Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
weiter. Sie wurde in verschiedenen Jagdzeitungen abgedruckt, und das betreffende ABC-<br />
Buch wurde von einem berühmten Kynologen für fünfzig Thaler gekauft und ging zu<br />
immer höherem Preise von Hand zu Hand, bis es schließlich für dreitausend Franken in<br />
den Besitz der Pariser Akademie der Künste und Wissenschaften überging. Und da unser<br />
Frank vermöge seiner hochgradigen Gelehrsamkeit ganz sicher baldigst ersucht werden<br />
wird, dieser Akademie als Mitglied beizutreten, so hat er denn die beste Gelegenheit, in<br />
dem berühmt gewordenen Büchlein nachzuschlagen, um sich den Bären zu betrachten,<br />
den ich mir damals von dem Hunde habe aufbinden lassen. Jetzt nun bin ich ihn glücklich<br />
wieder los geworden. Thank you, Master Frank! Ihr habt ihn mir abgenommen.«<br />
Er machte dem kleinen Sachsen eine ironische Verbeugung. Die Anwesenden brachen in<br />
lautes Gelächter aus. <strong>Der</strong> einstige »Forschtbeamte« machte zunächst ein ganz verblüfftes<br />
Gesicht; dann aber, als er erkannte, daß Jemmy die Geschichte nur erfunden habe, um<br />
ihn zu foppen, brach er los:<br />
»Was, ich soll Ihren Bären nun haben? Erlooben Sie es diesem dummen Gedanken ja<br />
nich etwa, sich in Ihr obschkures Begriffsvermögen festzusetzen! Ehe Sie im Schtande<br />
sind, mir nur eenen eenzigen Bären offzuhängen, hab' ich mir selber schon mehr als<br />
fuffzig offgebunden. In Beziehung off das aktiv-passive Anlügenlassen bin ich Ihnen weit<br />
über. Sie sind ja der reene Münchmeier, und wenn ---«<br />
»Münchhausen heißt es,« fiel Jemmy ein.<br />
»Wollen Sie gleich off der Schtelle schtille sein, Sie dicker Loobfrosch, Sie! Een Münch,<br />
der andere bemeiert, kann eben nur Münchmeier heeßen. Wenn dieser Lügenkönig seit<br />
eeniger Zeit zuweilen Münchhausen genannt worden ist, so ist das die mißverschtandene<br />
Folge eener idealen Begriffsverwechslung im materialen Zusammenhange mit seinem<br />
Geburts- und Heimatsorte. Nämlich nach dem Impfscheine, welcher von ihm noch<br />
vorhanden ist, wurde er zur Zeit <strong>des</strong> schtarken Augusts im Schtädtchen Mühlhausen,<br />
Kreisdirektion Sonderschhausen, Regierungsbezirk Schaffhausen geboren, drei Orte, die<br />
mit »hausen« endigen, weil dort die mehrschte Hausenblase verschifft wird. Bei so vielmal<br />
»hausen« ist es gar keen Wunder, daß man diese Endung aus Versehen an das »Münch«<br />
gehängt hat. Unsereener ist aber nich so leicht zu täuschen. Meine historisch<br />
weltgeschichtlichen Studien befähigen mich, solche Schpreu vom guten Weizen<br />
auszuscheiden, und darum habe ich ooch, noch ehe Sie Ihre Geschichte angefangen<br />
hatten, sofort mit meinem angenehmen Scharfblicke erkannt, daß es off eene großartige<br />
Lüge und Münchmeierei abgesehen war. Ich hab' Sie aber reden lassen, weil ich von<br />
jeher een eifriger Bewunderer <strong>des</strong> parlamentarischen Taktes gewest bin. Ich hab' mich<br />
großmütig in meine Ueberlegenheet gehüllt und von oben herunter bemerkt, wie Sie mich<br />
von unten herauf angelogen haben. Jetzt aber geb' ich meiner Langmut den allerletzten<br />
Gnadenschtoß und fordere Sie allen Ernstes off: Geben Sie in Zukunft dem Kaiser, was<br />
<strong>des</strong> Kaisers ist, und dem Frank, was dem Frank gehört, nämlich Anerkennung seiner<br />
Schtan<strong>des</strong>würde und ergebene Berücksichtigung seiner Persönlichkeet. Nur off diese<br />
Weise ist een ferneres Zusammenbleiben zwischen uns beeden möglich, und ich verlange<br />
jetzt off der Schtelle von Ihnen vor diesen erwachsenen Zeugen die öffentliche und<br />
aktenmäßige Erklärung, ob Sie von jetzt an mich mit Achtung behandeln wollen oder nich.<br />
Ich bin das meiner verflossenen Vergangenheet und meiner noch zu erwartenden Zukunft<br />
schuldig. Also, wie wird's, und wie soll's werden? Reschpekt oder nich?«<br />
Zunächst war es tief still im Kreise. Die sonderbare Rede <strong>des</strong> kleinen Mannes wirkte um<br />
so mehr auf die Lachmuskeln seiner Zuhörer, als sie mit einem ungeheuren Ernste<br />
vorgebracht worden war. Die Augen leuchteten voller Lust; die Lungen atmeten voll auf,<br />
um loszubrechen, aber man biß die Zähne zusammen, um den fast unüberwindlichen<br />
Reiz zum Lachen zu besiegen. Old Shatterhand war der erste, welcher sich einigermaßen<br />
in der Gewalt hatte.<br />
(Fortsetzung folgt.)