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Karl May - Der Sohn des Bärenjägers - thule-italia.net

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einen siebenbürgischen Bärenbeißer geschenkt erhalten, konnte ihn aber nicht auf die<br />

Probe stellen, weil es keine Bären gab. <strong>Der</strong> Hund gewöhnte sich schnell an mich und<br />

begleitete mich auf allen meinen Spaziergängen. Eines schönen Tages schlenderte ich<br />

mit ihm durch das Dorf. Da blieb er vor der Thür eines Bauernhauses halten und gab Laut.<br />

Ich konnte mir die Sache nicht erklären; aber weil er nicht von der Thüre wegzubringen<br />

war, so öff<strong>net</strong>e ich dieselbe. Sofort sprang er mit einem weiten Satze nach der Stubenthür<br />

und gab wieder Laut. Ich machte auch diese auf - er hinein und ich hinterher. Wer glauben<br />

Sie wohl, lieber Frank, daß sich in der Stube befunden hat?«<br />

»Natürlich een Bär.«<br />

»Es gab ja keine dort!«<br />

»So war's vielleicht eener, der eenem rumziehenden Bärenführer entschprungen ist.«<br />

»Auch nicht.«<br />

»Nun, wer war denn dann anwesend?«<br />

»Nur die alte Großmutter, welche auf dem Kanapee saß und Strümpfe stopfte. Sie<br />

erschrak natürlich außerordentlich über den hereinstürzenden Hund und - - -«<br />

»Alle Wetter! Er hat sie doch nich etwa gebissen? Oder hat er ooch Schtrümpfe mit<br />

schtopfen wollen?«<br />

»Keins von beiden. Er achtete gar nicht auf die Frau, sondern sprang sofort auf den Tisch,<br />

welcher in einer Ecke der Stube stand.«<br />

»Off den Tisch? So een großer Hund! Was hat er denn da gewollt?«<br />

»Das fragte ich mich auch. Nachdem ich mich bei der Frau höflich entschuldigt hatte, trat<br />

ich zum Tische, und nun raten Sie, was der Hund da oben gesucht hatte?«<br />

»Irgend een Viehzeug natürlich.«<br />

»Ja und doch auch nein.«<br />

»Was denn für eens?«<br />

»Einen Bären.«<br />

»Was der Kuckuck! Sie sagten doch vorhin das direkte grade Gegenteel von Ihrer jetzigen<br />

Behauptung!«<br />

»Ich habe beide Male recht. Nämlich auf dem Tische lag ein altes Buch, welches der<br />

Hund mit der einen Pfote festhielt, während er mit der Zunge ein Blatt nach dem anderen<br />

umwendete oder vielmehr umleckte, bis er die betreffende Seite gefunden hatte. Dann<br />

fing er an zu knurren und zu heulen und biß immer vor sich hin, als ob er ein Raubtier<br />

unter sich habe. Es war ein Heidenskandal.«<br />

»Aber ich begreife die Sache gar nich. Een Bärenbeißer off dem Tische, mit eenem<br />

Buche! Das ist mir die vollständigste terra in Cognaco.«<br />

»Incognito heißt es!«<br />

»Cognac heeßt's! <strong>Der</strong> gibt den besten Grog. Und wenn Sie dieses Getränk noch nich<br />

kennen, so haben Sie eben noch gar nich menschenwürdig gelebt. Also weiter! Was war's<br />

denn für een Buch?«<br />

»Ich sah natürlich nach. Es war ein altes ABC-Buch aus der Zeit vor fünfzig, sechzig<br />

Jahren her, mit kleinen Bildern, unter welchen darauf bezügliche Verse zu lesen waren.<br />

Und ganz erstaunlicherweise hatte der Hund die Seite aufgeschlagen, auf welcher ein<br />

Bienenstock und ein Bär abgebildet waren. Darunter stand der schöne Reim:<br />

»Gar grimmig ist der wilde Bär, Wenn er vom Honigbaum kommt her.«<br />

»Ich war natürlich ganz Verwunderung. <strong>Der</strong> Hund hatte draußen auf der Straße gerochen,<br />

daß hier auf dem Tische die Abbildung eines Raubwil<strong>des</strong>, auf welches er abgerichtet war,<br />

liege, und es für seine Pflicht gehalten, mich darauf aufmerksam zu machen. Natürlich<br />

erzählte ich das Vorkommnis, als ich auf das Gut zurückgekehrt war, und der Herr war<br />

nicht wenig stolz darauf, einen solchen Hund zu besitzen. Ihr erkennt also, Mesch'schurs,<br />

daß unser Hobble-Frank ganz recht gehabt hat, als er vorhin behauptete, daß die<br />

Bärenbeißer fast Unglaubliches leisten. Die Geschichte sprach sich natürlich schnell

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