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Uferrenaturierungen am Bodensee - Baden-Württemberg

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1 Einleitung<br />

Gewässerdirektion<br />

SÜDLICHER OBERRHEIN/HOCHRHEIN<br />

Bereich Rottweil<br />

<strong>Uferrenaturierungen</strong> <strong>am</strong> <strong>Bodensee</strong><br />

Der <strong>Bodensee</strong> wird in der von ihm geprägten Region meist nur der „See“ genannt und übt eine große<br />

Faszination auf die Menschen auch im weiteren Umfeld aus. Mit dem 500 km² großen Obersee und<br />

dem 72 km² großen Untersee verbindet er <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong>, Bayern, Österreich und die Schweiz.<br />

Der See entstand während der letzten beiden Eiszeiten vor über 15.000 Jahren und wurde durch den<br />

mächtigen Rheingletscher und dessen Schmelzwasser eingetieft, so dass heute sein Becken vor<br />

Friedrichshafen bis zu 254 m Tiefe erreicht. Sein Einzugsgebiet wird größtenteils vom Alpenrhein erschlossen<br />

und erstreckt sich in die Alpen der Schweiz, Liechtensteins, Österreichs bis hin in einen<br />

kleinen Bereich Italiens. Aus dem näheren Seeumfeld münden auf deutscher Seite Flüsse wie Argen,<br />

Schussen und Hegauer Aach.<br />

Der Wasserhaushalt des <strong>Bodensee</strong>s<br />

wird durch den in den Obersee mündenden<br />

Alpenrhein dominiert, der über<br />

den sogenannten Seerhein bei Konstanz<br />

in den Untersee weiterfließt und<br />

als Hochrhein den See wieder verlässt.<br />

Entsprechend der jahreszeitlichen Abflussdyn<strong>am</strong>ik<br />

zeigen sich mit dem<br />

sommerlichen Hochwasser und dem<br />

winterlichen Niedrigwasser natürliche<br />

Wasserspiegelschwankungen mit etwa<br />

zwei Metern, bei Extremereignissen<br />

wie im Mai 1999 bis zu drei Metern<br />

Differenz.<br />

Bild 1 Der <strong>Bodensee</strong> (Internationale Gewässerschutzkommission für den <strong>Bodensee</strong>)<br />

Anlass sich mit der Verbesserung von Wassergüte und Strukturen <strong>am</strong> <strong>Bodensee</strong> zu befassen war die<br />

bis 1980 stark angestiegene Nährstoffbelastung (Phosphor und Nitrat). Insbesondere im Hinblick auf<br />

die Funktion des <strong>Bodensee</strong>s als Trinkwasserlieferant waren dauerhafte internationale Aktivitäten hilfreich,<br />

um weitere Verschlechterungen zu verhindern und Verbesserungen zu bewirken. Mit dem Bau<br />

und der Optimierung von Kläranlagen <strong>am</strong> Seeufer<br />

und im Einzugsgebiet und der Verminderung<br />

von Einträgen aus der Landwirtschaft<br />

konnte die Wasserqualität wieder erheblich verbessert<br />

werden, wobei der ständige Wasseraustausch<br />

durch den Rhein die schnelle Restaurierung<br />

zusätzlich förderte.<br />

Geblieben ist die Problematik der strukturellen<br />

Defizite teils <strong>am</strong> See selbst mit den Uferzonen<br />

und den davor befindlichen Flachwasserzonen,<br />

teils aber auch an den ihm zufließenden Fließgewässern.<br />

Hiermit hängt wiederum die Sicherung<br />

und Steigerung der Selbstreinigungskraft<br />

des Gewässers sowie Erhalt und Förderung von<br />

natürlichen Lebensgemeinschaften zus<strong>am</strong>men.<br />

Bild 2 Verlauf des Phosphorgehalts (Internationale Gewässerschutzkommission für den <strong>Bodensee</strong>)


2 Die Bedeutung der Flachwasserzone und Sanierungsmöglichkeiten<br />

2.1 Die biologische Bedeutung<br />

2<br />

Die Flachwasserzone liegt als schmaler, teilweise aber auch kilometerbreiter Wasserstreifen zwischen<br />

Uferbereich und Tiefenzone des Sees. Durch die geringe Tiefe herrschen in dieser Zone günstige<br />

Lebensbedingungen mit relativ viel Licht, höheren Temperaturen, erhöhtem Nährstoff- und Sauerstoffangebot.<br />

Ein wesentlicher Anteil der Wasserreinigung erfolgt in der Flachwasserzone, da nur hier<br />

hohe Stoffumsatzraten erreicht werden. Auch die das Ufer an vielen Stellen säumenden Schilfgebiete<br />

bieten günstigen Lebens-, Laich und Rückzugsraum für viele Lebewesen. Folge ist, dass die Ufer- und<br />

Flachwasserzone des <strong>Bodensee</strong>s eine hohe Vielfalt und Menge an Organismen beherbergt und somit<br />

einen wichtigen Puffer- und Regenerationsraum schafft.<br />

Bild 3 Schilfröhrichte auf der Halbinsel Mettnau (D. Schmidt)<br />

2.2 Nutzungen<br />

Zentrale Bedeutung für die biologischen und chemischen<br />

Prozesse hat die Flachwasserzone, der<br />

ca. 17 % der ges<strong>am</strong>ten Seefläche zugerechnet<br />

werden können. Die natürliche Abgrenzung durch<br />

die Haldenkante liegt in bis zu 10 m Tiefe; vereinfachend<br />

wurde im <strong>Bodensee</strong>uferplan von 1984 des<br />

Regionalverbands Hochrhein-<strong>Bodensee</strong> die Tiefenlinie<br />

von 390 m + NN als die seeseitige Grenzlinie<br />

definiert. Der <strong>Bodensee</strong>uferplan teilt die<br />

Flachwasserzone in drei Kategorien ein und definiert<br />

die jeweiligen Grundsätze und Ziele.<br />

Ausgehend von den zahlreichen historischen Pfahlbausiedlungen ist die Ufer- und Flachwasserzone<br />

in zunehmendem Maße zu einer Lebensgrundlage für den Menschen geworden. So wird schon seit<br />

Jahrhunderten bis in unsere Zeit hinein Fischerei betrieben, insbesondere ufernah, da gerade in diesen<br />

Bereichen sehr ergiebige Fischgründe vorhanden sind.<br />

Neben der Fischerei liegt die bedeutendste Nutzung heutzutage in der Entnahme unseres lebenswichtigen<br />

Trinkwassers. Etwa 20 Entnahmestellen sind vorhanden, die meist unmittelbar an die Flachwasserzone<br />

angrenzen und rund um den See fast 5 Millionen Menschen versorgen.<br />

Weit belastender wirken sich für die Flachwasserzonen Uferverbauungen und Anlagen aus, die durch<br />

intensive Nutzungen für Wohnen, Verkehr, Industrie, Gewerbe und Freizeit entstanden sind. An vielen<br />

Stellen sind Ufermauern zur Landgewinnung, Uferpromenaden, Steg- und Hafenanlagen vorhanden.<br />

So sind ca. 42 % des baden-württembergischen Ufers mit Mauern oder gemauerten Böschungen verbaut.<br />

2.3 Bewertung der heutigen Situation<br />

In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die Ufer durch massive Gewässerverbauungen<br />

nachhaltig beeinträchtigt und geschädigt werden. Neben den direkten Zerstörungen durch bauliche<br />

Anlagen kommt es vielerorts zu Erosion, Verschl<strong>am</strong>mung, Schilfschäden durch Wellen, Treibgut und<br />

Trittschäden. Gerade die natürlichen Ufer haben sich in einem jahrhundertelangen Anpassungsprozess<br />

in Böschungsneigung, Substratzus<strong>am</strong>mensetzung und Geschiebehaushalt mit dem natürlichen<br />

Wellen- und Strömungsregime eingespielt. Sie nehmen den Wellen sanft die Energie und lassen sie<br />

auslaufen, statt sie an Mauern zu reflektieren und aufzubauen. Durch die größeren zurückgeworfenen<br />

Wellen wird das Schilf zusätzlich von hinten belastet und bricht. Schilfrückgang vor verbauten Ufern<br />

wird häufig beobachtet.


3<br />

Zudem werden viele kleinräumigen Strömungsverhältnisse verändert, wo Ufermauern, Hafenanlagen<br />

oder Stege gebaut werden. Seeströmungen werden an Mauern entlang kanalisiert und führen in<br />

Nachbarbereichen zu Erosion. Dadurch brechen Ufermauern ab und Flora und Fauna in den vorgelagerten<br />

Zonen und Uferabschnitten wird beeinträchtigt. Manche Häfen verschl<strong>am</strong>men durch Ablagerungen,<br />

während an anderen Stellen bronzezeitliche Pfahlbausiedlungsreste freigelegt werden und<br />

verrotten, wenn sie nicht sofort geschützt werden.<br />

Trotz der inzwischen zufriedenstellenden Situation hinsichtlich der Wasserqualität ist also der aktuelle<br />

strukturelle Zustand unbefriedigend und widerspricht den langfristig angelegten und umfassenden<br />

Zielen.<br />

2.4 Renaturierungskonzept<br />

Das Land <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> hat der Sanierung des <strong>Bodensee</strong>ufers eine besondere Priorität verliehen.<br />

Im Rahmen eines Ökologieprogr<strong>am</strong>mes sollen Uferverbauungen beseitigt und die Ufer naturnah<br />

gestaltet werden, wobei versucht wird, vorhandene<br />

Einrichtungen und Nutzungen bei der Neugestaltung<br />

und Renaturierung mit zu berücksichtigen.<br />

Die Baumaßnahmen bedürfen der entsprechenden<br />

wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren<br />

und basieren auf den Vorgaben des <strong>Bodensee</strong>uferplans.<br />

Im allgemeinen bedeutet eine Renaturierung das<br />

Herstellen eines flachen Uferbereiches in der<br />

Wasserwechselzone durch eine Vorschüttung mit<br />

Kies und die Entfernung der harten Uferverbauungen.<br />

Zur Sicherung des flachen Bereiches wird<br />

ein Böschungsfuss aus gröberem Material eingebaut.<br />

Vordringlich konzentrieren sich die Maßnahmen<br />

auf Bereiche mit gutem ökologischen<br />

Entwicklungspotential.<br />

Bild 4 Renaturierungsprinzip für mauerverbaute<br />

Uferabschnitte (Institut für Seenforschung<br />

der Landesanstalt für Umweltschutz)<br />

3 Beschreibung der Maßnahme „Renaturierung Mettnaukur“<br />

3.1 Lage des Renaturierungsgebietes<br />

Das Renaturierungsgebiet befindet sich auf der Halbinsel Mettnau der Stadt Radolfzell und liegt <strong>am</strong><br />

Nordufer des Zeller Sees. Die Halbinsel reicht über drei Kilometer weit in den Untersee hinein und<br />

trennt den Gnadensee vom Zeller See. Sie ist in weiten Bereichen Naturschutzgebiet und mit großen<br />

Bild 6 und 7 Kurgelände Mettnau, Ausgangssituation im Sommer bzw. Winter 1998 (GwD Bereich<br />

Rottweil)


4<br />

geschlossenen Schilfflächen bedeckt. Allerdings befindet sich der Radolfzeller Stadtteil Mettnau auf<br />

der Halbinsel, wozu auch Strandbad und Kurzentrum gehören.<br />

Der Renaturierungsabschnitt erstreckt sich auf einem ca. 400 m langen Uferabschnitt vor dem Kurgelände<br />

„Mettnaukur“ und liegt auf dem Grundstück des Kurbetriebes. Der <strong>Bodensee</strong>uferplan des Regionalverbands<br />

weist dieses Gebiet als öffentliche Grün- und Erholungsfläche und die vorgelagerte<br />

Flachwasserzone als Schutzzone II aus. Die Renaturierung ist ein Teilbereich von mehreren nebeneinanderliegenden<br />

und zeitlich aufeinander folgenden Vorhaben <strong>am</strong> Südufer der Mettnau.<br />

3.2 Die Maßnahme<br />

Mit Ufermauern, Betonzugängen und gemauertem Böschungsverbau waren die Ufer verbaut, eine<br />

harte und definierte Uferlinie begrenzte die Wasserfläche. Die ökologisch wichtige Wasserwechselzone<br />

mit dem <strong>am</strong>phibischen Übergang Wasser - Land war zerschnitten oder überhaupt nicht vorhanden.<br />

Sämtliche Mauern, Stege, Treppen, aber auch Gebäude, Bäume und Hecken wurden aufgenommen<br />

und vermessen. Die daraus entstandenen Lagepläne und Querschnitte bildeten die Grundlage für die<br />

Planung des Ingenieurbüros. Entsprechend dem allgemeinen Renaturierungskonzept war die Beseitigung<br />

der baulichen Anlagen vorgesehen. Die hart verbaute Uferlinie sollte durch eine weichere natürliche<br />

ersetzt und mit einer flachen Böschung naturnah gestaltet werden. Für die im Zuge der Renaturierung<br />

gefällten Bäume (meist Pappeln) wurden Ersatzpflanzungen mit standorttypischen Gehölzen<br />

geplant.<br />

Bilder 8 und 9 Arbeiten an der Böschungsoberkante und <strong>am</strong> flachen Uferkörper im März 2000 (GwD<br />

Bereich Rottweil)<br />

Die baulichen Anlagen wurden komplett abgebrochen. Mineralboden wurde als Grundlage eingebracht<br />

und danach der neue Uferbereich durch Überschüttung mit Kies von der Böschungsoberkante<br />

bis zum Böschungsfuss hergestellt. Dieses Bodenmaterial wurde mit einer sehr flachen Neigung von<br />

1:12 bis 1:16 eingebaut. Die Kiesschichtdicke beträgt ca. 50 cm, wobei das Material bis zu 16 mm<br />

stark ist.<br />

Unterhalb der Wasserwechselzone mit dem relativ feinen Material wurde ein Wackensteinriegel als<br />

Böschungsfuss eingebaut. Dieser sorgt mit seinem gröberen Material (80 bis 120 mm) auch bei stärkerem<br />

Wellengang für Stabilität.<br />

Neben der Neupflanzung von einigen Bäumen wurde oberhalb der mittleren Hochwasserlinie Rasensaat<br />

ausgebracht und in einem ca. 25 m breiten Bereich in der Wasserwechselzone Schilfpflanzungen<br />

vorgenommen. Die Schilfpflanzung wurde mit einem einfachen Holzzaun gegen Betreten geschützt<br />

und wird von der Gewässerdirektion beobachtet und bei Bedarf gepflegt.<br />

Start der Planungen war im August 1999. Nach längeren Diskussionen im Gemeinderat stimmte dieser<br />

der Planung zu. Der Betreiber des Kurbetriebes unterstützte als Grundstücksbesitzer die Maßnahme<br />

ausdrücklich. Nächster Schritt war die Genehmigung durch die Wasserrechtsbehörde im<br />

Herbst 1999, so dass man im Februar 2000 mit dem Bau beginnen konnte. Die Baumaßnahme wurde


5<br />

nach ca. 2 Monaten Bauzeit beendet. Insges<strong>am</strong>t beliefen sich die Kosten auf ca. 355.000 DM (entspricht<br />

ca. 180.000 €). Träger der Maßnahme war die Gewässerdirektion Bereich Rottweil.<br />

3.3 Zwischenbilanz nach zwei Jahren<br />

Im März 2002, also fast genau zwei Jahre nach Fertigstellung ist ein - für Nichteingeweihte – natürliches<br />

Ufer vorhanden. Die flache kiesige Uferzone ist teilweise mit der charakteristischen kargen Vegetation<br />

bedeckt. Das feinere Material des Ufers geht über in den Böschungsfuss aus dem gröberen<br />

Material und entspricht der Zus<strong>am</strong>mensetzung eines natürlichen Ufers. Die Schilfpflanzungen haben<br />

sich etabliert und sind inzwischen nicht mehr eingezäunt.<br />

Bild 10 und 11 Kurgelände Mettnau, nach 2 Jahren im März 2002 (GwD Bereich Rottweil)<br />

Heute gewinnen die Anlieger und Kurgäste dem neuen Erscheinungsbild viel Positives ab. Nicht zuletzt<br />

dient diese Stelle immer wieder als Beispiel um Beteiligten an neuen Uferrenaturierungsprojekte<br />

das wiedergewonnene naturnahe Erscheinungsbild des <strong>Bodensee</strong>ufers zu zeigen.<br />

4 Ausblick<br />

In sämtlichen <strong>Bodensee</strong>anliegerstaaten wurden inzwischen Renaturierungsmaßnahmen mit einer<br />

Ges<strong>am</strong>tlänge von über 25 km durchgeführt.<br />

Viele positive Rückmeldungen<br />

überlagern sich allerdings mit<br />

den weiterhin vorhandenen<br />

Nutzungsansprüchen. Es bestehen<br />

Wünsche Hafenanlagen,<br />

Bootsliegeplätze an Stegen,<br />

Gebäude oder Ufermauern<br />

zu erweitern oder zu erstellen.<br />

Internationale Gremien für<br />

den <strong>Bodensee</strong> müssen daher<br />

weiterhin ein einheitliches Vorgehen<br />

abstimmen und gemeins<strong>am</strong><br />

mit den nationalen Behörden<br />

und Naturschutzverbänden<br />

über die Summationseffekte<br />

der vielen kleinen Einzelmaßnahmen<br />

aufklären.<br />

Bild 10 Stand der <strong>Uferrenaturierungen</strong> (Institut für Seenforschung der Landesanstalt für<br />

Umweltschutz)<br />

Zentrales Ziel ist auch in Zukunft nach der Gewässergüte nun vor allem die Uferstrukturen für einen<br />

nachhaltig guten Zustand des <strong>Bodensee</strong>s zu verbessern.<br />

Oliver Stenzel<br />

GwD Südlicher Oberrhein/Hochrhein, Bereich Rottweil

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