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schaufenster / Kultur.Region / November 2012

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P.b.b. · Vertragsnummer 11Z038847 M · Erscheinungsort: 3452 Atzenbrugg · Verlagspostamt: 3451 Michelhausen · DVR: 0933 295<br />

Nachrichten aus der <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> Niederösterreich . <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

<strong>schaufenster</strong><br />

<strong>Kultur</strong>.region<br />

Wir sind Bühne<br />

<strong>Kultur</strong>preise <strong>2012</strong> / Volkskultur und <strong>Kultur</strong>initiativen<br />

Handwerk / Seilerei . Brauchkultur / Rund um Allerheiligen


Tanz. Musik.<br />

TanzMusik.<br />

Mehr BrauchTuM und VolkskulTur<br />

für niederösTerreich.<br />

wir schaffen<br />

das.<br />

www.noevers.at Wir schaffen das.<br />

WIEN NORD


Brücken haben in vielerlei Hinsicht Bedeutung.<br />

Zunächst einmal dienen sie als Bauwerke<br />

dem Überqueren von Flüssen, Schluchten,<br />

Straßenzügen oder ganzen Tälern. Gerne<br />

wird der Begriff Brücke auch als Metapher<br />

verwendet, um auf diese Weise verbindende<br />

Elemente oder Eigenschaften bildhaft zu<br />

erklären. Man spricht daher von Brückenbauern,<br />

die Gegensätze überwinden und<br />

Konflikte bereinigen, von tragfähigen Brücken,<br />

die auch bei argen Belastungsproben<br />

sicher standhalten, von Brücken in die Vergangenheit<br />

oder in die Zukunft, um das<br />

gegenwärtige Handeln zu behaupten, zu<br />

erklären und in den Lauf der Geschichte einzubinden,<br />

oder aber im negativen Sinn vom<br />

Abbruch von Brücken, wenn freundschaftliche<br />

Beziehungen beendet werden.<br />

Gerade die laufende Staffel der Kremser<br />

Kamingespräche zum Thema „Donau.Visionen“<br />

gibt Einblicke in die verschiedensten<br />

Aspekte, die mit Brücken einhergehen. Jede<br />

Editorial / 3<br />

Brücken bauen<br />

EINBLICK<br />

Konstruktive <strong>Kultur</strong>arbeit.<br />

neue Brücke fördert die Intensivierung von<br />

Beziehungen zwischen den Menschen beiderseits<br />

des Stromes, ob nun die neue Sankt-<br />

Georgs-Brücke den Zentralraum Niederösterreichs<br />

besser erschließt oder ob rund<br />

1.200 Kilometer flussabwärts die bald fertige<br />

Donaubrücke zwischen der bulgarischen<br />

Stadt Vidin und dem rumänischen Calafat<br />

enorme Verbesserungen für die Menschen<br />

beider Länder bringt. Nicht zuletzt versteht<br />

sich diese Brücke als weiterer Meilenstein im<br />

europäischen Integrationsprozess. Übrigens:<br />

Über diese und verschiedene andere Brücken<br />

macht sich Mella Waldstein ihre Gedanken,<br />

nachzulesen auf Seite 30.<br />

Die schönsten, funktionellsten und tragfähigsten<br />

Brücken helfen allerdings dann<br />

nicht weiter, wenn sie nicht beschritten oder<br />

befahren werden, wenn sie also im über-<br />

tragenen Sinn nicht als konstruktives Bindeglied<br />

verstanden werden. Bildungsresistenz<br />

gilt hier wohl als ein fundamentales Hinder-<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

nis, den Wert von solchen Brücken zu erkennen,<br />

mögen diese nun zu bisher nicht<br />

bekannten <strong>Region</strong>en, Menschen, <strong>Kultur</strong>en<br />

oder Wissensgebieten führen. Doch auch der<br />

entsprechende Wille und ein Quäntchen Mut<br />

gehören dazu, um sich auf das Gegenüber<br />

einzulassen. In besonderen Fällen kann es<br />

helfen, goldene Brücken zu bauen. Wer es<br />

allerdings ablehnt, selbst so einen Brückenschlag<br />

anzulehnen, sieht wahrscheinlich tiefe<br />

Gräben vor sich liegen.<br />

Konstruktive <strong>Kultur</strong>arbeit bedeutet jedenfalls,<br />

sowohl Brücken zu bauen als auch für<br />

ihre feste Verankerung an den Ufern zu sorgen.<br />

Allen Brückenbauern wünschen wir<br />

daher viel Kraft und Ausdauer, denn der Weg<br />

in eine erfolgreiche Zukunft führt über eine<br />

Vielzahl verschiedener Brücken.<br />

Dorli Draxler, Edgar Niemeczek<br />

MusiksCHuL<br />

management<br />

KULTUR . REGION<br />

NIEDERÖSTERREICH


ORgELKONZERT<br />

PRIMa La MusICa<br />

——————————————————<br />

Di, 20. 11. <strong>2012</strong>, 18.00 Uhr<br />

Konservatorium für Kirchenmusik der<br />

Diözese St. Pölten, Festsaal<br />

3100 St. Pölten, Klostergasse 10<br />

——————————————————<br />

Erstmals kommt es am 20. <strong>November</strong><br />

<strong>2012</strong> am Konservatorium für Kirchenmusik<br />

der Diözese St. Pölten zu einem<br />

gemeinsamen Konzert der niederösterreichischen<br />

Preisträger des Landeswettbewerbs<br />

prima la musica in der Wertungskategorie<br />

Orgel.<br />

In seiner langen Tradition wurde der<br />

niederösterreichische Landeswettbewerb<br />

heuer bereits zum 18. Mal ausgetragen<br />

und stellte mit über 1.000 Musikschülern<br />

bundesweit die größte Teilnehmeranzahl.<br />

Höchste Zeit, einmal jene in den Vordergrund<br />

zu rücken, die in der Regel aufgrund<br />

der Wahl ihres Instruments zwar<br />

hörbar, jedoch im Hintergrund weniger<br />

sichtbar sind: die Organisten.<br />

——————<br />

Information:<br />

Musikschulmanagement Niederösterreich<br />

Tel. 02742 90666 6100<br />

www.musikschulmanagement.at<br />

Top-Termine / 4<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

TOP-TERMINE<br />

Cd-PRäsENTaTION<br />

auF NaCh BEThLEhEM!<br />

——————————————————<br />

Do, 29.11.<strong>2012</strong>, 19.00 Uhr<br />

Trachten Tostmann, Bandlkramerladen<br />

1010 Wien, Schottengasse 3a<br />

——————————————————<br />

Rechtzeitig vor dem ersten Adventwochenende<br />

präsentiert die Volkskultur<br />

Niederösterreich ihre neue CD „Auf<br />

nach Bethlehem!“ Dem mehr als zwei<br />

Jahrtausende alten Ruf der einfachen<br />

Hirten, nach Bethlehem zu pilgern, um<br />

die Geburt Christi zu feiern, folgten<br />

auch Instrumental- und Vokalensembles:<br />

D’Schlofhaumbuam, der Familiendreigesang<br />

Knöpfl, Rohrblatt und Salterina<br />

sowie die Harfenistin Andrea Hampl<br />

machten sich auf die Suche nach volksmusikalischen<br />

Raritäten rund um den<br />

Weihnachtsfestkreis. Der musikalische<br />

Bogen spannt sich von der Herbergssuche<br />

über Verkündigungslieder und<br />

Gesänge der Hirten bis zu Liedern zum<br />

Neuen Jahr und Dreikönig. Mitwirkende<br />

Ensembles umrahmen die Veranstaltung.<br />

——————<br />

Information und Anmeldung:<br />

Volkskultur Niederösterreich<br />

Tel. 02275 4660, office@volkskulturnoe.at<br />

www.volkskulturnoe.at<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

NIEdERösTERREIChIsChEs<br />

advENTsINgEN BEIM<br />

gRaFENEggER advENT<br />

——————————————————<br />

Do, 6., und Fr, 7. 12. <strong>2012</strong>, 19.00 Uhr<br />

Auditorium Schloss Grafenegg<br />

——————————————————<br />

Herausragende Gesangs- und Instrumentalensembles<br />

aus Niederösterreich<br />

stimmen mit traditionellen Liedern und<br />

Weisen auf Weihnachten ein.<br />

Chor Haag, Mostviertler BlechMusikanten,<br />

der Familiendreisang Knöpfl und<br />

NiglHoga Stubnmusi<br />

Lesung: Adi Hirschal<br />

Moderation & Konzept: Dorli Draxler und<br />

Edgar Niemeczek<br />

Karten: EUR 14,00 bis 24,00<br />

Mit der Eintrittskarte erhält jeder<br />

Besucher einmalig freien Eintritt zum<br />

Grafenegger Advent!<br />

——————<br />

Information und Karten:<br />

Auditorium Grafenegg:<br />

Tel. 02735 5500<br />

Tonkünstler-Kartenbüro:<br />

Tel. 01 586 8383<br />

www.grafenegg.at


Volkskultur & <strong>Kultur</strong>initiativen<br />

6 / <strong>Kultur</strong>preise <strong>2012</strong><br />

iMPreSSuM<br />

——————<br />

Haus der <strong>Region</strong>en<br />

8 / südtirol – Eine<br />

Erfolgsgeschichte<br />

——————<br />

Haus der <strong>Region</strong>en<br />

11 / sizilien<br />

——————<br />

Brauchkultur<br />

14 / Rund um allerheiligen<br />

——————<br />

Gala-Abend<br />

16 / Botschafter der Tracht<br />

——————<br />

Musikschulen<br />

18 / annie – das Musical<br />

——————<br />

Musikschulen<br />

21 / Musiktheater<br />

——————<br />

Industrieviertel<br />

23 / Leopoldi<br />

——————<br />

Inhalt / 5<br />

<strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

INhaLT<br />

Weinviertel<br />

24 / Mundart<br />

——————<br />

Weinviertel<br />

27 / Literarisches<br />

am Brandlhof<br />

——————<br />

Forschung<br />

28 / streng geheim!<br />

——————<br />

Donau.Visionen<br />

30 / Brücke Nummer zwei<br />

——————<br />

Mostviertel<br />

31 / altes handwerk<br />

——————<br />

Chorszene Niederöstererich<br />

34 / Chorleiter „on tour“<br />

——————<br />

Auslage<br />

36 / Bücher, Cds & feine Ware<br />

——————<br />

<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong><br />

38 / Fortbildung<br />

——————<br />

Herausgeber: Dr. Edgar Niemeczek, Dorothea Draxler. Chefredakteurin: Mella Waldstein. Redaktionsteam: Karin Graf, MA, Mag. Günter Fuhrmann, Mag. Michaela Hahn, Dr. Lejla<br />

Halilovic, Mag. Katharina Heger, Mag. Marion Helmhart, Otto Kurt Knoll, DI Claudia Lueger, Dr. Freya Martin, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Michaela<br />

Weiss, Mag. Anita Winterer, Mag. Eva Zeindl, Mag. Michaela Zettl. MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Gabriele Burian, Mag. Thomas Hofmann, Josef Schick, Elisabeth Schiller,<br />

Dr. Elsbeth Wallnöfer, Mag. Karin Weber-Rektorik, Dr. Helga Maria Wolf. Produktionsleitung, Marketing, Anzeigen und Beilagen: Mag. Marion Helmhart. Eigentümer/Medieninhaber:<br />

Volkskultur Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg, Schlossplatz 1, FN 308711m, LG St. Pölten. Tel. 02275 4660, office@volkskulturnoe.at, www.volkskulturnoe.at.<br />

Geschäftsführung: Dorothea Draxler, Dr. Edgar Niemeczek. Sekretariat: Petra Hofstätter, Tina Schmid. Grafik/Layout: Atelier Olschinsky Grafik und Design GmbH, 1060 Wien.<br />

Druck: good friends Druck- und Werbeagentur GmbH. Verlagspostamt: 3451 Michelhausen. Versandpostamt: Verteilerzentrum BZW 1000. ISSN 1680-3434<br />

Copyrights: <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong>.Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg. Artikelübernahme nur nach Vereinbarung mit dem Herausgeber. Fotos: wenn nicht anders angegeben, Bildarchiv<br />

der Volkskultur Niederösterreich GmbH. Ziel der Zeitung: Information und Berichterstattung über Kunst und <strong>Kultur</strong> und ihre gesellschaftlichen Bedingtheiten mit besonderer<br />

Berücksichtigung der <strong>Region</strong>alkultur im Bundesland Niederösterreich, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, Ankündigungen und Hinweise.<br />

Alle in der Zeitschrift verwendeten Begriffe, Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form selbstverständlich in gleicher Weise<br />

auf Frauen und Männer.<br />

Cover: Bei den Proben der Musikschülerinnen für das Musical Annie, Foto: Nikolaus Korab.<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Stadtmuseum Traiskirchen<br />

40 / der Ferntöner<br />

——————<br />

Österreichische Bernsteinstraße<br />

42 / Museumsnetzwerk<br />

——————<br />

Amethyst Welt Maissau<br />

44 / voll violett<br />

——————<br />

Museumsdorf Niedersulz<br />

46 / university goes<br />

Museumsdorf<br />

——————<br />

Museumsdorf Niedersulz<br />

48 / Taten, nicht Worte<br />

——————<br />

<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong><br />

49 / Intern<br />

——————<br />

50 / die letzte seite<br />

——————


Würdigungspreis Volkskultur<br />

<strong>Kultur</strong>preise <strong>2012</strong> / 6<br />

EIN<br />

vERBaNdLER<br />

Rudi Pietsch – Musiker, Forscher, Lehrer.<br />

Rudi Pietsch mit „seinen“ Tanzgeigern. V. l. n. r.: Rudi Pietsch, Walter Burian, Dieter Schickbichler,<br />

Marie-Theres Stickler, Claus Huber, Michi Gmasz, Hannes Martschin.<br />

Eine schillerndere Persönlichkeit lässt sich<br />

schwer finden: ein bewegter und bewegender<br />

Mensch, der stets mit unvorhersehbaren, gar<br />

unglaublichen Reaktionen sein Gegenüber<br />

überrascht, wendig und pointiert formuliert,<br />

musikalisch wie verbal, mit unverwechselbarem<br />

charakterlichen wie physiognomischen<br />

Profil – das und vieles mehr ist Rudi<br />

Pietsch.<br />

Wenngleich er tief verwurzelt ist in seiner<br />

Heimat Niederösterreich, gleich einem 60<br />

Jahre alten Rebstock, ist sein Zuhause eigentlich<br />

die Welt. Ein Grenzgänger ist er, ein<br />

Grenzüberschreiter. Und er denkt grenzenlos.<br />

Sein freidenkerischer Geist, umspielt<br />

vom Ostinato der heimatlichen Verbundenheit,<br />

prägt sein Leben und Schaffen in vielfältigen<br />

Wirkungskreisen.<br />

Der geiger<br />

Seine geigerischen Qualitäten hat er in frühen<br />

Jahren in der Familienmusik entwickelt,<br />

während weiterer musikalischer Allianzen<br />

in seiner Sturm-und-Drang-Zeit ausgebaut<br />

und preziös geschliffen als Primas der<br />

„Tanzgeiger“, die er ins Leben gerufen hat. In<br />

inzwischen mehr als drei Jahrzehnten<br />

Lebens- und Musikgeschichte der „Tanzgeiger“<br />

haben sich die Instrumentierung,<br />

das Repertoire und Besetzung gewandelt.<br />

Konstant geblieben sind die Vertrautheit mit<br />

den eigenen musikalischen Wurzeln und die<br />

Hellhörigkeit für das Fremde. Auf unzähligen<br />

Reisen durch die ganze Welt hat sich<br />

ihre Musik aus Österreich als unmissverständliche<br />

Sprache bewährt. Sie präsentieren<br />

sich kraftvoll, virtuos, mitreißend, feu-<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

rig, verrückt, stets authentisch und mit einer<br />

gehörigen Portion Selbstironie.<br />

Der Wissenschaftler<br />

In Wien hat er Schulmusik studiert und ist<br />

später als lehrender Wissenschaftler am Institut<br />

für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie<br />

der Universität für Musik und darstellende<br />

Kunst ebendort tätig geworden. Als<br />

Überbringer von Volkskulturpaketen, die er<br />

im Rahmen von leidenschaftlich begangenen<br />

Feldforschungen und Exkursionen in diversen<br />

<strong>Region</strong>en Niederösterreichs, Österreichs<br />

und Ländern der Welt bunt befüllt hat mit<br />

gesammelten Tänzen, Bräuchen, Melodien<br />

für jeden Anlass im Leben, steht bei ihm die<br />

Anwendbarkeit dieser Inhalte stets im Vordergrund.<br />

Er hat sie bis heute an ca. 4.000<br />

Studenten – ihrerseits Multiplikatoren – weitergereicht<br />

mit dem Auftrag, nie nur Teilaspekte<br />

dieser Inhalte zu betrachten, sondern<br />

sie als Ganzes im großen Zusammenhang zu<br />

sehen und durch Innenansicht zu verstehen.<br />

Das musikalische Vorbild<br />

Ein Motor, ein Macher, ein Anreger, ein Verbandler<br />

ist er. Viele Musiker hat er zu Ensembles<br />

zusammengeführt und gecoacht, die<br />

heute aus der österreichischen <strong>Kultur</strong>szene<br />

nicht mehr wegzudenken sind. Er ist mitverantwortlich<br />

für die Entstehung des Weltmusikfestivals<br />

„glatt & verkehrt“ in Krems. Für<br />

Radio NÖ hat er Sendungen programmiert<br />

und verfasst und so für die Verbreitung von<br />

Volksmusik aus Niederösterreich gesorgt. Für<br />

den Konzertzyklus „Musikanten“ im Wiener<br />

Konzerthaus ist er Kurator. Sein Urteil als<br />

Juror wird bei Volksmusikwettbewerben<br />

landauf landab hoch geschätzt. Als Herausgeber<br />

etlicher Notenhefte und wissenschaftlicher<br />

Publikationen hat er unzählige Tanzmusikstücke<br />

vor allem niederösterreichischer<br />

Abkunft ins Leben zurückgeholt. Abertausende<br />

Zuhörer seiner Konzerte hat er als<br />

Meister der Stegreifmoderation begeistert<br />

durch die geniale Verquickung von ethnologischem<br />

Wissen und bester Unterhaltung.<br />

Rudi Pietsch ist ein Phänomen. Er ist der<br />

Brennstoff, der sich selbst verzehrt und dabei<br />

stets erneuert. Möge das zeit seines Lebens so<br />

bleiben. /<br />

Text: Gabriele Burian<br />

Foto: Die Tanzgeiger


Anerkennungspreis<br />

<strong>Kultur</strong>initiativen<br />

KEINE aNgsT<br />

vOR „quOTENgIFT“<br />

Der <strong>Kultur</strong>hof Amstetten und sein<br />

ungewöhnliches Programm.<br />

Wer Visionen hat, braucht einen Arzt, meinte angeblich einst Helmut<br />

Schmidt. Es ist wohl eher umgekehrt: Wenn man für die Planung eines<br />

<strong>Kultur</strong>vereines ein wenig durchgeknallt ist, kann das kein Nachteil<br />

sein. In Amstetten hat man sich an dieses Motto gehalten und mit einer<br />

gehörigen Portion Unerschrockenheit eine <strong>Kultur</strong>initiative gegründet,<br />

die einzigartig war im Land und vermutlich darüber hinaus. Das war<br />

im Jahr 1992. Die Idee: Eine Plattform für Gedankenaustausch zu verschiedenen<br />

gesellschaftlich relevanten Themen gründen; eine Vereinigung,<br />

die sich einem emanzipatorischen Politik-, Geschichts- und<br />

<strong>Kultur</strong>verständnis verpflichtet fühlt und den Zusammenhang zwischen<br />

<strong>Kultur</strong> und Politik nicht unterschlägt. Man wollte ein Publikum<br />

gewinnen, das Interesse am Diskurs und am intellektuellen Austausch<br />

hat sowie Freude an hochwertigen Inputs. Bis heute wird folgerichtig<br />

ein Veranstaltungsmix umgesetzt, der weit weg von den üblichen<br />

Aktivitäten von <strong>Kultur</strong>initiativen ist. Den Großteil des Programms<br />

bilden Angebote mit Wortanteil: Lesungen und Vorträge, hochwertig,<br />

ohne Angst vor großen Namen und thematisch immer am Puls der<br />

Zeit. Abgerundet werden diese Aktivitäten durch die „philosophischen<br />

Cafés“, freie Diskussionsabende zu vorgegebenen Themen. Man<br />

bewegt sich also weitgehend in einem Bereich, der gemeinhin als Quotengift<br />

gilt. Geradezu märchenhaft mutet es daher an, dass dieses so<br />

ungewöhnliche Konzept seit 20 Jahren funktioniert. Gründungsmitglied<br />

Fritz Rafetseder: „Wir sehen die Wirkung unserer Aktivitäten auf<br />

das Geschehen zwar als sehr begrenzt, aber andererseits haben wir eine<br />

gefühlte wichtige Funktion als gesellschaftlicher Sauerteig.“ Na bitte. /<br />

www.kulturhof.at<br />

Text: Josef Schick, Foto: Helmut Lackinger<br />

<strong>Kultur</strong>preise <strong>2012</strong> / 7<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Anerkennungspreis<br />

<strong>Kultur</strong>initiativen<br />

EINE BaLaNCE<br />

dEs MaChBaREN<br />

Über das feine Literaturmagazin<br />

DUM.<br />

V. l. n. r.: Andreas Frühwald, Ernst Gassner, Franz Helm und Fritz Rafetseder Wolfgang Kühn.<br />

DUM wurde von Reinhard Paschinger und Wolfgang Kühn im Oktober<br />

1992 erfunden und gemeinsam mit Erich Engelbrecht ins Leben<br />

gebracht. Die erste Ausgabe erschien am 24. Dezember desselben Jahres<br />

und wurde in wenigen kopierten Ausgaben an die Besucher der<br />

Christmette verschenkt. Die Frage, ob das jetzt täglich komme, zeugte<br />

immerhin von Interesse, und so ging man weiter ans Werk.<br />

Poetische Qualität<br />

DUM ist auf ungewöhnliche Art erfolgreich: Es bleibt klein, ohne<br />

dadurch an Bedeutung zu verlieren oder daran zugrunde zu gehen. Es<br />

braucht kein Wachstum, um für die Leserschaft spannend und frisch<br />

und für die Herausgeber erfüllend zu bleiben. Es schafft gekonnt eine<br />

Balance des Machbaren. Den Hauptteil des Heftes bilden Prosatexte,<br />

Textauszüge und Lyrik von Autoren aus dem gesamten deutschsprachigen<br />

Raum, vervollständigt durch Interviews und Rezensionen.<br />

Auffallend viele Junge und Autorinnen finden hier ihre Öffentlichkeit,<br />

von auffallender poetischer Qualität sind die Texte.<br />

Die Geschichte von DUM ist aber auch eine Geschichte von Wolfgang<br />

Kühn, dem einzigen noch aktiven Gründungsmitglied. Gemeinsam<br />

mit Kathrin Kuna und Markus Köhle gibt er die Zeitschrift heraus.<br />

Ausgestattet mit einer soliden Gelassenheit und stets auf der Suche<br />

nach neuen Ansätzen, treibt ihn die Freude an jeder neuen Ausgabe<br />

voran. Er sagt, jede sei wie ein Kind für ihn. /<br />

www.dum.at<br />

Text: Josef Schick, Foto: Helmut Lackinger


Haus der <strong>Region</strong>en / 8<br />

Südtirol<br />

ERFOLgsgEsChIChTE<br />

Vor 20 Jahren erklärte die italienische Regierung dem Staat Österreich als Schutzmacht der Südtiroler,<br />

sie hätte die Vertragspunkte ratifiziert. Dies führte zur „Streitbeilegungserklärung“ von Seiten Österreichs.<br />

Die hochmittelalterliche Haderburg/Castello di Salorno oberhalb von Salurn markiert seit alters her die Grenze zwischen dem deutschen und italienischen Sprachraum.<br />

Kriegsende 1918. Die Welt liegt in Trümmern.<br />

Hunger, Not und Seuchen regieren.<br />

Vier Jahre waren seit Ausbruch des Krieges<br />

vergangen. Am Ende sollten annähernd 40<br />

Staaten am ersten großen geopolitischen<br />

Machtgerangel beteiligt sein. Das Ergebnis<br />

war eine Unzahl Toter und Verletzter und ein<br />

Chaos, das der politischen Neuordnung<br />

bedurfte. Im Jänner 1919 tritt in Paris die<br />

Friedenskonferenz zusammen. Die Verhandlungen<br />

sollten in einem Friedensvertrag<br />

enden, der am 7. Mai 1919 als Vertragsentwurf<br />

des so genannten Versailler Vertrag den<br />

Verlierern vorgelegt wurde. Die teilweise sehr<br />

rigiden Vertragspunkte (Reparationszah-<br />

lungen, Bündnisverbote) sollten, so sind sich<br />

Fachleute heute einig, Folgen bis heute zeitigen.<br />

Als Ergebnis dieses Versailler Vertrages<br />

nun wurde auch die territoriale Neuregelung<br />

der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie<br />

geregelt. Am 10. September 1919<br />

unterzeichneten die alliierten Mächte mit<br />

Österreich in der Person des Staatskanzlers<br />

Dr. Karl Renner in der Nähe von Paris den<br />

381 Artikel umfassenden Vertrag von St. Germain<br />

en Laye. Österreich sollte fortan Südtirol,<br />

Welschtirol, das Friaul und Triest an Italien<br />

abtreten. Weitere Gebietsabtretungen<br />

waren bereits erfolgt. Das Original des Vertrages,<br />

das in Paris aufbewahrt wurde, ist<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

nunmehr verschollen. Man vermutet, dass<br />

dieser während der Kriegsjahre des Zweiten<br />

Weltkrieges in Berlin, wohin Nazi-Deutschland<br />

den Vertrag bringen ließ, den Verwüstungen<br />

zum Opfer fiel.<br />

Österreich jedenfalls war in seiner territorialen<br />

Neuordnung zu einem Rumpfstaat<br />

geworden, der sich politisch und kulturell<br />

neu zu formieren hatte. Der Wegfall Südtirols<br />

sollte in den ersten Tagen nicht das vordringlichste<br />

Problem des neuen Österreichs sein.<br />

Hingegen für Südtirol war der Pariser Vertrag<br />

eine vollendete Tatsache, die das Land bis auf<br />

den heutigen Tag beschäftigt.


Filmszenen aus „Verkaufte Heimat“ …<br />

… aus den Jahren 1989 bis 1994 …<br />

Am Tag des Waffenstillstands, dem 3. <strong>November</strong><br />

1918, besetzten italienische Truppen<br />

das deutschsprachige Territorium des heutigen<br />

Südtirol. Die deutschsprachigen kaisertreuen<br />

Tiroler sahen sich ab diesem Zeitpunkt<br />

einer neuen, fremdsprachigen nationalen<br />

Herrschaft ausgesetzt, die sich sehr<br />

bald – vor allem ab dem Zeitpunkt, ab dem<br />

die Faschisten zu regieren begannen – als<br />

wenig pfleglich im Umgang entwickelte.<br />

Herrschaft und Symbol<br />

Mit Mussolinis Marsch auf Rom im Jahre<br />

1922 und der damit verbundenen Entmachtung<br />

des italienischen Königs brach über die<br />

sich als österreichisch fühlenden Südtiroler<br />

eine Welle der Unterdrückung herein. Den<br />

Tirolern wurde verboten, die eigene Muttersprache<br />

zu sprechen, ihre Trachten zu tragen<br />

und ihre Feiertage so zu gestalten, wie sie es<br />

gewohnt waren. Deutsche Bücher zu besitzen<br />

war in den Augen der neuen Herrschaft<br />

ebenso ungern gesehen, wie deutsche Namen<br />

zu tragen.<br />

Haus der <strong>Region</strong>en / 9<br />

… von den Regisseuren Karin Brandauer und Gernot Friedel. Fotos: ORF.<br />

Bozen, schon seit dem ausgehenden Mittelalter<br />

als wichtige Handelsstadt bekannt,<br />

wurde in Windeseile italianisiert. Faschistische<br />

Herrschaftsarchitektur überzog das<br />

beschauliche Städtchen und eine beträchtliche<br />

Anzahl von Süditalienern wurde in<br />

Südtirol angesiedelt. Die Assimilierungspolitik<br />

gipfelte im so genannten Siegesdenkmal,<br />

das die Faschisten auf dem Siegesplatz errichteten<br />

und das den Einheimischen vermitteln<br />

sollte, sie würden nunmehr von ihrer barbarisch<br />

germanischen Unterlegenheit zur<br />

römisch zivilisierten Vollkommenheit geführt<br />

werden. Noch heute geben rechte italienische<br />

Politiker sich an diesem Platz ein<br />

Stelldichein.<br />

Während sich also nördlich des Brenners eine<br />

Erstarkung des Deutschen ihren Weg bahnte,<br />

durfte man in Südtirol nicht einmal mehr in<br />

Tracht zur Prozession gehen. Nicht ohne Einfluss<br />

und Hoffnung blickte man daher nach<br />

Hitlerdeutschland, ganz besonders, nachdem<br />

die Annexion Österreichs so reibungslos von-<br />

stattenging.<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Doch alle Hoffnungen sollten sich recht<br />

schnell zerschlagen, denn Hitler und Mussolini<br />

unterzeichneten im Jahr 1939 einen Pakt,<br />

der das Territorium Südtirols unangetastet<br />

lassen sollte – es den Südtirolern jedoch möglich<br />

machte, nach Nazideutschland auszuwandern.<br />

Als so genannte „Option“ ging das<br />

Projekt in die Geschichte ein. Es hat bei<br />

nüchterner Betrachtung keinem der Beteiligten<br />

Erfolg beschert. Südtirols Gesellschaft<br />

spaltete sich in Dableiber und Optanten, je<br />

nach Blickwinkel war man ein Verräter: entweder<br />

an der deutschen Sache oder am eigenen<br />

Land. Bis auf heutige Tage überzieht<br />

dieses Thema Südtirol wie ein Schleier, der<br />

nur ab und an gelüftet wird und so manchen<br />

Historiker noch zu beschäftigen weiß.<br />

<strong>Kultur</strong> & Politik als rechtsform<br />

Die kulturelle Vielfalt und Selbstsicherheit<br />

Südtirols jedenfalls wurde zu allen Zeiten<br />

ganz bewusst zu einem Instrumentarium des<br />

Widerstandes genutzt. Die Hoffnung, nach<br />

einer erneuten Neustrukturierung Europas


im Zuge der Aufteilung während des Jahres<br />

1945, hatte sich für die Südtiroler recht<br />

schnell zerschlagen. Erneut verhandelte man<br />

in Paris, wiederum verblieb Südtirol bei Italien.<br />

Österreichs Außenminister Karl Gruber<br />

und Italiens Ministerpräsident Alcide De<br />

Gaspari unterzeichneten schließlich den nach<br />

ihnen benannten Vertrag (Gruber-De-Gaspari-Abkommen),<br />

der allerdings diesmal den<br />

besonderen Schutz der deutschsprachigen<br />

Bevölkerung berücksichtigte. Dieser Vertrag<br />

sicherte u. a. den Südtirolern das Recht auf<br />

Schulunterricht in der Muttersprache, den<br />

Schutz der kulturellen Vielfalt, die Gleichstellung<br />

mit den Italienern vor öffentlichen<br />

Ämtern (Gericht), die Eigennamen in der<br />

Muttersprache führen zu dürfen und Ortsbezeichnungen<br />

in deutsch führen zu können.<br />

Obwohl der Vertrag umfangreich war, ging<br />

die Ratifizierung recht schleppend voran.<br />

Nicht zuletzt durch die Zusammenlegung der<br />

Provinzen Trentino und Südtirol und den<br />

Fortgang der Zuzugspolitik durch die Italiener.<br />

Dies führte zur Radikalisierung einer<br />

Gruppe von Südtirolern, die sich im BAS<br />

(Befreiungsausschuss Südtirol) zusammenfanden<br />

und im Juni 1961 in einer in die<br />

Annalen als Feuernacht eingegangenen Bombennacht<br />

ganz Europa aufschreckten. In der<br />

Folge gab es auf beiden Seiten Tote – auch<br />

dieser Teil der Geschichte Südtirols wird heftig<br />

debattiert, sorgt noch immer für Unruhe<br />

unter Historikern, Politikern und den Südtirolern.<br />

Noch vor diesen Ereignissen sah sich Österreich<br />

aufgrund der schleppenden Umsetzung<br />

der Vertragspunkte des Gruber-De-Gaspari-<br />

Abkommens gezwungen, das Problem zu<br />

internationalisieren. Der damals noch junge<br />

Außenminister und Sozialdemokrat Bruno<br />

Kreisky nahm sich der von den Südtirolern<br />

vorgebrachten Probleme an und brachte das<br />

Völkerrechtsproblem vor die UNO. Damit<br />

fand eine kleine Gruppe selbstbewusster<br />

Menschen in den abgeschiedenen Tälern der<br />

Alpen international Gehör. Hand in Hand<br />

fanden laufend Verhandlungen zwischen<br />

Österreich unter Einbeziehung von Vertretern<br />

Südtirols und Italien statt.<br />

Dieses beispiellose Vertragswerk zum Schutz<br />

einer Minderheit ist nunmehr nahezu vollendet.<br />

Im Jahr 1992, als Europa in einem fortgeschrittenen<br />

Stadium der Vergemeinschaftung<br />

Haus der <strong>Region</strong>en / 10<br />

Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll überreicht dem Südtiroler Landeshauptmann Dr. Luis Durnwalder das<br />

„Goldene Komturkreuz mit dem Stern des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich“.<br />

Bei ihrem Arbeitstreffen sprachen sie über die Stärkung der <strong>Region</strong>en in der EU, innovative Projekte für<br />

Tourismus und Handwerk sowie alternative Energien. Foto: NLK/Filzwieser.<br />

vorangeschritten war, teilte die italienische<br />

Regierung dem Staat Österreich als Schutzmacht<br />

der Südtiroler mit, sie hätte die Vertragspunkte<br />

ratifiziert. Dies führte zur so<br />

genannten Streitbeilegungserklärung von<br />

Seiten Österreichs, dernach man einen bereits<br />

im Jahr 1919 getroffenen Vertrag zum<br />

Schutze einer kleinen Gruppe über viele<br />

wechselvolle Jahre zum Erfolg geführt hatte.<br />

„geheimnisse“ des erfolgs<br />

Zwischen diesen politisch-völkerrechtlichen<br />

Jurisdiktionen fand parallel eine ungebrochene<br />

Pflege kultureller Verwandtschaft zwischen<br />

Österreich und Südtirol statt. Der<br />

überwiegende Teil der Südtiroler besuchte<br />

Österreichs Universitäten – sie bildeten Südtirols<br />

zukünftige Eliten aus.<br />

Die kulturelle Förderung Südtirols fand nicht<br />

zuletzt mit Hilfe finanzieller Unterstützung<br />

Österreichs statt. Lebenslange Freundschaften<br />

und Partnerschaften, darunter die zwischen<br />

den derzeitigen Landeshauptleuten<br />

Niederösterreichs und Südtirols, wurden<br />

noch während Studententagen geknüpft.<br />

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert,<br />

mit dem kleinen Unterschied, dass Südtirol<br />

und seine Bewohner durch ihre mehrsprachliche<br />

Kompetenz (dt.-ital.) im Ausland beein-<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

drucken, diese ein gelungenes Beispiel für<br />

eine formvollendete Minderheitenpolitik<br />

darstellen. /<br />

Text: Elsbeth Wallnöfer<br />

südTIROL<br />

IM haus dER REgIONEN<br />

———————————————————<br />

Do, 8. 11. <strong>2012</strong><br />

Teil 1: 17.00 Uhr, Teil 2: 20.15 Uhr<br />

Verkaufte Heimat<br />

Regie: Karin Brandauer; beide Filme<br />

werden einleitend vom Drehbuchautor<br />

Felix Mitterer kommentiert.<br />

Eintritt frei!<br />

Sa, 10. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />

Südtiroler Huangart<br />

Als Huangart werden in Südtirol<br />

Musikantenstammtische bezeichnet.<br />

Im Haus der <strong>Region</strong>en zu Gast:<br />

Teiser Tanzlmusig, Latzfonser Viergesang<br />

Kat. I: VVK: EUR 14,00, AK: EUR 16,00<br />

Kat. II: VVK: EUR 12,00, AK: EUR 14,00<br />

Haus der <strong>Region</strong>en<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Tel. 02732 85015<br />

www.volkskultureuropa.org


Haus der <strong>Region</strong>en / 11<br />

Cefalu liegt an der Nordküste Siziliens am Fuß der Rocca di Cefalù, eines 270 Meter hohen Kalkfelsens zwischen Palermo und dem Capo d’Orlando.<br />

Foto: Makowitsch.<br />

Seufzend ruderten wir hinein in die schreckliche<br />

Enge. So näherte sich Odysseus der Insel<br />

Sizilien. Auf der einen Seite droht Skylla und<br />

auf der anderen die wilde Charybdis. Die<br />

Meerenge von Messina ist eines der vielen<br />

Abenteuer, die Homers Held Odysseus zu<br />

bestehen hat:<br />

Dort ist ein Feigenbaum mit großen laubigen<br />

Ästen; / Drunter lauert Charybdis, die wasserstrudelnde<br />

Göttin. / Dreimal gurgelt sie täglich<br />

es aus, und schlurfet es dreimal / Schrecklich<br />

hinein. Weh dir, wofern du der Schlurfenden<br />

nahest! / Selbst Poseidaon könnte dich nicht<br />

dem Verderben entreißen: / Darum steure du<br />

Sizilien<br />

sPaZIERgaNg<br />

NaCh syRaKus<br />

Große Dichter und Denker unterwegs in Sizilien. Wir folgen ihnen.<br />

dicht an Skyllas Felsen, und rudre / Schnell mit<br />

dem Schiffe davon.<br />

Die Strudel bei Cariddi (Charybdis) sind das<br />

Ergebnis unterschiedlichen Gezeiten im<br />

Ionischen und Tyrrhenischen Meer und<br />

Skyllas drohender Fels liegt am Festland<br />

gegenüber. Glücklich auf Sizilien gelandet,<br />

erkannte Goethe: Hier erst ist der Schlüssel zu<br />

allem!<br />

Wer Italien kennen und die Antike begreifen<br />

will, muss Sizilien bereisen. Sizilien war der<br />

südlichste Punkt seiner Italienreise, die er<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

zwischen 1786 und 1788 unternahm. Die<br />

Antike, deren Spuren in den zahlreichen<br />

Tempelanlagen der größten Mittelmeerinseln<br />

allgegenwärtig sind, war das Reiseziel der<br />

aufgeklärten Bürgerschicht, und als Reiseführer<br />

diente Johann Wolfgang von Goethe:<br />

Nun ich all diese Küsten und Vorgebirge, Golfe<br />

und Buchten, Inseln und Erdzungen, Felsen<br />

und Sandstreifen, buschige Hügel, sanfte Weiden,<br />

fruchtbare Felder, geschmückte Gärten,<br />

hängende Reben, Wolkenberge und immer<br />

heitere Ebenen, Klippen und Bänke und das<br />

alles umgebende Meer mit so vielen Abwechslungen<br />

und Mannigfaltigkeiten im Geiste


Taormina, Isola Bella. Foto: Angelo Giampiccolo.<br />

gegenwärtig habe, nun ist mir erst die Odyssee<br />

ein lebendiges Wort.<br />

Es ist nicht nur das Erbe der griechischen<br />

Kolonien, die die Reisenden begeistern, auch<br />

die Einflüsse der arabischen Welt und der<br />

Normannen gehen auf Sizilien eine Mesalliance<br />

ein, die bis heute in der Küche, in den<br />

Bauten und in der Musik zu finden ist.<br />

Palermo sehen und sterben<br />

Für Sizilianer sind wird falsch gepolt. Nordländer<br />

wollen immer das Meer sehen. So<br />

wurden die historischen Häuser aber nicht<br />

gebaut. Die Balkone der Palazzi wenden sich<br />

vom Meer ab. Roberto Alajmo porträtiert in<br />

„Palermo sehen und sterben“ seine Heimatstadt:<br />

Die Einwohner der Stadt pfeifen auf das<br />

Meer. In der Überzeugung, von den Göttern<br />

abzustammen, verzichten sie mit der gleichen<br />

Arroganz auf das Meer, mit der sich ein Reicher<br />

seine Zigarette an einem Geldschein<br />

anzündet.<br />

Der morbide Charme Palermos nährt sich<br />

von den – jetzt immer weniger – bröckelnden<br />

Fassaden des üppigen Barock, der Aura der<br />

Mafia und der Totenwelt des Kapuziner-<br />

klosters. In seinen Katakomben wurden die<br />

verstorbenen Brüder mumifiziert und viele<br />

Reiche Palermiter folgten dieser Totenverwahrung.<br />

Das beschreibt der österreichische<br />

Autor Josef Winkler in „Friedhof der bitteren<br />

Orangen“: Die Mauernischen, in denen die<br />

Toten lagen, waren von Glas geschützt, da sich<br />

die männlichen Besucher an den Frauen-<br />

leichen vergingen.<br />

Haus der <strong>Region</strong>en / 12<br />

Der Pate<br />

Die blutige Hauptstadt der Mafia war die im<br />

Westen gelegene unscheinbare Provinzstadt<br />

Corleone. Hier bekämpften sich zwei Clans,<br />

deren blutige Grausamkeiten aber letztendlich<br />

ein Umdenken in Gesellschaft, Politik<br />

und Justiz einleiteten. Für viele Schriftsteller,<br />

die sich dem Thema organsiertes Verbrechen<br />

angenommen haben, steht allen voran Mario<br />

Puzos Roman „Der Pate“. Es ist die Geschichte<br />

eines amerikanischen Mafiabosses, der den<br />

Namen seiner Heimatstadt trägt: Don Vito<br />

Corleone.<br />

Der Fürst<br />

Sizilien ohne Giuseppe Tomasi di Lampedusa<br />

ist nicht denkbar. Der Roman „Gattopardo“<br />

beschreibt das Feudalsystem des Adels und<br />

des Klerus und ist der Abgesang auf eine<br />

untergehende Gesellschaft. Die Biografie seiner<br />

Familie schrieb der Fürst Lampedusa im<br />

kleinen Caffe Mazzara in Palermo. So lange<br />

man noch sterben kann, ist noch Hoffnung.<br />

Das ist einer der berühmten Sätze über die<br />

sizilianische Lethargie.<br />

Die glühenden Sommer verbrachte der Palermiter<br />

Adel auf weitläufigen Landsitzen. So<br />

auch bei Lampedusa, dessen Schloss im<br />

Roman Donnafugata heißt, dessen Vorbild<br />

aber der Familiensitz in Santa Margherita di<br />

Belíce ist. Davon stehen nur mehr Ruinen.<br />

Ein Erdbeben zerstörte das Schloss 1968: Es<br />

umfasste etwa hundert große und kleine Zimmer.<br />

Es machte den Eindruck eines in sich<br />

geschlossenen, sich selbst genügenden Komplexes<br />

– sozusagen eine Art Vatikan; es enthielt<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Straße in Noto. Foto: Dalibor Kastratovic.<br />

Repräsentationsräume, Wohnräume, Quartiere<br />

für dreißig Gäste, Zimmer für Dienerschaft,<br />

drei riesige Höfe, Stallungen und Remisen, ein<br />

privates Theater und eine private Kirche, einen<br />

ausgedehnten wunderschönen Garten und ein<br />

großes Stück Gemüse- und Obstland.<br />

landschaft, die alles vereint<br />

Im Dezember 1801 brach ein Mann im sächsischen<br />

Grimma auf und ging neun Monate<br />

zu Fuß durch Europa mit dem Ziel Sizilien<br />

vor Augen. Das ist der „Spaziergang nach<br />

Syrakus“ von Johann Gottfried Seume. Dies<br />

ist also das Ziel meines Spaziergangs, und nun<br />

gehe ich mit einigen kleinen Umschweifen<br />

wieder nach Hause. So lapidar Seumes Resümee<br />

klingt, natürlich hatte er sich in der<br />

ostsizilianischen Hafenstadt das griechische<br />

Theater angesehen und ist Platons Spuren<br />

gefolgt, der in Syrakus einen Idealstaat errichten<br />

wollte, oder ist über die Tempelstufen<br />

gegangen, die vielleicht auch schon der große<br />

griechische Mathematiker Archimedes beschritt.<br />

Seume hatte viel Zeit zum Reisen. Das ist<br />

nicht allen gegönnt. Guy de Maupassant gibt<br />

einen Reisetipp für Eilige ab. Wenn jemand<br />

nur einen einzigen Tag Zeit hätte für Sizilien<br />

und mich fragte: „Was muss man unbedingt<br />

gesehen haben?“, würde ich ihm ohne zu<br />

zögern antworten: „Taormina“. Es ist eigentlich<br />

nur eine Landschaft, aber eben eine Landschaft,<br />

die alles vereint, was auf Erden nur<br />

geschaffen sein mag, um Auge, Geist und<br />

Phantasie zu verzaubern. /<br />

Zusammengestellt von Mella Waldstein


Sizilien<br />

TaRaNTELLa<br />

sICILIaNa<br />

In Sizilien wird Volksmusik großgeschrieben. Einblicke in die<br />

fröhliche sowie melancholische Musik geben Konzerte im<br />

Haus der <strong>Region</strong>en.<br />

irene Coticchio<br />

Die gebürtige Sizilianerin Irene Coticchio<br />

widmet sich in ihrer Musik den sizilianischen<br />

Volksgesängen, die zum Großteil aus Liedern<br />

armer und unterdrückter Bevölkerungsschichten<br />

besteht. Gemeinsam mit dem<br />

Gitarristen Daniel Zdrahal Serrano und dem<br />

Oud-Spieler Karim Othman Hassan erforscht<br />

sie die musikalischen Wurzeln ihrer Heimat,<br />

die stark durch die <strong>Kultur</strong>en des Mittelmeerraums<br />

genährt und beeinflusst wurde: So<br />

finden sich orientalische, arabische sowie<br />

mediterrane Wurzeln in der sizilianischen<br />

Musik.<br />

Irene Coticchio Trio. Foto: z.V.g.<br />

Haus der <strong>Region</strong>en / 13<br />

i Beddi<br />

I Beddi – fünf Vollblutmusikanten aus<br />

Sizilien – reisten durch das ländliche Gebiet<br />

der Insel, um nahezu in Vergessenheit geratene<br />

Volkslieder zu entdecken, zu adaptieren<br />

und so lebendig zu erhalten.<br />

Von Aufgeschlossenheit zeugt aber nicht<br />

nur der musikalische Stil der Gruppe, sondern<br />

auch das Instrumentarium: So finden<br />

sich neben Gitarre, Flöte, Harmonika und<br />

Kontrabass auch typisch sizilianische Instrumente<br />

wie Maultrommel und Dudelsack auf<br />

der Bühne. Das Programm verspricht eine<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

atemberaubende Mischung aus melancholischer<br />

Wehmut und schwungvollen Tanzrhythmen.<br />

insel der Sonne<br />

Das von Homer als „Insel der Sonne“<br />

bezeichnete Sizilien lockt jährlich viele Touristen<br />

mit dem milden Klima, den herrlichen<br />

Küsten und dem zauberhaften Meer<br />

an. Landschaftlich, aber auch kulturell gibt<br />

es hier viel zu sehen: Zahlreiche Völker<br />

haben auf Sizilien ihre unauslöschlichen<br />

Spuren hinterlassen und machen Sizilien zu<br />

einer Perle des Mittelmeeres. /<br />

I Beddi. Foto: z.V.g.<br />

ITaLIEN / sIZILIEN<br />

IM haus dER REgIONEN<br />

———————————————————<br />

Do, 22. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />

Amuri e Suduri – Liebe und Schweiß<br />

Irene Coticchio Trio<br />

Kat. I: VVK: EUR 14,00, AK: EUR 16,00<br />

Kat. II: VVK: EUR 12,00, AK: EUR 14,00<br />

Di, 27. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />

Diashow Sizilien – Insel der Sonne<br />

VVK: EUR 7,00, AK: EUR 9,00<br />

Fr, 30. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />

Tarantella Siciliana<br />

I Beddi<br />

Kat. I: VVK: EUR 14,00, AK: EUR 16,00<br />

Kat. II: VVK: EUR 12,00, AK: EUR 14,00<br />

Kombi-Karte für beide Konzerte und die<br />

Diashow der Reihe Sizilien:<br />

Kat. I: EUR 32,00, Kat. II: EUR 28,00<br />

Haus der <strong>Region</strong>en<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Tel. 02732 85015<br />

www.volkskultureuropa.org


Rund um Allerheiligen / 14<br />

Brauchkultur<br />

RuNd uM aLLERhEILIgEN<br />

Der <strong>November</strong> beginnt mit dem Doppelfest Allerheiligen und Allerseelen,<br />

das zu unterschiedlichen Bräuchen Anlass gab und gibt.<br />

Das Fegefeuer – eine tröstliche Einrichtung. Wider aller Behauptungen: Halloween ist kein keltisch-irisches Totenfest.<br />

Nach antiker Vorstellung beginnt ein Fest am<br />

Vorabend. Der Heilige Abend vor dem<br />

Christtag oder die Geburtstagsfeier am<br />

Abend vor dem Fest sind bekannte Beispiele.<br />

Vor dem 1. <strong>November</strong> galt der 31. Oktober<br />

als „All Hallows evening“. Geschnitzte,<br />

beleuchtete Kürbisse zu Halloween sind mit<br />

der Sage von Jack O’Lantern verknüpft: Jack,<br />

ein trunksüchtiger irischer Schmied, überlistete<br />

den Teufel, der ihm versprechen musste,<br />

dessen Seele für alle Zeiten in Ruhe zu lassen.<br />

Wegen seines Lebenswandels blieb Jack nach<br />

seinem Tod aber auch der Himmel versagt.<br />

Daher ist die arme Seele bis zum Jüngsten Tag<br />

dazu verdammt, unstet durch die Gegend zu<br />

irren. Ihr einziger Lichtblick ist die Laterne<br />

aus einem Kürbis, in dem ein Stück Kohle<br />

aus dem Höllenfeuer brennt. Die Sage zeigt<br />

auffallende Verwandtschaft mit Erzählungen,<br />

die im Zusammenhang mit der kirchlichen<br />

Lehre vom Fegefeuer standen. Der deutsche<br />

Volkskundler Alois Döring, der sich mit dem<br />

Phänomen eingehend beschäftigt hat,<br />

schreibt: „Allen populären Erklärungen zum<br />

Trotz: Halloween ist seiner Herkunft nach<br />

kein keltisch-heidnisches Totenfest. Vielmehr<br />

verweisen die Überlieferungen auf die im<br />

geschichtlich-kulturellen Ausbreitungsprozess<br />

säkularisierten Bezüge zum christlichen<br />

Totengedenkfest Allerheiligen.“<br />

Leopold Schmidt (1912–1981) nannte im<br />

Standardwerk „Volkskunde von Niederösterreich“<br />

Allerheiligen und Allerseelen „das<br />

große Doppelfest der Toten, nämlich der<br />

toten Heiligen und der toten Weltkinder“. Seit<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

dem 9. Jahrhundert feiert die Kirche das<br />

Allerheiligenfest am 1. <strong>November</strong>, an das sie<br />

seit dem 10. Jahrhundert das allgemeine<br />

Totenfest am 2. <strong>November</strong> anschloss. Das<br />

Allerseelenfest war eng mit dem Fegefeuerglauben<br />

verbunden. Das Fegefeuer (Purgatorium)<br />

war eine tröstliche Konstruktion. Im<br />

Gegensatz zur Vorstellung von Himmel und<br />

Hölle, die für Sünder ewige Verdammnis<br />

vorsah, stand den Geläuterten der Weg ins<br />

Paradies offen. Zuwendungen wie Gebet,<br />

Kerzenspenden oder gute Taten sollten die<br />

Qual der armen Seelen verkürzen. Die Erlösten<br />

wiederum konnten zu Fürsprechern<br />

der Lebenden werden. So entstand ein Modell<br />

des ständigen geistigen Austauschs zwischen<br />

Lebenden und Toten, in dem die christliche<br />

Nächstenliebe (Caritas) einen wichtigen Platz


hatte. Im Allerseelen-Spendebrauch von<br />

Naturalien nahmen Kinder und arme Leute<br />

die Stelle der armen Seelen ein.<br />

geburt des Fegefeuers<br />

Das Fegefeuer als „Verdammnis auf Zeit“<br />

kommt weder in antiken Kulten noch in der<br />

Bibel vor. Jacques le Goff, einer der führenden<br />

Historiker Europas, setzt „die Geburt des<br />

Fegefeuers“ im 13. Jahrhundert an. Unter<br />

bestimmten Voraussetzungen konnte ein<br />

Ablassgebet den armen Seelen im Fegefeuer<br />

zugewendet werden. 1858 nannte ein Dekret<br />

Pius IX. als eine Bedingung für einen „vollkommenen<br />

Ablass“ das Gebet vor einem<br />

Kruzifix. Noch im 20. Jahrhundert findet<br />

man auf Sterbebildchen Stoßgebete wie<br />

„Süßes Herz Maria! Sei meine Rettung!“ mit<br />

dem Hinweis „300 Tage Ablass“ oder „Mein<br />

Jesus Barmherzigkeit“ (100 Tage Ablass).<br />

Ablass (lat. indulgentia) bezeichnet einen von<br />

der römisch-katholischen Kirche geregelten<br />

Gnadenakt, durch den zeitliche Sünden-<br />

strafen erlassen werden. Der Ablasshandel<br />

war ein Grund für Martin Luthers Kritik am<br />

Katholizismus, die zur Reformation führte.<br />

„Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele<br />

aus dem Feuer springt“, spotteten seine<br />

Anhänger.<br />

In der Barockzeit erhielt der Arme-Seelen-<br />

Kult neuen Auftrieb. Prediger wie der berühmte<br />

Abraham a Sancta Clara (1644–1709)<br />

hielten flammende Appelle. Es gab fromme<br />

Lieder, schaurige Darstellungen auf Bildern<br />

und in Kirchen, sogar eine Arme-Seelen-<br />

Rund um Allerheiligen / 15<br />

Schaurig dargestellt: der Arme-Seelen-Kult. Die Sage vom irischen Schmied Jack O'Lantern. Striezelpaschen im Weinviertel.<br />

Lotterie. Mit einer gezogenen Nummer<br />

wurde eine Anzahl von Gebeten einer bestimmten<br />

Gruppe von armen Seelen zugedacht.<br />

Leopold Schmidt berichtete von einem<br />

solchen „Glückshafen“ am Ende des 18. Jahrhunderts<br />

in Geras.<br />

Striezelbettler<br />

In Niederösterreich sind am Allerheiligen-<br />

und Allerseelentag Kinder als „Striezelbettler“<br />

unterwegs. In der Buckligen Welt bekommen<br />

sie von ihren Paten Striezel oder Weißbrotlaibchen.<br />

Bis in die Zwischenkriegszeit<br />

sagten sie beim Heischen Sprüche wie:<br />

„Gelobt sei Jesus Christus, tat bitten um an<br />

Heiligenstriezel“ oder „Glück und Segen für<br />

deine Kuchl, Glück und Segen für Haus und<br />

Stall und für deine Hühner und Kinder all’ “.<br />

Zum Dank hieß es: „Vergelt’s Gott Allerheiligen.“<br />

Im Schneeberggebiet erhielten die Kinder,<br />

die in Gruppen kamen, kleine Brote von<br />

den Bäuerinnen und wurden aufgefordert,<br />

als Gegenleistung für deren verstorbene<br />

Familienmitglieder zu beten. Bis in die 1870er<br />

Jahre verschenkten Bäcker in den Städten<br />

verschieden große Allerheiligenstriezel an<br />

ihre Kunden – je nachdem, wie viel diese im<br />

Laufe des Jahres gekauft hatten. Im Weinviertel<br />

ist das „Striezelpaschen“ Brauch. Man<br />

bestellt beim Bäcker einen besonders guten,<br />

großen Striezel. Er ist der Preis beim Würfeln,<br />

den der Spieler mit dem höchsten Wurf<br />

gewinnt.<br />

Von ganz anderer Art waren die Allerheiligenstriezel<br />

aus Stroh. Der niederöster-<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

reichische Heimatforscher Johannes Mayerhofer<br />

(1859–1925) schrieb, dass man in der<br />

Nacht zum Allerheiligentag „missliebigen<br />

und geizigen Personen“ einen großen, aus<br />

Stroh geflochtenen Striezel vor das Haus stellte.<br />

Das „Rügezeichen“ wurde so platziert, dass<br />

es die Vorbeigehenden früher sahen als die<br />

Betroffenen, denen der Spott sicher war. Im<br />

ab 1888 erschienenen „Kronprinzenwerk“<br />

wird das Gleiche berichtet und erwähnt, dass<br />

Burschen maskiert und schreiend durch die<br />

Dörfer „heiligen“ gingen. Parallelen zu Halloween<br />

drängen sich auf: Auch das „Trick or<br />

Treat“ richtet sich am Allerheiligen-Vorabend<br />

gegen die Geizigen. Leopold Schmidt<br />

hingegen nannte die Strohzöpfe „Gunstbezeugungen<br />

der Burschen an die tanzreif<br />

gewordenen Mädchen“.<br />

Der Ethnologe Helmut Paul Fielhauer (1937<br />

bis 1987) beobachtete 1963 im Weinviertel<br />

verschiedene Geflechte aus Stroh: lange,<br />

über die Straße gespannte Zöpfe, mit Abfällen<br />

gespickte Geflechte und mit Blumen verzierte<br />

Striezel. Fielhauer deutete den strohernen<br />

Allerheiligenstriezel als burschenschaftlichen<br />

Rügebrauch, der vielfach zu einem Hänselbrauch<br />

abgeschwächt worden sei. Er hätte<br />

„vor allem den moralisch freizügigeren Mädchen<br />

oder älteren, unverheirateten Frauen“<br />

gegolten. Innerhalb mehrerer Generationen<br />

wäre aus dem Rüge- und Hohnzeichen eine<br />

Minnegabe geworden. /<br />

Text: Helga Maria Wolf<br />

Illustrationen: Magdalena Steiner


Botschafter der Tracht / 16<br />

Gala-Abend<br />

IN dIE WELT TRagEN<br />

Zum vierten Mal wurden die Botschafter der Tracht gewählt: Johanna Maier, Haubenköchin aus<br />

Filzmoos, und Markus Wasmeier, Skiweltmeister und Museumsdirektor aus Bayern.<br />

Sie stehen dafür. Sie tragen sie und sie tragen<br />

sie hinaus in die Welt: Die Tracht hat ihre<br />

Botschafter. Zum vierten Mal organisierten<br />

die Grand Dame der österreichischen Trachtenmode,<br />

Gexi Tostmann, und ihre Tochter<br />

Anna einen Festabend im Zeichen der Tracht.<br />

Haubenköchin Johanna Maier und der deutsche<br />

Skiweltmeister Markus Wasmeier wurden<br />

von der Jury – unter anderem Dorli<br />

Draxler, Geschäftsführerin der Volkskultur<br />

Niederösterreich – zu den Botschaftern der<br />

Tracht gewählt. Erstmals fand die „Angelobung“<br />

der beiden Botschafter in Salzburg<br />

Trachtenmodenschau im Rahmen des Gala-Abends „Botschafter der Tracht“ in der Salzburger Residenz.<br />

statt. Und da gleich im feierlichsten Rahmen,<br />

den die Stadt bieten kann: in den Sälen der<br />

fürsterzbischöflichen Residenz.<br />

Durch den Gala-Abend führte Dorli Draxler<br />

und eröffnet wurde er von Landeshauptfrau<br />

Gabi Burgstaller, die in einem pink-schwarzen<br />

Dirndl erschien – unweigerlich ein Eye-<br />

Catcher. „Ich freue mich, dass im 21. Jahrhundert<br />

die Tracht eine so große Offenheit<br />

zeigt“, so die Salzburger Landeshauptfrau,<br />

denn „Tracht kommt ja von tragen“. Johanna<br />

Maier aus Filzmoos, die in der Pension ihrer<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Schwiegereltern zu kochen begonnen hat und<br />

von Gault Milleau als einzige Köchin mit vier<br />

Hauben ausgezeichnet ist, lebt vor, dass das<br />

Dirndl auch für den Alltag taugt. Sie arbeitet<br />

in ihrem weißen „Kochdirndl“.<br />

Das „Sterntalerkind“, wie Laudator André<br />

Heller sie treffend benennen wird: „Ich stelle<br />

immer wieder fest: In einer Tracht müssen<br />

die Damen nicht so rank und schlank sein,<br />

gerade sie schauen in Tracht besonders chic<br />

aus.“ Das kann einer Köchin aus Leidenschaft<br />

nur entgegenkommen.


„Die Tracht und das Kochen haben etwas<br />

Gemeinsames: Beide entwickeln sich weiter.<br />

Aber wie der Saibling ein Saibling bleibt, so<br />

ist das mit den schönen alten Stoffmustern:<br />

Sie sind die Grundlage, auf der sich neue<br />

Kreationen aufbauen“, so die Köchin Johanna<br />

Maier.<br />

Altes und neues verbinden<br />

An diesem Abend wurde Johanna Maier<br />

nicht nur zur Botschafterin der Tracht<br />

ernannt, sondern sie umsorgte die über 250<br />

geladenen Gäste in der Salzburger Residenz.<br />

Müßig zu erwähnen, dass diese nahezu vollständig<br />

in Tracht erschienen waren. An den<br />

Tischen entsponnen sich angeregte Diskussionen<br />

über das Alter einer Lederhose, über die<br />

Großmütter, die Wollstutzen strickten, und<br />

über mancherlei Sticktechnik auf den Einsätzen<br />

Inntaler Festtagstrachten. Gexi Tostmann<br />

plädierte in ihrer Rede für „eine Zukunft, in<br />

der sich Altes und Neues miteinander verbindet“.<br />

Und Johanna Maier, die lieber hinter<br />

dem Buffet als auf der Bühne stand, sprach sie<br />

Mut zu: „Du musst noch ein bisschen durchhalten.“<br />

Die Laudatio für Maier sprach André<br />

Heller, der „in der Tracht des japanischen<br />

Yamamoto-Volkes“ gekommen war.<br />

Die richtige Antwort<br />

„Ja, auch ich habe Lederhosen getragen, als<br />

Kind in St. Gilgen am Wolfgangsee …“,<br />

begann Heller seine Rede. Im weiteren ging<br />

er auf jene Kleidung ein, die immer mehr den<br />

Botschafter der Tracht / 17<br />

V. l. n. r.: Lederhosen-Hersteller Markus Meindl, Anna Tostmann, André Heller, Botschafter der Tracht Markus<br />

Wasmeier, Botschafterin der Tracht Johanna Maier, Gexi Tostmann.<br />

Alltag bestimmt: „Die Freizeitkleidung hat<br />

weite Teile der Welt ruiniert. Deswegen sage<br />

ich – obwohl ich Demokrat bin –, die Kleidung<br />

selbst auszusuchen gehört abgeschafft.“<br />

Daher sein Plädoyer für Tracht, die auch<br />

praktische Gründe hat: „Ob japanischer<br />

Kimono oder indischer Sari: Die Tracht ist<br />

die richtigste Antwort auf das lokale Wetter.“<br />

Die Antwort, warum er heute keine Lederhosen<br />

mehr trage, gab André Heller auch:<br />

„Lederhosen taugen für mich nicht, dazu<br />

sind meine Waden nicht geschaffen, aber<br />

Wachauer Goldhauben stehen mir sehr gut.“<br />

Bilder aus einer idyllischen Welt brachte die<br />

Modeschau. „Ja, wir zeigen auch Klischees“,<br />

so Gexi Tostmann. Da wurden Krautköpfe<br />

geschupft und dort mit Heugabeln gewinkt.<br />

Ein Hirsch trat auf, ein Jäger. Besonders<br />

gelungen war eine Sequenz aus dem Salzburger<br />

Huberti-Kirtag mit Ringelspiel und Luftballons.<br />

Wegbegleiter tracht<br />

„Ich bin Museumsdirektor, Landwirt und<br />

Bierbrauer.“ So stellte sich der zweite Botschafter<br />

der Tracht, Markus Wasmeier, vor.<br />

Der Ex-Skirennläufer hat Höfe aus dem bayerischen<br />

Oberland gerettet und am Schliersee<br />

ein Freilichtmuseum errichtet. Für den deutschen<br />

Weltmeister ist die Tracht ein ständiger<br />

Wegbegleiter. „In Tracht“, und da kommt er<br />

ins Schwärmen, „bist du immer anders willkommen.<br />

Da bist du wer.“ Sein Laudator war<br />

der deutsche Lederhosen-Hersteller Markus<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Hilfe im eigenen Land-Präsidentin Sissi-Pröll und<br />

Landeshauptfrau Gabi Burgstaller.<br />

Meindl, der nicht nur die Tradition seiner<br />

Familie weiterführt, sondern – ganz im Motto<br />

dieses Abends – Altes und Neues verbindet<br />

und Modepartner eines großen deutschen<br />

Motorradherstellers ist.<br />

Besondere Paten sind die Namensgeber der<br />

überreichten Preise. Johanna Maier wurde<br />

der Emilie-Flöge-Preis überreicht, Markus<br />

Wasmeier der Konrad-Mautner-Preis. Emilie<br />

Flöge (1876–1952), Modedesignern und<br />

bekannt als Muse von Gustav Klimt, entwarf<br />

das Reformkleid, und mit Versatzstücken slowakischer<br />

Stickereien und siebenbürgischer<br />

Trachtenelemente schuf sie die Anfänge des<br />

Ethno-Looks. Die Designerin verbrachte viele<br />

Sommer im Salzkammergut und trug selbst<br />

gerne Tracht.<br />

Konrad Mautner (1876–1924) stammte aus<br />

einer Familie jüdischer Textilfabrikanten und<br />

entdeckte in der Sommerfrische am Grundelsee<br />

sein Interesse für Volkskunde. „Er hat sich<br />

flammenden Herzens in die Tracht, in die<br />

Lieder, in die Tänze verliebt“, so der Schauspieler<br />

Miguel Herz-Kestranek, selbst Botschafter<br />

der Tracht 2008. Gemeinsam mit<br />

dem Volkskundler Viktor von Geramb arbeitete<br />

Konrad Mautner an dem „Steirischen<br />

Handbuch“, das zu den Standardwerken der<br />

Volkskunde zählt. /<br />

Text: Mella Waldstein<br />

Fotos: Tostmann Trachten


Musikschulen / 18<br />

Wir sind Bühne<br />

auF dEN WEg<br />

hELFEN<br />

Wir sind Bühne! In einem einzigartigen Projekt erarbeiten Musicalprofis gemeinsam mit<br />

Musikschülern ein Stück.<br />

Annie: Schülerinnen und Schüler aus der Musikschulregion Mitte haben in Workshops und Intensivproben das Musical erarbeitet. Foto: Nikolaus Korab.<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong>


24. August, PR-Auftritt in Tulln: Einige<br />

Jugendliche sitzen kichernd im Kreis, einzelne<br />

stehen etwas abseits und wirken angespannt,<br />

die letzten Mikros werden fixiert und<br />

Instruktionen erteilt. Nur noch wenige<br />

Momente, dann werden sie auf der Bühne ihr<br />

Bestes geben. Es ist der erste gemeinsame<br />

große Auftritt, das erste Mal vor Publikum.<br />

Wird alles gut gehen? Wie wird die Resonanz<br />

beim Publikum sein? Kann die Gruppe überzeugen?<br />

Die Gruppe – das sind Musikschüler und<br />

Darsteller aus der <strong>Region</strong> Niederösterreich<br />

Mitte. Sie alle sind Teil einer einzigartigen<br />

Produktion. Das Musicalprojekt „Wir sind<br />

Bühne“ geht heuer in die dritte Runde. In<br />

einer modellhaften Kooperation von Musicalprofis<br />

und Musikschülern wird dieses Jahr<br />

das Musical „Annie“ erarbeitet und gelangt<br />

im <strong>November</strong> zur Aufführung. Für Idee und<br />

Konzept zeichnet Luzia Nistler verantwortlich,<br />

die auch die künstlerische Leitung innehat.<br />

Die Sängerin, Schauspielerin, Regisseurin<br />

und Stimm- und Sprechtrainerin kann<br />

selbst auf eine erfolgreiche Karriere als Musicaldarstellerin<br />

zurückblicken. Als Christine<br />

in der deutschsprachigen Uraufführung von<br />

„Das Phantom der Oper“ startete Luzia<br />

Nistler ihre Karriere im Theater an der Wien,<br />

die sie über die Grazer Oper bis zur Wiener<br />

Volksoper führte. Dabei wirkte sie in über<br />

60 Rollen in verschiedenen Musicals, Opern<br />

Musikschulen / 19<br />

„Pippin“, eine Produktion aus dem Jahr 2009 der Musikschulen <strong>Region</strong> Mostviertel. Foto: Atelier Olschinsky.<br />

und Operetten sowie in diversen Schauspiel-<br />

und Kabarettproduktionen mit. Ihr Regiedebüt<br />

gab sie mit dem Musical „Konrad, das<br />

Kind aus der Konservenbüchse“. Die Idee,<br />

nun ein Musical in einer gesamten Musikschulregion<br />

aufzuziehen, kam ihr vor einigen<br />

Jahren: „Die niederösterreichischen Musikschulen<br />

bieten ein vielfältiges Ausbildungsangebot,<br />

darunter Gesang, Tanz und Schauspiel.<br />

Diese Fächer werden von qualifizierten<br />

Lehrern unterrichtet, in vielen Schulen wird<br />

die Möglichkeit geboten, einer darstellenden<br />

Gruppe beizutreten. In einem regionalen<br />

Musicalprojekt wollen wir nun alle Sparten<br />

zusammenführen und machen uns auf die<br />

Suche nach Talenten und Begabungen.“<br />

Dabei übernehmen Profis eine vermittelnde<br />

Rolle ein. Vom Vorsingen beim Casting über<br />

die Einstudierung der Choreographie bis hin<br />

zur Aufführung begleiten sie die Jugendlichen<br />

und stehen ihnen mit Tipps zur Seite.<br />

„Wir führen nur zusammen, was schon vorhanden<br />

ist“, betont Luzia Nistler, „wir übernehmen<br />

nicht die Aufgabe der Musikschullehrer.“<br />

gesang, Schauspiel und tanz<br />

Warum die Wahl des Genres genau auf das<br />

Musical gefallen ist? Luzia Nistler erläutert<br />

verschiedene Gründe. Sie selbst hat auch eine<br />

klassische Gesangsausbildung genossen und<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

weiß, dass der Weg zur Gesangskarriere meist<br />

über selbige führt. Dieser ist jedoch lang, und<br />

um Opern oder Operetten professionell singen<br />

zu können, braucht man eine gewisse<br />

technische Reife. Das Musicalfach zu erlernen<br />

ist nicht weniger schwierig als klassischer<br />

Gesang, doch kommen einige Parts der<br />

Naturstimme sehr nahe. „Es ist wichtig, beim<br />

Singen sein Ich, seine Persönlichkeit zu finden.<br />

Die eigene Stimme ist etwas sehr persönliches.<br />

Heutzutage wird sehr viel imitiert,<br />

damit kann man sich die Stimme zerstören.<br />

Wir wollen die Jugendlichen dazu bringen,<br />

selbst auszuprobieren, die eigene Linie zu<br />

finden und sich auf diesen Findungsprozess<br />

auch einzulassen.“ So sollen die jungen Darsteller<br />

nicht nur musikalisch, sondern vor<br />

allem auch menschlich am Projekt wachsen<br />

und sich dieser Entwicklung bewusst werden.<br />

In der Arbeit mit Jugendlichen sieht Luzia<br />

Nistler auch einen Vorteil in den zeitgemäßen<br />

Arrangements des Musicals. Junge Menschen<br />

können sich damit identifizieren, sie fühlen<br />

sich davon angesprochen. Auch die Vielfältigkeit<br />

durch die drei Teile Gesang, Schauspiel<br />

und Tanz trägt dazu bei, dass das Genre als<br />

attraktiv wahrgenommen wird.<br />

Hartes Business<br />

Fast wöchentlich treffen sich die 41 Darsteller,<br />

die in einem vorangegangenen Casting<br />

ausgewählt wurden, rund um Luzia Nistler,


Das Musical „Zustände wie im alten Rom!“ wurde 2011 in Kooperation mit der<br />

Musikschulregion Ost durchgeführt. Foto: Gerald Lechner.<br />

Carsten Paap (Dirigent) und Christoph Sommersguter<br />

(Choreograph) zu den Proben.<br />

Dabei ist nicht nur das Organisationsteam<br />

vor logistische Herausforderungen gestellt.<br />

Auch von den Darstellern wird viel abverlangt.<br />

Neben Schule, Arbeit und Musikschule<br />

gilt es im Zeitmanagement auch die regelmäßigen<br />

Proben unterzubringen. Luzia<br />

Nistler über den Probenprozess: „Es ist wichtig,<br />

den gesamten Prozess des Entstehens<br />

eines Musicals kennenzulernen. Der Teil des<br />

Entstehens ist ein sehr wesentlicher Part – der<br />

einzig kreative, denn alles andere ist harte<br />

Arbeit und Business.“ Deswegen legt man in<br />

der Produktion viel Wert auf die gemeinsame<br />

Probenarbeit. Man will die Kreativität der<br />

Jugendlichen erwecken und Entwicklungen<br />

ganz nach dem Motto „Schau, was du alles<br />

kannst!“ aufzeigen. Das Lernen voneinander<br />

gestaltet sich dabei als wichtiges Element.<br />

Seit drei Jahren existiert das Projekt „Wir sind<br />

Bühne.Musical“ und bisher gastierte es bereits<br />

in den Musikschulregionen Ost und Mostviertel.<br />

Immer wieder gibt es Darsteller, die<br />

eine weite Anreise in die neue <strong>Region</strong> auf sich<br />

nehmen, um noch einmal Teil des Projekts zu<br />

sein. Als „alte Hasen“ im Geschäft können sie<br />

ihre Erfahrung an die anderen weitergeben<br />

und tragen einen wichtigen Teil zur Entwicklung<br />

der Gruppe bei. Intensivproben im<br />

Sommer dienten unter anderem der Ermittlung<br />

des Probenstandes und der Fortschritte.<br />

Sie sollen allen Beteiligten zeigen: Wo stehen<br />

wir bei unserer Arbeit, was funktioniert<br />

Musikschulen / 20<br />

schon gut und woran müssen wir noch arbeiten?<br />

Bei Durchläufen werden erstmals Auf-<br />

und Abgänge geprobt. Luzia Nistler weiß,<br />

welch essenzielle Rolle die Intensivproben<br />

für den Prozess bedeuten: „Die Darsteller<br />

bekommen erstmals einen Überblick über<br />

das gesamte Stück. Auch gruppendynamisch<br />

sind diese Einheiten sehr wichtig, schließlich<br />

muss man gemeinsam an einem Strang ziehen,<br />

um das definierte Ziel zu erreichen.“<br />

Fordern und fördern<br />

Auf dem Weg dahin werden die Jugendlichen<br />

von „Profis“ rund um Luzia Nistler begleitet.<br />

Denn für gewöhnlich geht ein Musical nicht<br />

als komplettes Stück in die Proben, sondern<br />

ist ständigen Änderungen unterworfen und<br />

steht in einem andauernden Prozess. „Wir<br />

verlangen den Darstellern viel ab und alle<br />

sind gefordert – und wenn man die Entwicklung<br />

und das Ergebnis sieht, weiß man: Das<br />

ist es, was ich will. Wir fordern und fördern<br />

… und wollen aufzeigen, was an Talent und<br />

Potenzial schon da ist und wie man es ausbauen<br />

kann. Es ist schön, wenn nachher<br />

manche sagen: Das ist mein Weg, in dem<br />

Bereich möchte ich weiter Fuß fassen! Dies<br />

trifft auf einige wenige zu. Gleichermaßen<br />

gibt es jene, die diesen Weg nicht einschlagen<br />

wollen. Beides ist wichtig, denn es geht um<br />

die Findung. Wenn die Jugendlichen dabei<br />

Spaß haben, lernen und gute Erfahrungen<br />

machen, ist es das Beste, was uns passieren<br />

kann.“<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Luzia Nistler und „ihre drei Annies“: Marie-Theres Müller aus Langenlois,<br />

Emilia Heigl aus Wieselburg und Verena Dorn aus Maria Anzbach. Foto: NÖN.<br />

Die Probenwochen eilen dahin und die Premiere<br />

naht in großen Schritten. In sechs<br />

Aufführungen in Tulln und Krems können<br />

die Darsteller ab 10. <strong>November</strong> ihr Talent<br />

unter Beweis stellen und zeigen, was sie in<br />

den vergangenen Monaten gemeinsam erarbeitet<br />

haben. Der PR-Auftritt in Tulln verspricht<br />

Großartiges. /<br />

Text: Katharina Heger<br />

aNNIE – das MusICaL<br />

———————————————————<br />

Sa, 10. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr (Premiere)<br />

So, 11. 11. <strong>2012</strong>, 17.00 Uhr<br />

Mo, 12. 11. <strong>2012</strong>, 10.30 Uhr*<br />

Atrium Tulln, Minoritenplatz 1<br />

3430 Tulln<br />

Fr, 16. 11. <strong>2012</strong>, 10.30 Uhr*<br />

Sa, 17. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />

So, 18. 11. <strong>2012</strong>, 17.00 Uhr<br />

Stadtsaal Krems<br />

Edmund-Hofbauer-Str. 19<br />

3500 Krems<br />

*Geschlossene Vorstellung für Schulklassen<br />

Karten: VVK EUR 12,00 bis 18,00<br />

www.oeticket.com<br />

——————<br />

www.musikschulmanagement.at/<br />

wir-sind-buehne


In seiner Form als Unterhaltungstheater vereint<br />

das Musical gleichermaßen Schauspiel,<br />

Musik, Gesang, Tanz und Szene. Demnach<br />

sind Musicalproduktionen meist Produkt<br />

einer Teamarbeit von Spezialisten. Neben<br />

dem Librettisten, Komponisten und Textdichter<br />

(lyricist) nehmen auch Regisseur,<br />

Choreograph, Bühnenbildner und Produzent<br />

eine wichtige Rolle ein und haben Einfluss<br />

auf die Entwicklungen.<br />

Ebendieser Aufwand an Ressourcen gestaltet<br />

Produktionen im Bereich Musiktheater in<br />

Musikschulen problematisch. Projekte dieser<br />

Art sind oft verbunden mit dem persönlichen<br />

Einsatz einzelner Lehrer und Musikschulleiter<br />

und stützen sich auf das Engagement<br />

Freiwilliger. Oft wird der Großteil der Aufgaben<br />

von einer einzigen Person übernommen.<br />

Musikschulen / 21<br />

Musiktheater<br />

aNyThINg gOEs<br />

Neben der überregionalen Initiative „Wir sind Bühne“ sind Musikschulen auch selbst aktiv und bieten<br />

eigene Produktionen, Kooperationen und das Unterrichtsfach Musical an.<br />

Musikschullehrer Bernhard Putz bei den Proben zum Rockoratorium „Eversmiling Liberty“. Foto: Johann Hofbauer.<br />

eigene Produktion<br />

Einer, der davon ein Lied singen kann, ist<br />

Wolfgang Berry. In der Joe-Zawinul-Musikschule<br />

Gumpoldskirchen führt er seit Jahren<br />

Musicalprojekte mit Schülern durch. Dabei<br />

schlüpft er in die Rolle des Komponisten,<br />

Lyricisten und Regisseurs zugleich. Die Idee<br />

kam ihm bei einem Klassenabend: Warum<br />

immer die gleichen Vorspielsituationen, gezwängt<br />

in Konzertanzug oder schwarzen<br />

Rock, abhalten? Bald schon textete er Lieder<br />

um, arrangierte und inszenierte mit seinen<br />

Schülern Musicals. Mittlerweile sind die so<br />

genannten „Musicomicals“, die Berry eigens<br />

für die Schüler schreibt, Tradition und<br />

be-geistern regelmäßig das Publikum. Das<br />

Gumpoldskirchner Publikum, wohlgemerkt.<br />

Denn bei allem Erfolg und der Freude, die die<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Projekte mit sich bringen, ist Berry enttäuscht:<br />

„Es ist schade, dass Produktionen<br />

wie diese, die mit großem Aufwand möglich<br />

gemacht werden, nur ein Mal in Gumpoldskirchen<br />

stattfinden. Nach vielen Arbeitsstunden<br />

ist das Material nun vorhanden und<br />

angepasst an das Können der Schüler – es<br />

wäre schön, wenn die Stücke in Form von<br />

Kooperationen oder Gastspielen öfter auch in<br />

anderen Musikschulen übernommen und zur<br />

Aufführung gebracht würden.“<br />

Kooperation<br />

Eine Musikschule, die sich an ein enormes<br />

Kooperationsprojekt herangewagt hat und<br />

dabei eine ganze <strong>Region</strong> einbinden konnte, ist<br />

die Musikschule der Stadtgemeinde Kirchschlag<br />

in der Buckligen Welt. Unter dem


Motto „Sei Du selbst die Veränderung, die<br />

Du Dir wünschst für diese Welt“ (Mahatma<br />

Ghandi) versammelte Bernhard Putz, Musiker<br />

und Musikschullehrer, insgesamt 140<br />

Sänger, Bandmusiker, Sprecher, Tänzer und<br />

Techniker um sich. Die Musikschule Kirchschlag<br />

lud als Veranstalter freiwillige Sänger<br />

aus dem südöstlichen Niederösterreich und<br />

dem steirischen Wechselland ein, an einer<br />

szenischen Inszenierung des Rockoratoriums<br />

„Eversmiling Liberty“ teilzunehmen. Stimmkräftige<br />

Unterstützung erfuhren diese zusätzlich<br />

vom Volksschulchor Kirchschlag, dem<br />

Chor der Volksschule Bad Schönau und dem<br />

Chor der Modellschule Kirchberg am Wechsel.<br />

Die Mithilfe der Gemeinde Kirchschlag<br />

und etlicher Kooperationspartner machten es<br />

möglich, die Produktion als Benefizveranstaltung<br />

durchzuführen.<br />

Doch nicht nur die Vinzigemeinschaft, der<br />

der Erlös zugute kam, profitierte von dem<br />

ambitionierten Projekt: Die Vernetzung der<br />

Musikschule mit der <strong>Region</strong> hinterlässt bleibende<br />

Eindrücke und zeigt auf, was durch<br />

Kooperation und mit Engagement möglich<br />

wird.<br />

Musikschulen / 22<br />

Die Musikschule Staatz im Weinviertel bietet Musical als Unterrichtsfach an. Foto: Elisabeth Koci.<br />

Musical als Fach<br />

Laufende Musicalprojekte werden im Musikschulverband<br />

Staatz und Umgebung abgewickelt.<br />

Denn als eine der wenigen niederösterreichischen<br />

Musikschulen hat man hier<br />

eine Musicalklasse eingerichtet. Eine im Jahr<br />

2004 entstandene Produktion anlässlich des<br />

Weinviertel-Festivals wurde von Teilnehmern<br />

und Publikum begeistert angenommen,<br />

sodass ein Konzept für regelmäßige<br />

Stunden schon im nächsten Jahr umgesetzt<br />

werden konnte. Die künstlerische Leitung hat<br />

der Initiator der Musicalklasse selbst inne:<br />

Hubert Koci ebnete nicht nur den Weg für<br />

das Projekt, sondern wirkt auch als Komponist,<br />

Autor und Arrangeur. Zusätzlich wird<br />

die Gruppe, die aus 16 bis 30 Kindern und<br />

Jugendlichen ab dem Alter von acht Jahren<br />

besteht, von einem kompetenten Team<br />

betreut. Heuer kamen bereits zwei Stücke von<br />

Hubert Koci zur Aufführung, 2013 wartet<br />

ein „Best of Michael Jackson“ auf das Publikum.<br />

/<br />

Text: Katharina Heger<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

MusIKsChuLPROjEKTE<br />

———————————————————<br />

Weitere Musical-Projekte an<br />

niederösterreichischen Musikschulen:<br />

——————<br />

Ritter Kamembert<br />

Musikschule Kirchberg am Wechsel in<br />

Kooperation mit dem Chor Capricciata<br />

Fr, 22. 3. 2013<br />

Verein Morgenstern in Piesting<br />

Sa, 23. 3. 2013<br />

Musikschule Kirchberg am Wechsel<br />

www.musikschule-kirchberg.at<br />

——————<br />

Best of Michael Jackson<br />

Musikschulverband Staatz und Umgebung<br />

April 2013<br />

www.musikschule-staatz.at<br />

——————<br />

Geisterstunde auf Schloss Eulenstein<br />

Musikschule der Stadt Tulln<br />

in Kooperation mit dem Gymnasium<br />

und dem TanzRaum Tulln<br />

Do, 25. 4. 2013, 9.00 und 10.30 Uhr<br />

Fr, 26. 4. 2013, 16.30 und 19.00 Uhr<br />

Atrium Tulln, Minoritenplatz 1<br />

3430 Tulln<br />

www.musikschule-tulln.at<br />

——————<br />

Der Zauberer von Oz<br />

Franz-Schmidt-Musikschule Perchtoldsdorf<br />

Sa, 15. 6. 2013, 19.00 Uhr (Premiere)<br />

So, 16. 6. 2013, 19.30 Uhr<br />

Sa, 22. 6. 2013, 19.00 Uhr<br />

So, 23. 6. 2013, 19.00 Uhr<br />

Franz-Schmidt-Musikschule, Knappenhof<br />

2380 Perchtoldsdorf, Wienergasse 17<br />

(bei Schlechtwetter im <strong>Kultur</strong>zentrum<br />

Perchtoldsdorf).<br />

www.ms-perchtoldsdorf.at<br />

——————<br />

Max und die Zaubertrommel<br />

Musikschule Ober-Grafendorf und<br />

Neue Mittelschule Ober-Grafendorf<br />

Di, 25. 6. 2013, 18.00 Uhr<br />

Großer Festsaal der Pielachtalhalle<br />

3200 Ober-Grafendorf, Raiffeisengasse 6<br />

www.ober-grafendorf.at/musikschule


Leopoldi-Tag<br />

Industrieviertel / 23<br />

aLLEs POLdI!<br />

Zahlreiche Leopoldifeste finden zu Ehren des niederösterreichischen<br />

Landespatrons im Industrieviertel statt.<br />

Die Volkstanzgruppe Brunn am Gebirge lädt zum Leopolditanz. Foto: VTG Brunn/Geb.<br />

Wer kennt sie nicht, die so genannte Schleierlegende<br />

über die Gründung des Stifts Klosterneuburg?<br />

Als Markgraf Leopold III. von<br />

Österreich seine Agnes ehelichte, riss ein<br />

Windstoß den Brautschleier mit sich, als die<br />

Frischvermählten auf den Leopoldsberg, den<br />

damaligen Kahlenberg, traten. Trotz langer<br />

Suche gelang es nicht, den Schleier zu finden.<br />

Da versprach Leopold, an der Stelle, an der<br />

der Schleier gefunden werde, ein Kloster zu<br />

errichten. Es sollte neun Jahre dauern, bis es<br />

so weit war.<br />

Leopold III., Markgraf von Österreich, lebte<br />

von 1073 bis 1136 und stammte aus dem<br />

Adelsgeschlecht der Babenberger. Neben<br />

dem Beinamen „der Heilige“ trug er auch die<br />

Bezeichnungen „der Fromme“ und „der<br />

Milde“. Diese Namen verdiente er sich durch<br />

seine großzügigen Gaben und Tätigkeiten in<br />

Wien und Niederösterreich.<br />

Klosterneuburg<br />

Seit 1663 ist Leopold III. österreichischer<br />

Landespatron. In Anlehnung an seinen<br />

Todestag wird Leopoldi immer am 15. <strong>November</strong><br />

begangen. Der österreichische Landespatron<br />

ist auch Patron der Bundesländer<br />

Niederösterreich, Oberösterreich und Wien.<br />

In Niederösterreich begeht man Leopoldi mit<br />

verschiedensten Bräuchen. Das Zentrum der<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Festlichkeiten ist Klosterneuburg. Dort gab es<br />

zunächst große Bankette mit Tänzen und<br />

Turnieren, die heute noch nach altem Brauch<br />

nachgestellt und gefeiert werden.<br />

Ein besonders beliebter Brauch ist das legendäre<br />

„Fasslrutschen“. Dabei wird über das<br />

Tausendeimerfass im Binderstadel des Stiftes<br />

Klosterneuburg gerutscht. Mittlerweile gibt<br />

es auch einen Jahrmarkt, der viele Besucher<br />

aus weiten Teilen Niederösterreichs anlockt.<br />

Aber auch in anderen Orten Niederösterreichs<br />

und in Wien wird gefeiert.<br />

leopolditanz<br />

Die Volkstanzgruppe Brunn am Gebirge veranstaltet<br />

jedes Jahr einen Tanz zu Ehren des<br />

hl. Leopold. Heuer gibt es ein besonderes<br />

Jubiläum zu feiern: das 30-jährige Bestehen<br />

der Volkstanzgruppe und den 30. Leopolditanz.<br />

Von den Mitgliedern der Volkstanzgruppe,<br />

aber auch von ihren Familien und<br />

ihren vielen Freunden wird der Leopolditanz<br />

aus verschiedenen Gründen als etwas Besonderes<br />

empfunden. Zum einen kommen nicht<br />

nur „geeichte“ Volkstänzer auf ihre Rechnung.<br />

Auch Tanzlustige, die nicht regelmäßig<br />

den Volkstanz pflegen, kommen dank der<br />

kurzen informativen Hinweise des Tanzmeisters<br />

Gerhard Müller und der Volkstänzer aus<br />

Nah und Fern mit den Tänzen gut zurecht.<br />

Zum anderen ist der Leopolditanz eine zum<br />

gemeinsamen Tanzen inspirierende fröhliche<br />

Begegnung aller Generationen. /<br />

Text: Karin Graf<br />

LEOPOLdITaNZ<br />

———————————————————<br />

Sa, 17. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />

(Einlass 19.00 Uhr)<br />

30. Leopolditanz<br />

der Volkstanzgruppe Brunn am Gebirge<br />

Festsaal der Marktgemeinde Brunn am<br />

Gebirge<br />

Tel. 02236 33583 (Elisabeth und Alois<br />

Deutsch)<br />

www.vtgbrunn.at


Weinviertel / 24<br />

Dialekt<br />

TuId guIT<br />

Aktiv wird sie immer seltener gesprochen, wird aber von einer Gruppe an Liebhabern gepflegt und gehegt:<br />

die ui-Mundart – eine Spurensicherung im Weinviertel.<br />

In der Straninger Kellergasse – auch wenn’s am Bild nicht zu hören ist; diese Frau spricht ui-Mundart. Foto: Thomas Hofmann.<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong>


„Muida gib da Kui a Fuida!“ Derartige Sätze<br />

sind klassische Einstiege in eine heute fast<br />

schon ausgestorbene Sprache: den ui-Dialekt.<br />

„Zu den ui-Mundarten zählt man jene, die<br />

für mhd. [mittelhochdeutsch] uo, dem u der<br />

Schriftsprache in Wörtern wie ‚gut, Kuh, Blut,<br />

Krug‘ den Zwielaut ui sprechen.“ So die Definition<br />

von Maria Hornung und Franz Roitinger<br />

in ihrem Standardwerk „Die österreichischen<br />

Mundarten – eine Einführung“.<br />

Die geografische Verbreitung der ui-Mundart<br />

hatte vom südmährischen Raum einst bis<br />

Wien gereicht, verschob sich vom Hauptverbreitungsgebiet,<br />

dem Wein- und nördlichen<br />

Waldviertel, durch den Einfluss des Wienerischen<br />

stetig gen Norden. In südlicheren<br />

Gefilden des Waldviertels wird das ui durch<br />

ein ua abgelöst. Wurde um 1950 der ui-Dialekt<br />

noch von rund einer halben Million<br />

Bewohnern Niederösterreichs gesprochen,<br />

sind es heute nur mehr wenige. Typisch ist<br />

neben dem ui die große Zahl reduzierter<br />

Worte. So sagt man im Nordosten Niederösterreichs<br />

für „grob“ nur gro. Die Rebe wird<br />

zur Re und der Pflug zum Bflui.<br />

Die historischen Wurzeln liegen in der<br />

Besiedlung des Alpen- und Donauraumes<br />

durch die Bajuwaren ab dem 6. Jahrhundert.<br />

Sprachwissenschaftler unterscheiden das<br />

Mittel- vom Südbairischen. Der mittelbairische<br />

Sprachraum umfasst Wien, Nieder-<br />

und Oberösterreich, den Großteil Salzburgs<br />

und das Burgenland bis zur Lafnitz. Das<br />

Südbairische hingegen ist prägend für den<br />

Hauptteil der Steiermark, Kärnten und Tirol.<br />

Joseph Misson<br />

Neben dem gesprochenen Wort wurde und<br />

wird die ui-Mundart in gedruckter Form seit<br />

dem 19. Jahrhundert bis in unsere Tage hoch-<br />

Weinviertel / 25<br />

gehalten. Johanna Knechtl befasste sich in<br />

ihrer Dissertation „Das Schrifttum der niederösterreichischen<br />

ui-Mundart im 20. Jahrhundert<br />

– Möglichkeiten und Grenzen der<br />

Mundart als künstlerisches Ausdrucksmittel“<br />

im Detail mit der Thematik.<br />

Die Spurensuche beginnt beim unbestritten<br />

bedeutendsten Vertreter des Genres, bei<br />

Joseph Misson. Sein Werk „Da Naz“, ein<br />

Epos aus dem Jahr 1850, ist der Klassiker der<br />

ui-Literatur. Misson wird 1803 als achtes<br />

Kind in Mühlbach am Manhartsberg geboren.<br />

Sein Vater, der Kaufmann Giovanni<br />

Battista Misson, stammt aus Udine, seine<br />

Mutter aus dem benachbarten Ort Zemling.<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Kellergasse in Großengersdorf. Foto: Barbara Krobath.<br />

Eine Stärkung tuid guit. Foto: Barbara Krobath.<br />

Der Knabe besucht zunächst das Gymnasium<br />

in Krems und tritt als 20-Jähriger bei<br />

den Piaristen in den Orden ein. Seine Lehrtätigkeit<br />

beginnt 1826 in Horn und führt<br />

ihn später nach Krems, Freistadt und Wien,<br />

wo er in St. Thekla auf der Wieden als Bibliothekar<br />

und Archivar arbeitet. Misson stirbt<br />

am 28. Juni 1875. Berühmt ist er durch<br />

sein Epos „Da Naz, a niederösterreichischer<br />

Bauernbui, geht in d’Fremd“. Die acht<br />

Gesänge in hexametrischem Versmaß blieben<br />

unvollendet. 1880 wird es mit dem<br />

Untertitel „Gedicht in unterennsischer<br />

Mundart“ als schmales Büchlein mit 34 Seiten<br />

bei Carl Gerold & Sohn in Wien herausgegeben.


Koloman Kaiser<br />

Nach Missons Tod fühlte sich zunächst der<br />

heute weitgehend in Vergessenheit geratene<br />

Josef Strobl (1844–1879) bemüßigt, das Werk<br />

in 20 Gesängen fortzusetzen. Auch Koloman<br />

Kaiser (1854–1915) aus Hornsburg wollte mit<br />

seinem 1898 erschienenen Werk „Da Franzl<br />

in der Fremd“ Missons Schaffen vollenden.<br />

Er schrieb ebenfalls in Hexametern und ist –<br />

wohl auch durch den Koloman-Kaiser-Bund,<br />

der sich um sein Erbe bemüht – heute bei<br />

Kennern bekannt.<br />

Ålsdann iatzt losts, liabe Leut,<br />

und paßts ma guit auf, i derzähl Eng<br />

Jatza a schöne, gspoasige Gschicht<br />

von Kern-Schneider Franzel, …<br />

Nicht unerwähnt soll hier der aus Südmähren<br />

(Waltrowitz/Valtrovice) stammende Karl<br />

Bacher (1884–1954) bleiben, der in seinem<br />

Hauptwerk „Dos Liad von der Thaya“ in<br />

13 Gesängen seine Heimat bis hin zu den<br />

Ereignissen des Jahres 1945 beschreibt. Aus<br />

dem Pulkautal stammen mit Adolf Jagenteufel<br />

(1899–1987) aus Watzelsdorf und Lois<br />

Schiferl aus Hadres (1906–1979) zwei weitere<br />

wichtige Vertreter der ui-Mundart. Jagenteufel<br />

war, was sein Schaffen betrifft, ein<br />

Spätberufener, sein wichtiges Werk „Haustrunk<br />

und Guider“ erschien 1961. Sein Sohn<br />

Weinviertel / 26<br />

Das Geburtshaus des Dichters Joseph Misson in Mühlbach am Manhartsberg ist auch Sitz der Misson-Gesellschaft.<br />

Hermann kümmert sich heute in Zellerndorf<br />

aktiv in der „Bacher-Runde“, einem informellen<br />

Treff von Mundartfreuden, um den<br />

Weiterbestand der ui-Mundart im Weinviertel.<br />

Lois Schiferl hingegen veröffentlichte<br />

1946 seinen ersten Mundartgedichtband<br />

„Heimat im Weinland“. Seine Vorbilder<br />

waren Josef Misson und Karl Bacher. Schiferl<br />

bildet zusammen mit eben erwähnten Bacher<br />

und dem in Schrick geborenen Josef Weiland<br />

(1882–1961) das große Triumvirat der Weinviertler<br />

Mundartdichtung der zweiten Generation.<br />

Schiferl schreibt (1965) über ihn, der<br />

1927 sein erstes Büchlein („Aus dá Wein-<br />

gegnd“) veröffentlichte: „Weiland war im<br />

niederösterreichischen Mundartschrifttum,<br />

außer Joseph Misson der bedeutendste Vertreter<br />

der ui-oi-Mundart, […]. Heute lebt<br />

dieser Lautbestand nur noch im Weinviertel,<br />

in einzelnen Orten des nördlichen Waldviertels,<br />

im Burgenland bis zum Unterlauf der<br />

Lafnitz und im Pustertal von Abfaltersbach<br />

bis in den Raum Brunneck–Mühlbach.“<br />

Weiland, der begnadete Mundartdichter, ein<br />

gebürtiger Schricker, schrieb seine Texte in<br />

Zierschrift, datierte sie und sammelte sie in<br />

seinen „Tagebüchern“.<br />

Der jüngere Walter Kainz (1918–1996) gab<br />

mehrere Gedichtbände heraus, darunter<br />

„Liebeserklärung an das Weinland“ und<br />

„Untern Manhartsberi“. Kennern ist der<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

humorige Hollabrunner Kirchenmann,<br />

Dechant Georg Pfeifer (1867–1946) ein<br />

Begriff. „Der Bubikopf und andere Dummheiten“<br />

erschien 1932, die Gedichtauswahl<br />

„Ernst und Scherz fürs Menschenherz“<br />

wurde posthum (1952) editiert. Schluss-<br />

endlich soll zwei verdienten Menschen<br />

gedankt werden: Hans Salvesberger aus<br />

Gösing und Michael Staribacher aus Eichenbrunn.<br />

Beide kümmern sich um das Erbe der<br />

Weinviertler Mundart. Salvesberger ist seit<br />

vielen Jahren ambitionierter Verleger der<br />

„Edition Weinviertel“. Staribacher wiederum<br />

hat sich mit seinem „Weinviertler Dialektlexikon“<br />

(3. Auflage 2006) einen Namen<br />

gemacht. Wenn Misson in seiner Einleitung<br />

zum „Naz“ mit dem Satz „Jatzt pfiat dih Gott,<br />

schau, daß da giut geht und mach ma koan<br />

Schand nöd!“ schließt, so haben diese Worte<br />

auch heute noch Gültigkeit. /<br />

Text: Thomas Hofmann<br />

Fotos: Barbara Krobath<br />

jOsEPh MIssON-haus<br />

———————————————————<br />

3473 Mühlbach am Manhartsberg 23<br />

Im Winter nach Vereinbarung geöffnet<br />

Tel. 02957 216 oder 02957 763<br />

www.missonhaus.at


Georg Pfeifer, Dichter und Dechant in<br />

Hollabrunn.<br />

Brandlhof<br />

Weinviertel / 27<br />

ERNsT<br />

& sChERZ<br />

Die Neuauflage sämtlicher Werke des Hollabrunner Heimatdichters<br />

Dechant Georg Pfeifer.<br />

Dechant Pfeifer, 1867 im südmährischen<br />

Joslovice/Joslowitz geboren, war von 1920 bis<br />

1946 Pfarrer von Hollabrunn und ein Weinviertler<br />

mit Leib und Seele. Auf treffliche<br />

Weise vereinigen sich in seiner Persönlichkeit<br />

die Berufung als Seelsorger, die intensive<br />

Beschäftigung mit Weinbau und Kellerwirtschaft,<br />

sein Sinn für Humor und Lebensfreude<br />

und die Gnade hoher poetischer Begabung.<br />

Sein dichterischer Nachlass gliedert sich in<br />

hochdeutsche Schöpfungen und die bekanntere<br />

Lyrik in südmährischer ui-Mundart,<br />

inhaltlich spannt er einen weiten Bogen von<br />

tiefen religiösen und berührenden persönlichen<br />

Erfahrungen über humoristische<br />

Betrachtungen des alltäglichen Lebens bis zu<br />

seiner innigen Wein- und Kellerpoesie –<br />

wobei sich nicht selten mehrere Themenbereiche<br />

glücklich vereinen.<br />

Das Buch umfasst sämtliche Gedichte aus<br />

den früheren Veröffentlichungen „Der Bubikopf<br />

und andere ‚Dummheiten‘“ (1932) und<br />

„Ernst und Scherz fürs Menschenherz“<br />

(1952) sowie weitere Texte des ausgezeichneten<br />

Menschenkenners. Vorworte von Prof.<br />

Dr. Ernst Bezemek und Manfred Breindl<br />

sowie umfassende Erläuterungen und Anmerkungen<br />

zur Person Georg Pfeifer und zu<br />

den Texten ergänzen den Band. Präsentiert<br />

wurde das Buch dort, wo die Gedichte großteils<br />

geschrieben wurden – im Pfarrkeller der<br />

Sitzendorfer Kellergasse in Hollabrunn.<br />

OSR Ernst Sachs wird aus dem Werk des<br />

legendären Heimatdichters und großen<br />

Hollabrunners Georg Pfeifer lesen. /<br />

ERNsT saChs<br />

LIEsT gEORg PFEIFER<br />

———————————————————<br />

So, 4. 11. <strong>2012</strong>, 17.00 Uhr<br />

Brandlhof<br />

3710 Ziersdorf, Radlbrunn 24<br />

Tel. 02956 81 222<br />

Eintritt frei!<br />

www.volkskulturnoe.at./brandlhof<br />

Do, 15. 11. <strong>2012</strong>, 19.30 Uhr<br />

Pfarrzentrum Hollabrunn<br />

2020 Hollabrunn, Kirchenplatz 5<br />

Tel. 02952/2178<br />

BuChTIPP<br />

———————————————————<br />

Georg Pfeifer:<br />

Gesammelte Gedichte<br />

Edition Weinviertel<br />

www.edition-weinviertel.at<br />

ISBN 978-3-902589-41-5<br />

EUR 25,00<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Barocke Pfarrkirche Wullersdorf. Die Pfarre<br />

Wullersdorf war eine Schenkung des Babenberger<br />

Herzogs Leopold III. an das Stift Melk.<br />

LEOPOLdIsINgEN<br />

IN WuLLERsdORF<br />

———————————————————<br />

So, 18. 11. <strong>2012</strong>, 14.00 Uhr<br />

2041 Wullersdorf, Pfarrkirche<br />

Eintritt frei!<br />

Das Leopoldisingen der Bäuerinnen<br />

findet jedes Jahr an einem anderen Ort<br />

statt – heuer in der Pfarrkirche von Wullersdorf.<br />

Der markante Bau mit den zwei<br />

Fassadentürmen entstand als Konkurrenzbau<br />

zur Göttweiger Filialkirche in<br />

Roggendorf und geht auf den Melker Abt<br />

Berthold Dietmayr und Baumeister Jakob<br />

Prandtauer zurück. Fertiggestellt wurde<br />

der „Dom des Weinviertels“ 1733 von<br />

Josef Munggenast. Zunehmend schließen<br />

sich in ganz Niederösterreich Bäuerinnen<br />

zusammen, um gemeinsam zu singen.<br />

Zehn Bäuerinnensinggruppen aus den<br />

<strong>Region</strong>en Amstetten, Arbesbach, Bruck/<br />

Leitha, Geras, Gresten, Hollabrunn,<br />

Kirchschlag, Mistelbach (De Zsamgwiafötn),<br />

Stockerau und Zwettl lassen die<br />

Tradition der geistlichen Volkslieder aufleben<br />

und bringen diese mit viel Freude<br />

und Leidenschaft fürs Singen zu Gehör.<br />

Das Leopoldisingen wird in Zusammenarbeit<br />

von Arbeitsgemeinschaft der<br />

Bäuerinnen, Volkskultur Niederösterreich,<br />

Chorszene Niederösterreich und<br />

Landwirtschaftskammer Niederösterreich<br />

organisiert.<br />

——————<br />

Information:<br />

Tel. 05 0259 26500<br />

martina.hermann@lk-noe.at


Musikantensprache / 28<br />

Forschung<br />

sTRENg gEhEIM!<br />

Musikanten kommunizierten in einer Sprache, die dem Publikum nicht zugänglich war.<br />

Die herumziehenden Musikanten. Bildbeilage zur Wiener allgemeinen Theaterzeitung Wiener Scenen No. 30. Kolorierter Kupferstich von Andreas Geiger<br />

(nach Entwurf von Hofmann), 1839. Copyright: IMAGNO/Austrian Archives<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong>


„Irlas quantn Fetzer stroman on!“ – „Die<br />

guten Musikanten kommen schon!“ Mit diesem<br />

erwartungsvollen Ausruf konnte ein<br />

Dorfkirtag in Schwung kommen. Musikanten<br />

bedienten sich einer Geheimsprache. Mussten<br />

sie doch coram publico schnell über<br />

finanzielle Belange entscheiden: „Irlas Pink a<br />

Hei?“ Hat der Mann, der einen Tanz bestellt<br />

hat, überhaupt Geld? Irlas steht für das einleitende<br />

bestimmte/unbestimmte Pronomen,<br />

Pink ist der Mann, Hei das Geld, was wir in<br />

der Redewendung „Geld wie Heu“ kennen.<br />

„Für nichtmusiker ungeeignet“<br />

Ich bekam 1993 vom Landwirt und Klarinettisten<br />

Leopold Hackl (1921–1996) aus<br />

Michelbach im Bezirk St. Pölten eine über 60<br />

Wörter umfassende in Maschinschrift angefertigte<br />

Liste, die er Jahre zuvor mit seinem<br />

Musikkollegen Leopold Lechner (1911–1995)<br />

aus der Nachbargemeinde Pyhra angefertigt<br />

hatte. Die Überschrift des Glossars lautet:<br />

„Sprache der Blasmusiker, übertragen von<br />

unseren Alten Vorgängern. Für Nichtmusiker<br />

ungeeignet. Streng geheim!!!“ Der Wortschatz<br />

deckt sich im Großen und Ganzen mit<br />

den nahezu 140 Wörtern und über 20 Satzbeispielen<br />

der aus mehreren Orten des Weinviertels<br />

bekannten Musikantensprache. In der<br />

Monarchie und in der Zwischenkriegszeit<br />

hatten die Weinviertler Kontakte zu böhmischen<br />

und mährischen Musikanten, deren<br />

Geheimsprachenvariante die „Fatzer- oder<br />

Fetzersprache“ war. Der Name leitet sich vom<br />

lateinischen Verb facere = machen ab und<br />

deutet an, dass die Musikanten die „Stimmungsmacher“<br />

sind.<br />

Die Geheimsprache der Musikanten ist mit<br />

der Sprache der Fuhrleute und Fahrenden<br />

verwandt, die als Dialekt bzw. Soziolekt, eben<br />

der Sprache einer bestimmten Berufsgruppe,<br />

vor allem gesprochen und kaum geschrieben<br />

wurde. Der Wortschatz dieser Sondersprache<br />

geht auf das spätmittelalterliche Rotwelsch<br />

zurück, das neben dem Mittelhochdeutschen<br />

Elemente des Jiddischen, Slawischen, Romani<br />

(Sprache der Roma und Sinti) und anderer<br />

europäischer Sprachen enthält. Die Grammatik<br />

der Musikantensprache wurde der jeweils<br />

ortsüblichen Mundart entnommen. Das<br />

Wort „Rotwelsch“ ist mit „unverständliche<br />

Sprache der Bettler“ zu übersetzen, die auf<br />

den spätmittelalterlichen Straßen anzutreffen<br />

waren, wo sie mit anderen von der bürger-<br />

Musikantensprache / 29<br />

lichen Gesellschaft ausgeschlossenen Menschen<br />

– Dirnen, Händlern und Hausierern,<br />

Handwerksburschen, Vagabunden, Schindern<br />

oder Landgerichtsdienern, herumziehenden<br />

Klerikern und natürlich auch Spielleuten<br />

– diese Geheimsprache entwickelten.<br />

Musikantensprachen sind im ganzen deutschen<br />

Sprachraum und darüber hinaus in<br />

Tschechien, Serbien, Bulgarien und Mazedonien<br />

nachgewiesen.<br />

Kuchlböhmisch, Donausprache<br />

Mobile Menschen, die über die Grenzen hinweg<br />

unterwegs waren und mit anderen mobilen<br />

Menschen handelten, arbeiteten oder<br />

Musik spielten, mussten sich verständigen<br />

können. Was heute Englisch ist und für die<br />

gebildeten Schichten das Französische war,<br />

war eine jeweils an die Situation angepasste<br />

Sprachmischung mit einem geringen Wortumfang<br />

und Satzbausteinen. Die böhmischen<br />

Köchinnen in Wien sprachen das sogenannte<br />

Kuchlböhmisch. Friedrich Torberg hat in<br />

„Die Erben der Tante Jolesch“ den wunderbaren<br />

Satz überliefert: „Hausmajstr vypucuje<br />

votruv ibacia na klandru.“ [Der Hausmeister<br />

putzt Vaters Überzieher am (Stiegen-)geländer.]<br />

Eine deutsch-böhmische Promenadenmischung,<br />

wobei die Wörter deutsch sind,<br />

Grammatik und Vorsilben aus dem Tschechischen<br />

gebildet werden. Die Donauschiffer<br />

bedienten sich der Versatzstücke aus den<br />

Sprachen der Donauländer – Deutsch, Ungarisch,<br />

slawische Sprachen und Rumänisch.<br />

Und Gregor von Rezzori schreibt in „Blumen<br />

im Schnee“ über seine Kindheit in der Bukowina<br />

und über seine Amme, die alle Sprachen<br />

die im Umlauf waren, vermischte. Rezzori<br />

spricht von einem Geheimidiom. „Der<br />

Hauptteil dieses Idioms war ein niemals richtig<br />

und zur Gänze erlerntes Deutsch, dessen<br />

Lücken ausgefüllt waren mit Wörtern und<br />

Redewendungen aus sämtlichen anderen<br />

Zungen, die in der Bukowina gesprochen<br />

wurden. So war jedes zweite oder dritte Wort<br />

ruthenisch, rumänisch, polnisch, russisch,<br />

armenisch oder jiddisch; auch ungarische<br />

und türkische habe ich gefunden.“<br />

Jenische<br />

Der Musikantensprachwortschatz, der in<br />

Niederösterreich noch von alten Menschen<br />

verstanden wurde, hatte eine auffallende<br />

Ähnlichkeit mit der Geheimsprache der<br />

Jenischen, die bis in die 1950er Jahre als Lumpensammler,<br />

Scherenschleifer, Regenschirmmacher,<br />

Korbflechter oder Textilhausierer<br />

durchs Land zogen. Neben ihrer europaweiten<br />

Verbreitung waren jenische Familien z. B.<br />

im kleinen Dorf Sitzenthal in Loosdorf bei<br />

Melk ansässig. Diese Menschen waren vom<br />

Frühling bis zum Spätherbst unterwegs, wurden<br />

von den Menschen des Mostviertels<br />

„Sitzenthaler“ genannt und wollten nicht mit<br />

den Roma verwechselt werden. Als Kind<br />

habe ich sie erlebt und höre heute noch den<br />

Satz: „Mia san kane Zigeiner, mia sand Sitznthola!“,<br />

was ihnen aufgrund der Hautfarbe<br />

auch den Namen „weiße Zigeuner“ eintrug.<br />

Jenische wurden im 18. Jahrhundert von den<br />

Grundherrschaften sesshaft gemacht. Das<br />

Sesshaftwerden setzte ihre Sprache dem Einfluss<br />

der örtlichen Dialekte aus.<br />

Pink und Musch<br />

In der Musikantensprache können wir mehrere<br />

Themenkreise ausfindig machen – neben<br />

der Musik, das Essen, Feste, Sex und Erotik.<br />

„A quante Monscharei“, ein gutes Essen,<br />

sollte für die Musikanten möglichst viel Busn<br />

oder Buslat, nämlich Fleisch enthalten (quant<br />

vom lat. Quantum = groß, gut, Monscharei<br />

vom frz. manger, eben essen. Buslat geht auf<br />

jidd. bossor = Fleisch zurück. Bei Festen<br />

konnte man die Musikanten hören, wie sie<br />

die Tanzenden kommentierten: „Irlas Oberpani<br />

niglt mit seiner Musch!“ (Der Bürgermeister<br />

tanzt mit seiner Frau). Wobei bei<br />

Oberpani das tschechische Wort pan = Herr<br />

und Musch auf das deutsche Wort Mutze für<br />

weibliche Scham zurück zu verfolgen ist.<br />

Auch der schon öfters zitierte Pink (Mann)<br />

geht auf die rotwelsche Wurzel für Penis<br />

zurück, wobei das Pinkeln als gebräuchlicher<br />

Ausdruck bekannt ist.<br />

Das Ende einer Geheimsprache ist meist mit<br />

einschneidenden politischen Ereignissen verbunden,<br />

für die niederösterreichische Musikantensprache<br />

war das der Zweite Weltkrieg,<br />

andere haben ihre Aktivität nach dem Ersten<br />

Weltkrieg oder schon früher eingebüßt. /<br />

Text: Mella Waldstein und Bernhard Gamsjäger.<br />

Zusammenfassung eines Vortrags von Bernhard<br />

Gamsjäger, den der Volksmusikforscher und pensionierte<br />

Lehrer bei der Sommerakademie <strong>2012</strong> des<br />

Österreichischen Volksliedwerkes in Weyregg am<br />

Attersee hielt.


Donau.Visionen<br />

Haus der <strong>Region</strong>en / 30<br />

BRüCKE<br />

NuMMER ZWEI<br />

Brücken bauen – eine beliebte Metapher. Wenn Brücken gebaut werden,<br />

dauert das oft Jahrzehnte. Die Donaubrücke zwischen Vidin und<br />

Calafat ist ein Beispiel dafür.<br />

So soll sie aussehen: Die neue Brücke Nr. 2 zwischen Vidin und Calafat. Foto: FCC.<br />

Als während des Jugoslawienkriegs die<br />

Donaubrücke in Novi Sad (Serbien) von der<br />

NATO bombardierte wurde, beschloss man<br />

hunderte Kilometer flussbwärts ein neues<br />

Brückenprojekt: Sie heißt nüchtern „Brücke<br />

Nr. 2“ und wird ab 2013 Rumänien und Bulgarien<br />

miteinander verbinden. Eigentlich ist<br />

Nr. 2 die dritte Brücke, die die beiden Länder<br />

miteinander verbindet. Die erste wurde im<br />

4. Jahrhundert unter dem römischen Kaiser<br />

Konstantin den Großen gebaut. Die hölzerne<br />

Konstruktion erstreckte sich über 2,4 Kilometer<br />

und war die längste Brücke des<br />

Römischen Imperiums. Ihr waren nur vier<br />

Jahrzehnte beschieden. Die einzige derzeit<br />

befahrbare „Brücke der Freundschaft“ im<br />

unteren Donauabschnitt wurde 1954 auf<br />

Initiative von Stalin zwischen der bulgarischen<br />

Stadt Ruse und der rumänischen<br />

Giurgiu errichtet. „Es ist derselbe Fluss und<br />

doch ein anderer“, so Elena Shekerletova, die<br />

Botschafterin Bulgariens bei den Kamingesprächen<br />

„Donau.Visionen“ im Haus der<br />

<strong>Region</strong>en in Krems. „Hier bei Ihnen wird der<br />

Fluss in das alltägliche Leben einbezogen.<br />

Man sieht, was am anderen Ufer geschieht. Er<br />

fließt mitten durch eine Stadt, er ist keine<br />

Grenze und kein Hindernis. Bei uns in Bulgarien<br />

ist die Donau schon immer die Nordgrenze<br />

gewesen. Sie hat das Land geschützt<br />

und war gleichzeitig eine Hürde.“ 450 Kilometer<br />

Grenze zwischen den beiden Staaten<br />

Bulgarien und Rumänien und bis dato nur<br />

eine Brücke, die beide Länder verbindet.<br />

Der deutsche Reiseschriftsteller Johann<br />

Georg Kohl schrieb 1842 vom „brückenärmsten<br />

Fluss“ Europas. Budapest wurde erst zur<br />

Großstadt als die beiden selbständigen Städte<br />

Óbuda (rechtes Donauufer) und Pest durch<br />

Brücken miteinander verbunden wurden.<br />

Das war Mitte des 19. Jahrhunderts, während<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

zu dieser Zeit über die Themse bereits 50<br />

Brücken gespannt waren. Die Donau war bis<br />

zu den Flussregulierungen im 19. Jahrhundert<br />

durch Engen und Strudel, durch Überschwemmungen<br />

und Eisgänge ein unberechenbarer<br />

Strom. Der Journalist und Autor<br />

Ernst Trost („Die Donau – Lebenslauf eines<br />

Stromes“) berichtete beim Kremser Kamingespräch<br />

von seiner Fahrt mit dem DDSG-<br />

Schubverband Kamegg, dessen Schiffe beim<br />

Eisernen Tor (Rumänien/Serbien) einzeln<br />

durch die Enge gelotst werden mussten. Erst<br />

mit der Staustufe Eisernes Tor I und II wurde<br />

die gefürchtete Strecke entschärft. Allerdings<br />

versanken durch den Bau der Staustufe auch<br />

Ortschaften und die sagenumwobene Insel<br />

Ada Kaleh, die bis 1912 eine türkische Enklave<br />

war. Trotz aller Schwierigkeiten, die<br />

Donau zu passieren, war die Donau die wichtigste<br />

Verbindung nach Europa. In Rumänien<br />

wird sie die „Straße ohne Staub“ genannt.<br />

Der in Ruse an der Donau (Bulgarien) geborene<br />

Schriftsteller Elias Canetti schrieb: „Und<br />

wenn jemand die Donau hinauf nach Wien<br />

fuhr, sagte man, er fährt nach Europa, Europa<br />

begann dort, wo das türkische Reich einmal<br />

geendet hat.“<br />

Elena Shekerletova: „Die Eröffnung der<br />

neuen Brücke ist für uns ein Ausnahmeereignis.<br />

Es hätte noch länger gedauert, wären wir<br />

nicht in der EU.“ Die Brücke Nr. 2 ist 1.800<br />

Meter lang und ein wichtiger Teil des Paneuropäischen<br />

Verkehrskorridors IV. Sie ist<br />

sowohl Eisenbahn- als auch Straßenbrücke<br />

mit einem eigenen Abschnitt für Fahrräder<br />

und Fußgänger. Sie ist im nordwestlichen Teil<br />

Bulgariens gelegen, der zu den strukturschwächsten<br />

Teilen des Landes zählt. Sie<br />

ist ein Statement für mehr Donau, mehr<br />

Brücken, mehr Europa. /<br />

Text: Mella Waldstein<br />

KREMsER KaMINgEsPRäChE<br />

———————————————————<br />

Mi, 14. 11. <strong>2012</strong>, 18.00 Uhr<br />

Donau.Räume<br />

Mi, 12. 12. <strong>2012</strong>, 18.00 Uhr<br />

Donau.Schätze<br />

Haus der <strong>Region</strong>en,<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Eintritt frei, Anmeldung erbeten!<br />

www.volkskultureuropa.org


Mostviertel / 31<br />

Handwerk<br />

FEsT gEZuRRT<br />

& guT vERTäuT<br />

Die Seilerei Eisserer in Amstetten ist eine der letzten Werkstätten, in der Seile in Handarbeit hergestellt<br />

werden. Nicht nur für Pfadfinder und Theaterausstatter ein Geheimtipp.<br />

Es riecht nach Seefahrt und nach Postpaketen,<br />

die noch mit Packpapier umwickelt<br />

und geschnürt waren. Es riecht nach Strick,<br />

Tau und Spagat. „Das Seil schafft Verbindung<br />

fürs Leben“, ist Klaus Eisserers Motto. In seinem<br />

Geschäft stehen Rollen mit dicken und<br />

dünnen Schnüren, grobem und feinem Spagat,<br />

Seile aus Hanffasern und Kunststoff.<br />

Zwischen allerlei Waren lehnt in einem Eck<br />

ein altes Schild: Ignatz Eißerer, Ulmerfeld,<br />

Klaus Eisserer sieht in den Seilen Philosophisches: Spannung aufbauen und in Harmonie entlassen.<br />

Seilerei seit 1860. Der Großvater übersiedelte<br />

1904 nach Amstetten. Er stellte Seile für die<br />

Landwirtschaft her – vom Kaibelstrick bis<br />

zum Zugstrang. Seile sind allumfassend einzusetzende<br />

Werkzeuge.<br />

Klaus Eisserer verkauft Seile für Kindergärten,<br />

auch für Landwirte, für den Hausgebrauch,<br />

für Pfadfinder und fürs Theater. In<br />

den Schnürböden sind aus feuertechnischen<br />

Gründen Hanfseile vorgeschrieben.<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Wer vor dem Geschäft in Amstetten steht<br />

und in der Auslage Sportbekleidung sieht,<br />

würde kaum vermuten, dass sich in den hinteren<br />

Werkstätten ein nahezu ausgestorbenes<br />

Handwerk fest eingeschnürt hat. Grundsätzlich<br />

hat der Familienbetrieb Eisserer mehrere<br />

Standbeine. Er verkauft industriell hergestellte<br />

Seile, die Eisserer und seine Frau „konfektionieren“<br />

– also zuschneiden und verarbeiten.<br />

Ein Seil ist nicht ein Seil. Bergsteigerseile<br />

aus Kunststoff sind anders zusammengesetzt


als Springschnüre aus Hanffasern „Für technische<br />

Anwendungen müssen die Seile geprüft<br />

sein. Das Prüfen ist eine teure Angelegenheit“,<br />

so der Seiler. Daneben wird, passend<br />

zum Grundmaterial des Seiles, Kleidung<br />

aus Hanffaser verkauft. In den rückwärtigen<br />

Trakten des Hauses liegt die Werkstätte.<br />

Wo beginnen?<br />

Dass die Werkstatt richtig schön alt ist und<br />

dass auf der dunklen, ölverschmierten<br />

Maschine, die das Seil zum Drehen bringt,<br />

Hanffasern wie Kükenflaum hängen? Dass<br />

die Transmissionsriemen schon x-mal geflickt<br />

sind und in all den vielen Werkstätten,<br />

die ich im Laufe meines Reporterinnendaseins<br />

besuchen konnte – überall das selbe<br />

Problem: Bitte, wo ist die Werkstatt, die für<br />

alte Werkstätten Transmissionsriemen aus<br />

Leder herstellt? Dass auf den Holztüren Zahlen<br />

mit Kreide notiert sind, Meterangaben,<br />

Mengenangaben etc., so wie es früher in allen<br />

Werkstätten zu sehen war? Dass unter dem<br />

Muttergottesbild ein Ölkännchen steht? Dass<br />

in einem Regal merkwürdige Kegel stehen,<br />

Mostviertel / 32<br />

Das Knäuel ist eindeutig eine Schnur (ein dünnes Seil) und kein Spagat. Für Interessierte: die Technik der Knoten.<br />

deren Zweck wir noch kennenlernen werden?<br />

Dass die Seilerbahn 30 Meter lang ist?<br />

Die Seilerbahn ist der Arbeitsraum der Seilerei.<br />

Die Länge braucht es, um die Litzen zu<br />

spannen, aus denen dann das Seil gedreht<br />

wird. Litzen sind die gesponnenen Hanffasern,<br />

die Eisserer als Halbfertigprodukt<br />

kauft. Das gesponnene Werksgarn wird am<br />

Haken der Maschine befestigt. Wenn der<br />

Seiler am Garn zieht, überträgt sich darauf<br />

die Drehbewegung des Motors. In die linke<br />

Hand nimmt er den Spinnfleck (ein befeuchteter<br />

Filzlappen) und mit der rechten Hand<br />

führt er ein weiteres vorbereitetes Werksgarn<br />

zu, das sich nun um das drehende Garn<br />

wickelt. So entstehen die so genannten<br />

Litzen.<br />

Um ein Seil in der Mitte dicker zu machen, so<br />

wie es für eine Springschur gebraucht wird,<br />

werden die Werkgarne, in der Länge verlaufend,<br />

zum drehenden Seil geführt, sodass in<br />

der Mitte mehr Garne zusammengedreht<br />

werden und das Seil hier dicker ist als dessen<br />

Enden.<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

„Meine Arbeit ist sauber und ich arbeite mit<br />

weichen und geschmeidigen Teilen. Daraus<br />

wird ein Produkt, das viel aushält.“ Klaus<br />

Eisserer ist begeistert. Und die Begeisterung<br />

vermittelt er auch in Kursen. „Leider war<br />

mein Vater schon tot, deshalb habe ich vieles<br />

als Autodidakt gelernt.“ Dass er den Kleinbetrieb<br />

weiterführt, war eine bewusste Entscheidung.<br />

„Wir haben uns entschlossen, ein<br />

Leben in einer altmodischen Bürgerlichkeit<br />

zu führen, mit einem eigenen Betrieb, dem<br />

Geschäft und der Familie unter einem Dach.“<br />

Eisserer ist einer von etwa einem Dutzend<br />

Menschen, die das Seilerhandwerk in Österreich<br />

noch ausüben.<br />

Zurück in die Werkstatt. Die Litzen sind vorbereitet.<br />

Seile können drei- oder vierlitzig<br />

sein. Wobei: So wie ein dreibeiniger Tisch<br />

nicht wackelt, so ist ein dreilitziges Seil am<br />

gleichmäßigsten gedreht. Die Hanffaser ist<br />

die reißfesteste Naturfaser. Das „38er“ ist das<br />

dickste Seil in Eisserers Geschäft – mit einer<br />

Zugkraft von 8.560 Dekanewton, das entspricht<br />

ungefähr 8.000 Kilogramm.


Die Lehre ist der Holzkegel, der es ermöglicht, dass die drei Litzen gleichmäßig<br />

zusammengedreht werden.<br />

Die drei Litzen für das zu drehende Seil werden<br />

an den Haken der Maschine befestigt.<br />

Am anderen Ende werden die Litzen auf<br />

einen kugelgelagerten Haken gehängt. Dieser<br />

wiederum ist an einem Seilzug befestigt, an<br />

dessen unterem Ende ein Stein hängt. Dieses<br />

Konstrukt heißt Hängerstange.<br />

Eisserer holt aus dem Regal einen Holzkegel<br />

– die Lehre –, in den drei Führungen<br />

geschnitzt sind. In der linken Hand den<br />

Spinnfleck, in der rechten den Kegel: Der<br />

Seiler setzt die Maschine in Bewegung und<br />

hinter dem Kegel drehen sich die Litzen zum<br />

Seil. Der Kegel ist die Führung, damit dieser<br />

Vorgang gleichmäßig passiert. Am hinteren<br />

Ende beginnt sich der Haken nach vorwärts<br />

zu bewegen, da das gedrehte Seil kürzer ist als<br />

die einzelnen Litzen. Damit das Drehen<br />

gleichmäßig verläuft, ist der Widerstand des<br />

Steins am Ende des Seilzugs notwendig. „Hier<br />

wird die Spannung aufgebaut, die in Harmonie<br />

entlassen wird.“ Herr Eisserer hält das<br />

fertige Seil in der Hand. Es fühlt sich gut und<br />

glatt an, es riecht streng und würzig.<br />

Mostviertel / 33<br />

Hier wird nichts weggeschmissen – jede Schnur kann noch gebraucht werden. Klaus Eisserer und seine Hängerstange – ein wichtiger Bestandteil jeder Seilerei.<br />

Diagonalbund & Affenfaust<br />

Wenn ein Seil länger sein sollte, als die Seilerbahn<br />

es zuließ, so ging der Großvater früher<br />

auf einen Feldweg und hat Hängestange und<br />

das Seilergeschirr mitgenommen. Mit dem<br />

Seilergeschirr wurden die Seile gedreht, als<br />

es noch keine Motoren gab. Dieses nimmt<br />

Eisserer mit, wenn er auf Märkte fährt oder<br />

Kurse hält.<br />

Dann gibt er eine kleine Einführung in die<br />

Technik der Knoten. „Das ist eine Verbindung,<br />

die jeder können sollte.“ Klaus Eisserer<br />

setzt mit drei Handbewegungen zum Zimmermannsklank<br />

an. Weberknoten, Diagonalbund,<br />

Ankerstich: Auf einer Schautafel hat er<br />

Seile zu Affenfäusten und doppelten Diamantknoten<br />

verbunden.<br />

„Überhaupt repariere ich viel mit Schnüren,<br />

denn bei uns im Mostviertel heißt es: ,Wer<br />

net bandert, kann net hausn.‘ “ Sein Körbchen,<br />

in dem er allerlei Werkzeug mit sich<br />

herumträgt, ist auch schon heftig gebandert,<br />

d. h. kaputte Stellen mit Spagat repariert. Jetzt<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

ist auch endlich die Möglichkeit, um den<br />

Unterschied zwischen Schnur und Spagat zu<br />

erfahren. „Das ist ganz einfach“, sagt der Seiler,<br />

„Spagat ist die gesponnene Faser und die<br />

Schnur ist gedreht. Deshalb ist der Spagat<br />

billiger. Aber in der Reißfestigkeit besteht<br />

kein Unterschied, nur in der Haltbarkeit. Der<br />

Spagat, da nicht geseilt, dröselt sich leichter<br />

auf.“<br />

Natürlich wirft Eisserer keinen Spagat und<br />

keine Schnur weg. Die Reste werden aufgerollt<br />

und in eine Lade gelegt. Zum Bandern<br />

wird man sie noch gut brauchen können. /<br />

Text: Mella Waldstein<br />

Fotos: Nikolaus Korab<br />

sEILEREI<br />

NIKOLaus EIssERER<br />

———————————————————<br />

3300 Amstetten, Ardaggerstraße 6 A<br />

Tel. 07472 62771<br />

www.hanfseil.at


Jugendsingen 2013<br />

Chorszene / 34<br />

ChORLEITER<br />

ON TOuR<br />

„Coaches on Tour“ gibt Schulchören die Möglichkeit,<br />

Tipps von erfahrenen Chorleitern zu holen.<br />

Schülerinnen und Schüler der Musikhauptschule Tulln.<br />

Sie geben Tipps, sie zeigen Tricks. Sie motivieren<br />

und interagieren. Erfahrene Musiker<br />

und Pädagogen gehen „on tour“.<br />

Zur Vorbereitung für das NÖ Landesjugendsingen<br />

2013 vom 22. bis 25. April 2013 im<br />

Auditorium von Schloss Grafenegg gibt es<br />

für Niederösterreichs Schulchöre in diesem<br />

Schuljahr die Möglichkeit, über das Projekt<br />

Stimmbogen nach Maßgabe der Fördermittel<br />

um „Coaches on Tour“ anzusuchen, eine<br />

Kooperation zwischen dem Netzwerk Musikpädagogik<br />

NÖ, dem Projekt Stimmbogen<br />

NÖ und der Chorszene Niederösterreich.<br />

Ziel des Projekts „Coaches on Tour“ ist es,<br />

erfahrene Chorleiter mit Rat und Tat bezüglich<br />

Stimmbildung, Choreinstudierung, Pro-<br />

grammauswahl und mehr persönlich und vor<br />

Ort zur Verfügung zu stellen, um (Jugend-)<br />

Chorleiter, Lehrer und Erzieher gezielt bei<br />

ihren Vorbereitungen auf das Jugendsingen<br />

2013 zu unterstützen.<br />

Erhard Mann vom Landesschulrat für Niederösterreich<br />

erklärt: „Wenn seitens eines<br />

Schulchores Interesse an einem Coach<br />

besteht, erhält dieser auf Anfrage das entsprechende<br />

Formular für sein Ansuchen übermittelt.<br />

Anschließend kann ein Coach kontaktiert<br />

und ein bis zwei Termine vereinbart<br />

werden.“<br />

Die Referenten: Erwin Ortner, Heinz Ferlesch,<br />

Claudia Kettenbach, Michael Koch,<br />

Stefan Lindbichler, Erhard Mann, Maria<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Magdalena Nödl, Markus Pfandler, Oliver<br />

Stech, Martin Stohl, Alfred Tuzar, Edgar<br />

Wolf, Gottfried Zawichowski, Elisabeth Ziegler,<br />

Wolfgang Ziegler.<br />

O. Univ.-Prof. Erwin Ortner (Professor für<br />

Chorleitung und chorische Stimmbildung an<br />

der Universität für Musik und darstellende<br />

Kunst Wien) erklärt die Initiative: „Mit qualitativ<br />

hochwertiger Vorbereitung sollen die<br />

Teilnehmer zum Chorgesang ermuntert und<br />

dadurch zur verstärkten Beteiligung an<br />

unserem kulturellen Leben und zum gemeinsamen<br />

Musizieren motiviert werden.“<br />

Mag. Heinz Ferlesch (Universität für Musik<br />

und darstellende Kunst Wien) fügt hinzu:<br />

„Ziel dieses Projektes ist die qualitätsvolle<br />

Förderung des Singens junger Menschen in<br />

Vokalensembles und Chören und die Ermutigung<br />

zu öffentlichen Auftritten.“<br />

Mag. Claudia Kettenbach (Universität für<br />

Musik und darstellende Kunst Wien) ist sich<br />

sicher: „Singen ist unverrückbar die elementarste<br />

und zugleich umfassendste musikalische<br />

Tätigkeit.“<br />

Um dabei behutsam und umsichtig mit dem<br />

eigenen Körper umzugehen, empfiehlt Oliver<br />

Stech (Universität für Musik und darstellende<br />

Kunst Wien) eine einfache Übung vor<br />

dem Singen: „Zu Beginn des Einsingens finde<br />

ich es immer gut, die Aufmerksamkeit zuerst<br />

auf unseren ,Gesangsmotor‘, die Atmung, zu<br />

lenken. Eine gute Möglichkeit dafür: Man<br />

setzt sich an die Vorderkante eines Sessels<br />

und lehnt sich nach vorne (Ellenbogen auf<br />

den Oberschenkeln, Kopf hängt locker<br />

herunter). Dann genüsslich durch die Nase<br />

einatmen – man spürt, wie sich die Flanken<br />

weiten.“<br />

Alfred Tuzar (Gemeindeverband der Walter-<br />

Lehner-Musikschule Hollabrunn) schlägt<br />

vor, mit Dehnungsübungen fortzufahren:<br />

„Der Sänger sollte sich gut strecken, als ob er<br />

gerade morgens aufgestanden wäre, die<br />

Schultern kreisen lassen und den Körper gut<br />

abklopfen. So aufgewärmt kann mit dem<br />

Einsingen begonnen werden.“


Maria Magdalena Nödl, Diplompädagogin<br />

und Begründerin der Musikhauptschule<br />

Eggenburg, sieht im Singen „Fitness für Kopf<br />

und Persönlichkeit“. „Um die Resonanzräume<br />

des Körpers auf das Singen vorzubereiten,<br />

beginne ich am liebsten mit einer ,Gähnübung‘:<br />

staunend – gähnend – riechend öffnen.<br />

Ich möchte vor allem Freude an der<br />

ungezwungenen Gestaltung von Liedern<br />

anregen, durch Bewegung, durch Weckung<br />

der Empfindungen und des Staunens und<br />

durch Förderung der Kreativität und Fantasie.“<br />

Für Gottfried Zawichowski, Chorleiter und<br />

Koordinator der Chorszene Niederösterreich,<br />

ist das Projekt „Coaches on Tour“ ein Zeichen<br />

in eine völlig neue Richtung: Bisher waren<br />

die Chorleiter und Musiklehrer oft auf sich<br />

alleine gestellt, sozusagen engagierte Einzelkämpfer.<br />

Nun werden Kontakte geknüpft,<br />

Türen geöffnet, man holt sich kollegiale Tipps<br />

von „Profis“. Die kommen in die Klasse, in<br />

die Probe und helfen mit, dem Singen in der<br />

Schule und in der Gemeinde jenen Stellenwert<br />

zu geben, den es verdient. Erfahrungen<br />

werden dorthin gebracht, wo man sie gleich<br />

umsetzen kann. /<br />

COaChEs ON TOuR<br />

———————————————————<br />

Information und Anmeldung:<br />

Erhard Mann, erhard.mann@lsr-noe.gv.at<br />

vERaNsTaLTuNgEN<br />

RuNd uMs jugENdsINgEN 2013<br />

———————————————————<br />

<strong>Region</strong>al- bzw. Bezirksjugendsingen:<br />

März–Juni 2013<br />

NÖ Landesjugendsingen: 23.–25. 4. 2013<br />

im Auditorium in Grafenegg<br />

Bundesjugendsingen: 21.–25. 6. 2013<br />

in Kufstein<br />

Informationen: NÖ Landesjugendreferat<br />

Tel. 02742 9005-13508<br />

franziska.prummer@noel.gv.at<br />

Wir tragen Niederösterreich / 35<br />

Adventsingen<br />

WIR sagEN<br />

EuCh aN<br />

Besinnliches zur Vorweihnachtszeit am 6. und 7. Dezember <strong>2012</strong><br />

im Auditorium Grafenegg.<br />

In der Adventzeit hört man gerne die altbekannten<br />

Melodien und erfreut sich an vertrauten<br />

Traditionen. „Adventsingen“ sind<br />

beliebt und finden beim Publikum großen<br />

Anklang. Neben den schier zahlreichen Veranstaltungen<br />

in der Vorweihnachtszeit möchte<br />

die Volkskultur Niederösterreich das Niederösterreichische<br />

Adventsingen als Fixpunkt<br />

in der Adventzeit etablieren, fernab von herkömmlichen<br />

Adventkitsch.<br />

Ganz im Sinne der Initiative „Wir tragen Niederösterreich“<br />

gestaltet man das Adventsingen<br />

mit heimischen Ensembles und Chören,<br />

die aus dem reichen Liederschatz Niederösterreichs<br />

schöpfen. Neben allseits bekannten<br />

und beliebten Advent- und Weihnachtsliedern<br />

und Weisen kommen auch<br />

schon fast vergessene Melodien zur Aufführung,<br />

die den Besucher friedfertige Adventstimmung<br />

und Erholung von der alljährlichen<br />

Weihnachtshektik vermitteln. Die<br />

Mostviertler BlechMusikanten, der Chor<br />

Haag unter der Leitung von Edgar Wolf, der<br />

Familiendreigesang Knöpfl sowie die Nigl-<br />

Hoga Stubnmusi bieten mit ihrer unverfälschten<br />

Musik ein beschauliches und einzigartiges<br />

Konzerterlebnis. Für heitere,<br />

besinnliche Zwischentöne sorgt Adi Hirschal<br />

mit einer weihnachtlichen Lesung.<br />

Text: Michaela Zettl<br />

Foto: Gerald Lechner Vorweihnachtliches aus dem Liederschatz<br />

Niederösterreichs.<br />

Zur Einstimmung auf das dritte Niederösterreichische<br />

Adventsingen empfiehlt sich ein<br />

Spaziergang durch den stimmungsvollen<br />

Adventmarkt in Schloss Grafenegg. Als<br />

besonderen Bonus erhält jeder Gast mit der<br />

Konzertkarte am Konzerttag einmalig freien<br />

Eintritt zum Grafenegger Adventmarkt. /<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

NIEdERösTERREIChIsChEs<br />

advENTsINgEN BEIM<br />

gRaFENEggER advENT<br />

———————————————————<br />

Do, 6. 12. <strong>2012</strong>, und Fr, 7. 12. <strong>2012</strong>,<br />

19.00 Uhr<br />

Auditorium Grafenegg<br />

3485 Grafenegg<br />

Karten:<br />

EUR 14,00–24,00<br />

Tonkünstler-Kartenbüro:<br />

Tel. 01 586 83 83<br />

Auditorium Grafenegg<br />

Tel. 02735 5500<br />

www.grafenegg.at


hOMMagE<br />

——————————————————————<br />

Wolfgang Krammer, Johannes Rieder:<br />

Weinviertler Kellergassen<br />

EUR 19,00<br />

Edition Winkler-Hermaden<br />

ISBN 978-3-9503151-7-2<br />

www.edition-wh.at<br />

Es war an der Zeit, dass sich ein Buch dieses<br />

Themas annimmt – seit dem letzten einschlägigen<br />

Werk sind 23 (!) Jahre vergangen. Johannes<br />

Rieder, Sohn einer alteingesessenen Poysdorfer<br />

Weinhauerfamilie sammelte seit Jahren<br />

Materialien zu diesem Thema. Er ist einer der<br />

Mentoren der Kellergassenführerausbildung<br />

im Weinviertel, er hegt und pflegt mit viel<br />

Liebe und – in seiner Bescheidenheit – ohne<br />

viel darüber zu reden (bedrohte) Kleinode des<br />

Weinviertels. Einmal sind es alte Schlossbleche<br />

Weinviertler Kellertüren, die er zu Edelsouvenirs<br />

macht; dann ist es die Vielfalt der Welt<br />

Hintaus, die er dem Vergessen entreißt. Wolfgang<br />

Krammer wiederum, der schon 2006<br />

einen Bildband über das Weinviertel gemacht<br />

hat, zeigt uns die Bildwelt der Kellergassen<br />

in ihrer bunten Vielfalt. Manchmal sind es<br />

die typischen Bilder der langen Zeilen weiß<br />

getünchter Presshäuser, die man als inoffizielle<br />

Wahrzeichen der <strong>Region</strong> kennt, dann sind<br />

es wiederum Details archaischer Architektur<br />

wie kleine Fenster oder gekalkte Wände in<br />

Detailaufnahmen, wie man sie auch im mediterranen<br />

Raum findet. Kurzum, die Kellergassen<br />

haben ein ideales Autorenduo gefunden,<br />

die sich voll Sachkenntnis und vor allem mit<br />

viel Liebe dem Thema mit einem sehr breiten<br />

Ansatz widmen. Es werden hier nicht nur<br />

Kellergassen im eigentlichen Sinn, sondern in<br />

Bücher, CDs & feine Ware / 36<br />

ausLagE<br />

insgesamt 15 Kapiteln auch alle damit verbundenen<br />

Aspekte beschrieben. Seien es Hohlwege,<br />

der Lehm, die Schlossbleche, die Entwicklung<br />

der Weinpressen, die Welt des Hintaus<br />

oder schlussendlich ein Glossar. Das Buch<br />

mit einem Vorwort von Alfred Komarek und<br />

einem umfangreichen Literaturverzeichnis<br />

erfüllt alle Voraussetzungen für ein Standardwerk<br />

zum Verständnis der <strong>Kultur</strong> der Weinviertler<br />

Bevölkerung. Bei aller Einzigartigkeit<br />

der Kellergassen, die im Weinviertel und<br />

den Weinviertlern derart selbstverständlich<br />

sind, dass es keine genauen Daten zu deren<br />

Entstehung gibt, besteht im Anbetracht des<br />

Wandels im Weinbau und der Entdeckung der<br />

<strong>Region</strong> durch Touristiker die Gefahr, dass sie<br />

als „nostalgisch bespieltes Freilichtmuseum“<br />

(Zitat: Komarek) missinterpretiert werden.<br />

Möge dieses Buch die dafür nötige Sensibilität<br />

wecken, derartige Tendenzen verhindern!<br />

(Thomas Hofmann) /<br />

FaMILIENgEsChIChTE<br />

——————————————————————<br />

Bertl Sonnleitner: Die Schütt.<br />

Eine Familiengeschichte aus dem Ybbstal<br />

EUR 22,90<br />

FeRRUM Ybbsitz<br />

ISBN 3-901819-42-8<br />

Im Jahr 1880, als der Niedergang der Kleineisenindustrie<br />

im Ybbs- und Erlauftal seinen<br />

Höhepunkt erreicht, erwirbt der aus Böhmen<br />

zugewanderte Carl Smrczka das zwischen<br />

Ybbsitz und Waidhofen an der Ybbs gelegene<br />

Haus „Schütt“. Er übernimmt ein aufgelassenes<br />

Walzwerk und nützt die vorhandene<br />

Wasserkraft und den Wald und erzeugt<br />

anstelle der bisherigen Ware Holzstoff für die<br />

Papierindustrie. Eine vornehme Gesellschaft,<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

großbürgerlich, städtisch-elegant, belebt das<br />

alte Herrenhaus. Doch die Blüte um 1900<br />

hielt nicht lange an, bald ist alles wieder im<br />

Wandel begriffen. Der biografisch-dokumentarische<br />

Roman erzählt von persönlichen<br />

Schicksalen, von einer Welt, die es nur noch<br />

in alten Briefen, Tagebüchern und privaten<br />

Aufzeichnungen gibt. In zehn Kapiteln und<br />

zahlreichen Abbildungen wird eine Familiengeschichte<br />

lebendig, die einst weit über Europa<br />

vernetzt war und im Ybbstal ihre Heimat<br />

gehabt hat. /<br />

EINFaCh gLüCKLICh<br />

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Sepp Forcher:<br />

Einfach glücklich<br />

EUR 19,90<br />

Verlag Christian Brandstätter<br />

ISBN 978-3-85033-600-0<br />

www.cbv.at<br />

Einfach anders als andere Glücklich-Ratgeber.<br />

Das Geschriebene ist nicht austauschbar,<br />

sondern der Erfahrungsschatz entlang biografischer<br />

Stationen. Mit über 80 Jahren ist Sepp<br />

Forcher nicht nur der populärste Repräsentant<br />

echter Volkskultur in Österreich, sondern<br />

vor allem ein Mensch mit einem so reichen<br />

Erfahrungsschatz, dass es an der Zeit ist, bei<br />

ihm in die Lehre zu gehen: Wie wird man ein<br />

glücklicher Mensch? Als Kind armer Auswanderer<br />

aus Südtirol schaffte es der Bergführer<br />

und Hüttenwirt zum gefeierten Fernsehstar<br />

und Publikumsliebling – destilliert er jene<br />

Lebensmomente und Begegnungen, jene<br />

Erfahrungen und Erkenntnisse heraus, die für<br />

ihn die Quintessenz eines geglückten Lebens<br />

ausmachen. Dabei vergleicht er seine eigenen<br />

Erlebnisse mit der Erfahrungswelt heutiger<br />

Kinder, ohne dabei jemals in die „Gute-alte-<br />

Zeit-Falle“ zu tappen. /


TaNZLMusIg<br />

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Referat Volksmusik:<br />

Südtiroler Notenbiachl 3<br />

EUR 15,00<br />

Erhältlich beim Institut für Musikerziehung<br />

in deutscher und ladinischer Sprache<br />

www.musikinstitut.it/referat-volksmusik<br />

Das dritte Südtiroler Notenbiachl bietet insgesamt<br />

19 neu entstandene Stücke in der Besetzung<br />

für Tanzlmusig (Klarinette, Flügelhorn/<br />

Trompete, Posaune, Tuba). Die Noten sind in<br />

Einzelstimmen sowie in Partitur abgedruckt.<br />

Zu den Komponisten gehören Georg Hasler,<br />

Franz Kofler, Gernot Niederfriniger, Alex Pallaoro,<br />

Florin Pallhuber, Hubert Plunger, Rober<br />

Schwärzer, Franz Seebacher und Oswald Vigl<br />

– allesamt Musikanten aus Südtirol mit Leib<br />

und Seele. Mit einem eingängigen Repertoire,<br />

das Polkas, Walzer, Märsche, Boarische, Landler<br />

und Walzer beinhaltet, findet gewiss jede<br />

Form der Tanzlmusik in diesem Heft Geeignetes<br />

zum Musizieren. /<br />

FEuRIg<br />

——————————————————————<br />

Georg Breinschmid: Fire<br />

EUR 18,80<br />

Preiser Records<br />

www.preiserrecords.at<br />

Georg Breinschmid wechselte von der klassischen<br />

Musik zum Jazz und Artverwandten<br />

Bücher, CDs & feine Ware / 37<br />

und tritt im Trio als „Brein’s Café“ mit<br />

Roman Janoska und František Janoska oder<br />

im Duo mit Thomas Gansch auf. So auch auf<br />

seiner neuen CD. Polka, Walzer, Musette,<br />

Wienerlied, Csárdás, Samba, Gstanzln, Jazz<br />

und Improvisationskultur prägen das neue<br />

Album. Musikintensiv und sprachverliebt<br />

galoppiert Breinschmid mit seinen Compañeros<br />

durch ein Feuerwerk an originalen wie<br />

originellen Gesangsstücken und Melodien,<br />

Marke Weltniveau. Georg Breinschmid zählt<br />

nicht umsonst längst zu den Top-Bassisten –<br />

„Fire“ ist sein nächstes Meisterwerk. /<br />

sEMMERINg<br />

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Alfred Komarek:<br />

Österreich von Innen – Semmering<br />

EUR 17,90<br />

Haymon Verlag<br />

ISBN 978-3-7099-7001-0<br />

www.haymonverlag.at<br />

Stellen wir uns das so vor. Alfred Komarek<br />

fragt – ins Zugabteil kommend –, ob noch<br />

Platz sei? Es ist. Sanft verstrickt er uns in<br />

ein Gespräch. Kommentiert die vorbeiziehende<br />

Landschaft, die mit Addlitzgräben und<br />

Krausel-Klause an Dramatik gewinnt. Weiß<br />

von jedem Stein zu berichten. Er verführt uns,<br />

am Semmering auszusteigen, und lädt zu<br />

einem Glas Tee ins Panhans ein. Findet eine<br />

immer größere Zahl an Zuhörern und Zuhörerinnen,<br />

die ihm von Villa zu Villa folgen. Sind<br />

da nicht Peter Altenberg und Olga Waissnix,<br />

die Herrin des Thalhofs in Reichenau? Dort<br />

der Portier des Hotels Erzherzog Johann und<br />

das Fräulein Else? Er steigt mit uns verbotenerweise<br />

durch den löchrigen Zaun ins Südbahnhotel<br />

ein. Er führt uns durch eine vergilbte<br />

Zeit, die schön und bedrohlich am<br />

Abgrund balanciert. Den Tag beschließen wir<br />

vor dem Kamin im Loos-Haus am Kreuzberg.<br />

Alfred Komarek will uns Österreich von innen<br />

zeigen. „Semmering“ ist der erste Band. Wir<br />

freuen uns auf weitere. (MW) /<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

KNOPFsChMuCK<br />

——————————————————————<br />

Die letzte Perlmuttdrechslerei des Landes ist<br />

im Thayatal zu finden. In Felling bei Hardegg<br />

werden im Familienbetrieb Marchart Knöpfe<br />

und für die zahlreich anreisende Buskundschaft<br />

auch immer mehr Perlmuttschmuck<br />

hergestellt.<br />

Kam das Perlmutt des 1911 gegründeten<br />

Betriebs einst aus den Schalen der Muscheln,<br />

die aus den Flüssen Thaya und March geholt<br />

wurden, so werden seit den 1950er Jahren<br />

Muscheln aus dem südchinesischen Meer<br />

verarbeitet. Erfreulicherweise haben die Flussmuscheln<br />

im letzten Jahrzehnten wieder ihren<br />

Lebensraum zurückerobert und sind auf den<br />

Sandbänken der Thaya anzutreffen.<br />

Die Knöpfe werden mit einem Diamantbohrer<br />

aus der Muschel gebohrt. Um ihren zarten<br />

und matten Schimmer zu bekommen, werden<br />

sie anschließend in eine rotierende Trommel<br />

gelegt, in der kleine Holzwürfel den Perlmuttknopf<br />

polieren. Je nach Fasson haben sie zwei<br />

oder vier Löcher, sind flach oder haben einen<br />

Wulst am Rand, sind rund, oval oder eckig.<br />

Alte Sortiment-Bücher der Fellinger Perlmuttdrechslerei<br />

zeigen die große Vielfalt eines<br />

kleinen Alltagsgegenstandes.<br />

Dass Knöpfe nicht nur die Funktion des<br />

Schließens haben, zeigen Ketten aus Perlmuttknöpfen.<br />

Sie schmücken durchaus.<br />

www.perlmutt.at<br />

Galerie der <strong>Region</strong>en<br />

Mo–Mi, Fr 14.30–18.00 Uhr<br />

Do 14.30–19.00 Uhr<br />

Sa 10.00–12.00 und 13.00–17.00 Uhr<br />

sowie bei Abendveranstaltungen<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Tel. 02732 85015 15<br />

www.volkskultureuropa.org/galerie


daTENsChuTZ –<br />

RIChTIgER uMgaNg MIT daTEN<br />

——————————————————————<br />

Do, 8. 11. <strong>2012</strong>, 18.00–21.00 Uhr<br />

Hotel Römerhof<br />

3430 Tulln, Hafenstraße 3<br />

Referent: RA MMag. Dr. Albrecht Haller<br />

Das Verhältnis vieler Menschen zum Thema<br />

Datenschutz ist paradox: Während einerseits<br />

die Sensibilität zunimmt, werden andererseits<br />

personenbezogene Daten häufig leichtfertig<br />

und sorglos preisgegeben. Vor allem bei der<br />

Weitergabe von Daten Dritter ist es wichtig,<br />

die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu<br />

kennen. Das Seminar bietet zunächst einen<br />

Überblick über das geltende Datenschutzrecht,<br />

wobei es natürlich auch um aktuelle Phänomene<br />

wie Handy-Ortung, Identitätsdiebstahl,<br />

Profilbildung, Social Networking und Videoüberwachung<br />

gehen wird. Im zweiten Teil<br />

werden aus einer Besprechung von Fällen<br />

rund um das Thema Adressaten Verhaltensmaßregeln<br />

und Handlungsempfehlungen für<br />

die Praxis abgeleitet.<br />

Information & Anmeldung<br />

<strong>Kultur</strong>vernetzung NÖ – Büro Industrieviertel<br />

Tel. 02639 2552 (Stephanie Fülöp)<br />

seminaranmeldung@kulturvernetzung.at<br />

www.kulturvernetzung.at<br />

<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / 38<br />

FORTBILduNg<br />

uMIdRahT –<br />

vOLKsTaNZEN FüR jEdERMaNN<br />

——————————————————————<br />

Sa, 17. 11. <strong>2012</strong>, ab 19.00 Uhr<br />

Gasthaus Kerschbaumer<br />

3340 Waidhofen/Ybbs<br />

Unterzeller Straße 85 (Böhlerwerk)<br />

Tanzmeister: Franz Huber<br />

Eingeladen sind alle tanzlustigen Singles und<br />

Paare mit Interesse an traditionellen Volkstänzen.<br />

Vom Anfänger bis zum Profi ist jeder<br />

herzlich willkommen! Volkstanz im Wirtshaus<br />

bereitet allen Tanzbegeisterten große Freude.<br />

In entspannter Atmosphäre und mit viel Spaß<br />

tanzen die Besucher zu traditioneller Volksmusik.<br />

Tanzmeister Franz Huber vom Tanzforum<br />

Niederösterreich vermittelt kurz und<br />

anschaulich überlieferte Figurentänze, Polka,<br />

Walzer und Boarische. Die Nigloa Ziachmusi<br />

unter der Leitung von Johannes Lagler wird<br />

für schwungvolle Musik sorgen.<br />

Information & Anmeldung<br />

Volkskultur Niederösterreich<br />

Tel. 0664 8208594 (Claudia Lueger)<br />

www.volkskulturnoe.at<br />

Verein Stadt.Land.Leben<br />

Tel. 0664 5302498 (Antonia Lagler)<br />

www.stadtlandleben.at<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

TONTRägER PROduZIEREN –<br />

aBER RIChTIg<br />

——————————————————————<br />

Mi, 28. 11. <strong>2012</strong>, 18.00–21.00 Uhr<br />

Haus der <strong>Region</strong>en<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Leitung: Mag. Dr. Peter Gretzel MAS,<br />

Mag. Eva Zeindl<br />

Einen Tonträger mit Qualität zu produzieren,<br />

erfordert vielfältiges Know-how. Nach<br />

der Auswahl der Stücke sind Urheberrechte<br />

zu beachten; falls es sich um Bearbeitungen<br />

handelt, muss der Rechteinhaber der Bearbeitung<br />

zustimmen. Während beim Auftritt<br />

auf der Bühne durch die Präsenz der Musiker<br />

so mancher Fehler verziehen wird, deckt die<br />

Aufnahme die kleinsten Schwächen auf. Und<br />

ein informatives Booklet, das sowohl über die<br />

Stücke als auch die Werkschaffenden Auskunft<br />

gibt, hat zusätzlichen Mehrwert. Ein<br />

Überblick über Repertoire, Quellenrecherche<br />

und Produktion wird gegeben.<br />

Information & Anmeldung<br />

<strong>Kultur</strong>vernetzung NÖ – Büro Industrieviertel<br />

Tel. 02639 2552 (Stephanie Fülöp)<br />

seminaranmeldung@kulturvernetzung.at<br />

www.kulturvernetzung.at<br />

KuNsTvERMITTLuNg<br />

——————————————————————<br />

Fr, 30. 11., u. Sa, 1. 12. <strong>2012</strong>, 9.00–17.00 Uhr<br />

ESSL MUSEUM – Kunst der Gegenwart<br />

3400 Klosterneuburg, An der Donau-Au 1<br />

Referenten: Mag. Andreas Hoffer & Team<br />

Ein Workshop in der aktuellen Ausstellung<br />

„New.New York“ des ESSL MUSEUM, Kennenlernen<br />

eines Vermittlungsangebots dieser<br />

Schau mit junger zeitgenössischer Kunst sowie<br />

eine Einführung zu Methoden in der Kunstvermittlung.<br />

Information & Anmeldung<br />

Museumsmanagement Niederösterreich<br />

Haus der <strong>Region</strong>en<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Tel. 02732 73999, Fax 02732 73999 33<br />

museen@volkskulturnoe.at<br />

www.noemuseen.at


haNds-ON, MINds-ON –<br />

INTERaKTIvE aKTIONEN<br />

——————————————————————<br />

Fr, 7., und Sa, 8. 12. <strong>2012</strong>, 9.00–17.00 Uhr<br />

Haus der <strong>Region</strong>en<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Referentin: Mag. DI(FH) Martina Schönherr<br />

Museen werden zunehmend zu Orten, an<br />

denen ausprobiert, kommuniziert und experimentiert<br />

wird. So genannte Hands-on- und<br />

Minds-on-Stationen bereiten Inhalte disziplinübergreifend<br />

auf, laden zu aktiver Beteiligung<br />

ein und ermöglichen einen selbständigen<br />

Erkenntnisprozess. Die vielfältigen Möglichkeiten,<br />

museale Inhalte interaktiv zu präsentieren,<br />

sollen anhand zahlreicher Beispiele im<br />

Workshop vergegenwärtigt werden.<br />

Information & Anmeldung<br />

Museumsmanagement Niederösterreich<br />

Haus der <strong>Region</strong>en<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Tel. 02732 73999, museen@volkskulturnoe.at<br />

www.noemuseen.at<br />

MusEuMsPädagOgIK<br />

——————————————————————<br />

Fr, 18., und Sa, 19. 1. 2013, 9.00–17.00 Uhr<br />

Kunsthalle Krems<br />

3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3<br />

Referentin: OStR. Prof. Mag. Magda Krön<br />

Die klassische Führung und wie sie gelingt,<br />

eine Ausarbeitung einer Kurzführung oder<br />

eines Jugendprojekts im Team sowie ein Rollenspiel<br />

in Kleingruppen werden Schwerpunkte<br />

des Seminars sein. Magda Krön war sowohl<br />

konzeptionell als auch in der Ausarbeitung<br />

von museumspädagogischen Vermittlungsprogrammen<br />

an mehreren Landesausstellungen<br />

tätig und kann auf lang jährige Erfahrung mit<br />

pädagogischen Vermittlungsmethoden zurückblicken.<br />

Information & Anmeldung<br />

Museumsmanagement Niederösterreich<br />

Haus der <strong>Region</strong>en<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Tel. 02732 73999, museen@volkskulturnoe.at<br />

www.noemuseen.at<br />

<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / 39<br />

Vortrag<br />

MaCh<br />

EIN PROjEKT!<br />

Über erfolgreiche EU-Projekte, die Wichtigkeit von Kooperationen<br />

mit Projektpartnern und Projektentwicklung.<br />

Mag.phil. Leonie Hodkevitch<br />

Das Herzstück eines erfolgreichen EU-Projekts<br />

ist eine funktionierende Zusammenarbeit<br />

zwischen den Projektpartnern. Wie entwerfen<br />

wir ein EU-Projekt, erfüllen die Forderung<br />

nach dem transnationalen Ansatz,<br />

erarbeiten mit den Partnern gemeinsame<br />

Arbeitspakete und steuern die Kommunikation?<br />

Zentrales Thema des Vortrags ist das<br />

Wie: Wie plane ich ein Projekt, wie ziehe ich<br />

es auf, damit es funktionieren wird?<br />

Im Vortrag „Das erfolgreiche EU-Projekt“<br />

bietet Mag. phil. Leonie Hodkevitch Impulse<br />

zu diesen Themen. Leonie Hodkevitch ist<br />

Autorin, freie Journalistin und <strong>Kultur</strong>produzentin.<br />

Sie unterrichtet <strong>Kultur</strong>management<br />

und Interkulturelle Kompetenz an den Universitäten<br />

Wien, Hamburg und den Hochschulen<br />

für Musik und darstellende Kunst<br />

in Belgrad und Tallinn. Sie ist Mentorin<br />

bei departure und der Wirtschaftskammer<br />

Österreich und Mitglied der Expertenjury für<br />

das <strong>Kultur</strong>programm bei der Education,<br />

Audiovisual and Culture Executive Agency<br />

der Europäischen Kommission. /<br />

das ERFOLgREIChE<br />

Eu-PROjEKT<br />

———————————————————<br />

Do, 29. 11. <strong>2012</strong>, 18.00 Uhr<br />

Haus der <strong>Region</strong>en, Festsaal<br />

3504 Krems-Stein, Donaulände 56<br />

Referentin: Mag. phil. Leonie Hodkevitch<br />

Öffentlich zugänglicher Vortrag aus der<br />

Reihe „Weiterbildung <strong>Kultur</strong>vermittlung“<br />

www.noemuseen.at


Ausstellung / 40<br />

Da gab es noch schwere Geräte aus Bakelit, Wählscheiben, die surrten, und Hörer, die zwischen Schulter und Nacken eingeklemmt werden konnten:<br />

Telefone aus dem Zeitraum 1925–1995.<br />

Das Stadtmuseum Traiskirchen zeigt im heurigen<br />

Jahr eine Sonderausstellung über die<br />

Entwicklung der Telefonapparate und der<br />

Telefontechnik ab 1880. Auch wird auf die<br />

Bedeutung des Telefons im Leben der Menschen<br />

eingegangen und auf die historischen<br />

Meilensteine aufmerksam gemacht.<br />

Das Spektrum umfasst Hausapparate mit<br />

Gleichstromtechnik, Linienwählapparate,<br />

Vermittlungsstellen, Apparate mit Orts- und<br />

Zentralbatterie und einige Sonderformen.<br />

Eine anschauliche Präsentation mit einem<br />

Telefon<br />

dER FERNTöNER<br />

Die Geschichte des Telefons – vom Fräulein vom Amt bis zum Handy –<br />

in der Sonderausstellung des Stadtmuseums Traiskirchen.<br />

„alten Telefonhüttl“, einem „Fräulein vom<br />

Amt“ und einige Experimentiermodelle lassen<br />

den Besuch zu einem informativen Erlebnis<br />

werden. Einige der Ausstellungsstücke<br />

sind betriebsfähig zusammengeschaltet und<br />

vermitteln so die Funktionsweise der elektromechanischenTelekommunikationseinrichtungen<br />

vergangener Tage.<br />

Mehrere Väter<br />

Der Wunsch, mit anderen Menschen, auch<br />

wenn sie Kilometer weit entfernt sind, zu<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

sprechen, bestand schon lange. Daher galt es<br />

eine Möglichkeit zu finden, mit der die<br />

menschliche Sprache direkt übertragen werden<br />

konnte. Und so entstand die Idee des<br />

Telefons. Allerdings gab es nicht einen einzelnen<br />

Erfinder, sondern wie so oft hatte auch<br />

diese Einrichtung mehrere Väter, bis es als<br />

einwandfrei funktionierendes Nachrichtenmittel<br />

in unseren Alltag einziehen konnte.<br />

Aus dem deutschsprachigen Bereich wird<br />

gerne Johann Philipp Reis (1834–1874) als<br />

wichtiger Wegbereiter genannt. Vor rund 150<br />

Jahren gelang es ihm erstmals, „Töne aller Art


Mit solchen Apparaten nahm man Kontakt mit ...<br />

durch elektrischen Strom zu reproduzieren“.<br />

Dabei wurde der seltsame Satz „Das Pferd<br />

frisst keinen Gurkensalat“ gesprochen. Bei<br />

einer Vorführung sollte es dem Publikum das<br />

Funktionieren der Erfindung demonstrieren.<br />

Nach weiteren Verbesserungen wurde der<br />

„Ferntöner“ 1863 König Max II. von Bayern<br />

und Kaiser Franz Joseph I. vorgeführt, von<br />

den Beratern der Regenten allerdings als<br />

„physikalische Kuriosität ohne wirtschaftlichen<br />

Wert“ qualifiziert. Philipp Reis erlebte<br />

den Siegeszug der Telefonie nicht.<br />

Bell’scher Sprechtelegraph<br />

Am 14. Februar 1876 meldete der in Boston<br />

lebende Taubstummenlehrer Graham Bell<br />

ein von ihm entworfenes „Telephon“ zum<br />

Patent an. Bei der im gleichen Jahr stattfindenden<br />

Weltausstellung in Philadelphia,<br />

Pennsylvania, zählte der mittlerweile funktionstüchtige<br />

„Bell’sche Sprechtelegraph“ zu<br />

den Attraktionen. Schon am 9. Oktober 1876<br />

wurde das erste Ferngespräch der Welt auf<br />

einer zwei englische Meilen langen Telegraphenleitung<br />

zwischen Boston und Cambridge,<br />

Massachusetts, USA, geführt. Ein<br />

Bell’scher Handapparat des Jahres 1878 ist das<br />

älteste Ausstellungstück dieser Sonderausstellung.<br />

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang<br />

der Umstand, dass die Geräte<br />

ursprünglich nicht als Massenkommunikationsmittel,<br />

sondern als Hörhilfe für Gehörschwache<br />

erdacht und entwickelt wurden.<br />

Dieser Intention entsprechend wird in der<br />

Ausstellung Rechnung getragen. Auch ein<br />

Handapparat mit Transistorverstärker und<br />

ein Schreibtelefon sind ausgestellt.<br />

Ausstellung / 41<br />

... dem Fräulein vom Amt auf. Die Geschichte des Telefons in Traiskirchen.<br />

Themenschwerpunkt dieser Ausstellung sind<br />

zwar Fernsprechapparate, aber auch Münzfernsprecher<br />

und Vermittlungseinrichtungen.<br />

Es werden händische und auch automatische<br />

gezeigt. Die bewegliche Telefonie findet<br />

Raum, vom „Autotelefon“ über ein<br />

schweres Handfunkgerät bis zu den ersten<br />

„Handys“ aus der jüngeren Vergangenheit.<br />

Vom telegramm …<br />

Vor der Sprachübertragung mittels elektrischen<br />

Stromes über Leitungen stand die<br />

Telegraphie. Dabei wurde ein Stromkreis<br />

nach vereinbarter Weise geschlossen oder<br />

unterbrochen. Die solchermaßen übermittelte<br />

Information konnte einen Buchstaben,<br />

ein Zeichen oder ein Wortgefüge bedeuten.<br />

Entscheidender Nachteil dieser Kommunikationsart<br />

allerdings ist der Umstand, dass<br />

die Anwender an der Sende- bzw. Empfangsstation<br />

eigens geschult sein müssen. Das<br />

Klackern des Telegraphen kennen wir nun<br />

nur mehr aus den Filmen. Erheblich mehr<br />

technischen Aufwand, dafür aber eine einfache<br />

Handhabung und leichte Bedienbarkeit<br />

war das Kennzeichen der Fernschreibmaschinen<br />

und des Telex-Dienstes (TELetype<br />

EXchange), da auch bei Abwesenheit<br />

eines verlangten Teilnehmers Fernschreiben<br />

übermittelt werden konnten<br />

… bis online<br />

Mit dem Medium Bildschirmtext (BTX), in<br />

Österreich eingeführt im Juni 1982, wurden<br />

die ursprünglich eigenständigen Entwicklungen<br />

Fernsprecher, Fernschreiben, elektronische<br />

Datenverarbeitung und Fernsehen<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

zur einer gemeinsamen Anwendung verschmolzen.<br />

Dabei wurde zunächst das weit<br />

verbreitete Fernsehgerät zum Datensichtgerät<br />

umfunktioniert und mittels einer elektronischen<br />

Zusatzeinrichtung über die Telefonleitung<br />

mit einem zentralen Rechner verbunden.<br />

In Österreich wurde dazu als Endgerät<br />

MUPID (Mehrzweck Universell Programmierbarer<br />

Intelligenter Decoder) entwickelt.<br />

Der Übertragungsstandard erlaubte<br />

neben der Übermittlung von Texten auch die<br />

Übermittlung von auf Blockgrafik basierenden<br />

Bildern. Durch die fortschreitende<br />

Verbreitung von immer komplexeren Personal-Computern<br />

wurde die Decoderfunktion<br />

der Bildschirmtextgeräte zunehmend durch<br />

Software-Anwendungen, beispielsweise Decodix<br />

und Suxxess, ersetzt. 1996 wurden die<br />

BTX-Teilnehmer von der (damaligen) Telekom<br />

Austria AG auf den neu geschaffenen<br />

Internetdienst A-Online umgestellt. /<br />

Text: Karin Weber-Rektorik<br />

Fotos: Stadtmuseum Traiskirchen<br />

das PFERd FRIssT KEINEN<br />

guRKENsaLaT<br />

———————————————————<br />

Öffnungszeiten: jeden So und Fei,<br />

8.30–12.30 Uhr und n. V.<br />

Stadtmuseum Traiskirchen<br />

2514 Traiskirchen, Wolfstraße 18<br />

Tel. 02252 508521-10 (<strong>Kultur</strong>amt) oder<br />

0664 2024197 (Karin Weber-Rektorik)<br />

www.stadtmuseum-traiskirchen.at


Österreichische Bernsteinstraße / 42<br />

1. Reihe: LA Mag. Kurt Hackl, Kimmo Grabherr, Matthias Gadinger, Ing. Rainer Elsinger, Obmann Bgm. Herbert Nowohradsky, DI Hannes Wolf, Chris Heller;<br />

2. Reihe: Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Doris Grundei, Ulrike Wraneschitz, Dr. Walpurga Antl-Weiser, Susanne Ertl, Bernadette Böhm-Antony, Susanne Bauer, Andrea<br />

Sommer, Elisabeth Schiller, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Mag. Maria Kranzl, Bettina Lang; 3. Reihe: Bgm. Johann Panzer, Fam. Bauer, Mag. Arnold Oberacher,<br />

Gottfried Erger, Hans Huysza, Walter Lauer, Marcus Linford, Mag. Günter Fuhrmann, Mag. Wolfgang Galler, DI Hannes Weitschacher, Bgm. Helmut Brandtner.<br />

Das Ziel des Projekts Bernsteinstraße ist es,<br />

den alten Handelsweg zwischen Ostsee und<br />

Mittelmeer wieder zu beleben und die kulturellen<br />

und touristischen Angebote im Weinviertel<br />

zu vernetzen.<br />

Durch die Unterstützung des Weinviertel<br />

Tourismus, der Volkskultur Niederösterreich<br />

und LEADER-<strong>Region</strong> Weinviertel Ost konnte<br />

ein weiteres Förderprojekt mit den Inhalten<br />

Attraktivierung der Bernsteinstraßen-Mitglieder-Standorte,<br />

stärkere Bezugnahme zur<br />

Museumsnetzwerk<br />

uNTERWEgs<br />

MIT BETTy BERNsTEIN<br />

Der Verein „Die österreichische Bernsteinstraße“ präsentierte die Arbeit der letzten Jahre und rüstet sich<br />

für das Landesausstellungsjahr 2013 im Weinviertel. Wichtiger Punkt: „Betty Bernstein“ für Familien.<br />

historischen Bernsteinstraße sowie Ausrichtung<br />

auf Familienprogramm eingereicht werden.<br />

Dieses von der EU geförderte LEADER-<br />

Projekt wurde von 2011 bis 2013 genehmigt<br />

und läuft nun in die Endphase. Die Schlusspräsentation<br />

des touristischen Beratungsprojektes<br />

fand am 25. September <strong>2012</strong> im Museumsdorf<br />

Niedersulz statt.<br />

Die Mitglieder der Bernsteinstraße blicken<br />

auf eine erfolgreiche Saison zurück. Besonders<br />

gut angenommen wurde das Angebot<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

„Kindergeburtstag feiern im Museum“ sowie<br />

direkt mit den Mitglieder-Museen vereinbarte<br />

Kinder- und Schulgruppenführungen.<br />

Betty on tour<br />

Dieses Jahr war die „mobile Einsatztruppe<br />

Betty Bernstein“ – ein Team aus zehn<br />

deutsch-, tschechisch- und englischsprachigen<br />

Museumspädagogen – direkt bei der<br />

Zielgruppe im Einsatz. Bei Festen bzw. Motto-Tagen<br />

in der Therme Laa, im Tiergarten


Fotografin in Aktion – Fotoshooting für Betty<br />

Bernstein auf Schloss Poysbrunn<br />

Schönbrunn, beim Römerfest Carnuntum,<br />

beim Kelten- und Hunnenfest etc. konnten<br />

ca. 7.500 Interessierte beim interaktiven Kinderprogramm<br />

mit Betty Bernstein begrüßt<br />

werden.<br />

„Halber Tag – ganzes Vergnügen“ – unter<br />

diesem Titel wurde dieses Jahr erstmals das<br />

Angebot für Schul- und Kindergruppen<br />

beworben. Ergebnis: 24 Schulgruppen mit ca.<br />

1.000 Schülern besuchten im Rahmen eines<br />

Schulausfluges unsere Mitglieder-Museen.<br />

Auch in den virtuellen Netzen ist Betty Bernstein<br />

zu finden und auf facebook aktiv.<br />

history4u<br />

Erstmals fand in Kooperation mit der Volkshochschule<br />

Mistelbach ein viertägiger Workshop<br />

in den Sommerferien mit dem Titel<br />

„Betty Bernstein-Kindermusical-Workshop“<br />

statt. Überrascht hat uns die Anmeldezahl:<br />

44 Kinder. In drei Gruppen geteilt, wurden<br />

die Kinder und Jugendlichen von den Konservatoriums-Absolventinnen<br />

und regional<br />

bekannten Musical-Darstellerinnen Lisi Heller<br />

und Andrea Frohn in den vier Tagen zu<br />

Höchstleistungen angespornt.<br />

Im Zuge des Pilotprojektes wurde von Gottfried<br />

Erger (Weinstadtmuseum Poysdorf)<br />

die Geschichte des Weinviertels, im Unterrichtsfach<br />

Heimatkunde bzw. Geschichte in<br />

sechs Schulen im Weinviertel altersstufengerecht<br />

aufbereitet. Bei „history4U“ konnten<br />

die Schüler hautnah Zeugen der Vergangenheit<br />

(Mammutzähne, Knochen, Meteoriten<br />

und mehr) erleben. Geschichte zum Angreifen<br />

also! Die Nachfrage nach einem derartig<br />

Österreichische Bernsteinstraße / 43<br />

Interaktives Kinderprogramm bei Römer- und<br />

Keltenfesten.<br />

lebendigen Geschichtsunterricht ist entsprechend<br />

groß.<br />

landesausstellung 2013<br />

Im Schloss Wolkersdorf wird parallel zur<br />

Landesausstellung 2013 das Thema „Straßengeschichte(n)<br />

– Handelswege quer durch<br />

Europa und mitten durchs Weinviertel“ präsentiert.<br />

Mit dem Kurator Mag. Wolfgang<br />

Galler wird bezüglich der Präsentation der<br />

Bernsteinstraße intensiv zusammengearbeitet.<br />

Ein Projekt der Winzer ist der Bernsteinwein.<br />

Die Marchweingärtner – eine Kooperation<br />

mit zwölf Winzern entlang der March –<br />

haben sich zum Ziel gesetzt, einen „Bernsteinwein“<br />

zu kreieren. Die Marke ist inzwischen<br />

rechtlich geschützt. Die Präsentation<br />

ist für April 2013 im Rahmen einer großen<br />

Veranstaltung geplant.<br />

Bernsteinkonferenz & -ausstellung<br />

Die Geschäftsführerin Elisabeth Schiller<br />

nahm Ende Juni <strong>2012</strong> auf einer internationalen<br />

Konferenz mit dem Titel „Past – Present<br />

– Future – Cooperation along the Historical<br />

Amber Route“ in Vilnius teil. Eine Deklaration<br />

zur zukünftigen internationalen Zusammenarbeit<br />

wird im Oktober vom Obmann<br />

der Bernsteinstraße, Bürgermeister Herbert<br />

Nowohradsky, unterschrieben.<br />

Im April 2013 soll die Ausstellung „Bernsteinstraße“<br />

auf Schloss Halbturn im Burgenland<br />

eröffnet werden. Der Verein „Die Österreichische<br />

Bernsteinstraße“ hat mit Kontak-<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

ten, Literaturlisten, Film- und CD-Material<br />

dieses Vorhaben unterstützt. Schloss Halbturn<br />

hat Interesse an der Fotoausstellung „Die<br />

Wieder-Entdeckung der Bernsteinstraße“<br />

von Markus Zohner signalisiert.<br />

touristische Beratung<br />

Zwölf der 32 Mitglieder des Netzwerkes nahmen<br />

eine intensive Einzelberatung vor Ort in<br />

Anspruch. Sie erhielten einen detaillierten<br />

Plan, ihr Museum bzw. Ausstellung attraktiver<br />

und serviceorientiert zu gestalten.<br />

Ergebnis ist, dass in Zukunft bei (fast) allen<br />

Mitgliedern der Besucher mit dem „Willkommensbrief<br />

von Betty Bernstein“ das Museum<br />

auf eigene Faust entdecken kann. Es wird<br />

Objekte und Ausstellungstafeln geben, die<br />

einen Bezug zur historischen Bernsteinstraße<br />

herstellen, bis hin zum „Lieblingsplatz von<br />

Betty“, einem eigenen Sitzmöbel für Kinder.<br />

Denn wo „Betty Bernstein“ draufsteht, soll<br />

auch in Zukunft „Betty Bernstein“ drin sein.<br />

Wobei die Zielgruppe Familien sind. Kinder<br />

sollen mithilfe des Willkommensbriefs, dessen<br />

Rückseite ein Orientierungsplan ist, als<br />

Fremdenführer agieren.<br />

Die sichtbarste Veränderung nach außen ist<br />

die Umgestaltung der überregional bekannten<br />

Marke „Betty Bernstein“. Da die Zielgruppe<br />

des Kinderprogramms zwischen fünf und<br />

zehn Jahren liegt, wird die „alte“ Betty Bernstein,<br />

die Kleinkinder anspricht, umgezeichnet.<br />

Neu ab 2013: Neben dem Hauptwerbemittel<br />

„Unterwegs mit Betty Bernstein“, einer<br />

Faltkarte für Familien und Kinder, wird es<br />

extra für die ca. 150 <strong>Region</strong>spartner der Landesausstellung<br />

2013 das Rätselheft Betty<br />

Bernstein geben. Bei den Mitglieder-Museen<br />

wird erstmals das „Märchenbuch Betty<br />

Bernstein“ aufliegen und zu erstehen sein. /<br />

Text: Elisabeth Schiller<br />

Fotos: z.V.g.<br />

dIE ösTERREIChIsChE<br />

BERNsTEINsTRassE<br />

———————————————————<br />

Tel. 02552 3515-18<br />

e.schiller@weinviertel.at<br />

www.betty-bernstein.at<br />

www.bernsteinstrasse.net


Ausflugsziel / 44<br />

Amethyst Welt Maissau<br />

vOLL vIOLETT<br />

Die Amethyst Welt Maissau, heuer um das Edelsteinhaus erweitert, wird im kommenden Jahr<br />

Handwerkstechniken rund um die Stein- und Schmuckverarbeitung präsentieren.<br />

Amethyste aus aller Welt …<br />

Halbedelsteine gibt es nicht mehr. „Dann<br />

könnte es ja auch Vierteledelsteine geben“, so<br />

Prof. Oskar Thalhammer von der Montanuniversität<br />

Leoben, der die Amethyst Welt<br />

fachlich betreut, „und wo wären da die Grenzen<br />

zu ziehen?“<br />

In dem schlicht in Schwarz gehaltenen Edelsteinhaus<br />

funkeln, schimmern, glitzern, blitzen<br />

und changieren Opal und Fluorit, Smaragd,<br />

Turmalin, Quarz und Amethyste aus<br />

aller Welt. Das Edelsteinhaus ist der Neuzugang<br />

im äußert erfolgreichen Konzept der<br />

Amethyst Welt, die einen Mix von Information,<br />

Erlebnis und Einkauf bietet. Damit die<br />

Besucher nicht nur einmal kommen, gibt es<br />

alle paar Jahre Erweiterungen im Angebot.<br />

Auch die Parklandschaft wächst beständig<br />

und Traum- und Kraftplätze ziehen sich<br />

durch den lichten Eichenwald des Manhartsberges.<br />

Für Kinder steht ganz klar das Schürffeld<br />

an oberster Stelle. Ausgerüstet mit einem<br />

Spaten kann hier jeder seine eigenen Edelsteine<br />

finden. „Voll violett“, schreit ein Bub,<br />

als er fündig wird. Und Funde sind nahezu<br />

garantiert. Das Schürffeld wird – „Wir<br />

machen das am frühen Morgen, damit uns<br />

niemand sieht“, so ein Mitarbeiter – immer<br />

wieder aufgefüllt. Dafür wird der Ausschuss<br />

jener Amethyste verwendet, die bei den alle<br />

zwei Jahre stattfindenden Grabungen abfallen.<br />

Die größeren Steine werden verarbeitet<br />

und verkauft.<br />

Wo Steine sind, ist auch die Heilkraft der<br />

Steine nicht weit. Jeder Edelstein hat eine<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

… zeigt das neu errichtete Edelsteinhaus in Maissau.<br />

besondere Schwingung, die mit Information<br />

aufgeladen ist. Es ist eine Gratwanderung<br />

zwischen Wissensvermittlung und Esoterik,<br />

den die Mitarbeiter der Amethyst Welt zu<br />

bewerkstelligen haben.<br />

Maissau am Hang des Manhartsberges, zwischen<br />

Wald- und Weinviertel, setzt den Edelstein<br />

in Szene. Die Stadt hüllt sich in violett.<br />

Manche Straßenlaterne und manche Gasthausaufschrift<br />

hat in den letzten Jahren Farbe<br />

gewechselt.<br />

Amethystband<br />

Vor 280 Millionen Jahren erstreckte sich hier<br />

ein Urgebirge sowie das Eggenburger Meer.<br />

Viele Kilometer unter seiner Oberfläche


setzten sich an den Wänden einer riesigen<br />

Gesteinsspalte mehrere Schichten Quarzkristalle<br />

am Granit ab. Dieser Maissauer Granit<br />

enthält seltene radioaktive Partikel, die ionisierende<br />

Strahlung aussenden. In Kombination<br />

mit den Spurenelementen Eisen, Kalium,<br />

Aluminium und Lithium im Quarz bildeten<br />

sich über Jahrmillionen die violette Färbung<br />

und das charakteristische Zackenmuster im<br />

Maissauer Amethystband.<br />

Dieses matt schimmernde Violett wellt sich<br />

durch das Gestein. Diesem weltweit einzigartig<br />

zu begehenden Amethystband können die<br />

Besucher 40 Meter lang folgen. Es ist eines<br />

von 20 Bänderamethysten, die weltweit<br />

bekannt sind.<br />

1845 wurden in einem Steinbruch nahe von<br />

Maissau erstmals Amethyste gefunden.<br />

Immer mehr Sammler kamen und klaubten<br />

die von den Landwirten in die Höhe geackerten<br />

Steine auf. Ab den 1980er Jahren<br />

begann die Krahuletz-Gesellschaft aus dem<br />

benachbarten Eggenburg zu forschen und<br />

förderte beeindruckende Amethystfunde zu<br />

Tage.<br />

Neben dem Bänderamethysten besticht Maissau<br />

durch ein großes Vorkommen fast aller<br />

Vertreter der „Quarz-Familie“: wasserhelle<br />

Bergkristalle, graubraune Rauchquarze,<br />

schwarze Morione und blutrote Eisenkiesel.<br />

Der begehrte Jaspis ist in vielen Farbschattierungen<br />

vorhanden. Als kleines Wunder gilt in<br />

Ausflugsziel / 45<br />

Werkstattplatz für eine Goldschmiedin in der Amethyst Welt Maissau.<br />

der Fachwelt der einzige zufällig in einem<br />

Amethystblock entdeckte Achat. Er kann im<br />

Niederösterreichischen Landesmuseum besucht<br />

werden.<br />

Brandungsgeröll<br />

Das Edelsteinhaus, das im ersten Teil Steine<br />

aus aller Welt zeigt, präsentiert im mittleren<br />

Bereich besondere Amethyste. Die größten<br />

Vorkommen finden sich in Brasilien. Neuzugänge<br />

aus Maissau sind die eiförmigen Brandungsgerölle.<br />

Die von der Meeresbewegung<br />

rund geschliffenen Steine, in denen Amethyste<br />

eingelagert sind, fanden sich bei der<br />

letzten Grabung in einer Gesteinskluft.<br />

Dass Kategorien wie Halbedelsteine obsolet<br />

sind, zeigen die Steine aus Waldviertler Ortschaften:<br />

honigschimmernd mit grauen<br />

Sprengseln, grün geädert, blau gepunktet, rot<br />

gefleckt. Der im Waldviertel ansässige Steinschleifer<br />

Christian Riedl hat aus unscheinbaren<br />

Steinen vom Wegesrand Schmuckstücke<br />

gemacht. Aus Drosendorf an der<br />

Thaya zum Beispiel kommt der Zoisitfels.<br />

Spätestens hier ist klar, dass der Begriff „Edelstein“<br />

ein willkürlicher ist, der sich einerseits<br />

aus der kulturgeschichtlichen Bedeutung<br />

des Steins und aus dessen Verfügbarkeit<br />

beziehungsweise Rarität zusammensetzt, und<br />

andererseits die „4 C“-Kriterien erfüllen soll:<br />

Carat, Cut, Clarity, Colour. Wer sagt denn,<br />

dass der honiggelbe Mückenstein aus Eibenstein<br />

nicht auch ein Edelstein ist? Für Eiben-<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Kinder schürfen Steine im Freien.<br />

steinerinnen und Eibensteiner ist er es<br />

bestimmt.<br />

Ab dem kommendem Jahr wird in der violetten<br />

Welt das Handwerk rund um die Steinverarbeitung<br />

präsentiert. Den Werkplatz für<br />

einen Goldschmied gibt es schon, ebenso für<br />

einen Steinschleifer. Kurse sollen mit dem<br />

Handwerk vertraut machen. Mit der Erkenntnis,<br />

dass auch Gold ein Mineral ist, wird der<br />

Besucher in die Gärten entlassen. „Keine<br />

Steine herausschlagen!“, steht auf einer Tafel.<br />

Und weiter: „Nur ehrlich gefundene Steine<br />

bringen Glück!“ Aber das Glück ist soundso<br />

ein Vogerl. /<br />

Text: Mella Waldstein<br />

Fotos: Amethyst Welt Maissau<br />

aMEThysT WELT<br />

MaIssau<br />

———————————————————<br />

Öffnungszeiten:<br />

tägl. 9.00–17.00 Uhr<br />

3712 Maissau<br />

An der Horner Bundesstraße<br />

Tel. 02958 84840<br />

www.amethystwelt.at


Museumsdorf Niedersulz / 46<br />

Forschung<br />

uNIvERsITy<br />

gOEs MusEuMsdORF<br />

Das Weinviertler Dorf als naturales und soziales System: Kooperation des Museumsdorfs Niedersulz mit dem<br />

Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie dem Institut für Geschichte des ländlichen Raumes.<br />

Aufgaben des Museumsdorfs – das Sammeln, Bewahren, Präsentieren und Vermitteln von historischen Weinviertler Wohn- und Wirtschaftsformen.<br />

Das Museumsdorf Niedersulz führte in den<br />

Jahren 2010 und 2011 ein Projekt im Rahmen<br />

des Förderprogramms „forMuse – Forschung<br />

an Museen“ des Bundesministeriums für<br />

Wissenschaft und Forschung durch. Ziel war<br />

die Entwicklung einer Strategie zur wissenschaftlichen<br />

Erschließung und qualitativen<br />

Evaluierung des Museumsdorfs Niedersulz,<br />

seiner Gebäude und seiner Sammlungen im<br />

Rahmen von Arbeitstreffen sowie die Erstellung<br />

eines schriftlichen Maßnahmenplans.<br />

Außerdem dienten die Treffen der Initiierung<br />

von Kooperationen mit Forschungseinrichtungen,<br />

Expertinnen und Experten sowie<br />

anderen (Freilicht-)Museen in Hinblick auf<br />

mögliche gemeinsame Forschungs-, Dokumentations-<br />

und Ausstellungsprojekte.<br />

Historische grundlagenforschung<br />

Eine der Kooperationen aus diesem Projekt<br />

entstand mit Prof. Erich Landsteiner vom<br />

Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte<br />

der Universität Wien sowie Dr. Ernst<br />

Langthaler vom Institut für Geschichte des<br />

ländlichen Raumes in St. Pölten. Sie entwickelten<br />

eine Lehrveranstaltung vom Typus<br />

Forschungspraktikum mit dem Titel „Historische<br />

Grundlagenforschung für das Museumsdorf<br />

Niedersulz“, die im Sommersemes-<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

ter <strong>2012</strong> mit rund 15 Studierenden und zwei<br />

Tutoren abgehalten wurde.<br />

Nach einigen einführenden Terminen zu den<br />

Themen Agrarsystem und ländliche Gesellschaft<br />

im Weinviertel fand eine Exkursion<br />

nach Niedersulz in das Museumsdorf statt.<br />

Dort führten Dr. Veronika Plöckinger-<br />

Walenta, die wissenschaftliche Leiterin des<br />

Museumsdorfs, und Prof. Erich Landsteiner<br />

die Studierenden sowohl durch das Museumsdorf,<br />

das als idealtypisches Weinviertler<br />

Bachzeilendorf konzipiert worden war, als<br />

auch durch den neu errichteten Bauhof und<br />

das Depot. Dabei erhielten die Studierenden


nicht nur eine Einführung in die Hausformen<br />

des Weinviertels sowie eine Vorstellung<br />

einiger der 80 Objekte im Museumsdorf,<br />

sondern auch einen Einblick in die musealen<br />

Aufgaben eines Freilichtmuseums wie Niedersulz<br />

– das Sammeln, Bewahren, Präsentieren<br />

und Vermitteln von historischer Weinviertler<br />

Architektur, Dorfstrukturen, Wohn-<br />

und Wirtschaftsformen, aber auch von Blumen,<br />

Obstbäumen, Kräutern und Gemüse in<br />

Gärten und auf landwirtschaftlichen Flächen.<br />

Fünf Arbeitsgruppen<br />

Grundsätzlich sollte der Inhalt der Lehrveranstaltung<br />

möglichst eng mit den im Museumsdorf<br />

vorhandenen Gebäuden und Objekten<br />

verknüpft werden. So bildeten die<br />

Studierenden fünf Arbeitsgruppen zu den<br />

Themen „Dorf als wirtschaftliches und soziales<br />

System“, „Hausgeschichte“ von ausgewählten<br />

Häusern im Museumsdorf – dem<br />

Streckhof aus Bad Pirawath, dem Zwerchhof<br />

aus Waidendorf und dem Kleinhäuslerhaus<br />

aus Wetzelsdorf –, „Grundherrschaft“ am<br />

Beispiel der Hofmühle aus Walterskirchen,<br />

„Kirche und Pfarrer im Dorf “ sowie „Weinbau“<br />

am Beispiel eines Presshauses aus Niedersulz<br />

im Museumsdorf. Zu diesen Themen<br />

forschten sie – tatkräftig unterstützt von den<br />

beiden Tutoren Mag. Martin Bauer und Mag.<br />

Rudolf Buchinger – im Niederösterreichischen<br />

Landesarchiv in St. Pölten und dessen<br />

Außenstelle in Bad Pirawath, im Diözesanarchiv<br />

Wien und in der Pfarre Sulz im Weinviertel.<br />

Angewandte Forschung<br />

Die Recherchen stellten eine direkte Verbindung<br />

zwischen wissenschaftlicher Analyse in<br />

der Theorie und angewandter Forschung an<br />

einem spezifischen musealen Objekt dar.<br />

Als Quellen wurden Katasterpläne mit den<br />

zugehörigen Besitzverzeichnissen, Beschreibungen<br />

der lokale Wirtschaftsweisen samt<br />

Kalkulation des Bodenertrags („Operate“),<br />

Personenstandslisten mit Angaben über die<br />

Angehörigen der Haushalte eines Dorfes<br />

(„Seelenbeschreibungen“), Verzeichnisse der<br />

Besitzstände an Vieh, Land, Gegenständen<br />

und Geld eines Verstorbenen („Inventare“),<br />

kirchliche Tauf-, Heirats- und Sterberegister,<br />

Pfarrchroniken und Pfarrakten sowie ältere,<br />

auf das Weinviertel Bezug nehmende oder<br />

Museumsdorf Niedersulz / 47<br />

Einblick für die Studierenden in das Weinviertler<br />

Dorfleben.<br />

aus dem Weinviertel stammende Literatur<br />

verwendet.<br />

Beispiel objekt nr. 54<br />

So konnte beispielsweise ein Stück der Weinbau-Geschichte<br />

von Niedersulz am Beispiel<br />

eines Presshauses (Objekt Nr. 54 im Museumsdorf)<br />

eruiert werden: Laut Bauparzellen-<br />

sowie Inventurprotokoll gehörte das Presshaus<br />

zum Haus Niedersulz Nr. 96. Dieses<br />

hatte Elisabeth Wagner gehört, die laut einem<br />

Inventurprotokoll am 26. 5. 1822 starb. Die<br />

Verstorbene hatte den Besitz mit Hilfe einer<br />

Magd und eines ortsansässigen Bauern, der<br />

die Zugarbeit gegen Bezahlung verrichtet<br />

hatte, bewirtschaftet. Allerdings wurden in<br />

Niedersulz – wie im Weinviertel üblich –<br />

auch Keller ohne Verbindung zu einem Presshaus<br />

angelegt, da sich nicht alle ein eigenes<br />

Presshaus leisten konnten. Das Bauparzellenprotokoll<br />

von Niedersulz weist 102 Wohnhäuser,<br />

aber nur 53 Presshäuser aus. Das<br />

bedeutet, dass nicht einmal alle Halblehner<br />

über ein eigenes Presshaus verfügten.<br />

In Inventuren ist auch von „Pressschüpfeln“,<br />

also von Holzbauten, in denen die Presse<br />

aufgestellt war, die Rede. Kleinere Landwirte<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Presshaus aus Niedersulz, Objekt Nr. 54.<br />

Ein weiteres Forschungsobjekt:<br />

der Waidendorfer Hof.<br />

pressten ihre Trauben in fremden Press-<br />

häusern gegen Abgabe eines Teiles der Ernte<br />

und transportierten anschließend den Most<br />

in Fässern in den eigenen Keller oder lagerten<br />

diesen in fremden Kellern ein. (Vgl. Josef<br />

Stöger, Die Landwirtschaft des Dorfes Niedersulz<br />

in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.<br />

Seminararbeit im Rahmen des FPK Historische<br />

Grundlagenforschung für das Museumsdorf<br />

Niedersulz – Universität Wien, Sommersemester<br />

<strong>2012</strong>.)<br />

Die Studierenden hatten während der Forschungsarbeit<br />

Zugang zu den Objekten des<br />

Museumsdorfes und standen in engem Kontakt<br />

und Kooperation mit der wissenschaftlichen<br />

Leitung des Freilichtmuseums. Die<br />

Ergebnisse der Recherchen wurden in Form<br />

von Seminararbeiten dokumentiert und dienen<br />

dem Museumsdorf als Grundlage für<br />

zukünftige Beschriftungen, Folder oder Ausstellungen.<br />

So sollen die Synergieeffekte von<br />

universitärer Forschung und praktischer<br />

Museumsarbeit der Öffentlichkeit zugänglich<br />

gemacht werden. /<br />

Text: Veronika Plöckinger-Walenta<br />

Fotos: Museumsdorf Niedersulz


Service Civil International<br />

Das SCI-Freiwilligenteam im Museumsdorf Niedersulz.<br />

Museumsdorf Niedersulz / 48<br />

TaTEN,<br />

NIChT WORTE<br />

Zwei Wochen lang arbeiteten im Sommer <strong>2012</strong> Jugendliche aus der<br />

ganzen Welt im Weinviertler Museumsdorf.<br />

Bereits zum zweiten Mal waren jugendliche<br />

Volontäre im Zuge des SCI-Freiwilligenprojekts<br />

bei einem Arbeitscamp im Museumsdorf<br />

Niedersulz. Neun Jugendliche aus<br />

Deutschland, Spanien, Russland, der Ukraine<br />

und Taiwan unterstützten in unterschiedlichen<br />

Arbeitsbereichen und -gruppen die<br />

Teams in Niederösterreichs größtem Freilichtmuseum.<br />

Apfelernte, Unkrautjäten, mulchen,<br />

Strohballen aufschichten, auspflanzen<br />

– das waren für zwei Wochen die Aufgabengebiete<br />

der SCI-Freiwilligen.<br />

Die Organisation Service Civil International,<br />

kurz SCI, wurde 1920 nach dem Ersten Weltkrieg<br />

von Pierre Cersole in Frankreich<br />

gegründet und ist eine der größten und ältes-<br />

ten Friedens- und Freiwilligenorganisationen.<br />

Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg<br />

standen vor allem Projekte im Bereich des<br />

friedvollen Wiederaufbaus im Vordergrund.<br />

So wurde im Rahmen des ersten Workcamps<br />

1920 ein zerstörtes französisches Dorf bei<br />

Verdun von den freiwilligen Helfern wieder<br />

aufgebaut. Internationale Solidarität und<br />

Toleranz sollten durch die Hilfe und Kooperation<br />

von Menschen mit unterschiedlichen<br />

kulturellen und sozialen Hintergründen<br />

gefördert und wieder aktiviert werden. In den<br />

Anfangsjahren waren es hauptsächlich längerfristige<br />

Arbeitseinsätze in Gebieten, die<br />

durch Kriege oder Naturkatastrophen zerstört<br />

worden waren, bei denen sich die SCI-<br />

Aktivisten betätigten. Die direkte Zusam-<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

menarbeit, Kommunikation und der Kontakt<br />

zu den betroffenen Menschen vor Ort standen<br />

dabei im Fokus.<br />

interkultureller Austausch<br />

„Deeds not words“ – „Taten, nicht Worte“<br />

war dabei die Maxime dieser anfänglichen<br />

Gründungsprojekte des SCI und die Idee der<br />

friedvollen Freiwilligenhilfe verbreitete sich<br />

rasch weltweit.<br />

In den 1960er Jahren kam es sukzessive zu<br />

einer strukturellen Umwandlung der SCI-<br />

Workcamps: Die Dauer der einzelnen Projekte<br />

verkürzte sich im Schnitt auf zwei bis<br />

vier Wochen, die Auseinandersetzung mit<br />

sozialen Problemen und die Zusammenarbeit<br />

mit anderen „non-governmental“- und „nonprofit“-Organisationen<br />

(NGO bzw. NPO)<br />

wurden forciert. Dadurch wurden gesellschaftspolitische<br />

Aspekte innerhalb der SCI<br />

immer wichtiger – neben der eigentlichen<br />

Freiwilligenarbeit wurden der interkulturelle<br />

Austausch und die Sensibilisierung gegenüber<br />

Menschen aus anderen Ländern oder in<br />

anderen Lebenssituationen sowie auch die<br />

inhaltliche Auseinandersetzung bei den einzelnen<br />

Projekten immer essenzieller.<br />

Mittlerweile umfasst das SCI-Netzwerk aktuell<br />

44 Partner- und Unterorganisationen und<br />

ist in fünf Kontinenten aktiv. Die österreichische<br />

Dependance des Service Civil International<br />

wurde 1947 gegründet und wird<br />

ausschließlich ehrenamtlich geführt. Das<br />

Gros seiner aktiven Mitglieder besteht aus<br />

Studentinnen und Studenten, die die Koordination<br />

der Freiwilligenprojekte und Büroarbeit,<br />

das Versenden und Vorbereiten der<br />

Freiwilligen und vieles mehr organisieren<br />

und dafür unentgeltlich arbeiten. Deeds not<br />

words! /<br />

Text: Freya Martin<br />

Foto: Museumsdorf Niedersulz/Ingrid Fröschl-<br />

Wendt<br />

sERvICE CIvIL INTERNaTIONaL<br />

———————————————————<br />

1010 Wien, Schottengasse 3a/1/4/59<br />

Tel. 01 535 91 08<br />

www.sci.or.at


Aktuelles<br />

INTERN<br />

WIR gRaTuLIEREN<br />

——————————————————————<br />

Ihren besonderen Geburtstag feiert unser Ehrenmitglied<br />

Johanna Rodler, Korneuburg, 25. <strong>November</strong><br />

Ihren besonderen Geburtstag feiert unser Mitglied<br />

Leopoldine Haydn, Kirnberg an der Mank, 12. <strong>November</strong><br />

Ihren runden Geburtstag feiern unsere Ehrenmitglieder:<br />

Abg. z. NR a. D. Anton Bayr (85), Krummnußbaum, 18. <strong>November</strong><br />

KR Harald Lutz (85), Nussdorf ob der Traisen, 30. <strong>November</strong><br />

Ihren runden Geburtstag feiern unsere Mitglieder:<br />

Leopold Bauer (50), Simonsfeld, 15. <strong>November</strong><br />

Rudolf Hell (50), Statzendorf, 19. <strong>November</strong><br />

Wir gratulieren Elisabeth Schöffl-Pöll zur Verleihung des<br />

Goldenen Verdienstzeichens der Republik Österreich.<br />

Zur Verleihung des Silbernen Ehrenzeichens gratulieren wir<br />

herzlichst Ök.-Rat Lieselotte Wolf und Anton Mörwald sen.<br />

NEuLICh BEI …<br />

——————————————————————<br />

... der Buchpräsentation mit (v. l. n. r.) Mag. Carl Aigner, Direktor<br />

des Niederösterreichischen Landesmuseums; Dorli Draxler,<br />

Geschäftsführerin der Volkskultur Niederösterreich; Buch-<br />

autor Sepp Forcher, Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll und Karl<br />

Hohenlohe. Über das Buch lesen Sie auf Seite 36.<br />

Foto: Erich Marschik<br />

RadIOTIPP<br />

——————————————————————<br />

aufhOHRchen spezial „Alle heiligen Zeiten“<br />

Do, 1. 11. <strong>2012</strong>, 11.04–12.00 Uhr<br />

Gestaltung: Dorli Draxler & Edgar Niemeczek<br />

<strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / 49<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

sO sChMECKT NIEdERösTERREICh<br />

advENTMaRKT<br />

——————————————————————<br />

30. 11. und 1. 12. <strong>2012</strong>, 10.00–21.00 Uhr<br />

Palais Niederösterreich<br />

Altes Landhaus, 1010 Wien, Herrengasse 13<br />

Ein stimmungsvoller Markt des Landes Niederösterreich für<br />

seine Landsleute und Freunde in Wien.<br />

Zum Schauen<br />

Kunsthandwerk aus Niederösterreich,<br />

Krippen vom Hollabrunner Krippenbauverein.<br />

Zum Schenken<br />

Produkte aus Niederösterreich, geschmackvolle Geschenkideen.<br />

Zum Genießen<br />

Traditionelle Köstlichkeiten und geschmackvolle Raritäten.<br />

Zum Zuhören<br />

Das musikalische Programm gestaltet die Volkskultur<br />

Niederösterreich. Unter anderem mit den Mostviertler<br />

BlechMusikanten, KrassBrass, Sängerbund Neustift, NiglHoga,<br />

D’Quetschsaitenpfeifal. Lesung: Isolde Kerndl u.a.<br />

Eintritt frei!<br />

Foto: Grafenegg


2 nd LIFE<br />

Allerspätestens seitdem in der Textilfabrik<br />

Ali Enterprises im pakistanischen Karatschi<br />

mehr als 250 Menschen verbrannten und<br />

erstickten, muss es klar sein, dass wir Blut am<br />

Körper tragen. Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten,<br />

politisch korrekt und modisch<br />

gekleidet zu sein. „Aus Alt mach Neu“ ist der<br />

einfache Nenner der Upcycling-Bewegung.<br />

Hier werden alte Kleider gesammelt und zu<br />

neuen umgestaltet. Immer mehr Modeateliers<br />

arbeiten nach diesem kreativen Prinzip.<br />

Milch (www.milch.mur.at) recycelt Herrenhosen<br />

zu Hosenkleidern. Auch aus Herrenhemdkragen<br />

werden Kleider, ganz nach dem<br />

Verehrter Leserkreis, ich versprech’s: Sie werden<br />

an dieser Stelle nicht jeden Monat etwas<br />

über den gerade anbrechenden Monat zu<br />

lesen bekommen. Aber dem <strong>November</strong> habe<br />

ich es versprochen! Er wird gemobbt. Er wird<br />

nicht gemocht. Dabei ist er viel besser als sein<br />

Ruf. Der <strong>November</strong> ist ein Monat, der endlich<br />

keine Erwartungen weckt. Man muss nicht<br />

heiraten (Mai) und niemanden in den April<br />

schicken. Man muss noch nicht an Weihnachten<br />

denken. Man muss keine guten Vorsätze<br />

haben (Jänner). Man muss nicht Ski<br />

fahren (Februar) und nichts anbauen (März).<br />

Man muss nicht aus dem Bürofenster schauen<br />

und die schönen Sommertage vorbeiziehen<br />

lassen (Juni, Juli, August). Man muss<br />

keine Torschlusspanik bekommen, dass der<br />

Sommer schon wieder vorbei ist und die<br />

Schule beginnt (September). Man muss keine<br />

Die letzte Seite / 50<br />

Kleid aus einer alten Herrenhose. Foto: Mirjana Rukavina.<br />

biblischen Motto „Schwerter zu Pflugscharen“.<br />

Steinwidder (www.steinwidder.com)<br />

macht aus Strumpfhosen und Socken Kreationen,<br />

die auch am Laufsteig reüssieren.<br />

Landeinwärts<br />

Revolution machen (Oktober). Der <strong>November</strong><br />

ist der <strong>November</strong> ist der <strong>November</strong>.<br />

Er leitet seinen Namen aus dem römischen<br />

Kalender ab und war der neunte Monat (lat.<br />

novem = neun). Alte deutsche Namen für den<br />

<strong>November</strong> sind Windmond (eingeführt von<br />

Karl dem Großen im 8. Jahrhundert), Wintermonat<br />

und Nebelung. In den Niederlanden<br />

wurde der Monat auch Schlachtmond<br />

oder Schlachtemonat genannt. Weniger grausam<br />

klingt’s im Tschechischen, der <strong>November</strong><br />

heißt Blätterfall (= listopad).<br />

Der <strong>November</strong> ist so herrlich unbesetzt. Er ist<br />

nicht kommerzialisiert – abgesehen von ein<br />

bisserl Kerzen kaufen für den Friedhof. Er<br />

verspricht nichts, außer ein paar Nebeltagen.<br />

Und ja, es stimmt, dass der <strong>November</strong> statis-<br />

<strong>schaufenster</strong> / <strong>Kultur</strong>.<strong>Region</strong> / <strong>November</strong> <strong>2012</strong><br />

Neben Wien ist Berlin die Modezentrale für<br />

Upcycling. Das Veränderungsatelier „Bis es<br />

mir vom Leibe fällt“ bietet seinen Kundinnen<br />

und Kunden Do-it-yourself-Tools an. /<br />

BEssER aLs sEIN RuF<br />

tisch die meisten Nebeltage aufweist. Aber<br />

statistisch gesehen passieren die meisten Verkehrsunfälle<br />

im Oktobernebel. Im <strong>November</strong><br />

haben wir uns schon an die Fahrverhältnisse<br />

gewöhnt. Es ist gerade der Nebel, der den<br />

schlechten Ruf beschert. Der Nebel ist aber<br />

gut für die Haut, kluge Frauen machen im<br />

Nebel lange Spaziergänge und pflegen ihren<br />

Teint. Dichter pflegen das Klischee. <strong>November</strong>,<br />

Nebel, Einsamkeit. Schön ist’s trotzdem.<br />

Seltsam, im Nebel zu wandern!<br />

Einsam ist jeder Busch und Stein,<br />

Kein Baum sieht den andern,<br />

Jeder ist allein.<br />

(aus „Nebel“ von Hermann Hesse) /<br />

Mella Waldstein


Damit Visionen Wirklichkeit werden, ermöglicht Raiffeisen<br />

viele <strong>Kultur</strong>veranstaltungen durch seine regionalen und<br />

lokalen Förderungen. Denn Realisierung und Erfolg von<br />

<strong>Kultur</strong>initiativen hängen nicht nur von Ideen, sondern auch<br />

von fi nanziellen Mitteln ab. Gemeinsam ist man einfach<br />

stärker. www.raiffeisen.at


Freitag, 25. Jänner 2013<br />

Einlass: 19.30 Uhr<br />

2. Niederösterreichischer<br />

Trachtenball<br />

Schloss Grafenegg<br />

Musik: Franz Posch & seine Innbrüggler, Weinviertler Kirtagsmusik, AB3,<br />

Duo Gradinger-Koschelu, Big Band der Militärmusik Niederösterreich<br />

Kartenvorverkauf<br />

Flanierkarte: EUR 35,00 (inkl. Eintritt, Aperitif)<br />

Kartenbüro Grafenegg im Auditorium Grafenegg:<br />

T. 02735 5500 (Fr bis So 11.00-17.00 Uhr) bis 16. Dezember <strong>2012</strong><br />

Kartenbüro der Tonkünstler Grafenegg im Museumsquartier Wien:<br />

T. 01 5868383 (Mo bis Fr 9.00-17.30 Uhr) · tickets@grafenegg.at<br />

Tischplatzkarte: EUR 75,00<br />

(inkl. Eintritt, Tischplatz, Gedeck, Aperitif, Vorspeisenpotpourri,<br />

Schmankerlreigen, Mitternachtssuppe)<br />

tischkarten@volkskulturnoe.at<br />

Informationen: www.wirtragennoe.at · www.volkskulturnoe.at

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