Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
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»Es gibt ein Mittel,« sagte Martin Baumann, welcher neben ihm saß. »Such' dir Colt'sfoot<br />
und leg die Blätter <strong>des</strong>selben auf die Wunden.«<br />
»Wo aber wachsen Colt'sfoot?«<br />
»Besonders an Waldrändern. Vielleicht ist grad hier welcher zu finden.«<br />
»Aber Masser Bob nicht kennen diese Pflanze. Wie können er sie da finden?«<br />
»Komm! Ich will mit suchen.«<br />
Die beiden wollten sich entfernen. Old Shatterhand hatte ihre Worte gehört und warnte:<br />
»Nehmt euere Gewehre mit. Wir befinden uns hier nicht auf einem Marktplatz <strong>des</strong> Ostens.<br />
Man kann nie wissen, was der nächste Augenblick bringt.«<br />
Martin griff still zum Gewehre, und auch der Neger schulterte seine Muskete.<br />
»Yes!« sagte er. »Masser Bob mitnehmen auch seine Rifle. Wenn kommt Siou oder<br />
wil<strong>des</strong> Tier, er sogleich erschießen alles, um zu beschützen sein jung Massa Martin.<br />
Come on!«<br />
Die beiden schritten langsam am Thalrande hin, um nach der erwähnten Pflanze zu<br />
suchen; aber es war kein Huflattich zu sehen. So entfernten sie sich weiter und weiter von<br />
dem Lagerplatze. Es war so still und sonnig im Thale. Schmetterlinge gaukelten um die<br />
Blumen; Käfer summten und brummten von Ort zu Ort; das Wasser plätscherte so<br />
friedlich, und die Wipfel der Bäume badeten sich im Sonnenscheine. Wer hätte da an eine<br />
Gefahr denken mögen!<br />
Da blieb Martin, welcher voranschritt, halten und deutete auf eine Linie, welche sich in<br />
kurzer Entfernung schnurgerade von dem kleinen Bache durch das Gras nach der<br />
Thalwand zog, wo sie unter den Bäumen verschwand.<br />
»Was das sein?« fragte Bob. »Ein Weg?«<br />
»Ja, ein Weg ist es. Es scheint da jemand regelmäßig aus dem Walde zu kommen, um<br />
Wasser zu schöpfen.«<br />
»Es sein also ein Westmann?«<br />
»Hm! Ein Westmann? Hier in dieser Einsamkeit? Das ist unwahrscheinlich.«<br />
»Oder ein Tier?«<br />
»Das will ich eher glauben. Betrachten wir uns einmal die Spur!«<br />
Sie gingen hinzu und nahmen die Fährte in Augenschein. Das Gras war vom Wasser an<br />
bis hinüber zu den Bäumen mehrere Fuß breit nicht nur nieder-, sondern so ausgetreten,<br />
daß der nackte Boden zum Vorschein gekommen war. Martin und Bob standen also vor<br />
einem wirklichen Pfade.<br />
»Das sein kein Tier,« meinte der Neger. »Hier sein laufen ein Mann mit Stiefeln immer hin<br />
und her. Massa Martin werden recht geben Masser Bob.«<br />
<strong>Der</strong> Jüngling aber schüttelte den Kopf. Er untersuchte den Pfad genau und antwortete:<br />
»Die Sache ist jedenfalls befremdend. Man kann keine Huf- oder Krallenspur erkennen.<br />
<strong>Der</strong> Boden ist so festgetreten, daß man nicht einmal bestimmen kann, zu welcher Zeit<br />
diese Fährte zum letztenmal betreten worden ist. Ich möchte wetten, daß nur ein Huftier<br />
einen solchen Gang auszutreten vermag.«<br />
»O schön, sehr schön!« sagte der Neger erfreut. »Vielleicht es sein ein Opossum. Das<br />
sein Masser Bob sehr willkommen.«<br />
Das Opossum ist die virginische Beutelratte, welche bis einen halben Meter lang werden<br />
kann. Sie besitzt zwar ein zartes, weißes und fettes Fleisch, hat aber einen so<br />
eigentümlichen, widrigen Geruch, daß sie von Weißen niemals gegessen wird. <strong>Der</strong> Neger<br />
aber verschmäht sie nicht, und es gibt sogar manchen Schwarzen, welcher<br />
leidenschaftlich auf diesen unangenehm duftenden Braten versessen ist. Zu dieser Art<br />
von Gastronomen gehörte auch der brave Bob.<br />
»Was fällt dir ein!« lachte Martin. »Ein Opossum hier! Gehört denn die Beutelratte zu den<br />
Huftieren?«