Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
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Dieses Gebild - denn es gibt wohl kaum ein anderes, besseres Wort zur Bezeichnung <strong>des</strong><br />
Gegenstan<strong>des</strong> - also dieses Gebild war so wunderbar, auf den ersten Anblick so<br />
unbegreiflich, daß man hätte meinen mögen, sich in einer Zauberwelt zu befinden, in<br />
welcher Feen und Elfen und andere unirdische Wesen ein geheimnisvolles Dasein leben.<br />
Es war ein. terrassenförmiger Aufbau, so zart gegliedert und phantastisch verziert, als<br />
bestehe er aus frischgefallenem Schnee und den feinsten Eiskrystallen.<br />
Die unterste, umfangreichste Terrasse schien aus dem feinsten Elfenbein geschnitten zu<br />
sein. Ihr Rand war mit Zieraten bekleidet, welche von weitem wie die Kunstwerke eines<br />
phantasiereichen Bildhauers erschienen. Sie bildete ein mit Wasser gefälltes,<br />
halbkreisförmiges Bassin, aus welchem die zweite Terrasse aufstieg, glitzernd, wie mit<br />
Goldkörnern durchsetzter Alabaster. Diese zweite Terrasse hatte einen geringeren<br />
Durchmesser als die erste. Und ebenso trat die dritte hinter der zweiten zurück. Wie aus<br />
zart gezupfter, weißer Watte bestehend, hob sie sich schlank und jungfräulich aus der<br />
zweiten empor.<br />
(Fortsetzung folgt.)<br />
//123// 522<br />
<strong>Der</strong> Stoff, aus welchem sie bestand, war so luftig und duftig, daß man meinen konnte, sie<br />
vermöge nicht die min<strong>des</strong>te Last zu tragen. Und doch erhoben sich auf und über ihr noch<br />
sechs solcher Terrassen, jede aus einem Bassin bestehend, welches sein Wasser aus<br />
der nächst höheren empfing, um es der nächst unteren entweder in schlanken, dünnen<br />
Strahlen, in einem fein zerteilten Staubregen, in welchem die Sonne ihre Strahlen brach,<br />
oder in breiteren Abflüssen, welche ein schleierartiges Gewebe zu bilden schienen,<br />
mitzuteilen.<br />
So lehnte dieses Naturwunder sich schlank, strahlend und schneeglänzend an die dunkle<br />
Felsenwand, wie das aus Schneeflocken gewobene Kleid eines aus anderen Welten<br />
stammenden Wesens. Und doch war dieses Kleid von denselben Händen gefertigt,<br />
welche den schwarzen Basalt emporgetürmt und die Schlammvulkane durch die Erdrinde<br />
getrieben hatten.<br />
Man brauchte nur empor zur Spitze dieser wunderbaren Pyramide zu blicken, da sah man<br />
sofort, wodurch sie gebildet worden war. Dort stieg nämlich gerade jetzt ein hoher<br />
Wasserstrahl auf, der sich oben schirmartig ausbreitete und dann als Regen rundum<br />
niedersank. Dabei war jenes Brausen zu hören, welches vorhin Moh-aw nicht hatte<br />
begreifen können. Diesem Wasserstrahle folgten pfeifende, zischende, stöhnende<br />
Dämpfe, und es war als ob die Erde unter der Gewalt dieser Eruption zerbersten werde.<br />
Die Wasser <strong>des</strong> Geisers hatten sich diese Pyramide gebaut. Die feinen, leichten<br />
Bestandteile, welche der Strahl mit nach oben nahm, setzten sich beim Niederfallen fest<br />
und arbeiteten auch jetzt noch immerfort an dem wundersamen Gebilde. Das heiße<br />
Wasser floß von einer Terrasse auf die andere herab und wurde allmählich abgekühlt, so<br />
daß die einzelnen Bassins, von oben herab gerech<strong>net</strong>, eine immer niedrigere Temperatur<br />
zeigten. Unten endlich überströmte die krystallene Flüssigkeit das niederste Bassin und<br />
floß nach kurzem Laufe in den Feuerlochfluß.<br />
Wie ein Teufel neben einem Engel, so lag neben der herrlichen Gestalt dieser Pyramide<br />
ein weites, fast kreisrun<strong>des</strong>, dunkles, wallartiges Gebilde von schmutzigem Aussehen.<br />
Dieser Wall bestand aus einer festen Masse, auf welcher sich Reste vulkanischer Gebilde<br />
erhoben, welche die verschiedensten Gestalten besaßen. Es war, als habe ein<br />
Riesenkind mit Basaltstücken gespielt, dieselben in die abenteuerlichsten Formen<br />
gedrückt und gebogen und sie dann auf den runden Wall befestigt.<br />
Dieser letztere hatte einen Durchmesser von vielleicht fünfzig Fuß und bildete die<br />
natürliche Ummauerung eines Loches, <strong>des</strong>sen dunkel gähnender Rachen nichts Gutes<br />
verhieß.