Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
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<strong>Der</strong> Anführer der feindlichen Indianer war, wie Martin Baumann bereits berichtet hatte,<br />
eine wirklich herkulische Gestalt. Er saß wie ein Kriegsgott zu Pferde. Die weiten<br />
Lederhosen hingen an den Nähten voller Flechten, gefertigt aus dem Haare der von ihm<br />
erlegten Feinde. Die starkledernen Beinschützer, welche vom Sattel bis herab zu den<br />
Steigbügeln reichten, waren mit langen Streifen von Menschenhaut verziert. Auf der<br />
breiten Brust trug er über dem hirschledernen Jagdrocke eine Art Panzer, welcher aus<br />
schuppenförmig übereinander befestigten Skalptellern bestand. Im Gürtel steckte neben<br />
allerlei notwendigen Gegenständen ein großes Jagdmesser und ein riesiger Tomahawk,<br />
welcher nur von der Faust eines so athletisch gebauten Menschen geschwungen werden<br />
konnte, und auf dem Kopfe saß der Schädel eines Kuguar, von welchem das in lange,<br />
dicke Seile gedrehte Fell <strong>des</strong>selben herniederhing. Das Gesicht dieses Mannes war mit<br />
schwarzer, roter und gelber Farbe bemalt, und in der Rechten hielt er eine schwere<br />
Büchse, aus welcher er gar manchen tödlichen Schuß abgefeuert hatte.<br />
Dieser Mann erkannte sofort, daß die ihm entgegenstarrenden Gewehrläufe den Waffen<br />
seiner Schar in diesem Augenblicke überlegen seien.<br />
»Zurück!« rief er mit tiefer Stimme, deren Ton förmlich durch den Cannon donnerte.<br />
Dabei riß er sein Pferd empor und warf es auf den Flechsen herum. Die Seinen thaten<br />
dasselbe. Da aber erblickten sie nun Win<strong>net</strong>ous Schar, deren Gewehre ihnen gerade so<br />
entgegenstarrten wie die am anderen Ende <strong>des</strong> Cannons.<br />
»Wakon schitscha - schlechte Medizin!« schrie er erschrocken. »Kehrt abermals um! Dort<br />
steht ein Mann, welcher das Zeichen <strong>des</strong> Redners in der Hand hat. Unsere Ohren werden<br />
hören, was er uns sagen will.«<br />
Er drehte sein Roß wieder herum und ritt langsam auf Old Shatterhand zu. Die Seinigen<br />
folgten ihm. Diesen Vorteil ließ der kluge Apache sich nicht entgehen. Er folgte ebenso<br />
und nahm so nahe hinter den Upsarocas Stellung, daß diese nun eng eingeschlossen<br />
waren.<br />
Old Shatterhand that keinen einzigen entgegenkommenden Schritt. <strong>Der</strong> Upsaroca<br />
musterte ihn mit furchtlosem Bücke und fragte:<br />
»Was will das Bleichgesicht hier? Warum stellt er sich mir und meinen Kriegern in den<br />
Weg?«<br />
Old Shatterhand hielt den Blick mit lächelnder Miene aus und antwortete:<br />
»Was will der rote Mann hier? Warum verfolgt er mich und meine Krieger?«<br />
»Weil ihr zwei unserer Brüder getötet habt.' «<br />
»Sie kamen als Feinde zu uns, und Feinde macht man unschädlich.«<br />
»Woher weißt du, daß wir deine Feinde sind?«<br />
»Weil ihr eure Medizin verloren habt.«<br />
Die Brauen <strong>des</strong> Riesen senkten sich tief herab.<br />
»Wer hat es dir gesagt?«<br />
»Ich weiß es, weil die beiden Krieger, welche an unseren Kugeln starben, ihre Medizinen<br />
nicht bei sich hatten.«<br />
»Du hast recht geraten. Ich bin nicht mehr, der ich war. Ich habe mit der Medizin auch<br />
meinen Namen verloren. Jetzt heiße ich Oiht-e-keh-fa-wakon, der Tapfere, welcher<br />
Medizin sucht. Laß uns vorüber, sonst töten wir euch!«<br />
»Ergebt euch, sonst seid ihr es, welche getötet werden!«<br />
»Dein Mund spricht stolze Worte. Wie aber sind deine Thaten?«<br />
»Du kannst sie sofort erfahren. Blicke vor und hinter dich! Ein Wink von mir, und mehr als<br />
fünfmal zehn Kugeln schlagen in deine kleine Schar.«<br />
»Das ist nicht tapfer, sondern feig. Viele stinkige Coyoten töten den stärksten Büffel. Was<br />
wären deine Hunde gegen meine Krieger, wenn ihr uns nicht eingeschlossen hättet. Ich<br />
allein würde die Hälfte von euch niederschlagen.«<br />
Er zog seinen schweren Tomahawk und schwang ihn drohend.