Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
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Martin bemerkte den forschenden Blick nicht, welchen Old Shatterhand bei dieser Frage<br />
auf ihn warf, antwortete aber dennoch mit einer kleinen, nicht ganz zu beherrschenden<br />
Verlegenheit:<br />
»Ich interessiere mich natürlich für denselben, weil mein Vater ihn zu reiten hat. Ich habe<br />
gehört, daß er sehr gefährlich sein soll.«<br />
»Das will ich nicht behaupten. Man hat natürlich die Nähe der Geiser und sodann<br />
diejenigen Stellen zu vermeiden, an welchen die Erdrinde so dünn ist, daß man beim<br />
Betreten derselben durchbrechen würde. Man reitet von Bottelers Range im Thale <strong>des</strong><br />
Flusses aufwärts, an erloschenen Vulkanen vorüber. Nach vier bis fünf Stunden gelangt<br />
man in den unteren Cannon, welcher eine halbe Meile lang und wohl tausend Fuß tief in<br />
den Granit geschnitten ist. Nach abermals fünf Stunden erreicht man einen Berg, von<br />
<strong>des</strong>sen Spitze zwei parallele Felsenmauern fast dreitausend Fuß tief herniederlaufen. Das<br />
wird die Rutschbahn <strong>des</strong> Teufels genannt. Drei Stunden später gelangt man an die<br />
Mündung <strong>des</strong> Gardinerflusses, dem man nun aufwärts zu folgen hat, weil man am<br />
Yellowstone-River nicht mehr vorwärts kann. Dann reitet man an den Washburnebergen<br />
und dem Cascade-Creek entlang, welch letzterer wieder nach dem Yellowstone führt. Er<br />
mündet zwischen den oberen und unteren Fällen <strong>des</strong>selben, und man befindet sich somit<br />
an dem Rande <strong>des</strong> großen Cannon, welcher wohl das größte Wunder <strong>des</strong><br />
Yellowstonebassins bildet.«<br />
»Kennt Ihr dieses Wunder, Sir?« fragte der dicke Jemmy.<br />
Auch diesem Frager warf Old Shatterhand einen heimlich forschenden Blick zu, bevor er<br />
antwortete:<br />
»Ja. Er ist wohl über sieben deutsche Meilen lang und mehrere tausend Fuß tief. Die<br />
Wände fallen geradezu lotrecht in die Tiefe, und nur ein völlig schwindelfreier Mensch darf<br />
es wagen, nach dem Rande hinzukriechen, um in die schauerliche Tiefe zu blicken, in<br />
welcher der vorher zweihundert Fuß breite Fluß wie ein dünner Faden erscheint. Und<br />
doch ist es dieser Faden gewesen, welcher sich im Verlaufe von Jahrtausenden so tief in<br />
die Felsen eingeschnitten hat. Die Wogen brausen unten an den massiven Steinmauern<br />
mit fürchterlicher Schnelligkeit dahin, droben aber ist von ihrem Wüten nichts zu hören.<br />
Kein Sterblicher kann da hinab, und wenn er es könnte, er vermöchte doch nicht, nur eine<br />
Viertelstunde es auszuhalten. Es würde ihm an der Luft fehlen. Das Wasser <strong>des</strong> Flusses<br />
ist warm, sieht wie Oel aus, besitzt einen ekelhaften Schwefel- und Alaungeschmack und<br />
verbreitet einen Gestank, der nicht zu ertragen ist. Geht man am Cannon aufwärts, so<br />
erreicht man die unteren Fälle <strong>des</strong> Flusses, wo dieser sich aus einer Höhe von<br />
vierhundert Fuß in die grauenvolle Tiefe stürzt. Eine Viertelstunde weiter aufwärts fällt der<br />
Strom abermals weit über hundert Fuß herab. Von diesen oberen Fällen bis hierher würde<br />
ein Reiter ungefähr neun Stunden brauchen. Das macht also von Bottelers Range aus<br />
zwei tüchtige Tagesritte, welche wir den Sioux Ogallala voraus sind. Genau kann diese<br />
Rechnung allerdings nicht sein; aber einige Stunden mehr oder weniger sind ja nicht von<br />
Belang. Es genügt uns, zu wissen, daß unsere Feinde noch nicht hier sein können.«<br />
(Fortsetzung folgt.)<br />
//109// 457<br />
»Und wo werden sie sich morgen um diese Zeit befinden, Sir?« fragte Martin Baumann.<br />
»Am oberen Ausgange <strong>des</strong> Cannons. Habt Ihr einen Grund, das so genau wissen zu<br />
wollen?«<br />
»Einen direkten nicht; aber Ihr könnt Euch denken, daß ich den Vater in Gedanken<br />
begleite. Wer weiß, ob er noch lebt.«<br />
»Ich bin ganz überzeugt davon.«<br />
»Die Sioux können ihn getötet haben!«