Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

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»Was hat dieser Hund zu bellen!« zürnte der Häuptling. »Hat er auch Lust, in dem Schlamm zu sterben?« Glücklicherweise begnügte er sich mit dieser Zurechtweisung. »Ist's wahr, ist's wahr?« flüsterte Baumann in deutscher Sprache dem Dicken zu. »Ja! Da drüben im Walde stecken sie.« »Da kommen sie dennoch zu spät. Ehe sie den Fluß erreichen und herüberkommen, ist's vorbei. Sie werden ja auf alle Fälle von den Feinden bemerkt!« »Pah! Shatterhand wird es schon so einrichten, daß er seinen Zweck erreicht.« Die Gefangenen hielten auf ihren Pferden so eng nebeneinander, daß sie sich selbst im Flüstertone verstehen konnten. Die Hände waren ihnen auf den Rücken gebunden und die Füße durch einen Riemen vereinigt worden, welcher unter dem Bauche der Pferde hinwegging. »Du, Davy,« flüsterte Jemmy, »unsere Tiere werden nicht am Zügel gehalten; darum sind wir eigentlich schon halb frei. Getraust du dir, dein altes Maultier trotz der Fesseln zum Gehorchen zu bringen?« »Hab' keine Sorge! Ich nehme es zwischen die Beine, daß es eine Lust sein wird!« »Mein alter Klepper wird auch gehorchen. Halt! Hilf Himmel! Da geht es los! Die Hilfe kommt zu spät - zu spät!« Nämlich in diesem Augenblicke begann die Erde unter den Hufen der Pferde erst leise und dann stärker zu beben, und ein rollendes Brausen kam wie aus unterirdischer Ferne herbei. Der Geiser wollte seine Thätigkeit beginnen. Zwar hatten sich die Pferde seit gestern abend ganz leidlich an dieses Beben des Erdbodens gewöhnt; da sie aber jetzt ihre Reiter trugen, zeigten sie sich unruhiger, als wenn sie ledig gewesen wären. Der Häuptling hatte sich vorhin über die Umfassung des Schlammkraters gebeugt und seinen Lasso hinabgelassen, um auszumessen, wie tief die beiden dem Tode Geweihten zu hängen kommen müßten. Dann waren zwei Lassos je an einen festen Vorsprung des hohen Kraterrandes befestigt worden und die anderen Enden hatte man Martin und Wohkadeh so unter den Armen hindurch befestigt, daß gerade und genau die beabsichtigte Tiefe erreicht wurde. Als jetzt das Brausen begann, traten alle zurück. Nur zwei blieben am Krater stehen, um, sobald der Schlamm sich hob, die beiden Verurteilten hinabgleiten zu lassen. Es waren Augenblicke der fürchterlichsten Spannung; für die beiden Baumanns aber wurden sie zu schrecklichen Ewigkeiten. Und Old Shatterhand? Warum kam er nicht? Sein Blick hatte in größter Spannung jede Bewegung der Ogallala beobachtet. Als er sah, daß Wohkadeh und Martin nach dem Kraterrande geschleppt wurden, war ihm alles klar. »Man will sie langsam im Schlamme sterben lassen,« sagte er zu den Indianern. »Wir müssen augenblicklich helfen. Schnell, eilt unter den Bäumen dort hinab, wo der Wald bis an den Fluß geht; setzt hinüber und jagt jenseits im Galopp hinauf! Heult dabei, so laut ihr könnt, und stürzt mit aller Macht auf die Ogallala ein!« »Willst du nicht mit?« fragte der riesige Medizinmann. »Nein; ich darf nicht. Ich muß hier bleiben, um dafür zu sorgen, daß vor eurem Erscheinen keinem unserer Brüder ein Leid geschieht. Fort, fort! Es ist kein Augenblick zu verlieren!« »Uff! Vorwärts!« Im nächsten Augenblicke waren die Schoschonen und Upsarocas verschwunden. Der schwarze Bob blieb bei Old Shatterhand zurück. Dieser gebot ihm: »Komm, faß diese Fichte mit an! Wir wollen sie schütteln!« Die Hand an den Mund legend, stieß er den Schrei aus, welchen Jemmy und Davy gehört hatten. Er bemerkte, daß sie heraufblickten, und wußte nun, daß sie sein Zeichen verstanden hatten.

»Warum Baum schütteln?« fragte Bob. »Um ihnen ein Zeichen zu geben. Man will Wohkadeh und deinen jungen Herrn in den Krater werfen, um sie zu töten. Dort liegen sie gefesselt am Rande desselben.« »Was! Oh, oh! Massa Martin töten? Wann? Wohl gleich?« »In einer Minute wohl schon!« Da ließ der Schwarze das Gewehr fallen, welches er in den Händen hielt. »Massa ermorden! Das nicht sollen; das nicht dürfen! Masser Bob das nicht erlauben. Masser Bob sie totschlagen alle, alle! Bob gleich hinüber!« Er rannte fort. »Bob, Bob!« rief Old Shatterhand ihm nach. »Zurück, zurück! Du verdirbst sonst alles!« Aber der Schwarze hörte nicht auf ihn. Es hatte eine wahre Wut sich seiner bemächtigt. Sein junger Herr sollte ermordet werden! Das konnte er nicht zugeben! Lieber wollte er selber sterben. Vor einem Bären hatte er sich nicht als Held gezeigt; aber wenn es seinen »Massa« galt, dann konnte er ein rasender Roland sein. Er dachte nicht daran, daß ihm das Gewehr entfallen war; er dachte nur daran, so schnell wie möglich hinüberzukommen. Als guter Schwimmer wußte er, daß man, um an einer gewissen Stelle drüben zu landen, oberhalb derselben hüben in das Wasser gehen muß. Er sprang also nicht den lichten Uferhang hinab, gerade auf das Wasser zu, sondern er eilte in weiten Sprüngen unter den Bäumen flußaufwärts hin und schnellte erst dann, als er seiner Meinung nach weit genug nach oben gekommen war, unter den Bäumen hervor. Ein schwarzer, glatter Felsen führte da scharf zum Wasser hinab. In seiner Eile setzte Bob sich nieder und rutschte, als ob er Schlitten fahren wolle, diesen Felsen hinab und in das ölige, mit schmutzig flockigem Schaum bedeckte Wasser hinein. Dabei fühlte er etwas Hartes, was an seinen Körper stieß. Es war ein starker Ast, der sich hier im Ufergrunde festgestochen hatte. »Oh, oh!« jubelte er. »Masser Bob kein Gewehr. Ast sein Gewehr, sein Keule!« Er riß ihn aus dem Schlamme und begann nun gewaltig auszustreichen. Der brave Bursche wurde von den Ogallala gar nicht bemerkt. Während der Rutschpartie war sein schwarzer Körper von dem dunklen Gestein nicht zu unterscheiden gewesen, und nun im Wasser stachen sein Kopf und seine Schultern so //128// 531 wenig von der schmutzigen Fläche ab, daß selbst andere Augen als diejenigen der Ogallala nicht auf ihn aufmerksam geworden wären. Die letzteren hielten übrigens jetzt ihre Blicke nach dem Schlammkrater gerichtet; auf etwas anderes achteten sie nicht. Jetzt, eben als das unterirdische Rollen und Brausen begann, sah Old Shatterhand seine roten Verbündeten dort nach der abwärts liegenden Enge zu in das Wasser reiten. Die Katastrophe war da. Er lehnte seinen Henrystutzen an den Stamm des Baumes, hinter welchem er stand, und nahm den zweiläufigen, schweren Bärentöter empor. Auf diese beiden Gewehre konnte er sich verlassen. Hundert andere hätten jetzt vor Aufregung gezittert; dieser Mann aber blieb so ruhig, als ob er beabsichtige, im Freundeskreise nach einer Scheibe zu schießen. Drüben traten die Sioux vom Krater zurück. Nur zwei von ihnen blieben stehen. Da hob der Häuptling den Arm. Ob er vielleicht ein lautes Kommandowort sprach, konnte Old Shatterhand nicht hören, da das Brausen stärker geworden war; aber was diese Armbewegung zu bedeuten hatte, das wußte Shatterhand genau - den Martertod Martins und Wohkadehs. Er nahm den Kolben an die Wange. Zweimal blitzte der Bärentöter schnell hintereinander auf; dann warf der Schütze ihn weg und griff zum Stutzen, um bereit zu sein, wenn er auch ihn brauchen sollte. Er selbst hatte wohl das Krachen seiner beiden Schüsse gehört,

»Warum Baum schütteln?« fragte Bob.<br />

»Um ihnen ein Zeichen zu geben. Man will Wohkadeh und deinen jungen Herrn in den<br />

Krater werfen, um sie zu töten. Dort liegen sie gefesselt am Rande <strong>des</strong>selben.«<br />

»Was! Oh, oh! Massa Martin töten? Wann? Wohl gleich?«<br />

»In einer Minute wohl schon!«<br />

Da ließ der Schwarze das Gewehr fallen, welches er in den Händen hielt.<br />

»Massa ermorden! Das nicht sollen; das nicht dürfen! Masser Bob das nicht erlauben.<br />

Masser Bob sie totschlagen alle, alle! Bob gleich hinüber!«<br />

Er rannte fort.<br />

»Bob, Bob!« rief Old Shatterhand ihm nach. »Zurück, zurück! Du verdirbst sonst alles!«<br />

Aber der Schwarze hörte nicht auf ihn. Es hatte eine wahre Wut sich seiner bemächtigt.<br />

Sein junger Herr sollte ermordet werden! Das konnte er nicht zugeben! Lieber wollte er<br />

selber sterben. Vor einem Bären hatte er sich nicht als Held gezeigt; aber wenn es seinen<br />

»Massa« galt, dann konnte er ein rasender Roland sein.<br />

Er dachte nicht daran, daß ihm das Gewehr entfallen war; er dachte nur daran, so schnell<br />

wie möglich hinüberzukommen. Als guter Schwimmer wußte er, daß man, um an einer<br />

gewissen Stelle drüben zu landen, oberhalb derselben hüben in das Wasser gehen muß.<br />

Er sprang also nicht den lichten Uferhang hinab, gerade auf das Wasser zu, sondern er<br />

eilte in weiten Sprüngen unter den Bäumen flußaufwärts hin und schnellte erst dann, als<br />

er seiner Meinung nach weit genug nach oben gekommen war, unter den Bäumen hervor.<br />

Ein schwarzer, glatter Felsen führte da scharf zum Wasser hinab. In seiner Eile setzte<br />

Bob sich nieder und rutschte, als ob er Schlitten fahren wolle, diesen Felsen hinab und in<br />

das ölige, mit schmutzig flockigem Schaum bedeckte Wasser hinein.<br />

Dabei fühlte er etwas Hartes, was an seinen Körper stieß. Es war ein starker Ast, der sich<br />

hier im Ufergrunde festgestochen hatte.<br />

»Oh, oh!« jubelte er. »Masser Bob kein Gewehr. Ast sein Gewehr, sein Keule!«<br />

Er riß ihn aus dem Schlamme und begann nun gewaltig auszustreichen.<br />

<strong>Der</strong> brave Bursche wurde von den Ogallala gar nicht bemerkt. Während der Rutschpartie<br />

war sein schwarzer Körper von dem dunklen Gestein nicht zu unterscheiden gewesen,<br />

und nun im Wasser stachen sein Kopf und seine Schultern so<br />

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wenig von der schmutzigen Fläche ab, daß selbst andere Augen als diejenigen der<br />

Ogallala nicht auf ihn aufmerksam geworden wären. Die letzteren hielten übrigens jetzt<br />

ihre Blicke nach dem Schlammkrater gerichtet; auf etwas anderes achteten sie nicht.<br />

Jetzt, eben als das unterirdische Rollen und Brausen begann, sah Old Shatterhand seine<br />

roten Verbündeten dort nach der abwärts liegenden Enge zu in das Wasser reiten. Die<br />

Katastrophe war da.<br />

Er lehnte seinen Henrystutzen an den Stamm <strong>des</strong> Baumes, hinter welchem er stand, und<br />

nahm den zweiläufigen, schweren Bärentöter empor. Auf diese beiden Gewehre konnte er<br />

sich verlassen.<br />

Hundert andere hätten jetzt vor Aufregung gezittert; dieser Mann aber blieb so ruhig, als<br />

ob er beabsichtige, im Freun<strong>des</strong>kreise nach einer Scheibe zu schießen.<br />

Drüben traten die Sioux vom Krater zurück. Nur zwei von ihnen blieben stehen.<br />

Da hob der Häuptling den Arm. Ob er vielleicht ein lautes Kommandowort sprach, konnte<br />

Old Shatterhand nicht hören, da das Brausen stärker geworden war; aber was diese<br />

Armbewegung zu bedeuten hatte, das wußte Shatterhand genau - den Martertod Martins<br />

und Wohkadehs.<br />

Er nahm den Kolben an die Wange. Zweimal blitzte der Bärentöter schnell hintereinander<br />

auf; dann warf der Schütze ihn weg und griff zum Stutzen, um bereit zu sein, wenn er<br />

auch ihn brauchen sollte. Er selbst hatte wohl das Krachen seiner beiden Schüsse gehört,

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