Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

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»Den Verräter wird er machen sollen,« antwortete dieser. »Ein wahres Glück, daß ich und auch meine Gefährten noch nichts von der Hilfe, die wir erwarten, gesagt haben.« »Erwähnt haben Sie es aber doch.« »Das ist nicht gefährlich. Hüten wir uns, dem Manne, sofern er zurückkehrt, irgend eine wichtige Mitteilung zu machen. Wir müssen uns erst überzeugen, daß wir ihm trauen können.« Jemmy hatte ganz richtig vermutet. Der Mann war zu dem Häuptlinge geführt worden, der ihn mit finsterem Blicke empfing. Der Aermste konnte sich nicht auf den Füßen erhalten. Er mußte sich auf die Erde setzen. »Weißt du, welches Schicksal dich erwartet?« wurde er von dem Häuptlinge gefragt. »Ja,« antwortete der Gefragte mit matter Stimme. »Ihr habt es uns doch oft genug gesagt.« »Nun, sage es auch mir!« »Wir sollen getötet werden.« »Ja, der Tod ist euch sicher, der qualvollste Tod. Ihr sollt Martern ausstehen, wie noch niemals ein Bleichgesicht ausgestanden hat, dem Grabe zu Ehren, auf welchem ihr sterben werdet. Was würdest du geben, wenn diese Qualen dir erspart blieben?« Der Weiße antwortete nicht. »Wenn du dein Leben retten könntest?« »Ist es denn zu retten?« fragte der Mann hastig. »Ja.« »Was muß ich da thun? Was verlangst du von mir?« Der Gedanke, sich retten zu können, brachte seine geschwächten Lebensgeister in Aufregung. Seine Augen bekamen Glanz, und seine matt zusammengesunkene Gestalt richtete sich auf. »Es ist ganz wenig, was ich von dir verlange,« antwortete der Häuptling. »Du sollst mir einige Fragen beantworten.« »Gern, gern!« stieß der Mann freudig hervor. »Aber du mußt die Wahrheit sagen, sonst wirst du unter verzehnfachten Qualen sterben müssen. Hast du die Hütte des Bärentöters gekannt, welche er bewohnte?« »Ja.« »Bist du drin gewesen?« »Ja. Wir alle fünf waren mehrere Tage bei ihm, bevor wir den Ritt in die Berge unternahmen.« »So weißt du auch, wer bei ihm wohnte?« »Natürlich.« »So sage es.« »Er hatte seinen Sohn und - -« Der Mann stockte. Es kam ihm doch der Gedanke, daß die Auskunft, welche man von ihm forderte, vielleicht von größter Wichtigkeit für die Betreffenden sei. »Warum sprichst du nicht weiter?« fragte der »schwere Moccassin« in strengem Tone. »Warum fragst du mich?« »Hund!« fuhr der Häuptling auf. »Weißt du, was du bist? Der Wurm, den ich zertrete! Sprich noch eine einzige so freche Frage aus, so gebe ich dich meinen Kriegern als Zielscheibe ihrer Messer! Ich will das, wonach ich frage, wissen. Sagst du es mir nicht, so erfahre ich es von einem anderen!« Der Weiße war bei diesen zornigen Worten zusammengezuckt wie ein Hund, welchem sein Herr die Peitsche zeigt. Körperlich halb tot und geistig gefoltert, hatte er nicht mehr die Kraft des Widerstandes. Er wagte nur noch die Frage: »Und du wirst mir das Leben und die Freiheit schenken, wenn ich dir alles sage?« »Ja. Ich habe es gesagt, und ich halte mein Wort. Also, bist du bereit, mir die volle Wahrheit einzugestehen?« »Ja,« erklärte der beklagenswerte, von dem Versprechen verblendete Mann. »So antworte! Hat der Bärentöter einen Sohn?« »Ja. Er heißt Martin.«

»Ist es das junge Bleichgesicht, welches jetzt mit bei euch liegt?« »Ja, er ist es.« »Uff! Die Augen des >schweren Moccassin< sind scharf. Kennst du auch die anderen weißen Männer?« »Nur den einen, welcher hinkt. Er wohnte mit bei dem Bärentöter und heißt Hobble- Frank.« Der Häuptling sah eine Weile sinnend vor sich hin. Dann fragte er: »Was du sagst, ist die Wahrheit?« »Ja; ich kann es beschwören.« »So ist es gut. Wir sind fertig.« Der Ogallala, welcher den Weißen herbeigeholt hatte, erhielt einen Wink. Er ergriff ihn beim Arme, um ihn empor zu ziehen und fort zu führen. Da aber fragte der Weiße: »Du hast mir das Leben und die Freiheit versprochen. Wann erhalte ich die letztere?« Da grinste ihm das Gesicht des Häuptlings mit grimmigem Lachen entgegen. »Du bist ein weißer Hund, dem man nicht Wort zu halten braucht,« antwortete er. »Du wirst ebenso sterben wie die anderen, denn du bist - -« Er hielt inne. Es schien ihm plötzlich ein Gedanke gekommen zu sein, denn sein Gesicht nahm einen ganz anderen, viel freundlicheren Ausdruck an, und nun fuhr er fort: »Du hast mir zu wenig gesagt.« »Ich weiß nicht mehr.« »Das ist eine Lüge!« »Ich kann nicht mehr sagen, als ich weiß.« »Haben die Bleichgesichter, welche vorhin gebracht wurden, mit dem Bärentöter gesprochen?« »Ja.« »Was?« »Ich weiß es nicht.« »Wenn du weißt, daß sie gesprochen haben, mußt du auch wissen, was geredet worden ist.« »Nein, denn sie redeten in einer Sprache, welche ich nicht verstehe, und sprachen überhaupt sehr leise.« »Weißt du nicht, wie sie mit Wohkadeh zusammengetroffen sind?« »Ich weiß gar nicht, wer Wohkadeh ist.« »Und weißt du, ob sie sich allein in dieser Gegend befinden, oder ob noch andere Bleichgesichter vorhanden sind?« »Auch davon weiß ich nichts.« »Nun, das ist es, was ich wissen will und was du erfahren sollst. Frage sie aus. Wenn du es erfahren kannst, so will ich dich frei geben. Du sollst uns auf dem Rückwege begleiten, und wenn wir in Gegenden kommen, wo sich Bleichgesichter befinden, werden wir dich zu ihnen bringen. Jetzt kannst du gehen; heute abend, wenn wir den Lagerplatz erreicht haben und die Bleichgesichter alle schlafen, sollst du mir erzählen, was du erfahren hast.« Der Mann wurde wieder zu seinen Mitgefangenen gebracht, an seinen Platz gelegt und an den Füßen gefesselt. //118// 491 Die anderen schwiegen, und auch er verhielt sich still. Es war ihm gar nicht wohl zu Mute. Er war ein ganz braver Kerl. Wenn er über das Verhalten des Häuptlings nachdachte, erschien es ihm als gar nicht sehr wahrscheinlich, daß derselbe sein Wort halten werde. Er begann einzusehen, daß er sich hatte überlisten lassen. Er hätte gar nichts sagen sollen. je länger er nachdachte, desto mehr sah er ein, daß er dem »schweren

»Ist es das junge Bleichgesicht, welches jetzt mit bei euch liegt?«<br />

»Ja, er ist es.«<br />

»Uff! Die Augen <strong>des</strong> >schweren Moccassin< sind scharf. Kennst du auch die anderen<br />

weißen Männer?«<br />

»Nur den einen, welcher hinkt. Er wohnte mit bei dem Bärentöter und heißt Hobble-<br />

Frank.«<br />

<strong>Der</strong> Häuptling sah eine Weile sinnend vor sich hin. Dann fragte er:<br />

»Was du sagst, ist die Wahrheit?«<br />

»Ja; ich kann es beschwören.«<br />

»So ist es gut. Wir sind fertig.«<br />

<strong>Der</strong> Ogallala, welcher den Weißen herbeigeholt hatte, erhielt einen Wink. Er ergriff ihn<br />

beim Arme, um ihn empor zu ziehen und fort zu führen. Da aber fragte der Weiße:<br />

»Du hast mir das Leben und die Freiheit versprochen. Wann erhalte ich die letztere?«<br />

Da grinste ihm das Gesicht <strong>des</strong> Häuptlings mit grimmigem Lachen entgegen.<br />

»Du bist ein weißer Hund, dem man nicht Wort zu halten braucht,« antwortete er. »Du<br />

wirst ebenso sterben wie die anderen, denn du bist - -«<br />

Er hielt inne. Es schien ihm plötzlich ein Gedanke gekommen zu sein, denn sein Gesicht<br />

nahm einen ganz anderen, viel freundlicheren Ausdruck an, und nun fuhr er fort:<br />

»Du hast mir zu wenig gesagt.«<br />

»Ich weiß nicht mehr.«<br />

»Das ist eine Lüge!«<br />

»Ich kann nicht mehr sagen, als ich weiß.«<br />

»Haben die Bleichgesichter, welche vorhin gebracht wurden, mit dem Bärentöter<br />

gesprochen?«<br />

»Ja.«<br />

»Was?«<br />

»Ich weiß es nicht.«<br />

»Wenn du weißt, daß sie gesprochen haben, mußt du auch wissen, was geredet worden<br />

ist.«<br />

»Nein, denn sie redeten in einer Sprache, welche ich nicht verstehe, und sprachen<br />

überhaupt sehr leise.«<br />

»Weißt du nicht, wie sie mit Wohkadeh zusammengetroffen sind?«<br />

»Ich weiß gar nicht, wer Wohkadeh ist.«<br />

»Und weißt du, ob sie sich allein in dieser Gegend befinden, oder ob noch andere<br />

Bleichgesichter vorhanden sind?«<br />

»Auch davon weiß ich nichts.«<br />

»Nun, das ist es, was ich wissen will und was du erfahren sollst. Frage sie aus. Wenn du<br />

es erfahren kannst, so will ich dich frei geben. Du sollst uns auf dem Rückwege begleiten,<br />

und wenn wir in Gegenden kommen, wo sich Bleichgesichter befinden, werden wir dich zu<br />

ihnen bringen. Jetzt kannst du gehen; heute abend, wenn wir den Lagerplatz erreicht<br />

haben und die Bleichgesichter alle schlafen, sollst du mir erzählen, was du erfahren hast.«<br />

<strong>Der</strong> Mann wurde wieder zu seinen Mitgefangenen gebracht, an seinen Platz gelegt und an<br />

den Füßen gefesselt.<br />

//118// 491<br />

Die anderen schwiegen, und auch er verhielt sich still. Es war ihm gar nicht wohl zu Mute.<br />

Er war ein ganz braver Kerl. Wenn er über das Verhalten <strong>des</strong> Häuptlings nachdachte,<br />

erschien es ihm als gar nicht sehr wahrscheinlich, daß derselbe sein Wort halten werde.<br />

Er begann einzusehen, daß er sich hatte überlisten lassen. Er hätte gar nichts sagen<br />

sollen. je länger er nachdachte, <strong>des</strong>to mehr sah er ein, daß er dem »schweren

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