Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
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zu verdanken ist. Unser ganzes Leben würde nicht reichen, das quitt zu machen, was wir<br />
ihnen schuldig sind.«<br />
»Ich weiß es, mein <strong>Sohn</strong>, und es betrübt mich, daß ich jetzt nichts anderes vermag, als<br />
nur einfach Dank zu sagen.«<br />
Er streckte Old Shatterhand beide Hände entgegen, wobei ihm noch immer die Thränen<br />
über die gebräunten, eingefallenen Wangen perlten. Old Shatterhand drückte ihm leise<br />
die von den Fesseln verwundeten Hände, zeigte dann zum Himmel empor und sagte im<br />
herzlichsten Tone:<br />
»Danken Sie nicht den Menschen, lieber Freund, sondern danken Sie unserem Herrgott<br />
da oben, welcher Ihnen die Kraft gegeben hat, den unbeschreiblichen Jammer zu<br />
überstehen. Er ist es ja, der uns geleitet und beschützt hat, so daß wir gerade noch zur<br />
rechten Zeit hier eingetroffen sind. Uns haben Sie nicht Dank zu sagen. Wir sind nur seine<br />
Werkzeuge gewesen; zu ihm aber wollen wir alle unser Gebet emporsenden, wie es in<br />
unserem schönen, deutschen Kirchenliede heißt:<br />
Ich rief den Herrn in meiner Not:<br />
>Ach Gott, vernimm mein Schreien!< Da half mein Helfer mir vom Tod Und ließ mir Trost<br />
gedeihen. Drum dank', ach Gott, drum dankich dir! Ach, danket, danket Gott mit mir; Gebt<br />
unserm Gott die Ehre!«<br />
Er hatte seinen Hut abgenommen und die Worte langsam, laut und innig wie ein Gebet<br />
gesprochen. Auch die andern hatten ihre Häupter entblößt, und als er geendet hatte,<br />
erklang aus jedem Munde ein frommes, kräftiges »Amen!«<br />
<strong>Der</strong> am Boden liegende, gefesselte Häuptling der Sioux hatte diesen Vorgang mit<br />
staunendem Blick beobachtet. Er wußte nicht, wie er sich denselben deuten sollte. Zu<br />
seinem Vorteile jedenfalls nicht - so dachte er - denn nach seiner Ansicht war er nun<br />
unwiderruflich einem qualvollen Martertode verfallen.<br />
Er wurde vom Boden aufgehoben, um dahin getragen zu werden, wohin sich nun alle<br />
begaben, nach dem Eingange zum Thale <strong>des</strong> Häuptlingsgrabes, wo Win<strong>net</strong>ou mit den<br />
Schoschonen und Upsarocas ihrer wartete. Dort wurde er niedergelegt.<br />
Old Shatterhand ritt mit dem Apachen eine kleine Strecke in den Thalkessel hinein, um<br />
die Feinde und die Anordnungen, welche diese getroffen hatten, zu überblicken. Man sah,<br />
daß sie einige wenige Worte miteinander wechselten. Beide verstanden sich ja so gut,<br />
daß es langer Auseinandersetzungen zwischen ihnen gar nicht bedurfte. Dann kehrten sie<br />
zurück.<br />
Tokvi-tey trat auf sie zu und fragte: »Was gedenken meine Brüder nun zu thun?«<br />
»Wir wissen,« antwortete Old Shatterhand, »daß unsere roten Brüder ebensogut eine<br />
Stimme haben wie wir. Darum werden wir die Pfeife der Beratung rauchen. Vorher aber<br />
will ich mit Hong-peh-te-keh, dem Häuptling der Sioux OgalIalla sprechen.«<br />
Er stieg wieder vom Pferde, ebenso Win<strong>net</strong>ou. Es wurde ein Kreis um den Gefangenen<br />
gebildet. Old Shatterhand trat zu dem letzteren und sagte:<br />
»<strong>Der</strong> >schwere Moccassin< ist in die Hände seiner Feinde geraten, und auch die Seinigen<br />
sind verloren, denn sie sind von den Felsen und von uns eingeschlossen. Sie vermögen<br />
nicht zu fliehen und werden von unseren Kugeln sterben, wenn der Häuptling der<br />
Ogallalla nicht etwas thut, um sie zu retten.«<br />
Er hielt inne, um zu sehen, ob der »schwere Moccassin« ein Wort sagen werde, da dieser<br />
aber sich geschlossenen Auges und still verhielt, so fuhr er fort:<br />
»Mein roter Bruder mag mir sagen, ob er meine Worte verstanden hat!«<br />
<strong>Der</strong> Rote öff<strong>net</strong>e die Augen, warf ihm einen haßerfüllten Blick zu und spuckte aus. Das<br />
war seine Antwort.<br />
»Glaubt der Häuptling der Ogallalla ein räudiges Tier vor sich zu haben, daß er<br />
auszuspucken wagt?«<br />
»Wakon kana - alte Frau!« knirschte der Gefragte.