29.10.2013 Aufrufe

Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Der</strong> kühne rote Knabe machte ein sehr erstauntes Gesicht. Er antwortete:<br />

»Wohkadeh der Gefangene seines eigenen Stammes? Wer gibt dem >schweren<br />

Mokassin< das Recht, einen Krieger seiner Nation gefangen zu nehmen?«<br />

»Er nimmt sich dieses Recht selbst. Er ist der Anführer dieses Kriegszuges und kann<br />

thun, was ihm beliebt.«<br />

Da nahm Wohkadeh sein Pferd hoch in die Zügel, gab ihm die Fersen in die Weichen und<br />

zwang es, eine volle, schnelle Kreiswendung auf den Hinterbeinen zu machen. Da es<br />

dabei mit den Vorderhufen ausschlug, mußten diejenigen Sioux-Ogallala, welche sich zu<br />

nahe an ihn herangedrängt hatten, von ihm zurückweichen. Er bekam Platz. Jetzt legte er<br />

die Zügel auf den Hals <strong>des</strong> Pfer<strong>des</strong>, so daß er auch die linke Hand frei bekam, ergriff<br />

seine Büchse, so daß er sie schußfertig in den Händen hielt, und sagte:<br />

»Seit welcher Zeit dürfen die Häuptlinge der Sioux-OgalIala thun, was ihnen beliebt?<br />

Wozu sind die Versammlungen der alten Väter da? Wer gibt den Häuptlingen ihre Macht?<br />

Wer will einen tapferen Krieger der Ogallala zwingen, einem Häuptling zu gehorchen,<br />

welcher die Söhne seines eigenen Stammes wie Nigger behandelt? Wohkadeh ist ein<br />

junger Mann. Es gibt tapferere, weisere und berühmtere Krieger in seinem Stamm; aber<br />

er hat den weißen Büffel getötet und trägt die Adlerfedern in seinem Schopfe. Er ist kein<br />

Sklave. Er läßt sich nicht gefangen nehmen, und wer ihn beleidigt, der wird mit ihm<br />

kämpfen müssen!«<br />

Das waren stolze Worte, und sie gingen nicht verloren. Die Häuptlinge der Indianer<br />

besitzen keineswegs eine erbliche Macht. Ihnen ist nicht die Gewalt eines europäischen<br />

Fürsten gegeben. Sie können keine Gesetze machen und keine Verordnungen erlassen.<br />

Sie sind aus der Reihe der Krieger gewählt, weil sie sich entweder durch Tapferkeit oder<br />

Klugheit oder irgend eine andere Eigenschaft vor den übrigen ausgezeich<strong>net</strong> haben.<br />

Niemand ist wirklich gezwungen, ihnen zu gehorchen. Selbst wenn ein Häuptling einen<br />

Kriegszug veranstalten will, ist die Heeresfolge eine ganz freiwillige. jeder, dem es beliebt,<br />

kann daheim bleiben, wodurch er freilich das Mißfallen der anderen erregt. Auch während<br />

<strong>des</strong> Kriegszuges kann ein jeder zu jeder Zeit zurücktreten. <strong>Der</strong> Einfluß und die Macht <strong>des</strong><br />

Häuptlings beruht nur allein auf dem Eindrucke, welchen seine Persönlichkeit macht. Er<br />

kann beliebig abgesetzt werden.<br />

<strong>Der</strong> »schwere Mokassin«, welcher seinen Namen dem Umstande verdankte, daß er sehr<br />

große Füße hatte und also eine große Spur trat, war als ein strenger, eigen-<br />

//115// 467<br />

williger Mann bekannt. Zwar hatte er sich bedeutende Verdienste um den Stamm<br />

erworben, aber seine Hartnäckigkeit, sein Stolz hatten demselben auch sehr oft<br />

geschadet. Er war hart, grausam und blutdürstig. In Beziehung auf den Anhang, welchen<br />

er besaß, zerfiel der Stamm in zwei Abteilungen, in solche, welche seine Anhänger waren,<br />

und solche, welche entweder offen oder heimlich gegen ihn agitierten.<br />

Dieser Zwiespalt wurde auch jetzt offenbar, als Wohkadeh gesprochen hatte. Mehrere der<br />

Sioux ließen anerkennende, zustimmende Ausrufe hören. <strong>Der</strong> Häuptling warf ihnen einen<br />

grimmigen Blick zu, gab einigen seiner treuen Anhänger ein Zeichen, auf welches sie<br />

sofort nach dem Eingang eilten, um denselben zu besetzen, damit Wohkadeh nicht<br />

entfliehen könne, und antwortete sodann:<br />

»Jeder Sioux-Ogallala ist ein freier Mann. Er kann thun, was ihm beliebt. Da hat<br />

Wohkadeh ganz recht. Aber sobald ein Krieger zum Verräter an seinen Brüdern wird, hat<br />

er das Recht verloren, ein freier Mann zu sein.«<br />

»Meinst du, daß ich ein Verräter bin?«<br />

»Ich meine es!«<br />

»Beweise es!«<br />

»Ich werde es beweisen vor der Versammlung dieser Krieger.«

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!