Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

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29.10.2013 Aufrufe

Waren die Männer bisher schweigsam gewesen, so wurden sie am Lagerplatze nicht beredter. Sie hatten das Gefühl, vor entscheidenden Ereignissen zu stehen. In einer solchen Lage wird der Mensch schweigsam. Ein Feuer wurde nicht angebrannt. Old Shatterhand hatte aus der Frischheit der Fährte ersehen, daß die Ogallala kaum zwei englische Meilen vor ihnen waren. Hatten sie sich gelagert, so konnte man ihnen, ohne es zu wissen, so nahe gekommen sein, daß sie das Feuer bemerken und also erfahren mußten, daß sie verfolgt wurden. jeder wickelte sich schweigend in seine Decke und legte sich zur Ruhe, nachdem die Wachen ausgestellt waren. Aber kaum graute der Morgen, kaum waren die einzelnen Gegenstände voneinander zu unterscheiden, so wurde aufgebrochen. Die Spuren der Ogallala waren heute noch zu lesen. Nach vielleicht einer Stunde erklärte Old Shatterhand, daß die Sioux gestern gar nicht gelagert hätten. Sie hatten jedenfalls nicht ruhen wollen, als sie den Feuerlochfluß erreicht hatten. Das war kein gutes Zeichen, denn es bewies, daß sie dort etwas vorhatten, was schnell geschehen sollte. Leider aber konnten die Verfolger die Schnelligkeit ihrer Pferde nicht ausnutzen, denn der Pflanzenwuchs hörte bald wieder auf, und an Stelle des weichen Bodens trat der harte, vulkanische Fels zu Tage. Da war es nun ganz unmöglich, eine Spur zu entdecken. Old Shatterhand meinte ganz richtigerweise, daß die Sioux-Ogallala bis hierher wohl dieselbe Richtung eingehalten hatten, der sie dann später gefolgt sein würden, und so hielt er sich immer in gerader Linie. Er erkannte bald, daß er sich in dieser Vermutung nicht geirrt habe. Es stiegen vor ihm die Feuerlochberge empor, hinter denen sich die berühmten Geiserbassins in immerwährender, grandioser Thätigkeit befinden. Da gab es wieder Pflanzenwuchs, sogar Wald, welcher an dieser Stelle meist aus dunklen Fichten bestand. Sie erreichten einen schmalen Wasserlauf, welcher sich durch weichen Grasboden schlängelte, und gerade da, wo sie auf denselben traten, war der Boden von vielen Pferdehufen zerstampft. Die Hufeindrücke zogen sich längs des Wassers hin, und es war deutlich zu erkennen, daß die Sioux da ihre Pferde getränkt hatten. Also war die Fährte glücklich wieder gefunden, und von jetzt an bis hinauf zur Höhe behielt sie eine solche Deutlichkeit, daß ein Irrtum gar nicht möglich war. Ein offener Weg führte nicht hinauf. Man mußte unter Bäumen reiten. Diese standen so weit auseinander, daß sie keine Hindernisse boten. Aber gerade der Ritt im Walde ist für den Westmann am gefährlichsten. Es kann hinter dem nächsten Baum ein Feind verborgen sein, von dessen Gegenwart er keine Ahnung hat. Wie leicht war es möglich, daß die Ogallala auf den Gedanken gekommen waren, daß sie verfolgt würden. Man konnte doch nicht wissen, welch ein Geständnis sie den Gefangenen durch Gewalt oder List abgelockt hatten. Hatten sie die Ahnung, verfolgt zu sein, so waren sie jedenfalls so klug gewesen, die geeigneten Maßregeln zu treffen, und die allerbeste derselben bestand im Legen eines Hinterhaltes. Darum schickte Old Shatterhand einige Schoschonen voran, welche das Terrain abzusuchen hatten und sich, sobald sie etwas Verdächtiges bemerken würden, auf den Haupttrupp zurückziehen sollten. Glücklicherweise erwies diese Vorsicht sich als unnötig. Daran war das Abkommen schuld, welches der dicke Jemmy mit dem Gefangenen, welcher von dem Häuptlinge der Ogallala den Auftrag erhalten hatte, seine Mitgefangenen zu verraten, getroffen hatte. Da die Gefangenen, abgesehen von Wohkadeh, auch während des Rittes in schlauer Absicht nicht voneinander getrennt worden waren, so hatten sie miteinander sprechen können. Die stillschweigende Erlaubnis dazu hatte der Häuptling erteilt, damit sein vermeintlicher Verbündeter Gelegenheit erhalten könnte, alles, was er ihm berichten sollte, von ihnen zu erfahren.

Dann am Abende hatte der »schwere Moccassin« ihn so unauffällig wie möglich von den anderen trennen lassen und sich zu ihm gesellt, um ihn auszufragen. Der Mann hatte die Antworten gegeben, welche ihm von Jemmy anbefohlen worden waren, und dabei auch die Versicherung //122// 507 gegeben, daß außer Wohkadeh und den vier Weißen kein einziger Mensch nach dem Yellowstone gekommen sei. Das hatte der Häuptling geglaubt und infolgedessen alle Vorsichtsmaßregeln für überflüssig gehalten. So kam es, daß Old Shatterhand mit seinen Indianern die Höhe erreichte, ohne auf irgend ein Hindernis zu treffen. Auch diese Höhe trug dichten, hochstämmigen Wald; darum konnte man nicht in das jenseitige Thal hinabblicken, obgleich die diesseitige Wand desselben ziemlich steil abzufallen schien. Unter den Bäumen hinreitend, hörten sie ein ganz eigentümliches, dumpf brausendes Geräusch, welches bald von einem schrillen Pfeifen unterbrochen wurde, und darauf ertönte ein Zischen, gerade so, wie wenn bei einer Lokomotive die überflüssigen Dämpfe abgelassen werden. »Was ist das?« fragte Moh-aw, der Sohn des Schoschonenhäuptlings, erstaunt. »Jedenfalls ein Geiser,« antwortete Old Shatterhand. Da den Indianern das Wort Geiser ein vollständig unbekanntes ist, so bediente er sich des Ausdruckes >War-p' eh-pejah, Warmwasserberg

Waren die Männer bisher schweigsam gewesen, so wurden sie am Lagerplatze nicht<br />

beredter. Sie hatten das Gefühl, vor entscheidenden Ereignissen zu stehen. In einer<br />

solchen Lage wird der Mensch schweigsam.<br />

Ein Feuer wurde nicht angebrannt. Old Shatterhand hatte aus der Frischheit der Fährte<br />

ersehen, daß die Ogallala kaum zwei englische Meilen vor ihnen waren. Hatten sie sich<br />

gelagert, so konnte man ihnen, ohne es zu wissen, so nahe gekommen sein, daß sie das<br />

Feuer bemerken und also erfahren mußten, daß sie verfolgt wurden.<br />

jeder wickelte sich schweigend in seine Decke und legte sich zur Ruhe, nachdem die<br />

Wachen ausgestellt waren. Aber kaum graute der Morgen, kaum waren die einzelnen<br />

Gegenstände voneinander zu unterscheiden, so wurde aufgebrochen.<br />

Die Spuren der Ogallala waren heute noch zu lesen. Nach vielleicht einer Stunde erklärte<br />

Old Shatterhand, daß die Sioux gestern gar nicht gelagert hätten. Sie hatten jedenfalls<br />

nicht ruhen wollen, als sie den Feuerlochfluß erreicht hatten.<br />

Das war kein gutes Zeichen, denn es bewies, daß sie dort etwas vorhatten, was schnell<br />

geschehen sollte. Leider aber konnten die Verfolger die Schnelligkeit ihrer Pferde nicht<br />

ausnutzen, denn der Pflanzenwuchs hörte bald wieder auf, und an Stelle <strong>des</strong> weichen<br />

Bodens trat der harte, vulkanische Fels zu Tage.<br />

Da war es nun ganz unmöglich, eine Spur zu entdecken. Old Shatterhand meinte ganz<br />

richtigerweise, daß die Sioux-Ogallala bis hierher wohl dieselbe Richtung eingehalten<br />

hatten, der sie dann später gefolgt sein würden, und so hielt er sich immer in gerader<br />

Linie.<br />

Er erkannte bald, daß er sich in dieser Vermutung nicht geirrt habe. Es stiegen vor ihm die<br />

Feuerlochberge empor, hinter denen sich die berühmten Geiserbassins in<br />

immerwährender, grandioser Thätigkeit befinden. Da gab es wieder Pflanzenwuchs, sogar<br />

Wald, welcher an dieser Stelle meist aus dunklen Fichten bestand.<br />

Sie erreichten einen schmalen Wasserlauf, welcher sich durch weichen Grasboden<br />

schlängelte, und gerade da, wo sie auf denselben traten, war der Boden von vielen<br />

Pferdehufen zerstampft. Die Hufeindrücke zogen sich längs <strong>des</strong> Wassers hin, und es war<br />

deutlich zu erkennen, daß die Sioux da ihre Pferde getränkt hatten. Also war die Fährte<br />

glücklich wieder gefunden, und von jetzt an bis hinauf zur Höhe behielt sie eine solche<br />

Deutlichkeit, daß ein Irrtum gar nicht möglich war.<br />

Ein offener Weg führte nicht hinauf. Man mußte unter Bäumen reiten. Diese standen so<br />

weit auseinander, daß sie keine Hindernisse boten. Aber gerade der Ritt im Walde ist für<br />

den Westmann am gefährlichsten. Es kann hinter dem nächsten Baum ein Feind<br />

verborgen sein, von <strong>des</strong>sen Gegenwart er keine Ahnung hat.<br />

Wie leicht war es möglich, daß die Ogallala auf den Gedanken gekommen waren, daß sie<br />

verfolgt würden. Man konnte doch nicht wissen, welch ein Geständnis sie den<br />

Gefangenen durch Gewalt oder List abgelockt hatten. Hatten sie die Ahnung, verfolgt zu<br />

sein, so waren sie jedenfalls so klug gewesen, die geeig<strong>net</strong>en Maßregeln zu treffen, und<br />

die allerbeste derselben bestand im Legen eines Hinterhaltes.<br />

Darum schickte Old Shatterhand einige Schoschonen voran, welche das Terrain<br />

abzusuchen hatten und sich, sobald sie etwas Verdächtiges bemerken würden, auf den<br />

Haupttrupp zurückziehen sollten.<br />

Glücklicherweise erwies diese Vorsicht sich als unnötig. Daran war das Abkommen<br />

schuld, welches der dicke Jemmy mit dem Gefangenen, welcher von dem Häuptlinge der<br />

Ogallala den Auftrag erhalten hatte, seine Mitgefangenen zu verraten, getroffen hatte.<br />

Da die Gefangenen, abgesehen von Wohkadeh, auch während <strong>des</strong> Rittes in schlauer<br />

Absicht nicht voneinander getrennt worden waren, so hatten sie miteinander sprechen<br />

können. Die stillschweigende Erlaubnis dazu hatte der Häuptling erteilt, damit sein<br />

vermeintlicher Verbündeter Gelegenheit erhalten könnte, alles, was er ihm berichten<br />

sollte, von ihnen zu erfahren.

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