Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
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»Sie wollen ihn verhören,« sagte Old Shatterhand. »Vielleicht halten sie Gericht über ihn<br />
und haben die Absicht, ihm die Strafe an diesem Orte zu geben. Ah, ich möchte hören,<br />
was jetzt gesprochen wird!«<br />
»Warum sollen die Ogallala überhaupt mit ihm sprechen dürfen?« stieß der Medizinmann<br />
hervor. »Wir wollen hinab und hinüber. <strong>Der</strong> Tomahawk soll sie alle fressen!«<br />
»So schnell geht das nicht,« warf Old Shatterhand ein. »Mein roter Bruder mag bedenken,<br />
daß wir noch tüchtig zu klettern haben, bevor wir diese Steilung hinab und an den Fluß<br />
kommen. Sie sehen uns ja, sobald wir unter den Bäumen hervortreten. Ehe wir den Fluß<br />
erreichen und ihn durchschwimmen, haben sie ihre Maßregeln getroffen.«<br />
»Hat mein weißer Bruder einen besseren Plan?«<br />
»Ja! Wir müssen ganz plötzlich über sie kommen, ganz ungeahnt. Denn ich befürchte,<br />
daß sie die Gefangenen lieber töten als in unsere Hände kommen lassen werden. Hier<br />
hinab können wir nicht; da bemerken sie uns. Dort unten aber tritt der Wald bis an den<br />
Fluß. Wir können also unbemerkt bis an das Ufer. Wenn wir vorsichtig sind, werden sie<br />
uns gar nicht sehen, denn die Bassinwand <strong>des</strong> Geisers ist dann zwischen ihnen und uns.«<br />
»Mein Bruder hat recht. So soll es geschehen. Aber ich mache eine Bedingung.«<br />
»Welche?«<br />
»Keiner darf den Häuptling der Ogallala töten. Ich habe eine Rache mit ihm, und er gehört<br />
mir!«<br />
Old Shatterhand blickte sinnend vor sich nieder. Dann hob er den Kopf und sagte, indem<br />
seine Brauen sich zusammenzogen:<br />
»Dort sind über fünfzig Feinde. Es wird sehr viel Blut fließen, und doch möchte ich das<br />
vermeiden. Aber es ist ganz unmöglich, sie in die Hand zu bekommen, ohne mit ihnen zu<br />
kämpfen.«<br />
<strong>Der</strong> Neger Bob, welcher während <strong>des</strong> Rittes sich immer am Ende <strong>des</strong> Zuges gehalten<br />
hatte, war nach vorn gekommen, um sich die Ogallala anzusehen. Da Old Shatterhand<br />
mit dem Indianer in <strong>des</strong>sen Sprache redete, verstand der Schwarze nicht, was gesagt<br />
wurde. Er trat jetzt herbei, deutete hinab und sagte -<br />
»Dort Massa Baumann und auch jung Massa Martin t Will Massa Shatterhand sie frei<br />
machen?«<br />
»Ja!«<br />
»Oh, oh! Sehr gut sein das, sehr gut! Neger Bob wird mithelfen frei machen. Neger Bob<br />
wird gleich hinunter und über Wasser hinüber. Masser Bob sich nicht fürchten vor<br />
Ogallala. Masser Bob sein stark und kühn. Er sie schlagen alle tot!«<br />
Er wollte wirklich fort. Old Shatterhand hielt ihn zurück. Er nahm das Fernrohr aus der<br />
Satteltasche und richtete es auf die Sioux. Eben jetzt wurde Martin Baumann<br />
losgebunden und auch in den Kreis geführt und neben Wohkadeh gestellt. Old<br />
Shatterhand hatte durch das Glas die Gesichter so nahe vor sich, daß er die<br />
Lippenbewegungen der Sprecher sah. Es war, als ob die Sioux kaum zwanzig Schritte<br />
von ihm entfernt seien.<br />
<strong>Der</strong> Häuptling sprach zu Martin Baumann, mit der Hand nach dem Schlammkrater<br />
deutend. Old Shatterhand sah ganz deutlich, daß Martin totenbleich wurde. Zu gleicher<br />
Zeit ertönte ein schriller Schrei, wie ihn die menschliche Kehle nur im Augenblicke <strong>des</strong><br />
größten Entsetzens ausstoßen kann.<br />
Einer der Gefangenen hatte ihn ausgestoßen, der alte Baumann. Old Shatterhand sah,<br />
daß der arme Mann aus allen Kräften an seinen Fesseln zerrte. Das, was der Häuptling<br />
gesagt hatte, mußte etwas geradezu Fürchterliches sein.<br />
Und das war es auch, etwas so Teuflisches, daß ein Vater wohl aus Angst um seinen<br />
<strong>Sohn</strong> einen solchen Schrei ausstoßen konnte.<br />
Die Sioux-Ogallala waren gestern erst nach Einbruch <strong>des</strong> Abends auf der Höhe <strong>des</strong><br />
Geiserflusses angekommen. Sie hatten erwartet, daß der »schwere Moccassin« da unter