Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
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»Vom Schlagen ist keine Rede, Master Davy. Setzt ihn aufrecht und nehmt Platz neben<br />
ihm. Auch den Knebel könnt Ihr wieder entfernen. Er ist nicht mehr nötig, denn hier wird<br />
gesprochen.«<br />
»Ay, Sir! Ich möchte aber wissen, was der Knabe hier vorbringen könnte.«<br />
<strong>Der</strong> Lange gehorchte. Als der »Moskito« aufrecht saß, blickten die beiden Schoschonen<br />
sich erschrocken in die Augen. <strong>Der</strong> Häuptling sagte nichts und bewegte sich nicht; aber<br />
trotz seiner dunklen Hautfarbe war zu sehen, daß ihm das Blut aus dem Gesicht gewichen<br />
war. <strong>Der</strong> <strong>Sohn</strong> vermochte nicht, sich so zu beherrschen.<br />
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»Uff!« rief er. »Auch Tokvi-tey ist gefangen! Das wird ein Heulen geben in den Wigwams<br />
der Schoschonen. <strong>Der</strong> große Geist hat sein Angesicht verhüllt vor seinen Kindern.«<br />
»Schweig!« donnerte ihn sein Vater an. »Keine Squaw der Schoschonen wird eine Thräne<br />
weinen, wenn Tokvi-tey und Moh-aw von den Nebeln <strong>des</strong> To<strong>des</strong> verschlungen werden.<br />
Sie haben ihre Augen und Ohren verschlossen gehabt und sind ohne Hirn gewesen wie<br />
die Kröte, welche sich ohne Gegenwehr von der Schlange verschlingen läßt. Schande<br />
über den Vater und Schande über den <strong>Sohn</strong>! Kein Mund wird von ihnen sprechen, und<br />
keine Kunde wird über sie zu hören sein. Aber mit dem ihrigen wird das Blut der<br />
Bleichgesichter fließen. Bereits befinden sich zwei Weiße in den Händen unserer Krieger,<br />
und bereits sind die Kundschafter der Schoschonen unterwegs, um den Weg zum neuen<br />
Siege zu öffnen. Schande um Schande, und Blut um Blut!«<br />
Da wendete Old Shatterhand sich zu Davy und gab ihm den leisen Befehl:<br />
»Holt alle anderen herbei; nur Win<strong>net</strong>ou allein soll sich nicht sehen lassen!«<br />
<strong>Der</strong> Lange stand auf und entfernte sich.<br />
»Nun,« fragte Old Shatterhand, »sieht der >schwarze Hirsch< vielleicht, daß ich mich vor<br />
dem Blicke seines <strong>Sohn</strong>es in die Erde verkrieche? Ich will euch nicht beleidigen. <strong>Der</strong><br />
Häuptling der Schoschonen ist berühmt als tapferer Krieger und weise im Rate der Alten.<br />
Moh-aw, sein <strong>Sohn</strong>, wird in seine Fußstapfen treten und ebenso tapfer und weise sein. Ich<br />
gebe beiden die Freiheit gegen die Freiheit der beiden gefangenen weißen Jäger.«<br />
Ueber das Gesicht <strong>des</strong> <strong>Sohn</strong>es zuckte es wie Freude. Er hatte ja das Leben lieb. Sein<br />
Vater aber warf ihm darob einen zornigen Blick zu und antwortete:<br />
»<strong>Der</strong> >schwarze Hirsch< und der >Moskito< sind ohne Kampf in die Hände eines elenden<br />
Bleichgesichtes gefallen; sie verdienen nicht, länger zu leben; sie wollen sterben. Nur<br />
durch ihren Tod können sie die Schande sühnen, welche auf sie gefallen ist. Und so<br />
mögen auch die Bleichgesichter sterben, welche bereits gefangen sind, und auch die,<br />
welche noch in die Gefangenschaft der Schoschonen gera - - -«<br />
Er hielt inne. Sein Blick ruhte erschrocken auf den zwei Kundschaftern, welche jetzt von<br />
Davy, Bob und Martin Baumann herbeigebracht wurden.<br />
»Warum spricht der >schwarze Hirsch< nicht weiter?« fragte Old Shatterhand. »Fühlt er,<br />
daß die Faust <strong>des</strong> Schreckes nach seinem Herzen greift?«<br />
<strong>Der</strong> Häuptling senkte den Kopf und blickte lange wortlos vor sich nieder. Hinter ihm<br />
bewegten sich die Zweige, ohne daß er es bemerkte. Old Shatterhand sah den Kopf <strong>des</strong><br />
Apachen erscheinen und warf ihm einen fragenden Blick zu. Ein leises Nicken war die<br />
Antwort. Die beiden verstanden sich auch ohne gesprochene Worte.<br />
»Jetzt sieht Tokvi-tey, daß seine Hoffnung auf neuen Sieg vergeblich ist,« fuhr<br />
Shatterhand fort. »Und dennoch wiederhole ich mein Anerbieten. Ich gebe euch alle<br />
augenblicklich frei, wenn ihr mir versprecht, daß die beiden weißen Jäger auch frei sein<br />
sollen.«<br />
»Nein, wir sterben!« rief der Häuptling.<br />
»So sterbt ihr umsonst, denn wir werden trotz eures To<strong>des</strong> die Gefangenen befreien.«