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Das Pepita-Virus

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Seit dem späten 19. Jahrhundert sind <strong>Pepita</strong>-<br />

Muster virulent. Sie kommen, breiten sich epidemisch<br />

aus, verschwinden wieder, um an anderer<br />

Stelle wieder aufzutauchen. Ihre Wirkung hat eine ungewöhnliche<br />

Bandbreite: von kleinkariert bis großkariert,<br />

konservativ bis schillernd. Derzeit erreicht die Ausbreitung<br />

des <strong>Pepita</strong>-<strong>Virus</strong> einen Höhepunkt: Es findet sich<br />

nicht nur auf Stoffen, sondern auf allem wieder, was sich<br />

bedrucken lässt. Zum ersten Mal beschäftigt sich eine<br />

Ausstellung mit Herkunft, Produktionsweise und Verbreitung<br />

dieses Musters.<br />

Die Frage nach der Definition dieses Webmusters wird<br />

selbst in der Fachliteratur widersprüchlich beantwortet.<br />

Meist wird auch das eng verwandte Hahnentritt-Muster<br />

als <strong>Pepita</strong> bezeichnet. Zahlreiche Stoffproben in der Ausstellung<br />

zeigen die Variantenvielfalt dieser Webmuster<br />

und veranschaulichen ihre technische Konstruktion. Die<br />

Produktion eines <strong>Pepita</strong>-Musters auf einem Handweb-<br />

Historische Musterbücher und Entwurfszeichnungen<br />

aus Bramsche<br />

(Fotos: Privat)<br />

stuhl sowie museumspädagogische<br />

Modelle machen den<br />

komplizierten Webvorgang<br />

begreifbar.<br />

Im Französischen und Portugiesischen<br />

wird die enge<br />

Verwandtschaft beider Muster<br />

auch in ihrer Bezeichnung deutlich: pieds-de-poule<br />

‚Hennentritt‘ bzw. pieds-de-coq ‚Hahnentritt‘ und<br />

pé-de-galinha ‚Hennentritt‘ bzw. pé-de-galo ‚Hahnentritt‘.<br />

Wie es im deutschsprachigen Raum zur Bezeichnung<br />

als <strong>Pepita</strong>-Muster kam, ist nicht überliefert. Als<br />

Namenspatin gilt die spanische Tänzerin <strong>Pepita</strong> de Oliva<br />

(1830–1900), die Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland<br />

große Erfolge feierte. <strong>Das</strong> Muster selbst ist sehr viel<br />

älter. Erste Varianten finden sich bereits auf dem mehr als<br />

2000 Jahre alten Textilfund von Gerumsberg (Schweden).<br />

Als Metapher steht <strong>Pepita</strong> im politischen Diskurs der<br />

letzten Jahrzehnte für kleinkarierte Engstirnigkeit. In der<br />

Mode ist die Bandbreite der Wirkung<br />

dieser Muster sehr viel größer.<br />

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

Kindermode der Nachkriegszeit<br />

(Foto: Privat)<br />

Aktuelle Kindermode (Foto: Kröger)<br />

Textilfund aus Gerumsberg, Schweden<br />

(Foto: Gabriel Hildebrand, National<br />

Historical Museum, Stockholm)<br />

Evelyn Sitter, Pepition 2011<br />

(Foto: Jonas Lindström)<br />

sind sie ein zentrales Modethema: von Coco Chanel über<br />

Christian Dior bis zu Salvatore Ferragamo, in dessen<br />

Hahnentritt-Kollektion sich die Pop-Sängerin Lady Gaga<br />

2011 von Kopf bis Fuß stylte.<br />

Barbara Esser & Wolfgang Horn,<br />

„Totenkopf“-Anzug und Stoffprobe,<br />

1994 (Fotos: Johannes Breitkopf)<br />

<strong>Pepita</strong>-Hut von Konrad Adenauer,<br />

Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-<br />

Haus (Foto: Odehnal / StBKAH)<br />

Von konservativem Unterstatement bis zu eleganter<br />

Extravaganz, von Konrad Adenauer bis Marilyn Monroe<br />

– ab den 1950er Jahren kam keiner an <strong>Pepita</strong> vorbei. Wie<br />

ein <strong>Virus</strong> sprang das Muster auf unzählige Alltagsobjekte<br />

über: von der Kakaokanne über das Schokoladenpapier<br />

bis zum Feuerzeug und Taschenmesser. Nur auf Fernsehbildschirmen<br />

sorgen die optischen Eigenschaften für<br />

ein flimmerndes Bild und sind entsprechend unbeliebt.<br />

Für zahlreiche Künstler ist aber gerade dieser Effekt eine<br />

Inspirationsquelle.<br />

Gewebt, gedruckt oder gezeichnet:<br />

<strong>Pepita</strong> ist immer wieder aktuell.<br />

Hundemode, 2012 (Foto: Privat)<br />

Ausstellung, Begleitschrift und Begleitprogramm<br />

werden gefördert durch den Landschaftsverband<br />

Osnabrücker Land e.V. und das<br />

Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft<br />

und Kultur, die Niedersächsische Sparkassenstiftung<br />

und die Kreissparkasse Bersenbrück<br />

sowie den Förderverein Tuchmacher Museum<br />

Bramsche e.V.<br />

Kakao-Kanne, 1960er Jahre<br />

(Foto:Privat)<br />

Modezeichnung, 1958 (aus:<br />

Anne Tyrell, Changing trends<br />

in Fashion, London 1986)

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