Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
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sie schon zu verteidigen wissen. Ich verschtehe mich off alle Arten kriegerischer<br />
Schtrategie und off die verschiedenen Kunstgriffe der höheren Gefechtstaktik ganz<br />
vortrefflich. Ich hab' sogar mal den Froschmäuslerkrieg gelesen und weeß also, eene<br />
Schlacht einzuleiten und ooch zu gewinnen. In der Einleitung wie Moltke, im Angriff wie<br />
Zieten und in der Verfolgung een wahres Wiesel, so brauche ich mich vor keenem Feind<br />
zu fürchten, außer er überfällt mich im Schlafe, ohne daß ich davon gebührenderweise<br />
benachrichtigt werde.«<br />
»Das ist's ja eben, daß man gewöhnlich nicht benachrichtigt wird!«<br />
»Leider ist das wahr, und daß ooch der Bär gekommen war, ohne sich vorher anzusagen,<br />
dadurch kam das Abenteuer zu schtande, welches ich erzählen will. Ich muß dabei<br />
erwähnen, daß seitwärts vor dem Hause een hoher Hickory schtand. Er war bis hoch<br />
hinauf zu den erschten Aeschten seiner Rinde beraupt worden. <strong>Der</strong> Norweger hatte sie,<br />
wie er mir erzählte, zum Gelbfärben gebraucht. Nun war der Schtamm außerordentlich<br />
glatt, und es gehörte eene große Geschicklichkeet dazu, hinaufzuklettern.«<br />
»Das wird wohl niemand verlangt haben,« sagte Davy.<br />
»Nee, verlangt hat's niemand, aber es können sich ungeahnte Begebenheiten ereignen,<br />
durch welche sogar der edelste Mensch off so eenen Boom getrieben wird. Sie werden<br />
dieses Naturgesetz bereits in wenigen Minuten beschtätigen. Also, um off die Hauptsache<br />
zu schprechen zu kommen: ich befand mich ganz alleene off der Farm und dachte<br />
darüber nach, mit welcher Beschäftigung ich mir die langen Schtunden der Einsamkeet<br />
versüßen könne. Natürlich kam ich dabei off den Gegenstand, <strong>des</strong>sen Bearbeitung am<br />
notwendigsten war, und das war der Lehm. Nämlich drin im Blockhause war die<br />
Lehmdiele schadhaft geworden und zwischen den Holzschtämmen, aus denen die Wände<br />
beschtanden, die Füllung ausgebröckelt. Das mußte remuneriert werden, und darum hatte<br />
sich der Norweger gleich neben der Hausecke eene Lehmgrube angelegt. Sie war<br />
ungefähr vier Ellen lang und dreei breit. Welche Tiefe sie hatte, das konnte ich nich<br />
sehen, weil sie bis an den Rand gefüllt war. Es schteckten een paar Schtangen drin, mit<br />
denen das Zeug gerührt und durcheinander gek<strong>net</strong>et werden sollte. Welche Freude<br />
mußte mein Wirt haben, wenn er bei seiner Heimkehr wenn ooch nich die Diele, aber<br />
wenigstens die Wände ausgebessert vorfand! Daran dachte ich mit Vergnügen und<br />
beschloß, mich an die Arbeit zu machen.«<br />
»Verstanden Sie denn etwas davon?« fragte Jemmy.<br />
»Ich bitte Sie, kommen Sie mir doch nich immer mit solchen überflüssigen Fragen in die<br />
Quere! Es ist doch wahrhaftig keene Kunscht, een Loch oder eene Fuge mit Lehm zu<br />
verschtopfen! Es gibt noch viel schwierigere Gebiete in der Wissenschaft. Ich begann also<br />
mit der Schtange zu rühren.<br />
Die Masse schien mir zu dick zu sein, und ich goß also Wasser zu, aber zu viel, denn nun<br />
war sie wieder zu dünn. Ich dachte aber, daß sie durch eifriges K<strong>net</strong>en eene<br />
plaschtischere Kompression annehmen werde, und arbeitete über eene ganze Schtunde<br />
lang aus Leibeskräften. Dadurch erlangte der Lehm diejenige Konsequenz, durch welche<br />
jeder obrigkeitliche und baupolizeiliche Wunsch befriedigt werden konnte, und ich hatte,<br />
um mit der Verschönerungsarbeit beginnen zu können, mir nur noch eene hölzerne<br />
Maurerkelle zu schnitzen. Darum wollte ich jetzt hinein ins Haus, denn off dem Herd lag<br />
dürres Holz. Ganz begeistert von meinem Vorhaben, bog ich um die Ecke und - - schtand<br />
vor wem oder was?«<br />
»Doch vor einem Bären,« antwortete Jemmy.<br />
»Ja, vor eenem Bären, der sein wohl oben in den Ratonbergen liegen<strong>des</strong> Asyl verlassen<br />
hatte, um sich, ebenso wie ich, eenmal Land und Leute anzusehen. Dieses Ansehen aber<br />
war ganz gegen meinen geläuterten Geschmack. <strong>Der</strong> Kerl machte mir een so<br />
verdächtiges Gesicht, daß ich mit eenem Satze, wie ich ihn wohl nie wieder zu schtande<br />
bringen werde, zur Seite schprang; aber ebenso rasch fuhr er off mich los. Das gab