Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
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»Ich habe nichts zu sagen!«<br />
Da ging ein höhnisches Lächeln über das Gesicht <strong>des</strong> Häuptlings. Er fuhr fort:<br />
»Ich kenne Wohkadeh. Er wird uns dennoch alles, alles sagen!«<br />
»Ihr werdet vergebens darauf warten.«<br />
»So ist Wohkadeh ein Feigling. Er fürchtet sich. Er hat den Mut, Böses zu thun, aber es<br />
fehlt ihm der Mut, es einzugestehen. Wohkadeh ist trotz seiner Jugend ein altes Weib,<br />
welches vor Angst heult, wenn es von einer Fliege gestochen wird!«<br />
Wohl kannte der Häuptling den jungen Mann. Seine Worte erreichten ihren Zweck.<br />
Kein Indianer läßt sich einen Feigling nennen, ohne sofort zu zeigen, daß er mutig sei.<br />
Von früher Jugend an an Entbehrungen, Anstrengungen und allerhand Schmerzen<br />
gewöhnt, achtet er den Tod nicht. Er ist ja überzeugt, nach dem Tode sofort in die ewigen<br />
Jagdgründe zu gelangen. Er ist also, falls er ein Feigling genannt wird, bereit, das<br />
Gegenteil zu beweisen und dabei selbst sein Leben auf das Spiel zu setzen. So auch<br />
Wohkadeh. Kaum hatte der Häuptling die Beleidigung ausgesprochen, so antwortete er<br />
rasch:<br />
»Ich habe den weißen Büffel getötet. Alle Sioux-Ogallala wissen das!«<br />
»Aber keiner von ihnen war dabei. Keiner hat gesehen, daß du ihn wirklich tötetest. Du<br />
hast das Fell gebracht, das wissen wir; weiter nichts!«<br />
»Gibt der Büffel sein Fell freiwillig her?«<br />
»Nein! Aber wenn er gestorben ist, so liegt er auf der Prairie. Wohkadeh kommt dazu,<br />
nimmt ihm die Haut, trägt sie heim und sagt dann, daß er ihn getötet habe. <strong>Der</strong> Büffel aber<br />
war von selbst verendet.«<br />
»Das ist eine Lüge!« rief Wohkadeh, in höchstem Grade erzürnt über diese neue<br />
Beleidigung. »Kein verendeter Büffel liegt in der Prairie. Die Geier und Koyoten fressen<br />
ihn auf.«<br />
»Und der Koyot bist du!«<br />
»Uff!« rief Wohkadeh, an seinen Riemen zerrend. »Wäre ich nicht gefesselt, so wollte ich<br />
dir zeigen, ob ich ein feiger Prairiewolf bin oder nicht!«<br />
»Du hast es bereits gezeigt. Du bist ein Feigling, denn du fürchtest dich, die Wahrheit zu<br />
sagen!«<br />
»Ich habe nicht aus Angst geleug<strong>net</strong>!«<br />
»Warum denn?«<br />
»Aus Rücksicht für die anderen, welche sich in Eurer Hand befinden.«<br />
»Uff! Also jetzt gestehst du ein, daß du schuldig bist?«<br />
»Ja!«<br />
»So erzähle, was du gethan hast!«<br />
»Was soll ich erzählen? Das ist mit wenigen Worten gesagt. Ich bin nach dem Wigwam<br />
<strong>des</strong> Bärentöters gegangen, um zu erzählen, daß er von Euch gefangen genommen<br />
worden ist. Dann sind wir aufgebrochen, ihn zu befreien.«<br />
»Wer?«<br />
»Wir fünf. <strong>Der</strong> <strong>Sohn</strong> <strong>des</strong> Bärentöters, Jemmy, Davy, Frank und Wohkadeh.«<br />
»Weiter niemand?«<br />
»Nein!«<br />
»So hat wohl Wohkadeh die Bleichgesichter sehr lieb gewonnen?«<br />
»Ja! Einer unter ihnen ist mehr wert, als hundert Sioux-Ogallala.«<br />
<strong>Der</strong> Häuptling ließ seinen Blick im Kreise herumgleiten und freute sich heimlich über den<br />
Eindruck, welchen die letzten Worte <strong>des</strong> roten Jünglings bei den Ogallala hervorgebracht<br />
hatten. Dann fragte er:<br />
»Weißt du, was du gewagt hast, uns das zu sagen?«<br />
»Ja! Ihr werdet mich töten!«<br />
»Aber unter tausend Martern!«