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Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

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Es versteht sich ganz von selbst, daß dieser Marsch nur höchst langsam vorwärts ging,<br />

Schritt um Schritt. Nach einer halben Stunde war eine Strecke zurückgelegt, zu welcher<br />

am Tage wohl nur fünf Minuten nötig gewesen wären. Da hielt der Apache an.<br />

Die Gefangenen wußten natürlich nicht, in wessen Hände sie geraten seien, und waren<br />

auch über sich selbst im unklaren. Die beiden Kundschafter hatten wegen der Dunkelheit<br />

gar nicht sehen können, daß noch zwei Gefangene gemacht worden seien; hinwieder<br />

wußten die letzteren von den ersteren nichts, und der Häuptling hatte keine Ahnung, daß<br />

er mit seinem <strong>Sohn</strong>e, und dieser vermutete nicht, daß er mit seinem Vater ergriffen<br />

worden sei. Aus diesem Grunde wurden sie, als jetzt gehalten wurde, voneinander<br />

getrennt, nachdem man sie wieder von den Pferden genommen hatte.<br />

Old Shatterhand befolgte die Politik, dem >schwarzen Hirsch< nicht merken zu lassen,<br />

wie stark der Feind sei, dem er in die Hände gefallen war. Darum traf er die Maßregel, mit<br />

dem Häuptling zunächst allein zu verhandeln.<br />

Die übrigen mußten sich zurückziehen. Dann raffte er das am Boden liegende dürre<br />

Geäst zusammen, um ein Feuer anzumachen.<br />

Er befand sich mit dem Schoschonen auf einer nur wenige Schritte breiten freien Stelle.<br />

<strong>Der</strong> Apache hatte heute am Tage gesehen, wie gut sie sich zu einem verborgenen<br />

Lagerplatze eigne, und sein Ortssinn war ein so außerordentlicher, daß es ihm selbst in<br />

dieser Dunkelheit gelungen war, sie aufzufinden.<br />

Sie war natürlich rings von Bäumen umgeben, unter denen Farnkräuter und<br />

Dorngesträuch eine ziemlich dichte Einfassung bildeten, welche den Schein <strong>des</strong> Feuers<br />

hinderte, weit zu dringen. Mit Hilfe seines Punks (Prairiefeuerzeug) steckte Old<br />

Shatterhand das dürre Zeug leicht in Brand und hieb sich dann mit dem Tomahawk von<br />

den rundum stehenden Bäumen die unteren, dürr gewordenen Aeste ab, um mit ihnen<br />

das Feuer zu unterhalten. Dasselbe hatte nur den Zweck, die Stelle zu beleuchten und<br />

brauchte also nicht groß zu sein.<br />

<strong>Der</strong> Schoschone lag am Boden und beobachtete das Thun <strong>des</strong> weißen Jägers mit<br />

finsteren Blicken. Als Old Shatterhand mit seinen Vorbereitungen zu Ende war, zog er den<br />

Gefangenen an das Feuer, richtete ihn in sitzende Stellung empor und nahm ihm den<br />

Knebel ab. <strong>Der</strong> Indianer verriet mit keiner Miene und keinem Atemzuge, daß er sich jetzt<br />

erleichtert fühle. Für einen indianischen Krieger wäre es eine Schande, äußerlich merken<br />

zu lassen, was er denkt und empfindet. Old Shatterhand setzte sich ihm an der anderen<br />

Seite <strong>des</strong> Feuers gegenüber und betrachtete sich zunächst seinen Feind.<br />

Dieser war sehr kräftig gebaut und trug einen Büffelanzug von indianischem Schnitt, ohne<br />

alle Verzierung. Nur die Nähte waren mit Skalphaaren versehen, und am Gürtel trug er<br />

wohl gegen zwanzig Skalpe, nicht etwa vollständige Kopfhäute, welche zuviel Platz<br />

beansprucht hätten, sondern nur die wie ein Fünfmarkstück großen, wohlpräparierten<br />

Wirbelstellen. In dem Gürtel steckte noch das Messer, welches ihm nicht abgenommen<br />

worden war.<br />

Sein Gesicht war nicht bemalt, so daß die drei roten Narben auf den Wangen deutlich<br />

gesehen werden konnten. Mit unbewegten Zügen saß er da und starrte in das Feuer, dem<br />

Weißen keinen Blick gönnend.<br />

»Tokvi-tey trägt nicht die Farben <strong>des</strong> Krieges,« begann Old Shatterhand. »Warum. tritt er<br />

da gegen friedliche Leute feindlich auf?«<br />

Er erhielt keine Antwort und auch keinen Blick. Darum fuhr er fort:<br />

»<strong>Der</strong> Häuptling der Schoschonen ist wohl vor Angst stumm geworden, da er mir kein Wort<br />

auf meine Frage entgegnen kann?«<br />

<strong>Der</strong> Jäger wußte recht gut, wie ein Indianer behandelt werden muß. <strong>Der</strong> Erfolg zeigte sich<br />

sogleich, denn der Gefangene warf ihm einen zornblitzenden Blick zu und antwortete:<br />

»Tokvi-tey weiß nicht, was Angst ist. Er fürchtet nicht den Feind und nicht den Tod!«

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