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Sommer - SGGM

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Höhenmedizin im Tiefland:<br />

Atemnot in der Klima-Kammer<br />

Tommy Dätwyler<br />

Ein Schweizer Arzt arbeitet in Heidelberg (D) an<br />

einer internationalen Lungenödem-Datenbank<br />

Der Schweizer Höhenmediziner, Arzt und<br />

Alpinist Peter Bärtsch will herausfinden, ob das<br />

bei Bergsteigern gefürchtete Höhenlungenödem<br />

auf eine nachweisbare Überempfindlichkeit der<br />

Lungengefässe zurückzuführen ist und sogar<br />

vererbt werden kann. Dazu dreht der Forscher<br />

in der Klimakammer regelmässig Alpinisten den<br />

Sauerstoffhahn zu und simuliert so rasche<br />

Aufstiege in grosse Höhen.<br />

Gipfelerlebnisse in extremen Höhen stellen für<br />

immer mehr Alpinisten eine grosse<br />

Herausforderung dar. Eine grosse Gefahr ist –<br />

neben anderen Risikofaktoren – auch bei gut<br />

trainierten Bergsteigern das Höhen-Lungenödem,<br />

bei dem sich die Lunge mit Flüssigkeit füllt. Vor<br />

Jahresfrist haben die beiden Schweizer Ärzte, Prof.<br />

Peter Bärtsch (Universitätsklinik Heidelberg, D)<br />

und PD Marco Maggiorini (Universitätsklinik<br />

Zürich) nach jahrelanger Forschungsarbeit<br />

überraschend den Mechanismus des<br />

Höhenlungenödems durchschaut. Sie konnten<br />

beweisen, dass das Lungenödem nicht auf eine<br />

Entzündungsreaktion, sondern auf einen überhöhten<br />

Druck in den Lungengefässen zurückzuführen ist.<br />

Die Hintergründe, die zu einem Lungenödem<br />

führen, sind aber bis heute unbekannt. Mit einer<br />

neuen, gross angelegten Studie will nun der<br />

hartnäckige und bergerfahrene Peter Bärtsch auch<br />

die Ursache der gefährlichen Bergsteigerkrankheit<br />

lüften. Bärtsch will als Forscher verstehen und als<br />

Arzt eine neue Dienstleistung begründen.<br />

Die einen trifft’s – die anderen nicht<br />

Der Grat beim Höhenbergsteigen ist schmal:<br />

Während die einen trotz schnellem Aufstieg<br />

Höhenexpositionen über 3000 Meter über Meer<br />

ohne Beschwerden meistern, leiden andere<br />

Alpinisten schon ab 2500 Metern überraschend am<br />

lebensbedrohenden Höhen-Lungenödem. Als<br />

Chefarzt der Abeilung Sportmedizin an der<br />

Universitätsklinik Heidelberg (D) arbeitet Peter<br />

Bärtsch seit Jahren an der Entschlüsselung des<br />

Krankheitsbildes. Als wichtigstes Hilfsmittel steht<br />

seinem Forscherteam in Heidelberg eine<br />

Klimakammer (Hypoxie-Raum) zur Verfügung.<br />

Mit Hilfe eines Stickstoff-Generators kann darin<br />

der Sauerstoffgehalt der Atemluft von normal 21 %<br />

auf 12 % reduziert und so ein Aufenthalt in 4600<br />

Metern Höhe simuliert werden, ohne die<br />

Versuchspersonen zu gefährden.<br />

Klimakammer als Ausgangspunkt<br />

Bei seinem jüngsten Forschungsprojekt kann sich<br />

Bärtsch, der seine Ausbildung zum Internisten an<br />

den Universitätsspitälern Zürich, Basel und Bern<br />

absolviert hat, auf freiwillige Versuchspersonen aus<br />

Deutschland und der Schweiz abstützen. Gegen 100<br />

Bergsteigerinnen und Bergsteiger, die sich bereits<br />

früher für höhenmedizinische Feldversuche im<br />

Monte-Rosa-Massiv zur Verfügung gestellt haben,<br />

waren in den letzten Monaten wieder bereit, sich als<br />

Testperson an der Forschungsarbeit der<br />

Heidelberger Uni-Klinik zu beteiligen. Sie haben<br />

freiwillig ein zweitägiges Testprogramm in Kauf<br />

genommen und so dem Forscherteam ermöglicht,<br />

die Auswirkungen des Sauerstoffmangels auf die<br />

Lungengefässe zu studieren und die<br />

dazugehörenden Daten langfristig zu sichern.<br />

Um die Mechanismen zu klären, die bei einem<br />

Aufstieg in grosse Höhen schliesslich zum<br />

Lungenhochdruck führen, haben Bärtsch und sein<br />

Team bei allen Probanden mittels Ultraschall<br />

(Doppler-Echokardiographie) den Druck in den<br />

Lungenarterien gemessen. Die Daten wurden<br />

einmal unter Belastung auf dem Ergometer (mit<br />

normaler Umgebungsluft) und ein zweites Mal nach<br />

einem zweistündigen Aufenthalt in der<br />

Klimakammer, in welcher der Sauerstoffgehalt auf<br />

12 % reduziert wurde, erhoben.<br />

Der Anstieg des Lungenarteriendruckes nach<br />

Belastung mit und ohne Sauerstoffmangel soll, so<br />

hoffen die Forscher, schliesslich Hinweise auf die<br />

Lungenödem-Anfälligkeit der Alpinisten geben.<br />

Weitere Messreihen zur Atmungssteigerung bei<br />

einer raschen Reduktion des Sauerstoffgehaltes, zur<br />

Dehnbarkeit der Lunge sowie über das individuelle<br />

Lungenvolumen ergänzen das umfassende<br />

Untersuchungsprogramm.<br />

Ziel der jüngsten Studie von Peter Bärtsch ist es, all<br />

diese Merkmale bei einer möglichst grossen Zahl<br />

von Probanden zu kontrollieren und so die<br />

Erkennung von Höhenlungenödem-anfälligen<br />

Probanden entscheidend zu verbessern. Um<br />

Vergleichsmöglichkeiten zu haben, wurden sowohl<br />

Bergsteiger mit Ödem-Erfahrung als auch solche<br />

ohne bekannte Ödemanfälligkeit in die Studie<br />

miteinbezogen. Die neu erhobenen Messreihen<br />

sollen aber auch den Grundstein für eine<br />

krankheitsspezifische Datenbank setzen. Später<br />

sollen Forscher aus der ganzen Welt ihre Daten<br />

zum Problemkreis Höhenlungenödem im<br />

Heidelberger Register ablegen und gegenseitig<br />

profitieren können.<br />

Gefährdete Alpinisten frühzeitig erkennen?<br />

Mit der gross angelegten Heidelberger<br />

Datensammlung will der leidenschaftliche<br />

Bergsteiger Peter Bärtsch die Voraussetzungen<br />

dafür schaffen, dass Lungenödem-anfällige<br />

Personen in Zukunft sicher charakterisiert und<br />

gezielt prophylaktisch behandelt oder mindestens<br />

vorgewarnt werden können. Rund fünf Prozent aller<br />

Alpinistinnen und Alpinisten reagieren gemäss<br />

FORUM ALPINUM Nr. 2/02 14

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