelen-<br />
Kult neuen Auftrieb. Prediger wie der berühmte<br />
Abraham a Sancta Clara (1644–1709)<br />
hielten flammende Appelle. Es gab fromme<br />
Lieder, schaurige Darstellungen auf Bildern<br />
und in Kirchen, sogar eine Arme-Seelen-<br />
Rund um Allerheiligen / 15<br />
Schaurig dargestellt: der Arme-Seelen-Kult. Die Sage vom irischen Schmied Jack O'Lantern. Striezelpaschen im Weinviertel.<br />
Lotterie. Mit einer gezogenen Nummer<br />
wurde eine Anzahl von Gebeten einer bestimmten<br />
Gruppe von armen Seelen zugedacht.<br />
Leopold Schmidt berichtete von einem<br />
solchen „Glückshafen“ am Ende des 18. Jahrhunderts<br />
in Geras.<br />
Striezelbettler<br />
In Niederösterreich sind am Allerheiligen-<br />
und Allerseelentag Kinder als „Striezelbettler“<br />
unterwegs. In der Buckligen Welt bekommen<br />
sie von ihren Paten Striezel oder Weißbrotlaibchen.<br />
Bis in die Zwischenkriegszeit<br />
sagten sie beim Heischen Sprüche wie:<br />
„Gelobt sei Jesus Christus, tat bitten um an<br />
Heiligenstriezel“ oder „Glück und Segen für<br />
deine Kuchl, Glück und Segen für Haus und<br />
Stall und für deine Hühner und Kinder all’ “.<br />
Zum Dank hieß es: „Vergelt’s Gott Allerheiligen.“<br />
Im Schneeberggebiet erhielten die Kinder,<br />
die in Gruppen kamen, kleine Brote von<br />
den Bäuerinnen und wurden aufgefordert,<br />
als Gegenleistung für deren verstorbene<br />
Familienmitglieder zu beten. Bis in die 1870er<br />
Jahre verschenkten Bäcker in den Städten<br />
verschieden große Allerheiligenstriezel an<br />
ihre Kunden – je nachdem, wie viel diese im<br />
Laufe des Jahres gekauft hatten. Im Weinviertel<br />
ist das „Striezelpaschen“ Brauch. Man<br />
bestellt beim Bäcker einen besonders guten,<br />
großen Striezel. Er ist der Preis beim Würfeln,<br />
den der Spieler mit dem höchsten Wurf<br />
gewinnt.<br />
Von ganz anderer Art waren die Allerheiligenstriezel<br />
aus Stroh. Der niederöster-<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
reichische Heimatforscher Johannes Mayerhofer<br />
(1859–1925) schrieb, dass man in der<br />
Nacht zum Allerheiligentag „missliebigen<br />
und geizigen Personen“ einen großen, aus<br />
Stroh geflochtenen Striezel vor das Haus stellte.<br />
Das „Rügezeichen“ wurde so platziert, dass<br />
es die Vorbeigehenden früher sahen als die<br />
Betroffenen, denen der Spott sicher war. Im<br />
ab 1888 erschienenen „Kronprinzenwerk“<br />
wird das Gleiche berichtet und erwähnt, dass<br />
Burschen maskiert und schreiend durch die<br />
Dörfer „heiligen“ gingen. Parallelen zu Halloween<br />
drängen sich auf: Auch das „Trick or<br />
Treat“ richtet sich am Allerheiligen-Vorabend<br />
gegen die Geizigen. Leopold Schmidt<br />
hingegen nannte die Strohzöpfe „Gunstbezeugungen<br />
der Burschen an die tanzreif<br />
gewordenen Mädchen“.<br />
Der Ethnologe Helmut Paul Fielhauer (1937<br />
bis 1987) beobachtete 1963 im Weinviertel<br />
verschiedene Geflechte aus Stroh: lange,<br />
über die Straße gespannte Zöpfe, mit Abfällen<br />
gespickte Geflechte und mit Blumen verzierte<br />
Striezel. Fielhauer deutete den strohernen<br />
Allerheiligenstriezel als burschenschaftlichen<br />
Rügebrauch, der vielfach zu einem Hänselbrauch<br />
abgeschwächt worden sei. Er hätte<br />
„vor allem den moralisch freizügigeren Mädchen<br />
oder älteren, unverheirateten Frauen“<br />
gegolten. Innerhalb mehrerer Generationen<br />
wäre aus dem Rüge- und Hohnzeichen eine<br />
Minnegabe geworden. /<br />
Text: Helga Maria Wolf<br />
Illustrationen: Magdalena Steiner
Botschafter der Tracht / 16<br />
Gala-Abend<br />
IN dIE WELT TRagEN<br />
Zum vierten Mal wurden die Botschafter der Tracht gewählt: Johanna Maier, Haubenköchin aus<br />
Filzmoos, und Markus Wasmeier, Skiweltmeister und Museumsdirektor aus Bayern.<br />
Sie stehen dafür. Sie tragen sie und sie tragen<br />
sie hinaus in die Welt: Die Tracht hat ihre<br />
Botschafter. Zum vierten Mal organisierten<br />
die Grand Dame der österreichischen Trachtenmode,<br />
Gexi Tostmann, und ihre Tochter<br />
Anna einen Festabend im Zeichen der Tracht.<br />
Haubenköchin Johanna Maier und der deutsche<br />
Skiweltmeister Markus Wasmeier wurden<br />
von der Jury – unter anderem Dorli<br />
Draxler, Geschäftsführerin der Volkskultur<br />
Niederösterreich – zu den Botschaftern der<br />
Tracht gewählt. Erstmals fand die „Angelobung“<br />
der beiden Botschafter in Salzburg<br />
Trachtenmodenschau im Rahmen des Gala-Abends „Botschafter der Tracht“ in der Salzburger Residenz.<br />
statt. Und da gleich im feierlichsten Rahmen,<br />
den die Stadt bieten kann: in den Sälen der<br />
fürsterzbischöflichen Residenz.<br />
Durch den Gala-Abend führte Dorli Draxler<br />
und eröffnet wurde er von Landeshauptfrau<br />
Gabi Burgstaller, die in einem pink-schwarzen<br />
Dirndl erschien – unweigerlich ein Eye-<br />
Catcher. „Ich freue mich, dass im 21. Jahrhundert<br />
die Tracht eine so große Offenheit<br />
zeigt“, so die Salzburger Landeshauptfrau,<br />
denn „Tracht kommt ja von tragen“. Johanna<br />
Maier aus Filzmoos, die in der Pension ihrer<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Schwiegereltern zu kochen begonnen hat und<br />
von Gault Milleau als einzige Köchin mit vier<br />
Hauben ausgezeichnet ist, lebt vor, dass das<br />
Dirndl auch für den Alltag taugt. Sie arbeitet<br />
in ihrem weißen „Kochdirndl“.<br />
Das „Sterntalerkind“, wie Laudator André<br />
Heller sie treffend benennen wird: „Ich stelle<br />
immer wieder fest: In einer Tracht müssen<br />
die Damen nicht so rank und schlank sein,<br />
gerade sie schauen in Tracht besonders chic<br />
aus.“ Das kann einer Köchin aus Leidenschaft<br />
nur entgegenkommen.
„Die Tracht und das Kochen haben etwas<br />
Gemeinsames: Beide entwickeln sich weiter.<br />
Aber wie der Saibling ein Saibling bleibt, so<br />
ist das mit den schönen alten Stoffmustern:<br />
Sie sind die Grundlage, auf der sich neue<br />
Kreationen aufbauen“, so die Köchin Johanna<br />
Maier.<br />
Altes und neues verbinden<br />
An diesem Abend wurde Johanna Maier<br />
nicht nur zur Botschafterin der Tracht<br />
ernannt, sondern sie umsorgte die über 250<br />
geladenen Gäste in der Salzburger Residenz.<br />
Müßig zu erwähnen, dass diese nahezu vollständig<br />
in Tracht erschienen waren. An den<br />
Tischen entsponnen sich angeregte Diskussionen<br />
über das Alter einer Lederhose, über die<br />
Großmütter, die Wollstutzen strickten, und<br />
über mancherlei Sticktechnik auf den Einsätzen<br />
Inntaler Festtagstrachten. Gexi Tostmann<br />
plädierte in ihrer Rede für „eine Zukunft, in<br />
der sich Altes und Neues miteinander verbindet“.<br />
Und Johanna Maier, die lieber hinter<br />
dem Buffet als auf der Bühne stand, sprach sie<br />
Mut zu: „Du musst noch ein bisschen durchhalten.“<br />
Die Laudatio für Maier sprach André<br />
Heller, der „in der Tracht des japanischen<br />
Yamamoto-Volkes“ gekommen war.<br />
Die richtige Antwort<br />
„Ja, auch ich habe Lederhosen getragen, als<br />
Kind in St. Gilgen am Wolfgangsee …“,<br />
begann Heller seine Rede. Im weiteren ging<br />
er auf jene Kleidung ein, die immer mehr den<br />
Botschafter der Tracht / 17<br />
V. l. n. r.: Lederhosen-Hersteller Markus Meindl, Anna Tostmann, André Heller, Botschafter der Tracht Markus<br />
Wasmeier, Botschafterin der Tracht Johanna Maier, Gexi Tostmann.<br />
Alltag bestimmt: „Die Freizeitkleidung hat<br />
weite Teile der Welt ruiniert. Deswegen sage<br />
ich – obwohl ich Demokrat bin –, die Kleidung<br />
selbst auszusuchen gehört abgeschafft.“<br />
Daher sein Plädoyer für Tracht, die auch<br />
praktische Gründe hat: „Ob japanischer<br />
Kimono oder indischer Sari: Die Tracht ist<br />
die richtigste Antwort auf das lokale Wetter.“<br />
Die Antwort, warum er heute keine Lederhosen<br />
mehr trage, gab André Heller auch:<br />
„Lederhosen taugen für mich nicht, dazu<br />
sind meine Waden nicht geschaffen, aber<br />
Wachauer Goldhauben stehen mir sehr gut.“<br />
Bilder aus einer idyllischen Welt brachte die<br />
Modeschau. „Ja, wir zeigen auch Klischees“,<br />
so Gexi Tostmann. Da wurden Krautköpfe<br />
geschupft und dort mit Heugabeln gewinkt.<br />
Ein Hirsch trat auf, ein Jäger. Besonders<br />
gelungen war eine Sequenz aus dem Salzburger<br />
Huberti-Kirtag mit Ringelspiel und Luftballons.<br />
Wegbegleiter tracht<br />
„Ich bin Museumsdirektor, Landwirt und<br />
Bierbrauer.“ So stellte sich der zweite Botschafter<br />
der Tracht, Markus Wasmeier, vor.<br />
Der Ex-Skirennläufer hat Höfe aus dem bayerischen<br />
Oberland gerettet und am Schliersee<br />
ein Freilichtmuseum errichtet. Für den deutschen<br />
Weltmeister ist die Tracht ein ständiger<br />
Wegbegleiter. „In Tracht“, und da kommt er<br />
ins Schwärmen, „bist du immer anders willkommen.<br />
Da bist du wer.“ Sein Laudator war<br />
der deutsche Lederhosen-Hersteller Markus<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Hilfe im eigenen Land-Präsidentin Sissi-Pröll und<br />
Landeshauptfrau Gabi Burgstaller.<br />
Meindl, der nicht nur die Tradition seiner<br />
Familie weiterführt, sondern – ganz im Motto<br />
dieses Abends – Altes und Neues verbindet<br />
und Modepartner eines großen deutschen<br />
Motorradherstellers ist.<br />
Besondere Paten sind die Namensgeber der<br />
überreichten Preise. Johanna Maier wurde<br />
der Emilie-Flöge-Preis überreicht, Markus<br />
Wasmeier der Konrad-Mautner-Preis. Emilie<br />
Flöge (1876–1952), Modedesignern und<br />
bekannt als Muse von Gustav Klimt, entwarf<br />
das Reformkleid, und mit Versatzstücken slowakischer<br />
Stickereien und siebenbürgischer<br />
Trachtenelemente schuf sie die Anfänge des<br />
Ethno-Looks. Die Designerin verbrachte viele<br />
Sommer im Salzkammergut und trug selbst<br />
gerne Tracht.<br />
Konrad Mautner (1876–1924) stammte aus<br />
einer Familie jüdischer Textilfabrikanten und<br />
entdeckte in der Sommerfrische am Grundelsee<br />
sein Interesse für Volkskunde. „Er hat sich<br />
flammenden Herzens in die Tracht, in die<br />
Lieder, in die Tänze verliebt“, so der Schauspieler<br />
Miguel Herz-Kestranek, selbst Botschafter<br />
der Tracht 2008. Gemeinsam mit<br />
dem Volkskundler Viktor von Geramb arbeitete<br />
Konrad Mautner an dem „Steirischen<br />
Handbuch“, das zu den Standardwerken der<br />
Volkskunde zählt. /<br />
Text: Mella Waldstein<br />
Fotos: Tostmann Trachten
Musikschulen / 18<br />
Wir sind Bühne<br />
auF dEN WEg<br />
hELFEN<br />
Wir sind Bühne! In einem einzigartigen Projekt erarbeiten Musicalprofis gemeinsam mit<br />
Musikschülern ein Stück.<br />
Annie: Schülerinnen und Schüler aus der Musikschulregion Mitte haben in Workshops und Intensivproben das Musical erarbeitet. Foto: Nikolaus Korab.<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong>
24. August, PR-Auftritt in Tulln: Einige<br />
Jugendliche sitzen kichernd im Kreis, einzelne<br />
stehen etwas abseits und wirken angespannt,<br />
die letzten Mikros werden fixiert und<br />
Instruktionen erteilt. Nur noch wenige<br />
Momente, dann werden sie auf der Bühne ihr<br />
Bestes geben. Es ist der erste gemeinsame<br />
große Auftritt, das erste Mal vor Publikum.<br />
Wird alles gut gehen? Wie wird die Resonanz<br />
beim Publikum sein? Kann die Gruppe überzeugen?<br />
Die Gruppe – das sind Musikschüler und<br />
Darsteller aus der <strong>Region</strong> Niederösterreich<br />
Mitte. Sie alle sind Teil einer einzigartigen<br />
Produktion. Das Musicalprojekt „Wir sind<br />
Bühne“ geht heuer in die dritte Runde. In<br />
einer modellhaften Kooperation von Musicalprofis<br />
und Musikschülern wird dieses Jahr<br />
das Musical „Annie“ erarbeitet und gelangt<br />
im <strong>November</strong> zur Aufführung. Für Idee und<br />
Konzept zeichnet Luzia Nistler verantwortlich,<br />
die auch die künstlerische Leitung innehat.<br />
Die Sängerin, Schauspielerin, Regisseurin<br />
und Stimm- und Sprechtrainerin kann<br />
selbst auf eine erfolgreiche Karriere als Musicaldarstellerin<br />
zurückblicken. Als Christine<br />
in der deutschsprachigen Uraufführung von<br />
„Das Phantom der Oper“ startete Luzia<br />
Nistler ihre Karriere im Theater an der Wien,<br />
die sie über die Grazer Oper bis zur Wiener<br />
Volksoper führte. Dabei wirkte sie in über<br />
60 Rollen in verschiedenen Musicals, Opern<br />
Musikschulen / 19<br />
„Pippin“, eine Produktion aus dem Jahr 2009 der Musikschulen <strong>Region</strong> Mostviertel. Foto: Atelier Olschinsky.<br />
und Operetten sowie in diversen Schauspiel-<br />
und Kabarettproduktionen mit. Ihr Regiedebüt<br />
gab sie mit dem Musical „Konrad, das<br />
Kind aus der Konservenbüchse“. Die Idee,<br />
nun ein Musical in einer gesamten Musikschulregion<br />
aufzuziehen, kam ihr vor einigen<br />
Jahren: „Die niederösterreichischen Musikschulen<br />
bieten ein vielfältiges Ausbildungsangebot,<br />
darunter Gesang, Tanz und Schauspiel.<br />
Diese Fächer werden von qualifizierten<br />
Lehrern unterrichtet, in vielen Schulen wird<br />
die Möglichkeit geboten, einer darstellenden<br />
Gruppe beizutreten. In einem regionalen<br />
Musicalprojekt wollen wir nun alle Sparten<br />
zusammenführen und machen uns auf die<br />
Suche nach Talenten und Begabungen.“<br />
Dabei übernehmen Profis eine vermittelnde<br />
Rolle ein. Vom Vorsingen beim Casting über<br />
die Einstudierung der Choreographie bis hin<br />
zur Aufführung begleiten sie die Jugendlichen<br />
und stehen ihnen mit Tipps zur Seite.<br />
„Wir führen nur zusammen, was schon vorhanden<br />
ist“, betont Luzia Nistler, „wir übernehmen<br />
nicht die Aufgabe der Musikschullehrer.“<br />
gesang, Schauspiel und tanz<br />
Warum die Wahl des Genres genau auf das<br />
Musical gefallen ist? Luzia Nistler erläutert<br />
verschiedene Gründe. Sie selbst hat auch eine<br />
klassische Gesangsausbildung genossen und<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
weiß, dass der Weg zur Gesangskarriere meist<br />
über selbige führt. Dieser ist jedoch lang, und<br />
um Opern oder Operetten professionell singen<br />
zu können, braucht man eine gewisse<br />
technische Reife. Das Musicalfach zu erlernen<br />
ist nicht weniger schwierig als klassischer<br />
Gesang, doch kommen einige Parts der<br />
Naturstimme sehr nahe. „Es ist wichtig, beim<br />
Singen sein Ich, seine Persönlichkeit zu finden.<br />
Die eigene Stimme ist etwas sehr persönliches.<br />
Heutzutage wird sehr viel imitiert,<br />
damit kann man sich die Stimme zerstören.<br />
Wir wollen die Jugendlichen dazu bringen,<br />
selbst auszuprobieren, die eigene Linie zu<br />
finden und sich auf diesen Findungsprozess<br />
auch einzulassen.“ So sollen die jungen Darsteller<br />
nicht nur musikalisch, sondern vor<br />
allem auch menschlich am Projekt wachsen<br />
und sich dieser Entwicklung bewusst werden.<br />
In der Arbeit mit Jugendlichen sieht Luzia<br />
Nistler auch einen Vorteil in den zeitgemäßen<br />
Arrangements des Musicals. Junge Menschen<br />
können sich damit identifizieren, sie fühlen<br />
sich davon angesprochen. Auch die Vielfältigkeit<br />
durch die drei Teile Gesang, Schauspiel<br />
und Tanz trägt dazu bei, dass das Genre als<br />
attraktiv wahrgenommen wird.<br />
Hartes Business<br />
Fast wöchentlich treffen sich die 41 Darsteller,<br />
die in einem vorangegangenen Casting<br />
ausgewählt wurden, rund um Luzia Nistler,
Das Musical „Zustände wie im alten Rom!“ wurde 2011 in Kooperation mit der<br />
Musikschulregion Ost durchgeführt. Foto: Gerald Lechner.<br />
Carsten Paap (Dirigent) und Christoph Sommersguter<br />
(Choreograph) zu den Proben.<br />
Dabei ist nicht nur das Organisationsteam<br />
vor logistische Herausforderungen gestellt.<br />
Auch von den Darstellern wird viel abverlangt.<br />
Neben Schule, Arbeit und Musikschule<br />
gilt es im Zeitmanagement auch die regelmäßigen<br />
Proben unterzubringen. Luzia<br />
Nistler über den Probenprozess: „Es ist wichtig,<br />
den gesamten Prozess des Entstehens<br />
eines Musicals kennenzulernen. Der Teil des<br />
Entstehens ist ein sehr wesentlicher Part – der<br />
einzig kreative, denn alles andere ist harte<br />
Arbeit und Business.“ Deswegen legt man in<br />
der Produktion viel Wert auf die gemeinsame<br />
Probenarbeit. Man will die Kreativität der<br />
Jugendlichen erwecken und Entwicklungen<br />
ganz nach dem Motto „Schau, was du alles<br />
kannst!“ aufzeigen. Das Lernen voneinander<br />
gestaltet sich dabei als wichtiges Element.<br />
Seit drei Jahren existiert das Projekt „Wir sind<br />
Bühne.Musical“ und bisher gastierte es bereits<br />
in den Musikschulregionen Ost und Mostviertel.<br />
Immer wieder gibt es Darsteller, die<br />
eine weite Anreise in die neue <strong>Region</strong> auf sich<br />
nehmen, um noch einmal Teil des Projekts zu<br />
sein. Als „alte Hasen“ im Geschäft können sie<br />
ihre Erfahrung an die anderen weitergeben<br />
und tragen einen wichtigen Teil zur Entwicklung<br />
der Gruppe bei. Intensivproben im<br />
Sommer dienten unter anderem der Ermittlung<br />
des Probenstandes und der Fortschritte.<br />
Sie sollen allen Beteiligten zeigen: Wo stehen<br />
wir bei unserer Arbeit, was funktioniert<br />
Musikschulen / 20<br />
schon gut und woran müssen wir noch arbeiten?<br />
Bei Durchläufen werden erstmals Auf-<br />
und Abgänge geprobt. Luzia Nistler weiß,<br />
welch essenzielle Rolle die Intensivproben<br />
für den Prozess bedeuten: „Die Darsteller<br />
bekommen erstmals einen Überblick über<br />
das gesamte Stück. Auch gruppendynamisch<br />
sind diese Einheiten sehr wichtig, schließlich<br />
muss man gemeinsam an einem Strang ziehen,<br />
um das definierte Ziel zu erreichen.“<br />
Fordern und fördern<br />
Auf dem Weg dahin werden die Jugendlichen<br />
von „Profis“ rund um Luzia Nistler begleitet.<br />
Denn für gewöhnlich geht ein Musical nicht<br />
als komplettes Stück in die Proben, sondern<br />
ist ständigen Änderungen unterworfen und<br />
steht in einem andauernden Prozess. „Wir<br />
verlangen den Darstellern viel ab und alle<br />
sind gefordert – und wenn man die Entwicklung<br />
und das Ergebnis sieht, weiß man: Das<br />
ist es, was ich will. Wir fordern und fördern<br />
… und wollen aufzeigen, was an Talent und<br />
Potenzial schon da ist und wie man es ausbauen<br />
kann. Es ist schön, wenn nachher<br />
manche sagen: Das ist mein Weg, in dem<br />
Bereich möchte ich weiter Fuß fassen! Dies<br />
trifft auf einige wenige zu. Gleichermaßen<br />
gibt es jene, die diesen Weg nicht einschlagen<br />
wollen. Beides ist wichtig, denn es geht um<br />
die Findung. Wenn die Jugendlichen dabei<br />
Spaß haben, lernen und gute Erfahrungen<br />
machen, ist es das Beste, was uns passieren<br />
kann.“<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Luzia Nistler und „ihre drei Annies“: Marie-Theres Müller aus Langenlois,<br />
Emilia Heigl aus Wieselburg und Verena Dorn aus Maria Anzbach. Foto: NÖN.<br />
Die Probenwochen eilen dahin und die Premiere<br />
naht in großen Schritten. In sechs<br />
Aufführungen in Tulln und Krems können<br />
die Darsteller ab 10. <strong>November</strong> ihr Talent<br />
unter Beweis stellen und zeigen, was sie in<br />
den vergangenen Monaten gemeinsam erarbeitet<br />
haben. Der PR-Auftritt in Tulln verspricht<br />
Großartiges. /<br />
Text: Katharina Heger<br />
aNNIE – das MusICaL<br />
———————————————————<br />
Sa, 10. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr (Premiere)<br />
So, 11. 11. <strong>2012</strong>, 17.00 Uhr<br />
Mo, 12. 11. <strong>2012</strong>, 10.30 Uhr*<br />
Atrium Tulln, Minoritenplatz 1<br />
3430 Tulln<br />
Fr, 16. 11. <strong>2012</strong>, 10.30 Uhr*<br />
Sa, 17. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />
So, 18. 11. <strong>2012</strong>, 17.00 Uhr<br />
Stadtsaal Krems<br />
Edmund-Hofbauer-Str. 19<br />
3500 Krems<br />
*Geschlossene Vorstellung für Schulklassen<br />
Karten: VVK EUR 12,00 bis 18,00<br />
www.oeticket.com<br />
——————<br />
www.musikschulmanagement.at/<br />
wir-sind-buehne
In seiner Form als Unterhaltungstheater vereint<br />
das Musical gleichermaßen Schauspiel,<br />
Musik, Gesang, Tanz und Szene. Demnach<br />
sind Musicalproduktionen meist Produkt<br />
einer Teamarbeit von Spezialisten. Neben<br />
dem Librettisten, Komponisten und Textdichter<br />
(lyricist) nehmen auch Regisseur,<br />
Choreograph, Bühnenbildner und Produzent<br />
eine wichtige Rolle ein und haben Einfluss<br />
auf die Entwicklungen.<br />
Ebendieser Aufwand an Ressourcen gestaltet<br />
Produktionen im Bereich Musiktheater in<br />
Musikschulen problematisch. Projekte dieser<br />
Art sind oft verbunden mit dem persönlichen<br />
Einsatz einzelner Lehrer und Musikschulleiter<br />
und stützen sich auf das Engagement<br />
Freiwilliger. Oft wird der Großteil der Aufgaben<br />
von einer einzigen Person übernommen.<br />
Musikschulen / 21<br />
Musiktheater<br />
aNyThINg gOEs<br />
Neben der überregionalen Initiative „Wir sind Bühne“ sind Musikschulen auch selbst aktiv und bieten<br />
eigene Produktionen, Kooperationen und das Unterrichtsfach Musical an.<br />
Musikschullehrer Bernhard Putz bei den Proben zum Rockoratorium „Eversmiling Liberty“. Foto: Johann Hofbauer.<br />
eigene Produktion<br />
Einer, der davon ein Lied singen kann, ist<br />
Wolfgang Berry. In der Joe-Zawinul-Musikschule<br />
Gumpoldskirchen führt er seit Jahren<br />
Musicalprojekte mit Schülern durch. Dabei<br />
schlüpft er in die Rolle des Komponisten,<br />
Lyricisten und Regisseurs zugleich. Die Idee<br />
kam ihm bei einem Klassenabend: Warum<br />
immer die gleichen Vorspielsituationen, gezwängt<br />
in Konzertanzug oder schwarzen<br />
Rock, abhalten? Bald schon textete er Lieder<br />
um, arrangierte und inszenierte mit seinen<br />
Schülern Musicals. Mittlerweile sind die so<br />
genannten „Musicomicals“, die Berry eigens<br />
für die Schüler schreibt, Tradition und<br />
be-geistern regelmäßig das Publikum. Das<br />
Gumpoldskirchner Publikum, wohlgemerkt.<br />
Denn bei allem Erfolg und der Freude, die die<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Projekte mit sich bringen, ist Berry enttäuscht:<br />
„Es ist schade, dass Produktionen<br />
wie diese, die mit großem Aufwand möglich<br />
gemacht werden, nur ein Mal in Gumpoldskirchen<br />
stattfinden. Nach vielen Arbeitsstunden<br />
ist das Material nun vorhanden und<br />
angepasst an das Können der Schüler – es<br />
wäre schön, wenn die Stücke in Form von<br />
Kooperationen oder Gastspielen öfter auch in<br />
anderen Musikschulen übernommen und zur<br />
Aufführung gebracht würden.“<br />
Kooperation<br />
Eine Musikschule, die sich an ein enormes<br />
Kooperationsprojekt herangewagt hat und<br />
dabei eine ganze <strong>Region</strong> einbinden konnte, ist<br />
die Musikschule der Stadtgemeinde Kirchschlag<br />
in der Buckligen Welt. Unter dem
Motto „Sei Du selbst die Veränderung, die<br />
Du Dir wünschst für diese Welt“ (Mahatma<br />
Ghandi) versammelte Bernhard Putz, Musiker<br />
und Musikschullehrer, insgesamt 140<br />
Sänger, Bandmusiker, Sprecher, Tänzer und<br />
Techniker um sich. Die Musikschule Kirchschlag<br />
lud als Veranstalter freiwillige Sänger<br />
aus dem südöstlichen Niederösterreich und<br />
dem steirischen Wechselland ein, an einer<br />
szenischen Inszenierung des Rockoratoriums<br />
„Eversmiling Liberty“ teilzunehmen. Stimmkräftige<br />
Unterstützung erfuhren diese zusätzlich<br />
vom Volksschulchor Kirchschlag, dem<br />
Chor der Volksschule Bad Schönau und dem<br />
Chor der Modellschule Kirchberg am Wechsel.<br />
Die Mithilfe der Gemeinde Kirchschlag<br />
und etlicher Kooperationspartner machten es<br />
möglich, die Produktion als Benefizveranstaltung<br />
durchzuführen.<br />
Doch nicht nur die Vinzigemeinschaft, der<br />
der Erlös zugute kam, profitierte von dem<br />
ambitionierten Projekt: Die Vernetzung der<br />
Musikschule mit der <strong>Region</strong> hinterlässt bleibende<br />
Eindrücke und zeigt auf, was durch<br />
Kooperation und mit Engagement möglich<br />
wird.<br />
Musikschulen / 22<br />
Die Musikschule Staatz im Weinviertel bietet Musical als Unterrichtsfach an. Foto: Elisabeth Koci.<br />
Musical als Fach<br />
Laufende Musicalprojekte werden im Musikschulverband<br />
Staatz und Umgebung abgewickelt.<br />
Denn als eine der wenigen niederösterreichischen<br />
Musikschulen hat man hier<br />
eine Musicalklasse eingerichtet. Eine im Jahr<br />
2004 entstandene Produktion anlässlich des<br />
Weinviertel-Festivals wurde von Teilnehmern<br />
und Publikum begeistert angenommen,<br />
sodass ein Konzept für regelmäßige<br />
Stunden schon im nächsten Jahr umgesetzt<br />
werden konnte. Die künstlerische Leitung hat<br />
der Initiator der Musicalklasse selbst inne:<br />
Hubert Koci ebnete nicht nur den Weg für<br />
das Projekt, sondern wirkt auch als Komponist,<br />
Autor und Arrangeur. Zusätzlich wird<br />
die Gruppe, die aus 16 bis 30 Kindern und<br />
Jugendlichen ab dem Alter von acht Jahren<br />
besteht, von einem kompetenten Team<br />
betreut. Heuer kamen bereits zwei Stücke von<br />
Hubert Koci zur Aufführung, 2013 wartet<br />
ein „Best of Michael Jackson“ auf das Publikum.<br />
/<br />
Text: Katharina Heger<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
MusIKsChuLPROjEKTE<br />
———————————————————<br />
Weitere Musical-Projekte an<br />
niederösterreichischen Musikschulen:<br />
——————<br />
Ritter Kamembert<br />
Musikschule Kirchberg am Wechsel in<br />
Kooperation mit dem Chor Capricciata<br />
Fr, 22. 3. 2013<br />
Verein Morgenstern in Piesting<br />
Sa, 23. 3. 2013<br />
Musikschule Kirchberg am Wechsel<br />
www.musikschule-kirchberg.at<br />
——————<br />
Best of Michael Jackson<br />
Musikschulverband Staatz und Umgebung<br />
April 2013<br />
www.musikschule-staatz.at<br />
——————<br />
Geisterstunde auf Schloss Eulenstein<br />
Musikschule der Stadt Tulln<br />
in Kooperation mit dem Gymnasium<br />
und dem TanzRaum Tulln<br />
Do, 25. 4. 2013, 9.00 und 10.30 Uhr<br />
Fr, 26. 4. 2013, 16.30 und 19.00 Uhr<br />
Atrium Tulln, Minoritenplatz 1<br />
3430 Tulln<br />
www.musikschule-tulln.at<br />
——————<br />
Der Zauberer von Oz<br />
Franz-Schmidt-Musikschule Perchtoldsdorf<br />
Sa, 15. 6. 2013, 19.00 Uhr (Premiere)<br />
So, 16. 6. 2013, 19.30 Uhr<br />
Sa, 22. 6. 2013, 19.00 Uhr<br />
So, 23. 6. 2013, 19.00 Uhr<br />
Franz-Schmidt-Musikschule, Knappenhof<br />
2380 Perchtoldsdorf, Wienergasse 17<br />
(bei Schlechtwetter im <strong>Kultur</strong>zentrum<br />
Perchtoldsdorf).<br />
www.ms-perchtoldsdorf.at<br />
——————<br />
Max und die Zaubertrommel<br />
Musikschule Ober-Grafendorf und<br />
Neue Mittelschule Ober-Grafendorf<br />
Di, 25. 6. 2013, 18.00 Uhr<br />
Großer Festsaal der Pielachtalhalle<br />
3200 Ober-Grafendorf, Raiffeisengasse 6<br />
www.ober-grafendorf.at/musikschule
Leopoldi-Tag<br />
Industrieviertel / 23<br />
aLLEs POLdI!<br />
Zahlreiche Leopoldifeste finden zu Ehren des niederösterreichischen<br />
Landespatrons im Industrieviertel statt.<br />
Die Volkstanzgruppe Brunn am Gebirge lädt zum Leopolditanz. Foto: VTG Brunn/Geb.<br />
Wer kennt sie nicht, die so genannte Schleierlegende<br />
über die Gründung des Stifts Klosterneuburg?<br />
Als Markgraf Leopold III. von<br />
Österreich seine Agnes ehelichte, riss ein<br />
Windstoß den Brautschleier mit sich, als die<br />
Frischvermählten auf den Leopoldsberg, den<br />
damaligen Kahlenberg, traten. Trotz langer<br />
Suche gelang es nicht, den Schleier zu finden.<br />
Da versprach Leopold, an der Stelle, an der<br />
der Schleier gefunden werde, ein Kloster zu<br />
errichten. Es sollte neun Jahre dauern, bis es<br />
so weit war.<br />
Leopold III., Markgraf von Österreich, lebte<br />
von 1073 bis 1136 und stammte aus dem<br />
Adelsgeschlecht der Babenberger. Neben<br />
dem Beinamen „der Heilige“ trug er auch die<br />
Bezeichnungen „der Fromme“ und „der<br />
Milde“. Diese Namen verdiente er sich durch<br />
seine großzügigen Gaben und Tätigkeiten in<br />
Wien und Niederösterreich.<br />
Klosterneuburg<br />
Seit 1663 ist Leopold III. österreichischer<br />
Landespatron. In Anlehnung an seinen<br />
Todestag wird Leopoldi immer am 15. <strong>November</strong><br />
begangen. Der österreichische Landespatron<br />
ist auch Patron der Bundesländer<br />
Niederösterreich, Oberösterreich und Wien.<br />
In Niederösterreich begeht man Leopoldi mit<br />
verschiedensten Bräuchen. Das Zentrum der<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Festlichkeiten ist Klosterneuburg. Dort gab es<br />
zunächst große Bankette mit Tänzen und<br />
Turnieren, die heute noch nach altem Brauch<br />
nachgestellt und gefeiert werden.<br />
Ein besonders beliebter Brauch ist das legendäre<br />
„Fasslrutschen“. Dabei wird über das<br />
Tausendeimerfass im Binderstadel des Stiftes<br />
Klosterneuburg gerutscht. Mittlerweile gibt<br />
es auch einen Jahrmarkt, der viele Besucher<br />
aus weiten Teilen Niederösterreichs anlockt.<br />
Aber auch in anderen Orten Niederösterreichs<br />
und in Wien wird gefeiert.<br />
leopolditanz<br />
Die Volkstanzgruppe Brunn am Gebirge veranstaltet<br />
jedes Jahr einen Tanz zu Ehren des<br />
hl. Leopold. Heuer gibt es ein besonderes<br />
Jubiläum zu feiern: das 30-jährige Bestehen<br />
der Volkstanzgruppe und den 30. Leopolditanz.<br />
Von den Mitgliedern der Volkstanzgruppe,<br />
aber auch von ihren Familien und<br />
ihren vielen Freunden wird der Leopolditanz<br />
aus verschiedenen Gründen als etwas Besonderes<br />
empfunden. Zum einen kommen nicht<br />
nur „geeichte“ Volkstänzer auf ihre Rechnung.<br />
Auch Tanzlustige, die nicht regelmäßig<br />
den Volkstanz pflegen, kommen dank der<br />
kurzen informativen Hinweise des Tanzmeisters<br />
Gerhard Müller und der Volkstänzer aus<br />
Nah und Fern mit den Tänzen gut zurecht.<br />
Zum anderen ist der Leopolditanz eine zum<br />
gemeinsamen Tanzen inspirierende fröhliche<br />
Begegnung aller Generationen. /<br />
Text: Karin Graf<br />
LEOPOLdITaNZ<br />
———————————————————<br />
Sa, 17. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />
(Einlass 19.00 Uhr)<br />
30. Leopolditanz<br />
der Volkstanzgruppe Brunn am Gebirge<br />
Festsaal der Marktgemeinde Brunn am<br />
Gebirge<br />
Tel. 02236 33583 (Elisabeth und Alois<br />
Deutsch)<br />
www.vtgbrunn.at
Weinviertel / 24<br />
Dialekt<br />
TuId guIT<br />
Aktiv wird sie immer seltener gesprochen, wird aber von einer Gruppe an Liebhabern gepflegt und gehegt:<br />
die ui-Mundart – eine Spurensicherung im Weinviertel.<br />
In der Straninger Kellergasse – auch wenn’s am Bild nicht zu hören ist; diese Frau spricht ui-Mundart. Foto: Thomas Hofmann.<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong>
„Muida gib da Kui a Fuida!“ Derartige Sätze<br />
sind klassische Einstiege in eine heute fast<br />
schon ausgestorbene Sprache: den ui-Dialekt.<br />
„Zu den ui-Mundarten zählt man jene, die<br />
für mhd. [mittelhochdeutsch] uo, dem u der<br />
Schriftsprache in Wörtern wie ‚gut, Kuh, Blut,<br />
Krug‘ den Zwielaut ui sprechen.“ So die Definition<br />
von Maria Hornung und Franz Roitinger<br />
in ihrem Standardwerk „Die österreichischen<br />
Mundarten – eine Einführung“.<br />
Die geografische Verbreitung der ui-Mundart<br />
hatte vom südmährischen Raum einst bis<br />
Wien gereicht, verschob sich vom Hauptverbreitungsgebiet,<br />
dem Wein- und nördlichen<br />
Waldviertel, durch den Einfluss des Wienerischen<br />
stetig gen Norden. In südlicheren<br />
Gefilden des Waldviertels wird das ui durch<br />
ein ua abgelöst. Wurde um 1950 der ui-Dialekt<br />
noch von rund einer halben Million<br />
Bewohnern Niederösterreichs gesprochen,<br />
sind es heute nur mehr wenige. Typisch ist<br />
neben dem ui die große Zahl reduzierter<br />
Worte. So sagt man im Nordosten Niederösterreichs<br />
für „grob“ nur gro. Die Rebe wird<br />
zur Re und der Pflug zum Bflui.<br />
Die historischen Wurzeln liegen in der<br />
Besiedlung des Alpen- und Donauraumes<br />
durch die Bajuwaren ab dem 6. Jahrhundert.<br />
Sprachwissenschaftler unterscheiden das<br />
Mittel- vom Südbairischen. Der mittelbairische<br />
Sprachraum umfasst Wien, Nieder-<br />
und Oberösterreich, den Großteil Salzburgs<br />
und das Burgenland bis zur Lafnitz. Das<br />
Südbairische hingegen ist prägend für den<br />
Hauptteil der Steiermark, Kärnten und Tirol.<br />
Joseph Misson<br />
Neben dem gesprochenen Wort wurde und<br />
wird die ui-Mundart in gedruckter Form seit<br />
dem 19. Jahrhundert bis in unsere Tage hoch-<br />
Weinviertel / 25<br />
gehalten. Johanna Knechtl befasste sich in<br />
ihrer Dissertation „Das Schrifttum der niederösterreichischen<br />
ui-Mundart im 20. Jahrhundert<br />
– Möglichkeiten und Grenzen der<br />
Mundart als künstlerisches Ausdrucksmittel“<br />
im Detail mit der Thematik.<br />
Die Spurensuche beginnt beim unbestritten<br />
bedeutendsten Vertreter des Genres, bei<br />
Joseph Misson. Sein Werk „Da Naz“, ein<br />
Epos aus dem Jahr 1850, ist der Klassiker der<br />
ui-Literatur. Misson wird 1803 als achtes<br />
Kind in Mühlbach am Manhartsberg geboren.<br />
Sein Vater, der Kaufmann Giovanni<br />
Battista Misson, stammt aus Udine, seine<br />
Mutter aus dem benachbarten Ort Zemling.<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Kellergasse in Großengersdorf. Foto: Barbara Krobath.<br />
Eine Stärkung tuid guit. Foto: Barbara Krobath.<br />
Der Knabe besucht zunächst das Gymnasium<br />
in Krems und tritt als 20-Jähriger bei<br />
den Piaristen in den Orden ein. Seine Lehrtätigkeit<br />
beginnt 1826 in Horn und führt<br />
ihn später nach Krems, Freistadt und Wien,<br />
wo er in St. Thekla auf der Wieden als Bibliothekar<br />
und Archivar arbeitet. Misson stirbt<br />
am 28. Juni 1875. Berühmt ist er durch<br />
sein Epos „Da Naz, a niederösterreichischer<br />
Bauernbui, geht in d’Fremd“. Die acht<br />
Gesänge in hexametrischem Versmaß blieben<br />
unvollendet. 1880 wird es mit dem<br />
Untertitel „Gedicht in unterennsischer<br />
Mundart“ als schmales Büchlein mit 34 Seiten<br />
bei Carl Gerold & Sohn in Wien herausgegeben.
Koloman Kaiser<br />
Nach Missons Tod fühlte sich zunächst der<br />
heute weitgehend in Vergessenheit geratene<br />
Josef Strobl (1844–1879) bemüßigt, das Werk<br />
in 20 Gesängen fortzusetzen. Auch Koloman<br />
Kaiser (1854–1915) aus Hornsburg wollte mit<br />
seinem 1898 erschienenen Werk „Da Franzl<br />
in der Fremd“ Missons Schaffen vollenden.<br />
Er schrieb ebenfalls in Hexametern und ist –<br />
wohl auch durch den Koloman-Kaiser-Bund,<br />
der sich um sein Erbe bemüht – heute bei<br />
Kennern bekannt.<br />
Ålsdann iatzt losts, liabe Leut,<br />
und paßts ma guit auf, i derzähl Eng<br />
Jatza a schöne, gspoasige Gschicht<br />
von Kern-Schneider Franzel, …<br />
Nicht unerwähnt soll hier der aus Südmähren<br />
(Waltrowitz/Valtrovice) stammende Karl<br />
Bacher (1884–1954) bleiben, der in seinem<br />
Hauptwerk „Dos Liad von der Thaya“ in<br />
13 Gesängen seine Heimat bis hin zu den<br />
Ereignissen des Jahres 1945 beschreibt. Aus<br />
dem Pulkautal stammen mit Adolf Jagenteufel<br />
(1899–1987) aus Watzelsdorf und Lois<br />
Schiferl aus Hadres (1906–1979) zwei weitere<br />
wichtige Vertreter der ui-Mundart. Jagenteufel<br />
war, was sein Schaffen betrifft, ein<br />
Spätberufener, sein wichtiges Werk „Haustrunk<br />
und Guider“ erschien 1961. Sein Sohn<br />
Weinviertel / 26<br />
Das Geburtshaus des Dichters Joseph Misson in Mühlbach am Manhartsberg ist auch Sitz der Misson-Gesellschaft.<br />
Hermann kümmert sich heute in Zellerndorf<br />
aktiv in der „Bacher-Runde“, einem informellen<br />
Treff von Mundartfreuden, um den<br />
Weiterbestand der ui-Mundart im Weinviertel.<br />
Lois Schiferl hingegen veröffentlichte<br />
1946 seinen ersten Mundartgedichtband<br />
„Heimat im Weinland“. Seine Vorbilder<br />
waren Josef Misson und Karl Bacher. Schiferl<br />
bildet zusammen mit eben erwähnten Bacher<br />
und dem in Schrick geborenen Josef Weiland<br />
(1882–1961) das große Triumvirat der Weinviertler<br />
Mundartdichtung der zweiten Generation.<br />
Schiferl schreibt (1965) über ihn, der<br />
1927 sein erstes Büchlein („Aus dá Wein-<br />
gegnd“) veröffentlichte: „Weiland war im<br />
niederösterreichischen Mundartschrifttum,<br />
außer Joseph Misson der bedeutendste Vertreter<br />
der ui-oi-Mundart, […]. Heute lebt<br />
dieser Lautbestand nur noch im Weinviertel,<br />
in einzelnen Orten des nördlichen Waldviertels,<br />
im Burgenland bis zum Unterlauf der<br />
Lafnitz und im Pustertal von Abfaltersbach<br />
bis in den Raum Brunneck–Mühlbach.“<br />
Weiland, der begnadete Mundartdichter, ein<br />
gebürtiger Schricker, schrieb seine Texte in<br />
Zierschrift, datierte sie und sammelte sie in<br />
seinen „Tagebüchern“.<br />
Der jüngere Walter Kainz (1918–1996) gab<br />
mehrere Gedichtbände heraus, darunter<br />
„Liebeserklärung an das Weinland“ und<br />
„Untern Manhartsberi“. Kennern ist der<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
humorige Hollabrunner Kirchenmann,<br />
Dechant Georg Pfeifer (1867–1946) ein<br />
Begriff. „Der Bubikopf und andere Dummheiten“<br />
erschien 1932, die Gedichtauswahl<br />
„Ernst und Scherz fürs Menschenherz“<br />
wurde posthum (1952) editiert. Schluss-<br />
endlich soll zwei verdienten Menschen<br />
gedankt werden: Hans Salvesberger aus<br />
Gösing und Michael Staribacher aus Eichenbrunn.<br />
Beide kümmern sich um das Erbe der<br />
Weinviertler Mundart. Salvesberger ist seit<br />
vielen Jahren ambitionierter Verleger der<br />
„Edition Weinviertel“. Staribacher wiederum<br />
hat sich mit seinem „Weinviertler Dialektlexikon“<br />
(3. Auflage 2006) einen Namen<br />
gemacht. Wenn Misson in seiner Einleitung<br />
zum „Naz“ mit dem Satz „Jatzt pfiat dih Gott,<br />
schau, daß da giut geht und mach ma koan<br />
Schand nöd!“ schließt, so haben diese Worte<br />
auch heute noch Gültigkeit. /<br />
Text: Thomas Hofmann<br />
Fotos: Barbara Krobath<br />
jOsEPh MIssON-haus<br />
———————————————————<br />
3473 Mühlbach am Manhartsberg 23<br />
Im Winter nach Vereinbarung geöffnet<br />
Tel. 02957 216 oder 02957 763<br />
www.missonhaus.at
Georg Pfeifer, Dichter und Dechant in<br />
Hollabrunn.<br />
Brandlhof<br />
Weinviertel / 27<br />
ERNsT<br />
& sChERZ<br />
Die Neuauflage sämtlicher Werke des Hollabrunner Heimatdichters<br />
Dechant Georg Pfeifer.<br />
Dechant Pfeifer, 1867 im südmährischen<br />
Joslovice/Joslowitz geboren, war von 1920 bis<br />
1946 Pfarrer von Hollabrunn und ein Weinviertler<br />
mit Leib und Seele. Auf treffliche<br />
Weise vereinigen sich in seiner Persönlichkeit<br />
die Berufung als Seelsorger, die intensive<br />
Beschäftigung mit Weinbau und Kellerwirtschaft,<br />
sein Sinn für Humor und Lebensfreude<br />
und die Gnade hoher poetischer Begabung.<br />
Sein dichterischer Nachlass gliedert sich in<br />
hochdeutsche Schöpfungen und die bekanntere<br />
Lyrik in südmährischer ui-Mundart,<br />
inhaltlich spannt er einen weiten Bogen von<br />
tiefen religiösen und berührenden persönlichen<br />
Erfahrungen über humoristische<br />
Betrachtungen des alltäglichen Lebens bis zu<br />
seiner innigen Wein- und Kellerpoesie –<br />
wobei sich nicht selten mehrere Themenbereiche<br />
glücklich vereinen.<br />
Das Buch umfasst sämtliche Gedichte aus<br />
den früheren Veröffentlichungen „Der Bubikopf<br />
und andere ‚Dummheiten‘“ (1932) und<br />
„Ernst und Scherz fürs Menschenherz“<br />
(1952) sowie weitere Texte des ausgezeichneten<br />
Menschenkenners. Vorworte von Prof.<br />
Dr. Ernst Bezemek und Manfred Breindl<br />
sowie umfassende Erläuterungen und Anmerkungen<br />
zur Person Georg Pfeifer und zu<br />
den Texten ergänzen den Band. Präsentiert<br />
wurde das Buch dort, wo die Gedichte großteils<br />
geschrieben wurden – im Pfarrkeller der<br />
Sitzendorfer Kellergasse in Hollabrunn.<br />
OSR Ernst Sachs wird aus dem Werk des<br />
legendären Heimatdichters und großen<br />
Hollabrunners Georg Pfeifer lesen. /<br />
ERNsT saChs<br />
LIEsT gEORg PFEIFER<br />
———————————————————<br />
So, 4. 11. <strong>2012</strong>, 17.00 Uhr<br />
Brandlhof<br />
3710 Ziersdorf, Radlbrunn 24<br />
Tel. 02956 81 222<br />
Eintritt frei!<br />
www.volkskulturnoe.at./brandlhof<br />
Do, 15. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />
Pfarrzentrum Hollabrunn<br />
2020 Hollabrunn, Kirchenplatz 5<br />
Tel. 02952/2178<br />
BuChTIPP<br />
———————————————————<br />
Georg Pfeifer:<br />
Gesammelte Gedichte<br />
Edition Weinviertel<br />
www.edition-weinviertel.at<br />
ISBN 978-3-902589-41-5<br />
EUR 25,00<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Barocke Pfarrkirche Wullersdorf. Die Pfarre<br />
Wullersdorf war eine Schenkung des Babenberger<br />
Herzogs Leopold III. an das Stift Melk.<br />
LEOPOLdIsINgEN<br />
IN WuLLERsdORF<br />
———————————————————<br />
So, 18. 11. <strong>2012</strong>, 14.00 Uhr<br />
2041 Wullersdorf, Pfarrkirche<br />
Eintritt frei!<br />
Das Leopoldisingen der Bäuerinnen<br />
findet jedes Jahr an einem anderen Ort<br />
statt – heuer in der Pfarrkirche von Wullersdorf.<br />
Der markante Bau mit den zwei<br />
Fassadentürmen entstand als Konkurrenzbau<br />
zur Göttweiger Filialkirche in<br />
Roggendorf und geht auf den Melker Abt<br />
Berthold Dietmayr und Baumeister Jakob<br />
Prandtauer zurück. Fertiggestellt wurde<br />
der „Dom des Weinviertels“ 1733 von<br />
Josef Munggenast. Zunehmend schließen<br />
sich in ganz Niederösterreich Bäuerinnen<br />
zusammen, um gemeinsam zu singen.<br />
Zehn Bäuerinnensinggruppen aus den<br />
<strong>Region</strong>en Amstetten, Arbesbach, Bruck/<br />
Leitha, Geras, Gresten, Hollabrunn,<br />
Kirchschlag, Mistelbach (De Zsamgwiafötn),<br />
Stockerau und Zwettl lassen die<br />
Tradition der geistlichen Volkslieder aufleben<br />
und bringen diese mit viel Freude<br />
und Leidenschaft fürs Singen zu Gehör.<br />
Das Leopoldisingen wird in Zusammenarbeit<br />
von Arbeitsgemeinschaft der<br />
Bäuerinnen, Volkskultur Niederösterreich,<br />
Chorszene Niederösterreich und<br />
Landwirtschaftskammer Niederösterreich<br />
organisiert.<br />
——————<br />
Information:<br />
Tel. 05 0259 26500<br />
martina.hermann@lk-noe.at
Musikantensprache / 28<br />
Forschung<br />
sTRENg gEhEIM!<br />
Musikanten kommunizierten in einer Sprache, die dem Publikum nicht zugänglich war.<br />
Die herumziehenden Musikanten. Bildbeilage zur Wiener allgemeinen Theaterzeitung Wiener Scenen No. 30. Kolorierter Kupferstich von Andreas Geiger<br />
(nach Entwurf von Hofmann), 1839. Copyright: IMAGNO/Austrian Archives<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong>
„Irlas quantn Fetzer stroman on!“ – „Die<br />
guten Musikanten kommen schon!“ Mit diesem<br />
erwartungsvollen Ausruf konnte ein<br />
Dorfkirtag in Schwung kommen. Musikanten<br />
bedienten sich einer Geheimsprache. Mussten<br />
sie doch coram publico schnell über<br />
finanzielle Belange entscheiden: „Irlas Pink a<br />
Hei?“ Hat der Mann, der einen Tanz bestellt<br />
hat, überhaupt Geld? Irlas steht für das einleitende<br />
bestimmte/unbestimmte Pronomen,<br />
Pink ist der Mann, Hei das Geld, was wir in<br />
der Redewendung „Geld wie Heu“ kennen.<br />
„Für nichtmusiker ungeeignet“<br />
Ich bekam 1993 vom Landwirt und Klarinettisten<br />
Leopold Hackl (1921–1996) aus<br />
Michelbach im Bezirk St. Pölten eine über 60<br />
Wörter umfassende in Maschinschrift angefertigte<br />
Liste, die er Jahre zuvor mit seinem<br />
Musikkollegen Leopold Lechner (1911–1995)<br />
aus der Nachbargemeinde Pyhra angefertigt<br />
hatte. Die Überschrift des Glossars lautet:<br />
„Sprache der Blasmusiker, übertragen von<br />
unseren Alten Vorgängern. Für Nichtmusiker<br />
ungeeignet. Streng geheim!!!“ Der Wortschatz<br />
deckt sich im Großen und Ganzen mit<br />
den nahezu 140 Wörtern und über 20 Satzbeispielen<br />
der aus mehreren Orten des Weinviertels<br />
bekannten Musikantensprache. In der<br />
Monarchie und in der Zwischenkriegszeit<br />
hatten die Weinviertler Kontakte zu böhmischen<br />
und mährischen Musikanten, deren<br />
Geheimsprachenvariante die „Fatzer- oder<br />
Fetzersprache“ war. Der Name leitet sich vom<br />
lateinischen Verb facere = machen ab und<br />
deutet an, dass die Musikanten die „Stimmungsmacher“<br />
sind.<br />
Die Geheimsprache der Musikanten ist mit<br />
der Sprache der Fuhrleute und Fahrenden<br />
verwandt, die als Dialekt bzw. Soziolekt, eben<br />
der Sprache einer bestimmten Berufsgruppe,<br />
vor allem gesprochen und kaum geschrieben<br />
wurde. Der Wortschatz dieser Sondersprache<br />
geht auf das spätmittelalterliche Rotwelsch<br />
zurück, das neben dem Mittelhochdeutschen<br />
Elemente des Jiddischen, Slawischen, Romani<br />
(Sprache der Roma und Sinti) und anderer<br />
europäischer Sprachen enthält. Die Grammatik<br />
der Musikantensprache wurde der jeweils<br />
ortsüblichen Mundart entnommen. Das<br />
Wort „Rotwelsch“ ist mit „unverständliche<br />
Sprache der Bettler“ zu übersetzen, die auf<br />
den spätmittelalterlichen Straßen anzutreffen<br />
waren, wo sie mit anderen von der bürger-<br />
Musikantensprache / 29<br />
lichen Gesellschaft ausgeschlossenen Menschen<br />
– Dirnen, Händlern und Hausierern,<br />
Handwerksburschen, Vagabunden, Schindern<br />
oder Landgerichtsdienern, herumziehenden<br />
Klerikern und natürlich auch Spielleuten<br />
– diese Geheimsprache entwickelten.<br />
Musikantensprachen sind im ganzen deutschen<br />
Sprachraum und darüber hinaus in<br />
Tschechien, Serbien, Bulgarien und Mazedonien<br />
nachgewiesen.<br />
Kuchlböhmisch, Donausprache<br />
Mobile Menschen, die über die Grenzen hinweg<br />
unterwegs waren und mit anderen mobilen<br />
Menschen handelten, arbeiteten oder<br />
Musik spielten, mussten sich verständigen<br />
können. Was heute Englisch ist und für die<br />
gebildeten Schichten das Französische war,<br />
war eine jeweils an die Situation angepasste<br />
Sprachmischung mit einem geringen Wortumfang<br />
und Satzbausteinen. Die böhmischen<br />
Köchinnen in Wien sprachen das sogenannte<br />
Kuchlböhmisch. Friedrich Torberg hat in<br />
„Die Erben der Tante Jolesch“ den wunderbaren<br />
Satz überliefert: „Hausmajstr vypucuje<br />
votruv ibacia na klandru.“ [Der Hausmeister<br />
putzt Vaters Überzieher am (Stiegen-)geländer.]<br />
Eine deutsch-böhmische Promenadenmischung,<br />
wobei die Wörter deutsch sind,<br />
Grammatik und Vorsilben aus dem Tschechischen<br />
gebildet werden. Die Donauschiffer<br />
bedienten sich der Versatzstücke aus den<br />
Sprachen der Donauländer – Deutsch, Ungarisch,<br />
slawische Sprachen und Rumänisch.<br />
Und Gregor von Rezzori schreibt in „Blumen<br />
im Schnee“ über seine Kindheit in der Bukowina<br />
und über seine Amme, die alle Sprachen<br />
die im Umlauf waren, vermischte. Rezzori<br />
spricht von einem Geheimidiom. „Der<br />
Hauptteil dieses Idioms war ein niemals richtig<br />
und zur Gänze erlerntes Deutsch, dessen<br />
Lücken ausgefüllt waren mit Wörtern und<br />
Redewendungen aus sämtlichen anderen<br />
Zungen, die in der Bukowina gesprochen<br />
wurden. So war jedes zweite oder dritte Wort<br />
ruthenisch, rumänisch, polnisch, russisch,<br />
armenisch oder jiddisch; auch ungarische<br />
und türkische habe ich gefunden.“<br />
Jenische<br />
Der Musikantensprachwortschatz, der in<br />
Niederösterreich noch von alten Menschen<br />
verstanden wurde, hatte eine auffallende<br />
Ähnlichkeit mit der Geheimsprache der<br />
Jenischen, die bis in die 1950er Jahre als Lumpensammler,<br />
Scherenschleifer, Regenschirmmacher,<br />
Korbflechter oder Textilhausierer<br />
durchs Land zogen. Neben ihrer europaweiten<br />
Verbreitung waren jenische Familien z. B.<br />
im kleinen Dorf Sitzenthal in Loosdorf bei<br />
Melk ansässig. Diese Menschen waren vom<br />
Frühling bis zum Spätherbst unterwegs, wurden<br />
von den Menschen des Mostviertels<br />
„Sitzenthaler“ genannt und wollten nicht mit<br />
den Roma verwechselt werden. Als Kind<br />
habe ich sie erlebt und höre heute noch den<br />
Satz: „Mia san kane Zigeiner, mia sand Sitznthola!“,<br />
was ihnen aufgrund der Hautfarbe<br />
auch den Namen „weiße Zigeuner“ eintrug.<br />
Jenische wurden im 18. Jahrhundert von den<br />
Grundherrschaften sesshaft gemacht. Das<br />
Sesshaftwerden setzte ihre Sprache dem Einfluss<br />
der örtlichen Dialekte aus.<br />
Pink und Musch<br />
In der Musikantensprache können wir mehrere<br />
Themenkreise ausfindig machen – neben<br />
der Musik, das Essen, Feste, Sex und Erotik.<br />
„A quante Monscharei“, ein gutes Essen,<br />
sollte für die Musikanten möglichst viel Busn<br />
oder Buslat, nämlich Fleisch enthalten (quant<br />
vom lat. Quantum = groß, gut, Monscharei<br />
vom frz. manger, eben essen. Buslat geht auf<br />
jidd. bossor = Fleisch zurück. Bei Festen<br />
konnte man die Musikanten hören, wie sie<br />
die Tanzenden kommentierten: „Irlas Oberpani<br />
niglt mit seiner Musch!“ (Der Bürgermeister<br />
tanzt mit seiner Frau). Wobei bei<br />
Oberpani das tschechische Wort pan = Herr<br />
und Musch auf das deutsche Wort Mutze für<br />
weibliche Scham zurück zu verfolgen ist.<br />
Auch der schon öfters zitierte Pink (Mann)<br />
geht auf die rotwelsche Wurzel für Penis<br />
zurück, wobei das Pinkeln als gebräuchlicher<br />
Ausdruck bekannt ist.<br />
Das Ende einer Geheimsprache ist meist mit<br />
einschneidenden politischen Ereignissen verbunden,<br />
für die niederösterreichische Musikantensprache<br />
war das der Zweite Weltkrieg,<br />
andere haben ihre Aktivität nach dem Ersten<br />
Weltkrieg oder schon früher eingebüßt. /<br />
Text: Mella Waldstein und Bernhard Gamsjäger.<br />
Zusammenfassung eines Vortrags von Bernhard<br />
Gamsjäger, den der Volksmusikforscher und pensionierte<br />
Lehrer bei der Sommerakademie <strong>2012</strong> des<br />
Österreichischen Volksliedwerkes in Weyregg am<br />
Attersee hielt.
Donau.Visionen<br />
Haus der <strong>Region</strong>en / 30<br />
BRüCKE<br />
NuMMER ZWEI<br />
Brücken bauen – eine beliebte Metapher. Wenn Brücken gebaut werden,<br />
dauert das oft Jahrzehnte. Die Donaubrücke zwischen Vidin und<br />
Calafat ist ein Beispiel dafür.<br />
So soll sie aussehen: Die neue Brücke Nr. 2 zwischen Vidin und Calafat. Foto: FCC.<br />
Als während des Jugoslawienkriegs die<br />
Donaubrücke in Novi Sad (Serbien) von der<br />
NATO bombardierte wurde, beschloss man<br />
hunderte Kilometer flussbwärts ein neues<br />
Brückenprojekt: Sie heißt nüchtern „Brücke<br />
Nr. 2“ und wird ab 2013 Rumänien und Bulgarien<br />
miteinander verbinden. Eigentlich ist<br />
Nr. 2 die dritte Brücke, die die beiden Länder<br />
miteinander verbindet. Die erste wurde im<br />
4. Jahrhundert unter dem römischen Kaiser<br />
Konstantin den Großen gebaut. Die hölzerne<br />
Konstruktion erstreckte sich über 2,4 Kilometer<br />
und war die längste Brücke des<br />
Römischen Imperiums. Ihr waren nur vier<br />
Jahrzehnte beschieden. Die einzige derzeit<br />
befahrbare „Brücke der Freundschaft“ im<br />
unteren Donauabschnitt wurde 1954 auf<br />
Initiative von Stalin zwischen der bulgarischen<br />
Stadt Ruse und der rumänischen<br />
Giurgiu errichtet. „Es ist derselbe Fluss und<br />
doch ein anderer“, so Elena Shekerletova, die<br />
Botschafterin Bulgariens bei den Kamingesprächen<br />
„Donau.Visionen“ im Haus der<br />
<strong>Region</strong>en in Krems. „Hier bei Ihnen wird der<br />
Fluss in das alltägliche Leben einbezogen.<br />
Man sieht, was am anderen Ufer geschieht. Er<br />
fließt mitten durch eine Stadt, er ist keine<br />
Grenze und kein Hindernis. Bei uns in Bulgarien<br />
ist die Donau schon immer die Nordgrenze<br />
gewesen. Sie hat das Land geschützt<br />
und war gleichzeitig eine Hürde.“ 450 Kilometer<br />
Grenze zwischen den beiden Staaten<br />
Bulgarien und Rumänien und bis dato nur<br />
eine Brücke, die beide Länder verbindet.<br />
Der deutsche Reiseschriftsteller Johann<br />
Georg Kohl schrieb 1842 vom „brückenärmsten<br />
Fluss“ Europas. Budapest wurde erst zur<br />
Großstadt als die beiden selbständigen Städte<br />
Óbuda (rechtes Donauufer) und Pest durch<br />
Brücken miteinander verbunden wurden.<br />
Das war Mitte des 19. Jahrhunderts, während<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
zu dieser Zeit über die Themse bereits 50<br />
Brücken gespannt waren. Die Donau war bis<br />
zu den Flussregulierungen im 19. Jahrhundert<br />
durch Engen und Strudel, durch Überschwemmungen<br />
und Eisgänge ein unberechenbarer<br />
Strom. Der Journalist und Autor<br />
Ernst Trost („Die Donau – Lebenslauf eines<br />
Stromes“) berichtete beim Kremser Kamingespräch<br />
von seiner Fahrt mit dem DDSG-<br />
Schubverband Kamegg, dessen Schiffe beim<br />
Eisernen Tor (Rumänien/Serbien) einzeln<br />
durch die Enge gelotst werden mussten. Erst<br />
mit der Staustufe Eisernes Tor I und II wurde<br />
die gefürchtete Strecke entschärft. Allerdings<br />
versanken durch den Bau der Staustufe auch<br />
Ortschaften und die sagenumwobene Insel<br />
Ada Kaleh, die bis 1912 eine türkische Enklave<br />
war. Trotz aller Schwierigkeiten, die<br />
Donau zu passieren, war die Donau die wichtigste<br />
Verbindung nach Europa. In Rumänien<br />
wird sie die „Straße ohne Staub“ genannt.<br />
Der in Ruse an der Donau (Bulgarien) geborene<br />
Schriftsteller Elias Canetti schrieb: „Und<br />
wenn jemand die Donau hinauf nach Wien<br />
fuhr, sagte man, er fährt nach Europa, Europa<br />
begann dort, wo das türkische Reich einmal<br />
geendet hat.“<br />
Elena Shekerletova: „Die Eröffnung der<br />
neuen Brücke ist für uns ein Ausnahmeereignis.<br />
Es hätte noch länger gedauert, wären wir<br />
nicht in der EU.“ Die Brücke Nr. 2 ist 1.800<br />
Meter lang und ein wichtiger Teil des Paneuropäischen<br />
Verkehrskorridors IV. Sie ist<br />
sowohl Eisenbahn- als auch Straßenbrücke<br />
mit einem eigenen Abschnitt für Fahrräder<br />
und Fußgänger. Sie ist im nordwestlichen Teil<br />
Bulgariens gelegen, der zu den strukturschwächsten<br />
Teilen des Landes zählt. Sie<br />
ist ein Statement für mehr Donau, mehr<br />
Brücken, mehr Europa. /<br />
Text: Mella Waldstein<br />
KREMsER KaMINgEsPRäChE<br />
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& guT vERTäuT<br />
Die Seilerei Eisserer in Amstetten ist eine der letzten Werkstätten, in der Seile in Handarbeit hergestellt<br />
werden. Nicht nur für Pfadfinder und Theaterausstatter ein Geheimtipp.<br />
Es riecht nach Seefahrt und nach Postpaketen,<br />
die noch mit Packpapier umwickelt<br />
und geschnürt waren. Es riecht nach Strick,<br />
Tau und Spagat. „Das Seil schafft Verbindung<br />
fürs Leben“, ist Klaus Eisserers Motto. In seinem<br />
Geschäft stehen Rollen mit dicken und<br />
dünnen Schnüren, grobem und feinem Spagat,<br />
Seile aus Hanffasern und Kunststoff.<br />
Zwischen allerlei Waren lehnt in einem Eck<br />
ein altes Schild: Ignatz Eißerer, Ulmerfeld,<br />
Klaus Eisserer sieht in den Seilen Philosophisches: Spannung aufbauen und in Harmonie entlassen.<br />
Seilerei seit 1860. Der Großvater übersiedelte<br />
1904 nach Amstetten. Er stellte Seile für die<br />
Landwirtschaft her – vom Kaibelstrick bis<br />
zum Zugstrang. Seile sind allumfassend einzusetzende<br />
Werkzeuge.<br />
Klaus Eisserer verkauft Seile für Kindergärten,<br />
auch für Landwirte, für den Hausgebrauch,<br />
für Pfadfinder und fürs Theater. In<br />
den Schnürböden sind aus feuertechnischen<br />
Gründen Hanfseile vorgeschrieben.<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Wer vor dem Geschäft in Amstetten steht<br />
und in der Auslage Sportbekleidung sieht,<br />
würde kaum vermuten, dass sich in den hinteren<br />
Werkstätten ein nahezu ausgestorbenes<br />
Handwerk fest eingeschnürt hat. Grundsätzlich<br />
hat der Familienbetrieb Eisserer mehrere<br />
Standbeine. Er verkauft industriell hergestellte<br />
Seile, die Eisserer und seine Frau „konfektionieren“<br />
– also zuschneiden und verarbeiten.<br />
Ein Seil ist nicht ein Seil. Bergsteigerseile<br />
aus Kunststoff sind anders zusammengesetzt
als Springschnüre aus Hanffasern „Für technische<br />
Anwendungen müssen die Seile geprüft<br />
sein. Das Prüfen ist eine teure Angelegenheit“,<br />
so der Seiler. Daneben wird, passend<br />
zum Grundmaterial des Seiles, Kleidung<br />
aus Hanffaser verkauft. In den rückwärtigen<br />
Trakten des Hauses liegt die Werkstätte.<br />
Wo beginnen?<br />
Dass die Werkstatt richtig schön alt ist und<br />
dass auf der dunklen, ölverschmierten<br />
Maschine, die das Seil zum Drehen bringt,<br />
Hanffasern wie Kükenflaum hängen? Dass<br />
die Transmissionsriemen schon x-mal geflickt<br />
sind und in all den vielen Werkstätten,<br />
die ich im Laufe meines Reporterinnendaseins<br />
besuchen konnte – überall das selbe<br />
Problem: Bitte, wo ist die Werkstatt, die für<br />
alte Werkstätten Transmissionsriemen aus<br />
Leder herstellt? Dass auf den Holztüren Zahlen<br />
mit Kreide notiert sind, Meterangaben,<br />
Mengenangaben etc., so wie es früher in allen<br />
Werkstätten zu sehen war? Dass unter dem<br />
Muttergottesbild ein Ölkännchen steht? Dass<br />
in einem Regal merkwürdige Kegel stehen,<br />
Mostviertel / 32<br />
Das Knäuel ist eindeutig eine Schnur (ein dünnes Seil) und kein Spagat. Für Interessierte: die Technik der Knoten.<br />
deren Zweck wir noch kennenlernen werden?<br />
Dass die Seilerbahn 30 Meter lang ist?<br />
Die Seilerbahn ist der Arbeitsraum der Seilerei.<br />
Die Länge braucht es, um die Litzen zu<br />
spannen, aus denen dann das Seil gedreht<br />
wird. Litzen sind die gesponnenen Hanffasern,<br />
die Eisserer als Halbfertigprodukt<br />
kauft. Das gesponnene Werksgarn wird am<br />
Haken der Maschine befestigt. Wenn der<br />
Seiler am Garn zieht, überträgt sich darauf<br />
die Drehbewegung des Motors. In die linke<br />
Hand nimmt er den Spinnfleck (ein befeuchteter<br />
Filzlappen) und mit der rechten Hand<br />
führt er ein weiteres vorbereitetes Werksgarn<br />
zu, das sich nun um das drehende Garn<br />
wickelt. So entstehen die so genannten<br />
Litzen.<br />
Um ein Seil in der Mitte dicker zu machen, so<br />
wie es für eine Springschur gebraucht wird,<br />
werden die Werkgarne, in der Länge verlaufend,<br />
zum drehenden Seil geführt, sodass in<br />
der Mitte mehr Garne zusammengedreht<br />
werden und das Seil hier dicker ist als dessen<br />
Enden.<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
„Meine Arbeit ist sauber und ich arbeite mit<br />
weichen und geschmeidigen Teilen. Daraus<br />
wird ein Produkt, das viel aushält.“ Klaus<br />
Eisserer ist begeistert. Und die Begeisterung<br />
vermittelt er auch in Kursen. „Leider war<br />
mein Vater schon tot, deshalb habe ich vieles<br />
als Autodidakt gelernt.“ Dass er den Kleinbetrieb<br />
weiterführt, war eine bewusste Entscheidung.<br />
„Wir haben uns entschlossen, ein<br />
Leben in einer altmodischen Bürgerlichkeit<br />
zu führen, mit einem eigenen Betrieb, dem<br />
Geschäft und der Familie unter einem Dach.“<br />
Eisserer ist einer von etwa einem Dutzend<br />
Menschen, die das Seilerhandwerk in Österreich<br />
noch ausüben.<br />
Zurück in die Werkstatt. Die Litzen sind vorbereitet.<br />
Seile können drei- oder vierlitzig<br />
sein. Wobei: So wie ein dreibeiniger Tisch<br />
nicht wackelt, so ist ein dreilitziges Seil am<br />
gleichmäßigsten gedreht. Die Hanffaser ist<br />
die reißfesteste Naturfaser. Das „38er“ ist das<br />
dickste Seil in Eisserers Geschäft – mit einer<br />
Zugkraft von 8.560 Dekanewton, das entspricht<br />
ungefähr 8.000 Kilogramm.
Die Lehre ist der Holzkegel, der es ermöglicht, dass die drei Litzen gleichmäßig<br />
zusammengedreht werden.<br />
Die drei Litzen für das zu drehende Seil werden<br />
an den Haken der Maschine befestigt.<br />
Am anderen Ende werden die Litzen auf<br />
einen kugelgelagerten Haken gehängt. Dieser<br />
wiederum ist an einem Seilzug befestigt, an<br />
dessen unterem Ende ein Stein hängt. Dieses<br />
Konstrukt heißt Hängerstange.<br />
Eisserer holt aus dem Regal einen Holzkegel<br />
– die Lehre –, in den drei Führungen<br />
geschnitzt sind. In der linken Hand den<br />
Spinnfleck, in der rechten den Kegel: Der<br />
Seiler setzt die Maschine in Bewegung und<br />
hinter dem Kegel drehen sich die Litzen zum<br />
Seil. Der Kegel ist die Führung, damit dieser<br />
Vorgang gleichmäßig passiert. Am hinteren<br />
Ende beginnt sich der Haken nach vorwärts<br />
zu bewegen, da das gedrehte Seil kürzer ist als<br />
die einzelnen Litzen. Damit das Drehen<br />
gleichmäßig verläuft, ist der Widerstand des<br />
Steins am Ende des Seilzugs notwendig. „Hier<br />
wird die Spannung aufgebaut, die in Harmonie<br />
entlassen wird.“ Herr Eisserer hält das<br />
fertige Seil in der Hand. Es fühlt sich gut und<br />
glatt an, es riecht streng und würzig.<br />
Mostviertel / 33<br />
Hier wird nichts weggeschmissen – jede Schnur kann noch gebraucht werden. Klaus Eisserer und seine Hängerstange – ein wichtiger Bestandteil jeder Seilerei.<br />
Diagonalbund & Affenfaust<br />
Wenn ein Seil länger sein sollte, als die Seilerbahn<br />
es zuließ, so ging der Großvater früher<br />
auf einen Feldweg und hat Hängestange und<br />
das Seilergeschirr mitgenommen. Mit dem<br />
Seilergeschirr wurden die Seile gedreht, als<br />
es noch keine Motoren gab. Dieses nimmt<br />
Eisserer mit, wenn er auf Märkte fährt oder<br />
Kurse hält.<br />
Dann gibt er eine kleine Einführung in die<br />
Technik der Knoten. „Das ist eine Verbindung,<br />
die jeder können sollte.“ Klaus Eisserer<br />
setzt mit drei Handbewegungen zum Zimmermannsklank<br />
an. Weberknoten, Diagonalbund,<br />
Ankerstich: Auf einer Schautafel hat er<br />
Seile zu Affenfäusten und doppelten Diamantknoten<br />
verbunden.<br />
„Überhaupt repariere ich viel mit Schnüren,<br />
denn bei uns im Mostviertel heißt es: ,Wer<br />
net bandert, kann net hausn.‘ “ Sein Körbchen,<br />
in dem er allerlei Werkzeug mit sich<br />
herumträgt, ist auch schon heftig gebandert,<br />
d. h. kaputte Stellen mit Spagat repariert. Jetzt<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
ist auch endlich die Möglichkeit, um den<br />
Unterschied zwischen Schnur und Spagat zu<br />
erfahren. „Das ist ganz einfach“, sagt der Seiler,<br />
„Spagat ist die gesponnene Faser und die<br />
Schnur ist gedreht. Deshalb ist der Spagat<br />
billiger. Aber in der Reißfestigkeit besteht<br />
kein Unterschied, nur in der Haltbarkeit. Der<br />
Spagat, da nicht geseilt, dröselt sich leichter<br />
auf.“<br />
Natürlich wirft Eisserer keinen Spagat und<br />
keine Schnur weg. Die Reste werden aufgerollt<br />
und in eine Lade gelegt. Zum Bandern<br />
wird man sie noch gut brauchen können. /<br />
Text: Mella Waldstein<br />
Fotos: Nikolaus Korab<br />
sEILEREI<br />
NIKOLaus EIssERER<br />
———————————————————<br />
3300 Amstetten, Ardaggerstraße 6 A<br />
Tel. 07472 62771<br />
www.hanfseil.at
Jugendsingen 2013<br />
Chorszene / 34<br />
ChORLEITER<br />
ON TOuR<br />
„Coaches on Tour“ gibt Schulchören die Möglichkeit,<br />
Tipps von erfahrenen Chorleitern zu holen.<br />
Schülerinnen und Schüler der Musikhauptschule Tulln.<br />
Sie geben Tipps, sie zeigen Tricks. Sie motivieren<br />
und interagieren. Erfahrene Musiker<br />
und Pädagogen gehen „on tour“.<br />
Zur Vorbereitung für das NÖ Landesjugendsingen<br />
2013 vom 22. bis 25. April 2013 im<br />
Auditorium von Schloss Grafenegg gibt es<br />
für Niederösterreichs Schulchöre in diesem<br />
Schuljahr die Möglichkeit, über das Projekt<br />
Stimmbogen nach Maßgabe der Fördermittel<br />
um „Coaches on Tour“ anzusuchen, eine<br />
Kooperation zwischen dem Netzwerk Musikpädagogik<br />
NÖ, dem Projekt Stimmbogen<br />
NÖ und der Chorszene Niederösterreich.<br />
Ziel des Projekts „Coaches on Tour“ ist es,<br />
erfahrene Chorleiter mit Rat und Tat bezüglich<br />
Stimmbildung, Choreinstudierung, Pro-<br />
grammauswahl und mehr persönlich und vor<br />
Ort zur Verfügung zu stellen, um (Jugend-)<br />
Chorleiter, Lehrer und Erzieher gezielt bei<br />
ihren Vorbereitungen auf das Jugendsingen<br />
2013 zu unterstützen.<br />
Erhard Mann vom Landesschulrat für Niederösterreich<br />
erklärt: „Wenn seitens eines<br />
Schulchores Interesse an einem Coach<br />
besteht, erhält dieser auf Anfrage das entsprechende<br />
Formular für sein Ansuchen übermittelt.<br />
Anschließend kann ein Coach kontaktiert<br />
und ein bis zwei Termine vereinbart<br />
werden.“<br />
Die Referenten: Erwin Ortner, Heinz Ferlesch,<br />
Claudia Kettenbach, Michael Koch,<br />
Stefan Lindbichler, Erhard Mann, Maria<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Magdalena Nödl, Markus Pfandler, Oliver<br />
Stech, Martin Stohl, Alfred Tuzar, Edgar<br />
Wolf, Gottfried Zawichowski, Elisabeth Ziegler,<br />
Wolfgang Ziegler.<br />
O. Univ.-Prof. Erwin Ortner (Professor für<br />
Chorleitung und chorische Stimmbildung an<br />
der Universität für Musik und darstellende<br />
Kunst Wien) erklärt die Initiative: „Mit qualitativ<br />
hochwertiger Vorbereitung sollen die<br />
Teilnehmer zum Chorgesang ermuntert und<br />
dadurch zur verstärkten Beteiligung an<br />
unserem kulturellen Leben und zum gemeinsamen<br />
Musizieren motiviert werden.“<br />
Mag. Heinz Ferlesch (Universität für Musik<br />
und darstellende Kunst Wien) fügt hinzu:<br />
„Ziel dieses Projektes ist die qualitätsvolle<br />
Förderung des Singens junger Menschen in<br />
Vokalensembles und Chören und die Ermutigung<br />
zu öffentlichen Auftritten.“<br />
Mag. Claudia Kettenbach (Universität für<br />
Musik und darstellende Kunst Wien) ist sich<br />
sicher: „Singen ist unverrückbar die elementarste<br />
und zugleich umfassendste musikalische<br />
Tätigkeit.“<br />
Um dabei behutsam und umsichtig mit dem<br />
eigenen Körper umzugehen, empfiehlt Oliver<br />
Stech (Universität für Musik und darstellende<br />
Kunst Wien) eine einfache Übung vor<br />
dem Singen: „Zu Beginn des Einsingens finde<br />
ich es immer gut, die Aufmerksamkeit zuerst<br />
auf unseren ,Gesangsmotor‘, die Atmung, zu<br />
lenken. Eine gute Möglichkeit dafür: Man<br />
setzt sich an die Vorderkante eines Sessels<br />
und lehnt sich nach vorne (Ellenbogen auf<br />
den Oberschenkeln, Kopf hängt locker<br />
herunter). Dann genüsslich durch die Nase<br />
einatmen – man spürt, wie sich die Flanken<br />
weiten.“<br />
Alfred Tuzar (Gemeindeverband der Walter-<br />
Lehner-Musikschule Hollabrunn) schlägt<br />
vor, mit Dehnungsübungen fortzufahren:<br />
„Der Sänger sollte sich gut strecken, als ob er<br />
gerade morgens aufgestanden wäre, die<br />
Schultern kreisen lassen und den Körper gut<br />
abklopfen. So aufgewärmt kann mit dem<br />
Einsingen begonnen werden.“
Maria Magdalena Nödl, Diplompädagogin<br />
und Begründerin der Musikhauptschule<br />
Eggenburg, sieht im Singen „Fitness für Kopf<br />
und Persönlichkeit“. „Um die Resonanzräume<br />
des Körpers auf das Singen vorzubereiten,<br />
beginne ich am liebsten mit einer ,Gähnübung‘:<br />
staunend – gähnend – riechend öffnen.<br />
Ich möchte vor allem Freude an der<br />
ungezwungenen Gestaltung von Liedern<br />
anregen, durch Bewegung, durch Weckung<br />
der Empfindungen und des Staunens und<br />
durch Förderung der Kreativität und Fantasie.“<br />
Für Gottfried Zawichowski, Chorleiter und<br />
Koordinator der Chorszene Niederösterreich,<br />
ist das Projekt „Coaches on Tour“ ein Zeichen<br />
in eine völlig neue Richtung: Bisher waren<br />
die Chorleiter und Musiklehrer oft auf sich<br />
alleine gestellt, sozusagen engagierte Einzelkämpfer.<br />
Nun werden Kontakte geknüpft,<br />
Türen geöffnet, man holt sich kollegiale Tipps<br />
von „Profis“. Die kommen in die Klasse, in<br />
die Probe und helfen mit, dem Singen in der<br />
Schule und in der Gemeinde jenen Stellenwert<br />
zu geben, den es verdient. Erfahrungen<br />
werden dorthin gebracht, wo man sie gleich<br />
umsetzen kann. /<br />
COaChEs ON TOuR<br />
———————————————————<br />
Information und Anmeldung:<br />
Erhard Mann, erhard.mann@lsr-noe.gv.at<br />
vERaNsTaLTuNgEN<br />
RuNd uMs jugENdsINgEN 2013<br />
———————————————————<br />
<strong>Region</strong>al- bzw. Bezirksjugendsingen:<br />
März–Juni 2013<br />
NÖ Landesjugendsingen: 23.–25. 4. 2013<br />
im Auditorium in Grafenegg<br />
Bundesjugendsingen: 21.–25. 6. 2013<br />
in Kufstein<br />
Informationen: NÖ Landesjugendreferat<br />
Tel. 02742 9005-13508<br />
franziska.prummer@noel.gv.at<br />
Wir tragen Niederösterreich / 35<br />
Adventsingen<br />
WIR sagEN<br />
EuCh aN<br />
Besinnliches zur Vorweihnachtszeit am 6. und 7. Dezember <strong>2012</strong><br />
im Auditorium Grafenegg.<br />
In der Adventzeit hört man gerne die altbekannten<br />
Melodien und erfreut sich an vertrauten<br />
Traditionen. „Adventsingen“ sind<br />
beliebt und finden beim Publikum großen<br />
Anklang. Neben den schier zahlreichen Veranstaltungen<br />
in der Vorweihnachtszeit möchte<br />
die Volkskultur Niederösterreich das Niederösterreichische<br />
Adventsingen als Fixpunkt<br />
in der Adventzeit etablieren, fernab von herkömmlichen<br />
Adventkitsch.<br />
Ganz im Sinne der Initiative „Wir tragen Niederösterreich“<br />
gestaltet man das Adventsingen<br />
mit heimischen Ensembles und Chören,<br />
die aus dem reichen Liederschatz Niederösterreichs<br />
schöpfen. Neben allseits bekannten<br />
und beliebten Advent- und Weihnachtsliedern<br />
und Weisen kommen auch<br />
schon fast vergessene Melodien zur Aufführung,<br />
die den Besucher friedfertige Adventstimmung<br />
und Erholung von der alljährlichen<br />
Weihnachtshektik vermitteln. Die<br />
Mostviertler BlechMusikanten, der Chor<br />
Haag unter der Leitung von Edgar Wolf, der<br />
Familiendreigesang Knöpfl sowie die Nigl-<br />
Hoga Stubnmusi bieten mit ihrer unverfälschten<br />
Musik ein beschauliches und einzigartiges<br />
Konzerterlebnis. Für heitere,<br />
besinnliche Zwischentöne sorgt Adi Hirschal<br />
mit einer weihnachtlichen Lesung.<br />
Text: Michaela Zettl<br />
Foto: Gerald Lechner Vorweihnachtliches aus dem Liederschatz<br />
Niederösterreichs.<br />
Zur Einstimmung auf das dritte Niederösterreichische<br />
Adventsingen empfiehlt sich ein<br />
Spaziergang durch den stimmungsvollen<br />
Adventmarkt in Schloss Grafenegg. Als<br />
besonderen Bonus erhält jeder Gast mit der<br />
Konzertkarte am Konzerttag einmalig freien<br />
Eintritt zum Grafenegger Adventmarkt. /<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
NIEdERösTERREIChIsChEs<br />
advENTsINgEN BEIM<br />
gRaFENEggER advENT<br />
———————————————————<br />
Do, 6. 12. <strong>2012</strong>, und Fr, 7. 12. <strong>2012</strong>,<br />
19.00 Uhr<br />
Auditorium Grafenegg<br />
3485 Grafenegg<br />
Karten:<br />
EUR 14,00–24,00<br />
Tonkünstler-Kartenbüro:<br />
Tel. 01 586 83 83<br />
Auditorium Grafenegg<br />
Tel. 02735 5500<br />
www.grafenegg.at
hOMMagE<br />
——————————————————————<br />
Wolfgang Krammer, Johannes Rieder:<br />
Weinviertler Kellergassen<br />
EUR 19,00<br />
Edition Winkler-Hermaden<br />
ISBN 978-3-9503151-7-2<br />
www.edition-wh.at<br />
Es war an der Zeit, dass sich ein Buch dieses<br />
Themas annimmt – seit dem letzten einschlägigen<br />
Werk sind 23 (!) Jahre vergangen. Johannes<br />
Rieder, Sohn einer alteingesessenen Poysdorfer<br />
Weinhauerfamilie sammelte seit Jahren<br />
Materialien zu diesem Thema. Er ist einer der<br />
Mentoren der Kellergassenführerausbildung<br />
im Weinviertel, er hegt und pflegt mit viel<br />
Liebe und – in seiner Bescheidenheit – ohne<br />
viel darüber zu reden (bedrohte) Kleinode des<br />
Weinviertels. Einmal sind es alte Schlossbleche<br />
Weinviertler Kellertüren, die er zu Edelsouvenirs<br />
macht; dann ist es die Vielfalt der Welt<br />
Hintaus, die er dem Vergessen entreißt. Wolfgang<br />
Krammer wiederum, der schon 2006<br />
einen Bildband über das Weinviertel gemacht<br />
hat, zeigt uns die Bildwelt der Kellergassen<br />
in ihrer bunten Vielfalt. Manchmal sind es<br />
die typischen Bilder der langen Zeilen weiß<br />
getünchter Presshäuser, die man als inoffizielle<br />
Wahrzeichen der <strong>Region</strong> kennt, dann sind<br />
es wiederum Details archaischer Architektur<br />
wie kleine Fenster oder gekalkte Wände in<br />
Detailaufnahmen, wie man sie auch im mediterranen<br />
Raum findet. Kurzum, die Kellergassen<br />
haben ein ideales Autorenduo gefunden,<br />
die sich voll Sachkenntnis und vor allem mit<br />
viel Liebe dem Thema mit einem sehr breiten<br />
Ansatz widmen. Es werden hier nicht nur<br />
Kellergassen im eigentlichen Sinn, sondern in<br />
Bücher, CDs & feine Ware / 36<br />
ausLagE<br />
insgesamt 15 Kapiteln auch alle damit verbundenen<br />
Aspekte beschrieben. Seien es Hohlwege,<br />
der Lehm, die Schlossbleche, die Entwicklung<br />
der Weinpressen, die Welt des Hintaus<br />
oder schlussendlich ein Glossar. Das Buch<br />
mit einem Vorwort von Alfred Komarek und<br />
einem umfangreichen Literaturverzeichnis<br />
erfüllt alle Voraussetzungen für ein Standardwerk<br />
zum Verständnis der <strong>Kultur</strong> der Weinviertler<br />
Bevölkerung. Bei aller Einzigartigkeit<br />
der Kellergassen, die im Weinviertel und<br />
den Weinviertlern derart selbstverständlich<br />
sind, dass es keine genauen Daten zu deren<br />
Entstehung gibt, besteht im Anbetracht des<br />
Wandels im Weinbau und der Entdeckung der<br />
<strong>Region</strong> durch Touristiker die Gefahr, dass sie<br />
als „nostalgisch bespieltes Freilichtmuseum“<br />
(Zitat: Komarek) missinterpretiert werden.<br />
Möge dieses Buch die dafür nötige Sensibilität<br />
wecken, derartige Tendenzen verhindern!<br />
(Thomas Hofmann) /<br />
FaMILIENgEsChIChTE<br />
——————————————————————<br />
Bertl Sonnleitner: Die Schütt.<br />
Eine Familiengeschichte aus dem Ybbstal<br />
EUR 22,90<br />
FeRRUM Ybbsitz<br />
ISBN 3-901819-42-8<br />
Im Jahr 1880, als der Niedergang der Kleineisenindustrie<br />
im Ybbs- und Erlauftal seinen<br />
Höhepunkt erreicht, erwirbt der aus Böhmen<br />
zugewanderte Carl Smrczka das zwischen<br />
Ybbsitz und Waidhofen an der Ybbs gelegene<br />
Haus „Schütt“. Er übernimmt ein aufgelassenes<br />
Walzwerk und nützt die vorhandene<br />
Wasserkraft und den Wald und erzeugt<br />
anstelle der bisherigen Ware Holzstoff für die<br />
Papierindustrie. Eine vornehme Gesellschaft,<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
großbürgerlich, städtisch-elegant, belebt das<br />
alte Herrenhaus. Doch die Blüte um 1900<br />
hielt nicht lange an, bald ist alles wieder im<br />
Wandel begriffen. Der biografisch-dokumentarische<br />
Roman erzählt von persönlichen<br />
Schicksalen, von einer Welt, die es nur noch<br />
in alten Briefen, Tagebüchern und privaten<br />
Aufzeichnungen gibt. In zehn Kapiteln und<br />
zahlreichen Abbildungen wird eine Familiengeschichte<br />
lebendig, die einst weit über Europa<br />
vernetzt war und im Ybbstal ihre Heimat<br />
gehabt hat. /<br />
EINFaCh gLüCKLICh<br />
——————————————————————<br />
Sepp Forcher:<br />
Einfach glücklich<br />
EUR 19,90<br />
Verlag Christian Brandstätter<br />
ISBN 978-3-85033-600-0<br />
www.cbv.at<br />
Einfach anders als andere Glücklich-Ratgeber.<br />
Das Geschriebene ist nicht austauschbar,<br />
sondern der Erfahrungsschatz entlang biografischer<br />
Stationen. Mit über 80 Jahren ist Sepp<br />
Forcher nicht nur der populärste Repräsentant<br />
echter Volkskultur in Österreich, sondern<br />
vor allem ein Mensch mit einem so reichen<br />
Erfahrungsschatz, dass es an der Zeit ist, bei<br />
ihm in die Lehre zu gehen: Wie wird man ein<br />
glücklicher Mensch? Als Kind armer Auswanderer<br />
aus Südtirol schaffte es der Bergführer<br />
und Hüttenwirt zum gefeierten Fernsehstar<br />
und Publikumsliebling – destilliert er jene<br />
Lebensmomente und Begegnungen, jene<br />
Erfahrungen und Erkenntnisse heraus, die für<br />
ihn die Quintessenz eines geglückten Lebens<br />
ausmachen. Dabei vergleicht er seine eigenen<br />
Erlebnisse mit der Erfahrungswelt heutiger<br />
Kinder, ohne dabei jemals in die „Gute-alte-<br />
Zeit-Falle“ zu tappen. /
TaNZLMusIg<br />
——————————————————————<br />
Referat Volksmusik:<br />
Südtiroler Notenbiachl 3<br />
EUR 15,00<br />
Erhältlich beim Institut für Musikerziehung<br />
in deutscher und ladinischer Sprache<br />
www.musikinstitut.it/referat-volksmusik<br />
Das dritte Südtiroler Notenbiachl bietet insgesamt<br />
19 neu entstandene Stücke in der Besetzung<br />
für Tanzlmusig (Klarinette, Flügelhorn/<br />
Trompete, Posaune, Tuba). Die Noten sind in<br />
Einzelstimmen sowie in Partitur abgedruckt.<br />
Zu den Komponisten gehören Georg Hasler,<br />
Franz Kofler, Gernot Niederfriniger, Alex Pallaoro,<br />
Florin Pallhuber, Hubert Plunger, Rober<br />
Schwärzer, Franz Seebacher und Oswald Vigl<br />
– allesamt Musikanten aus Südtirol mit Leib<br />
und Seele. Mit einem eingängigen Repertoire,<br />
das Polkas, Walzer, Märsche, Boarische, Landler<br />
und Walzer beinhaltet, findet gewiss jede<br />
Form der Tanzlmusik in diesem Heft Geeignetes<br />
zum Musizieren. /<br />
FEuRIg<br />
——————————————————————<br />
Georg Breinschmid: Fire<br />
EUR 18,80<br />
Preiser Records<br />
www.preiserrecords.at<br />
Georg Breinschmid wechselte von der klassischen<br />
Musik zum Jazz und Artverwandten<br />
Bücher, CDs & feine Ware / 37<br />
und tritt im Trio als „Brein’s Café“ mit<br />
Roman Janoska und František Janoska oder<br />
im Duo mit Thomas Gansch auf. So auch auf<br />
seiner neuen CD. Polka, Walzer, Musette,<br />
Wienerlied, Csárdás, Samba, Gstanzln, Jazz<br />
und Improvisationskultur prägen das neue<br />
Album. Musikintensiv und sprachverliebt<br />
galoppiert Breinschmid mit seinen Compañeros<br />
durch ein Feuerwerk an originalen wie<br />
originellen Gesangsstücken und Melodien,<br />
Marke Weltniveau. Georg Breinschmid zählt<br />
nicht umsonst längst zu den Top-Bassisten –<br />
„Fire“ ist sein nächstes Meisterwerk. /<br />
sEMMERINg<br />
——————————————————————<br />
Alfred Komarek:<br />
Österreich von Innen – Semmering<br />
EUR 17,90<br />
Haymon Verlag<br />
ISBN 978-3-7099-7001-0<br />
www.haymonverlag.at<br />
Stellen wir uns das so vor. Alfred Komarek<br />
fragt – ins Zugabteil kommend –, ob noch<br />
Platz sei? Es ist. Sanft verstrickt er uns in<br />
ein Gespräch. Kommentiert die vorbeiziehende<br />
Landschaft, die mit Addlitzgräben und<br />
Krausel-Klause an Dramatik gewinnt. Weiß<br />
von jedem Stein zu berichten. Er verführt uns,<br />
am Semmering auszusteigen, und lädt zu<br />
einem Glas Tee ins Panhans ein. Findet eine<br />
immer größere Zahl an Zuhörern und Zuhörerinnen,<br />
die ihm von Villa zu Villa folgen. Sind<br />
da nicht Peter Altenberg und Olga Waissnix,<br />
die Herrin des Thalhofs in Reichenau? Dort<br />
der Portier des Hotels Erzherzog Johann und<br />
das Fräulein Else? Er steigt mit uns verbotenerweise<br />
durch den löchrigen Zaun ins Südbahnhotel<br />
ein. Er führt uns durch eine vergilbte<br />
Zeit, die schön und bedrohlich am<br />
Abgrund balanciert. Den Tag beschließen wir<br />
vor dem Kamin im Loos-Haus am Kreuzberg.<br />
Alfred Komarek will uns Österreich von innen<br />
zeigen. „Semmering“ ist der erste Band. Wir<br />
freuen uns auf weitere. (MW) /<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
KNOPFsChMuCK<br />
——————————————————————<br />
Die letzte Perlmuttdrechslerei des Landes ist<br />
im Thayatal zu finden. In Felling bei Hardegg<br />
werden im Familienbetrieb Marchart Knöpfe<br />
und für die zahlreich anreisende Buskundschaft<br />
auch immer mehr Perlmuttschmuck<br />
hergestellt.<br />
Kam das Perlmutt des 1911 gegründeten<br />
Betriebs einst aus den Schalen der Muscheln,<br />
die aus den Flüssen Thaya und March geholt<br />
wurden, so werden seit den 1950er Jahren<br />
Muscheln aus dem südchinesischen Meer<br />
verarbeitet. Erfreulicherweise haben die Flussmuscheln<br />
im letzten Jahrzehnten wieder ihren<br />
Lebensraum zurückerobert und sind auf den<br />
Sandbänken der Thaya anzutreffen.<br />
Die Knöpfe werden mit einem Diamantbohrer<br />
aus der Muschel gebohrt. Um ihren zarten<br />
und matten Schimmer zu bekommen, werden<br />
sie anschließend in eine rotierende Trommel<br />
gelegt, in der kleine Holzwürfel den Perlmuttknopf<br />
polieren. Je nach Fasson haben sie zwei<br />
oder vier Löcher, sind flach oder haben einen<br />
Wulst am Rand, sind rund, oval oder eckig.<br />
Alte Sortiment-Bücher der Fellinger Perlmuttdrechslerei<br />
zeigen die große Vielfalt eines<br />
kleinen Alltagsgegenstandes.<br />
Dass Knöpfe nicht nur die Funktion des<br />
Schließens haben, zeigen Ketten aus Perlmuttknöpfen.<br />
Sie schmücken durchaus.<br />
www.perlmutt.at<br />
Galerie der <strong>Region</strong>en<br />
Mo–Mi, Fr 14.30–18.00 Uhr<br />
Do 14.30–19.00 Uhr<br />
Sa 10.00–12.00 und 13.00–17.00 Uhr<br />
sowie bei Abendveranstaltungen<br />
3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />
Tel. 02732 85015 15<br />
www.volkskultureuropa.org/galerie
daTENsChuTZ –<br />
RIChTIgER uMgaNg MIT daTEN<br />
——————————————————————<br />
Do, 8. 11. <strong>2012</strong>, 18.00–21.00 Uhr<br />
Hotel Römerhof<br />
3430 Tulln, Hafenstraße 3<br />
Referent: RA MMag. Dr. Albrecht Haller<br />
Das Verhältnis vieler Menschen zum Thema<br />
Datenschutz ist paradox: Während einerseits<br />
die Sensibilität zunimmt, werden andererseits<br />
personenbezogene Daten häufig leichtfertig<br />
und sorglos preisgegeben. Vor allem bei der<br />
Weitergabe von Daten Dritter ist es wichtig,<br />
die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu<br />
kennen. Das Seminar bietet zunächst einen<br />
Überblick über das geltende Datenschutzrecht,<br />
wobei es natürlich auch um aktuelle Phänomene<br />
wie Handy-Ortung, Identitätsdiebstahl,<br />
Profilbildung, Social Networking und Videoüberwachung<br />
gehen wird. Im zweiten Teil<br />
werden aus einer Besprechung von Fällen<br />
rund um das Thema Adressaten Verhaltensmaßregeln<br />
und Handlungsempfehlungen für<br />
die Praxis abgeleitet.<br />
Information & Anmeldung<br />
<strong>Kultur</strong>vernetzung NÖ – Büro Industrieviertel<br />
Tel. 02639 2552 (Stephanie Fülöp)<br />
seminaranmeldung@kulturvernetzung.at<br />
www.kulturvernetzung.at<br />
<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / 38<br />
FORTBILduNg<br />
uMIdRahT –<br />
vOLKsTaNZEN FüR jEdERMaNN<br />
——————————————————————<br />
Sa, 17. 11. <strong>2012</strong>, ab 19.00 Uhr<br />
Gasthaus Kerschbaumer<br />
3340 Waidhofen/Ybbs<br />
Unterzeller Straße 85 (Böhlerwerk)<br />
Tanzmeister: Franz Huber<br />
Eingeladen sind alle tanzlustigen Singles und<br />
Paare mit Interesse an traditionellen Volkstänzen.<br />
Vom Anfänger bis zum Profi ist jeder<br />
herzlich willkommen! Volkstanz im Wirtshaus<br />
bereitet allen Tanzbegeisterten große Freude.<br />
In entspannter Atmosphäre und mit viel Spaß<br />
tanzen die Besucher zu traditioneller Volksmusik.<br />
Tanzmeister Franz Huber vom Tanzforum<br />
Niederösterreich vermittelt kurz und<br />
anschaulich überlieferte Figurentänze, Polka,<br />
Walzer und Boarische. Die Nigloa Ziachmusi<br />
unter der Leitung von Johannes Lagler wird<br />
für schwungvolle Musik sorgen.<br />
Information & Anmeldung<br />
Volkskultur Niederösterreich<br />
Tel. 0664 8208594 (Claudia Lueger)<br />
www.volkskulturnoe.at<br />
Verein Stadt.Land.Leben<br />
Tel. 0664 5302498 (Antonia Lagler)<br />
www.stadtlandleben.at<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
TONTRägER PROduZIEREN –<br />
aBER RIChTIg<br />
——————————————————————<br />
Mi, 28. 11. <strong>2012</strong>, 18.00–21.00 Uhr<br />
Haus der <strong>Region</strong>en<br />
3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />
Leitung: Mag. Dr. Peter Gretzel MAS,<br />
Mag. Eva Zeindl<br />
Einen Tonträger mit Qualität zu produzieren,<br />
erfordert vielfältiges Know-how. Nach<br />
der Auswahl der Stücke sind Urheberrechte<br />
zu beachten; falls es sich um Bearbeitungen<br />
handelt, muss der Rechteinhaber der Bearbeitung<br />
zustimmen. Während beim Auftritt<br />
auf der Bühne durch die Präsenz der Musiker<br />
so mancher Fehler verziehen wird, deckt die<br />
Aufnahme die kleinsten Schwächen auf. Und<br />
ein informatives Booklet, das sowohl über die<br />
Stücke als auch die Werkschaffenden Auskunft<br />
gibt, hat zusätzlichen Mehrwert. Ein<br />
Überblick über Repertoire, Quellenrecherche<br />
und Produktion wird gegeben.<br />
Information & Anmeldung<br />
<strong>Kultur</strong>vernetzung NÖ – Büro Industrieviertel<br />
Tel. 02639 2552 (Stephanie Fülöp)<br />
seminaranmeldung@kulturvernetzung.at<br />
www.kulturvernetzung.at<br />
KuNsTvERMITTLuNg<br />
——————————————————————<br />
Fr, 30. 11., u. Sa, 1. 12. <strong>2012</strong>, 9.00–17.00 Uhr<br />
ESSL MUSEUM – Kunst der Gegenwart<br />
3400 Klosterneuburg, An der Donau-Au 1<br />
Referenten: Mag. Andreas Hoffer & Team<br />
Ein Workshop in der aktuellen Ausstellung<br />
„New.New York“ des ESSL MUSEUM, Kennenlernen<br />
eines Vermittlungsangebots dieser<br />
Schau mit junger zeitgenössischer Kunst sowie<br />
eine Einführung zu Methoden in der Kunstvermittlung.<br />
Information & Anmeldung<br />
Museumsmanagement Niederösterreich<br />
Haus der <strong>Region</strong>en<br />
3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />
Tel. 02732 73999, Fax 02732 73999 33<br />
museen@volkskulturnoe.at<br />
www.noemuseen.at
haNds-ON, MINds-ON –<br />
INTERaKTIvE aKTIONEN<br />
——————————————————————<br />
Fr, 7., und Sa, 8. 12. <strong>2012</strong>, 9.00–17.00 Uhr<br />
Haus der <strong>Region</strong>en<br />
3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />
Referentin: Mag. DI(FH) Martina Schönherr<br />
Museen werden zunehmend zu Orten, an<br />
denen ausprobiert, kommuniziert und experimentiert<br />
wird. So genannte Hands-on- und<br />
Minds-on-Stationen bereiten Inhalte disziplinübergreifend<br />
auf, laden zu aktiver Beteiligung<br />
ein und ermöglichen einen selbständigen<br />
Erkenntnisprozess. Die vielfältigen Möglichkeiten,<br />
museale Inhalte interaktiv zu präsentieren,<br />
sollen anhand zahlreicher Beispiele im<br />
Workshop vergegenwärtigt werden.<br />
Information & Anmeldung<br />
Museumsmanagement Niederösterreich<br />
Haus der <strong>Region</strong>en<br />
3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />
Tel. 02732 73999, museen@volkskulturnoe.at<br />
www.noemuseen.at<br />
MusEuMsPädagOgIK<br />
——————————————————————<br />
Fr, 18., und Sa, 19. 1. 2013, 9.00–17.00 Uhr<br />
Kunsthalle Krems<br />
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3<br />
Referentin: OStR. Prof. Mag. Magda Krön<br />
Die klassische Führung und wie sie gelingt,<br />
eine Ausarbeitung einer Kurzführung oder<br />
eines Jugendprojekts im Team sowie ein Rollenspiel<br />
in Kleingruppen werden Schwerpunkte<br />
des Seminars sein. Magda Krön war sowohl<br />
konzeptionell als auch in der Ausarbeitung<br />
von museumspädagogischen Vermittlungsprogrammen<br />
an mehreren Landesausstellungen<br />
tätig und kann auf lang jährige Erfahrung mit<br />
pädagogischen Vermittlungsmethoden zurückblicken.<br />
Information & Anmeldung<br />
Museumsmanagement Niederösterreich<br />
Haus der <strong>Region</strong>en<br />
3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />
Tel. 02732 73999, museen@volkskulturnoe.at<br />
www.noemuseen.at<br />
<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / 39<br />
Vortrag<br />
MaCh<br />
EIN PROjEKT!<br />
Über erfolgreiche EU-Projekte, die Wichtigkeit von Kooperationen<br />
mit Projektpartnern und Projektentwicklung.<br />
Mag.phil. Leonie Hodkevitch<br />
Das Herzstück eines erfolgreichen EU-Projekts<br />
ist eine funktionierende Zusammenarbeit<br />
zwischen den Projektpartnern. Wie entwerfen<br />
wir ein EU-Projekt, erfüllen die Forderung<br />
nach dem transnationalen Ansatz,<br />
erarbeiten mit den Partnern gemeinsame<br />
Arbeitspakete und steuern die Kommunikation?<br />
Zentrales Thema des Vortrags ist das<br />
Wie: Wie plane ich ein Projekt, wie ziehe ich<br />
es auf, damit es funktionieren wird?<br />
Im Vortrag „Das erfolgreiche EU-Projekt“<br />
bietet Mag. phil. Leonie Hodkevitch Impulse<br />
zu diesen Themen. Leonie Hodkevitch ist<br />
Autorin, freie Journalistin und <strong>Kultur</strong>produzentin.<br />
Sie unterrichtet <strong>Kultur</strong>management<br />
und Interkulturelle Kompetenz an den Universitäten<br />
Wien, Hamburg und den Hochschulen<br />
für Musik und darstellende Kunst<br />
in Belgrad und Tallinn. Sie ist Mentorin<br />
bei departure und der Wirtschaftskammer<br />
Österreich und Mitglied der Expertenjury für<br />
das <strong>Kultur</strong>programm bei der Education,<br />
Audiovisual and Culture Executive Agency<br />
der Europäischen Kommission. /<br />
das ERFOLgREIChE<br />
Eu-PROjEKT<br />
———————————————————<br />
Do, 29. 11. <strong>2012</strong>, 18.00 Uhr<br />
Haus der <strong>Region</strong>en, Festsaal<br />
3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />
Referentin: Mag. phil. Leonie Hodkevitch<br />
Öffentlich zugänglicher Vortrag aus der<br />
Reihe „Weiterbildung <strong>Kultur</strong>vermittlung“<br />
www.noemuseen.at
Ausstellung / 40<br />
Da gab es noch schwere Geräte aus Bakelit, Wählscheiben, die surrten, und Hörer, die zwischen Schulter und Nacken eingeklemmt werden konnten:<br />
Telefone aus dem Zeitraum 1925–1995.<br />
Das Stadtmuseum Traiskirchen zeigt im heurigen<br />
Jahr eine Sonderausstellung über die<br />
Entwicklung der Telefonapparate und der<br />
Telefontechnik ab 1880. Auch wird auf die<br />
Bedeutung des Telefons im Leben der Menschen<br />
eingegangen und auf die historischen<br />
Meilensteine aufmerksam gemacht.<br />
Das Spektrum umfasst Hausapparate mit<br />
Gleichstromtechnik, Linienwählapparate,<br />
Vermittlungsstellen, Apparate mit Orts- und<br />
Zentralbatterie und einige Sonderformen.<br />
Eine anschauliche Präsentation mit einem<br />
Telefon<br />
dER FERNTöNER<br />
Die Geschichte des Telefons – vom Fräulein vom Amt bis zum Handy –<br />
in der Sonderausstellung des Stadtmuseums Traiskirchen.<br />
„alten Telefonhüttl“, einem „Fräulein vom<br />
Amt“ und einige Experimentiermodelle lassen<br />
den Besuch zu einem informativen Erlebnis<br />
werden. Einige der Ausstellungsstücke<br />
sind betriebsfähig zusammengeschaltet und<br />
vermitteln so die Funktionsweise der elektromechanischenTelekommunikationseinrichtungen<br />
vergangener Tage.<br />
Mehrere Väter<br />
Der Wunsch, mit anderen Menschen, auch<br />
wenn sie Kilometer weit entfernt sind, zu<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
sprechen, bestand schon lange. Daher galt es<br />
eine Möglichkeit zu finden, mit der die<br />
menschliche Sprache direkt übertragen werden<br />
konnte. Und so entstand die Idee des<br />
Telefons. Allerdings gab es nicht einen einzelnen<br />
Erfinder, sondern wie so oft hatte auch<br />
diese Einrichtung mehrere Väter, bis es als<br />
einwandfrei funktionierendes Nachrichtenmittel<br />
in unseren Alltag einziehen konnte.<br />
Aus dem deutschsprachigen Bereich wird<br />
gerne Johann Philipp Reis (1834–1874) als<br />
wichtiger Wegbereiter genannt. Vor rund 150<br />
Jahren gelang es ihm erstmals, „Töne aller Art
Mit solchen Apparaten nahm man Kontakt mit ...<br />
durch elektrischen Strom zu reproduzieren“.<br />
Dabei wurde der seltsame Satz „Das Pferd<br />
frisst keinen Gurkensalat“ gesprochen. Bei<br />
einer Vorführung sollte es dem Publikum das<br />
Funktionieren der Erfindung demonstrieren.<br />
Nach weiteren Verbesserungen wurde der<br />
„Ferntöner“ 1863 König Max II. von Bayern<br />
und Kaiser Franz Joseph I. vorgeführt, von<br />
den Beratern der Regenten allerdings als<br />
„physikalische Kuriosität ohne wirtschaftlichen<br />
Wert“ qualifiziert. Philipp Reis erlebte<br />
den Siegeszug der Telefonie nicht.<br />
Bell’scher Sprechtelegraph<br />
Am 14. Februar 1876 meldete der in Boston<br />
lebende Taubstummenlehrer Graham Bell<br />
ein von ihm entworfenes „Telephon“ zum<br />
Patent an. Bei der im gleichen Jahr stattfindenden<br />
Weltausstellung in Philadelphia,<br />
Pennsylvania, zählte der mittlerweile funktionstüchtige<br />
„Bell’sche Sprechtelegraph“ zu<br />
den Attraktionen. Schon am 9. Oktober 1876<br />
wurde das erste Ferngespräch der Welt auf<br />
einer zwei englische Meilen langen Telegraphenleitung<br />
zwischen Boston und Cambridge,<br />
Massachusetts, USA, geführt. Ein<br />
Bell’scher Handapparat des Jahres 1878 ist das<br />
älteste Ausstellungstück dieser Sonderausstellung.<br />
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang<br />
der Umstand, dass die Geräte<br />
ursprünglich nicht als Massenkommunikationsmittel,<br />
sondern als Hörhilfe für Gehörschwache<br />
erdacht und entwickelt wurden.<br />
Dieser Intention entsprechend wird in der<br />
Ausstellung Rechnung getragen. Auch ein<br />
Handapparat mit Transistorverstärker und<br />
ein Schreibtelefon sind ausgestellt.<br />
Ausstellung / 41<br />
... dem Fräulein vom Amt auf. Die Geschichte des Telefons in Traiskirchen.<br />
Themenschwerpunkt dieser Ausstellung sind<br />
zwar Fernsprechapparate, aber auch Münzfernsprecher<br />
und Vermittlungseinrichtungen.<br />
Es werden händische und auch automatische<br />
gezeigt. Die bewegliche Telefonie findet<br />
Raum, vom „Autotelefon“ über ein<br />
schweres Handfunkgerät bis zu den ersten<br />
„Handys“ aus der jüngeren Vergangenheit.<br />
Vom telegramm …<br />
Vor der Sprachübertragung mittels elektrischen<br />
Stromes über Leitungen stand die<br />
Telegraphie. Dabei wurde ein Stromkreis<br />
nach vereinbarter Weise geschlossen oder<br />
unterbrochen. Die solchermaßen übermittelte<br />
Information konnte einen Buchstaben,<br />
ein Zeichen oder ein Wortgefüge bedeuten.<br />
Entscheidender Nachteil dieser Kommunikationsart<br />
allerdings ist der Umstand, dass<br />
die Anwender an der Sende- bzw. Empfangsstation<br />
eigens geschult sein müssen. Das<br />
Klackern des Telegraphen kennen wir nun<br />
nur mehr aus den Filmen. Erheblich mehr<br />
technischen Aufwand, dafür aber eine einfache<br />
Handhabung und leichte Bedienbarkeit<br />
war das Kennzeichen der Fernschreibmaschinen<br />
und des Telex-Dienstes (TELetype<br />
EXchange), da auch bei Abwesenheit<br />
eines verlangten Teilnehmers Fernschreiben<br />
übermittelt werden konnten<br />
… bis online<br />
Mit dem Medium Bildschirmtext (BTX), in<br />
Österreich eingeführt im Juni 1982, wurden<br />
die ursprünglich eigenständigen Entwicklungen<br />
Fernsprecher, Fernschreiben, elektronische<br />
Datenverarbeitung und Fernsehen<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
zur einer gemeinsamen Anwendung verschmolzen.<br />
Dabei wurde zunächst das weit<br />
verbreitete Fernsehgerät zum Datensichtgerät<br />
umfunktioniert und mittels einer elektronischen<br />
Zusatzeinrichtung über die Telefonleitung<br />
mit einem zentralen Rechner verbunden.<br />
In Österreich wurde dazu als Endgerät<br />
MUPID (Mehrzweck Universell Programmierbarer<br />
Intelligenter Decoder) entwickelt.<br />
Der Übertragungsstandard erlaubte<br />
neben der Übermittlung von Texten auch die<br />
Übermittlung von auf Blockgrafik basierenden<br />
Bildern. Durch die fortschreitende<br />
Verbreitung von immer komplexeren Personal-Computern<br />
wurde die Decoderfunktion<br />
der Bildschirmtextgeräte zunehmend durch<br />
Software-Anwendungen, beispielsweise Decodix<br />
und Suxxess, ersetzt. 1996 wurden die<br />
BTX-Teilnehmer von der (damaligen) Telekom<br />
Austria AG auf den neu geschaffenen<br />
Internetdienst A-Online umgestellt. /<br />
Text: Karin Weber-Rektorik<br />
Fotos: Stadtmuseum Traiskirchen<br />
das PFERd FRIssT KEINEN<br />
guRKENsaLaT<br />
———————————————————<br />
Öffnungszeiten: jeden So und Fei,<br />
8.30–12.30 Uhr und n. V.<br />
Stadtmuseum Traiskirchen<br />
2514 Traiskirchen, Wolfstraße 18<br />
Tel. 02252 508521-10 (<strong>Kultur</strong>amt) oder<br />
0664 2024197 (Karin Weber-Rektorik)<br />
www.stadtmuseum-traiskirchen.at
Österreichische Bernsteinstraße / 42<br />
1. Reihe: LA Mag. Kurt Hackl, Kimmo Grabherr, Matthias Gadinger, Ing. Rainer Elsinger, Obmann Bgm. Herbert Nowohradsky, DI Hannes Wolf, Chris Heller;<br />
2. Reihe: Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Doris Grundei, Ulrike Wraneschitz, Dr. Walpurga Antl-Weiser, Susanne Ertl, Bernadette Böhm-Antony, Susanne Bauer, Andrea<br />
Sommer, Elisabeth Schiller, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Mag. Maria Kranzl, Bettina Lang; 3. Reihe: Bgm. Johann Panzer, Fam. Bauer, Mag. Arnold Oberacher,<br />
Gottfried Erger, Hans Huysza, Walter Lauer, Marcus Linford, Mag. Günter Fuhrmann, Mag. Wolfgang Galler, DI Hannes Weitschacher, Bgm. Helmut Brandtner.<br />
Das Ziel des Projekts Bernsteinstraße ist es,<br />
den alten Handelsweg zwischen Ostsee und<br />
Mittelmeer wieder zu beleben und die kulturellen<br />
und touristischen Angebote im Weinviertel<br />
zu vernetzen.<br />
Durch die Unterstützung des Weinviertel<br />
Tourismus, der Volkskultur Niederösterreich<br />
und LEADER-<strong>Region</strong> Weinviertel Ost konnte<br />
ein weiteres Förderprojekt mit den Inhalten<br />
Attraktivierung der Bernsteinstraßen-Mitglieder-Standorte,<br />
stärkere Bezugnahme zur<br />
Museumsnetzwerk<br />
uNTERWEgs<br />
MIT BETTy BERNsTEIN<br />
Der Verein „Die österreichische Bernsteinstraße“ präsentierte die Arbeit der letzten Jahre und rüstet sich<br />
für das Landesausstellungsjahr 2013 im Weinviertel. Wichtiger Punkt: „Betty Bernstein“ für Familien.<br />
historischen Bernsteinstraße sowie Ausrichtung<br />
auf Familienprogramm eingereicht werden.<br />
Dieses von der EU geförderte LEADER-<br />
Projekt wurde von 2011 bis 2013 genehmigt<br />
und läuft nun in die Endphase. Die Schlusspräsentation<br />
des touristischen Beratungsprojektes<br />
fand am 25. September <strong>2012</strong> im Museumsdorf<br />
Niedersulz statt.<br />
Die Mitglieder der Bernsteinstraße blicken<br />
auf eine erfolgreiche Saison zurück. Besonders<br />
gut angenommen wurde das Angebot<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
„Kindergeburtstag feiern im Museum“ sowie<br />
direkt mit den Mitglieder-Museen vereinbarte<br />
Kinder- und Schulgruppenführungen.<br />
Betty on tour<br />
Dieses Jahr war die „mobile Einsatztruppe<br />
Betty Bernstein“ – ein Team aus zehn<br />
deutsch-, tschechisch- und englischsprachigen<br />
Museumspädagogen – direkt bei der<br />
Zielgruppe im Einsatz. Bei Festen bzw. Motto-Tagen<br />
in der Therme Laa, im Tiergarten
Fotografin in Aktion – Fotoshooting für Betty<br />
Bernstein auf Schloss Poysbrunn<br />
Schönbrunn, beim Römerfest Carnuntum,<br />
beim Kelten- und Hunnenfest etc. konnten<br />
ca. 7.500 Interessierte beim interaktiven Kinderprogramm<br />
mit Betty Bernstein begrüßt<br />
werden.<br />
„Halber Tag – ganzes Vergnügen“ – unter<br />
diesem Titel wurde dieses Jahr erstmals das<br />
Angebot für Schul- und Kindergruppen<br />
beworben. Ergebnis: 24 Schulgruppen mit ca.<br />
1.000 Schülern besuchten im Rahmen eines<br />
Schulausfluges unsere Mitglieder-Museen.<br />
Auch in den virtuellen Netzen ist Betty Bernstein<br />
zu finden und auf facebook aktiv.<br />
history4u<br />
Erstmals fand in Kooperation mit der Volkshochschule<br />
Mistelbach ein viertägiger Workshop<br />
in den Sommerferien mit dem Titel<br />
„Betty Bernstein-Kindermusical-Workshop“<br />
statt. Überrascht hat uns die Anmeldezahl:<br />
44 Kinder. In drei Gruppen geteilt, wurden<br />
die Kinder und Jugendlichen von den Konservatoriums-Absolventinnen<br />
und regional<br />
bekannten Musical-Darstellerinnen Lisi Heller<br />
und Andrea Frohn in den vier Tagen zu<br />
Höchstleistungen angespornt.<br />
Im Zuge des Pilotprojektes wurde von Gottfried<br />
Erger (Weinstadtmuseum Poysdorf)<br />
die Geschichte des Weinviertels, im Unterrichtsfach<br />
Heimatkunde bzw. Geschichte in<br />
sechs Schulen im Weinviertel altersstufengerecht<br />
aufbereitet. Bei „history4U“ konnten<br />
die Schüler hautnah Zeugen der Vergangenheit<br />
(Mammutzähne, Knochen, Meteoriten<br />
und mehr) erleben. Geschichte zum Angreifen<br />
also! Die Nachfrage nach einem derartig<br />
Österreichische Bernsteinstraße / 43<br />
Interaktives Kinderprogramm bei Römer- und<br />
Keltenfesten.<br />
lebendigen Geschichtsunterricht ist entsprechend<br />
groß.<br />
landesausstellung 2013<br />
Im Schloss Wolkersdorf wird parallel zur<br />
Landesausstellung 2013 das Thema „Straßengeschichte(n)<br />
– Handelswege quer durch<br />
Europa und mitten durchs Weinviertel“ präsentiert.<br />
Mit dem Kurator Mag. Wolfgang<br />
Galler wird bezüglich der Präsentation der<br />
Bernsteinstraße intensiv zusammengearbeitet.<br />
Ein Projekt der Winzer ist der Bernsteinwein.<br />
Die Marchweingärtner – eine Kooperation<br />
mit zwölf Winzern entlang der March –<br />
haben sich zum Ziel gesetzt, einen „Bernsteinwein“<br />
zu kreieren. Die Marke ist inzwischen<br />
rechtlich geschützt. Die Präsentation<br />
ist für April 2013 im Rahmen einer großen<br />
Veranstaltung geplant.<br />
Bernsteinkonferenz & -ausstellung<br />
Die Geschäftsführerin Elisabeth Schiller<br />
nahm Ende Juni <strong>2012</strong> auf einer internationalen<br />
Konferenz mit dem Titel „Past – Present<br />
– Future – Cooperation along the Historical<br />
Amber Route“ in Vilnius teil. Eine Deklaration<br />
zur zukünftigen internationalen Zusammenarbeit<br />
wird im Oktober vom Obmann<br />
der Bernsteinstraße, Bürgermeister Herbert<br />
Nowohradsky, unterschrieben.<br />
Im April 2013 soll die Ausstellung „Bernsteinstraße“<br />
auf Schloss Halbturn im Burgenland<br />
eröffnet werden. Der Verein „Die Österreichische<br />
Bernsteinstraße“ hat mit Kontak-<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
ten, Literaturlisten, Film- und CD-Material<br />
dieses Vorhaben unterstützt. Schloss Halbturn<br />
hat Interesse an der Fotoausstellung „Die<br />
Wieder-Entdeckung der Bernsteinstraße“<br />
von Markus Zohner signalisiert.<br />
touristische Beratung<br />
Zwölf der 32 Mitglieder des Netzwerkes nahmen<br />
eine intensive Einzelberatung vor Ort in<br />
Anspruch. Sie erhielten einen detaillierten<br />
Plan, ihr Museum bzw. Ausstellung attraktiver<br />
und serviceorientiert zu gestalten.<br />
Ergebnis ist, dass in Zukunft bei (fast) allen<br />
Mitgliedern der Besucher mit dem „Willkommensbrief<br />
von Betty Bernstein“ das Museum<br />
auf eigene Faust entdecken kann. Es wird<br />
Objekte und Ausstellungstafeln geben, die<br />
einen Bezug zur historischen Bernsteinstraße<br />
herstellen, bis hin zum „Lieblingsplatz von<br />
Betty“, einem eigenen Sitzmöbel für Kinder.<br />
Denn wo „Betty Bernstein“ draufsteht, soll<br />
auch in Zukunft „Betty Bernstein“ drin sein.<br />
Wobei die Zielgruppe Familien sind. Kinder<br />
sollen mithilfe des Willkommensbriefs, dessen<br />
Rückseite ein Orientierungsplan ist, als<br />
Fremdenführer agieren.<br />
Die sichtbarste Veränderung nach außen ist<br />
die Umgestaltung der überregional bekannten<br />
Marke „Betty Bernstein“. Da die Zielgruppe<br />
des Kinderprogramms zwischen fünf und<br />
zehn Jahren liegt, wird die „alte“ Betty Bernstein,<br />
die Kleinkinder anspricht, umgezeichnet.<br />
Neu ab 2013: Neben dem Hauptwerbemittel<br />
„Unterwegs mit Betty Bernstein“, einer<br />
Faltkarte für Familien und Kinder, wird es<br />
extra für die ca. 150 <strong>Region</strong>spartner der Landesausstellung<br />
2013 das Rätselheft Betty<br />
Bernstein geben. Bei den Mitglieder-Museen<br />
wird erstmals das „Märchenbuch Betty<br />
Bernstein“ aufliegen und zu erstehen sein. /<br />
Text: Elisabeth Schiller<br />
Fotos: z.V.g.<br />
dIE ösTERREIChIsChE<br />
BERNsTEINsTRassE<br />
———————————————————<br />
Tel. 02552 3515-18<br />
e.schiller@weinviertel.at<br />
www.betty-bernstein.at<br />
www.bernsteinstrasse.net
Ausflugsziel / 44<br />
Amethyst Welt Maissau<br />
vOLL vIOLETT<br />
Die Amethyst Welt Maissau, heuer um das Edelsteinhaus erweitert, wird im kommenden Jahr<br />
Handwerkstechniken rund um die Stein- und Schmuckverarbeitung präsentieren.<br />
Amethyste aus aller Welt …<br />
Halbedelsteine gibt es nicht mehr. „Dann<br />
könnte es ja auch Vierteledelsteine geben“, so<br />
Prof. Oskar Thalhammer von der Montanuniversität<br />
Leoben, der die Amethyst Welt<br />
fachlich betreut, „und wo wären da die Grenzen<br />
zu ziehen?“<br />
In dem schlicht in Schwarz gehaltenen Edelsteinhaus<br />
funkeln, schimmern, glitzern, blitzen<br />
und changieren Opal und Fluorit, Smaragd,<br />
Turmalin, Quarz und Amethyste aus<br />
aller Welt. Das Edelsteinhaus ist der Neuzugang<br />
im äußert erfolgreichen Konzept der<br />
Amethyst Welt, die einen Mix von Information,<br />
Erlebnis und Einkauf bietet. Damit die<br />
Besucher nicht nur einmal kommen, gibt es<br />
alle paar Jahre Erweiterungen im Angebot.<br />
Auch die Parklandschaft wächst beständig<br />
und Traum- und Kraftplätze ziehen sich<br />
durch den lichten Eichenwald des Manhartsberges.<br />
Für Kinder steht ganz klar das Schürffeld<br />
an oberster Stelle. Ausgerüstet mit einem<br />
Spaten kann hier jeder seine eigenen Edelsteine<br />
finden. „Voll violett“, schreit ein Bub,<br />
als er fündig wird. Und Funde sind nahezu<br />
garantiert. Das Schürffeld wird – „Wir<br />
machen das am frühen Morgen, damit uns<br />
niemand sieht“, so ein Mitarbeiter – immer<br />
wieder aufgefüllt. Dafür wird der Ausschuss<br />
jener Amethyste verwendet, die bei den alle<br />
zwei Jahre stattfindenden Grabungen abfallen.<br />
Die größeren Steine werden verarbeitet<br />
und verkauft.<br />
Wo Steine sind, ist auch die Heilkraft der<br />
Steine nicht weit. Jeder Edelstein hat eine<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
… zeigt das neu errichtete Edelsteinhaus in Maissau.<br />
besondere Schwingung, die mit Information<br />
aufgeladen ist. Es ist eine Gratwanderung<br />
zwischen Wissensvermittlung und Esoterik,<br />
den die Mitarbeiter der Amethyst Welt zu<br />
bewerkstelligen haben.<br />
Maissau am Hang des Manhartsberges, zwischen<br />
Wald- und Weinviertel, setzt den Edelstein<br />
in Szene. Die Stadt hüllt sich in violett.<br />
Manche Straßenlaterne und manche Gasthausaufschrift<br />
hat in den letzten Jahren Farbe<br />
gewechselt.<br />
Amethystband<br />
Vor 280 Millionen Jahren erstreckte sich hier<br />
ein Urgebirge sowie das Eggenburger Meer.<br />
Viele Kilometer unter seiner Oberfläche
setzten sich an den Wänden einer riesigen<br />
Gesteinsspalte mehrere Schichten Quarzkristalle<br />
am Granit ab. Dieser Maissauer Granit<br />
enthält seltene radioaktive Partikel, die ionisierende<br />
Strahlung aussenden. In Kombination<br />
mit den Spurenelementen Eisen, Kalium,<br />
Aluminium und Lithium im Quarz bildeten<br />
sich über Jahrmillionen die violette Färbung<br />
und das charakteristische Zackenmuster im<br />
Maissauer Amethystband.<br />
Dieses matt schimmernde Violett wellt sich<br />
durch das Gestein. Diesem weltweit einzigartig<br />
zu begehenden Amethystband können die<br />
Besucher 40 Meter lang folgen. Es ist eines<br />
von 20 Bänderamethysten, die weltweit<br />
bekannt sind.<br />
1845 wurden in einem Steinbruch nahe von<br />
Maissau erstmals Amethyste gefunden.<br />
Immer mehr Sammler kamen und klaubten<br />
die von den Landwirten in die Höhe geackerten<br />
Steine auf. Ab den 1980er Jahren<br />
begann die Krahuletz-Gesellschaft aus dem<br />
benachbarten Eggenburg zu forschen und<br />
förderte beeindruckende Amethystfunde zu<br />
Tage.<br />
Neben dem Bänderamethysten besticht Maissau<br />
durch ein großes Vorkommen fast aller<br />
Vertreter der „Quarz-Familie“: wasserhelle<br />
Bergkristalle, graubraune Rauchquarze,<br />
schwarze Morione und blutrote Eisenkiesel.<br />
Der begehrte Jaspis ist in vielen Farbschattierungen<br />
vorhanden. Als kleines Wunder gilt in<br />
Ausflugsziel / 45<br />
Werkstattplatz für eine Goldschmiedin in der Amethyst Welt Maissau.<br />
der Fachwelt der einzige zufällig in einem<br />
Amethystblock entdeckte Achat. Er kann im<br />
Niederösterreichischen Landesmuseum besucht<br />
werden.<br />
Brandungsgeröll<br />
Das Edelsteinhaus, das im ersten Teil Steine<br />
aus aller Welt zeigt, präsentiert im mittleren<br />
Bereich besondere Amethyste. Die größten<br />
Vorkommen finden sich in Brasilien. Neuzugänge<br />
aus Maissau sind die eiförmigen Brandungsgerölle.<br />
Die von der Meeresbewegung<br />
rund geschliffenen Steine, in denen Amethyste<br />
eingelagert sind, fanden sich bei der<br />
letzten Grabung in einer Gesteinskluft.<br />
Dass Kategorien wie Halbedelsteine obsolet<br />
sind, zeigen die Steine aus Waldviertler Ortschaften:<br />
honigschimmernd mit grauen<br />
Sprengseln, grün geädert, blau gepunktet, rot<br />
gefleckt. Der im Waldviertel ansässige Steinschleifer<br />
Christian Riedl hat aus unscheinbaren<br />
Steinen vom Wegesrand Schmuckstücke<br />
gemacht. Aus Drosendorf an der<br />
Thaya zum Beispiel kommt der Zoisitfels.<br />
Spätestens hier ist klar, dass der Begriff „Edelstein“<br />
ein willkürlicher ist, der sich einerseits<br />
aus der kulturgeschichtlichen Bedeutung<br />
des Steins und aus dessen Verfügbarkeit<br />
beziehungsweise Rarität zusammensetzt, und<br />
andererseits die „4 C“-Kriterien erfüllen soll:<br />
Carat, Cut, Clarity, Colour. Wer sagt denn,<br />
dass der honiggelbe Mückenstein aus Eibenstein<br />
nicht auch ein Edelstein ist? Für Eiben-<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Kinder schürfen Steine im Freien.<br />
steinerinnen und Eibensteiner ist er es<br />
bestimmt.<br />
Ab dem kommendem Jahr wird in der violetten<br />
Welt das Handwerk rund um die Steinverarbeitung<br />
präsentiert. Den Werkplatz für<br />
einen Goldschmied gibt es schon, ebenso für<br />
einen Steinschleifer. Kurse sollen mit dem<br />
Handwerk vertraut machen. Mit der Erkenntnis,<br />
dass auch Gold ein Mineral ist, wird der<br />
Besucher in die Gärten entlassen. „Keine<br />
Steine herausschlagen!“, steht auf einer Tafel.<br />
Und weiter: „Nur ehrlich gefundene Steine<br />
bringen Glück!“ Aber das Glück ist soundso<br />
ein Vogerl. /<br />
Text: Mella Waldstein<br />
Fotos: Amethyst Welt Maissau<br />
aMEThysT WELT<br />
MaIssau<br />
———————————————————<br />
Öffnungszeiten:<br />
tägl. 9.00–17.00 Uhr<br />
3712 Maissau<br />
An der Horner Bundesstraße<br />
Tel. 02958 84840<br />
www.amethystwelt.at
Museumsdorf Niedersulz / 46<br />
Forschung<br />
uNIvERsITy<br />
gOEs MusEuMsdORF<br />
Das Weinviertler Dorf als naturales und soziales System: Kooperation des Museumsdorfs Niedersulz mit dem<br />
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie dem Institut für Geschichte des ländlichen Raumes.<br />
Aufgaben des Museumsdorfs – das Sammeln, Bewahren, Präsentieren und Vermitteln von historischen Weinviertler Wohn- und Wirtschaftsformen.<br />
Das Museumsdorf Niedersulz führte in den<br />
Jahren 2010 und 2011 ein Projekt im Rahmen<br />
des Förderprogramms „forMuse – Forschung<br />
an Museen“ des Bundesministeriums für<br />
Wissenschaft und Forschung durch. Ziel war<br />
die Entwicklung einer Strategie zur wissenschaftlichen<br />
Erschließung und qualitativen<br />
Evaluierung des Museumsdorfs Niedersulz,<br />
seiner Gebäude und seiner Sammlungen im<br />
Rahmen von Arbeitstreffen sowie die Erstellung<br />
eines schriftlichen Maßnahmenplans.<br />
Außerdem dienten die Treffen der Initiierung<br />
von Kooperationen mit Forschungseinrichtungen,<br />
Expertinnen und Experten sowie<br />
anderen (Freilicht-)Museen in Hinblick auf<br />
mögliche gemeinsame Forschungs-, Dokumentations-<br />
und Ausstellungsprojekte.<br />
Historische grundlagenforschung<br />
Eine der Kooperationen aus diesem Projekt<br />
entstand mit Prof. Erich Landsteiner vom<br />
Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte<br />
der Universität Wien sowie Dr. Ernst<br />
Langthaler vom Institut für Geschichte des<br />
ländlichen Raumes in St. Pölten. Sie entwickelten<br />
eine Lehrveranstaltung vom Typus<br />
Forschungspraktikum mit dem Titel „Historische<br />
Grundlagenforschung für das Museumsdorf<br />
Niedersulz“, die im Sommersemes-<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
ter <strong>2012</strong> mit rund 15 Studierenden und zwei<br />
Tutoren abgehalten wurde.<br />
Nach einigen einführenden Terminen zu den<br />
Themen Agrarsystem und ländliche Gesellschaft<br />
im Weinviertel fand eine Exkursion<br />
nach Niedersulz in das Museumsdorf statt.<br />
Dort führten Dr. Veronika Plöckinger-<br />
Walenta, die wissenschaftliche Leiterin des<br />
Museumsdorfs, und Prof. Erich Landsteiner<br />
die Studierenden sowohl durch das Museumsdorf,<br />
das als idealtypisches Weinviertler<br />
Bachzeilendorf konzipiert worden war, als<br />
auch durch den neu errichteten Bauhof und<br />
das Depot. Dabei erhielten die Studierenden
nicht nur eine Einführung in die Hausformen<br />
des Weinviertels sowie eine Vorstellung<br />
einiger der 80 Objekte im Museumsdorf,<br />
sondern auch einen Einblick in die musealen<br />
Aufgaben eines Freilichtmuseums wie Niedersulz<br />
– das Sammeln, Bewahren, Präsentieren<br />
und Vermitteln von historischer Weinviertler<br />
Architektur, Dorfstrukturen, Wohn-<br />
und Wirtschaftsformen, aber auch von Blumen,<br />
Obstbäumen, Kräutern und Gemüse in<br />
Gärten und auf landwirtschaftlichen Flächen.<br />
Fünf Arbeitsgruppen<br />
Grundsätzlich sollte der Inhalt der Lehrveranstaltung<br />
möglichst eng mit den im Museumsdorf<br />
vorhandenen Gebäuden und Objekten<br />
verknüpft werden. So bildeten die<br />
Studierenden fünf Arbeitsgruppen zu den<br />
Themen „Dorf als wirtschaftliches und soziales<br />
System“, „Hausgeschichte“ von ausgewählten<br />
Häusern im Museumsdorf – dem<br />
Streckhof aus Bad Pirawath, dem Zwerchhof<br />
aus Waidendorf und dem Kleinhäuslerhaus<br />
aus Wetzelsdorf –, „Grundherrschaft“ am<br />
Beispiel der Hofmühle aus Walterskirchen,<br />
„Kirche und Pfarrer im Dorf “ sowie „Weinbau“<br />
am Beispiel eines Presshauses aus Niedersulz<br />
im Museumsdorf. Zu diesen Themen<br />
forschten sie – tatkräftig unterstützt von den<br />
beiden Tutoren Mag. Martin Bauer und Mag.<br />
Rudolf Buchinger – im Niederösterreichischen<br />
Landesarchiv in St. Pölten und dessen<br />
Außenstelle in Bad Pirawath, im Diözesanarchiv<br />
Wien und in der Pfarre Sulz im Weinviertel.<br />
Angewandte Forschung<br />
Die Recherchen stellten eine direkte Verbindung<br />
zwischen wissenschaftlicher Analyse in<br />
der Theorie und angewandter Forschung an<br />
einem spezifischen musealen Objekt dar.<br />
Als Quellen wurden Katasterpläne mit den<br />
zugehörigen Besitzverzeichnissen, Beschreibungen<br />
der lokale Wirtschaftsweisen samt<br />
Kalkulation des Bodenertrags („Operate“),<br />
Personenstandslisten mit Angaben über die<br />
Angehörigen der Haushalte eines Dorfes<br />
(„Seelenbeschreibungen“), Verzeichnisse der<br />
Besitzstände an Vieh, Land, Gegenständen<br />
und Geld eines Verstorbenen („Inventare“),<br />
kirchliche Tauf-, Heirats- und Sterberegister,<br />
Pfarrchroniken und Pfarrakten sowie ältere,<br />
auf das Weinviertel Bezug nehmende oder<br />
Museumsdorf Niedersulz / 47<br />
Einblick für die Studierenden in das Weinviertler<br />
Dorfleben.<br />
aus dem Weinviertel stammende Literatur<br />
verwendet.<br />
Beispiel objekt nr. 54<br />
So konnte beispielsweise ein Stück der Weinbau-Geschichte<br />
von Niedersulz am Beispiel<br />
eines Presshauses (Objekt Nr. 54 im Museumsdorf)<br />
eruiert werden: Laut Bauparzellen-<br />
sowie Inventurprotokoll gehörte das Presshaus<br />
zum Haus Niedersulz Nr. 96. Dieses<br />
hatte Elisabeth Wagner gehört, die laut einem<br />
Inventurprotokoll am 26. 5. 1822 starb. Die<br />
Verstorbene hatte den Besitz mit Hilfe einer<br />
Magd und eines ortsansässigen Bauern, der<br />
die Zugarbeit gegen Bezahlung verrichtet<br />
hatte, bewirtschaftet. Allerdings wurden in<br />
Niedersulz – wie im Weinviertel üblich –<br />
auch Keller ohne Verbindung zu einem Presshaus<br />
angelegt, da sich nicht alle ein eigenes<br />
Presshaus leisten konnten. Das Bauparzellenprotokoll<br />
von Niedersulz weist 102 Wohnhäuser,<br />
aber nur 53 Presshäuser aus. Das<br />
bedeutet, dass nicht einmal alle Halblehner<br />
über ein eigenes Presshaus verfügten.<br />
In Inventuren ist auch von „Pressschüpfeln“,<br />
also von Holzbauten, in denen die Presse<br />
aufgestellt war, die Rede. Kleinere Landwirte<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Presshaus aus Niedersulz, Objekt Nr. 54.<br />
Ein weiteres Forschungsobjekt:<br />
der Waidendorfer Hof.<br />
pressten ihre Trauben in fremden Press-<br />
häusern gegen Abgabe eines Teiles der Ernte<br />
und transportierten anschließend den Most<br />
in Fässern in den eigenen Keller oder lagerten<br />
diesen in fremden Kellern ein. (Vgl. Josef<br />
Stöger, Die Landwirtschaft des Dorfes Niedersulz<br />
in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.<br />
Seminararbeit im Rahmen des FPK Historische<br />
Grundlagenforschung für das Museumsdorf<br />
Niedersulz – Universität Wien, Sommersemester<br />
<strong>2012</strong>.)<br />
Die Studierenden hatten während der Forschungsarbeit<br />
Zugang zu den Objekten des<br />
Museumsdorfes und standen in engem Kontakt<br />
und Kooperation mit der wissenschaftlichen<br />
Leitung des Freilichtmuseums. Die<br />
Ergebnisse der Recherchen wurden in Form<br />
von Seminararbeiten dokumentiert und dienen<br />
dem Museumsdorf als Grundlage für<br />
zukünftige Beschriftungen, Folder oder Ausstellungen.<br />
So sollen die Synergieeffekte von<br />
universitärer Forschung und praktischer<br />
Museumsarbeit der Öffentlichkeit zugänglich<br />
gemacht werden. /<br />
Text: Veronika Plöckinger-Walenta<br />
Fotos: Museumsdorf Niedersulz
Service Civil International<br />
Das SCI-Freiwilligenteam im Museumsdorf Niedersulz.<br />
Museumsdorf Niedersulz / 48<br />
TaTEN,<br />
NIChT WORTE<br />
Zwei Wochen lang arbeiteten im Sommer <strong>2012</strong> Jugendliche aus der<br />
ganzen Welt im Weinviertler Museumsdorf.<br />
Bereits zum zweiten Mal waren jugendliche<br />
Volontäre im Zuge des SCI-Freiwilligenprojekts<br />
bei einem Arbeitscamp im Museumsdorf<br />
Niedersulz. Neun Jugendliche aus<br />
Deutschland, Spanien, Russland, der Ukraine<br />
und Taiwan unterstützten in unterschiedlichen<br />
Arbeitsbereichen und -gruppen die<br />
Teams in Niederösterreichs größtem Freilichtmuseum.<br />
Apfelernte, Unkrautjäten, mulchen,<br />
Strohballen aufschichten, auspflanzen<br />
– das waren für zwei Wochen die Aufgabengebiete<br />
der SCI-Freiwilligen.<br />
Die Organisation Service Civil International,<br />
kurz SCI, wurde 1920 nach dem Ersten Weltkrieg<br />
von Pierre Cersole in Frankreich<br />
gegründet und ist eine der größten und ältes-<br />
ten Friedens- und Freiwilligenorganisationen.<br />
Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg<br />
standen vor allem Projekte im Bereich des<br />
friedvollen Wiederaufbaus im Vordergrund.<br />
So wurde im Rahmen des ersten Workcamps<br />
1920 ein zerstörtes französisches Dorf bei<br />
Verdun von den freiwilligen Helfern wieder<br />
aufgebaut. Internationale Solidarität und<br />
Toleranz sollten durch die Hilfe und Kooperation<br />
von Menschen mit unterschiedlichen<br />
kulturellen und sozialen Hintergründen<br />
gefördert und wieder aktiviert werden. In den<br />
Anfangsjahren waren es hauptsächlich längerfristige<br />
Arbeitseinsätze in Gebieten, die<br />
durch Kriege oder Naturkatastrophen zerstört<br />
worden waren, bei denen sich die SCI-<br />
Aktivisten betätigten. Die direkte Zusam-<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
menarbeit, Kommunikation und der Kontakt<br />
zu den betroffenen Menschen vor Ort standen<br />
dabei im Fokus.<br />
interkultureller Austausch<br />
„Deeds not words“ – „Taten, nicht Worte“<br />
war dabei die Maxime dieser anfänglichen<br />
Gründungsprojekte des SCI und die Idee der<br />
friedvollen Freiwilligenhilfe verbreitete sich<br />
rasch weltweit.<br />
In den 1960er Jahren kam es sukzessive zu<br />
einer strukturellen Umwandlung der SCI-<br />
Workcamps: Die Dauer der einzelnen Projekte<br />
verkürzte sich im Schnitt auf zwei bis<br />
vier Wochen, die Auseinandersetzung mit<br />
sozialen Problemen und die Zusammenarbeit<br />
mit anderen „non-governmental“- und „nonprofit“-Organisationen<br />
(NGO bzw. NPO)<br />
wurden forciert. Dadurch wurden gesellschaftspolitische<br />
Aspekte innerhalb der SCI<br />
immer wichtiger – neben der eigentlichen<br />
Freiwilligenarbeit wurden der interkulturelle<br />
Austausch und die Sensibilisierung gegenüber<br />
Menschen aus anderen Ländern oder in<br />
anderen Lebenssituationen sowie auch die<br />
inhaltliche Auseinandersetzung bei den einzelnen<br />
Projekten immer essenzieller.<br />
Mittlerweile umfasst das SCI-Netzwerk aktuell<br />
44 Partner- und Unterorganisationen und<br />
ist in fünf Kontinenten aktiv. Die österreichische<br />
Dependance des Service Civil International<br />
wurde 1947 gegründet und wird<br />
ausschließlich ehrenamtlich geführt. Das<br />
Gros seiner aktiven Mitglieder besteht aus<br />
Studentinnen und Studenten, die die Koordination<br />
der Freiwilligenprojekte und Büroarbeit,<br />
das Versenden und Vorbereiten der<br />
Freiwilligen und vieles mehr organisieren<br />
und dafür unentgeltlich arbeiten. Deeds not<br />
words! /<br />
Text: Freya Martin<br />
Foto: Museumsdorf Niedersulz/Ingrid Fröschl-<br />
Wendt<br />
sERvICE CIvIL INTERNaTIONaL<br />
———————————————————<br />
1010 Wien, Schottengasse 3a/1/4/59<br />
Tel. 01 535 91 08<br />
www.sci.or.at
Aktuelles<br />
INTERN<br />
WIR gRaTuLIEREN<br />
——————————————————————<br />
Ihren besonderen Geburtstag feiert unser Ehrenmitglied<br />
Johanna Rodler, Korneuburg, 25. <strong>November</strong><br />
Ihren besonderen Geburtstag feiert unser Mitglied<br />
Leopoldine Haydn, Kirnberg an der Mank, 12. <strong>November</strong><br />
Ihren runden Geburtstag feiern unsere Ehrenmitglieder:<br />
Abg. z. NR a. D. Anton Bayr (85), Krummnußbaum, 18. <strong>November</strong><br />
KR Harald Lutz (85), Nussdorf ob der Traisen, 30. <strong>November</strong><br />
Ihren runden Geburtstag feiern unsere Mitglieder:<br />
Leopold Bauer (50), Simonsfeld, 15. <strong>November</strong><br />
Rudolf Hell (50), Statzendorf, 19. <strong>November</strong><br />
Wir gratulieren Elisabeth Schöffl-Pöll zur Verleihung des<br />
Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich.<br />
Zur Verleihung des Silbernen Ehrenzeichens gratulieren wir<br />
herzlichst Ök.-Rat Lieselotte Wolf und Anton Mörwald sen.<br />
NEuLICh BEI …<br />
——————————————————————<br />
... der Buchpräsentation mit (v. l. n. r.) Mag. Carl Aigner, Direktor<br />
des Niederösterreichischen Landesmuseums; Dorli Draxler,<br />
Geschäftsführerin der Volkskultur Niederösterreich; Buch-<br />
autor Sepp Forcher, Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll und Karl<br />
Hohenlohe. Über das Buch lesen Sie auf Seite 36.<br />
Foto: Erich Marschik<br />
RadIOTIPP<br />
——————————————————————<br />
aufhOHRchen spezial „Alle heiligen Zeiten“<br />
Do, 1. 11. <strong>2012</strong>, 11.04–12.00 Uhr<br />
Gestaltung: Dorli Draxler & Edgar Niemeczek<br />
<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / 49<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
sO sChMECKT NIEdERösTERREICh<br />
advENTMaRKT<br />
——————————————————————<br />
30. 11. und 1. 12. <strong>2012</strong>, 10.00–21.00 Uhr<br />
Palais Niederösterreich<br />
Altes Landhaus, 1010 Wien, Herrengasse 13<br />
Ein stimmungsvoller Markt des Landes Niederösterreich für<br />
seine Landsleute und Freunde in Wien.<br />
Zum Schauen<br />
Kunsthandwerk aus Niederösterreich,<br />
Krippen vom Hollabrunner Krippenbauverein.<br />
Zum Schenken<br />
Produkte aus Niederösterreich, geschmackvolle Geschenkideen.<br />
Zum Genießen<br />
Traditionelle Köstlichkeiten und geschmackvolle Raritäten.<br />
Zum Zuhören<br />
Das musikalische Programm gestaltet die Volkskultur<br />
Niederösterreich. Unter anderem mit den Mostviertler<br />
BlechMusikanten, KrassBrass, Sängerbund Neustift, NiglHoga,<br />
D’Quetschsaitenpfeifal. Lesung: Isolde Kerndl u.a.<br />
Eintritt frei!<br />
Foto: Grafenegg
2 nd LIFE<br />
Allerspätestens seitdem in der Textilfabrik<br />
Ali Enterprises im pakistanischen Karatschi<br />
mehr als 250 Menschen verbrannten und<br />
erstickten, muss es klar sein, dass wir Blut am<br />
Körper tragen. Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten,<br />
politisch korrekt und modisch<br />
gekleidet zu sein. „Aus Alt mach Neu“ ist der<br />
einfache Nenner der Upcycling-Bewegung.<br />
Hier werden alte Kleider gesammelt und zu<br />
neuen umgestaltet. Immer mehr Modeateliers<br />
arbeiten nach diesem kreativen Prinzip.<br />
Milch (www.milch.mur.at) recycelt Herrenhosen<br />
zu Hosenkleidern. Auch aus Herrenhemdkragen<br />
werden Kleider, ganz nach dem<br />
Verehrter Leserkreis, ich versprech’s: Sie werden<br />
an dieser Stelle nicht jeden Monat etwas<br />
über den gerade anbrechenden Monat zu<br />
lesen bekommen. Aber dem <strong>November</strong> habe<br />
ich es versprochen! Er wird gemobbt. Er wird<br />
nicht gemocht. Dabei ist er viel besser als sein<br />
Ruf. Der <strong>November</strong> ist ein Monat, der endlich<br />
keine Erwartungen weckt. Man muss nicht<br />
heiraten (Mai) und niemanden in den April<br />
schicken. Man muss noch nicht an Weihnachten<br />
denken. Man muss keine guten Vorsätze<br />
haben (Jänner). Man muss nicht Ski<br />
fahren (Februar) und nichts anbauen (März).<br />
Man muss nicht aus dem Bürofenster schauen<br />
und die schönen Sommertage vorbeiziehen<br />
lassen (Juni, Juli, August). Man muss<br />
keine Torschlusspanik bekommen, dass der<br />
Sommer schon wieder vorbei ist und die<br />
Schule beginnt (September). Man muss keine<br />
Die letzte Seite / 50<br />
Kleid aus einer alten Herrenhose. Foto: Mirjana Rukavina.<br />
biblischen Motto „Schwerter zu Pflugscharen“.<br />
Steinwidder (www.steinwidder.com)<br />
macht aus Strumpfhosen und Socken Kreationen,<br />
die auch am Laufsteig reüssieren.<br />
Landeinwärts<br />
Revolution machen (Oktober). Der <strong>November</strong><br />
ist der <strong>November</strong> ist der <strong>November</strong>.<br />
Er leitet seinen Namen aus dem römischen<br />
Kalender ab und war der neunte Monat (lat.<br />
novem = neun). Alte deutsche Namen für den<br />
<strong>November</strong> sind Windmond (eingeführt von<br />
Karl dem Großen im 8. Jahrhundert), Wintermonat<br />
und Nebelung. In den Niederlanden<br />
wurde der Monat auch Schlachtmond<br />
oder Schlachtemonat genannt. Weniger grausam<br />
klingt’s im Tschechischen, der <strong>November</strong><br />
heißt Blätterfall (= listopad).<br />
Der <strong>November</strong> ist so herrlich unbesetzt. Er ist<br />
nicht kommerzialisiert – abgesehen von ein<br />
bisserl Kerzen kaufen für den Friedhof. Er<br />
verspricht nichts, außer ein paar Nebeltagen.<br />
Und ja, es stimmt, dass der <strong>November</strong> statis-<br />
<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />
Neben Wien ist Berlin die Modezentrale für<br />
Upcycling. Das Veränderungsatelier „Bis es<br />
mir vom Leibe fällt“ bietet seinen Kundinnen<br />
und Kunden Do-it-yourself-Tools an. /<br />
BEssER aLs sEIN RuF<br />
tisch die meisten Nebeltage aufweist. Aber<br />
statistisch gesehen passieren die meisten Verkehrsunfälle<br />
im Oktobernebel. Im <strong>November</strong><br />
haben wir uns schon an die Fahrverhältnisse<br />
gewöhnt. Es ist gerade der Nebel, der den<br />
schlechten Ruf beschert. Der Nebel ist aber<br />
gut für die Haut, kluge Frauen machen im<br />
Nebel lange Spaziergänge und pflegen ihren<br />
Teint. Dichter pflegen das Klischee. <strong>November</strong>,<br />
Nebel, Einsamkeit. Schön ist’s trotzdem.<br />
Seltsam, im Nebel zu wandern!<br />
Einsam ist jeder Busch und Stein,<br />
Kein Baum sieht den andern,<br />
Jeder ist allein.<br />
(aus „Nebel“ von Hermann Hesse) /<br />
Mella Waldstein
Damit Visionen Wirklichkeit werden, ermöglicht Raiffeisen<br />
viele <strong>Kultur</strong>veranstaltungen durch seine regionalen und<br />
lokalen Förderungen. Denn Realisierung und Erfolg von<br />
<strong>Kultur</strong>initiativen hängen nicht nur von Ideen, sondern auch<br />
von fi nanziellen Mitteln ab. Gemeinsam ist man einfach<br />
stärker. www.raiffeisen.at
Freitag, 25. Jänner 2013<br />
Einlass: 19.30 Uhr<br />
2. Niederösterreichischer<br />
Trachtenball<br />
Schloss Grafenegg<br />
Musik: Franz Posch & seine Innbrüggler, Weinviertler Kirtagsmusik, AB3,<br />
Duo Gradinger-Koschelu, Big Band der Militärmusik Niederösterreich<br />
Kartenvorverkauf<br />
Flanierkarte: EUR 35,00 (inkl. Eintritt, Aperitif)<br />
Kartenbüro Grafenegg im Auditorium Grafenegg:<br />
T. 02735 5500 (Fr bis So 11.00-17.00 Uhr) bis 16. Dezember <strong>2012</strong><br />
Kartenbüro der Tonkünstler Grafenegg im Museumsquartier Wien:<br />
T. 01 5868383 (Mo bis Fr 9.00-17.30 Uhr) · tickets@grafenegg.at<br />
Tischplatzkarte: EUR 75,00<br />
(inkl. Eintritt, Tischplatz, Gedeck, Aperitif, Vorspeisenpotpourri,<br />
Schmankerlreigen, Mitternachtssuppe)<br />
tischkarten@volkskulturnoe.at<br />
Informationen: www.wirtragennoe.at · www.volkskulturnoe.at