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Vorlesung Pädagogische Psychologie III (Entwicklungspsychologie)

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<strong>Entwicklungspsychologie</strong><br />

<strong>Vorlesung</strong> <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung im frühen Kindesalter II<br />

Entwicklung der Sprache<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider


11.11.08<br />

Überblick<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter II<br />

• Geburt- und Neugeborenenzeit<br />

• Wahrnehmungsentwicklung im ersten Lebensjahr<br />

• Objektpermanenz, Wissen über Solidität<br />

• Bindungsverhalten<br />

Entwicklung der Sprache<br />

• Bedeutung der Sprachentwicklung<br />

• Komponenten der Sprache<br />

• Meilensteine der Sprachentwicklung<br />

• Entwicklung der Sprache im Schulalter<br />

• Theorien zum Spracherwerb<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Folie 2


Geburt- und Neugeborenenzeit<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

- Verhaltensunterschiede im Schlaf-/Wachzustand über „Brazelton<br />

Neonatal Assessment Scale“ erfassbar<br />

- Methoden zur Erfassung von Wahrnehmung und Lernen<br />

- Verhaltensvorhersage aus der Neugeborenenzeit ist insgesamt<br />

gering<br />

- Die Bedeutung biologischer Risiken ist geringer als die der<br />

psychosozialen Risikofaktoren<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 3<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Psychologische Kompetenzen des<br />

Neugeborenen<br />

• Apgar-Index gibt die Gesundheit des Kindes bei der Geburt wieder.<br />

Niedrige Werte können Hinweise auf spätere problematische<br />

Entwicklung geben.<br />

• Frühe Regulationsleistungen betreffen das autonome System (Atmung,<br />

Kreislauf, Körpertemperatur, Verdauung), das motorische System und<br />

die Bewusstseins- und Erregungsregulation.<br />

• Der REM (rapid eye movement)-Schlaf des Neugeborenen kann als<br />

Selbststimulierung des Gehirns gedeutet werden. Die Schlafzeit nimmt<br />

im Verlauf des ersten Lebensjahres deutlich ab; ab 3-4 Monaten bildet<br />

sich ein stabilerer Tag-Nacht-Rhythmus heraus.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 4<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Reflexe<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

• Der Körper des Neugeborenen ist durch die Evolution und die Reifung<br />

im Mutterleib darauf vorbereitet, bestimmte Reize aus der Umwelt mit<br />

bestimmten Reaktionen zu beantworten.<br />

• Mehr als 10 Neugeborenen-Reflexe, darunter<br />

- Wangensuchreflex<br />

- Saugreflex<br />

- Schluckreflex<br />

- Atemreflex (Problem des ‚plötzlichen Kindstods‘)<br />

- Greifreflex (Babinski-Reflex)<br />

- Moro-Reflex<br />

(vgl. Pauen, 2006)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 5<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Regulation der Energiezufuhr am Beispiel des<br />

Milchtrinkens<br />

• Im System der Nahrungsaufnahme verbinden sich in der frühen Phase<br />

das Schreien, die motorische Aktivität des Saugens, die Reize des<br />

Geschmacks, das Verdauen und Schauen zur Mutter zu einem<br />

hervorragend abgestimmten Verhaltenssteuerungssystem. Das<br />

Zusammenwirken dieser Komponenten wurde von Blass und<br />

Ciaramitaro (1994) illustriert.<br />

• Bislang bleibt weitgehend ungeklärt, was zum Phänomen der<br />

„Schreikinder“ führt, die bei der Umstellung auf die eigene Verdauung<br />

mehr leiden als andere. Diese leicht irritierbaren Kinder zeigen häufiger<br />

eine negative Stimmungslage und weisen insgesamt ein höheres<br />

Risiko für unsichere Bindung an die Mutter auf.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 6<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Zeitlicher Ablauf der Wirkung des Milchtrinkens<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

beim Säugling im ersten Lebensmonat (nach Blass & Ciaramitaro, 1994)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 7<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Wahrnehmungsentwicklung im<br />

ersten Lebensjahr<br />

• Säuglinge scheinen eine angeborene Orientierung auf Gesichter zu<br />

zeigen. Bereits Neugeborene mögen ovale oder runde,<br />

dreidimensionale oder kontrastreiche und bewegte Formen lieber als<br />

eckige, zweidimensionale, kontrastarme und statische Formen.<br />

• Neugeborene können bereits nach wenigen Tagen das Gesicht der<br />

Mutter von dem einer Fremden unterscheiden. Diese Fähigkeit<br />

verbessert sich innerhalb der ersten Lebensmonate enorm.<br />

• Die visuelle Wahrnehmungsentwicklung der ersten sechs<br />

Lebensmonate ist durch zunehmende Kategorisierungsmöglichkeiten<br />

gekennzeichnet. Mit ca. 5 Monaten beginnen beide Hirnhälften<br />

zusammenzuarbeiten, was als Voraussetzung für die nun stärker zu<br />

beobachtenden Gruppierungsleistungen gelten kann.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 8<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Stimuli zur Untersuchung des CONSPEC-Effekts<br />

bei Neugeborenen (nach Rauh, 2002)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 9<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Stimuli zur Überprüfung der Conspec-Hypothese<br />

(nach Rauh, 2002)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 10<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Stimuli zur Überprüfung der Gestalthaftigkeit der<br />

Gesichtswahrnehmung (nach Rauh, 2002)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 11<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Wahrnehmungsentwicklung im<br />

ersten Lebensjahr (Fortsetzung)<br />

• Die Entwicklung der akustischen (auditiven) Wahrnehmung in der<br />

frühen Lebensphase wurde lange unterschätzt. Bereits unmittelbar<br />

nach der Geburt können Säuglinge die Stimme ihrer Mutter (nicht aber<br />

die des Vaters) von anderen Stimmen unterscheiden. Sie reagieren auf<br />

Laute anders als auf Töne (zwei Hörwelten).<br />

• Studien zum Saugverhalten konnten zeigen, dass Neugeborene ihre<br />

Muttersprache von anderen Sprachen unterscheiden können.<br />

• Die frühe entwickelte Fähigkeit zur Lautunterscheidung erwies sich als<br />

bedeutsames Vorhersagemerkmal für sprachliche Kompetenzen im<br />

Vorschul- und Schulalter.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 12<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Kognitive Entwicklung des Kleinkindes<br />

Phänomen des „Begreifens“ durch Greifen<br />

Unterschiedliche theoretische Positionen:<br />

• Von einfachen Schemata zur komplexen Struktur (PIAGET)<br />

versus<br />

• von globaler Struktur zu spezialisierten Verhaltensabläufen<br />

(BOWER)<br />

Objektpermanenz<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 13<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


%<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Greifen nach einem hängenden Gegenstand<br />

nach BOWER, 1979<br />

2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24<br />

Alter in Wochen<br />

Greifen nach einem hängenden Gegenstand (prozentual erfolgreiche<br />

Greifbewegungen)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 14<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Objektpermanenz<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 15<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Wissen über Solidität<br />

Gewöhnung Testphase<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

unmöglich möglich<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 16<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


möglich<br />

Wissen über Solidität (2)<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

unmöglich<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 17<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Soziale Entwicklung des Kleinkindes<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Unterschiedliche Erklärungsversuche für das Lächeln des Kindes<br />

Funktion von „Fremdeln“ (= heftige emotionale Reaktion)<br />

- Angst vor Verlassenwerden<br />

- Kognitives Diskrepanzerlebnis<br />

- Versagen vorsprachlicher Kommunikation<br />

Die „soziale Welt“ des Kleinkindes<br />

- Eltern als Stimulatoren<br />

- Eltern als sozial-emotionale Bezugspersonen<br />

- Bedeutung des Bindungsverhaltens<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 18<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Soziale Interaktion und Kommunikation in den<br />

ersten Lebensmonaten<br />

• Die Präferenz des Säuglings für die menschliche Stimme, seine<br />

Bevorzugung des menschlichen Gesichts sowie seine Vorliebe für<br />

dynamische Stimuli begünstigen die Entwicklung sozialer Interaktion.<br />

• Der Säugling sucht früh Blickkontakt mit seinen Interaktionspartnern,<br />

erwartet aktive Interaktion und reagiert mit Enttäuschung, wenn<br />

Erwartungen nicht erfüllt werden (z.B. bei starren Gesichtern).<br />

• Im späteren Entwicklungsverlauf wird die soziale Interaktion durch<br />

Nachahmungsprozesse bereichert.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 19<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Entwicklungsverlauf der Nachahmung nach<br />

Piaget und Uzgiris<br />

• Bis 4 Monate: Der Erwachsene ahmt das Kind nach, das Kind<br />

wiederholt seine nachgeahmte Verhaltensweise, so dass ein<br />

kommunikativer Kreislauf beginnt.<br />

• 5 bis 8 Monate: Das Kind ahmt das Verhalten des Erwachsenen nach<br />

(Lall-Laute), sofern es dem Verhaltensrepertoire des Kindes entspricht.<br />

• Ab etwa 8 Monaten: Das Kind integriert Aspekte des Verhaltens, die<br />

es beim Interaktionspartner (Modell) gesehen hat, in seine<br />

Nachahmungshandlung.<br />

• Ab Ende des 1. Lebensjahres: Es wird das Nachahmen von Mimik<br />

oder Grimassen möglich, die es nur beim Modell gesehen hat.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 20<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

Entwicklung der Eltern-Kind-Bindung<br />

(nach GROSSMANN & GROSSMANN, 1986)<br />

Entwicklung des Vertrauens scheint phylogenetisch bestimmt zu<br />

sein und von daher genetisch vorprogrammiert (geschlossenes<br />

Programm).<br />

4 Muster von Bindungsverhalten:<br />

Typ A: unsicher- vermeidend<br />

Typ B: sicher gebunden<br />

Typ C: unsicher-ambivalent<br />

Typ D: desorganisiert/desorientiert<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 21<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Die Fremde-Situation<br />

Diese experimentelle Situation zur Erfassung der Bindungsqualität<br />

in der Mutter-Kind-Beziehung besteht aus den<br />

folgenden acht dreiminütigen Episoden:<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

1. Mutter und Kind betreten Raum. Kind sitzt auf dem Boden.<br />

2. Mutter und Kind sind allein, Kind exploriert Spielzeuge.<br />

3. Freundliche Fremde tritt ein, spricht mit der Mutter, dann auch mit dem<br />

Kind.<br />

4. Mutter verlässt unauffällig den Raum,hinterlässt aber ihre Tasche; Fremde<br />

bleibt mit dem Kind allein.<br />

5. Mutter kommt zurück und Fremde geht. Mutter beschäftigt sich mit dem<br />

Kind, versucht es für Spielzeug zu interessieren.<br />

6. Mutter geht mit Abschiedsgruß, lässt Kind allein.<br />

7. Fremde tritt wieder ein. Beschäftigt sich mit Kind.<br />

8. Die Mutter kommt wieder, Fremde verlässt den Raum.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 22<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Feststellung der Bindungsqualität<br />

Die Qualität der Bindung lässt sich aus der Art ermitteln, wie das<br />

Kind die Mutter nach den kurzen Trennungen empfängt.<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

• Bei Bindungsstil A (unsicher-vermeidend) zeigen Kinder wenig Emotionen,<br />

beschäftigen sich weiter mit Spielzeug (allerdings hohe Stressbelastung).<br />

• Bei Bindungsstil B (sicher, balanciert) zeigen allein gelassene Kinder ihren<br />

Kummer unmittelbar, sind nach Rückkehr der Mutter erleichtert und spielen nach<br />

kurzem Kontakt weiter.<br />

• Bei Bindungsstil C (ambivalent-unsicher) sind Kinder meist emotional erregt und<br />

z.T. wütend, wenn alleingelassen. Reagieren ambivalent (teils annähernd, teils<br />

ablehnend).<br />

• Kinder vom Bindungsstil D (desorientiert/desorganisiert) lassen sich in keine der<br />

o.g. Kategorien einordnen; Kinder scheinen konfus wenn Mutter geht, aber auch<br />

wenn sie wieder kommt. Wissen nicht, wie sie sich unter Trennung verhalten<br />

sollen<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 23<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Entwicklung der Eltern-Kind-Bindung (Forts.)<br />

(nach GROSSMANN & GROSSMANN, 1986)<br />

Ergebnisse der Längsschnittstudien von GROSSMANN &<br />

GROSSMANN:<br />

Entwicklung im frühen Kindesalter<br />

(1) Liebevoll-behutsamer Sprechstil der Mütter korrespondiert mit<br />

sicher gebundenem Verhalten der Kinder;<br />

(2) Feinfühligkeit der Mütter im ersten Lebensjahr der Kinder<br />

korrespondiert mit sicher gebundenem Verhalten;<br />

(3) Bindungsverhalten im Alter von 12 Monaten sagt soziale<br />

Anpassung mit 6 Jahren voraus.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 24<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


<strong>Entwicklungspsychologie</strong><br />

<strong>Vorlesung</strong> <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider


11.11.08<br />

Bedeutung der Sprachentwicklung<br />

• Erwerb der Sprache gehört zu den besonders wichtigen<br />

„Entwicklungsaufgaben“ im Kindesalter<br />

• Sprache als Kommunikationsmittel:<br />

– Ausdruck der eigenen Intentionen und Wünsche<br />

– Verständnis der sozialen Umwelt<br />

• Aufgabe der Sprache:<br />

vorbei ziehender Lautstrom der Umweltsprache und relevante<br />

Merkmale der Situation müssen gefiltert, verarbeitet und untergliedert<br />

werden sowie Regeln abgeleitet werden<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Folie 26


11.11.08<br />

Sprachentwicklung (GRIMM, 1987)<br />

Was heißt es, im „Besitz“ von Sprache zu sein?<br />

(1) Beherrschung des sprachlichen Ausdrucksmittels (grammatisches<br />

Regelsystem)<br />

(2) Sich anderen Menschen verständlich zu machen<br />

Spracherwerb – Erwerb von „linguistischer“ und „kommunikativer“<br />

Kompetenz<br />

Beide Aspekte greifen ineinander; keiner ist dem anderen logisch<br />

vorgeordnet<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Folie 27


Komponenten<br />

Prosodische<br />

Komponente<br />

Phonologie<br />

Morphologie<br />

Syntax<br />

Lexikon<br />

Semantik<br />

Sprechakte<br />

Diskurs<br />

Komponenten der Sprache<br />

Funktion<br />

Betonung, prosodische<br />

Gliederung<br />

Organisation<br />

Sprachlaute<br />

Wortbildung<br />

Satzbildung<br />

Wortbedeutung<br />

Satzbedeutung<br />

Sprachliches Handeln<br />

Kohärenz der<br />

Konversation<br />

Aus Oerter & Montada, 6. Auflage; Sprachentwicklung S.503<br />

erworbenes Wissen<br />

Prosodische Kompetenz<br />

Linguistische<br />

Kompetenz<br />

Pragmatische<br />

Kompetenz<br />

Entwicklung der Sprache<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 28<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


11.11.08<br />

Komponenten der Sprachentwicklung<br />

- Linguistische Kompetenz -<br />

Phonologie (Organisation von Sprachlauten):<br />

Die Phonologie bezieht sich auf die Lautestruktur der Sprache. Als Phonetik<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

bezeichnet man dabei die Lehre von der Lautbildung und deren Analyse (Franke<br />

1998). Es geht hier um die Produktion der Laute durch die Sprechorgane<br />

genauso wie um die Lautrezeption im Hörorgan.<br />

Dagegen beschäftigt sich die Phonologie mit Verbindungsmöglichkeiten,<br />

Vorkommen und Funktion von Phonemen im Sprachsystem (Franke 1998a).<br />

Phoneme sind kleinste, bedeutungsunterscheidende lautliche Einheiten.<br />

Beispiel: Wird z.B. bei dem Wort ‚Haus‘ der Anfangslaut durch ein ‚M’ ersetzt,<br />

ergibt sich eine Bedeutungsverschiebung. ‚Haus‘ – ‚Maus‘ unterscheiden sich<br />

nur in einem Phonem, dem ‚H‘ bzw. ‚M‘. Dieser Laut ist<br />

bedeutungsunterscheidend, also Untersuchungsgegenstand der Phonologie.<br />

Folie 29


11.11.08<br />

Komponenten der Sprachentwicklung<br />

Morphologie (Wortbildung):<br />

- Linguistische Kompetenz -<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Hierbei geht es um die Regeln der Wortbildung. Morphologie an sich ist ein<br />

Teilbereich der Grammatik und zwar jener, der sich mit Morphemen<br />

beschäftigt. Morpheme sind die kleinsten, bedeutungstragenden Einheiten<br />

einer Sprache (im Gegensatz zu bedeutungsunterscheidenden Einheiten<br />

bei Phonemen). In dem Wort ‚suchte‘ sind zwei Morpheme enthalten: ‚such‘<br />

als Wortstamm oder freies Morphem und die Endung ‚te‘ als gebundenes<br />

Morphem, das in diesem Fall die Person und die Zeit der Handlung näher<br />

bestimmt: 1. oder 3. Person Singular, Präteritum. Beide sprachlichen<br />

Einheiten sind folglich bedeutungstragend, also Morpheme.<br />

Folie 30


11.11.08<br />

Komponenten der Sprachentwicklung<br />

Syntax (Satzbildung):<br />

Auf einer hierarchisch höheren Organisationsebene enthält die<br />

syntaktische Komponente diejenigen Kategorien und Regeln, die die<br />

Kombination von Wörtern zu Sätzen erlauben. So werden z.B. ganz<br />

unterschiedliche Bedeutungen allein durch unterschiedliche<br />

Wortordnungen ausgedrückt.<br />

‚Stoiber liebt Merkel‘<br />

‚Merkel liebt Stoiber‘<br />

‚Liebt Merkel Stoiber?‘<br />

- Linguistische Kompetenz -<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Folie 31


11.11.08<br />

Komponenten der Sprachentwicklung<br />

- Linguistische Kompetenz -<br />

Lexikon und Semantik (Wort- und Satzbedeutung):<br />

Die semantisch-lexikalische Ebene bezeichnet die Bedeutungskomponente von<br />

Sprache. Semantik ist als Lehre von den Bedeutungen und Inhalten von<br />

Wörtern und Sätzen definiert. Was z.B. mit dem Begriff ‚Katze‘ gemeint ist, wird<br />

von der Semantik untersucht. Das Lexikon bezieht sich eher auf den gesamten,<br />

im Gehirn gespeicherten Wortschatz eines Menschen, darauf, welche<br />

phonologischen Repräsentationen der einzelne für bestimmte Dinge hat (vgl.<br />

Braun 1999, 252). Nach Chomsky (1977, 101) besteht das Lexikon aus<br />

lexikalischen Einheiten, die mitsamt ihren phonologischen, semantischen und<br />

syntaktischen Eigenschaften gespeichert sind. Zusätzlich sind im Lexikon alle<br />

möglichen Formen eines Wortes enthalten.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Folie 32


Phonologisch-prosodische Entwicklung:<br />

11.11.08<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Der Erwerb der Sprache beginnt lange vor den ersten produktiven Wortäußerungen<br />

der Kinder, nach neuerer Befundlage sogar schon vor der Geburt<br />

a) rezeptiv:<br />

Meilensteine der Sprachentwicklung<br />

-ab Geburt gelingt Unterscheidung von menschl. Sprache vs. andere Laute<br />

-Lautunterscheidung: zunächst universell, dann eingegrenzt auf Muttersprache,<br />

dafür aber spezialisierter<br />

-von Geburt an sensitiv für Prosodie der Muttersprache vs Fremdsprache (im<br />

Mutterleib gelernt?)<br />

-Präferenz für ausgeprägte Prosodie („baby-talk“; = deutliche Gliederung,<br />

übertriebene Intonationsstruktur, hohe Tonlage)<br />

Folie 33


11.11.08<br />

Frühe Differenzierung prosodischer Merkmale<br />

(Mehler et al., 1988)<br />

Fragestellung: Können Säuglinge muttersprachliche Äußerungen von<br />

Äußerungen einer Fremdsprache unterscheiden? Welche sprachlichen<br />

Merkmale werden für Differenzierung genutzt?<br />

Methode: Messung Saugrate; Habituations-Dishabituations- Paradigma; bilingualer<br />

Sprecher: französisch und russisch<br />

Darbietung französische (F) und russische (R) Äußerungen:<br />

F R<br />

F F<br />

R F<br />

R R<br />

Saugrate während Präsentation 1. Sprache, Veränderung der Saugrate 2. Sprache<br />

Ergebnisse: Französische Säuglinge diskriminieren nicht nur zwischen<br />

Muttersprache und Russisch, sondern ziehen auch die Muttersprache vor.<br />

Sie können nicht zwischen Fremdsprachen unterscheiden.<br />

Es sind die prosodischen (und nicht so sehr phonetische) Merkmale, die<br />

Erkennung der Muttersprache möglich machen.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Folie 34


11.11.08<br />

Erinnerungen Neugeborener an die<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Stimme der Mutter (DeCasper & Fifer,1980)<br />

Fragestellung: Erinnern sich Neugeborene an die Stimme ihrer Mutter?<br />

Methode: registrierten Saugfrequenz ohne akustische Reize von<br />

Neugeborenen im Alter von 12 Stunden (Ausgangsniveau)<br />

- zwei Bandaufnahmen: Geschichte Mutter / Fremde<br />

- Kontingenz: hohe Saugfrequenz Stimme Mutter<br />

niedrige Saugfrequenz Stimme der Fremden<br />

(andere Gruppe der Säuglinge umgekehrt)<br />

Ergebnis: Säuglinge lernten rasch, die Stimme der Mutter herbeizusaugen<br />

Folgetag: Erinnerung an Kontingenz; wurde nun umgekehrt:<br />

80% änderten die Saugfrequenz<br />

Dies zeigt auch, dass bereits im Uterus Gedächtnisprozesse aktiv sind!!<br />

Folie 35


11.11.08<br />

b) aktiv<br />

Meilensteine der Sprachentwicklung<br />

Phonologisch-prosodische Entwicklung<br />

- Gurren (im Alter von 6 – 8 Wochen beginnt der Säugling zu gurren)<br />

- Lachen und Lautbildung (zwischen dem 2. und 4. Lebensmonat)<br />

Wichtig: Nachahmung vorgesprochenen Vokale (a, i)<br />

- Lallen (Silbenwiederholung) = wichtiger Prädiktor<br />

- erste Wörter mit 10-14 Lebensmonaten; Vorläufer sind Gesten<br />

Betreffen Menschen (Mama, Papa), Fahrzeuge (Auto, Traktor),<br />

Haushalt (Schlüssel)<br />

Hohe kognitive Anforderungen: erster Worterwerb langsam<br />

Einwortphase: Bedeutung wird determiniert durch Kontext<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Folie 36


Anteil der Kinder mit<br />

Unterscheidungsvermögen (%)<br />

11.11.08<br />

100%<br />

90%<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Altersbedingte Veränderung der Sprachwahrnehmung<br />

6-8 8-10 10-12<br />

Alter in Monaten<br />

Hindi Nthlakapmx<br />

Aus: Werker, 1989<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Bereits mit 6 Monaten eine Präferenz<br />

für grammatikalisch richtige Sätze<br />

vorhanden.<br />

Lautkombinationen der Muttersprache<br />

werden von Lautkombinationen in<br />

anderer Sprache unterschieden: Engl.<br />

sprachige Säuglinge unterscheiden<br />

Hindi von Nthlakapmx.<br />

Die Fähigkeit von Säuglingen,<br />

sprachliche Laute zu unterscheiden,<br />

die nicht in ihrer Muttersprache<br />

vorkommen, nimmt zwischen 6 und 12<br />

Monaten ab.<br />

Folie 37


11.11.08<br />

Meilensteine der Sprachentwicklung<br />

Aussprachefehler und metasprachliche Kompetenz<br />

• Wiederholen von Silben: Baba für Baby<br />

• Auslassung unbetonter Silben: Aff für Affe<br />

• Reduktion von Konsonantenverbindungen: tinken für trinken<br />

• „nicht sichtbare“ Konsonanten schwierig: g, k<br />

• Aber: metasprachliche Kompetenz: Fis-Phänomen (Fis für Fisch selbst<br />

gesprochen; andere werden „korrigiert“)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Folie 38


11.11.08<br />

Meilensteine der Sprachentwicklung<br />

lexikalische Entwicklung<br />

18 Monate: 50-Wort-Grenze erreicht: nun wird alles benannt und<br />

kategorisiert, zunächst soziale Wörter (winke winke), dann Objekte<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Typische Fehler in dieser Phase: Übergeneralisierung (Wauwau für<br />

alle Vierbeiner) und Überdiskriminierung (Flasche nur für<br />

Milchflasche)<br />

• ab 30 Monate: schnelles Lernen von Verben und relationalen Wörtern<br />

• 2 Jahre: 200 Wörter + täglich ca. 9 Wörter hinzu<br />

• Erstklässler: 10.000 Wörter<br />

• Jugendliche: ca. 60.000 Wörter<br />

Folie 39


11.11.08<br />

Meilensteine der Sprachentwicklung<br />

lexikalische Entwicklung<br />

Wirken von Lernbeschränkungen (constraints)<br />

– Ganzheitsbeschränkung: Benennung bezieht sich auf Objekt als<br />

Ganzes und nicht seine Teile oder Eigenschaften (Form-bias)<br />

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<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

– Taxonomische Beschränkung: neu erworbenes Wort bezieht sich<br />

auch auf andere Objekte der gleichen Kategorie, Probleme bei<br />

Objekten mit ähnlicher Form aber unterschiedlicher Funktion (Ball für<br />

alles, was rund ist, ≠ Ei)<br />

– Disjunktionsbeschränkung: ab 1,5 Jahre: neu erlerntes Wort<br />

bezieht sich auf das Objekt, das bislang noch „keinen Namen“ hat,<br />

jedes Objekt hat zunächst nur einen Namen, verhindert Ausweitung<br />

von Wortbedeutungen<br />

Folie 40


Einfluss von Vorlesen auf Worterwerb<br />

Eltern lasen Bücher vor<br />

und fragten Kinder über<br />

Inhalt<br />

Eltern lasen nur vor<br />

Entwicklung der Sprache<br />

Wichtig ist aktive Rolle beim<br />

Wortlernen, sonst werden<br />

unbekannte Worte einfach ignoriert<br />

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11.11.08 Folie 41<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Einfluss vom Fernsehen auf Worterwerb<br />

Entwicklung der Sprache<br />

„Sesamstrasse“ schauen im<br />

Alter von 3 Jahren hat<br />

positive Auswirkungen auf<br />

Wortschatzentwicklung;<br />

nicht mehr bei älteren<br />

Kindern<br />

Wichtig ist aktive Rolle beim<br />

TV gucken wie Sesamstrasse<br />

dies stimuliert, bei Cartoons<br />

Effekt nicht vorhanden<br />

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11.11.08 Folie 42<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


Sprachentwicklung im zweiten und drittem<br />

Lebensjahr<br />

• Die Lexikalische Entwicklung stellt eine der zentralen<br />

Entwicklungsaufgaben im zweiten Lebensjahr dar. Im gleichen<br />

Zeitraum beginnen die Kinder erste Wortkombinationen zu bilden und<br />

grammatische Regelhaftigkeiten zu verstehen. Zugleich beginnen die<br />

Kinder im gleichen.<br />

• Das dritte Lebensjahr ist besonders durch den Erwerb der<br />

grundlegenden Satzbaupläne und morphologische Paradigmen<br />

gekennzeichnet. Es erfolgt der Übergang von der „telegraphischen<br />

Sprache“ (Telegrammstil) zu ersten vollständigen Sätzen.<br />

Entwicklung der Sprache<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

11.11.08 Folie 43<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong>


11.11.08<br />

= Regeln, um Sätze zu bilden<br />

• Menschliches Bedürfnis, Grammatik zu lernen, ist intrinsisch motiviert<br />

• Früh grammatikalisches Wissen vorhanden: mit 16 Monaten können<br />

Säuglinge unterscheiden zwischen „Bär kitzelt Vogel“ vs. „Vogel kitzelt<br />

Bär“<br />

Meilensteine der Sprachentwicklung<br />

• Zwei-Wort-Sätze: Wortsequenzen, telegrafischer Stil,<br />

• ab 2,5 Jahren: Fragesätze<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Grammatikalische Entwicklung (Wortbildung, Satzbildung, Satzbedeutung)<br />

Folie 44


11.11.08<br />

Meilensteine der Sprachentwicklung<br />

• Beleg: Übergeneralisierung von Regeln, z.B. Vergangenheitsformen,<br />

Pluralbildung<br />

• Verlauf: erst allgemeine Regel erkennen, dann Ausnahmen lernen<br />

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<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Grammatikalische Entwicklung (Wortbildung, Satzbildung, Satzbedeutung)<br />

• „Preparedness“ : menschliches Gehirn ist auf diese Art von<br />

sprachlichem Lernen vorbereitet<br />

• Grammatik ist humanspezifisch: Primaten erlernen Wortbedeutungen,<br />

aber keine Grammatik<br />

• Grammatikerwerb hat eine sensible Phase, in der Lernen am<br />

besten/schnellsten geht<br />

• andere Hirnaktivitäten bei Grammatikerwerb im Vergleich zum<br />

Wortlernen<br />

Folie 45


11.11.08<br />

Sensible Phase für Spracherwerb<br />

Kinder, die lange in Isolation<br />

aufwuchsen und in der<br />

kritischen Phase keinen Kontakt<br />

zu Menschen hatten, entwickeln<br />

sich in ihrer Sprachfähigkeit<br />

meist nicht über die eines<br />

Kleinkindes hinaus.<br />

• „Wolfskind“ Viktor<br />

(Frankreich)<br />

• Genie (1970 in den<br />

USA)<br />

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<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Abschneiden im Grammatik-Test von Erwachsenen, die zu unterschiedlichen<br />

Zeitpunkten von China o. Korea in die USA migriert waren.<br />

Aus: Johnson & Newport, 1989<br />

Folie 46


11.11.08<br />

Bei der Entwicklung der pragmatischen Kompetenz geht es vor allem<br />

um den Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten des situations- und<br />

kontextadäquaten Gebrauchs der Sprache.<br />

Dies schließt sowohl den Aufbau soziokultureller Kenntnisse als auch<br />

das Wissen um die Gefühle und Bedürfnisse anderer ein. Die Sprache<br />

muss immer an einen bestimmten Kontext angepasst werden, z.B. an<br />

einen bestimmten Zeitpunkt, an einen bestimmten Ort, an eine<br />

bestimmte Intention, an einen bestimmten Partner (Franke 1998). Mit<br />

einem kleinen Kind wird man sich anders unterhalten, als wenn man<br />

seinen Arbeitgeber um eine Gehaltserhöhung bittet.<br />

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Entwicklung der Sprache<br />

Entwicklung der Pragmatisch-Kommunikativen<br />

Kompetenz<br />

Folie 47


11.11.08<br />

Entwicklung der Pragmatisch-Kommunikativen<br />

Kompetenz<br />

• 3-4 Monate: Säuglinge still, wenn Erwachsener mit ihnen spricht<br />

• 8-10 Monate: Kommunikation mittels Gesten<br />

• 2 Jahre: Sprechpausen werden genutzt<br />

• 3 Jahre: wenn Gegenüber nicht antwortet, wird Frage wiederholt<br />

• 4 Jahre: Kinder können Alter und Vorwissen des Gegenüber<br />

berücksichtigen<br />

• Achten auf Aufmerksamkeit des Gegenübers<br />

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Entwicklung der Sprache<br />

• Unklarheiten, Widersprüche in der Äußerung des Gegenübers werden bis<br />

ins Schulalter hinein nicht zuverlässig erkannt<br />

Folie 48


11.11.08<br />

Bedeutung individueller Unterschiede<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Normalerweise sagen westlich zivilisierte Kinder ihr erstes Wort mit<br />

etwa 12-13 Monaten, erleben den Vokabelspurt mit 18-19 Monaten und<br />

fangen im Alter von 24 Monaten an, einfache Sätze zu sprechen.<br />

Es findet sich jedoch eine enorme Variabilität in diesen Daten.<br />

Abweichungen in Richtung verzögerter Spracherwerb sind von daher<br />

nicht gleich problematisch, da spätere Aufholmöglichkeit besteht („late<br />

talkers“, „ late bloomers“). Dennoch sollte hier die Entwicklung<br />

besonders aufmerksam verfolgt werden.<br />

Folie 49


11.11.08<br />

Entwicklung der Sprache im Schulalter<br />

Sprachliche Fähigkeiten nehmen quantitativ und qualitativ zu<br />

Allgemein wächst das Verständnis für Wortbedeutungen, wobei<br />

individuelle Unterschiede jedoch sehr groß sind<br />

Wortschatz ist in den ersten 4 Schuljahren vorwiegend konkretgegenständlich<br />

Sprache und Erzählen wird kontextungebundener<br />

Temporalsätze werden seltener, Attributiv- und Kausalsätze häufiger<br />

Wichtige Einflussfaktoren<br />

• Intelligenz des Kindes<br />

• Sprachliches Vorbild der Familie<br />

• Schulische Förderung<br />

• Individuelle Sprachbegabung<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

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Entwicklung der Sprache<br />

Folie 50


11.11.08<br />

Die Sprache des Kindes bei Schuleintritt<br />

Wortschatz: ca. 20000 – 30000 Wörter (passiv)<br />

ca. 2000 – 3000 Wörter (aktiv)<br />

• Kind spricht in einfachen, meist unvollständigen Hauptsätzen;<br />

• Sprache enthält kaum abstrakte Hauptwörter, wenig Verben und<br />

Eigenschaftswörter<br />

• Dominant: Zeitliche Verknüpfung („und dann“)<br />

• „Kontextgebundene“ Sprache, ohne Einfühlung in den Zuhörer<br />

• „Objektivierung“ der Sprache wird möglich; d. h. Sprache kann zum<br />

Gegenstand der Betrachtung gemacht werden<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Folie 51


Theorien zum Spracherwerb<br />

11.11.08<br />

Zwei Theoriefamilien<br />

„Outside-in“-Theorien „Inside-out“-Theorien<br />

Annahme genereller Lernmechanismen Sprachlernen unterscheidet sich von<br />

Es gibt keine angeborenen<br />

Sprachvoraussetzungen<br />

zwei Varianten:<br />

• kognitive und<br />

• sozial-interaktive Theorien<br />

anderen Lernprozessen<br />

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<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Kind ist mit angeborenem<br />

sprachspezifischen Fähigkeiten<br />

ausgestattet<br />

Entwicklung der Sprache<br />

zwei Versionen:<br />

• Strake Version: Universalgrammatik<br />

• schwache Version: basiert auf<br />

empirischen Ergebnissen der<br />

Säuglingsforschung<br />

Folie 52


Theorien zum Spracherwerb<br />

11.11.08<br />

Biologische Grundlagen des Spracherwerbs<br />

Nach CHOMSKY: Biologisch bestimmt ist ein Regelapparat, durch<br />

den der Grammatikerwerb geleitet/kanalisiert wird<br />

(LAD = Language Acquisition Device)<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Andererseits jedoch ist die Rolle der sozialen Umwelt (Mutter-Kind-<br />

Dialoge) von großer Bedeutung<br />

Sprache hat ein lokalisierbares biologisches Substrat<br />

Folie 53


Theorien zum Spracherwerb<br />

11.11.08<br />

Spracherwerb als biologisch fundierter,<br />

eigenständiger Phänomenbereich<br />

(1) Spracherwerb ist humanspezifisch<br />

(2) Fähigkeit zum Spracherwerb ist beim Menschen sehr<br />

robust<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

(3) Sprachleistungen in der Kindheit werden nicht in gleicher Weise von<br />

denselben Hirnregionen vermittelt wie im Erwachsenenalter<br />

(4) Spracherwerb ist auch bei eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten<br />

möglich<br />

Folie 54


Theorien zum Spracherwerb<br />

11.11.08<br />

Theoretische Interpretationen des<br />

Spracherwerbs<br />

(1) Operante Konditionierung (SKINNER)<br />

Positive Verstärkung für Befolgen richtiger Regeln soll<br />

Sprachlernprozess formen<br />

Problem: Aufbau des grammatischen Systems und der<br />

Verständigungsfähigkeit wird nicht erklärt<br />

(2) Imitation (Nachahmung)<br />

Dieser Vorgang scheint wesentlich, kann jedoch für sich genommen<br />

den Vorgang des Spracherwerbs nicht völlig erklären<br />

Eigenkonstruktionen des Kindes spielen eine wichtige Rolle<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

Folie 55


Theorien zum Spracherwerb<br />

11.11.08<br />

Spracherwerb = Ergebnis sozialer<br />

Interaktionen?<br />

• Biologischer Einfluss wird nicht ausgeschlossen<br />

• Aber: Umwelt bereitet Sprache in ganz besonderer Weise auf, erleichtert damit<br />

Spracherwerb (Inhalt, Präsentation) (Bruner)<br />

• Basiert auf einfachen sozialen Prozessen, wie z.B. „joint attention“<br />

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<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

• Sprachangebot der Mutter und frühe sprachliche Interaktion sind zentral für spätere<br />

Entwicklung:<br />

– Ammensprache („baby-talk“)<br />

– Stützende Sprache („scaffolding“)<br />

– Lehrende Sprache („motherese“)<br />

Sprachlehrstrategien machen ca. 20-40% der Mutter-Kind-Interaktion aus<br />

• Ammensprache: auch Väter und ältere Geschwister benutzen sie<br />

(→ Chomsky: biologisch determiniert, hirnorganisch angelegt: language acquisition<br />

support system)<br />

• Semantische Steigbügelhalter-Hypothese: Wortbedeutung hilft, sich<br />

Grammatikalische Regeln<br />

Folie 56


Phonologische Gedächtnisfähigkeiten als Voraussetzung und<br />

Folge erfolgreichen Spracherwerbs<br />

11.11.08<br />

- Kinder verfügen von Geburt an über relativ leistungsfähiges<br />

Gedächtnissystem.<br />

Spracherwerb und Gedächtnis<br />

- Dem phonologischen (sprachgebundenen) Arbeitsgedächtnis kommt<br />

wichtige Rolle beim Wortschatzerwerb zu.<br />

- Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen haben häufig gravierende<br />

Defizite im Bereich des Arbeitsgedächtnisses.<br />

- Ab dem 5. Lebensjahr scheint sich die Wirkrichtung insofern umzu-<br />

kehren, als nun der Wortschatzerwerb späteres Gedächtnis vorhersagt.<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

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Entwicklung der Sprache<br />

Folie 57


11.11.08<br />

Denken und Sprechen<br />

1. Denkentwicklung determiniert Sprachentwicklung (Piaget)<br />

• Symbolfunktion als Vorrausetzung für Sprachentwicklung<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

<strong>Vorlesung</strong>: <strong>Pädagogische</strong> <strong>Psychologie</strong> <strong>III</strong><br />

Entwicklung der Sprache<br />

2. Denk- und Sprachentwicklung beeinflussen sich gegenseitig (Wygotski)<br />

3. Annahme: Sprachentwicklung prägt Denkentwicklung (Whorf)<br />

• Semantische Kategorien als Hinweis<br />

– Denken als inneres Sprechen<br />

– Benennungen von Kategorien erleichtern Erwerb von Konzepten<br />

– Erwerb von Konzepten erleichtert Benennung von Kategorien<br />

Folie 58


11.11.08<br />

Zusammenfassung<br />

(1) Die Sprache ist humanspezifisch und hat eine biologische<br />

Basis<br />

(2) Das Kind ist für den Spracherwerbsprozess vorbereitet; ein<br />

wichtiger Schlüssel für das Verständnis dieses Prozesses<br />

befindet sich demnach in der Zeit davor<br />

(3) Ohne eine sprachliche Umwelt wäre der Erwerbsprozess nicht<br />

möglich<br />

(4) Die inneren Voraussetzungen des Kindes und die äußeren<br />

Umweltfaktoren müssen in optimaler Weise im Sinne einer<br />

gelungenen Passung zusammenwirken<br />

Prof. Dr. Wolfgang Schneider<br />

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Entwicklung der Sprache<br />

Folie 59

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