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Die weiße Wand<br />
Bea Grichting<br />
Er stand zwischen Himmel und Erde; auf einem<br />
Berg, der das unendliche Blau zu berühren<br />
schien. Von der Erdanziehungskraft entzogen zu<br />
sein, guckte er hinunter in die Tiefe, beschwingt<br />
von einem unendlichen Glücksgefühl. Eine<br />
unberührte weiße Schneewand blendete seine<br />
Augen, welche bei ihrem Anblick zu strahlen<br />
anfingen. Das war sie! Sie, für welche er all die<br />
Mühsal der vergangenen Stunden auf sich<br />
genommen hatte. Die Schmerzen an den Füßen<br />
ließen ihn Schritt für Schritt das Leid der<br />
Gepeinigten spüren, doch von einer<br />
unerklärlichen Sehnsucht nach ihr, wurde er<br />
vorangetrieben. Pausenlos, dem Atemgeräusch<br />
horchend, bis zu den Hüften einsinkend kämpfte<br />
er sich durch den Schnee hoch und er sah wie<br />
der große Gipfel vor seinen Augen immer<br />
kleiner wurde. Kleiner und erreichbarer bis er<br />
schlussendlich oben war. Er gönnte sich keine<br />
Minute Pause, sondern trat mit klopfendem<br />
Herzen ehrfurchtsvoll auf sie zu, wie vor eine<br />
Gottheit, welche er mit seinem Blick zu<br />
bezwingen versuchte, bis sie zu seinen Füßen<br />
lag. In seinen Augen brannte das Feuer bei<br />
ihrem Anblick, er horchte. Unberührt und<br />
umhüllt von einer Stille zog sie sich ins Tal. In<br />
Gedanken zeichnete er ihr, wie auf einer<br />
Leinwand seine Handschrift auf. Schwung für<br />
Schwung, das unbeschreibliche Hochgefühl in<br />
seinem Körper verspürend. Wird sie ihn halten?<br />
Oder wird er mit ihr über den felsendurchsetzten<br />
Hang in die Tiefe gerissen, wo sie ihn mit ihren<br />
Schneemassen begräbt? Der Unvernunft frönend<br />
verwarf er jegliche Gedanken, welche die Anzeichen der Gefahr für sein Abenteuer darzustellen schienen. Sein<br />
Wunsch, der Schwerkraft zu entfliehen und sich in das tiefe kostbare Weiss hineinzuwerfen, war größer als die<br />
Warnmeldungen der Lawinenbulletins der letzten Tagen. War er nicht doch im Stress des grauen Alltags bis zur<br />
Leblosigkeit eingemauert? Nun endlich spürte er wieder sein Herz schlagen und sein Blut zirkulieren. Warum<br />
sollte er den Tod, welcher die weiße Schneewand zu einem schwarzen Sarg zu verwandeln vermochte, fürchten?<br />
Er guckte zum Horizont, wo Himmel und Erde sich berührten und wo die unendliche Grenzenlosigkeit beginnt.<br />
Eine Spur schlängelte sich zum Berggipfel hoch, zog in den unbefahrenen weißen Hang hinein und begann wie<br />
ein Schriftzug eine Geschichte eines Unbekannten auf einer unbeschriebenen weißen Wand zu erzählen. –<br />
La montagna<br />
Armida Ryser-Demarta<br />
Quando<br />
Sul monte<br />
Il sole<br />
Sorrideva al mondo,<br />
l’uomo solitario,<br />
passo, passo<br />
saliva alla vetta<br />
accarezzando con gli occhi,<br />
l’Universo!<br />
Fiori azzurri,<br />
tra le rocce<br />
che parlano nell’aria;<br />
immobili<br />
ma vivi !<br />
Il masso, si stacca rotolando<br />
a valle,<br />
con la ribellione<br />
suggerita della libertà !<br />
Si, perché in montagna<br />
La Libertà … vive !!<br />
FORUM ALPINUM Nr. 2/02 20