Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

thule.italia.net
von thule.italia.net Mehr von diesem Publisher
29.10.2013 Aufrufe

daran gedacht hatte, in höchschter Eile davonzukommen. Eener der Bottiche hatte ihm im Wege geschtanden, und er hatte sich gar nich die Zeit genommen, um denselben zu biegen; er hatte im Gegenteele über ihn hinwegschpringen wollen, war aber, da een Bär ja nich wie een Tiger schpringt, nich drüber hinweg, sondern vielmehr hineingeschprungen und hatte ihn von den Unterlagen, auf denen er schtand, herabgerissen. Da der Saft bereits sehre dickflüssig war, so verbreitete er eenen schtarken Zuckergeruch, über welchen das leichtsinnige Tier den Schturz vom Boome, den Schprung in die Grube und mich sofort vergessen hatte. Anschtatt mein »farewell« zu beherzigen und die darin liegende Warnung zu reschpektieren, hatte sich der Bär unter dem Boome häuslich niedergelassen, um mit allem Behagen die Süßigkeet vom Lehme wegzulecken. Er war so sehr in diese angenehme Beschäftigung vertieft, daß er gar nicht bemerkte, daß ich mich längs der Wand nach der Thür hin schlich und dann in das Haus schlüpfte. Jetzt war ich in Sicherheet und nahm meine Flinte vom Nagel. Sie war natürlich geladen. Da der Bär off den Hinterpranken saß und ich so lange zielen konnte, wie es mir beliebte, konnte ich gar keenen Fehlschuß thun. Die Kugel traf das Tier genau an derjenigen Schtelle, an welcher nach Ansicht der Dichter die zarteren Gefühle schtecken sollen, nämlich grad ins Herz hinein. Der Bär zuckte zusammen, richtete sich weiter off, machte mit den Vorderpranken eenige Geschtikulationen und sank dann tot zu Boden. Er hatte infolge seines Leichtsinnes und seiner Genußsucht offgehört, als lebendes Wesen zu exischtieren. Das Schicksal schreitet schnell, und jeglicher Unverschtand findet seine gerechte Schtrafe, und wem nich schon das Morgenrot zum frühen Tode geleuchtet hat, der kann dann am Nachmittage bereits an der Ahornzuckerkrankheet verscheiden.« »Das ist eine sehr ernste Nutzanwendung,« sagte Old Shatterhand. »Sie macht Ihnen alle Ehre. Ueberhaupt habe ich die Bemerkung gemacht, daß Sie sehr interessant zu erzählen verstehen. Ich habe noch keinen gehört, dem es so wie Ihnen gelungen wäre, den Stoff in ein so geistreiches Gewand zu kleiden.« »Ist das etwa een Wunder? Denken Sie an die Moritzburger Schulmeester, der sein ganzes, außerordentliches Wissen off mich übertragen hat, und denken Sie ooch an die Leihbibliothek und an die Lieferungswerke, deren treuer Abonnent ich gewest bin! Dazu war ich zweeter Tenor in unserem Gesangvereine und Schpritzenführer bei der freiwilligen Feuerwehr und Rettungsschar. Und ooch schpäter hab' ich schtets die Ohren geschpitzt, wo und wenn es was zu lernen gab. Unter solchen Umschtänden wird man klassisch, ohne daß man's selber merkt, und nur die Devotion, mit welcher man von anderen behandelt wird, bringt eenen zur Erkenntnis, daß man sich weit über den Nullpunkt nach Fahrenheit und Reaumur erhoben hat. Der Geist des Menschen muß nach oben schtreben, denn nur dort zwischen den Schternen hören die zeitlichen und unterirdischen Kalamitäten off. Leider muß sich selbst eene ideale Natur, wie ich bin, mit ordinären Dingen befassen. Das ist der Kampf ums Dasein. Und da thue ich meine Pflicht und fürchte mich sogar vor dem größten Bären nich.« »Nun, so gar sehr groß ist der Ihrige wohl nicht gewesen. Ein Grizzly kann nicht klettern. Was hatte er für eine Farbe?« »Sein Fell war schwarz.« »Und seine Schnauze?« »War gelb.« »Ah, so war es nur ein Baribal, vor welchem Sie gar keine Angst zu haben brauchen.« »Oho! es war ihm anzusehen, daß er Appetit nach Menschenfleisch hatte!« »Glauben Sie das nicht. Der Baribal frißt viel lieber Früchte als Fleisch. Ich mache mich anheischig, es ohne alle Waffen mit so einem dummguten Tiere aufzunehmen. Einige kräftige Faustschläge, und es würde davonlaufen.« »Ja, das sind Sie! Sie schlagen ja, wie Ihr Name sagt, eenen Menschen mit der Fauscht nieder. Ich aber bin viel zarter besaitet und möchte es ohne Waffen nich versuchen.

Uebrigens habe ich damals den Braten aus dem Pelz geschält und den letzteren gewaschen, ganz ebenso wie meinen Anzug, welcher durch den Lehm ganz feuerfescht geworden war. Die Reparatur der Wände ließ ich sein; ich mochte mit dem Inhalte der Grube nichts zu thun haben. Aber als der Norweger mit seiner Familie zurückkehrte, lagen die Bärenschinken im Pökel, und ich wurde außerordentlich gelobt, denn ich hütete mich gar wohl, sämtliche Umschtände des fatalen Abenteuers an die Oeffentlichkeet gelangen zu - - halt! Was läuft da?« Er war, wie bereits erwähnt, während des Erzählens von seinem Platze aufgestanden. Einige Steintrümmer lagen nahe hinter ihm, auf welche er getreten war. Dadurch hatte er ein Tierchen aufgescheucht, dessen Aufenthalt unter den Steinen gewesen war. Es kam heraus, huschte blitzschnell über den Platz hinweg und fuhr in die Oeffnung eines hohlen Baumstumpfes, welcher in der Nähe stand. Die Bewegungen des Tieres waren so schnell gewesen, daß man nicht hatte sehen können, zu welcher Gattung es gehörte. Einer war wie elektrisiert von dem kleinen Vorkommnisse, nämlich der Neger Bob. Er sprang auf, rannte nach dem Baumstumpfe hin und rief: //87// 347 »Ein Vieh, ein Vieh, haben hier laufen, haben sich verstecken in Loch! Masser Bob haben sagen, daß er fangen mit Händen das erste Tier, was er sehen. Masser Bob wird holen Vieh aus Baum heraus.« »Vorsicht, Vorsicht!« warnte Old Shatterhand. »Du weißt ja gar nicht, was für ein Tier es gewesen ist!« »O, es sein nur so klein!« Er zeigte mit den beiden Spitzfingern die Länge des Tieres an. »Ein kleines Geschöpf kann unter Umständen gefährlicher werden als ein großes.« »Ein Opossum sein nicht gefährlich.« »Hast du denn gesehen, daß es ein solches war?« »Ja, ja. Masser Bob haben sehen Opossum ganz deutlich. Es sein fett, sehr fett und geben einen Braten sehr delikat, o, sehr delikat!« Er schnalzte mit der Zunge und leckte die Lippen, als ob er den Braten bereits vor sich habe. »Und ich denke, du irrst dich. Ein Opossum ist nicht so behend, wie dieses Tierchen war.« »Opossum auch schnell laufen, sehr schnell. Warum Massa Shatterhand nicht gönnen Neger Bob den guten Braten!« »Nun, wenn du gar so überzeugt bist, dich nicht geirrt zu haben, so thue, was du willst. Uns aber bleibe mit dem Gerichte vom Leibe!« »Sehr gern vom Leibe bleiben! Masser Bob geben keinem Menschen vom Opossum. Er essen den Braten allein, ganz allein. Jetzt aufpassen! Er ziehen Opossum aus Loch heraus!« Er streifte den rechten Aermel empor. »Nicht so, nicht so!« sagte Old Shatterhand. »Du mußt das Tier mit der Linken ergreifen und in die Rechte das Messer nehmen. Sobald du die Beute ergriffen hast, ziehst du sie heraus und kniest schnell darauf. Dann kann das Tier sich nicht bewegen und wehren, und du schneidest ihm schnell die Kehle durch.« »Schön! Das sein sehr schön! Masser Bob werden es so machen, denn Masser Bob sein ein großer Westmann und ein berühmter Jäger.« Er streifte nun den linken Aermel auf, nahm das Messer in die rechte Hand und griff dann in das Loch hinein, erst vorsichtig und zögernd, bis er, als er nichts fühlte, den Arm weiter hinter schob. Dann aber ließ er plötzlich das Messer fallen, stieß einen lauten Schrei aus, zog heftige Grimassen und fuchtelte mit dem freien, rechten Arme in der Luft herum. »Heigh-ho, heigh-ho!« rief er jammernd. »Das thun weh, sehr weh!«

daran gedacht hatte, in höchschter Eile davonzukommen. Eener der Bottiche hatte ihm im<br />

Wege geschtanden, und er hatte sich gar nich die Zeit genommen, um denselben zu<br />

biegen; er hatte im Gegenteele über ihn hinwegschpringen wollen, war aber, da een Bär<br />

ja nich wie een Tiger schpringt, nich drüber hinweg, sondern vielmehr<br />

hineingeschprungen und hatte ihn von den Unterlagen, auf denen er schtand,<br />

herabgerissen. Da der Saft bereits sehre dickflüssig war, so verbreitete er eenen<br />

schtarken Zuckergeruch, über welchen das leichtsinnige Tier den Schturz vom Boome,<br />

den Schprung in die Grube und mich sofort vergessen hatte. Anschtatt mein »farewell« zu<br />

beherzigen und die darin liegende Warnung zu reschpektieren, hatte sich der Bär unter<br />

dem Boome häuslich niedergelassen, um mit allem Behagen die Süßigkeet vom Lehme<br />

wegzulecken. Er war so sehr in diese angenehme Beschäftigung vertieft, daß er gar nicht<br />

bemerkte, daß ich mich längs der Wand nach der Thür hin schlich und dann in das Haus<br />

schlüpfte. Jetzt war ich in Sicherheet und nahm meine Flinte vom Nagel. Sie war natürlich<br />

geladen. Da der Bär off den Hinterpranken saß und ich so lange zielen konnte, wie es mir<br />

beliebte, konnte ich gar keenen Fehlschuß thun. Die Kugel traf das Tier genau an<br />

derjenigen Schtelle, an welcher nach Ansicht der Dichter die zarteren Gefühle schtecken<br />

sollen, nämlich grad ins Herz hinein. <strong>Der</strong> Bär zuckte zusammen, richtete sich weiter off,<br />

machte mit den Vorderpranken eenige Geschtikulationen und sank dann tot zu Boden. Er<br />

hatte infolge seines Leichtsinnes und seiner Genußsucht offgehört, als leben<strong>des</strong> Wesen<br />

zu exischtieren. Das Schicksal schreitet schnell, und jeglicher Unverschtand findet seine<br />

gerechte Schtrafe, und wem nich schon das Morgenrot zum frühen Tode geleuchtet hat,<br />

der kann dann am Nachmittage bereits an der Ahornzuckerkrankheet verscheiden.«<br />

»Das ist eine sehr ernste Nutzanwendung,« sagte Old Shatterhand. »Sie macht Ihnen alle<br />

Ehre. Ueberhaupt habe ich die Bemerkung gemacht, daß Sie sehr interessant zu erzählen<br />

verstehen. Ich habe noch keinen gehört, dem es so wie Ihnen gelungen wäre, den Stoff in<br />

ein so geistreiches Gewand zu kleiden.«<br />

»Ist das etwa een Wunder? Denken Sie an die Moritzburger Schulmeester, der sein<br />

ganzes, außerordentliches Wissen off mich übertragen hat, und denken Sie ooch an die<br />

Leihbibliothek und an die Lieferungswerke, deren treuer Abonnent ich gewest bin! Dazu<br />

war ich zweeter Tenor in unserem Gesangvereine und Schpritzenführer bei der freiwilligen<br />

Feuerwehr und Rettungsschar. Und ooch schpäter hab' ich schtets die Ohren geschpitzt,<br />

wo und wenn es was zu lernen gab. Unter solchen Umschtänden wird man klassisch,<br />

ohne daß man's selber merkt, und nur die Devotion, mit welcher man von anderen<br />

behandelt wird, bringt eenen zur Erkenntnis, daß man sich weit über den Nullpunkt nach<br />

Fahrenheit und Reaumur erhoben hat. <strong>Der</strong> Geist <strong>des</strong> Menschen muß nach oben<br />

schtreben, denn nur dort zwischen den Schternen hören die zeitlichen und unterirdischen<br />

Kalamitäten off. Leider muß sich selbst eene ideale Natur, wie ich bin, mit ordinären<br />

Dingen befassen. Das ist der Kampf ums Dasein. Und da thue ich meine Pflicht und<br />

fürchte mich sogar vor dem größten Bären nich.«<br />

»Nun, so gar sehr groß ist der Ihrige wohl nicht gewesen. Ein Grizzly kann nicht klettern.<br />

Was hatte er für eine Farbe?«<br />

»Sein Fell war schwarz.«<br />

»Und seine Schnauze?«<br />

»War gelb.«<br />

»Ah, so war es nur ein Baribal, vor welchem Sie gar keine Angst zu haben brauchen.«<br />

»Oho! es war ihm anzusehen, daß er Appetit nach Menschenfleisch hatte!«<br />

»Glauben Sie das nicht. <strong>Der</strong> Baribal frißt viel lieber Früchte als Fleisch. Ich mache mich<br />

anheischig, es ohne alle Waffen mit so einem dummguten Tiere aufzunehmen. Einige<br />

kräftige Faustschläge, und es würde davonlaufen.«<br />

»Ja, das sind Sie! Sie schlagen ja, wie Ihr Name sagt, eenen Menschen mit der Fauscht<br />

nieder. Ich aber bin viel zarter besaitet und möchte es ohne Waffen nich versuchen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!